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Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) - rehmnetz.de

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<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>)<br />

i.d.F. vom 2.1.2008 (BStBl. I S. 26),<br />

zuletzt geän<strong>de</strong>rt durch BMF-Schreiben vom 31.1.2013 (BStBl. I S. 118)<br />

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis <strong>de</strong>r Erörterungen mit <strong>de</strong>n obersten Finanzbehör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r gilt für die<br />

Anwendung <strong>de</strong>r <strong>Abgabenordnung</strong> Folgen<strong>de</strong>s:<br />

Zu § 1 – Anwendungsbereich:<br />

1. Der Anwendungsbereich beschränkt sich auf die Steuern einschließlich <strong>de</strong>r Steuervergütungen. Die AO gilt<br />

auch für Steuererstattungen; diese sind als Umkehr <strong>de</strong>r Steuerentrichtung bereits durch <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r<br />

Steuer in <strong>de</strong>n Anwendungsbereich mit einbezogen (§ 37 Abs. 1).<br />

2. Für die von <strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong>n verwalteten, durch Bun<strong>de</strong>srecht geregelten übrigen öffentlich-rechtlichen<br />

Abgaben, Prämien und Zulagen wird die Geltung <strong>de</strong>r AO durch die jeweiligen Rechtsvorschriften bestimmt.<br />

Dies gilt insbeson<strong>de</strong>re für die Wohnungsbauprämien, Eigenheimzulagen, Arbeitnehmer-Sparzulagen und die<br />

Investitionszulagen.<br />

3. Die Vorschriften <strong>de</strong>r AO sind grundsätzlich sinngemäß auch auf die steuerlichen Nebenleistungen (§ 3<br />

Abs. 4) anzuwen<strong>de</strong>n. Ausgenommen sind die Bestimmungen über die Festsetzung, Außenprüfung,<br />

Steuerfahndung und Steueraufsicht in beson<strong>de</strong>ren Fällen (§§ 155 bis 217), soweit sie nicht ausdrücklich für<br />

anwendbar erklärt wor<strong>de</strong>n sind (§ 155 Abs. 3 Satz 2, § 156 Abs. 2).<br />

4. Die AO ist auch für die Angelegenheiten anzuwen<strong>de</strong>n, die nicht unmittelbar <strong>de</strong>r Besteuerung dienen, aber<br />

aufgrund <strong>de</strong>r Verwaltungskompetenz für diese Steuern in <strong>de</strong>n Zuständigkeitsbereich <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>n<br />

fallen (z. B. Erteilung von Bescheinigungen in Steuersachen, Ausstellung von Einkommensbescheinigungen<br />

für nichtsteuerliche Zwecke).<br />

5. Wegen <strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>r AO bei <strong>de</strong>r Leistung von Rechts- o<strong>de</strong>r Amtshilfe wird auf die §§ 111 ff.<br />

hingewiesen.<br />

Zu § 3 – Steuern, steuerliche Nebenleistungen:<br />

Steuerliche Nebenleistungen sind keine Steuern. Sie sind in § 3 Abs. 4 abschließend aufgezählt. Wegen <strong>de</strong>r<br />

Anwendung <strong>de</strong>r AO auf steuerliche Nebenleistungen wird auf § 1 hingewiesen.<br />

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Zu § 4 – Gesetz:<br />

Bei <strong>de</strong>r Auslegung von Steuergesetzen gelten die allgemeinen Auslegungsregeln und damit auch die<br />

wirtschaftliche Betrachtungsweise, so wie sie ihren Nie<strong>de</strong>rschlag in <strong>de</strong>r Rechtsprechung gefun<strong>de</strong>n hat (vgl.<br />

BVerfG vom 24.1.1962 – 1 BvR 232/60 – BStBl. 1962 I, S. 506).<br />

Zu § 5 – Ermessen:<br />

1. Bei <strong>de</strong>r Ausübung <strong>de</strong>s Ermessens sind nicht nur die in einzelnen gesetzlichen Bestimmungen<br />

vorgeschriebenen Voraussetzungen, son<strong>de</strong>rn auch die Grundsätze <strong>de</strong>r Gleichmäßigkeit <strong>de</strong>r Besteuerung, <strong>de</strong>r<br />

Verhältnismäßigkeit <strong>de</strong>r Mittel, <strong>de</strong>r Erfor<strong>de</strong>rlichkeit, <strong>de</strong>r Zumutbarkeit, <strong>de</strong>r Billigkeit und von Treu und<br />

Glauben sowie das Willkürverbot und das Übermaßverbot zu beachten. Verwaltungsvorschriften, die die<br />

Ausübung <strong>de</strong>s Ermessens regeln, sind für die Finanzbehör<strong>de</strong>n bin<strong>de</strong>nd.<br />

2. Wegen <strong>de</strong>r Begründung von Ermessensentscheidungen wird auf § 121, wegen Rücknahme und Wi<strong>de</strong>rruf auf<br />

§§ 130 und 131 hingewiesen.<br />

Zu § 7 – Amtsträger:<br />

1. Der Begriff <strong>de</strong>s Amtsträgers ist u. a. im Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Steuergeheimnis (§ 30), <strong>de</strong>r<br />

Haftungsbeschränkung (§ 32), <strong>de</strong>r Ausschließung und Ablehnung von Personen in einem<br />

Verwaltungsverfahren (§§ 82 ff.) und bei <strong>de</strong>r Selbstanzeige (§ 371 Abs. 2) von Be<strong>de</strong>utung. Die Bestimmung<br />

entspricht § 11 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 StGB.<br />

2. Die in § 7 Nrn. 1 und 2 genannten Personen sind ohne Rücksicht auf Art und Inhalt <strong>de</strong>r ausgeübten Tätigkeit<br />

Amtsträger.<br />

3. Die in § 7 Nr. 3 aufgeführten Personen sind nur Amtsträger, soweit sie Aufgaben <strong>de</strong>r öffentlichen<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 1 von 235


Verwaltung wahrnehmen. Das sind Aufgaben, bei <strong>de</strong>ren Erledigung Angelegenheiten <strong>de</strong>r Gemeinwesen und<br />

ihrer Mitglie<strong>de</strong>r unmittelbar gebietend, verbietend, entschei<strong>de</strong>nd o<strong>de</strong>r sonstwie han<strong>de</strong>lnd innerhalb <strong>de</strong>r<br />

gesetzlichen Grenzen wahrgenommen wer<strong>de</strong>n. Unter § 7 Nr. 3 fallen insbeson<strong>de</strong>re Verwaltungsangestellte<br />

(z. B. Angestellte im Außenprüfungsdienst), soweit sie nicht lediglich als Hilfskräfte bei öffentlichen<br />

Aufgaben mitwirken (z. B. Registratur- und Schreibkräfte).<br />

Vor §§ 8, 9 – Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt:<br />

1. Die Begriffe <strong>de</strong>s Wohnsitzes (§ 8) bzw. <strong>de</strong>s gewöhnlichen Aufenthaltes (§ 9) haben insbeson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung<br />

für die persönliche Steuerpflicht natürlicher Personen (vgl. zu § 1 EStG, § 2 ErbStG) o<strong>de</strong>r für<br />

familienbezogene Entlastungen (z. B. Realsplitting nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Sie stellen allein auf die<br />

tatsächlichen Verhältnisse ab (BFH-Urteil vom 10.11.1978 – VI R 127/76 – BStBl. 1979 II, S. 335).<br />

Zwischenstaatliche Vereinbarungen enthalten dagegen z. T. Fiktionen, die <strong>de</strong>n §§ 8 und 9 vorgehen (z. B.<br />

Art. 14 <strong>de</strong>s Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen <strong>de</strong>r Europäischen Gemeinschaften vom 8.4.1965;<br />

Artikel X <strong>de</strong>s NATO-Truppenstatuts i. V. mit § 68 Abs. 4, § 73 <strong>de</strong>s Zusatzabkommens zum NATO-<br />

Truppenstatut). An<strong>de</strong>re Abkommen enthalten persönliche Steuerbefreiungen (z. B. Wiener Übereinkommen<br />

vom 18.4.1961 über diplomatische Beziehungen und vom 24.4.1963 über konsularische Beziehungen). Für<br />

Auslandsbedienstete gelten traditionell Son<strong>de</strong>rregelungen <strong>zur</strong> Steuerpflicht (§ 1 Abs. 2 EStG). Teilweise ist<br />

auch die Höhe <strong>de</strong>r Einkünfte Anknüpfungskriterium für <strong>de</strong>n Umfang <strong>de</strong>r Steuerpflicht (§ 1 Abs. 3 EStG).<br />

Der Begriff <strong>de</strong>r Ansässigkeit im Sinne <strong>de</strong>r DBA ist allein auf <strong>de</strong>ren Anwendung (insbeson<strong>de</strong>re hinsichtlich<br />

<strong>de</strong>r Abkommensberechtigung und <strong>de</strong>r Zuteilung <strong>de</strong>r Besteuerungsrechte) beschränkt und hat keine<br />

Auswirkung auf die persönliche Steuerpflicht. Die <strong>de</strong>utsche unbeschränkte Steuerpflicht besteht daher auch<br />

dann, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige je eine Wohnung bzw. einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und im<br />

Ausland hat und nach <strong>de</strong>m anzuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n DBA im ausländischen Vertragsstaat ansässig ist (vgl. BFH-<br />

Urteil vom 4.6.1975 – I R 250/73 – BStBl. II, S. 708).<br />

2. Auch wenn ein Steuerpflichtiger im Inland keinen Wohnsitz (§ 8) mehr hat, kann er hier noch seinen<br />

gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9) haben.<br />

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Zu § 8 – Wohnsitz:<br />

1. Die Frage <strong>de</strong>s Wohnsitzes ist bei Ehegatten und sonstigen Familienangehörigen für je<strong>de</strong> Person geson<strong>de</strong>rt zu<br />

prüfen. Personen können aber über einen Familienangehörigen einen Wohnsitz beibehalten. Ein Ehegatte,<br />

<strong>de</strong>r nicht dauernd getrennt lebt, hat seinen Wohnsitz grundsätzlich dort, wo seine Familie lebt (BFH-Urteil<br />

vom 6.2.1985 – I R 23/82 – BStBl. II, S. 331). Ein ausländisches Kind, das im Heimatland bei Verwandten<br />

untergebracht ist und dort die Schule besucht, hat grundsätzlich keinen Wohnsitz im Inland. Dies gilt auch<br />

dann, wenn es sich in <strong>de</strong>n Schulferien bei seinen Eltern im Inland aufhält (BFH-Urteil vom 22.4.1994 –<br />

III R 22/92 – BStBl. II, S. 887).<br />

2. Die bloße Absicht, einen Wohnsitz zu begrün<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r aufzugeben, bzw. die An- und Abmeldung bei <strong>de</strong>r<br />

Ordnungsbehör<strong>de</strong> entfalten allein keine unmittelbare steuerliche Wirkung (BFH-Urteil vom 14.11.1969 –<br />

III R 95/68 – BStBl. 1970 II, S. 153). I.d.R. stimmen <strong>de</strong>r bürgerlich-rechtliche, aufgrund einer<br />

Willenserklärung <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen von ihm selbst bestimmte Wohnsitz und <strong>de</strong>r steuerlich maßgeben<strong>de</strong><br />

Wohnsitz überein. Deshalb können die An- und Abmeldung bei <strong>de</strong>r Ordnungsbehör<strong>de</strong> im Allgemeinen als<br />

Indizien dafür angesehen wer<strong>de</strong>n, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige seinen Wohnsitz unter <strong>de</strong>r von ihm angegebenen<br />

Anschrift begrün<strong>de</strong>t bzw. aufgegeben hat.<br />

3. Mit Wohnung sind die objektiv zum Wohnen geeigneten Wohnräume gemeint. Es genügt eine beschei<strong>de</strong>ne<br />

Bleibe. Nicht erfor<strong>de</strong>rlich ist eine abgeschlossene Wohnung mit Küche und separater Waschgelegenheit im<br />

Sinne <strong>de</strong>s Bewertungsrechts.<br />

4. Der Steuerpflichtige muss die Wohnung innehaben, d. h. er muss tatsächlich über sie verfügen können und<br />

sie als Bleibe nicht nur vorübergehend benutzen (BFH-Urteile vom 24.4.1964 – VI 236/63 U – BStBl. III,<br />

S. 462 und 6.3.1968 – I 38/65 – BStBl. II, S. 439). Es genügt, dass die Wohnung z. B. über Jahre hinweg<br />

jährlich regelmäßig zweimal zu bestimmten Zeiten über einige Wochen benutzt wird (BFH-Urteil vom<br />

23.11.1988 – II R 139/87 – BStBl. 1989 II, S. 182). Anhaltspunkte dafür können die Ausstattung und<br />

Einrichtung sein; nicht erfor<strong>de</strong>rlich ist, dass sich <strong>de</strong>r Steuerpflichtige während einer Min<strong>de</strong>stanzahl von<br />

Tagen o<strong>de</strong>r Wochen im Jahr in <strong>de</strong>r Wohnung aufhält (BFH-Urteil vom 19.3.1997 – I R 69/96 – BStBl. II,<br />

S. 447). Wer eine Wohnung von vornherein in <strong>de</strong>r Absicht nimmt, sie nur vorübergehend (weniger als sechs<br />

Monate) beizubehalten und zu benutzen, begrün<strong>de</strong>t dort keinen Wohnsitz (BFH-Urteil vom 30.8.1989 –<br />

I R 215/85 – BStBl. II, S. 956). Auch gelegentliches Übernachten auf einem inländischen Betriebsgelän<strong>de</strong>, in<br />

einem Büro u. Ä. (sog. Schlafstelle) kann dort keinen Wohnsitz begrün<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 6.2.1985 –<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 2 von 235


I R 23/82 – BStBl. II, S. 331). Wer sich – auch in regelmäßigen Abstän<strong>de</strong>n – in <strong>de</strong>r Wohnung eines<br />

Angehörigen o<strong>de</strong>r eines Bekannten aufhält, begrün<strong>de</strong>t dort ebenfalls keinen Wohnsitz (BFH-Urteil vom<br />

24.10.1969 – IV 290/64 – BStBl. 1970 II, S. 109), sofern es nicht wie im Fall einer Familienwohnung o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r Wohnung einer Wohngemeinschaft gleichzeitig die eigene Wohnung ist.<br />

5. Wer einen Wohnsitz im Ausland begrün<strong>de</strong>t und seine Wohnung im Inland beibehält, hat auch im Inland<br />

einen Wohnsitz im Sinne von § 8 (BFH-Urteil vom 4.6.1975 – I R 250/73 – BStBl. II, S. 708). Bei einem ins<br />

Ausland versetzten Arbeitnehmer ist ein inländischer Wohnsitz wi<strong>de</strong>rlegbar zu vermuten, wenn er seine<br />

Wohnung im Inland beibehält, <strong>de</strong>ren Benutzung ihm möglich ist und die nach ihrer Ausstattung je<strong>de</strong>rzeit als<br />

Bleibe dienen kann (BFH-Urteil vom 17.5.1995 – I R 8/94 – BStBl. 1996 II, S. 2). Das Innehaben <strong>de</strong>r<br />

inländischen Wohnung kann nach <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Einzelfalles auch dann anzunehmen sein, wenn <strong>de</strong>r<br />

Steuerpflichtige sie während eines Auslandsaufenthalts kurzfristig (bis zu sechs Monaten) vermietet o<strong>de</strong>r<br />

untervermietet, um sie alsbald nach Rückkehr im Inland wie<strong>de</strong>r zu benutzen. Zur Zuständigkeit in diesen<br />

Fällen siehe § 19 Abs. 1 Satz 2.<br />

6. Ein Wohnsitz i. S. v. § 8 besteht nicht mehr, wenn die inländische Wohnung/die inländischen Wohnungen<br />

aufgegeben wird/wer<strong>de</strong>n. Das ist z. B. <strong>de</strong>r Fall bei Kündigung und Auflösung einer Mietwohnung, bei nicht<br />

nur kurzfristiger Vermietung <strong>de</strong>r Wohnung im eigenen Haus bzw. <strong>de</strong>r Eigentumswohnung. Wird die<br />

inländische Wohnung <strong>zur</strong> bloßen Vermögensverwaltung <strong>zur</strong>ückgelassen, en<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Wohnsitz mit <strong>de</strong>m<br />

Wegzug. Bloße Vermögensverwaltung liegt z. B. vor, wenn ein ins Ausland versetzter Steuerpflichtiger bzw.<br />

ein im Ausland leben<strong>de</strong>r Steuerpflichtiger seine Wohnung/sein Haus verkaufen o<strong>de</strong>r langfristig vermieten<br />

will und dies in absehbarer Zeit auch tatsächlich verwirklicht. Eine zwischenzeitliche kurze Rückkehr (<strong>zur</strong><br />

Beaufsichtigung und Verwaltung <strong>de</strong>r <strong>zur</strong>ückgelassenen Wohnung) führt nicht dazu, dass die <strong>zur</strong>ückgelassene<br />

Wohnung dadurch zum inländischen Wohnsitz wird.<br />

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Zu § 9 – Gewöhnlicher Aufenthalt:<br />

1. Sofern nicht die beson<strong>de</strong>ren Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 9 Satz 3 vorliegen, wird an <strong>de</strong>n inländischen Aufenthalt<br />

während eines zusammenhängen<strong>de</strong>n Zeitraums von mehr als sechs Monaten die unwi<strong>de</strong>rlegbare Vermutung<br />

für das Vorhan<strong>de</strong>nsein eines gewöhnlichen Aufenthalts geknüpft. Der Begriff „gewöhnlich“ ist<br />

gleichbe<strong>de</strong>utend mit „dauernd“. „Dauernd“ erfor<strong>de</strong>rt keine ununterbrochene Anwesenheit, son<strong>de</strong>rn ist im<br />

Sinne „nicht nur vorübergehend“ zu verstehen (BFH-Urteil vom 30.8.1989 – I R 215/85 – BStBl. II, S. 956).<br />

Bei Unterbrechungen <strong>de</strong>r Anwesenheit kommt es darauf an, ob noch ein einheitlicher Aufenthalt o<strong>de</strong>r<br />

mehrere getrennte Aufenthalte anzunehmen sind. Ein einheitlicher Aufenthalt ist gegeben, wenn <strong>de</strong>r<br />

Aufenthalt nach <strong>de</strong>n Verhältnissen fortgesetzt wer<strong>de</strong>n sollte und die Unterbrechung nur kurzfristig ist. Als<br />

kurzfristige Unterbrechung kommen in Betracht Familienheimfahrten, Jahresurlaub, längerer Heimaturlaub,<br />

Kur und Erholung, aber auch geschäftliche Reisen. Der Tatbestand <strong>de</strong>s gewöhnlichen Aufenthalts kann bei<br />

einem weniger als sechs Monate dauern<strong>de</strong>n Aufenthalt verwirklicht wer<strong>de</strong>n, wenn Inlandsaufenthalte<br />

nacheinan<strong>de</strong>r folgen, die sachlich miteinan<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>n sind, und <strong>de</strong>r Steuerpflichtige von vornherein<br />

beabsichtigt, nicht nur vorübergehend im Inland zu verweilen (BFH-Urteile vom 27.7.1962 – VI 156/59 U –<br />

BStBl. III, S. 429, und vom 3.8.1977 – I R 210/78 – BStBl. 1978 II, S. 118).<br />

2. Der gewöhnliche Aufenthalt im Inland ist zu verneinen, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige unter Benutzung einer im<br />

Ausland gelegenen Wohnung lediglich seine Tätigkeit im Inland ausübt (BFH-Urteil vom 25.5.1988 –<br />

I R 225/82 – BStBl. II, S. 944). Grenzgänger haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt grundsätzlich im<br />

Wohnsitzstaat (BFH-Urteile vom 10.5.1989 – I R 50/85 – BStBl. II, S. 755, und vom 10.7.1996 – I R 4/96 –<br />

BStBl. 1997 II, S. 15). Dasselbe gilt für Unternehmer/Freiberufler, die regelmäßig jeweils nach<br />

Geschäftsschluss zu ihrer Familienwohnung im Ausland <strong>zur</strong>ückkehren (BFH-Urteil vom 6.2.1985 –<br />

I R 23/82 – BStBl. II, S. 331). Wer allerdings regelmäßig an Arbeitstagen am Arbeits-/Geschäftsort im<br />

Inland übernachtet und sich nur am Wochenen<strong>de</strong> bzw. an Feiertagen und im Urlaub zu seiner Wohnung im<br />

Ausland begibt, hat an <strong>de</strong>m inländischen Arbeits-/Geschäftsort je<strong>de</strong>nfalls seinen gewöhnlichen Aufenthalt.<br />

3. Der gewöhnliche Aufenthalt kann nicht gleichzeitig an mehreren Orten bestehen. Bei fortdauern<strong>de</strong>m<br />

Schwerpunktaufenthalt im Ausland begrün<strong>de</strong>n kurzfristige Aufenthalte im Inland, z. B. Geschäfts-,<br />

Dienstreisen, Schulungen, keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Umgekehrt führen kurzfristige<br />

Auslandsaufenthalte bei fortdauern<strong>de</strong>m Schwerpunktaufenthalt im Inland nicht <strong>zur</strong> Aufgabe eines<br />

gewöhnlichen Aufenthalts im Inland.<br />

4. Der gewöhnliche Aufenthalt im Inland ist aufgegeben, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige zusammenhängend mehr<br />

als sechs Monate im Ausland lebt, es sei <strong>de</strong>nn, dass beson<strong>de</strong>re Umstän<strong>de</strong> darauf schließen lassen, dass die<br />

Beziehungen zum Inland bestehen bleiben. Entschei<strong>de</strong>nd ist dabei, ob <strong>de</strong>r Steuerpflichtige <strong>de</strong>n persönlichen<br />

und geschäftlichen Lebensmittelpunkt ins Ausland verlegt hat und ob er seinen Willen, in <strong>de</strong>n<br />

Geltungsbereich dieses Gesetzes <strong>zur</strong>ückzukehren, endgültig aufgegeben hat (BFH-Urteil vom 27.7.1962 –<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 3 von 235


VI 156/59 U – BStBl. III, S. 429). Als Kriterien dafür können die familiären, beruflichen und<br />

gesellschaftlichen Bindungen herangezogen wer<strong>de</strong>n (z. B. Wohnung <strong>de</strong>r Familienangehörigen im Inland,<br />

Sitz <strong>de</strong>s Gewerbebetriebs im Inland). Hält sich <strong>de</strong>r Steuerpflichtige zusammenhängend länger als ein Jahr im<br />

Ausland auf, ist grundsätzlich eine Aufgabe <strong>de</strong>s gewöhnlichen Aufenthalts im Inland anzunehmen.<br />

Zu § 12 – Betriebstätte:<br />

1. Die Begriffsbestimmung gilt auch für die freiberufliche Tätigkeit und Steuerpflichtige mit Einkünften aus<br />

Land- und Forstwirtschaft.<br />

2. Auch nicht sichtbare, unterirdisch verlaufen<strong>de</strong> Rohrleitungen (Pipelines) sind feste Geschäftseinrichtungen<br />

i. S. d. § 12 Satz 1 und damit Betriebstätten (BFH-Urteil vom 30.10.1996 – II R 12/96 – BStBl. 1997 II,<br />

S. 12). Zu <strong>de</strong>n Betriebstätten zählen auch bewegliche Geschäftseinrichtungen mit vorübergehend festem<br />

Standort (z. B. fahrbare Verkaufsstätten mit wechseln<strong>de</strong>m Standplatz).<br />

3. Stätten <strong>de</strong>r Erkundung von Bo<strong>de</strong>nschätzen (z. B. Versuchsbohrungen) sind als Betriebstätten anzusehen,<br />

wenn die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 12 Nr. 8 erfüllt sind.<br />

4. § 12 ist nicht anzuwen<strong>de</strong>n, soweit an<strong>de</strong>re Rechtsvorschriften (z. B. DBA, OECD-Musterabkommen, EStG)<br />

abweichen<strong>de</strong> Regelungen zum Begriff „Betriebstätte“ enthalten.<br />

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Zu § 15 – Angehörige:<br />

1. Dem Angehörigenbegriff kommt überwiegend verfahrensrechtliche Be<strong>de</strong>utung zu. Für das materielle Recht<br />

können die Einzelsteuergesetze abweichen<strong>de</strong> Regelungen treffen.<br />

2. § 15 Abs. 1 Nr. 1 (Verlobte) setzt ein wirksames Eheversprechen voraus.<br />

3. Zu <strong>de</strong>n Geschwistern i. S. d. § 15 Abs. 1 Nr. 4 gehören auch die Halbgeschwister. Das sind die Geschwister,<br />

die einen Elternteil gemeinsam haben; darunter fallen jedoch nicht die mit in eine Ehe gebrachten Kin<strong>de</strong>r, die<br />

keinen Elternteil gemeinsam haben.<br />

4. Das Angehörigenverhältnis i. S. d. § 15 Abs. 1 Nr. 5 besteht lediglich zu <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Geschwister<br />

(Neffen o<strong>de</strong>r Nichten), nicht jedoch zwischen <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Geschwister untereinan<strong>de</strong>r (z. B. Vettern).<br />

5. Die Ehegatten mehrer Geschwister sind im Verhältnis zueinan<strong>de</strong>r keine Angehörigen i. S. d. § 15 Abs. 1<br />

Nr. 6. Dasselbe gilt für Geschwister <strong>de</strong>r Ehegatten.<br />

6. Für die Annahme eines Pflegeverhältnisses gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 8 ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich, dass das Kind<br />

außerhalb <strong>de</strong>r Pflege und Obhut seiner leiblichen Eltern lebt. Ein Pflegeverhältnis kann z. B. auch zwischen<br />

einem Mann und einem Kind begrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Mann mit <strong>de</strong>r leiblichen Mutter <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s und<br />

diesem in häuslicher Gemeinschaft lebt. Die Unterhaltsgewährung ist nicht Merkmal dieses<br />

Pflegekin<strong>de</strong>rbegriffes. Soweit Bestimmungen in Einzelsteuergesetzen auch daran anknüpfen, müssen dort<br />

beson<strong>de</strong>re Regelungen getroffen sein.<br />

7. Durch die Annahme als Kind erhält ein Kind die volle rechtliche Stellung eines ehelichen Kin<strong>de</strong>s <strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r Annehmen<strong>de</strong>n. Damit wird auch die Angehörigeneigenschaft zwischen <strong>de</strong>m Kind und <strong>de</strong>n Angehörigen<br />

<strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Annehmen<strong>de</strong>n nach Maßgabe <strong>de</strong>s § 15 Abs. 1 begrün<strong>de</strong>t. Dieser Grundsatz gilt entsprechend bei<br />

ähnlichen familienrechtlichen Rechtsbeziehungen ausländischen Rechts (Adoption).<br />

8. Für die in § 15 Abs. 2 genannten Personen bleibt die Angehörigeneigenschaft auch dann bestehen, wenn die<br />

Beziehung, die ursprünglich die Angehörigeneigenschaft begrün<strong>de</strong>te, nicht mehr besteht; lediglich bei<br />

Verlobten erlischt die Angehörigeneigenschaft mit Aufhebung <strong>de</strong>s Verlöbnisses.<br />

Zu § 16 – Sachliche Zuständigkeit:<br />

1. Die sachliche Zuständigkeit betrifft <strong>de</strong>n einer Behör<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Gegenstand und <strong>de</strong>r Art nach durch Gesetz<br />

zugewiesenen Aufgabenbereich. Neben <strong>de</strong>m Aufgabenkreis, <strong>de</strong>r durch das FVG bestimmt wird, ergeben sich<br />

für die Finanzbehör<strong>de</strong>n auch Aufgabenzuweisungen aus <strong>de</strong>r AO (z. B. §§ 208, 249, 386) und an<strong>de</strong>ren<br />

Gesetzen (z. B. StBerG, InvZulG, EigZulG).<br />

2. Im Rahmen <strong>de</strong>s fö<strong>de</strong>rativen Aufbaus <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik ist die verbandsmäßige Zuständigkeit als beson<strong>de</strong>re<br />

Art <strong>de</strong>r sachlichen Zuständigkeit zu beachten. Nach <strong>de</strong>r Rechtsprechung <strong>de</strong>s BFH ist jedoch bei <strong>de</strong>n nicht<br />

gebietsgebun<strong>de</strong>nen Steuern (z. B. Einkommensteuer) die Verwaltungskompetenz nicht auf die Finanzämter<br />

<strong>de</strong>s verbandsmäßig zuständigen Bun<strong>de</strong>slan<strong>de</strong>s beschränkt. Das Wohnsitzfinanzamt ist für die Besteuerung<br />

nach <strong>de</strong>m Einkommen auch für Besteuerungszeiträume zuständig, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Steuerpflichtige in einem<br />

an<strong>de</strong>ren Bun<strong>de</strong>sland wohnte (BFH-Urteile vom 29.10.1970 – IV R 247/69 – BStBl. 1971 II, S. 151, und vom<br />

23.11.1972 – VIII R 42/67 – BStBl. 1973 II, S. 198).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 4 von 235


3. Wegen <strong>de</strong>r Rücknahme eines Verwaltungsaktes einer sachlich unzuständigen Behör<strong>de</strong> wird auf § 130 Abs. 2<br />

Nr. 1 hingewiesen.<br />

Zu § 17 – Örtliche Zuständigkeit:<br />

1. Neben <strong>de</strong>n Vorschriften im Dritten Abschnitt bestehen Son<strong>de</strong>rregelungen über die örtliche Zuständigkeit<br />

z. B. in <strong>de</strong>n §§ 195, 367, 388 sowie in Einzelsteuergesetzen.<br />

2. Wegen <strong>de</strong>r Folgen <strong>de</strong>r Verletzung von Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit Hinweis auf § 125 Abs. 3<br />

Nr. 1 und § 127. Zur mehrfachen örtlichen Zuständigkeit Hinweis auf §§ 25 und 28.<br />

Zu § 18 – Geson<strong>de</strong>rte Feststellung:<br />

1. Die Zuständigkeitsvorschriften <strong>de</strong>s § 18 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 gelten für die Feststellung von Einheitswerten<br />

und Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb o<strong>de</strong>r aus selbstständiger Arbeit. Bei <strong>de</strong>n<br />

Einkünften gilt dies sowohl in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>r Beteiligung mehrerer Personen (§ 180 Abs. 1 Nr. 2<br />

Buchstabe a) wie auch in <strong>de</strong>n Fällen, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Betriebsort, Ort <strong>de</strong>r Geschäftsleitung bzw. Ort <strong>de</strong>r<br />

Tätigkeit und <strong>de</strong>r Wohnsitz auseinan<strong>de</strong>r fallen (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b). Wegen <strong>de</strong>r geson<strong>de</strong>rten<br />

Feststellung bei Zuständigkeit mehrerer Finanzämter in einer Gemein<strong>de</strong> vgl. zu § 19, Nr. 3.<br />

(aufgehoben)<br />

3. Die Regelung nach § 18 Abs. 1 Nr. 4 bestimmt eine abweichen<strong>de</strong> Zuständigkeit für die geson<strong>de</strong>rte<br />

Feststellung <strong>de</strong>r Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung o<strong>de</strong>r aus Kapitalvermögen; i. d. R. ist nicht das<br />

Lagefinanzamt, son<strong>de</strong>rn das Finanzamt zuständig, von <strong>de</strong>ssen Bezirk die Verwaltung ausgeht.<br />

Entsprechen<strong>de</strong>s regelt § 18 Abs. 1 Nr. 4 für die Feststellung von sonstigem Vermögen, von Schul<strong>de</strong>n und<br />

sonstigen Abzügen (§ 180 Abs. 1 Nr. 3) und für die Durchführung von Feststellungen bei<br />

Bauherrengemeinschaften usw. (V zu § 180 Abs. 2 AO).<br />

4. Aus Vereinfachungsgrün<strong>de</strong>n kann das Finanzamt bei <strong>de</strong>r geson<strong>de</strong>rten Feststellung <strong>de</strong>r Einkünfte aus<br />

Vermietung und Verpachtung aus nur einem Grundstück davon ausgehen, dass die Verwaltung dieser<br />

Einkünfte von <strong>de</strong>m Ort ausgeht, in <strong>de</strong>m das Grundstück liegt, es sei <strong>de</strong>nn, die Steuerpflichtigen legen etwas<br />

an<strong>de</strong>res dar.<br />

5. Wird von <strong>de</strong>r geson<strong>de</strong>rten Feststellung nach § 180 Abs. 3 abgesehen (z. B. Fälle geringer Be<strong>de</strong>utung),<br />

verbleibt es bei <strong>de</strong>r für die Einzelsteuern getroffenen Zuständigkeitsregelung.<br />

6. Die Regelung in § 18 Abs. 2 hat insbeson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung für die geson<strong>de</strong>rte Feststellung von ausländischen<br />

Einkünften, an <strong>de</strong>nen mehrere im Inland steuerpflichtige Personen beteiligt sind. Auf § 25 wird hingewiesen.<br />

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Zu § 19 – Steuern von Einkommen und Vermögen natürlicher Personen:<br />

1. Bei verheirateten, nicht dauernd getrennt leben<strong>de</strong>n Steuerpflichtigen ist bei mehrfachem Wohnsitz im Inland<br />

das Finanzamt <strong>de</strong>s Aufenthalts <strong>de</strong>r Familie für die Besteuerung nach <strong>de</strong>m Einkommen und Vermögen<br />

zuständig. Insoweit sind für die Bestimmung <strong>de</strong>r örtlichen Zuständigkeit die Kin<strong>de</strong>r in die Betrachtung<br />

einzubeziehen.<br />

2. Nach § 19 Abs. 3 ist das Lage-, Betriebs- o<strong>de</strong>r Tätigkeitsfinanzamt auch für die persönlichen Steuern vom<br />

Einkommen und Vermögen zuständig, wenn ein Steuerpflichtiger in einer Gemein<strong>de</strong> (Stadt) mit mehreren<br />

Finanzämtern einen land- und forstwirtschaftlichen o<strong>de</strong>r gewerblichen Betrieb unterhält bzw. eine<br />

freiberufliche Tätigkeit ausübt. In diesen Fällen ist keine geson<strong>de</strong>rte Feststellung durchzuführen (§ 180<br />

Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b).<br />

3. Wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige außerhalb <strong>de</strong>s Bezirks seines Wohnsitzfinanzamtes, aber in <strong>de</strong>n Bezirken<br />

mehrerer Finanzämter <strong>de</strong>rselben Wohnsitzgemein<strong>de</strong>, Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft,<br />

Gewerbebetrieb o<strong>de</strong>r freiberuflicher Tätigkeit erzielt, so können nach § 19 Abs. 3 mehrere Finanzämter<br />

zuständig sein. In diesen Fällen ist nach § 25 zu verfahren. Geson<strong>de</strong>rte Feststellungen sind nur von <strong>de</strong>n<br />

Finanzämtern vorzunehmen, die <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen nicht <strong>zur</strong> Einkommensteuer und Vermögensteuer<br />

veranlagen (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b).<br />

4. Zuständigkeitsregelungen enthalten auch § 20a i. V. m. <strong>de</strong>r Arbeitnehmer-Zuständigkeitsverordnung-Bau<br />

vom 30.8.2001 (BGBl. I, S. 2267; BStBl. I, S. 602) sowie die Einzelsteuergesetze und das FVG.<br />

5. Das Vermögen im Sinne <strong>de</strong>s § 19 Abs. 2 Satz 1 bestimmt sich nach § 121 BewG, aber abweichend von § 121<br />

Nr. 4 BewG unabhängig von <strong>de</strong>r Höhe <strong>de</strong>r prozentualen Beteiligung an <strong>de</strong>r inländischen Kapitalgesellschaft.<br />

Im Fall <strong>de</strong>r Beteiligung an einer Grundbesitz verwalten<strong>de</strong>n Personengesellschaft ist für die Bestimmung <strong>de</strong>r<br />

örtlichen Zuständigkeit die Belegenheit <strong>de</strong>s Grundstücks maßgebend.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 5 von 235


Zu § 20 – Steuern vom Einkommen und Vermögen <strong>de</strong>r Körperschaften, Personenvereinigungen,<br />

Vermögensmassen:<br />

In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 20 Abs. 3 gilt Nr. 5 zu § 19 entsprechend.<br />

Zu § 20a – Steuern vom Einkommen bei Bauleistungen:<br />

1. Liegen die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 20a Abs. 1 Satz 1 vor, beschränkt sich die Zuständigkeit nicht auf <strong>de</strong>n<br />

Steuerabzug nach §§ 48 ff. EStG und auf Umsätze aus Bauleistungen; sie erfasst die gesamte Besteuerung<br />

<strong>de</strong>s Einkommens <strong>de</strong>s Unternehmers (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer). Das nach § 20a Abs. 1 Satz 1<br />

zuständige Finanzamt ist auch für die Umsatzsteuer (§ 21 Abs. 1 Satz 2) und die Realsteuern (§ 22 Abs. 1<br />

Satz 2) zuständig. Siehe auch Rz. 100 <strong>de</strong>s BMF-Schreibens vom 27.12.2002, BStBl. I, S. 1399.<br />

2. Zur Vermeidung eines erschwerten Verwaltungsvollzugs ist im Regelfall eine von <strong>de</strong>r zentralen<br />

Zuständigkeit nach § 20a Abs. 1 und 2, § 21 Abs. 1 Satz 2 und § 22 Abs. 1 Satz 2 abweichen<strong>de</strong><br />

Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 mit <strong>de</strong>m ortsnahen Finanzamt herbeizuführen, wenn<br />

– das Unternehmen nur gelegentlich Bauleistungen im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG erbringt,<br />

– das Unternehmen Bauleistungen im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG erbringt, die im Verhältnis zum<br />

Gesamtumsatz nur von untergeordneter Be<strong>de</strong>utung sind o<strong>de</strong>r<br />

– eine zentrale Zuständigkeit we<strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen noch für die Finanzbehör<strong>de</strong>n zweckmäßig ist.<br />

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Zu § 21 – Umsatzsteuer:<br />

Die zentrale Zuständigkeit nach § 21 Abs. 1 Satz 2 gilt bereits dann, wenn auch nur ein Anknüpfungspunkt <strong>de</strong>r<br />

gesetzlichen Kriterien Wohnsitz, Sitz o<strong>de</strong>r Geschäftsleitung im Ausland gegeben ist. § 21 Abs. 1 Satz 2 hat<br />

daher Vorrang vor § 21 Abs. 1 Satz 1.<br />

Die zentrale Zuständigkeit nach § 21 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. <strong>de</strong>r UStZustV ist insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>n Fällen von<br />

Be<strong>de</strong>utung, in <strong>de</strong>nen ein Unternehmen vom Ausland aus betrieben wird und <strong>de</strong>r Unternehmer im Inland nicht<br />

einkommen- o<strong>de</strong>r körperschaftsteuerpflichtig ist. Sie ist aber auch zu beachten, wenn <strong>de</strong>r Unternehmer im Inland<br />

auch <strong>zur</strong> Einkommen- o<strong>de</strong>r Körperschaftsteuer zu veranlagen ist.<br />

Ein Auseinan<strong>de</strong>rfallen <strong>de</strong>r örtlichen Zuständigkeiten für die Ertrags- und Umsatzbesteuerung kann allerdings zu<br />

einem erschwerten Verwaltungsvollzug führen, z. B. bei Kapitalgesellschaften mit statutarischem Sitz im<br />

Ausland und Geschäftsleitung im Inland. Betroffen sind beispielsweise Fälle, in <strong>de</strong>nen ein bisher im Inland<br />

ansässiges Unternehmen in eine britische „private company limited by shares“ (Limited) umgewan<strong>de</strong>lt wird o<strong>de</strong>r<br />

eine Limited neu gegrün<strong>de</strong>t wird, die lediglich ihren statutarischen Sitz in Großbritannien hat, aber allein o<strong>de</strong>r<br />

überwiegend im Inland unternehmerisch tätig und unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist.<br />

In diesen Fällen ist im Regelfall eine Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 herbeizuführen, nach <strong>de</strong>r das für die<br />

Ertragsbesteuerung zuständige ortsnahe Finanzamt auch für die Umsatzsteuer zuständig wird (vgl. zu § 27,<br />

Nr. 3).<br />

Zu § 24 – Ersatzzuständigkeit:<br />

1. Für <strong>de</strong>n Fall, dass sich die Zuständigkeit nicht aus <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Vorschriften ableiten lässt, ist die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> zuständig, in <strong>de</strong>ren Bezirk objektiv ein Anlass für eine Amtshandlung besteht. Abgesehen<br />

von <strong>de</strong>r Zuständigkeit für Maßnahmen <strong>zur</strong> Auf<strong>de</strong>ckung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Nr. 3) ist<br />

hiernach auch die Zuständigkeit für <strong>de</strong>n Erlass von Haftungsbeschei<strong>de</strong>n (§§ 191, 192) zu bestimmen. Wegen<br />

<strong>de</strong>s Sachzusammenhangs ist mithin i. d. R. das Finanzamt <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen gleichzeitig für die<br />

Heranziehung <strong>de</strong>s Haften<strong>de</strong>n örtlich zuständig.<br />

2. Kann die örtliche Zuständigkeit nicht sofort einwandfrei geklärt wer<strong>de</strong>n, ist bei unaufschiebbaren<br />

Maßnahmen die Zuständigkeit auf § 29 zu stützen.<br />

Zu § 25 – Mehrfache örtliche Zuständigkeit:<br />

Einigen sich bei mehrfacher örtlicher Zuständigkeit die Finanzbehör<strong>de</strong>n auf eine <strong>de</strong>r örtlich zuständigen<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>n, so han<strong>de</strong>lt es sich hierbei nicht um eine Zuständigkeitsvereinbarung i. S. <strong>de</strong>s § 27. Der<br />

Zustimmung <strong>de</strong>s Betroffenen bedarf es nicht.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 6 von 235


Zu § 26 – Zuständigkeitswechsel:<br />

1. Der Steuerpflichtige kann sich auf <strong>de</strong>n Zuständigkeitswechsel nicht berufen, solange keine <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n<br />

beteiligten Finanzbehör<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n die Zuständigkeit verän<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Wegen<br />

<strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Zuständigkeit für die Steuerberechtigung ist die Kenntnis über die Umstän<strong>de</strong>, die die<br />

Zuständigkeit än<strong>de</strong>rn, mit Angabe <strong>de</strong>s Datums aktenkundig zu machen und unverzüglich <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> mitzuteilen.<br />

2. Die Fortführung eines bereits begonnenen Verwaltungsverfahrens durch das bisher zuständige Finanzamt ist<br />

zulässig, wenn das Finanzamt, <strong>de</strong>ssen Zuständigkeit durch die verän<strong>de</strong>rten Umstän<strong>de</strong> begrün<strong>de</strong>t wird,<br />

zustimmt. Der Steuerpflichtige soll gehört wer<strong>de</strong>n; er ist von <strong>de</strong>r Fortführung <strong>de</strong>s Verwaltungsverfahrens zu<br />

benachrichtigen.<br />

3. Bei Verlegung <strong>de</strong>s Wohnsitzes in <strong>de</strong>n Bezirk eines an<strong>de</strong>ren Finanzamtes unter gleichzeitiger Betriebsaufgabe<br />

sind von <strong>de</strong>m bisher für Personensteuern und Betriebssteuern zuständigen Finanzamt nur die<br />

Personensteuerakten abzugeben. Das bisher zuständige Finanzamt ermittelt im Wege <strong>de</strong>r Amtshilfe <strong>de</strong>n<br />

Gewinn aus <strong>de</strong>r Zeit bis <strong>zur</strong> Betriebsaufgabe und teilt ihn <strong>de</strong>m neuen Wohnsitzfinanzamt mit.<br />

Für die Betriebsteuern bleibt grundsätzlich das Betriebsfinanzamt zuständig, auch hinsichtlich <strong>de</strong>r Erhebung<br />

und etwaigen Vollstreckung. Rückstän<strong>de</strong> sind erfor<strong>de</strong>rlichenfalls im Wege <strong>de</strong>r Amtshilfe beizutreiben.<br />

Ausnahmsweise kommt eine Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 in Betracht, wenn sich dies als<br />

zweckmäßig erweist.<br />

4. Zu <strong>de</strong>n Auswirkungen eines Zuständigkeitswechsels auf das Rechtsbehelfsverfahren vgl. zu § 367, Nr. 1 und<br />

BMF-Schreiben vom 10.10.1995, BStBl. I, S. 664.<br />

Zu § 27 – Zuständigkeitsvereinbarung:<br />

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1. Durch Vereinbarung zwischen <strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong>n kann auch außer in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 26 Satz 2 die<br />

Zuständigkeit einer an sich nicht zuständigen Finanzbehör<strong>de</strong> begrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n; Voraussetzung für diese<br />

Zuständigkeitsbegründung ist die Zustimmung <strong>de</strong>s Betroffenen. Das Zustimmungserfor<strong>de</strong>rnis ist eingefügt,<br />

um <strong>de</strong>r Verfassungsbestimmung <strong>de</strong>s Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zu genügen, weil an die Zuständigkeit <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> die Zuständigkeit <strong>de</strong>s Finanzgerichts anknüpft.<br />

2. Eine bestimmte Form ist für die Zustimmung <strong>de</strong>s Betroffenen nicht vorgeschrieben. Die Zustimmung ist<br />

bedingungsfeindlich und kann nur mit Wirkung für die Zukunft wi<strong>de</strong>rrufen wer<strong>de</strong>n.<br />

3. Eine Zuständigkeitsvereinbarung ist insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>n Fällen herbeizuführen, in <strong>de</strong>nen eine zentrale<br />

Zuständigkeit nach § 21 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. <strong>de</strong>r UStZustV we<strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen noch für die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>n zweckmäßig ist.<br />

Eine Zuständigkeitsvereinbarung, nach <strong>de</strong>r das für die Ertragsbesteuerung zuständige Finanzamt auch für die<br />

Umsatzsteuer zuständig wird, ist hiernach regelmäßig herbeizuführen z. B.<br />

a) bei Steuerpflichtigen, die ihr Unternehmen als Einzelunternehmer ausschließlich o<strong>de</strong>r überwiegend im<br />

Inland betreiben und sowohl im Inland als auch im Ausland einen Wohnsitz haben;<br />

b) bei Kapitalgesellschaften mit statutarischem Sitz im Ausland und Geschäftsleitung im Inland, die allein<br />

o<strong>de</strong>r überwiegend im Inland unternehmerisch tätig sind (vgl. zu § 21).<br />

4. Zur Zuständigkeitsvereinbarung bei Unternehmen, die Bauleistungen i. S. v. § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG<br />

erbringen, vgl. zu § 20a, Nr. 2.<br />

Zu § 30 – Steuergeheimnis:<br />

Inhaltsübersicht<br />

1. Gegenstand <strong>de</strong>s Steuergeheimnisses<br />

2. Verpflichteter Personenkreis<br />

3. Befugnis <strong>zur</strong> Offenbarung<br />

4. Offenbarung <strong>zur</strong> Durchführung eines steuerlichen Verfahrens (§ 30 Abs. 4 Nr. 1)<br />

5. Gesetzlich zugelassene Offenbarung (§ 30 Abs. 4 Nr. 2)<br />

6. Offenbarung mit Zustimmung <strong>de</strong>s Betroffenen (§ 30 Abs. 4 Nr. 3)<br />

7. Offenbarung <strong>zur</strong> Durchführung eines außersteuerlichen Strafverfahrens (§ 30 Abs. 4 Nr. 4)<br />

8. Offenbarung aus zwingen<strong>de</strong>m öffentlichen Interesse (§ 30 Abs. 4 Nr. 5)<br />

9. Offenbarung vorsätzlich falscher Angaben (§ 30 Abs. 5)<br />

10. Auskunft über Anzeigeerstatter<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 7 von 235


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1. Gegenstand <strong>de</strong>s Steuergeheimnisses<br />

1.1 Durch das Steuergeheimnis wird alles geschützt, was <strong>de</strong>m Amtsträger o<strong>de</strong>r einer ihm gleichgestellten Person<br />

in einem <strong>de</strong>r in § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bis c genannten Verfahren über <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />

Personen bekannt gewor<strong>de</strong>n ist. Dabei macht es keinen Unterschied, ob diese Tatsachen für die Besteuerung<br />

relevant sind o<strong>de</strong>r nicht.<br />

1.2 Das Steuergeheimnis erstreckt sich auf die gesamten persönlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen,<br />

öffentlichen und privaten Verhältnisse einer natürlichen o<strong>de</strong>r juristischen Person. Zu <strong>de</strong>n Verhältnissen zählen<br />

auch das Verwaltungsverfahren selbst, die Art <strong>de</strong>r Beteiligung am Verwaltungsverfahren und die Maßnahmen,<br />

die vom Beteiligten getroffen wur<strong>de</strong>n. So unterliegt z. B. auch <strong>de</strong>m Steuergeheimnis, ob und bei welcher<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> ein Beteiligter steuerlich geführt wird, ob ein Steuerfahndungsverfahren o<strong>de</strong>r eine Außenprüfung<br />

stattgefun<strong>de</strong>n hat, wer für einen Beteiligten im Verfahren aufgetreten ist und welche Anträge gestellt wor<strong>de</strong>n<br />

sind.<br />

1.3 Zum geschützten Personenkreis gehören nicht nur die Steuerpflichtigen, son<strong>de</strong>rn auch an<strong>de</strong>re Personen,<br />

<strong>de</strong>ren Verhältnisse einem Amtsträger in einem steuerlichen Verwaltungs- o<strong>de</strong>r Gerichtsverfahren bekannt<br />

gewor<strong>de</strong>n sind. Ob diese Personen in einem <strong>de</strong>rartigen Verfahren auskunftspflichtig sind o<strong>de</strong>r ihre Angaben<br />

ohne rechtliche Verpflichtung abgegeben haben, ist für die Zuordnung zum geschützten Personenkreis<br />

unerheblich (BFH-Urteil vom 8.2.1994 – VII R 88/92 – BStBl. II, S. 552). Zur Information <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

über ein Auskunftsersuchen gegenüber Dritten vgl. Nr. 1.2.6 zu § 93. Gesetzliche Pflichten <strong>de</strong>s Dritten <strong>zur</strong><br />

Unterrichtung <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen über eine ihn betreffen<strong>de</strong> Mitteilung an die Finanzbehör<strong>de</strong>n bleiben<br />

unberührt.<br />

1.4 Dem Steuergeheimnis unterliegt auch die I<strong>de</strong>ntität eines Anzeigeerstatters (vgl. BFH-Beschluss vom<br />

7.12.2006 – V B 163/05 – BStBl. II 2007, S. 275 m. w. N.). Nach § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchstabe b und Abs. 5<br />

kann allerdings eine Durchbrechung <strong>de</strong>s Steuergeheimnisses zulässig und in beson<strong>de</strong>rs gelagerten Einzelfällen<br />

sogar geboten sein (vgl. Nr. 10).<br />

2. Verpflichteter Personenkreis<br />

2.1 Das Steuergeheimnis haben Amtsträger und die in § 30 Abs. 3 genannten Personen zu wahren.<br />

2.2 Amtsträger sind die in § 7 abschließend aufgeführten Personen.<br />

2.3 Den Amtsträgern sind nach § 30 Abs. 3 gleichgestellt u. a. die für <strong>de</strong>n öffentlichen Dienst beson<strong>de</strong>rs<br />

Verpflichteten. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB ist dies, wer, ohne Amtsträger zu sein, bei einer Behör<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r bei<br />

einer sonstigen Stelle, die Aufgaben <strong>de</strong>r öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, o<strong>de</strong>r bei einem Verband o<strong>de</strong>r<br />

sonstigen Zusammenschluss, Betrieb o<strong>de</strong>r Unternehmen, die für eine Behör<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r für eine sonstige Stelle<br />

Aufgaben <strong>de</strong>r öffentlichen Verwaltung ausführen, beschäftigt o<strong>de</strong>r für sie tätig und auf die gewissenhafte<br />

Erfüllung seiner Obliegenheiten aufgrund eines Gesetzes förmlich verpflichtet ist. Rechtsgrundlage für die<br />

Verpflichtung ist das Verpflichtungsgesetz vom 2.3.1974 (BGBl. I, S. 469, 547; BStBl. I, S. 380). Für eine<br />

Verpflichtung kommen z. B. Schreib- und Registraturkräfte, ferner Mitarbeiter in Rechenzentren sowie<br />

Unternehmer und <strong>de</strong>ren Mitarbeiter, die Hilfstätigkeiten für die öffentliche Verwaltung erbringen (z. B.<br />

Datenerfassung, Versendung von Erklärungsvordrucken) in Betracht.<br />

2.4 Sachverständige stehen Amtsträgern nur dann gleich, wenn sie von einer Behör<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r einem Gericht<br />

hinzugezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

3. Befugnis <strong>zur</strong> Offenbarung<br />

Die Absätze 4 und 5 <strong>de</strong>s § 30 erlauben die Offenbarung <strong>de</strong>r in § 30 Abs. 2 geschützten Verhältnisse, Betriebsund<br />

Geschäftsgeheimnisse, nicht aber die Verwertung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Offenbarung<br />

ist je<strong>de</strong>s ausdrückliche o<strong>de</strong>r konklu<strong>de</strong>nte Verhalten, auf Grund <strong>de</strong>ssen Verhältnisse eines an<strong>de</strong>ren bekannt<br />

wer<strong>de</strong>n können. Eine Offenbarung kann sich aus mündlichen, schriftlichen o<strong>de</strong>r elektronischen Erklärungen,<br />

aber auch aus an<strong>de</strong>ren Handlungen (z. B. Gewährung von Akteneinsicht, Kopfnicken usw.) o<strong>de</strong>r Unterlassungen<br />

ergeben. Die Finanzbehör<strong>de</strong> ist, sofern eine <strong>de</strong>r in § 30 Abs. 4 und 5 genannten Voraussetzungen vorliegt, <strong>zur</strong><br />

Offenbarung befugt, jedoch nicht verpflichtet. Es gelten die Grundsätze <strong>de</strong>s § 5. Bei <strong>de</strong>r Entscheidung, ob <strong>de</strong>m<br />

Steuergeheimnis unterliegen<strong>de</strong> Verhältnisse offenbart wer<strong>de</strong>n sollen, ist zu berücksichtigen, dass das<br />

Steuergeheimnis auch dazu dient, die Beteiligten am Besteuerungsverfahren zu wahrheitsgemäßen Angaben zu<br />

veranlassen. Ist die Befugnis <strong>zur</strong> Offenbarung nach § 30 gegeben und besteht gleichzeitig ein<br />

Auskunftsanspruch, <strong>de</strong>r für sich allein das Steuergeheimnis nicht durchbricht, z. B. § 161 StPO, so ist die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> <strong>zur</strong> Auskunftserteilung verpflichtet.<br />

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4. Offenbarung <strong>zur</strong> Durchführung eines steuerlichen Verfahrens (§ 30 Abs. 4 Nr. 1)<br />

4.1 § 30 Abs. 4 Nr. 1 lässt eine Offenbarung <strong>zur</strong> Durchführung eines steuerlichen Verfahrens o<strong>de</strong>r eines<br />

Steuerstraf- o<strong>de</strong>r Bußgeldverfahrens zu. Es genügt, dass das Offenbaren für die Einleitung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Fortgang<br />

dieses Verfahrens nützlich sein könnte. Die Zulässigkeit ist nicht auf die Mitteilung von Tatsachen zwischen<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>n beschränkt (z. B. Mitteilungen zwischen Zollbehör<strong>de</strong>n und Steuerbehör<strong>de</strong>n, zwischen<br />

Finanzämtern und übergeordneten Finanzbehör<strong>de</strong>n). Zulässig ist auch die Mitteilung an an<strong>de</strong>re Behör<strong>de</strong>n, soweit<br />

sie unmittelbar <strong>de</strong>r Durchführung eines <strong>de</strong>r oben genannten Verfahren dient, z. B. Mitteilungen an die<br />

Denkmalschutzbehör<strong>de</strong>n im Bescheinigungsverfahren nach § 7i EStG.<br />

Sofern Verwaltungsgerichte Verfahren in Steuersachen (insbeson<strong>de</strong>re Realsteuersachen, Kirchensteuersachen)<br />

zu entschei<strong>de</strong>n haben, besteht eine Offenbarungsbefugnis wie gegenüber Finanzgerichten. Bei<br />

verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten in an<strong>de</strong>ren als steuerlichen Verfahren dürfen die Finanzbehör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n<br />

Gerichten Auskünfte nur dann erteilen, wenn die Offenbarung nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 bis 5 zugelassen ist.<br />

4.2 Auskünfte darüber, ob eine Körperschaft wegen Verfolgung gemeinnütziger, mildtätiger o<strong>de</strong>r kirchlicher<br />

Zwecke steuerbegünstigt ist o<strong>de</strong>r nicht, sind <strong>de</strong>m Spen<strong>de</strong>r nur dann zu erteilen, wenn<br />

– er im Besteuerungsverfahren die Berücksichtigung <strong>de</strong>r geleisteten Spen<strong>de</strong> beantragt (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 i. V.<br />

mit Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a),<br />

– die Körperschaft ihm <strong>de</strong>n Tatsachen entsprechend mitgeteilt hat, dass sie <strong>zur</strong> Entgegennahme steuerlich<br />

abzugsfähiger Spen<strong>de</strong>n berechtigt ist,<br />

– die Körperschaft wahrheitswidrig behauptet, sie sei <strong>zur</strong> Entgegennahme steuerlich abzugsfähiger Spen<strong>de</strong>n<br />

berechtigt (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 i. V. mit Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a, vgl. zu § 85); die Richtigstellung kann<br />

öffentlich erfolgen, wenn die Körperschaft ihre wahrheitswidrige Behauptung öffentlich verbreitet.<br />

Ansonsten ist <strong>de</strong>r Spen<strong>de</strong>r bei Anfragen stets an die Körperschaft zu verweisen, sofern keine Zustimmung <strong>de</strong>r<br />

Körperschaft <strong>zur</strong> Auskunftserteilung vorliegt.<br />

4.3 Wird eine beantragte Steuerermäßigung, die von Einkommens- o<strong>de</strong>r Vermögensverhältnissen Dritter<br />

abhängt (z. B. nach §§ 32, 33a EStG), abgelehnt, weil die Einkünfte und Bezüge bzw. das Vermögen gesetzliche<br />

Betragsgrenzen übersteigen, ist dies <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen ohne Angabe <strong>de</strong>s genauen Betrags mitzuteilen. Wird<br />

ein <strong>de</strong>rartiger Ermäßigungsantrag im Hinblick auf die eigenen Einkünfte und Bezüge o<strong>de</strong>r das Vermögen <strong>de</strong>s<br />

Dritten teilweise abgelehnt, so darf <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen die Höhe dieser Beträge mitgeteilt wer<strong>de</strong>n.<br />

4.4 Der Erbe tritt als Gesamtrechtsnachfolger in die rechtliche Stellung <strong>de</strong>s Erblassers ein (§ 1922 BGB; § 45<br />

Abs. 1 Satz 1). Die Auskünfte, die <strong>de</strong>m Erblasser aus <strong>de</strong>n Steuerakten erteilt wer<strong>de</strong>n durften, dürfen auch <strong>de</strong>m<br />

Erben erteilt wer<strong>de</strong>n. Sind mehrere Erben vorhan<strong>de</strong>n, so ist je<strong>de</strong>r einzelne Gesamtrechtsnachfolger <strong>de</strong>s<br />

Erblassers. Zur Auskunftserteilung bedarf es nicht <strong>de</strong>r Zustimmung <strong>de</strong>r übrigen Miterben. Der<br />

auskunftssuchen<strong>de</strong> Erbe hat sich erfor<strong>de</strong>rlichenfalls durch Erbschein auszuweisen. Vermächtnisnehmer,<br />

Pflichtteilsberechtigte sowie Erbersatzanspruchsberechtigte sind keine Gesamtrechtsnachfolger. Ihnen darf daher<br />

keine Auskunft erteilt wer<strong>de</strong>n.<br />

4.5 Bei <strong>de</strong>r Schätzung von Besteuerungsgrundlagen sind ggf. die für Vergleichsbetriebe geführten Steuerakten<br />

<strong>de</strong>m Finanzgericht vorzulegen, damit das Finanzgericht überprüfen kann, ob gegen die Zahlen <strong>de</strong>r<br />

Vergleichsbetriebe Be<strong>de</strong>nken bestehen. Da <strong>de</strong>r Steuerpflichtige jedoch gem. § 78 FGO das Recht hat, die <strong>de</strong>m<br />

Finanzgericht vorgelegten Akten einzusehen, hat die Vorlage an das Finanzgericht stets in anonymisierter Form<br />

zu erfolgen (vgl. BFH-Urteil vom 18.12.1984 – VIII R 195/82 – BStBl. 1986 II, S. 226). Das Finanzgericht darf<br />

die Verwertung <strong>de</strong>r vom Finanzamt eingebrachten anonymisierten Daten über Vergleichsbetriebe nicht schon im<br />

Grundsatz ablehnen (vgl. BFH-Urteil vom 17.10.2001 – I R 103/00 – BStBl. 2004 II, S. 171).<br />

4.6 Zur Auskunftserteilung bei Betriebsübernahme im Hinblick auf die Haftung nach § 75 siehe Nummer 6 zu<br />

§ 75.<br />

4.7 Anträge und Erteilung von Auskünften über die Besteuerung Dritter bei <strong>de</strong>r Anwendung drittschützen<strong>de</strong>r<br />

Normen (u. a. §§ 64 bis 68 AO und § 2 Abs. 3 UStG) sind <strong>zur</strong> Vorbereitung einer Konkurrentenklage<br />

grundsätzlich zulässig (vgl. BFH-Urteil vom 5.10.2006 – VII R 24/03 – BStBl. 2007 II, S. 243). Ein solcher<br />

Auskunftsanspruch setzt allerdings voraus, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige substantiiert und glaubhaft darlegt, durch<br />

die unzutreffen<strong>de</strong> Besteuerung <strong>de</strong>s Konkurrenten konkret feststellbare und spürbare Wettbewerbsnachteile zu<br />

erlei<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>shalb gegen die Steuerbehör<strong>de</strong> mit Aussicht auf Erfolg ein subjektives öffentliches Recht auf<br />

steuerlichen Drittschutz geltend machen zu können. Die Auskünfte sind auf das für die Rechtsverfolgung<br />

notwendige Maß zu beschränken. In <strong>de</strong>r Auskunft dürfen <strong>de</strong>shalb nur Angaben über die Art und Weise <strong>de</strong>r<br />

Besteuerung <strong>de</strong>r für die Konkurrenzsituation relevanten Umsätze <strong>de</strong>r fraglichen öffentlichen Einrichtung<br />

gemacht wer<strong>de</strong>n, nicht aber über die Höhe dieser Umsätze und <strong>de</strong>r hierauf festgesetzten Steuer. Der betroffene<br />

Dritte soll gehört wer<strong>de</strong>n.<br />

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4.8 Gerichtliche Verfahren im Vollstreckungsverfahren<br />

4.8.1 Im Rahmen einer Drittwi<strong>de</strong>rspruchsklage (§ 262) darf die Vollstreckungsbehör<strong>de</strong> (§ 249 Abs. 1 Satz 3) im<br />

Prozess Verhältnisse <strong>de</strong>s Vollstreckungsschuldners und an<strong>de</strong>rer Personen nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 offenbaren,<br />

soweit dies <strong>de</strong>r Durchsetzung <strong>de</strong>r Steueransprüche gegen <strong>de</strong>n Vollstreckungsschuldner dient.<br />

4.8.2 Der Drittschuldner (vgl. § 309) ist befugt, Einwendungen gegen die Art und Weise <strong>de</strong>r<br />

Zwangsvollstreckung, wozu auch die Geltendmachung <strong>de</strong>r Unpfändbarkeit von For<strong>de</strong>rungen (vgl. § 319) gehört,<br />

mit <strong>de</strong>r Anfechtungsklage nach § 40 Abs. 1 FGO geltend zu machen. Im finanzgerichtlichen Verfahren darf die<br />

Vollstreckungsbehör<strong>de</strong> die Verhältnisse <strong>de</strong>s Vollstreckungsschuldners und an<strong>de</strong>rer Personen nach § 30 Abs. 4<br />

Nr. 1 offenbaren, soweit dies <strong>de</strong>r Durchführung <strong>de</strong>s finanzgerichtlichen Verfahrens dient.<br />

4.8.3 Leistet <strong>de</strong>r Drittschuldner (vgl. § 309) nicht, kann die Vollstreckungsbehör<strong>de</strong> zivilgerichtlich gegen ihn<br />

vorgehen. Dabei ist <strong>de</strong>m Vollstreckungsschuldner <strong>de</strong>r Streit zu verkün<strong>de</strong>n (§ 316 Abs. 3 AO i. V. m. § 841<br />

ZPO). Die Klage gegen <strong>de</strong>n Drittschuldner dient <strong>de</strong>r Durchsetzung <strong>de</strong>r Steueransprüche gegen <strong>de</strong>n<br />

Vollstreckungsschuldner. Die Vollstreckungsbehör<strong>de</strong> darf daher im Prozess Verhältnisse <strong>de</strong>s<br />

Vollstreckungsschuldners, <strong>de</strong>s Drittschuldners und an<strong>de</strong>rer Personen nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 offenbaren, soweit<br />

dies <strong>de</strong>r Durchsetzung <strong>de</strong>r Steueransprüche dient.<br />

5. Gesetzlich zugelassene Offenbarungen (§ 30 Abs. 4 Nr. 2)<br />

Auf § 30 Abs. 4 Nr. 2 kann eine Offenbarung nur gestützt wer<strong>de</strong>n, wenn die Befugnis zum Offenbaren in einem<br />

Gesetz ausdrücklich enthalten ist. Eine Bestimmung über die allgemeine Pflicht <strong>zur</strong> Amtshilfe genügt nicht. Die<br />

Befugnis kann in <strong>de</strong>r AO selbst (z. B. § 31), in an<strong>de</strong>ren Steuergesetzen o<strong>de</strong>r in außersteuerlichen Vorschriften<br />

enthalten sein.<br />

Zu <strong>de</strong>n außersteuerlichen Vorschriften gehören insbeson<strong>de</strong>re:<br />

– § 5 Abs. 3 <strong>de</strong>s Gesetzes über <strong>de</strong>n Abbau <strong>de</strong>r Fehlsubventionierung im Wohnungswesen;<br />

– § 236 Abs. 1 und § 379 Abs. 2 <strong>de</strong>s Gesetzes über Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten <strong>de</strong>r<br />

freiwilligen Gerichtsbarkeit;<br />

– § 88 Abs. 3 <strong>de</strong>s Aufenthaltsgesetzes;<br />

– § 197 Abs. 2 Satz 2 <strong>de</strong>s Baugesetzbuches;<br />

– § 49 <strong>de</strong>s Beamtenstatusgesetzes und § 115 <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sbeamtengesetzes;<br />

– § 24 Abs. 2 und 6 <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sdatenschutzgesetzes;<br />

– § 34 <strong>de</strong>s Erdölbevorratungsgesetzes;<br />

– § 17 Satz 2 <strong>de</strong>s Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen;<br />

– § 14 Abs. 4 und § 153a Abs. 1 Satz 2 <strong>de</strong>r Gewerbeordnung;<br />

– § 3 Abs. 5 <strong>de</strong>s Güterkraftverkehrsgesetzes;<br />

– § 8 Abs. 2 <strong>de</strong>s Gesetzes über das Kreditwesen;<br />

– § 4a Abs. 3 Satz 4 <strong>de</strong>s Mel<strong>de</strong>rechtsrahmengesetzes;<br />

– § 25 Abs. 3 <strong>de</strong>s Personenbeför<strong>de</strong>rungsgesetzes;<br />

– § 7 Abs. 2 <strong>de</strong>s Gesetzes über die Preisstatistik;<br />

– § 27 Abs. 1 Satz 2 <strong>de</strong>s Gesetzes <strong>zur</strong> Regelung offener Vermögensfragen;<br />

– § 21 Abs. 4 SGB X;<br />

– § 5 Abs. 2, § 10 StBerG;<br />

– § 9 <strong>de</strong>s Gesetzes über Steuerstatistiken;<br />

– § 492 Abs. 3 <strong>de</strong>r StPO i. V. m. §§ 385, 399 AO;<br />

– § 20 Abs. 4 <strong>de</strong>s Unterhaltssicherungsgesetzes;<br />

– § 3a <strong>de</strong>r Verfahrensordnung für Höfesachen;<br />

– § 32 Abs. 4 und § 35 Abs. 4 <strong>de</strong>s Wohnraumför<strong>de</strong>rungsgesetzes und § 2 <strong>de</strong>s Wohnungsbindungsgesetzes;<br />

– § 2 <strong>de</strong>s Verwaltungsdatenverwendungsgesetzes;<br />

– § 36 Abs. 2 Bun<strong>de</strong>srechtsanwaltsordnung;<br />

– § 10 Abs. 3 <strong>de</strong>s Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung;<br />

– § 18 Abs. 2 Nr. 2 <strong>de</strong>s Wohnungseigentumsgesetzes;<br />

– § 18 Abs. 3a Bun<strong>de</strong>sverfassungsschutzgesetz (vgl. auch § 51 Abs. 3 Satz 3 AO);<br />

– § 2 Abs. 4 und § 8 Bun<strong>de</strong>sarchivgesetz;<br />

– § 36a Abs. 3 Wirtschaftsprüfungsordnung;<br />

– § 64a Abs. 2 Bun<strong>de</strong>snotarordnung;<br />

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– § 34 Abs. 2 Patentanwaltsordnung;<br />

– § 54 Abs. 1 Satz 4 Gerichtskostengesetz und<br />

– § 19 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 Kostenordnung, ggf. i. V. m. § 141 o<strong>de</strong>r § 159 Kostenordnung.<br />

6. Offenbarung bei Zustimmung <strong>de</strong>s Betroffenen (§ 30 Abs. 4 Nr. 3)<br />

Nach § 30 Abs. 4 Nr. 3 ist die Offenbarung zulässig, soweit <strong>de</strong>r Betroffene zustimmt. Betroffener ist nicht nur<br />

<strong>de</strong>r Verfahrensbeteiligte selbst, son<strong>de</strong>rn auch je<strong>de</strong>r An<strong>de</strong>re, <strong>de</strong>ssen Verhältnisse durch § 30 geschützt wer<strong>de</strong>n<br />

(z. B. Geschäftsführer, Geschäftspartner, Arbeitnehmer, Empfänger von Zahlungen und an<strong>de</strong>ren Vorteilen). Sind<br />

mehrere Personen betroffen, so müssen alle ihre Zustimmung <strong>zur</strong> Offenbarung eines Sachverhalts erteilen.<br />

Stimmen einzelne Personen nicht zu, so dürfen die geschützten Verhältnisse <strong>de</strong>rjenigen, die ihre Zustimmung<br />

nicht erteilt haben, nicht offenbart wer<strong>de</strong>n.<br />

7. Offenbarung <strong>zur</strong> Durchführung eines außersteuerlichen Strafverfahrens (§ 30 Abs. 4 Nr. 4)<br />

7.1 Gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchstabe a dürfen im Steuerstrafverfahren o<strong>de</strong>r<br />

Steuerordnungswidrigkeitsverfahren gewonnene Erkenntnisse über außersteuerliche Straftaten an Gerichte und<br />

Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n für Zwecke <strong>de</strong>r Strafverfolgung weitergeleitet wer<strong>de</strong>n. Die Finanzbehör<strong>de</strong>n können<br />

daher z. B. die Staatsanwaltschaft auch über sog. Zufallsfun<strong>de</strong> unterrichten. Voraussetzung ist jedoch stets, dass<br />

die Erkenntnisse im Steuerstraf- o<strong>de</strong>r Bußgeldverfahren selbst gewonnen wur<strong>de</strong>n. Kenntnisse, die bereits vorher<br />

in einem an<strong>de</strong>ren Verfahren (z. B. Veranlagungs-, Außenprüfungs- o<strong>de</strong>r Vollstreckungsverfahren) erlangt<br />

wur<strong>de</strong>n, dürfen <strong>de</strong>n Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n gegenüber nicht offenbart wer<strong>de</strong>n. Sind die Tatsachen von <strong>de</strong>m<br />

Steuerpflichtigen (§ 33) selbst o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r für ihn han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Person (§ 200 Abs. 1) <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> mitgeteilt<br />

wor<strong>de</strong>n, ist die Weitergabe <strong>zur</strong> Strafverfolgung wegen nichtsteuerlicher Straftaten nur zulässig, wenn <strong>de</strong>r<br />

Steuerpflichtige zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r Abgabe <strong>de</strong>r Mitteilung an die Finanzbehör<strong>de</strong> die Einleitung <strong>de</strong>s steuerlichen<br />

Straf- o<strong>de</strong>r Bußgeldverfahrens gekannt hat, es sei <strong>de</strong>nn, einer <strong>de</strong>r in § 30 Abs. 4 Nr. 5 o<strong>de</strong>r Abs. 5 geregelten<br />

Fälle läge vor.<br />

7.2 Gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchstabe b ist eine Offenbarung von Kenntnissen <strong>zur</strong> Durchführung eines<br />

Strafverfahrens wegen einer nichtsteuerlichen Straftat uneingeschränkt zulässig, wenn die Tatsachen <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung o<strong>de</strong>r unter Verzicht auf ein<br />

Auskunftsverweigerungsrecht bekannt gewor<strong>de</strong>n sind. Tatsachen sind <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> ohne Bestehen einer<br />

steuerlichen Verpflichtung bekannt gewor<strong>de</strong>n, wenn die Auskunftsperson nicht zuvor durch die Finanzbehör<strong>de</strong><br />

<strong>zur</strong> Erteilung einer Auskunft aufgefor<strong>de</strong>rt wor<strong>de</strong>n ist. Ein Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht (siehe<br />

§§ 101 ff.) kann nur angenommen wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>m Berechtigten sein Auskunftsverweigerungsrecht bekannt<br />

war; dies setzt in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 101 eine Belehrung voraus.<br />

8. Offenbarung aus zwingen<strong>de</strong>m öffentlichen Interesse (§ 30 Abs. 4 Nr. 5)<br />

Eine Offenbarung ist gem. § 30 Abs. 4 Nr. 5 zulässig, soweit für sie ein zwingen<strong>de</strong>s öffentliches Interesse<br />

besteht. § 30 Abs. 4 Nr. 5 enthält eine beispielhafte Aufzählung von Fällen, in <strong>de</strong>nen ein zwingen<strong>de</strong>s öffentliches<br />

Interesse zu bejahen ist. Bei an<strong>de</strong>ren Sachverhalten ist ein zwingen<strong>de</strong>s öffentliches Interesse nur gegeben, wenn<br />

sie in ihrer Be<strong>de</strong>utung einem <strong>de</strong>r in § 30 Abs. 4 Nr. 5 erwähnten Fälle vergleichbar sind. Liegt ein zwingen<strong>de</strong>s<br />

öffentliches Interesse vor, macht es für die Zulässigkeit <strong>de</strong>r Offenbarung keinen Unterschied, ob die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> aufgrund eigener Erkenntnisse von Amts wegen die zuständige Behör<strong>de</strong> informiert o<strong>de</strong>r ob die<br />

zuständige Behör<strong>de</strong> unter Schil<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Umstän<strong>de</strong>, die das Vorliegen eines zwingen<strong>de</strong>n öffentlichen Interesses<br />

begrün<strong>de</strong>n, die Finanzbehör<strong>de</strong> um Auskunft ersucht.<br />

8.1 Die Gewerbebehör<strong>de</strong>n können bei Vorliegen eines zwingen<strong>de</strong>n öffentlichen Interesses für Zwecke eines<br />

Gewerbeuntersagungsverfahrens über die Verletzung steuerlicher Pflichten unterrichtet wer<strong>de</strong>n, die mit <strong>de</strong>r<br />

Ausübung <strong>de</strong>s Gewerbes, das untersagt wer<strong>de</strong>n soll, im Zusammenhang stehen (vgl. im Einzelnen BMF-<br />

Schreiben vom 14.12.2010, BStBl. I S. ...).<br />

Zur Wahrung <strong>de</strong>s Steuergeheimnisses gegenüber Parlamenten bzw. einem Untersuchungsausschuss <strong>de</strong>s<br />

Deutschen Bun<strong>de</strong>stages vgl. BMF-Schreiben vom 13.5.1987.<br />

8.2 Verbrechen i. S. v. § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchstabe a sind alle Straftaten, die im Min<strong>de</strong>stmaß mit Freiheitsstrafe<br />

von einem Jahr o<strong>de</strong>r darüber bedroht sind (§ 12 Abs. 1 StGB). Als vorsätzliche schwere Vergehen gegen Leib<br />

und Leben o<strong>de</strong>r gegen <strong>de</strong>n Staat und seine Einrichtungen kommen nur solche Vergehen in Betracht, die eine<br />

schwerwiegen<strong>de</strong> Rechtsverletzung darstellen und <strong>de</strong>mentsprechend mit Freiheitsstrafe bedroht sind.<br />

8.3 Unter <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r Wirtschaftsstraftat i. S. d. § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchstabe b fallen Straftaten nicht schon<br />

<strong>de</strong>swegen, weil sie nach § 74c <strong>de</strong>s Gerichtsverfassungsgesetzes <strong>zur</strong> Zuständigkeit <strong>de</strong>s Landgerichts gehören. Es<br />

ist vielmehr in je<strong>de</strong>m Einzelfall unter Abwägung <strong>de</strong>r Interessen zu prüfen, ob die beson<strong>de</strong>ren Voraussetzungen<br />

<strong>de</strong>s § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchstabe b gegeben sind.<br />

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8.4 § 6 <strong>de</strong>s Subventionsgesetzes, wonach Behör<strong>de</strong>n von Bund und Län<strong>de</strong>rn Tatsachen, die sie dienstlich<br />

erfahren und die <strong>de</strong>n Verdacht eines Subventionsbetrugs (§ 264 StGB) begrün<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n<br />

mitzuteilen haben, stellt keine Ermächtigungsvorschrift i. S. d. § 30 Abs. 4 Nr. 2 dar. Anzeigen an<br />

Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n wegen <strong>de</strong>s Verdachts eines Subventionsbetrugs sind daher nur zulässig, wenn ein<br />

zwingen<strong>de</strong>s öffentliches Interesse an <strong>de</strong>r Offenbarung besteht (§ 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchstabe b) o<strong>de</strong>r die<br />

Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 30 Abs. 5 vorliegen (vgl. Nr. 9). Betrifft <strong>de</strong>r Subventionsbetrug allerdings<br />

Investitionszulagen, so sind entsprechen<strong>de</strong> Tatsachen wie bei Steuerstraftaten <strong>de</strong>n Bußgeld- und<br />

Strafsachenstellen zu mel<strong>de</strong>n (vgl. § 14 InvZulG 2010 i. V. m. § 30 Abs. 4 Nr. 1). Nach § 31a besteht daneben<br />

eine Offenbarungsbefugnis gegenüber <strong>de</strong>n für die Bewilligung, Gewährung, Rückfor<strong>de</strong>rung, Erstattung,<br />

Weitergewährung o<strong>de</strong>r für das Belassen einer Subvention zuständigen Behör<strong>de</strong>n und Gerichten; vgl. im<br />

Einzelnen Nr. 4.3 zu § 31a.<br />

8.5 Die Weitergabe von Informationen über Verstöße gegen die Umweltschutzbestimmungen kommt<br />

insbeson<strong>de</strong>re in Betracht, wenn daran ein zwingen<strong>de</strong>s öffentliches Interesse nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 besteht. Dies<br />

ist nicht nur <strong>zur</strong> Verfolgung <strong>de</strong>r in § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchstaben a und b genannten Straftaten gegeben, son<strong>de</strong>rn<br />

auch <strong>zur</strong> Verfolgung an<strong>de</strong>rer Straftaten, die wegen ihrer Schwere und ihrer Auswirkungen auf die Allgemeinheit<br />

<strong>de</strong>n genannten Regeltatbestän<strong>de</strong>n entsprechen. Bei Verdacht eines beson<strong>de</strong>rs schweren Falles einer<br />

Umweltstraftat i. S. d. § 330 StGB o<strong>de</strong>r einer schweren Gefährdung durch Freisetzung von Giften i. S. d. § 330a<br />

StGB ist ein zwingen<strong>de</strong>s öffentliches Interesse für eine Offenbarung zu bejahen. Keine Offenbarungsbefugnis<br />

besteht, wenn lediglich <strong>de</strong>r abstrakte Gefährdungstatbestand einer Umweltstraftat wie etwa § 325 StGB<br />

(Luftverunreinigung), § 325a StGB (Verursachen von Lärm, Erschütterungen und nichtionisieren<strong>de</strong>n Strahlen)<br />

bzw. § 326 StGB (umweltgefähr<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Abfallbeseitigung) erfüllt ist. Kann die Finanzbehör<strong>de</strong> nicht beurteilen,<br />

ob die vorgenannten Voraussetzungen für eine Weitergabe erfüllt sind, hat sie zunächst unter Anonymisierung<br />

<strong>de</strong>s Sachverhalts eine sachkundige Stelle <strong>zur</strong> Klärung einzuschalten. Soweit Verstöße gegen<br />

Umweltschutzbestimmungen steuerliche Auswirkungen haben, z. B. für die Anerkennung für eine<br />

Teilwertabschreibung, ergibt sich die Befugnis <strong>zur</strong> Weitergabe aus § 30 Abs. 4 Nr. 1, sofern die Weitergabe <strong>zur</strong><br />

Durchführung <strong>de</strong>s Besteuerungsverfahrens erfor<strong>de</strong>rlich ist. Sieht die Finanzbehör<strong>de</strong> die Notwendigkeit, Angaben<br />

<strong>de</strong>s Steuerpflichtigen, z. B. über schadstoffbelastete Wirtschaftsgüter, zu überprüfen, kann sie <strong>de</strong>n Sachverhalt<br />

einer zuständigen Fachbehör<strong>de</strong> offenbaren. Die Finanzbehör<strong>de</strong> hat dabei zu prüfen, ob es ausreicht, <strong>de</strong>n<br />

Sachverhalt <strong>de</strong>r Fachbehör<strong>de</strong> in anonymisierter Form vorzutragen. Ist die Offenbarung <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>ntität <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen erfor<strong>de</strong>rlich, soll sie die Fachbehör<strong>de</strong> darauf hinweisen, dass die Angaben <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe c weiterhin <strong>de</strong>m Steuergeheimnis unterliegen. Die<br />

Weitergabe von Erkenntnissen über Verstöße gegen Umweltschutzbestimmungen kann gleichzeitig auf mehrere<br />

Offenbarungsgrün<strong>de</strong> gestützt wer<strong>de</strong>n. Eine Weitergabe von Erkenntnissen unter <strong>de</strong>m Gesichtspunkt <strong>de</strong>s<br />

zwingen<strong>de</strong>n öffentlichen Interesses ist <strong>de</strong>shalb auch dann zulässig, wenn <strong>de</strong>r gleiche Sachverhalt bereits nach<br />

§ 30 Abs. 4 Nr. 1 offenbart wor<strong>de</strong>n ist. Die Weitergabe von Informationen über Verstöße gegen die<br />

Umweltschutzbestimmungen kann nicht auf das Umweltinformationsgesetz vom 23.8.2001 (BGBl. I S. 2218)<br />

gestützt wer<strong>de</strong>n.<br />

8.6 Zu Mitteilungen an Disziplinarstellen <strong>zur</strong> Durchführung dienstrechtlicher Maßnahmen bei Beamten und<br />

Richtern vgl. BMF-Schreiben vom 12.3.2010 – IV A 3 – S 0130/08/10006 – BStBl. I, S. 222, geän<strong>de</strong>rt durch<br />

BMF-Schreiben vom 20.6.2011 – IV A 3 – S 0130/08/10006 – BStBl. I S. ... Die Regelungen dieses BMF-<br />

Schreibens sind bei vergleichbaren Verfehlungen sonstiger Angehöriger <strong>de</strong>r Finanzverwaltung (Arbeitnehmer,<br />

die we<strong>de</strong>r Beamte noch Richter sind) entsprechend anzuwen<strong>de</strong>n, soweit dies <strong>zur</strong> Ergreifung vergleichbarer<br />

arbeitsrechtlicher Maßnahmen (z. B. Abmahnung, Kündigung) führen kann. Eine Steuerhinterziehung in<br />

erheblicher Höhe ist bei einem hoheitlich tätigen Angestellten o<strong>de</strong>r Tarifbeschäftigen einer Finanzbehör<strong>de</strong> als<br />

wichtiger Grund <strong>zur</strong> fristlosen Kündigung an sich auch dann geeignet, wenn <strong>de</strong>r Angestellte bzw.<br />

Tarifbeschäftigte die Hinterziehung gemäß § 371 selbst angezeigt hat (vgl. BAG, Urteile vom 21.6.2001 –<br />

2 AZR 325/00, HFR 2003, 183, und vom 10.9.2009 – 2 AZR 257/08, juris).<br />

8.7 Die Finanzbehör<strong>de</strong>n sind verpflichtet, <strong>de</strong>n für die Bekämpfung terroristischer Aktivitäten zuständigen<br />

Stellen die nach § 30 geschützten Verhältnisse auf <strong>de</strong>ren Ersuchen mitzuteilen. Für die Mitteilungen an die<br />

genannten Stellen besteht in diesen Fällen ein zwingen<strong>de</strong>s öffentliches Interesse i. S. d. § 30 Abs. 4 Nr. 5. Die<br />

ersuchen<strong>de</strong>n Stellen haben in ihrem Ersuchen zu versichern, dass die erbetenen Daten für Ermittlungen und<br />

Aufklärungsarbeiten im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Bekämpfung <strong>de</strong>s Terrorismus erfor<strong>de</strong>rlich sind. Eine bestimmte<br />

Form für die Auskunftsersuchen und die Erteilung <strong>de</strong>r Auskünfte ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich. Bei Zweifeln an <strong>de</strong>r<br />

I<strong>de</strong>ntität <strong>de</strong>s Auskunftsersuchen<strong>de</strong>n haben sich die Finanzbehör<strong>de</strong>n vor Auskunftserteilung über die I<strong>de</strong>ntität <strong>de</strong>s<br />

Auskunftsersuchen<strong>de</strong>n auf geeignete Weise zu vergewissern. Zur Mitteilungspflicht <strong>zur</strong> Bekämpfung <strong>de</strong>r<br />

Geldwäsche und <strong>de</strong>r Terrorismusfinanzierung vgl. § 31b.<br />

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8.8 § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchstabe c gestattet die Offenbarung <strong>zur</strong> Richtigstellung unwahrer Tatsachen, die<br />

geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern. Diese Offenbarungsbefugnis begrün<strong>de</strong>t<br />

ein Abwehrrecht <strong>de</strong>r Verwaltung und dient damit nicht <strong>de</strong>m Aufklärungsinteresse <strong>de</strong>r Öffentlichkeit. Die<br />

Verwaltung selbst hat zu entschei<strong>de</strong>n, ob und in welchem Umfang sie richtig stellen will. Sie hat dabei <strong>de</strong>n<br />

Grundsatz <strong>de</strong>r Verhältnismäßigkeit zu wahren und sich auf die <strong>zur</strong> Richtigstellung erfor<strong>de</strong>rliche Offenbarung zu<br />

beschränken. Eine Offenbarung <strong>zur</strong> Richtigstellung in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen gem.<br />

§ 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchstabe c kommt nur im Ausnahmefall in Betracht.<br />

8.9 Wer<strong>de</strong>n strafrechtlich geschützte Individualrechtsgüter eines Amtsträgers o<strong>de</strong>r einer gleichgestellten Person<br />

im Sinne <strong>de</strong>s § 30 Abs. 3 verletzt, ist die Durchbrechung <strong>de</strong>s Steuergeheimnisses gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 5<br />

zulässig, soweit dies für die Verfolgung <strong>de</strong>s Deliktes erfor<strong>de</strong>rlich ist. In Betracht kommen hierbei insbeson<strong>de</strong>re:<br />

– falsche Verdächtigung (§ 164 StGB),<br />

– Beleidigung (§ 185 StGB),<br />

– üble Nachre<strong>de</strong> (§ 186 StGB),<br />

– Verleumdung (§ 187 StGB),<br />

– Körperverletzung (§§ 223, 224, 229 StGB),<br />

– Freiheitsberaubung (§ 239 StGB),<br />

– Nötigung (§ 240 StGB),<br />

– Bedrohung (§ 241 StGB).<br />

8.10 § 30 Abs. 4 Nr. 5 gestattet die Offenbarung <strong>de</strong>r Verhältnisse eines an<strong>de</strong>ren <strong>zur</strong> Verfolgung von<br />

– Wi<strong>de</strong>rstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 Abs. 1 StGB),<br />

– Verstrickungsbrüchen (§ 136 Abs. 1 StGB),<br />

– Siegelbrüchen (§ 136 Abs. 2 StGB) o<strong>de</strong>r<br />

– Vereitelung <strong>de</strong>r Vollstreckung (§ 288 StGB)<br />

im Besteuerungsverfahren durch die Finanzbehör<strong>de</strong>n gegenüber Gerichten o<strong>de</strong>r Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n. Das<br />

zwingen<strong>de</strong> öffentliche Interesse an <strong>de</strong>r Offenbarung folgt daraus, dass sich die strafrechtlich relevanten<br />

Handlungen gegen die Gesetzmäßigkeit <strong>de</strong>s Steuerverfahrens als Ganzes – Steuererhebung und<br />

Steuerverstrickung – richten.<br />

8.11 Liegen <strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong>n Erkenntnisse zu Insolvenzstraftaten i. S. d. §§ 283 bis 283c StGB o<strong>de</strong>r zu<br />

Insolvenzverschleppungsstraftaten (§ 15a InsO) vor, die sie im Besteuerungsverfahren erlangt haben, so ist eine<br />

Offenbarung dieser Erkenntnisse an die Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 zulässig.<br />

8.12 Liegen <strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong>n Anhaltspunkte zu Misshandlungen von Kin<strong>de</strong>rn i. S. d. § 223 StGB und<br />

Misshandlungen von Schutzbefohlenen i. S. d. § 225 StGB vor, die sie im Besteuerungs- bzw.<br />

Steuerstrafverfahren erlangt haben, ist eine Offenbarung dieser Kenntnisse an die Sozialbehör<strong>de</strong>n bzw.<br />

Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 zulässig.<br />

8.13 Soweit <strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong>n im Besteuerungsverfahren Erkenntnisse über Verstöße gegen europäische<br />

Embargo-Verordnungen bekannt wer<strong>de</strong>n, haben sie diese <strong>de</strong>n für die Verfolgung <strong>de</strong>rartiger Verstöße<br />

zuständigen Behör<strong>de</strong>n mitzuteilen. Die Offenbarung ist nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 zulässig. Der Stand <strong>de</strong>r<br />

bestehen<strong>de</strong>n Embargos sowie eine Liste <strong>de</strong>r jeweils zuständigen Ermittlungsbehör<strong>de</strong> sind zu fin<strong>de</strong>n unter:<br />

http://www.bmwi.<strong>de</strong>/BMWi/Navigation/Aussenwirtschaft/aussenwirtschaftsrecht,did = 193616.html.<br />

9. Offenbarung vorsätzlich falscher Angaben (§ 30 Absatz 5)<br />

Die Unterrichtung <strong>de</strong>r Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n über vorsätzlich falsche Angaben <strong>de</strong>s Betroffenen gemäß § 30<br />

Abs. 5 darf nur erfolgen, wenn nach Auffassung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> durch die falschen Angaben ein<br />

Straftatbestand verwirklicht wor<strong>de</strong>n ist; die Durchführung eines Strafverfahrens wegen dieser Tat ist nicht<br />

Voraussetzung für die Zulässigkeit <strong>de</strong>r Offenbarung. Der Finanzbehör<strong>de</strong> obliegt die Prüfung, ob <strong>de</strong>r Betroffene,<br />

sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht, einen Straftatbestand verwirklicht hat (BFH-Urteil vom<br />

8.2.1994 – VII R 88/92 – BStBl. II, S. 552). § 30 Abs. 5 lässt eine Offenbarung nur gegenüber <strong>de</strong>n<br />

Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n zu.<br />

10. Auskunft über Anzeigeerstatter<br />

10.1 Durch das Steuergeheimnis wird auch <strong>de</strong>r Name eines Anzeigeerstatters geschützt, wenn die Anzeige eines<br />

<strong>de</strong>r in § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a und b genannten Verfahren auslöst o<strong>de</strong>r innerhalb eines solchen Verfahrens<br />

erstattet o<strong>de</strong>r ausgewertet wird. Was für die Offenbarung <strong>de</strong>s Namens <strong>de</strong>s Anzeigeerstatters gilt, muss in<br />

entsprechen<strong>de</strong>r Weise auch für die wortgetreue Offenbarung <strong>de</strong>s Inhalts <strong>de</strong>r Anzeige gelten. Häufig wird man<br />

nämlich aus <strong>de</strong>m Inhalt einer Anzeige, sei es aus einer bestimmten Wortwahl o<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Gebrauch einzelner<br />

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Formulierungen, sei es aus stilistischen o<strong>de</strong>r grammatikalischen Eigenheiten, aus <strong>de</strong>r Schrift o<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r<br />

Strukturierung <strong>de</strong>s gesamten Textes, mit einiger Wahrscheinlichkeit Rückschlüsse auf <strong>de</strong>n Verfasser <strong>de</strong>r Anzeige<br />

ziehen können (vgl. BFH-Beschluss vom 28.12.2006 – VII B 44/03 – BFH/NV 2007, S. 853).<br />

10.2 Hat <strong>de</strong>r Anzeigeerstatter allerdings vorsätzlich falsche Angaben gemacht, kann die Finanzbehör<strong>de</strong> dies<br />

gemäß § 30 Abs. 5 <strong>de</strong>n Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n mitteilen. Das Gleiche gilt gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 4<br />

Buchstabe b, wenn die Anzeige ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung erstattet wor<strong>de</strong>n ist und die<br />

Unterrichtung <strong>de</strong>r Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer Tat dient, die<br />

keine Steuerstraftat ist (vgl. Nr. 7.2).<br />

10.3 Grundsätzlich besteht nur eine Befugnis, aber keine Verpflichtung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> zu einer<br />

Unterrichtung <strong>de</strong>r Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n. Im Hinblick auf <strong>de</strong>n Persönlichkeitsschutz <strong>de</strong>s Verdächtigten kann<br />

sich die Offenbarungsbefugnis im Einzelfall in eine Verpflichtung <strong>zur</strong> Unterrichtung <strong>de</strong>r<br />

Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n verdichten, wenn <strong>de</strong>r Anzeigeerstatter nach Auffassung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> durch<br />

vorsätzlich falsche Angaben Straftatbestän<strong>de</strong> wie z. B. <strong>de</strong>s § 164 StGB (falsche Verdächtigung) verwirklicht hat<br />

(vgl. u. a. BFH-Urteil vom 8.2.1994 – VII R 88/92 – BStBl. II, S. 552).<br />

10.4 Eine Verpflichtung <strong>zur</strong> Auskunftserteilung besteht auch, wenn die Voraussetzungen für eine Offenbarung<br />

nach § 30 Abs. 5 o<strong>de</strong>r § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchstabe b gegeben sind und die Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong> um<br />

Namensnennung aufgrund einer Strafanzeige <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen gegen Unbekannt im Ermittlungsverfahren<br />

nach § 161 StPO ersucht. Dem betroffenen Steuerpflichtigen selbst ist in diesen Fällen keine Auskunft über die<br />

I<strong>de</strong>ntität <strong>de</strong>s Anzeigenerstatters zu erteilen; insbeson<strong>de</strong>re § 30 Abs. 5 lässt eine Offenbarung nur gegenüber <strong>de</strong>n<br />

Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n zu.<br />

10.5 Auch im Fall eines Auskunftsersuchens <strong>de</strong>r Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong> nach § 161 StPO ist die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 30 Abs. 5 nur <strong>zur</strong> Auskunftserteilung berechtigt, wenn sie nach eigener<br />

Überprüfung <strong>de</strong>r Auffassung ist, dass <strong>de</strong>r Anzeigenerstatter vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat. In diesem<br />

Fall ist die Finanzbehör<strong>de</strong> <strong>zur</strong> Auskunftserteilung an die Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong> verpflichtet.<br />

10.6 Beantragt <strong>de</strong>r betroffene Steuerpflichtige selbst bei <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> Auskunft über die I<strong>de</strong>ntität eines<br />

Anzeigeerstatters und liegen die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchstabe b vor, sind im Rahmen <strong>de</strong>r<br />

Ermessensentscheidung das allgemeine Persönlichkeitsrecht <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen gegen das allgemeine<br />

Persönlichkeitsrecht <strong>de</strong>s Anzeigeerstatters und <strong>de</strong>n Zweck <strong>de</strong>s Steuergeheimnisses – die möglichst vollständige<br />

Erschließung <strong>de</strong>r Steuerquellen – abzuwägen. Dem Informantenschutz und <strong>de</strong>m Zweck <strong>de</strong>s Steuergeheimnisses<br />

kommt dabei ein höheres Gewicht als <strong>de</strong>m Persönlichkeitsrecht <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen zu, wenn sich die<br />

vertraulich mitgeteilten Informationen im Wesentlichen als zutreffend erweisen und zu Steuernachfor<strong>de</strong>rungen<br />

führen (vgl. BFH-Beschluss vom 7.12.2006 – V B 163/05 – BStBl. 2007 II, S. 275 m. w. N.) o<strong>de</strong>r wenn sich bei<br />

einer Vielzahl von Angaben zumin<strong>de</strong>st einige als steuerrechtlich be<strong>de</strong>utsam erweisen, wobei diese im Verhältnis<br />

zu <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren nicht völlig unmaßgeblich sein dürfen (vgl. BFH-Urteil vom 8.2.1994 – VII R 88/92 – BStBl. II,<br />

S. 552).<br />

Zu § 30a – Schutz von Bankkun<strong>de</strong>n:<br />

1. § 30a Abs. 3 Satz 2 verbietet nicht generell und ausnahmslos die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen<br />

anlässlich einer Bankenprüfung.<br />

§ 30a Abs. 3 gilt nur für Guthabenkonten o<strong>de</strong>r Depots, bei <strong>de</strong>ren Errichtung eine I<strong>de</strong>ntitätsprüfung nach<br />

§ 154 Abs. 2 vorgenommen wor<strong>de</strong>n ist. Guthabenkonten o<strong>de</strong>r Depots, bei <strong>de</strong>ren Errichtung keine<br />

I<strong>de</strong>ntitätsprüfung nach § 154 Abs. 2 vorgenommen wor<strong>de</strong>n ist, dürfen anlässlich <strong>de</strong>r Außenprüfung bei<br />

einem Kreditinstitut zwecks Nachprüfung <strong>de</strong>r ordnungsgemäßen Versteuerung festgestellt o<strong>de</strong>r<br />

abgeschrieben wer<strong>de</strong>n. Für die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen gilt in diesen Fällen § 194 Abs. 3.<br />

Zufallserkenntnisse, die <strong>de</strong>n Verdacht einer Steuerverkürzung im Einzelfall begrün<strong>de</strong>n, können auch<br />

hinsichtlich solcher Guthabenkonten o<strong>de</strong>r Depots, bei <strong>de</strong>ren Errichtung eine I<strong>de</strong>ntitätsprüfung vorgenommen<br />

wor<strong>de</strong>n ist, <strong>de</strong>m zuständigen Finanzamt mitgeteilt wer<strong>de</strong>n (BFH-Beschluss vom 2.8.2001 – VII B 290/99 –<br />

BStBl. 2001 II, S. 665). § 30a Abs. 3 entfaltet aber auch im Rahmen nicht strafrechtlich veranlasster, typisch<br />

steuerrechtlicher Ermittlungen <strong>zur</strong> Gewinnung von Prüfmaterial für die Veranlagung keine ,,Sperrwirkung“,<br />

wenn ein hinreichen<strong>de</strong>r Anlass für die Kontrollmitteilung besteht (BFH-Urteil vom 9.12.2008 – VII R<br />

47/07 – BStBl. 2009 II, S. 509). Eine Kontrollmitteilung ist dann „hinreichend veranlasst“, wenn das zu<br />

prüfen<strong>de</strong> Bankgeschäft Auffälligkeiten aufweist, die es aus <strong>de</strong>m Kreis <strong>de</strong>r alltäglichen und banküblichen<br />

Geschäfte hervorheben o<strong>de</strong>r eine für Steuerhinterziehung beson<strong>de</strong>rs anfällige Art <strong>de</strong>r Geschäftsabwicklung<br />

erkennen lassen, wenn also eine erhöhte Wahrscheinlichkeit <strong>de</strong>r Ent<strong>de</strong>ckung unbekannter Steuerfälle besteht.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 14 von 235


Der hinreichen<strong>de</strong> Anlass für die Nachprüfung <strong>de</strong>r steuerlichen Verhältnisse muss sich anhand <strong>de</strong>r konkreten<br />

Ermittlungen im Einzelfall und <strong>de</strong>r in vergleichbaren Prüfsituationen gewonnenen<br />

verallgemeinerungsfähigen Erkenntnisse nachvollziehbar ergeben.<br />

§ 194 Abs. 3 bleibt hinsichtlich <strong>de</strong>r Kreditkonten, <strong>de</strong>r Eigenkonten und <strong>de</strong>r Konten pro Diverse durch § 30a<br />

Abs. 3 ebenfalls unberührt. Erkenntnisse aus <strong>de</strong>r Überprüfung <strong>de</strong>rartiger Konten fallen allerdings auch unter<br />

<strong>de</strong>n Schutz <strong>de</strong>s § 30a Abs. 3, soweit die entsprechen<strong>de</strong>n Belege notwendigerweise auch zu einem<br />

legitimationsgeprüften Guthabenkonto o<strong>de</strong>r Depot gehören (BFH-Urteil vom 9.12.2008, a.a.O.).<br />

Im Übrigen steht § 30a Abs. 3 einer Außenprüfung nach § 50b EStG bei <strong>de</strong>n Kreditinstituten nicht entgegen.<br />

2. Für Auskunftsersuchen an Kreditinstitute gelten §§ 93 und 208. Ermittlungen „ins Blaue hinein“ sind<br />

unzulässig (vgl. BFH-Urteil vom 23.10.1990 – VIII R 1/86 – BStBl. 1991 II, S. 277 [278]). Auskünfte<br />

können bei hinreichen<strong>de</strong>m Anlass verlangt wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteile vom 29.10.1986 – VII R 82/85 –<br />

BStBl. 1998 II, S. 359, und vom 24.3.1987 – VII R 30/86 – BStBl. II, S. 484). Unter dieser Voraussetzung<br />

sind auch Auskunftsersuchen, die sich auf eine Vielzahl von Einzelfällen beziehen<br />

(Sammelauskunftsersuchen), zulässig (vgl. BFH-Urteil vom 24.10.1989 – VII R 1/87 – BStBl. 1990 II,<br />

S. 198).<br />

Hingegen sind Sammelauskunftsersuchen über Bestän<strong>de</strong> von Konten einschließlich Depotkonten sowie über<br />

Gutschriften von Kapitalerträgen nach § 30a Abs. 2 unzulässig.<br />

3. Die Anzeigepflicht <strong>de</strong>r Kreditinstitute nach § 33 ErbStG und die Auswertung <strong>de</strong>r Anzeigen auch für<br />

Einkommensteuerzwecke bleiben durch § 30a Abs. 2 unberührt (BFH-Beschluss vom 2.4.1992 –<br />

VIII B 129/91 – BStBl. II, S. 616).<br />

4. Bei Ermittlungen im Steuerstrafverfahren und im Bußgeldverfahren wegen Steuerordnungswidrigkeiten<br />

fin<strong>de</strong>t § 30a keine Anwendung.<br />

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Zu § 31 – Mitteilung von Besteuerungsgrundlagen:<br />

1. Die Finanzbehör<strong>de</strong>n sind nach § 31 Abs. 2 <strong>zur</strong> Offenbarung gegenüber <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sagentur für Arbeit, <strong>de</strong>r<br />

Künstlersozialkasse und <strong>de</strong>n Trägern <strong>de</strong>r gesetzlichen Sozialversicherung nur verpflichtet, soweit die<br />

Angaben für die Feststellung <strong>de</strong>r Versicherungspflicht o<strong>de</strong>r die Festsetzung von Beiträgen benötigt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Träger <strong>de</strong>r Sozialversicherung, die Bun<strong>de</strong>sagentur für Arbeit und die Künstlersozialkasse haben dies bei<br />

Anfragen zu versichern.<br />

2. Sozialleistungsträger i. S. d. § 31 Abs. 2 sind gemäß § 12 SGB I die in §§ 18 bis 29 SGB I genannten<br />

Körperschaften, Anstalten und Behör<strong>de</strong>n, die entsprechen<strong>de</strong> Dienst-, Sach- und Geldleistungen gewähren.<br />

Hierzu gehören z. B. neben <strong>de</strong>n Agenturen für Arbeit und <strong>de</strong>n sonstigen Dienststellen <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sagentur für<br />

Arbeit die gesetzlichen Krankenkassen (Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkassen, landwirtschaftliche<br />

Krankenkassen, die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See und die Ersatzkassen) sowie<br />

hinsichtlich <strong>de</strong>r allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung die Regionalträger <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />

Rentenversicherung, die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Deutsche Rentenversicherung<br />

Knappschaft-Bahn-See, hinsichtlich <strong>de</strong>r knappschaftlichen Rentenversicherung die Deutsche<br />

Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See und hinsichtlich <strong>de</strong>r Alterssicherung <strong>de</strong>r Landwirte die<br />

landwirtschaftlichen Alterskassen.<br />

Nicht zu <strong>de</strong>n Sozialleistungsträgern i. S. d. § 31 Abs. 2 gehören private Krankenversicherungen und die<br />

Träger <strong>de</strong>r berufständischen Versorgungsleistungen (z. B. Ärzte-, Rechtsanwalts- und Architekten-<br />

Versorgungswerke).<br />

Eine ständig aktualisierte Liste <strong>de</strong>r auskunftsberechtigten Krankenkassen kann unter http://www.gkvspitzenverband.<strong>de</strong><br />

eingesehen wer<strong>de</strong>n.<br />

3. Auskünfte gegenüber Krankenkassen bei freiwillig Versicherten<br />

3.1 Die Finanzbehör<strong>de</strong>n sind gegenüber <strong>de</strong>n gesetzlichen Krankenkassen hinsichtlich freiwillig Versicherter, die<br />

hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind, grundsätzlich nicht nach § 31 Abs. 2 auskunftspflichtig. Da<br />

bei diesem Personenkreis die Beitragsbemessungsgrenze als beitragspflichtige Einnahme gilt, ist die<br />

Krankenkasse grundsätzlich nicht verpflichtet, die sozialversicherungsrelevanten Verhältnisse zu ermitteln.<br />

Der freiwillig Versicherte kann allerdings eine Beitragsreduzierung erreichen, wenn er geringere Einnahmen<br />

nachweist (§ 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Die aus <strong>de</strong>m zuletzt vorgelegten Einkommensteuerbescheid<br />

abgeleitete Beitragsbemessung bleibt dann bis <strong>zur</strong> Erteilung <strong>de</strong>s nächsten Einkommensteuerbescheids<br />

maßgebend. Erklärt ein freiwillig Versicherter seiner Krankenkasse in <strong>de</strong>rartigen Fällen auf Nachfrage, ihm<br />

sei seit mehr als 18 Monaten kein Steuerbescheid zugegangen, ist <strong>de</strong>r Krankenkasse auf Ersuchen<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 15 von 235


mitzuteilen, ob innerhalb dieses Zeitraums ein Steuerbescheid erteilt wur<strong>de</strong> (unabhängig davon, welchen<br />

Veranlagungszeitraum er betrifft); bejahen<strong>de</strong>nfalls ist auch <strong>de</strong>ssen Datum und das jeweilige<br />

Veranlagungsjahr mitzuteilen.<br />

3.2 Bei an<strong>de</strong>ren freiwillig Versicherten ist die Krankenkasse verpflichtet, die sozialversicherungsrelevanten<br />

Verhältnisse zu ermitteln. Kommt <strong>de</strong>r Versicherte seiner Mitwirkungspflicht nicht nach, kann die<br />

Krankenkasse die Finanzbehör<strong>de</strong>n in diesen Fällen um Auskunft ersuchen. Die nach § 31 Abs. 2 zulässige<br />

Auskunft ist auf die <strong>zur</strong> Beitragsfestsetzung unbedingt notwendigen Angaben zu beschränken (insbeson<strong>de</strong>re<br />

Höhe einzelner Einkünfte o<strong>de</strong>r Summe <strong>de</strong>r Einkünfte).<br />

3.3 Die Krankenkassen haben in ihren Ersuchen darzulegen, welches Versicherungsverhältnis besteht (Nr. 3.1<br />

o<strong>de</strong>r 3.2).<br />

4. Bei Anfragen <strong>de</strong>r Rentenversicherungsträger an die Finanzämter auf Mitteilung von Besteuerungsgrundlagen<br />

nach § 31 Abs. 2 Satz 1 in Fällen <strong>de</strong>r einkommensgerechten Beitragszahlung von versicherungspflichtigen<br />

Selbstständigen (§ 165 SGB VI) ist von <strong>de</strong>r Erfor<strong>de</strong>rlichkeit <strong>de</strong>r Auskunft auszugehen, wenn <strong>de</strong>r<br />

Rentenversicherungsträger im Vordruck für Auskunftsersuchen an die Finanzämter (Vordruck V001)<br />

versichert, dass eigene Ermittlungsversuche im Umfang <strong>de</strong>r gestellten Anfrage beim Versicherten (u. a.<br />

Auffor<strong>de</strong>rung <strong>zur</strong> Vorlage <strong>de</strong>s letzten Einkommensteuerbescheids und Erinnerung hieran) erfolglos<br />

geblieben sind.<br />

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Zu § 31a – Mitteilungen <strong>zur</strong> Bekämpfung <strong>de</strong>r illegalen Beschäftigung und <strong>de</strong>s Leistungsmissbrauchs:<br />

1. Allgemeines<br />

Die Offenbarung erfolgt aufgrund einer Anfrage <strong>de</strong>r für die in § 31a genannten Verfahren zuständigen Stellen.<br />

Die zuständigen Stellen haben in <strong>de</strong>r Anfrage zu versichern, dass die Offenbarung <strong>de</strong>r Verhältnisse für ein<br />

Verfahren i. S. d. § 31a Abs. 1 erfor<strong>de</strong>rlich ist.<br />

Die Offenbarung erfolgt von Amts wegen, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong>n über konkrete Informationen verfügen, die<br />

für die zuständigen Stellen für ein Verfahren nach § 31a Abs. 1 erfor<strong>de</strong>rlich sind. Es genügt die Möglichkeit,<br />

dass die konkreten Tatsachen für die Durchführung eines Verfahrens nach § 31a Abs. 1 erfor<strong>de</strong>rlich sind, ein<br />

konkreter Tatverdacht im strafprozessualen Sinne ist nicht notwendig. Vorsorgliche Mitteilungen sind nicht<br />

vorzunehmen.<br />

Die Mitteilungspflicht <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>n bezieht sich nur auf die konkret vorhan<strong>de</strong>nen Anhaltspunkte, sie sind<br />

nicht zu zusätzlichen Ermittlungen verpflichtet. Die Mitteilungspflicht <strong>de</strong>s § 31a gilt nur gegenüber <strong>de</strong>n jeweils<br />

zuständigen Stellen und schließt nicht die Befugnis <strong>zur</strong> Gewährung von Akteneinsicht o<strong>de</strong>r die Übersendung von<br />

Akten ein.<br />

Eine Mitteilungspflicht besteht nicht, soweit <strong>de</strong>ren Erfüllung mit einem unverhältnismäßigen Aufwand<br />

verbun<strong>de</strong>n wäre (§ 31a Abs. 2 Satz 3). Ein unverhältnismäßiger Aufwand liegt i. d. R. dann vor, wenn <strong>de</strong>r <strong>zur</strong><br />

Erfüllung <strong>de</strong>r Mitteilungspflicht erfor<strong>de</strong>rliche sachliche, personelle o<strong>de</strong>r zeitliche Aufwand erkennbar außer<br />

Verhältnis zum angestrebten Erfolg <strong>de</strong>r Mitteilung steht.<br />

2. Bekämpfung von illegaler Beschäftigung o<strong>de</strong>r Schwarzarbeit (§ 31a Abs. 1 Nr. 1a)<br />

2.1 Illegale Beschäftigung<br />

Nach § 16 Abs. 2 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) liegt illegale Beschäftigung u. a. dann vor,<br />

wenn Auslän<strong>de</strong>r ohne eine erfor<strong>de</strong>rliche Genehmigung arbeiten o<strong>de</strong>r beschäftigt wer<strong>de</strong>n (illegale<br />

Arbeitnehmerbeschäftigung) o<strong>de</strong>r Arbeitnehmer von einem Arbeitgeber an einen Dritten gewerbsmäßig <strong>zur</strong><br />

Arbeitsleistung überlassen wer<strong>de</strong>n, obwohl eine erfor<strong>de</strong>rliche Erlaubnis nach <strong>de</strong>m<br />

Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nicht vorliegt o<strong>de</strong>r die Überlassung gesetzlich nicht gestattet ist (unerlaubte<br />

Arbeitnehmerüberlassung).<br />

2.2 Schwarzarbeit<br />

Nach § 1 Abs. 2 SchwarzArbG leistet Schwarzarbeit, wer Dienst- o<strong>de</strong>r Werkleistungen erbringt o<strong>de</strong>r ausführen<br />

lässt und dabei<br />

1. als Arbeitgeber, Unternehmer o<strong>de</strong>r versicherungspflichtiger Selbstständiger seine sich auf Grund <strong>de</strong>r Diensto<strong>de</strong>r<br />

Werkleistungen ergeben<strong>de</strong>n sozialversicherungsrechtlichen Mel<strong>de</strong>-, Beitrags- o<strong>de</strong>r<br />

Aufzeichnungspflichten nicht erfüllt,<br />

2. als Steuerpflichtiger seine sich auf Grund <strong>de</strong>r Dienst- o<strong>de</strong>r Werkleistungen ergeben<strong>de</strong>n steuerlichen Pflichten<br />

nicht erfüllt,<br />

3. als Empfänger von Sozialleistungen seine sich auf Grund <strong>de</strong>r Dienst- o<strong>de</strong>r Werkleistungen ergeben<strong>de</strong>n<br />

Mitteilungspflichten gegenüber <strong>de</strong>m Sozialleistungsträger nicht erfüllt,<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 16 von 235


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4. als Erbringer von Dienst- o<strong>de</strong>r Werkleistungen seiner sich daraus ergeben<strong>de</strong>n Verpflichtung <strong>zur</strong> Anzeige<br />

vom Beginn <strong>de</strong>s selbstständigen Betriebes eines stehen<strong>de</strong>n Gewerbes (§ 14 <strong>de</strong>r Gewerbeordnung) nicht<br />

nachgekommen ist o<strong>de</strong>r die erfor<strong>de</strong>rliche Reisegewerbekarte (§ 55 <strong>de</strong>r Gewerbeordnung) nicht erworben hat,<br />

5. als Erbringer von Dienst- o<strong>de</strong>r Werkleistungen ein zulassungspflichtiges Handwerk als stehen<strong>de</strong>s Gewerbe<br />

selbstständig betreibt, ohne in <strong>de</strong>r Handwerksrolle eingetragen zu sein (§ 1 <strong>de</strong>r Handwerksordnung).<br />

2.3 Zuständige Stellen<br />

Zuständig für die Prüfung und Bekämpfung von illegaler Beschäftigung nach Nr. 2.1 und Schwarzarbeit nach<br />

Nr. 2.2 lfd. Nr. 1 und 2 sind die Behör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Zollverwaltung, Arbeitsbereich Finanzkontrolle Schwarzarbeit<br />

(FKS). Die FKS prüft auch, ob Verstöße gegen Mitteilungspflichten nach Nr. 2.2 lfd. Nr. 3 vorliegen, sofern<br />

diese Mitteilungspflichten Sozialleistungen nach <strong>de</strong>m SGB II, <strong>de</strong>m SGB III o<strong>de</strong>r Leistungen nach <strong>de</strong>m<br />

Altersteilzeitgesetz betreffen; für Sozialleistungen nach <strong>de</strong>m SGB I sind die jeweiligen Leistungs- bzw.<br />

Subventionsgeber zuständig (vgl. unter Nr. 4.2). Für die Verfolgung und Ahndung von Verstößen gegen die in<br />

Nr. 2.2 lfd. Nr. 4 und 5 aufgeführten Pflichten, sind die nach Lan<strong>de</strong>srecht zuständigen Behör<strong>de</strong>n zuständig (§ 2<br />

Abs. 1a SchwarzArbG). Die Prüfung <strong>de</strong>r Erfüllung steuerlicher Pflichten obliegt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2<br />

SchwarzArbG weiterhin <strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>sfinanzbehör<strong>de</strong>n. Die FKS ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 SchwarzArbG <strong>zur</strong><br />

Mitwirkung an diesen Prüfungen berechtigt. Unabhängig davon prüft die FKS gemäß § 2 Abs. 1 Satz 4<br />

SchwarzArbG <strong>zur</strong> Erfüllung ihrer Mitteilungspflichten nach § 6 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Nr. 4<br />

SchwarzArbG, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass steuerlichen Pflichten aus Dienst- und Werkleistungen<br />

nicht nachgekommen wur<strong>de</strong>. Ergeben sich bei <strong>de</strong>r Prüfung <strong>de</strong>r FKS Anhaltspunkte für Verstöße gegen die<br />

Steuergesetze, so unterrichtet die FKS hierüber die zuständigen Finanzbehör<strong>de</strong>n (§ 6 Abs. 3 Nr. 4<br />

SchwarzArbG). Zur Durchführung <strong>de</strong>s SchwarzArbG führt die FKS eine zentrale Prüfungs- und<br />

Ermittlungsdatenbank (§ 16 SchwarzArbG). Den Lan<strong>de</strong>sfinanzbehör<strong>de</strong>n wird auf Ersuchen Auskunft aus <strong>de</strong>r<br />

zentralen Datenbank erteilt <strong>zur</strong> Durchführung eines Steuerstraf- o<strong>de</strong>r Steuerordnungswidrigkeitenverfahrens und<br />

für die Besteuerung, soweit sie im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Erbringung von Dienst- o<strong>de</strong>r Werkleistungen steht<br />

(§ 17 Abs. 1 Nr. 4 SchwarzArbG). Soweit durch eine Auskunft die Gefährdung <strong>de</strong>s Untersuchungszwecks eines<br />

Ermittlungsverfahrens zu besorgen ist, kann die für dieses Verfahren zuständige Behör<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Zollverwaltung<br />

o<strong>de</strong>r die zuständige Staatsanwaltschaft anordnen, dass hierzu keine Auskunft erteilt wer<strong>de</strong>n darf (§ 17 Abs. 1<br />

Satz 2 SchwarzArbG). § 478 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO fin<strong>de</strong>t Anwendung, wenn die Daten Verfahren betreffen,<br />

die zu einem Strafverfahren geführt haben (§ 17 Abs. 1 Satz 3 SchwarzArbG).<br />

2.4 Mitteilungen<br />

Verfügt die Finanzbehör<strong>de</strong> über Informationen, die die FKS o<strong>de</strong>r die nach Lan<strong>de</strong>srecht zuständigen Behör<strong>de</strong>n<br />

für die Erfüllung ihrer Aufgaben <strong>zur</strong> Bekämpfung illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit benötigt, hat sie<br />

diese mitzuteilen. Anhaltspunkte für einen möglichen Verstoß reichen für eine Mitteilung aus. Ein<br />

unverhältnismäßiger Aufwand i. S. <strong>de</strong>s § 31a Abs. 2 Satz 3 liegt bei <strong>de</strong>n Mitteilungen an die FKS im Regelfall<br />

nicht vor.<br />

2.5 Verfahren FKS<br />

Sowohl die Hauptzollämter als auch die Lan<strong>de</strong>sfinanzbehör<strong>de</strong>n haben sogenannte „Partnerstellen“ für die<br />

Zusammenarbeit <strong>de</strong>r FKS mit <strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong>n eingerichtet. Mitteilungen sind daher nicht direkt an die FKS<br />

zu richten, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r jeweils örtlichen „Partnerstelle Steuer“ zu übermitteln. Diese leitet die Mitteilungen dann<br />

an die jeweils örtliche „Partnerstelle FKS“ weiter. In begrün<strong>de</strong>ten Einzelfällen sind ausnahmsweise auch direkte<br />

Kontakte zwischen <strong>de</strong>n Stellen <strong>de</strong>r FKS und <strong>de</strong>n Finanzämtern möglich. Hierüber sind die örtlichen<br />

Partnerstellen zeitnah zu unterrichten.<br />

3. Entscheidung über Arbeitnehmerüberlassung (§ 31a Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b<br />

Doppelbuchstabe aa)<br />

3.1 Arbeitnehmerüberlassung<br />

Nach § 1 Abs. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) ist eine Erlaubnis erfor<strong>de</strong>rlich, wenn ein Arbeitgeber<br />

(Verleiher) einem Dritten (Entleiher) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) gewerbsmäßig <strong>zur</strong> Arbeitsleistung<br />

überlassen will, ohne dass damit eine Arbeitsvermittlung nach § 1 Abs. 2 AÜG und i. S. d. §§ 35 ff. SGB III<br />

betrieben wird. Die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung in Betrieben <strong>de</strong>s Baugewerbes für Arbeiten, die<br />

üblicherweise von Arbeitern verrichtet wer<strong>de</strong>n, ist zwischen Betrieben <strong>de</strong>s Baugewerbes gestattet, wenn diese<br />

Betriebe von <strong>de</strong>nselben Rahmen- und Sozialkassentarifverträgen o<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>ren Allgemeinverbindlichkeiten<br />

erfasst wer<strong>de</strong>n; ansonsten ist sie unzulässig (§ 1b AÜG).<br />

Die Erlaubnis <strong>zur</strong> Arbeitnehmerüberlassung hängt nach <strong>de</strong>n Vorschriften <strong>de</strong>s AÜG u. a. von <strong>de</strong>r Zuverlässigkeit<br />

<strong>de</strong>s Verleihers ab. Diese Erlaubnis kann aus <strong>de</strong>n in §§ 3, 4 und 5 AÜG aufgeführten Grün<strong>de</strong>n versagt,<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 17 von 235


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<strong>zur</strong>ückgenommen o<strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rrufen wen<strong>de</strong>n. Die Zuverlässigkeitsprüfung durch die Arbeitsbehör<strong>de</strong> hat sich dabei<br />

auch auf das steuerliche Verhalten – insbeson<strong>de</strong>re die Einhaltung <strong>de</strong>r Vorschriften über die Einbehaltung und<br />

Abführung <strong>de</strong>r Lohnsteuer – zu erstrecken (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG).<br />

3.2 Zuständige Stellen<br />

Zuständig für die Durchführung <strong>de</strong>s AÜG ist die Bun<strong>de</strong>sagentur für Arbeit (§ 17 AÜG).<br />

3.3 Mitteilungen<br />

Die Finanzbehör<strong>de</strong>n unterrichten die zuständigen Dienststellen <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sagentur für Arbeit von Amts wegen<br />

über je<strong>de</strong> Verletzung steuerlicher Pflichten eines Arbeitnehmerverleihers, die mit <strong>de</strong>r Ausübung seiner<br />

gewerblichen Tätigkeit im Zusammenhang steht, es sei <strong>de</strong>nn, es han<strong>de</strong>lt sich um Pflichtverletzungen, die nach<br />

ihrem betragsmäßigen Umfang und ihrer Be<strong>de</strong>utung als geringfügig anzusehen sind.<br />

Solche Pflichtverletzungen, die nach ihrem betragsmäßigen Umfang und ihrer Be<strong>de</strong>utung als geringfügig<br />

anzusehen sind, sind jedoch auf Anfrage <strong>de</strong>n Dienststellen <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sagentur für Arbeit mitzuteilen, wenn in <strong>de</strong>r<br />

Anfrage von ihnen bescheinigt wird, dass die Informationen für ein nach § 31a Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b<br />

Doppelbuchstabe aa genanntes Verfahren erfor<strong>de</strong>rlich sind.<br />

Zu <strong>de</strong>n mitzuteilen<strong>de</strong>n Tatsachen gehören zum Beispiel:<br />

– Die Nichtanmeldung von Lohnsteuer,<br />

– die verspätete Abgabe von Lohnsteuer-Anmeldungen,<br />

– die verspätete Abführung o<strong>de</strong>r Nichtabführung <strong>de</strong>r einbehaltenen Steuerabzugsbeträge,<br />

– bestehen<strong>de</strong> Steuerrückstän<strong>de</strong>, soweit diese durch die gewerbliche Tätigkeit ausgelöst wur<strong>de</strong>n,<br />

– erhebliche Nachfor<strong>de</strong>rungen aus Lohnsteuer-Außenprüfungen,<br />

– wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit.<br />

3.4 Verfahren<br />

Damit die Finanzbehör<strong>de</strong>n zwischen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung (vgl. Tz. 2.1) und genehmigter<br />

Arbeitnehmerüberlassung unterschei<strong>de</strong>n und überprüfen können, ob ein Verleiher seinen steuerlichen Pflichten<br />

nachkommt, unterrichten die Dienststellen <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sagentur für Arbeit die Finanzbehör<strong>de</strong>n von Amts wegen<br />

über die Erteilung, Versagung, Verlängerung, Rücknahme und <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rruf sowie das Erlöschen <strong>de</strong>r Erlaubnis<br />

<strong>zur</strong> gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Die Dienststellen <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sagentur für Arbeit unterrichten die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>n ferner über je<strong>de</strong>n Antrag eines Unternehmers mit Sitz im Ausland auf Erteilung einer Erlaubnis<br />

nach <strong>de</strong>m AÜG, über Anfragen von Unternehmen mit Sitz im Ausland, ob ihre im Inland beabsichtigte Tätigkeit<br />

erlaubnispflichtig sei, und über Anfragen inländischer Unternehmer, ob einem bestimmten ausländischen<br />

Unternehmen eine Erlaubnis nach <strong>de</strong>m AÜG erteilt wur<strong>de</strong>.<br />

4. Entscheidung über Leistungen aus öffentlichen Mitteln (§ 31a Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b<br />

Doppelbuchstabe bb)<br />

4.1 Leistungen aus öffentlichen Mitteln<br />

Unter <strong>de</strong>m Begriff „Leistungen aus öffentlichen Mitteln“ sind alle Leistungen <strong>de</strong>r öffentlichen Hand zu<br />

verstehen. Insbeson<strong>de</strong>re fallen darunter Sozialleistungen und Subventionen.<br />

4.1.1 Sozialleistungen<br />

Sozialleistungen sind gemäß § 11 SGB I die im SGB I vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen. Hierzu<br />

zählen die in §§ 18 bis 29 SGB I und die in § 68 SGB I aufgezählten Leistungen. Sozialleistungen sind danach<br />

zum Beispiel die Leistungen <strong>de</strong>r Agenturen für Arbeit, <strong>de</strong>r gesetzlichen Krankenkassen, <strong>de</strong>r gesetzlichen<br />

Rentenversicherungsträger, <strong>de</strong>r Sozialämter und <strong>de</strong>r Unterhaltsvorschussbehör<strong>de</strong>n.<br />

4.1.2 Subventionen<br />

Subventionen sind gemäß § 1 Abs. 1 <strong>de</strong>s Gesetzes gegen missbräuchliche Inanspruchnahme von Subventionen<br />

(Subventionsgesetz – SubvG –) i. V. m. § 264 Abs. 7 StGB Leistungen, die aus öffentlichen Mitteln nach<br />

Bun<strong>de</strong>s- o<strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>srecht o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m Recht <strong>de</strong>r Europäischen Gemeinschaften an Betriebe o<strong>de</strong>r<br />

Unternehmen wenigstens zum Teil ohne marktübliche Gegenleistung gewährt wer<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Wirtschaft dienen sollen.<br />

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Leistungsgrundlage für die Gewährung von Subventionen sind das Recht von Bund, Län<strong>de</strong>rn (zugleich auch<br />

Gemein<strong>de</strong>n) o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Europäischen Gemeinschaft, wobei es sich nicht um ein Gesetz han<strong>de</strong>ln muss, son<strong>de</strong>rn<br />

auch auf Gesetz beruhen<strong>de</strong> Haushaltsansätze genügen. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei <strong>de</strong>r Zuwendung<br />

(För<strong>de</strong>rung) um eine Subvention han<strong>de</strong>lt, ergeben sich regelmäßig aus <strong>de</strong>n Antragsunterlagen o<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m<br />

Bewilligungsbescheid.<br />

4.2 Zuständige Stellen<br />

Mitteilungen sind an die jeweilig zuständigen Leistungs- bzw. Subventionsgeber zu richten, die für die<br />

Entscheidung über die Bewilligung, Gewährung, Rückfor<strong>de</strong>rung, Erstattung, Weitergewährung o<strong>de</strong>r das<br />

Belassen <strong>de</strong>r Leistung aus öffentlichen Mitteln zuständig sind.<br />

4.3 Mitteilungen<br />

Liegt eine Anfrage <strong>de</strong>r Bewilligungsbehör<strong>de</strong> nicht vor, müssen sich konkrete Anhaltspunkte aus <strong>de</strong>r<br />

Buchführung, <strong>de</strong>n Aufzeichnungen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Unterlagen <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen ergeben (z. B. ein entsprechen<strong>de</strong>r<br />

Bewilligungsbescheid bei einer Außenprüfung). Vorsorgliche Mitteilungen aufgrund bloßer Vermutungen sind<br />

nicht vorzunehmen.<br />

Von Amts wegen hat eine Offenbarung insbeson<strong>de</strong>re zu erfolgen, wenn konkrete Anhaltspunkte es möglich<br />

erscheinen lassen, dass<br />

– aufgrund eines Verwaltungsakts Sozialleistungen zu Unrecht in Anspruch genommen wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />

genommen wur<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />

– Sozialleistungen zu erstatten sind o<strong>de</strong>r<br />

– Tatsachen subventionserheblich i. S. <strong>de</strong>s § 264 Abs. 8 <strong>de</strong>s Strafgesetzbuches sind. Subventionserheblich sind<br />

auch Tatsachen, die sich auf die För<strong>de</strong>rung nach <strong>de</strong>r Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung <strong>de</strong>r regionalen<br />

Wirtschaftstruktur“ (GA För<strong>de</strong>rung) beziehen.<br />

Es genügt die Möglichkeit, dass die gewährten Subventionen o<strong>de</strong>r Sozialleistungen <strong>zur</strong>ückgefor<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n<br />

können. Ein konkreter Tatverdacht im strafprozessualen Sinne (z. B. Subventionsbetrug) ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich.<br />

Es ist nicht Aufgabe <strong>de</strong>s Finanzamts, <strong>zur</strong> Feststellung von Leistungsmissbräuchen über die Überprüfung<br />

steuerlicher Sachverhalte hinausgehen<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r zusätzliche Ermittlungen vorzunehmen.<br />

Die Entscheidung, ob tatsächlich ein Leistungsmissbrauch vorliegt, trifft die informierte Stelle.<br />

5. Rückgewähr einer Leistung aus öffentlichen Mitteln (§ 31a Abs. 1 Nr. 2)<br />

Die Offenbarung ist zulässig, wenn sie für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Rückgewähr einer<br />

For<strong>de</strong>rung aus öffentlichen Mitteln erfor<strong>de</strong>rlich ist. Hierunter ist sowohl die Durchsetzung, insbeson<strong>de</strong>re die<br />

Vollstreckung, von nach § 31a Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb bereits festgesetzten<br />

Rückfor<strong>de</strong>rungen von Leistungen aus öffentlichen Mitteln, z. B. durch die für die Vollstreckung zuständigen<br />

Hauptzollämter, als auch die privatrechtliche Rückabwicklung von Leistungen o<strong>de</strong>r Subventionen aus<br />

öffentlichen Mitteln durch die zuständigen Stellen zu verstehen. Eine Offenbarung ist insbeson<strong>de</strong>re auch zulässig<br />

für die Rückfor<strong>de</strong>rung von Zahlungen <strong>de</strong>r gesetzlichen Krankenkassen und Ersatzkassen gegenüber Ärzten,<br />

Zahnärzten, Apothekern und Krankenhäusern auf Grund von Abrechnungsbetrügereien. Die Mitteilungen<br />

erfolgen im Regelfall nur aufgrund einer Anfrage <strong>de</strong>r zuständigen Stelle bzw. auf Anfrage <strong>de</strong>s Betroffenen. Die<br />

Mitteilungen sind an die für die Vollstreckung zuständigen Stellen bzw. an die für die Rückgewährung <strong>de</strong>r<br />

Leistung aus öffentlichen Mitteln zuständigen Stellen (z. B. Sozialleistungsträger, Gewährer von För<strong>de</strong>rmitteln<br />

o<strong>de</strong>r Subventionsgeber) zu richten.<br />

Zu § 31b – Mitteilungen <strong>zur</strong> Bekämpfung <strong>de</strong>r Geldwäsche und <strong>de</strong>r Terrorismusfinanzierung:<br />

1. Sind <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> Tatsachen bekannt gewor<strong>de</strong>n, die darauf hin<strong>de</strong>uten, dass es sich bei<br />

Vermögenswerten, die mit einer Transaktion o<strong>de</strong>r Geschäftsbeziehung im Zusammenhang stehen, um <strong>de</strong>n<br />

Gegenstand einer Straftat nach § 261 StGB (Geldwäsche) han<strong>de</strong>lt o<strong>de</strong>r dass die Vermögenswerte im<br />

Zusammenhang mit Terrorismusfinanzierung stehen, hat sie diese nach § 31b Satz 2 unverzüglich <strong>de</strong>r<br />

zuständigen Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong> (z. B. Staatsanwaltschaft, Polizei) und gleichzeitig <strong>de</strong>r beim<br />

Bun<strong>de</strong>skriminalamt eingerichteten Zentralstelle für Verdachtsmeldungen (Financial Intelligence Unit –<br />

FIU –) mitzuteilen. Die maßgeblichen Fakten sollen grundsätzlich in <strong>de</strong>r Verdachtsmeldung selbst<br />

wie<strong>de</strong>rgegeben wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Verdachtsmeldung ist zu richten an:<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 19 von 235


Bun<strong>de</strong>skriminalamt<br />

Zentralstelle für Verdachtsmeldungen<br />

– Referat SO 32–<br />

65173 Wiesba<strong>de</strong>n<br />

Tel.: 06 11/55-1 86 15<br />

Fax: 06 11/55-4 53 00<br />

E-Mail: FIU@bka.bund.<strong>de</strong><br />

Die Meldung soll grundsätzlich per Fax erfolgen. Von <strong>de</strong>r Beifügung umfangreicher Anlagen ist regelmäßig<br />

abzusehen.<br />

2. Den Finanzbehör<strong>de</strong>n obliegt die Prüfung im Einzelfall, ob ein mel<strong>de</strong>pflichtiger Verdachtsfall gemäß § 31b<br />

vorliegt (Beurteilungsspielraum). Für das Vorliegen eines mel<strong>de</strong>pflichtigen Verdachts ist es ausreichend,<br />

dass objektiv erkennbare Anhaltspunkte für das Vorliegen von Tatsachen, die auf eine Geldwäsche-Straftat<br />

schließen lassen, sprechen und ein krimineller Hintergrund im Sinne <strong>de</strong>s § 261 StGB nicht ausgeschlossen<br />

wer<strong>de</strong>n kann. Die <strong>zur</strong> Verdachtsmeldung verpflichtete Finanzbehör<strong>de</strong> muss nicht das Vorliegen sämtlicher<br />

Tatbestandsmerkmale <strong>de</strong>s § 261 StGB einschließlich <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Geldwäsche zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Vortat prüfen.<br />

Vielmehr ist <strong>de</strong>r Sachverhalt nach allgemeinen Erfahrungen und beruflichem Erfahrungswissen unter <strong>de</strong>m<br />

Blickwinkel seiner Ungewöhnlichkeit und Auffälligkeit im jeweiligen geschäftlichen Kontext zu würdigen.<br />

Wenn eine Geldwäsche aufgrund dieser Erfahrungen naheliegt o<strong>de</strong>r ein Sachverhalt darauf schließen lässt,<br />

besteht <strong>de</strong>mnach eine solche Mel<strong>de</strong>pflicht. Hinsichtlich <strong>de</strong>s Vortatenkatalogs reicht <strong>de</strong>r Verdacht auf die<br />

illegale Herkunft <strong>de</strong>r Gel<strong>de</strong>r schlechthin aus. Die Finanzbehör<strong>de</strong> muss vor einer Meldung nach § 31b nicht<br />

prüfen, ob eine strafrechtliche Verurteilung in Betracht kommt.<br />

Diese Grundsätze gelten bei Erkenntnissen über eine Terrorismusfinanzierung entsprechend.<br />

3. Tatsachen, die auf eine Ordnungswidrigkeit im Sinne <strong>de</strong>s § 17 GwG schließen lassen (vgl. § 31b Satz 3),<br />

sind nur mitzuteilen, wenn die Ordnungswidrigkeit nicht bereits offensichtlich verjährt ist. Die<br />

Ordnungswidrigkeiten nach § 17 GwG verjähren nach § 31 Abs. 2 Nummer 1 OWiG regelmäßig nach drei<br />

Jahren.<br />

4. Die Finanzbehör<strong>de</strong>n haben bei Vorermittlungen <strong>de</strong>r Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n (einschließlich <strong>de</strong>r<br />

Zollfahndung) wegen Geldwäscheverdachts o<strong>de</strong>r Verdachts <strong>de</strong>r Terrorismusfinanzierung auf <strong>de</strong>ren Anfrage<br />

nach § 31b Satz 1 die erfor<strong>de</strong>rlichen Auskünfte zu erteilen.<br />

5. Der Betroffene ist über eine beabsichtigte o<strong>de</strong>r erstattete Meldung o<strong>de</strong>r ein daraufhin eingeleitetes<br />

Ermittlungsverfahren nicht zu informieren, da ansonsten <strong>de</strong>ssen Zweck gefähr<strong>de</strong>t wür<strong>de</strong> (analog § 12 GwG).<br />

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Zu § 32 – Haftungsbeschränkung für Amtsträger:<br />

Die Vorschrift enthält keine selbstständige Haftungsgrundlage; sie schränkt vielmehr die sich aus an<strong>de</strong>ren<br />

Bestimmungen ergeben<strong>de</strong> Haftung für Amtsträger ein. Disziplinarmaßnahmen sind keine Strafen i. S. d.<br />

Vorschrift.<br />

Zu § 33 – Steuerpflichtiger:<br />

1. Zu <strong>de</strong>n Pflichten, die nach § 33 Abs. 1 <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen auferlegt wer<strong>de</strong>n, gehören: Eine Steuer als<br />

Steuerschuldner, Haften<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r für Rechnung eines an<strong>de</strong>ren (§ 43) zu entrichten, die Verpflichtung <strong>zur</strong><br />

Abgabe einer Steuerklärung (§ 149), <strong>zur</strong> Mitwirkung und Auskunft in eigener Steuersache (§§ 90, 93, 200),<br />

<strong>zur</strong> Führung von Büchern und Aufzeichnungen (§§ 140 ff.), <strong>zur</strong> ordnungsgemäßen Kontenführung (§ 154)<br />

o<strong>de</strong>r <strong>zur</strong> Sicherheitsleistung (§ 241).<br />

2. Nicht unter <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen fällt (§ 33 Abs. 2), wer in einer für ihn frem<strong>de</strong>n Steuersache<br />

tätig wird o<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n soll. Das sind neben Bevollmächtigten und Beistän<strong>de</strong>n (§§ 80, 123, 183) diejenigen,<br />

die Auskunft zu erteilen (§ 93), Urkun<strong>de</strong>n (§ 97) o<strong>de</strong>r Wertsachen (§ 100) vorzulegen,<br />

Sachverständigengutachten zu erstatten (§ 96) o<strong>de</strong>r das Betreten von Grundstücken o<strong>de</strong>r Räumen zu<br />

gestatten (§ 99) o<strong>de</strong>r Steuern aufgrund vertraglicher Verpflichtung zu entrichten haben (§ 192).<br />

3. Unter Steuergesetzen sind alle Gesetze zu verstehen, die steuerrechtliche Vorschriften enthalten, auch wenn<br />

diese nur einen Teil <strong>de</strong>s Gesetzes umfassen.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 20 von 235


Zu § 34 – Pflichten <strong>de</strong>r gesetzlichen Vertreter und <strong>de</strong>r Vermögensverwalter:<br />

1. Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen, die Geschäftsführer nichtrechtsfähiger<br />

Personenvereinigungen o<strong>de</strong>r Vermögensmassen (§ 34 Abs. 1) sowie die Vermögensverwalter im Rahmen<br />

ihrer Verwaltungsbefugnis (§ 34 Abs. 3) treten in ein unmittelbares Pflichtenverhältnis <strong>zur</strong> Finanzbehör<strong>de</strong>.<br />

Sie haben alle Pflichten zu erfüllen, die <strong>de</strong>n von ihnen Vertretenen auferlegt sind. Dazu gehören z. B. die<br />

Buchführungs-, Erklärungs-, Mitwirkungs- o<strong>de</strong>r Auskunftspflichten (§§ 140 ff., 90, 93), die Verpflichtung<br />

Steuern zu zahlen und die Vollstreckung in dieses Vermögen zu dul<strong>de</strong>n (§ 77).<br />

2. Hat eine nichtrechtsfähige Personenvereinigung o<strong>de</strong>r Vermögensmasse keinen Geschäftsführer, so kann sich<br />

die Finanzbehör<strong>de</strong> unmittelbar an je<strong>de</strong>s Mitglied o<strong>de</strong>r an je<strong>de</strong>n Gesellschafter halten, ohne dass vorher in<br />

je<strong>de</strong>m Fall eine Auffor<strong>de</strong>rung <strong>zur</strong> Bestellung von Bevollmächtigten ergehen muss. Die Finanzbehör<strong>de</strong> kann<br />

auch mehrere Mitglie<strong>de</strong>r (Gesellschafter) zugleich <strong>zur</strong> Pflichterfüllung auffor<strong>de</strong>rn.<br />

3. Hat eine GmbH keinen Geschäftsführer (führungslose GmbH) und befin<strong>de</strong>t sie sich nicht in Liquidation o<strong>de</strong>r<br />

im Insolvenzverfahren, wird die Gesellschaft für <strong>de</strong>n Fall, dass ihr gegenüber Willenserklärungen abgegeben<br />

o<strong>de</strong>r Schriftstücke zugestellt wer<strong>de</strong>n, nach § 35 Abs. 1 GmbHG durch die Gesellschafter vertreten. Hat eine<br />

AG keinen Vorstand (führungslose AG) und befin<strong>de</strong>t sie sich nicht in Liquidation o<strong>de</strong>r im<br />

Insolvenzverfahren, wird die Gesellschaft für <strong>de</strong>n Fall, dass ihr gegenüber Willenserklärungen abgegeben<br />

o<strong>de</strong>r Schriftstücke zugestellt wer<strong>de</strong>n, nach § 78 Abs. 1 AktG durch <strong>de</strong>n Aufsichtsrat vertreten. Diese<br />

Vertretung gilt auch für die Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten (vgl. zu § 122, Nr. 2.8.1).<br />

Die beson<strong>de</strong>ren Vertreter einer führungslosen GmbH o<strong>de</strong>r AG sind allerdings nur Passivvertreter und dürfen<br />

grundsätzlich keine aktiven Handlungen vornehmen. Daher liegt keine umfassen<strong>de</strong> gesetzliche Vertretung<br />

<strong>de</strong>r Gesellschaft im Sinne <strong>de</strong>s § 34 Abs. 1 vor. Sobald aktive Handlungen <strong>de</strong>r Gesellschaft – wie z. B. die<br />

Begleichung einer Steuerschuld – erfor<strong>de</strong>rlich sind, müssen die beson<strong>de</strong>ren Vertreter einen Geschäftsführer<br />

bzw. Vorstand bestellen. Gegebenenfalls kann die Finanzbehör<strong>de</strong> beim Registergericht auch die Bestellung<br />

eines Notgeschäftsführers beantragen. Von dieser Möglichkeit sollte aber nur Gebrauch gemacht wer<strong>de</strong>n,<br />

wenn kein Verfügungsberechtigter i. S. d. § 35 vorhan<strong>de</strong>n ist (vgl. zu § 35, Nr. 1), die Gesellschaft nicht<br />

vermögenslos ist und auch künftig Steuerverwaltungsakte gegenüber <strong>de</strong>r Gesellschaft zu vollziehen sind. Das<br />

Amt <strong>de</strong>s Notgeschäftsführers en<strong>de</strong>t mit <strong>de</strong>r Bestellung <strong>de</strong>s or<strong>de</strong>ntlichen Geschäftsführers, <strong>de</strong>r Erledigung <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>m Notgeschäftsführer zugewiesenen Aufgabe o<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r Abberufung durch das bestellen<strong>de</strong> Gericht. Zur<br />

Inanspruchnahme <strong>de</strong>s bisherigen Geschäftsführers als Haftungsschuldner vgl. zu § 69.<br />

4. Wegen <strong>de</strong>r steuerlichen Pflichten <strong>de</strong>s Insolvenzverwalters und <strong>de</strong>s „starken“ vorläufigen<br />

Insolvenzverwalters, wenn <strong>de</strong>m Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wor<strong>de</strong>n ist (§ 22<br />

Abs. 1 InsO), siehe zu Nr. 1. Wegen <strong>de</strong>r verfahrensrechtlichen Stellung <strong>de</strong>s Insolvenzverwalters siehe im<br />

Übrigen zu § 251, Nr. 4.2.<br />

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Zu § 35 – Pflichten <strong>de</strong>s Verfügungsberechtigten:<br />

1. Tatsächlich verfügungsberechtigt ist <strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>r wirtschaftlich über Mittel, die einem an<strong>de</strong>ren gehören,<br />

verfügen kann. Dies kann auch <strong>de</strong>r Alleingesellschafter einer GmbH ohne Geschäftsführer sein (BFH-Urteil<br />

vom 27.11.1990 – VII R 20/89 – BStBl. 1991 II, S. 284; vgl. zu § 34, Nr. 3).<br />

2. Rechtlich ist <strong>zur</strong> Erfüllung von Pflichten in <strong>de</strong>r Lage, wer im Außenverhältnis rechtswirksam han<strong>de</strong>ln kann.<br />

Auf etwaige Beschränkungen im Innenverhältnis (Auftrag, Vollmacht) kommt es nicht an. Bevollmächtigte<br />

wer<strong>de</strong>n von dieser Bestimmung nur betroffen, wenn sie tatsächlich und rechtlich verfügungsberechtigt sind.<br />

3. Der Sicherungsnehmer einer Sicherungsübereignung o<strong>de</strong>r Sicherungsabtretung ist grundsätzlich kein<br />

Verfügungsberechtigter i. S. d. Vorschrift, da er im Regelfall <strong>zur</strong> Verwertung <strong>de</strong>s Sicherungsgutes lediglich<br />

zum Zweck seiner Befriedigung befugt und insoweit einem Pfandrechtsgläubiger vergleichbar ist. Im<br />

Einzelfall kann jedoch die Rechtsstellung <strong>de</strong>s Sicherungsnehmers weitergehen, wenn er sich z. B. eigene<br />

Mitsprache- o<strong>de</strong>r Verfügungsrechte im Betrieb <strong>de</strong>s Sicherungsgebers vorbehalten hat, so dass er auch<br />

wirtschaftlich über die Mittel <strong>de</strong>s Sicherungsgebers verfügen kann. Das kann dann <strong>de</strong>r Fall sein, wenn sich<br />

ein Gläubiger <strong>zur</strong> Sicherstellung seiner Ansprüche die gesamten Kun<strong>de</strong>nfor<strong>de</strong>rungen mit <strong>de</strong>m Recht <strong>zur</strong><br />

Einziehung abtreten lässt und aus diesen For<strong>de</strong>rungen nur diejenigen Mittel freigibt, die er <strong>zur</strong><br />

Unternehmensfortführung <strong>de</strong>s Sicherungsgebers für erfor<strong>de</strong>rlich hält.<br />

Zu § 36 – Erlöschen <strong>de</strong>r Vertretungsmacht:<br />

Auch nach <strong>de</strong>m Erlöschen <strong>de</strong>r Vertretungs- o<strong>de</strong>r Verfügungsmacht, gleichgültig worauf dies beruht, hat <strong>de</strong>r<br />

gesetzliche Vertreter, Vermögensverwalter o<strong>de</strong>r Verfügungsberechtigte die nach §§ 34 und 35 bestehen<strong>de</strong>n<br />

Pflichten zu erfüllen, soweit sie vor <strong>de</strong>m Erlöschen entstan<strong>de</strong>n sind und er <strong>zur</strong> Erfüllung noch in <strong>de</strong>r Lage ist.<br />

Daraus ergibt sich u. a., dass sich <strong>de</strong>r <strong>zur</strong> Auskunft für einen Beteiligten Verpflichtete nach <strong>de</strong>m Erlöschen <strong>de</strong>r<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 21 von 235


Vertretungs- o<strong>de</strong>r Verfügungsmacht nicht auf ein evtl. Auskunftsverweigerungsrecht (§§ 101, 103, 104) berufen<br />

kann. Auch entsteht kein Entschädigungsanspruch (§ 107).<br />

Zu § 37 – Ansprüche aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis:<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1. Ansprüche aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1)<br />

2. Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2<br />

2.1 Rückfor<strong>de</strong>rungsanspruch <strong>de</strong>s Finanzamts<br />

2.2 Erstattungsanspruch <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

2.2.1 Allgemeines<br />

2.2.2 Erstattungsanspruch bei Gesamtschuldnern<br />

2.3 Erstattungsanspruch bei <strong>de</strong>r Einkommensteuer<br />

1. Ansprüche aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1)<br />

§ 37 Abs. 1 enthält eine abschließen<strong>de</strong> Aufzählung <strong>de</strong>r Ansprüche aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis. Die<br />

Ansprüche aus Strafen und Geldbußen gehören nicht zu <strong>de</strong>n Ansprüchen aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis.<br />

2. Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2<br />

§ 37 Abs. 2 enthält eine allgemeine Umschreibung <strong>de</strong>s öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs, <strong>de</strong>r einem<br />

Steuerpflichtigen o<strong>de</strong>r Steuergläubiger dadurch erwächst, dass eine Leistung aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis<br />

ohne rechtlichen Grund erfolgt ist o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Grund hierfür später wegfällt. Eine Zahlung ist ohne rechtlichen<br />

Grund geleistet, wenn sie <strong>de</strong>n materiell-rechtlichen Anspruch übersteigt (BFH-Urteile vom 6.2.1996 – VII R<br />

50/95 – BStBl. 1997 II, S. 112, und vom 15.10.1997 – II R 56/94 – BStBl. II, S. 796). § 37 Abs. 2 Satz 1 gilt<br />

sowohl für <strong>de</strong>n Erstattungsanspruch <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen gegen das Finanzamt als auch für <strong>de</strong>n umgekehrten<br />

Fall <strong>de</strong>r Rückfor<strong>de</strong>rung einer an <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen o<strong>de</strong>r einen Dritten rechtsgrundlos geleisteten<br />

Steuererstattung durch das Finanzamt (vgl. BFH-Urteil vorn 22.3.2011 – VII R 42/10 – BStBl. II, S. 607).<br />

Ein nach materiellem Recht bestehen<strong>de</strong>r Erstattungsanspruch kann allerdings nur durchgesetzt wer<strong>de</strong>n, wenn ein<br />

entgegenstehen<strong>de</strong>r Verwaltungsakt i. S. d. § 218 Abs. 1 aufgehoben o<strong>de</strong>r geän<strong>de</strong>rt wor<strong>de</strong>n ist; maßgebend ist bei<br />

mehrfacher Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r letzte Verwaltungsakt (BFH-Urteil vom 6.2.1996, a. a. O.). Im Übrigen siehe zu<br />

§ 218.<br />

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2.1 Rückfor<strong>de</strong>rungsanspruch <strong>de</strong>s Finanzamts<br />

Schuldner eines abgabenrechtlichen Rückfor<strong>de</strong>rungsanspruchs (Erstattungsverpflichteter) ist <strong>de</strong>rjenige, zu<br />

<strong>de</strong>ssen Gunsten erkennbar die Zahlung geleistet wur<strong>de</strong> (Leistungsempfänger), die <strong>zur</strong>ückverlangt wird. In <strong>de</strong>r<br />

Regel ist dies <strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>mgegenüber die Finanzbehör<strong>de</strong> ihre – vermeintliche o<strong>de</strong>r tatsächlich bestehen<strong>de</strong> –<br />

abgabenrechtliche Verpflichtung erfüllen will.<br />

Der Empfänger <strong>de</strong>r Steuererstattung o<strong>de</strong>r Steuervergütung (Zahlungsempfänger) ist aber nicht in allen Fällen<br />

auch <strong>de</strong>r Leistungsempfänger.<br />

War ein Dritter tatsächlicher Empfänger einer Zahlung, ist er dann nicht Leistungsempfänger, wenn er lediglich<br />

als Zahlstelle, unmittelbarer Vertreter o<strong>de</strong>r Bote für <strong>de</strong>n Erstattungsberechtigten (siehe dazu Nummer 2.2)<br />

aufgetreten bzw. von diesem benannt wor<strong>de</strong>n ist o<strong>de</strong>r das Finanzamt an ihn aufgrund einer Zahlungsanweisung<br />

<strong>de</strong>s Erstattungsberechtigten eine Steuererstattung ausgezahlt hat (BFH-Urteil vom 6.12.1988 – VII R 206/83 –<br />

BStBl. 1989 II, S. 223). Denn in einem solchen Fall will das Finanzamt erkennbar nicht mit befreien<strong>de</strong>r Wirkung<br />

zu <strong>de</strong>ssen Gunsten leisten, son<strong>de</strong>rn es erbringt seine Leistung mit <strong>de</strong>m Willen, eine For<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s steuerlichen<br />

Rechtsinhabers zu erfüllen (vgl. BFH-Urteil vom 22.8.1980 – VI R 102/77 – BStBl. 1981 II, S. 44). Mithin ist<br />

nicht <strong>de</strong>r Zahlungsempfänger, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r nach materiellem Steuerrecht Erstattungsberechtigte als<br />

Leistungsempfänger i. S. d. § 37 Abs. 2 anzusehen (BFH-Beschluss vom 8.4.1986 – VII B 128/85 – BStBl. II,<br />

S. 511).<br />

Ungeachtet <strong>de</strong>s Willens <strong>de</strong>s Finanzamts, an <strong>de</strong>n Rechtsinhaber <strong>de</strong>r Erstattungsfor<strong>de</strong>rung eine Leistung zu<br />

erbringen, ist aber <strong>de</strong>r tatsächliche Empfänger <strong>de</strong>r Zahlung <strong>de</strong>s Finanzamts in folgen<strong>de</strong>n Fällen<br />

Leistungsempfänger und Schuldner <strong>de</strong>s Rückfor<strong>de</strong>rungsanspruchs, weil insoweit keine Leistung mit befreien<strong>de</strong>r<br />

Wirkung gegenüber <strong>de</strong>m Erstattungsberechtigten erfolgt ist:<br />

– Ein vermeintlicher Bote, Vertreter o<strong>de</strong>r Bevollmächtigter nimmt Erstattungszahlungen <strong>de</strong>s Finanzamts<br />

entgegen, obwohl keine Weisung o<strong>de</strong>r Vollmacht <strong>de</strong>s Erstattungsberechtigten besteht (vgl. BFH-Beschluss<br />

vom 27.4.1998 – VII 13 296/97 – BStBl. II, S. 499).<br />

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– Das Finanzamt nimmt an einen am Steuerschuldverhältnis nicht beteiligten Dritten eine Zahlung in <strong>de</strong>r<br />

irrigen Annahme vor, er sei von <strong>de</strong>m Erstattungsberechtigten ermächtigt, für diesen Zahlungen<br />

entgegenzunehmen, in Wahrheit besteht jedoch eine diesbezügliche Rechtsbeziehung zwischen <strong>de</strong>m<br />

Zahlungsempfänger und <strong>de</strong>m Erstattungsberechtigten nicht.<br />

– Das Finanzamt leistet ohne rechtlichen Grund an einen Dritten, weil es sich beispielsweise über die Person<br />

<strong>de</strong>s Erstattungsberechtigten irrt o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Erstattungsbetrag auf ein Bankkonto überweist, <strong>de</strong>ssen Inhaber<br />

nicht <strong>de</strong>r Erstattungsberechtigte, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Dritte ist.<br />

Ein Kreditinstitut ist auch dann nur Zahlstelle und nicht Leistungsempfänger im Sinne <strong>de</strong>s § 37 Abs. 2, wenn es<br />

<strong>de</strong>n vom Finanzamt an <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen überwiesenen Betrag auf ein bereits gekündigtes, aber noch nicht<br />

abgerechnetes Girokonto <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen verbucht und nach Rechnungsabschluss an <strong>de</strong>n früheren<br />

Kontoinhaber bzw. <strong>de</strong>ssen Insolvenzverwalter ausgezahlt o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Überweisungsbetrag mit einem<br />

fortbestehen<strong>de</strong>n Schul<strong>de</strong>nsaldo auf <strong>de</strong>m betreffen<strong>de</strong>n Konto verrechnet hat. Das Kreditinstitut ist in diesen<br />

Fällen nicht <strong>zur</strong> Rückzahlung <strong>de</strong>s vom Finanzamt überwiesenen Betrages verpflichtet.<br />

Dies gilt auch, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige <strong>de</strong>m Finanzamt für die Überweisung ein an<strong>de</strong>res Konto benannt hatte<br />

(vgl. BFH-Urteile vom 10.11.2009 – VII R 6/09 – BStBl. 2010 II, S. 255 und vom 22.11.2011 – VII R 27/11 –<br />

BStBl. 2012 II, S. 167). Die Zahlung auf das unzutreffen<strong>de</strong> Konto hat gegenüber <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen zwar –<br />

an<strong>de</strong>rs, als wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige <strong>de</strong>m Finanzamt eine Kontoän<strong>de</strong>rung nicht mitgeteilt hat (BFH-Urteil vom<br />

10.11.1987 – VII R 171/84 – BStBl. 1988 II, S. 41) – unmittelbar keine Erfüllungswirkung. Das Finanzamt kann<br />

aber mit seinem Rückfor<strong>de</strong>rungsanspruch nach § 37 Abs. 2 Satz 1 (gegen <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen als<br />

Leistungsempfänger) gegen <strong>de</strong>n Anspruch auf erneute Zahlung aufrechnen und letzteren somit zum Erlöschen<br />

bringen.<br />

2.2 Erstattungsanspruch <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

2.2.1 Allgemeines<br />

Erstattungsberechtigter ist <strong>de</strong>rjenige, auf <strong>de</strong>ssen Rechnung die Zahlung geleistet wor<strong>de</strong>n ist, auch wenn<br />

tatsächlich ein Dritter die Zahlung geleistet hat. Es kommt nicht darauf an, von wem o<strong>de</strong>r mit wessen Mitteln<br />

gezahlt wor<strong>de</strong>n ist. Maßgeblich ist vielmehr, wessen Steuerschuld nach <strong>de</strong>m Willen <strong>de</strong>s Zahlen<strong>de</strong>n, wie er im<br />

Zeitpunkt <strong>de</strong>r Zahlung <strong>de</strong>m Finanzamt erkennbar hervorgetreten ist, getilgt wer<strong>de</strong>n sollte (BFH-Urteil vom<br />

30.9.2008 – VII R 18/08 – BStBl. 2009 II, S. 38 m. w. N.). Den Finanzbehör<strong>de</strong>n wird damit nicht zugemutet, im<br />

Einzelfall die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen <strong>de</strong>m Steuerschuldner und einem zahlen<strong>de</strong>n Dritten<br />

daraufhin zu überprüfen, wer von ihnen – im Innenverhältnis – auf die zu erstatten<strong>de</strong>n Beträge materiellrechtlich<br />

einen Anspruch hat (BFH-Urteil vom 25.7.1989 – VII R 118/87 – BStBl. 1990 II, S. 41).<br />

2.2.2 Erstattungsanspruch bei Gesamtschuldnern<br />

Personen, die gemäß § 44 Gesamtschuldner sind, sind nicht Gesamtgläubiger eines Erstattungsanspruchs nach<br />

§ 37 Abs. 2 (BFH-Urteil vom 19.10.1982 – VII R 55/80 – BStBl. 1983 II, S. 162). Erstattungsberechtigter ist <strong>de</strong>r<br />

Gesamtschuldner, auf <strong>de</strong>ssen Rechnung die Zahlung erfolgt ist.<br />

Lässt sich aus <strong>de</strong>n <strong>de</strong>m Finanzamt bei Zahlung erkennbaren Umstän<strong>de</strong>n nicht entnehmen, wessen Steuerschuld<br />

<strong>de</strong>r zahlen<strong>de</strong> Gesamtschuldner begleichen wollte, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass <strong>de</strong>r Gesamtschuldner<br />

nur seine eigene Steuerschuld tilgen wollte (vgl. BFH-Urteil vom 18.2.1997 – VII R 117/95 – BFH/NV S. 482,<br />

m. w. N.). Ist eine Zahlung aber erkennbar für gemeinsame Rechnung <strong>de</strong>r Gesamtschuldner geleistet wor<strong>de</strong>n, so<br />

sind diese grundsätzlich nach Köpfen erstattungsberechtigt.<br />

2.3 Erstattungsanspruch bei <strong>de</strong>r Einkommensteuer<br />

Zu Beson<strong>de</strong>rheiten bei Bestimmung <strong>de</strong>s Einkommensteuer-Erstattungsanspruchs – insbeson<strong>de</strong>re bei Ehegatten –<br />

vgl. BMF-Schreiben vom 31.1.2013 – IV A 3 – S 0160/11/10001 – (BStBl. I S. XX).<br />

Zu § 38 – Entstehung <strong>de</strong>r Ansprüche aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis:<br />

1. Der Steueranspruch entsteht in <strong>de</strong>m Zeitpunkt, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Tatbestand verwirklicht wird, an <strong>de</strong>n das Gesetz<br />

eine bestimmte Leistungspflicht knüpft, soweit nicht im Gesetz eine abweichen<strong>de</strong> Regelung getroffen<br />

wor<strong>de</strong>n ist (z. B. § 36 Abs. 1 EStG, § 30 KStG, § 13 Abs. 1 UStG, § 18 GewStG, § 9 Abs. 2 GrStG, § 9<br />

ErbStG). Das gilt nicht nur für <strong>de</strong>n Steueranspruch, son<strong>de</strong>rn auch für <strong>de</strong>n Steuervergütungsanspruch und <strong>de</strong>n<br />

Steuererstattungsanspruch (z. B. <strong>zur</strong> Lohnsteuer vgl. zu § 46, Nr. 1). Der auf einem Verlustrücktrag nach<br />

§ 10d Abs. 1 EStG beruhen<strong>de</strong> Erstattungsanspruch entsteht erst mit Ablauf <strong>de</strong>s Veranlagungszeitraums, in<br />

<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Verlust entstan<strong>de</strong>n ist (BFH-Urteil vom 6.6.2000 – VII R 104/98 – BStBl. II, S. 491). Der<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 23 von 235


Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 entsteht in <strong>de</strong>m Zeitpunkt, in <strong>de</strong>m die <strong>de</strong>n materiellrechtlichen<br />

Anspruch aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis übersteigen<strong>de</strong> Leistung erbracht wur<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r rechtliche Grund<br />

für die Leistung entfallen ist.<br />

2. Von <strong>de</strong>r Entstehung <strong>de</strong>r Ansprüche aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis zu unterschei<strong>de</strong>n sind<br />

– die Festsetzung durch Steuerbescheid (§§ 155 ff.),<br />

– die Fälligkeit (§ 220) sowie<br />

– die Verwirklichung im Erhebungsverfahren (§§ 218 ff.).<br />

Zu § 39 – Zurechnung:<br />

1. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 <strong>de</strong>finiert <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s wirtschaftlichen Eigentums i. S. d. Rechtsprechung <strong>de</strong>s<br />

BFH (z. B. BFH-Urteile vom 12.9.1991 – III R 233/90 – BStBl. 1992 II, S. 182, und vom 11.6.1997 –<br />

XI R 77/96 – BStBl. II, S. 774), insbeson<strong>de</strong>re <strong>zur</strong> ertragsteuerlichen Behandlung von Leasing-Verträgen.<br />

Beispiele für die Anwendung <strong>de</strong>s Grundsatzes <strong>de</strong>s § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 enthält Satz 2. Der<br />

landwirtschaftliche Pächter ist grundsätzlich nicht als wirtschaftlicher Eigentümer zu behan<strong>de</strong>ln.<br />

2. Für die anteilige Zurechnung von Wirtschaftsgütern, die mehreren <strong>zur</strong> gesamten Hand zustehen, sind die<br />

jeweiligen Steuergesetze sowie die allgemeinen gesetzlichen und vertraglichen Regelungen maßgebend. Eine<br />

Ermittlung <strong>de</strong>r Anteile erfolgt nur, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erfor<strong>de</strong>rlich ist.<br />

Zu § 41 – Unwirksame Rechtsgeschäfte:<br />

1. Ein unwirksames o<strong>de</strong>r anfechtbares Rechtsgeschäft ist für Zwecke <strong>de</strong>r Besteuerung als gültig zu behan<strong>de</strong>ln,<br />

soweit die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis bestehen lassen. Soweit ausnahmsweise die rückwirken<strong>de</strong><br />

Aufhebung eines vollzogenen Vertrages steuerlich zu berücksichtigen ist, wird auf die in<br />

Einzelsteuergesetzen geregelten Beson<strong>de</strong>rheiten (z. B. § 17 UStG) hingewiesen; <strong>zur</strong> verfahrensmäßigen<br />

Abwicklung Hinweis auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2.<br />

2. Nach § 41 Abs. 2 sind z. B. Scheinarbeitsverhältnisse zwischen Ehegatten o<strong>de</strong>r die Begründung eines<br />

Scheinwohnsitzes für die Besteuerung ohne Be<strong>de</strong>utung.<br />

3. Beteiligter ist nicht <strong>de</strong>r Beteiligte i. S. <strong>de</strong>s § 78, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r am Vertrag Beteiligte.<br />

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Zu § 42 – Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten:<br />

1. Bei Anwendung <strong>de</strong>s § 42 Abs. 1 Satz 2 ist zunächst zu prüfen, ob das im Einzelfall anzuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

Einzelsteuergesetz für <strong>de</strong>n vorliegen<strong>de</strong>n Sachverhalt eine Regelung enthält, die <strong>de</strong>r Verhin<strong>de</strong>rung von<br />

Steuerumgehungen dient. Ob eine Regelung in einem Einzelsteuergesetz <strong>de</strong>r Verhin<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Steuerumgehung dient, ist nach <strong>de</strong>m Wortlaut <strong>de</strong>r Regelung und <strong>de</strong>m Sinnzusammenhang, nach <strong>de</strong>r<br />

systematischen Stellung im Gesetz sowie nach <strong>de</strong>r Entstehungsgeschichte <strong>de</strong>r Regelung zu beurteilen.<br />

Liegt danach eine Regelung vor, die <strong>de</strong>r Verhin<strong>de</strong>rung von Steuerumgehungen dient, gilt Folgen<strong>de</strong>s:<br />

– Ist <strong>de</strong>r Tatbestand <strong>de</strong>r Regelung erfüllt, bestimmen sich die Rechtsfolgen allein nach dieser Vorschrift,<br />

nicht nach § 42 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Abs. 2. In diesem Fall ist unerheblich, ob auch die<br />

Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 42 Abs. 2 vorliegen.<br />

– Ist <strong>de</strong>r Tatbestand <strong>de</strong>r Regelung dagegen nicht erfüllt, ist in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob ein<br />

Missbrauch i. S. d. § 42 Abs. 2 vorliegt. Allein das Vorliegen einer einzelgesetzlichen Regelung, die <strong>de</strong>r<br />

Verhin<strong>de</strong>rung von Steuerumgehungen dient, schließt die Anwendbarkeit <strong>de</strong>s § 42 Abs. 1 Satz 3 i. V. m.<br />

Abs. 2 damit nicht aus.<br />

2. Sofern ein Missbrauch i. S. d. § 42 Abs. 2 vorliegt, entsteht <strong>de</strong>r Steueranspruch bei allen vom Sachverhalt<br />

Betroffenen so, wie er bei einer <strong>de</strong>n wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung<br />

entsteht (§ 42 Abs. 1 Satz 3).<br />

2.1 Ein Missbrauch i. S. d. § 42 Abs. 2 liegt vor, wenn<br />

– eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die <strong>de</strong>n wirtschaftlichen Vorgängen nicht angemessen ist,<br />

– die gewählte Gestaltung beim Steuerpflichtigen o<strong>de</strong>r einem Dritten im Vergleich zu einer<br />

angemessenen Gestaltung zu einem Steuervorteil führt,<br />

– dieser Steuervorteil gesetzlich nicht vorgesehen ist und<br />

– <strong>de</strong>r Steuerpflichtige für die von ihm gewählte Gestaltung keine außersteuerlichen Grün<strong>de</strong> nachweist,<br />

die nach <strong>de</strong>m Gesamtbild <strong>de</strong>r Verhältnisse beachtlich sind.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 24 von 235


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2.2 Ob eine rechtliche Gestaltung unangemessen ist, ist für je<strong>de</strong> Steuerart geson<strong>de</strong>rt nach <strong>de</strong>n Wertungen <strong>de</strong>s<br />

Gesetzgebers, die <strong>de</strong>n jeweiligen maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschriften zugrun<strong>de</strong> liegen, zu<br />

beurteilen. Das Bestreben, Steuern zu sparen, macht für sich allein eine Gestaltung noch nicht<br />

unangemessen. Eine Gestaltung ist aber insbeson<strong>de</strong>re dann auf ihre Angemessenheit zu prüfen, wenn sie<br />

ohne Berücksichtigung <strong>de</strong>r beabsichtigten steuerlichen Effekte unwirtschaftlich, umständlich,<br />

kompliziert, schwerfällig, gekünstelt, überflüssig, ineffektiv o<strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rsinnig erscheint. Die<br />

Ungewöhnlichkeit einer Gestaltung begrün<strong>de</strong>t allein noch keine Unangemessenheit.<br />

Indizien für die Unangemessenheit einer Gestaltung sind zum Beispiel:<br />

– die Gestaltung wäre von einem verständigen Dritten in Anbetracht <strong>de</strong>s wirtschaftlichen Sachverhalts<br />

und <strong>de</strong>r wirtschaftlichen Zielsetzung ohne <strong>de</strong>n Steuervorteil nicht gewählt wor<strong>de</strong>n;<br />

– die Vor- o<strong>de</strong>r Zwischenschaltung von Angehörigen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren nahe stehen<strong>de</strong>n Personen o<strong>de</strong>r<br />

Gesellschaften war rein steuerlich motiviert;<br />

– die Verlagerung o<strong>de</strong>r Übertragung von Einkünften o<strong>de</strong>r Wirtschaftsgütern auf an<strong>de</strong>re Rechtsträger<br />

war rein steuerlich motiviert.<br />

Bei einer grenzüberschreiten<strong>de</strong>n Gestaltung ist nach <strong>de</strong>r Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH (vgl. z. B. Urteil vom<br />

12.9.2006 – Rs. C-196/04 – EuGHE I 2006, 7995) Unangemessenheit insbeson<strong>de</strong>re dann anzunehmen,<br />

wenn die gewählte Gestaltung rein künstlich ist und nur dazu dient, die Steuerentstehung im Inland zu<br />

umgehen.<br />

2.3 Bei <strong>de</strong>r Prüfung, ob die gewählte Gestaltung zu Steuervorteilen führt, sind die steuerlichen<br />

Auswirkungen <strong>de</strong>r gewählten Gestaltung mit <strong>de</strong>r hypothetischen steuerlichen Auswirkung einer<br />

angemessenen Gestaltung zu vergleichen. Dabei sind auch solche Steuervorteile zu berücksichtigen, die<br />

nicht beim han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Steuerpflichtigen selbst, son<strong>de</strong>rn bei Dritten eintreten. Dritte i. S. d. § 42 Abs. 2<br />

Satz 1 sind nur solche Personen, die in einer gewissen Nähe zum Steuerpflichtigen stehen. Dies ist<br />

insbeson<strong>de</strong>re dann anzunehmen, wenn die Beteiligten Angehörige <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen i. S. d. § 15 o<strong>de</strong>r<br />

persönlich o<strong>de</strong>r wirtschaftlich mit ihm verbun<strong>de</strong>n sind (z. B. nahe stehen<strong>de</strong> Personen i. S. v. H 36 KStH<br />

2006 o<strong>de</strong>r § 1 Abs. 2 AStG).<br />

2.4 Der in § 42 Abs. 2 verwen<strong>de</strong>te Begriff <strong>de</strong>s „gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteils“ ist nicht<br />

<strong>de</strong>ckungsgleich mit <strong>de</strong>m „nicht gerechtfertigten Steuervorteil“ i. S. d. § 370 Abs. 1. Steuervorteile i. S. d.<br />

§ 42 Abs. 2 sind daher nicht nur Steuervergütungen o<strong>de</strong>r Steuererstattungen, son<strong>de</strong>rn auch geringere<br />

Steueransprüche.<br />

2.5 Der durch die gewählte Gestaltung begrün<strong>de</strong>te Steuervorteil ist insbeson<strong>de</strong>re dann gesetzlich vorgesehen,<br />

wenn <strong>de</strong>r Tatbestand einer Norm erfüllt ist, mit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten durch<br />

steuerliche Anreize för<strong>de</strong>rn wollte.<br />

2.6 § 42 Abs. 2 Satz 2 eröffnet <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen die Möglichkeit, die bei Vorliegen <strong>de</strong>s Tatbestands <strong>de</strong>s<br />

§ 42 Abs. 2 Satz 1 begrün<strong>de</strong>te Annahme eines Missbrauchs durch Nachweis außersteuerlicher Grün<strong>de</strong> zu<br />

entkräften. Die vom Steuerpflichtigen nachgewiesenen außersteuerlichen Grün<strong>de</strong> müssen allerdings nach<br />

<strong>de</strong>m Gesamtbild <strong>de</strong>r Verhältnisse beachtlich sein. Sind die nachgewiesenen außersteuerlichen Grün<strong>de</strong><br />

nach <strong>de</strong>m Gesamtbild <strong>de</strong>r Verhältnisse im Vergleich zum Ausmaß <strong>de</strong>r Unangemessenheit <strong>de</strong>r Gestaltung<br />

und <strong>de</strong>n vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Steuervorteilen nicht wesentlich o<strong>de</strong>r sogar nur von<br />

untergeordneter Be<strong>de</strong>utung, sind sie nicht beachtlich. In diesem Fall bleibt es bei <strong>de</strong>r Annahme eines<br />

Missbrauchs nach § 42 Abs. 2 Satz 1.<br />

3. Ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 ist als solcher nicht strafbar. Eine<br />

leichtfertige Steuerverkürzung o<strong>de</strong>r eine Steuerhinterziehung kann aber vorliegen, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige<br />

pflichtwidrig unrichtige o<strong>de</strong>r unvollständige Angaben macht, um das Vorliegen einer Steuerumgehung zu<br />

verschleiern.<br />

4. § 42 in <strong>de</strong>r Fassung <strong>de</strong>s Jahressteuergesetzes 2008 ist ab <strong>de</strong>m 1.1.2008 für Kalen<strong>de</strong>rjahre, die nach <strong>de</strong>m<br />

31.12.2007 beginnen, anzuwen<strong>de</strong>n. Für Kalen<strong>de</strong>rjahre, die vor <strong>de</strong>m 1.1.2008 liegen, ist § 42 in <strong>de</strong>r am<br />

28.12.2007 gelten<strong>de</strong>n Fassung weiterhin anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

Zu § 44 – Gesamtschuldner:<br />

Zur Steuerfestsetzung bei Gesamtschuldnern wird auf § 122 Abs. 6 und 7, § 155 Abs. 3 hingewiesen, <strong>zur</strong><br />

Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners auf § 219, wegen <strong>de</strong>r Vollstreckung gegen Gesamtschuldner auf<br />

§ 342 Abs. 2, wegen einer Beschränkung <strong>de</strong>r Vollstreckung in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>r Zusammenveranlagung auf §§ 268<br />

bis 280, wegen <strong>de</strong>r Erstattung an Gesamtschuldner vgl. zu § 37, Nr. 2.<br />

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Zu § 45 – Gesamtrechtsnachfolge:<br />

1. Ob eine Gesamtrechtsnachfolge (<strong>de</strong>r gesetzlich angeordnete Übergang <strong>de</strong>s Vermögens) i. S. d. § 45 Abs. 1<br />

vorliegt, ist grundsätzlich nach <strong>de</strong>m Zivilrecht zu beurteilen. Eine Gesamtrechtsnachfolge i. S. d. § 45 Abs. 1<br />

liegt daher beispielsweise vor in Fällen <strong>de</strong>r Erbfolge (§ 1922 Abs. 1 BGB), <strong>de</strong>r Anwachsung <strong>de</strong>s Anteils am<br />

Gesellschaftsvermögen bei Ausschei<strong>de</strong>n eines Gesellschafters (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB; BFH-Urteile vom<br />

28.4.1965 – II 9/62 U – BStBl. III, S. 422, und vom 18.9.1980 – V R 175/74 – BStBl. 1981 II, S. 293), <strong>de</strong>r<br />

Verschmelzung von Gesellschaften (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, §§ 2 ff. UmwG) und <strong>de</strong>r Vermögensübertragung im<br />

Wege <strong>de</strong>r Vollübertragung (§ 1 Abs. 1 Nr. 3, § 174 Abs. 1, §§ 175, 176, 178, 180 ff. UmwG). Abweichend<br />

von <strong>de</strong>r zivilrechtlichen Betrachtung gilt aber in <strong>de</strong>n vorgenannten Fällen <strong>de</strong>r Anwachsung, <strong>de</strong>r<br />

Verschmelzung und <strong>de</strong>r Vermögensübertragung im Wege <strong>de</strong>r Vollübertragung § 45 Abs. 1 nicht in Bezug<br />

auf die geson<strong>de</strong>rte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen.<br />

2. Ebenfalls abweichend von <strong>de</strong>r zivilrechtlichen Betrachtung und unabhängig von <strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>r §§ 15,<br />

16 und 20 ff. UmwStG liegt eine Gesamtrechtsnachfolge im Sinne <strong>de</strong>s § 45 Abs. 1 nicht vor in Fällen einer<br />

Abspaltung o<strong>de</strong>r Ausglie<strong>de</strong>rung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, §§ 123 ff. UmwG; BFH-Urteil vom 7.8.2002 – I R 99/00 –<br />

BStBl. 2003 II, S. 835) sowie einer Vermögensübertragung im Wege <strong>de</strong>r Teilübertragung (§ 1 Abs. 1 Nr. 3,<br />

§ 174 Abs. 2, §§ 175, 177, 179, 184 ff., 189 UmwG). In <strong>de</strong>n Fällen einer Aufspaltung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2,<br />

§ 123 Abs. 1 UmwG) ist jedoch § 45 Abs. 1 sinngemäß anzuwen<strong>de</strong>n; dies gilt nicht in Bezug auf die<br />

geson<strong>de</strong>rte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen.<br />

3. Eine formwechseln<strong>de</strong> Umwandlung (§ 1 Abs. 1 Nr. 4, §§ 190 ff. UmwG) führt grundsätzlich nicht zu einer<br />

Gesamtrechtsnachfolge i. S. d. § 45 Abs. 1, da lediglich ein Wechsel <strong>de</strong>r Rechtsform eines Rechtsträgers<br />

unter Wahrung seiner rechtlichen I<strong>de</strong>ntität vorliegt (§ 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Än<strong>de</strong>rt sich aber durch <strong>de</strong>n<br />

Formwechsel das Steuersubjekt (z. B. in Fällen <strong>de</strong>r Umwandlung einer Personengesellschaft in eine<br />

Kapitalgesellschaft o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft), ist § 45<br />

Abs. 1 sinngemäß anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

4. Zur Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten in Fällen einer Gesamtrechtsnachfolge vgl. zu § 122,<br />

Nrn. 2.12, 2.15 und 2.16 sowie zu § 197, Nrn. 8 und 9. Zu <strong>de</strong>n ertragsteuerlichen Auswirkungen von<br />

Maßnahmen nach <strong>de</strong>m UmwG vgl. BMF-Schreiben vom 25.3.1998 (BStBl. I, S. 268).<br />

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Zu § 46 – Abtretung, Verpfändung, Pfändung:<br />

1. Der Gläubiger kann die Abtretung o<strong>de</strong>r Verpfändung <strong>de</strong>r zuständigen Finanzbehör<strong>de</strong> wirksam nur nach<br />

Entstehung <strong>de</strong>s Anspruchs anzeigen. Die Anzeige wirkt nicht auf <strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>s Abtretungs- o<strong>de</strong>r<br />

Verpfändungsvertrages <strong>zur</strong>ück. Vor Entstehung <strong>de</strong>s Steueranspruchs sind Pfändungen wirkungslos; sie<br />

wer<strong>de</strong>n auch nicht mit Entstehung <strong>de</strong>s Anspruchs wirksam. Da z. B. <strong>de</strong>r<br />

Einkommensteuererstattungsanspruch aus überzahlter Lohnsteuer grundsätzlich mit Ablauf <strong>de</strong>s für die<br />

Steuerfestsetzung maßgeben<strong>de</strong>n Erhebungszeitraums entsteht (§ 38 AO i. V. m. § 36 Abs. 1 EStG), sind<br />

während <strong>de</strong>s betreffen<strong>de</strong>n Erhebungszeitraums (bis 31. 12.) angezeigte Lohnsteuer-Abtretungen bzw.<br />

Verpfändungen o<strong>de</strong>r ausgebrachte Pfändungen wirkungslos. Ein auf einem Verlustrücktrag nach § 10d<br />

Abs. 1 EStG beruhen<strong>de</strong>r Erstattungsanspruch ist nur dann wirksam abgetreten, gepfän<strong>de</strong>t o<strong>de</strong>r verpfän<strong>de</strong>t,<br />

wenn die Abtretung, Verpfändung o<strong>de</strong>r Pfändung erst nach Ablauf <strong>de</strong>s Verlustentstehungsjahres angezeigt<br />

bzw. ausgebracht wor<strong>de</strong>n ist (vgl. zu § 38, Nr. 1 Satz 3). Der Anspruch auf Erstattungszinsen nach § 233a<br />

entsteht erst, wenn eine Steuerfestsetzung zu einer Steuererstattung führt und die übrigen Voraussetzungen<br />

<strong>de</strong>s § 233a in diesem Zeitpunkt erfüllt sind. Eine vor <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung angezeigte Abtretung <strong>de</strong>s<br />

Anspruchs auf Erstattungszinsen ist unwirksam (BFH-Urteil vom 14.5.2002 – VII R 6/01 – BStBl. II,<br />

S. 677).<br />

2. Der geschäftsmäßige Erwerb und die geschäftsmäßige Einziehung von Erstattungs- o<strong>de</strong>r<br />

Vergütungsansprüchen ist nach § 46 Abs. 4 nur bei Sicherungsabtretungen und dabei auch nur<br />

Bankunternehmen gestattet (BFH-Urteil vom 23.10.1985 – VII R 196/82 – BStBl. II 1986, S. 124).<br />

2.1 Geschäftsmäßig i. S. v. § 46 Abs. 4 han<strong>de</strong>lt, wer die Tätigkeit – Erwerb von Erstattungs- o<strong>de</strong>r<br />

Vergütungsansprüchen – selbstständig und in Wie<strong>de</strong>rholungsabsicht ausübt. Dafür getroffene<br />

organisatorische Vorkehrungen indizieren die Wie<strong>de</strong>rholungsabsicht, sie sind in<strong>de</strong>s für <strong>de</strong>ren Annahme keine<br />

notwendige Voraussetzung (vgl. BFH-Urteil vom 13.10.1994 – VII R 3/94 – BFH/NV 1995, S. 473). Eine<br />

entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Rolle bei <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r Geschäftsmäßigkeit kann die Zahl <strong>de</strong>r Erwerbsfälle und <strong>de</strong>r<br />

Zeitraum ihres Vorkommens spielen.<br />

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Allgemeine Festlegungen o<strong>de</strong>r Beurteilungsmaßstäbe lassen sich hierzu aber nicht aufstellen; insoweit<br />

kommt es immer auf die Verhältnisse <strong>de</strong>s Einzelfalls an (vgl. u. a. BFH-Urteile vom 13.10.1994, a.a.O., und<br />

vom 4.2.2005 – VII R 54/04 – BStBl. II 2006, S. 348 – jeweils m. w. N.). Für die Annahme <strong>de</strong>r<br />

Geschäftsmäßigkeit reicht es in<strong>de</strong>s nicht aus, dass die – vereinzelte – Abtretung im Rahmen eines<br />

Han<strong>de</strong>lsgeschäfts vorgenommen wur<strong>de</strong>.<br />

2.2 Die Abtretung eines Erstattungs- o<strong>de</strong>r Vergütungsanspruchs erfolgt nur dann <strong>zur</strong> bloßen Sicherung, wenn für<br />

bei<strong>de</strong> Beteiligten <strong>de</strong>r Sicherungszweck im Vor<strong>de</strong>rgrund steht. Eine Sicherungsabtretung ist daher<br />

grundsätzlich dadurch gekennzeichnet, dass <strong>de</strong>r Abtretungsempfänger die For<strong>de</strong>rung nicht behalten darf. Er<br />

soll sie nur vorübergehend für <strong>de</strong>n Abtreten<strong>de</strong>n als Sicherheit für einen Anspruch gegen <strong>de</strong>n Abtreten<strong>de</strong>n<br />

innehaben.<br />

Deshalb kann eine Sicherungsabtretung regelmäßig nur dann vorliegen, wenn <strong>de</strong>r Inhaber <strong>de</strong>s Pfandrechts<br />

bei Fälligkeit seines Anspruchs zunächst versuchen muss, Befriedigung aus seinem Anspruch selbst zu<br />

suchen. Erst wenn dies nicht gelingt, darf er auf die Sicherheit <strong>zur</strong>ückgreifen. Eine Abtretung <strong>zur</strong> Sicherung<br />

ist dagegen nicht gegeben, wenn <strong>de</strong>r Abtreten<strong>de</strong> seine Einwirkungsmöglichkeiten auf die abgetretene<br />

For<strong>de</strong>rung weitgehend aufgibt (vgl. BFH-Urteil vom 3.2.1984 – VII R 72/82 – BStBl. II, S. 411).<br />

Haben Abtreten<strong>de</strong>r und Abtretungsempfänger eine direkte Begleichung <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s<br />

Abtretungsempfängers durch die Finanzbehör<strong>de</strong> vereinbart, liegt eine Sicherungsabtretung nur vor, wenn <strong>de</strong>r<br />

Sicherungszweck in einem solchen Maß überwiegt, dass an<strong>de</strong>re Beweggrün<strong>de</strong> für die gewählte rechtliche<br />

Gestaltung ausschei<strong>de</strong>n. Die gesamten Umstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Einzelfalles, unter <strong>de</strong>nen die Geschäftsbeziehung<br />

begrün<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n ist, sind für die Beurteilung heranzuziehen (vgl. BFH-Urteil vom 21.2.1989 – VII R 7/86 –<br />

BFH/NV S. 555 m. w. N.).<br />

2.3 Eine Sicherungsabtretung liegt nicht vor, wenn <strong>de</strong>r Abtreten<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Abtretungsempfänger ermächtigt hat,<br />

einen Steuerberater o<strong>de</strong>r Lohnsteuerhilfeverein mit <strong>de</strong>r Einlegung von Rechtsbehelfen zu beauftragen und<br />

<strong>de</strong>n Anspruch gegen <strong>de</strong>n Steuerberater bzw. Lohnsteuerhilfeverein auf Herausgabe <strong>de</strong>r Steuerunterlagen an<br />

<strong>de</strong>n Abtretungsempfänger ebenfalls abgetreten hat (vgl. BFH-Urteil v. 21.2.1989 – VII R 7/86 – a.a.O.).<br />

Gegen eine Sicherungsabtretung kann z. B. auch sprechen, dass <strong>de</strong>r Abtreten<strong>de</strong> im Zeitpunkt <strong>de</strong>r Abtretung<br />

arbeitslos ist und <strong>de</strong>r Abtretungsempfänger nicht mit einer Zahlung <strong>de</strong>s Abtreten<strong>de</strong>n aus an<strong>de</strong>ren Mitteln<br />

rechnen kann.<br />

Eine Sicherungsabtretung liegt auch dann nicht vor, wenn die <strong>de</strong>r Abtretung zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong><br />

Geschäftsbeziehung zwischen einem Steuerpflichtigen und einem Kreditinstitut nur zum Zweck <strong>de</strong>r<br />

Kreditgewährung begrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong> und das Kreditinstitut die Erstattungsbeträge aufgrund <strong>de</strong>s<br />

Darlehensvertrages nach Eingang <strong>de</strong>r Beträge ohne Einwirkungsmöglichkeit <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

verrechnen und auf diese Weise das Darlehen tilgen darf. In diesen Fällen liegt eine Abtretung bzw.<br />

Verpfändung erfüllungshalber vor.<br />

2.4 Auskünfte darüber, inwieweit einem Unternehmen das Betreiben von Bankgeschäften nach § 32 Abs. 1<br />

KWG erlaubt wor<strong>de</strong>n ist, können bei <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) o<strong>de</strong>r auch<br />

bei <strong>de</strong>r Deutschen Bun<strong>de</strong>sbank und ihren Hauptverwaltungen eingeholt wer<strong>de</strong>n.<br />

2.5 Verstöße gegen § 46 Abs. 4 können als Steuerordnungswidrigkeit geahn<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n (§ 383).<br />

3. Auch bei einem Verstoß gegen § 46 Abs. 4 Satz 1 o<strong>de</strong>r bei sonstiger Unwirksamkeit <strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Abtretung o<strong>de</strong>r<br />

Verpfändung zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Rechtsgeschäfts kann die Finanzbehör<strong>de</strong> nach erfolgter Anzeige mit<br />

befreien<strong>de</strong>r Wirkung an <strong>de</strong>n Abtretungsempfänger zahlen, soweit nicht Rechte an<strong>de</strong>rer Gläubiger<br />

entgegenstehen.<br />

4. Mit <strong>de</strong>r wirksam angezeigten Abtretung o<strong>de</strong>r Verpfändung (bzw. ausgebrachten Pfändung) geht nicht die<br />

gesamte Rechtsstellung <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen über (BFH-Urteile vom 21.3.1975 – VI R 238/71 – BStBl. II,<br />

S. 669, vom 15.5.1975 – V R 84/70 – BStBl. 1976 II, S. 41, vom 25.4.1978 – VII R 2/75 – BStBl. II, S. 465,<br />

und vom 27.1.1993 – II S 10/92 – BFH/NV 1993 S. 350). Übertragen wird nur <strong>de</strong>r Zahlungsanspruch. Auch<br />

nach einer Abtretung, Pfändung o<strong>de</strong>r Verpfändung ist <strong>de</strong>r Steuerbescheid nur <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen bekannt<br />

zu geben. Der neue Gläubiger <strong>de</strong>s Erstattungsanspruchs kann nicht <strong>de</strong>n Steuerbescheid anfechten. Dem<br />

neuen Gläubiger <strong>de</strong>s Erstattungsanspruchs muss nur mitgeteilt wer<strong>de</strong>n, ob und ggf. in welcher Höhe sich aus<br />

<strong>de</strong>r Veranlagung ein Erstattungsanspruch ergeben hat und ob und ggf. in welcher Höhe aufgrund <strong>de</strong>r<br />

Abtretung, Pfändung und Verpfändung an ihn zu leisten ist. Über Streitigkeiten hierüber ist durch<br />

Verwaltungsakt nach § 218 Abs. 2 zu entschei<strong>de</strong>n. Der neue Gläubiger <strong>de</strong>s Erstattungsanspruchs ist nicht<br />

befugt, einen Antrag auf Einkommensteuerveranlagung gem. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG zu stellen (vgl. BFH-<br />

Urteil vom 18.8.1998 – VII R 114/97 – BStBl. 1999 II, S. 84). Dieser Antrag ist ein von <strong>de</strong>n<br />

Rechtswirkungen <strong>de</strong>s § 46 nicht erfasstes höchstpersönliches steuerliches Gestaltungsrecht. Die vorstehen<strong>de</strong>n<br />

Sätze gelten entsprechend für Fälle einer Überleitung von Steuererstattungsansprüchen gemäß § 93 SGB XII.<br />

Für die Überleitung von Steuererstattungsansprüchen nach <strong>de</strong>m Asylbewerberleistungsgesetz ist § 93<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 27 von 235


SGB XII entsprechend anzuwen<strong>de</strong>n (§ 7 Abs. 3 AsylbLG). Für Fälle <strong>de</strong>s Übergangs von<br />

Steuererstattungsansprüchen im Wege <strong>de</strong>s gesetzlichen For<strong>de</strong>rungsübergangs im Rahmen <strong>de</strong>r Leistungen <strong>zur</strong><br />

Grundsicherung für Arbeitsuchen<strong>de</strong> nach § 33 SGB II gelten die vorstehen<strong>de</strong>n Sätze entsprechend.<br />

5. Fehlt in <strong>de</strong>r Abtretungsanzeige, nach <strong>de</strong>r die Erstattungsansprüche aus <strong>de</strong>r Zusammenveranlagung abgetreten<br />

wor<strong>de</strong>n sind, die Unterschrift eines Ehegatten, so wird dadurch die Wirksamkeit <strong>de</strong>r Abtretung <strong>de</strong>s<br />

Anspruchs, soweit er auf <strong>de</strong>n Ehegatten entfällt, <strong>de</strong>r die Anzeige unterschrieben hat, nicht berührt (BFH-<br />

Urteil vom 13.3.1997 – VII R 39/96 – BStBl. II, S. 522). Zum Erstattungsanspruch bei<br />

zusammenveranlagten Ehegatten vgl. zu § 37, Nr. 2.<br />

6. Für die Anzeige <strong>de</strong>r Abtretung o<strong>de</strong>r Verpfändung eines Erstattungs- o<strong>de</strong>r Vergütungsanspruches wird <strong>de</strong>r in<br />

<strong>de</strong>r Anlage abgedruckte Vordruck bestimmt. Die bislang gelten<strong>de</strong> Fassung <strong>de</strong>s Vordrucks kann weiterhin<br />

verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, wenn in Abschnitt III Nummer 3 im Freitextfeld nach <strong>de</strong>m Wort „o<strong>de</strong>r“ eine kurze<br />

stichwortartige Kennzeichnung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Abtretung zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n schuldrechtlichen<br />

Lebenssachverhaltes erfolgt (vgl. BFH-Urteil vom 28.9.2011 – VII R 52/10 – BStBl. 2012 II, S. 92).<br />

7. Die auf einem vollständig ausgefüllten amtlichen Vordruck erklärte, vom Abtreten<strong>de</strong>n und vom<br />

Abtretungsempfänger jeweils eigenhändig unterschriebene Abtretungsanzeige kann <strong>de</strong>r zuständigen<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> auch per Telefax übermittelt wer<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteil vom 8.6.2010 – VII R 39/09 –<br />

BStBl. II, S. 839). Dies gilt entsprechend, wenn eine Abtretungsanzeige im Sinne <strong>de</strong>s Satzes 1 eingescannt<br />

per E-Mail übermittelt wird. Die Anzeige <strong>de</strong>r Abtretung wird wirksam, sobald die Kenntnisnahme durch die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> möglich und nach <strong>de</strong>r Verkehrsanschauung zu erwarten ist (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dies<br />

be<strong>de</strong>utet: Eintritt <strong>de</strong>r Wirksamkeit bei Übermittlung<br />

– während <strong>de</strong>r üblichen Dienststun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> im Zeitpunkt <strong>de</strong>r vollständigen Übermittlung;<br />

– außerhalb <strong>de</strong>r üblichen Dienststun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> zum Zeitpunkt <strong>de</strong>s Dienstbeginns am nächsten<br />

Arbeitstag.<br />

Zu § 47 – Erlöschen:<br />

Außer in <strong>de</strong>n aufgezählten Fällen können entstan<strong>de</strong>ne Ansprüche aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis auch auf<br />

an<strong>de</strong>re Weise erlöschen, z. B. bei Zwangsgel<strong>de</strong>rn durch Erbfolge (§ 45 Abs. 1) o<strong>de</strong>r durch Verzicht auf<br />

Erstattung (§ 37 Abs. 2).<br />

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Zu § 48 – Leistung durch Dritte, Haftung Dritter:<br />

Die Vorschrift eröffnet die Möglichkeit, dass alle Leistungen aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis (§ 37) gegenüber<br />

<strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> auch durch Dritte bewirkt wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r sich Dritte hierzu vertraglich verpflichten können. Der<br />

Steuerpflichtige wird in diesen Fällen von seiner eigenen Leistungspflicht nicht befreit. Derartige<br />

rechtsgeschäftliche Verpflichtungsgeschäfte (z. B. Bürgschaft, Schuldversprechen o<strong>de</strong>r kumulative<br />

Schuldübernahme) können auf einem Vertrag zwischen Steuergläubiger und Schuldübernehmer o<strong>de</strong>r auf einem<br />

Vertrag zwischen Steuerschuldner und Übernehmer zugunsten <strong>de</strong>s Steuergläubigers beruhen. In bei<strong>de</strong>n Fällen<br />

sind die sich hieraus ergebenen Ansprüche <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> privatrechtlicher, nicht öffentlich-rechtlicher<br />

Natur und können gem. § 192 nur nach <strong>de</strong>n Vorschriften <strong>de</strong>s bürgerlichen Rechts durchgesetzt wer<strong>de</strong>n. Diese<br />

Vorschriften gelten auch für steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4).<br />

Zu § 51 – Allgemeines:<br />

Zu § 51 Abs. 1:<br />

1. Unter Körperschaften i. S. d. § 51, für die eine Steuervergünstigung in Betracht kommen kann, sind<br />

Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen i. S. d. KStG zu verstehen. Dazu gehören<br />

auch die juristischen Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts mit ihren Betrieben gewerblicher Art (§ 1 Abs. 1<br />

Nr. 6, § 4 KStG), nicht aber die juristischen Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts als solche.<br />

2. Regionale Unterglie<strong>de</strong>rungen (Lan<strong>de</strong>s-, Bezirks-, Ortsverbän<strong>de</strong>) von Großvereinen sind als nicht<br />

rechtsfähige Vereine (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG) selbstständige Steuersubjekte im Sinne <strong>de</strong>s<br />

Körperschaftsteuerrechts, wenn sie<br />

a) über eigene satzungsmäßige Organe (Vorstand, Mitglie<strong>de</strong>rversammlung) verfügen und über diese auf<br />

Dauer nach außen im eigenen Namen auftreten und<br />

b) eine eigene Kassenführung haben.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 28 von 235


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Die selbstständigen regionalen Unterglie<strong>de</strong>rungen können nur dann als gemeinnützig behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n,<br />

wenn sie eine eigene Satzung haben, die <strong>de</strong>n gemeinnützigkeitsrechtlichen Anfor<strong>de</strong>rungen entspricht.<br />

Zweck, Aufgaben und Organisation <strong>de</strong>r Unterglie<strong>de</strong>rungen können sich auch aus <strong>de</strong>r Satzung <strong>de</strong>s<br />

Hauptvereins ergeben.<br />

3. Über die Befreiung von <strong>de</strong>r Körperschaftsteuer nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG wegen För<strong>de</strong>rung<br />

steuerbegünstigter Zwecke ist stets für einen bestimmten Veranlagungszeitraum zu entschei<strong>de</strong>n (Grundsatz<br />

<strong>de</strong>r Abschnittsbesteuerung). Eine Körperschaft kann nur dann nach dieser Vorschrift von <strong>de</strong>r<br />

Körperschaftsteuer befreit wer<strong>de</strong>n, wenn sie in <strong>de</strong>m zu beurteilen<strong>de</strong>n Veranlagungszeitraum alle<br />

Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung erfüllt. Die spätere Erfüllung einer <strong>de</strong>r Voraussetzungen für die<br />

Steuerbegünstigung kann nicht auf frühere, abgelaufene Veranlagungszeiträume <strong>zur</strong>ückwirken.<br />

4. Wird eine bisher steuerpflichtige Körperschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von <strong>de</strong>r Körperschaftsteuer<br />

befreit, ist eine Schlussbesteuerung nach § 13 KStG durchzuführen.<br />

5. Für die Steuerbegünstigung einer Körperschaft reichen Betätigungen aus, mit <strong>de</strong>nen die Verwirklichung <strong>de</strong>r<br />

steuerbegünstigten Satzungszwecke nur vorbereitet wird. Die Tätigkeiten müssen ernsthaft auf die Erfüllung<br />

eines steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecks gerichtet sein. Die bloße Absicht, zu einem ungewissen<br />

Zeitpunkt einen <strong>de</strong>r Satzungszwecke zu verwirklichen, genügt nicht (BFH-Urteil vom 23.7.2003 – I R<br />

29/02 – BStBl. II, S. 930).<br />

6. Die Körperschaftsteuerbefreiung einer Körperschaft, die nach ihrer Satzung steuerbegünstigte Zwecke<br />

verfolgt, en<strong>de</strong>t, wenn die eigentliche steuerbegünstigte Tätigkeit eingestellt und über das Vermögen <strong>de</strong>r<br />

Körperschaft das Konkurs- o<strong>de</strong>r Insolvenzverfahren eröffnet wird (BFH-Urteil vom 16.5.2007 – I R 14/06 –<br />

BStBl. II, S. 808).<br />

Zu § 51 Abs. 2:<br />

7. Verwirklicht die Körperschaft ihre för<strong>de</strong>rungswürdigen Zwecke nur außerhalb von Deutschland, setzt die<br />

Steuerbegünstigung – neben <strong>de</strong>n sonstigen Voraussetzungen <strong>de</strong>r §§ 51 ff. – zusätzlich <strong>de</strong>n so genannten<br />

Inlandsbezug nach § 51 Abs. 2 i. d. F. <strong>de</strong>s Jahressteuergesetzes 2009 vom 19.12.2008 (BGBl. I, S. 2794)<br />

voraus. Dieser liegt zum einen vor, wenn natürliche Personen, die ihren Wohnsitz o<strong>de</strong>r ihren gewöhnlichen<br />

Aufenthalt im Inland haben, geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Auf die Staatsangehörigkeit <strong>de</strong>r natürlichen Personen kommt<br />

es dabei nicht an.<br />

Falls durch die Tätigkeit im Ausland keine im Inland leben<strong>de</strong>n Personen geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, ist ein<br />

Inlandsbezug gegeben, wenn die Tätigkeit <strong>de</strong>r Körperschaft neben <strong>de</strong>r Verwirklichung <strong>de</strong>r<br />

steuerbegünstigten Zwecke auch <strong>zur</strong> Verbesserung <strong>de</strong>s Ansehens Deutschlands im Ausland beitragen kann.<br />

Dabei bedarf es keiner spürbaren o<strong>de</strong>r messbaren Auswirkung auf das Ansehen Deutschlands im Ausland.<br />

Bei im Inland ansässigen Körperschaften ist <strong>de</strong>r mögliche Beitrag zum Ansehen Deutschlands im Ausland –<br />

ohne beson<strong>de</strong>ren Nachweis – bereits dadurch erfüllt, dass sie sich personell, finanziell, planend, schöpferisch<br />

o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rweitig an <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung gemeinnütziger und mildtätiger Zwecke im Ausland beteiligen<br />

(Indizwirkung). Der Feststellung <strong>de</strong>r positiven Kenntnis aller im Ausland Begünstigten o<strong>de</strong>r aller<br />

Mitwirken<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Beteiligung <strong>de</strong>utscher Organisationen bedarf es dabei nicht.<br />

Ausländische Körperschaften können <strong>de</strong>n Inlandsbezug ebenfalls erfüllen, beispielsweise in<strong>de</strong>m sie ihre<br />

steuerbegünstigten Zwecke zum Teil auch in Deutschland verwirklichen o<strong>de</strong>r – soweit sie nur im Ausland<br />

tätig sind – auch im Inland leben<strong>de</strong> natürliche Personen för<strong>de</strong>rn, selbst wenn die Personen sich zu diesem<br />

Zweck im Ausland aufhalten. Bei <strong>de</strong>r Tatbestandsalternative <strong>de</strong>s möglichen Ansehensbeitrags zugunsten<br />

Deutschlands entfällt zwar bei ausländischen Körperschaften die Indizwirkung, die Erfüllung dieser<br />

Tatbestandsalternative durch ausländische Einrichtungen ist aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen.<br />

Der nach § 51 Abs. 2 bei Auslandsaktivitäten zusätzlich gefor<strong>de</strong>rte Inlandsbezug wirkt sich nicht auf die<br />

Auslegung <strong>de</strong>r weiteren, für die Anerkennung <strong>de</strong>r Gemeinnützigkeit notwendigen Voraussetzungen aus.<br />

Deren Vorliegen ist weiterhin unabhängig von <strong>de</strong>r Frage, ob die Tätigkeit im In- o<strong>de</strong>r Ausland ausgeübt<br />

wird, zu prüfen. Der Inlandsbezug hat somit insbeson<strong>de</strong>re keine Auswirkung auf Inhalt und Umfang <strong>de</strong>r in<br />

<strong>de</strong>n §§ 52 bis 53 beschriebenen för<strong>de</strong>rungswürdigen Zwecke. Daher können beispielsweise kirchliche<br />

Zwecke weiterhin nur zugunsten inländischer Religionsgemeinschaften, die Körperschaften <strong>de</strong>s öffentlichen<br />

Rechts sind, verfolgt wer<strong>de</strong>n; an<strong>de</strong>rerseits kann die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Religion nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 wie<br />

bisher auch im Ausland erfolgen; auch kann wie bisher z. B. eine hilflose Person im Ausland unterstützt<br />

wer<strong>de</strong>n (§ 53 Nr. 1).<br />

Mit <strong>de</strong>r Prüfung <strong>de</strong>s Inlandsbezugs selbst ist keine zusätzliche inhaltliche Prüfung <strong>de</strong>r Tätigkeit <strong>de</strong>r<br />

Körperschaft verbun<strong>de</strong>n. Das heißt, es ist we<strong>de</strong>r ein weiteres Mal zu ermitteln, ob die Körperschaft<br />

gemeinnützige o<strong>de</strong>r mildtätige Zwecke i. S. d. §§ 52 und 53 för<strong>de</strong>rt, noch kommt es darauf an, ob die<br />

Tätigkeit mit <strong>de</strong>n im Ausland gelten<strong>de</strong>n Wertvorstellungen übereinstimmt und somit nach ausländischen<br />

Maßstäben ein Beitrag zum Ansehen Deutschlands geleistet wer<strong>de</strong>n kann. Falls die Verfolgung <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 29 von 235


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§§ 52 und 53 genannten för<strong>de</strong>rungswürdigen Zwecke zu bejahen ist, ist daher davon auszugehen, dass eine<br />

solche Tätigkeit <strong>de</strong>m Ansehen Deutschlands im Ausland nicht entgegensteht. Der Inlandsbezug wird für die<br />

Anerkennung <strong>de</strong>r Gemeinnützigkeit ab Veranlagungszeitraum 2009 vorausgesetzt.<br />

Zu § 51 Abs. 3:<br />

8. Der Ausschluss sogenannter extremistischer Körperschaften von <strong>de</strong>r Steuerbegünstigung ist nunmehr in § 51<br />

Abs. 3 gesetzlich geregelt.<br />

9. Die Ergänzung <strong>de</strong>s § 51 soll klarstellen, dass eine Körperschaft nur dann als steuerbegünstigt behan<strong>de</strong>lt<br />

wer<strong>de</strong>n kann, wenn sie we<strong>de</strong>r nach ihrer Satzung und ihrer tatsächlichen Geschäftsführung Bestrebungen<br />

i. S. d. § 4 <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG) verfolgt noch <strong>de</strong>m Gedanken <strong>de</strong>r<br />

Völkerverständigung zuwi<strong>de</strong>rhan<strong>de</strong>lt. § 4 BVerfSchG ist im Zusammenhang mit § 3 BVerfSchG zu lesen,<br />

<strong>de</strong>r die Aufgaben <strong>de</strong>r Verfassungsschutzbehör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r und die Voraussetzungen für<br />

ein Tätigwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Verfassungsschutzes festlegt. Die Aufgabe besteht in <strong>de</strong>r Sammlung und Auswertung<br />

von Informationen über die in § 3 Abs. 1 BVerfSchG erwähnten verfassungsfeindlichen Bestrebungen, die<br />

§ 4 BVerfSchG zum Teil <strong>de</strong>finiert. So beinhaltet § 4 BVerfSchG im ersten Absatz eine Legal<strong>de</strong>finition von<br />

Bestrebungen<br />

a) gegen <strong>de</strong>n Bestand <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r eines Lan<strong>de</strong>s<br />

b) gegen die Sicherheit <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r eines Lan<strong>de</strong>s<br />

c) gegen die freiheitliche <strong>de</strong>mokratische Grundordnung.<br />

Im zweiten Absatz <strong>de</strong>s § 4 BVerfSchG wer<strong>de</strong>n die grundlegen<strong>de</strong>n Prinzipien <strong>de</strong>r freiheitlichen<br />

<strong>de</strong>mokratischen Grundordnung aufgeführt.<br />

Gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 ist eine Steuervergünstigung auch ausgeschlossen, wenn die Körperschaft <strong>de</strong>m<br />

Gedanken <strong>de</strong>r Völkerverständigung zuwi<strong>de</strong>rhan<strong>de</strong>lt. Diese Regelung nimmt Bezug auf § 3 Abs. 1 Nr. 4<br />

BVerfSchG, <strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>rum auf Artikel 9 Abs. 2 Grundgesetz (gegen <strong>de</strong>n Gedanken <strong>de</strong>r Völkerverständigung<br />

gerichtete Bestrebungen) sowie Artikel 26 Abs. 1 Grundgesetz (Störung <strong>de</strong>s friedlichen Zusammenlebens <strong>de</strong>r<br />

Völker) verweist.<br />

10. Die Regelung <strong>de</strong>s § 51 Abs. 3 Satz 2 gilt in allen offenen Fällen. Der Tatbestand <strong>de</strong>s § 51 Abs. 3 Satz 2 ist<br />

nur bei solchen Organisationen erfüllt, die im Verfassungsschutzbericht <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r eines Lan<strong>de</strong>s für<br />

<strong>de</strong>n zu beurteilen<strong>de</strong>n Veranlagungszeitraum ausdrücklich als extremistisch eingestuft wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>nen<br />

es nach einem Verfassungsschutzbericht zumin<strong>de</strong>st belegbare Hinweise für eine Einstufung als extremistisch<br />

gibt. Hat das Finanzamt die Körperschaft bisher als steuerbegünstigt behan<strong>de</strong>lt und wird später ein<br />

Verfassungsschutzbericht veröffentlicht, in <strong>de</strong>m die Körperschaft als extremistisch aufgeführt wird, kommt<br />

ggf. eine Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 in Betracht.<br />

11. Bei Organisationen, die nicht unter § 51 Abs. 3 Satz 2 fallen, ist eine Prüfung nach § 51 Abs. 3 Satz 1<br />

vorzunehmen (vgl. Nr. 9). Insbeson<strong>de</strong>re eine Erwähnung als „Verdachtsfall“ o<strong>de</strong>r eine nur beiläufige<br />

Erwähnung im Verfassungsschutzbericht, aber auch sonstige Erkenntnisse bieten im Einzelfall Anlass zu<br />

weitergehen<strong>de</strong>n Ermittlungen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>, z. B. auch durch Nachfragen bei <strong>de</strong>n<br />

Verfassungsschutzbehör<strong>de</strong>n.<br />

12. Die Finanzbehör<strong>de</strong>n sind befugt und verpflichtet, <strong>de</strong>n Verfassungsschutzbehör<strong>de</strong>n Tatsachen i. S. d. § 51<br />

Abs. 3 Satz 3 unabhängig davon mitzuteilen, welchen Besteuerungszeitraum diese Tatsachen betreffen.<br />

Zu § 52 – Gemeinnützige Zwecke:<br />

1. Die Gemeinnützigkeit einer Körperschaft setzt voraus, dass ihre Tätigkeit <strong>de</strong>r Allgemeinheit zugute kommt<br />

(§ 52 Abs. 1 S. 1). Dies ist nicht gegeben, wenn <strong>de</strong>r Kreis <strong>de</strong>r geför<strong>de</strong>rten Personen infolge seiner Abgrenzung,<br />

insbeson<strong>de</strong>re nach räumlichen o<strong>de</strong>r beruflichen Merkmalen, dauernd nur klein sein kann (§ 52 Abs. 1 S. 2).<br />

Hierzu gilt Folgen<strong>de</strong>s:<br />

1.1 Allgemeines<br />

Ein Verein, <strong>de</strong>ssen Tätigkeit in erster Linie seinen Mitglie<strong>de</strong>rn zugute kommt (insbeson<strong>de</strong>re Sportvereine und<br />

Vereine, die in § 52 Abs. 2 Nr. 23 genannte Freizeitbetätigungen för<strong>de</strong>rn), för<strong>de</strong>rt nicht die Allgemeinheit, wenn<br />

er <strong>de</strong>n Kreis <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r durch hohe Aufnahmegebühren o<strong>de</strong>r Mitgliedsbeiträge (einschließlich<br />

Mitgliedsumlagen) klein hält.<br />

Bei einem Verein, <strong>de</strong>ssen Tätigkeit in erster Linie seinen Mitglie<strong>de</strong>rn zugute kommt, ist eine För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Allgemeinheit im Sinne <strong>de</strong>s § 52 Abs. 1 anzunehmen, wenn<br />

a) die Mitgliedsbeiträge und Mitgliedsumlagen zusammen im Durchschnitt 1 023 € je Mitglied und Jahr und<br />

b) die Aufnahmegebühren für die im Jahr aufgenommenen Mitglie<strong>de</strong>r im Durchschnitt 1 534 € nicht<br />

übersteigen.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 30 von 235


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1.2 Investitionsumlage<br />

Es ist unschädlich für die Gemeinnützigkeit eines Vereins, <strong>de</strong>ssen Tätigkeit in erster Linie seinen Mitglie<strong>de</strong>rn<br />

zugute kommt, wenn <strong>de</strong>r Verein neben <strong>de</strong>n o. a. Aufnahmegebühren und Mitgliedsbeiträgen (einschließlich<br />

sonstiger Mitgliedsumlagen) zusätzlich eine Investitionsumlage nach folgen<strong>de</strong>r Maßgabe erhebt:<br />

Die Investitionsumlage darf höchstens 5 113 € innerhalb von 10 Jahren je Mitglied betragen. Die Mitglie<strong>de</strong>r<br />

müssen die Möglichkeit haben, die Zahlung <strong>de</strong>r Umlage auf bis zu 10 Jahresraten zu verteilen. Die Umlage darf<br />

nur für die Finanzierung konkreter Investitionsvorhaben verlangt wer<strong>de</strong>n. Unschädlich ist neben <strong>de</strong>r zeitnahen<br />

Verwendung <strong>de</strong>r Mittel für Investitionen auch die Ansparung für künftige Investitionsvorhaben im Rahmen von<br />

nach § 58 Nr. 6 zulässigen Rücklagen und die Verwendung für die Tilgung von Darlehen, die für die<br />

Finanzierung von Investitionen aufgenommen wor<strong>de</strong>n sind. Die Erhebung von Investitionsumlagen kann auf neu<br />

eintreten<strong>de</strong> Mitglie<strong>de</strong>r (und ggf. nachzahlen<strong>de</strong> Jugendliche, vgl. Nr. 1.3.1.2) beschränkt wer<strong>de</strong>n.<br />

Investitionsumlagen sind keine steuerlich abziehbaren Spen<strong>de</strong>n.<br />

1.3 Durchschnittsberechnung<br />

Der durchschnittliche Mitgliedsbeitrag und die durchschnittliche Aufnahmegebühr sind aus <strong>de</strong>m Verhältnis <strong>de</strong>r<br />

zu berücksichtigen<strong>de</strong>n Leistungen <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r zu <strong>de</strong>r Zahl <strong>de</strong>r zu berücksichtigen<strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>r zu errechnen.<br />

1.3.1 Zu berücksichtigen<strong>de</strong> Leistungen <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r<br />

1.3.1.1 Grundsatz<br />

Zu <strong>de</strong>n maßgeblichen Aufnahmegebühren bzw. Mitgliedsbeiträgen gehören alle Geld- und geldwerten<br />

Leistungen, die ein Bürger aufwen<strong>de</strong>n muss, um in <strong>de</strong>n Verein aufgenommen zu wer<strong>de</strong>n bzw. in ihm verbleiben<br />

zu können. Umlagen, die von <strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>rn erhoben wer<strong>de</strong>n, sind mit Ausnahme zulässiger<br />

Investitionsumlagen (vgl. Nr. 1.2) bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>r durchschnittlichen Aufnahmegebühren o<strong>de</strong>r<br />

Mitgliedsbeiträge zu berücksichtigen.<br />

1.3.1.2 Son<strong>de</strong>rentgelte und Nachzahlungen<br />

So genannte Spielgeldvorauszahlungen, die im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Aufnahme in <strong>de</strong>n Verein zu entrichten<br />

sind, gehören zu <strong>de</strong>n maßgeblichen Aufnahmegebühren. Son<strong>de</strong>rumlagen und Zusatzentgelte, die Mitglie<strong>de</strong>r z. B.<br />

unter <strong>de</strong>r Bezeichnung Jahresplatzbenutzungsgebühren zahlen müssen, sind bei <strong>de</strong>r Durchschnittsberechnung als<br />

zusätzliche Mitgliedsbeiträge zu berücksichtigen.<br />

Wenn jugendliche Mitglie<strong>de</strong>r, die zunächst zu günstigeren Konditionen in <strong>de</strong>n Verein aufgenommen wor<strong>de</strong>n<br />

sind, bei Erreichen einer Altersgrenze Aufnahmegebühren nachzuentrichten haben, sind diese im Jahr <strong>de</strong>r<br />

Zahlung bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>r durchschnittlichen Aufnahmegebühr zu erfassen.<br />

1.3.1.3 Auswärtige Mitglie<strong>de</strong>r<br />

Mitgliedsbeiträge und Aufnahmegebühren, die auswärtige Mitglie<strong>de</strong>r an an<strong>de</strong>re gleichartige Vereine entrichten,<br />

sind nicht in die Durchschnittsberechnungen einzubeziehen. Dies gilt auch dann, wenn die Mitgliedschaft in <strong>de</strong>m<br />

an<strong>de</strong>ren Verein Voraussetzung für die Aufnahme als auswärtiges Mitglied o<strong>de</strong>r die Spielberechtigung in <strong>de</strong>r<br />

vereinseigenen Sportanlage ist.<br />

1.3.1.4 Juristische Personen und Firmen<br />

Leistungen, die juristische Personen und Firmen in an<strong>de</strong>rer Rechtsform für die Erlangung und <strong>de</strong>n Erhalt <strong>de</strong>r<br />

eigenen Mitgliedschaft in einem Verein aufwen<strong>de</strong>n (sogenannte Firmenmitgliedschaften), sind bei <strong>de</strong>n<br />

Durchschnittsberechnungen nicht zu berücksichtigen (vgl. Nr. 1.3.2).<br />

1.3.1.5 Darlehen<br />

Darlehen, die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Verein im Zusammenhang mit ihrer Aufnahme in <strong>de</strong>n Verein gewähren, sind nicht<br />

als zusätzliche Aufnahmegebühren zu erfassen. Wird das Darlehen zinslos o<strong>de</strong>r zu einem günstigeren Zinssatz,<br />

als er auf <strong>de</strong>m Kapitalmarkt üblich ist, gewährt, ist <strong>de</strong>r jährliche Zinsverzicht als zusätzlicher Mitgliedsbeitrag zu<br />

berücksichtigen. Dabei kann typisierend ein üblicher Zinssatz von 5,5 v. H. angenommen wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil<br />

vom 13.11.1996 – I R 152/93 – BStBl. 1998 II, S. 711). Als zusätzlicher Mitgliedsbeitrag sind <strong>de</strong>mnach pro Jahr<br />

bei einem zinslosen Darlehen 5,5 v. H. <strong>de</strong>s Darlehensbetrags und bei einem zinsgünstigen Darlehen <strong>de</strong>r Betrag,<br />

<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Verein weniger als bei einer Verzinsung mit 5,5 v. H. zu zahlen hat, anzusetzen.<br />

Diese Grundsätze gelten auch, wenn Mitgliedsbeiträge o<strong>de</strong>r Mitgliedsumlagen (einschließlich<br />

Investitionsumlagen) als Darlehen geleistet wer<strong>de</strong>n.<br />

1.3.1.6 Beteiligung an Gesellschaften<br />

Kosten für <strong>de</strong>n <strong>zur</strong> Erlangung <strong>de</strong>r Spielberechtigung notwendigen Erwerb von Geschäftsanteilen an einer<br />

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Gesellschaft, die neben <strong>de</strong>m Verein besteht und die die Sportanlagen errichtet o<strong>de</strong>r betreibt, sind mit Ausnahme<br />

<strong>de</strong>s Agios nicht als zusätzliche Aufnahmegebühren zu erfassen.<br />

Ein Sportverein kann aber mangels Unmittelbarkeit dann nicht als gemeinnützig behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n, wenn die<br />

Mitglie<strong>de</strong>r die Sportanlagen <strong>de</strong>s Vereins nur bei Erwerb einer Nutzungsberechtigung von einer neben <strong>de</strong>m<br />

Verein bestehen<strong>de</strong>n Gesellschaft nutzen dürfen.<br />

1.3.1.7 Spen<strong>de</strong>n<br />

Wenn Bürger im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Aufnahme in einen Sportverein als Spen<strong>de</strong>n bezeichnete Zahlungen an<br />

<strong>de</strong>n Verein leisten, ist zu prüfen, ob es sich dabei um freiwillige unentgeltliche Zuwendungen, d. h. um Spen<strong>de</strong>n,<br />

o<strong>de</strong>r um Son<strong>de</strong>rzahlungen han<strong>de</strong>lt, zu <strong>de</strong>ren Leistung die neu eintreten<strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>r verpflichtet sind.<br />

Son<strong>de</strong>rzahlungen sind in die Berechnung <strong>de</strong>r durchschnittlichen Aufnahmegebühr einzubeziehen. Dies gilt auch,<br />

wenn kein durch die Satzung o<strong>de</strong>r durch Beschluss <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>rversammlung festgelegter Rechtsanspruch <strong>de</strong>s<br />

Vereins besteht, die Aufnahme in <strong>de</strong>n Verein aber faktisch von <strong>de</strong>r Leistung einer Son<strong>de</strong>rzahlung abhängt.<br />

Eine faktische Verpflichtung ist regelmäßig anzunehmen, wenn mehr als 75 v. H. <strong>de</strong>r neu eingetretenen<br />

Mitglie<strong>de</strong>r neben <strong>de</strong>r Aufnahmegebühr eine gleich o<strong>de</strong>r ähnlich hohe Son<strong>de</strong>rzahlung leisten. Dabei bleiben<br />

passive o<strong>de</strong>r för<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>, jugendliche und auswärtige Mitglie<strong>de</strong>r sowie Firmenmitgliedschaften außer Betracht.<br />

Für die Beurteilung <strong>de</strong>r Frage, ob die Son<strong>de</strong>rzahlungen <strong>de</strong>r neu aufgenommenen Mitglie<strong>de</strong>r gleich o<strong>de</strong>r ähnlich<br />

hoch sind, sind die von <strong>de</strong>m Mitglied innerhalb von drei Jahren nach seinem Aufnahmeantrag o<strong>de</strong>r, wenn<br />

zwischen <strong>de</strong>m Aufnahmeantrag und <strong>de</strong>r Aufnahme in <strong>de</strong>n Verein ein ungewöhnlich langer Zeitraum liegt, nach<br />

seiner Aufnahme geleisteten Son<strong>de</strong>rzahlungen, soweit es sich dabei nicht um von allen Mitglie<strong>de</strong>rn erhobene<br />

Umlagen han<strong>de</strong>lt, zusammen<strong>zur</strong>echnen.<br />

Die 75 v. H.-Grenze ist eine wi<strong>de</strong>rlegbare Vermutung für das Vorliegen von Pflichtzahlungen. Maßgeblich sind<br />

die tatsächlichen Verhältnisse <strong>de</strong>s Einzelfalls. Son<strong>de</strong>rzahlungen sind <strong>de</strong>shalb auch dann als zusätzliche<br />

Aufnahmegebühren zu behan<strong>de</strong>ln, wenn sie zwar von weniger als 75 v. H. <strong>de</strong>r neu eingetretenen Mitglie<strong>de</strong>r<br />

geleistet wer<strong>de</strong>n, diese Mitglie<strong>de</strong>r aber nach <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Einzelfalls zu <strong>de</strong>n Zahlungen nachweisbar<br />

verpflichtet sind.<br />

Die vorstehen<strong>de</strong>n Grundsätze einschließlich <strong>de</strong>r 75 v. H.-Grenze gelten für die Abgrenzung zwischen echten<br />

Spen<strong>de</strong>n und Mitgliedsumlagen entsprechend. Pflichtzahlungen sind in diesem Fall in die Berechnung <strong>de</strong>s<br />

durchschnittlichen Mitgliedsbeitrags einzubeziehen.<br />

Nicht bei <strong>de</strong>r Durchschnittsberechnung <strong>de</strong>r Aufnahmegebühren und Mitgliedsbeiträge zu berücksichtigen sind<br />

Pflichteinzahlungen in eine zulässige Investitionsumlage (vgl. Nr. 1.2).<br />

Für Leistungen, bei <strong>de</strong>nen es sich um Pflichtzahlungen (z. B. Aufnahmegebühren, Mitgliedsbeiträge,<br />

Ablösezahlungen für Arbeitsleistungen und Umlagen einschließlich Investitionsumlagen) han<strong>de</strong>lt, dürfen keine<br />

Zuwendungsbestätigungen i. S. d. § 50 EStDV ausgestellt wer<strong>de</strong>n. Die Grundsätze <strong>de</strong>s BFH-Urteils vom<br />

13.12.1978 – I R 39/78 – BStBl. 1979 II, S. 482, 488) sind nicht anzuwen<strong>de</strong>n, soweit sie mit <strong>de</strong>n vorgenannten<br />

Grundsätzen nicht übereinstimmen.<br />

1.3.2 Zu berücksichtigen<strong>de</strong> Mitglie<strong>de</strong>r<br />

Bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>s durchschnittlichen Mitgliedsbeitrags ist als Divisor die Zahl <strong>de</strong>r Personen anzusetzen,<br />

die im Veranlagungszeitraum (Kalen<strong>de</strong>rjahr) Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Vereins waren. Dabei sind auch die Mitglie<strong>de</strong>r zu<br />

berücksichtigen, die im Laufe <strong>de</strong>s Jahres aus <strong>de</strong>m Verein ausgetreten o<strong>de</strong>r in ihn aufgenommen wor<strong>de</strong>n sind.<br />

Voraussetzung ist, dass eine Dauermitgliedschaft bestan<strong>de</strong>n hat bzw. die Mitgliedschaft auf Dauer angelegt ist.<br />

Divisor bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>r durchschnittlichen Aufnahmegebühr ist die Zahl <strong>de</strong>r Personen, die in <strong>de</strong>m<br />

Veranlagungszeitraum auf Dauer neu in <strong>de</strong>n Verein aufgenommen wor<strong>de</strong>n sind. Bei <strong>de</strong>n Berechnungen sind<br />

grundsätzlich auch die för<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r passiven, jugendlichen und auswärtigen Mitglie<strong>de</strong>r zu berücksichtigen.<br />

Unter auswärtigen Mitglie<strong>de</strong>rn sind regelmäßig Mitglie<strong>de</strong>r zu verstehen, die ihren Wohnsitz außerhalb <strong>de</strong>s<br />

Einzugsgebiets <strong>de</strong>s Vereins haben und/o<strong>de</strong>r bereits or<strong>de</strong>ntliches Mitglied in einem gleichartigen an<strong>de</strong>ren<br />

Sportverein sind und die <strong>de</strong>shalb keine o<strong>de</strong>r geringere Mitgliedsbeiträge o<strong>de</strong>r Aufnahmegebühren zu zahlen<br />

haben. Nicht zu erfassen sind juristische Personen o<strong>de</strong>r Firmen in an<strong>de</strong>rer Rechtsform sowie die natürlichen<br />

Personen, die infolge <strong>de</strong>r Mitgliedschaft dieser Organisationen Zugang zu <strong>de</strong>m Verein haben.<br />

Die nicht aktiven Mitglie<strong>de</strong>r sind nicht zu berücksichtigen, wenn <strong>de</strong>r Verein ihre Einbeziehung in die<br />

Durchschnittsberechnung missbräuchlich ausnutzt. Dies ist z. B. anzunehmen, wenn die Zahl <strong>de</strong>r nicht aktiven<br />

Mitglie<strong>de</strong>r ungewöhnlich hoch ist o<strong>de</strong>r festgestellt wird, dass im Hinblick auf die Durchschnittsberechnung<br />

gezielt nicht aktive Mitglie<strong>de</strong>r beitragsfrei o<strong>de</strong>r gegen geringe Beiträge aufgenommen wor<strong>de</strong>n sind.<br />

Entsprechen<strong>de</strong>s gilt für die Einbeziehung auswärtiger Mitglie<strong>de</strong>r in die Durchschnittsberechnung.<br />

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2. Bei § 52 Abs. 2 han<strong>de</strong>lt es sich grundsätzlich um eine abschließen<strong>de</strong> Aufzählung gemeinnütziger Zwecke.<br />

Die Allgemeinheit kann allerdings auch durch die Verfolgung von Zwecken, die hinsichtlich <strong>de</strong>r Merkmale, die<br />

ihre steuerrechtliche För<strong>de</strong>rung rechtfertigen, mit <strong>de</strong>n in § 52 Abs. 2 aufgeführten Zwecken i<strong>de</strong>ntisch sind,<br />

geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n.<br />

2.1 Jugendliche i. S. d. § 52 Abs. 2 Nr. 4 bzw. <strong>de</strong>s § 68 Nr. 1 Buchstabe b sind alle Personen vor Vollendung<br />

<strong>de</strong>s 27. Lebensjahres.<br />

2.2 Die För<strong>de</strong>rung von Kunst und Kultur umfasst die Bereiche <strong>de</strong>r Musik, <strong>de</strong>r Literatur, <strong>de</strong>r darstellen<strong>de</strong>n und<br />

bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Kunst und schließt die För<strong>de</strong>rung von kulturellen Einrichtungen, wie Theater und Museen, sowie von<br />

kulturellen Veranstaltungen, wie Konzerte und Kunstausstellungen, ein. Zur För<strong>de</strong>rung von Kunst und Kultur<br />

gehört auch die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Pflege und Erhaltung von Kulturwerten. Kulturwerte sind Gegenstän<strong>de</strong> von<br />

künstlerischer und sonstiger kultureller Be<strong>de</strong>utung, Kunstsammlungen und künstlerische Nachlässe,<br />

Bibliotheken, Archive sowie an<strong>de</strong>re vergleichbare Einrichtungen.<br />

2.3 Die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Denkmalpflege bezieht sich auf die Erhaltung und Wie<strong>de</strong>rherstellung von Bau- und<br />

Bo<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nkmälern, die nach <strong>de</strong>n jeweiligen lan<strong>de</strong>srechtlichen Vorschriften anerkannt sind. Die Anerkennung ist<br />

durch eine Bescheinigung <strong>de</strong>r zuständigen Stelle nachzuweisen.<br />

2.4 Zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s An<strong>de</strong>nkens an Verfolgte, Kriegs- und Katastrophenopfer gehört auch die Errichtung von<br />

Ehrenmalen und Ge<strong>de</strong>nkstätten.<br />

Zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Tier- bzw. Pflanzenzucht gehört auch die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Erhaltung vom Aussterben bedrohter<br />

Nutztierrassen und Nutzpflanzen.<br />

Die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Einsatzes für nationale Min<strong>de</strong>rheiten im Sinne <strong>de</strong>s durch Deutschland ratifizierten<br />

Rahmenabkommens zum Schutz nationaler Min<strong>de</strong>rheiten und die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Einsatzes für die gemäß <strong>de</strong>r von<br />

Deutschland ratifizierten Charta <strong>de</strong>r Regional- und Min<strong>de</strong>rheitensprachen geschützten Sprachen sind – je nach<br />

Betätigung im Einzelnen – För<strong>de</strong>rung von Kunst und Kultur, För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Heimatpflege und Heimatkun<strong>de</strong><br />

o<strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s traditionellen Brauchtums. Bei <strong>de</strong>n nach <strong>de</strong>r Charta geschützten Sprachen han<strong>de</strong>lt es sich um<br />

die Regionalsprache Nie<strong>de</strong>r<strong>de</strong>utsch sowie die Min<strong>de</strong>rheitensprachen Dänisch, Friesisch, Sorbisch und das<br />

Romanes <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Sinti und Roma.<br />

2.5 Unter <strong>de</strong>m Begriff „bürgerschaftliches Engagement“ versteht man eine freiwillige, nicht auf das Erzielen<br />

eines persönlichen materiellen Gewinns gerichtete, auf die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Allgemeinheit hin orientierte,<br />

kooperative Tätigkeit. Die Anerkennung <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s bürgerschaftlichen Engagements zugunsten<br />

gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke dient <strong>de</strong>r Hervorhebung <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung, die ehrenamtlicher<br />

Einsatz für unsere Gesellschaft hat. Eine Erweiterung <strong>de</strong>r gemeinnützigen Zwecke ist damit nicht verbun<strong>de</strong>n.<br />

2.6 Durch § 52 Abs. 2 Satz 2 wird die Möglichkeit eröffnet, Zwecke auch dann als gemeinnützig anzuerkennen,<br />

wenn diese nicht unter <strong>de</strong>n Katalog <strong>de</strong>s § 52 Abs. 2 Satz 1 fallen. Die Anerkennung <strong>de</strong>r Gemeinnützigkeit<br />

solcher gesellschaftlicher Zwecke wird bun<strong>de</strong>seinheitlich abgestimmt.<br />

3. Internetvereine können wegen För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Volksbildung als gemeinnützig anerkannt wer<strong>de</strong>n, sofern ihr<br />

Zweck nicht <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r (privat betriebenen) Datenkommunikation durch Zurverfügungstellung von<br />

Zugängen zu Kommunikationsnetzwerken sowie durch <strong>de</strong>n Aufbau, die För<strong>de</strong>rung und <strong>de</strong>n Unterhalt<br />

entsprechen<strong>de</strong>r Netze <strong>zur</strong> privaten und geschäftlichen Nutzung durch die Mitglie<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Personen dient.<br />

Freiwilligenagenturen können regelmäßig wegen <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Bildung (§ 52 Abs. 2 Nr. 7) als<br />

gemeinnützig behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n, weil das Schwergewicht ihrer Tätigkeit in <strong>de</strong>r Aus- und Weiterbildung <strong>de</strong>r<br />

Freiwilligen liegt (BMF-Schreiben vom 15.9.2003, BStBl. I, S. 446).<br />

4. Bei Körperschaften, die Privatschulen betreiben o<strong>de</strong>r unterstützen, ist zwischen Ersatzschulen und<br />

Ergänzungsschulen zu unterschei<strong>de</strong>n. Die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Allgemeinheit ist bei Ersatzschulen stets anzunehmen,<br />

weil die zuständigen Lan<strong>de</strong>sbehör<strong>de</strong>n die Errichtung und <strong>de</strong>n Betrieb einer Ersatzschule nur dann genehmigen<br />

dürfen, wenn eine Son<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Schüler nach <strong>de</strong>n Besitzverhältnissen <strong>de</strong>r Eltern nicht geför<strong>de</strong>rt wird (Art. 7<br />

Abs. 4 Satz 3 GG und die Privatschulgesetze <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r). Bei Ergänzungsschulen kann eine För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Allgemeinheit dann angenommen wer<strong>de</strong>n, wenn in <strong>de</strong>r Satzung <strong>de</strong>r Körperschaft festgelegt ist, dass bei<br />

min<strong>de</strong>stens 25 v. H. <strong>de</strong>r Schüler keine Son<strong>de</strong>rung nach <strong>de</strong>n Besitzverhältnissen <strong>de</strong>r Eltern i. S. d. Art. 7 Abs. 4<br />

Satz 3 GG und <strong>de</strong>r Privatschulgesetze <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r vorgenommen wer<strong>de</strong>n darf.<br />

5. Nachbarschaftshilfevereine, Tauschringe und ähnliche Körperschaften, <strong>de</strong>ren Mitglie<strong>de</strong>r kleinere<br />

Dienstleistungen verschie<strong>de</strong>nster Art gegenüber an<strong>de</strong>ren Vereinsmitglie<strong>de</strong>rn erbringen (z. B. kleinere<br />

Reparaturen, Hausputz, Kochen, Kin<strong>de</strong>rbetreuung, Nachhilfeunterricht, häusliche Pflege) sind grundsätzlich<br />

nicht gemeinnützig, weil regelmäßig durch die gegenseitige Unterstützung in erster Linie eigenwirtschaftliche<br />

Interessen ihrer Mitglie<strong>de</strong>r geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n und damit gegen <strong>de</strong>n Grundsatz <strong>de</strong>r Selbstlosigkeit (§ 55 Abs. 1)<br />

verstoßen wird. Solche Körperschaften können jedoch gemeinnützig sein, wenn sich ihre Tätigkeit darauf<br />

beschränkt, alte und hilfsbedürftige Menschen in Verrichtungen <strong>de</strong>s täglichen Lebens zu unterstützen und damit<br />

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die Altenhilfe geför<strong>de</strong>rt bzw. mildtätige Zwecke (§ 53) verfolgt wer<strong>de</strong>n. Soweit sich <strong>de</strong>r Zweck <strong>de</strong>r<br />

Körperschaften zusätzlich auf die Erteilung von Nachhilfeunterricht und Kin<strong>de</strong>rbetreuung erstreckt, können sie<br />

auch wegen För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Jugendhilfe anerkannt wer<strong>de</strong>n. Voraussetzung für die Anerkennung <strong>de</strong>r<br />

Gemeinnützigkeit solcher Körperschaften ist, dass die aktiven Mitglie<strong>de</strong>r ihre Dienstleistungen als Hilfspersonen<br />

<strong>de</strong>r Körperschaft (§ 57 Abs. 1 Satz 2) ausüben.<br />

Vereine, <strong>de</strong>ren Zweck die För<strong>de</strong>rung esoterischer Heilslehren ist, z. B. Reiki-Vereine, können nicht wegen<br />

För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s öffentlichen Gesundheitswesens o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r öffentlichen Gesundheitspflege als gemeinnützig<br />

anerkannt wer<strong>de</strong>n.<br />

6. Ein wesentliches Element <strong>de</strong>s Sports (§ 52 Abs. 2 Nr. 21) ist die körperliche Ertüchtigung. Motorsport fällt<br />

unter <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s Sports (BFH-Urteil vom 29.10.1997 – I R 13/97 – BStBl. 1998 II, S. 9), ebenso<br />

Ballonfahren. Dagegen sind Skat (BFH-Urteil vom 17.2.2000 – I R 108, 109/98 – BFH/NV S. 1071), Bridge,<br />

Gospiel, Gotcha, Paintball und Tipp-Kick kein Sport i. S. d. Gemeinnützigkeitsrechts. Dies gilt auch für<br />

Amateurfunk, Mo<strong>de</strong>llflug und Hun<strong>de</strong>sport, die jedoch eigenständige gemeinnützige Zwecke sind (§ 52 Abs. 2<br />

Nr. 23). Schützenvereine können auch dann als gemeinnützig anerkannt wer<strong>de</strong>n, wenn sie nach ihrer Satzung<br />

neben <strong>de</strong>m Schießsport (als Hauptzweck) auch das Schützenbrauchtum (vgl. Nr. 11) för<strong>de</strong>rn. Die Durchführung<br />

von volksfestartigen Schützenfesten ist kein gemeinnütziger Zweck.<br />

7. Die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s bezahlten Sports ist kein gemeinnütziger Zweck, weil dadurch eigenwirtschaftliche<br />

Zwecke <strong>de</strong>r bezahlten Sportler geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Sie ist aber unter bestimmten Voraussetzungen unschädlich für<br />

die Gemeinnützigkeit eines Sportvereins (s. §§ 58 Nr. 9 und 67a).<br />

8. Eine steuerbegünstigte allgemeine För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>mokratischen Staatswesens ist nur dann gegeben, wenn<br />

sich die Körperschaft umfassend mit <strong>de</strong>n <strong>de</strong>mokratischen Grundprinzipien befasst und diese objektiv und neutral<br />

würdigt. Ist hingegen Zweck <strong>de</strong>r Körperschaft die politische Bildung, <strong>de</strong>r es auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r Normen und<br />

Vorstellungen einer rechtsstaatlichen Demokratie um die Schaffung und För<strong>de</strong>rung politischer<br />

Wahrnehmungsfähigkeit und politischen Verantwortungsbewusstseins geht, liegt Volksbildung vor. Diese muss<br />

nicht nur in theoretischer Unterweisung bestehen, sie kann auch durch <strong>de</strong>n Aufruf zu konkreter Handlung<br />

ergänzt wer<strong>de</strong>n. Keine politische Bildung ist <strong>de</strong>mgegenüber die einseitige Agitation, die unkritische<br />

Indoktrination o<strong>de</strong>r die parteipolitisch motivierte Einflussnahme (BFH-Urteil vom 23.9.1999 – XI R 63/98 –<br />

BStBl. 2000 II, S. 200).<br />

9. Die För<strong>de</strong>rung von Freizeitaktivitäten außerhalb <strong>de</strong>s Bereichs <strong>de</strong>s Sports ist nur dann als För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Allgemeinheit anzuerkennen, wenn die Freizeitaktivitäten hinsichtlich <strong>de</strong>r Merkmale, die ihre steuerrechtliche<br />

För<strong>de</strong>rung rechtfertigen, mit <strong>de</strong>n im Katalog <strong>de</strong>s § 52 Abs. 2 Nr. 23 genannten Freizeitgestaltungen i<strong>de</strong>ntisch<br />

sind. Es reicht nicht aus, dass die Freizeitgestaltung sinnvoll und einer <strong>de</strong>r in § 52 Abs. 2 Nr. 23 genannten<br />

ähnlich ist (BFH-Urteil vom 14.9.1994 – I R 153/93 – BStBl. 1995 II, S. 499). Die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Baus und<br />

Betriebs von Schiffs-, Auto-, Eisenbahn- und Drachenflugmo<strong>de</strong>llen ist i<strong>de</strong>ntisch im vorstehen<strong>de</strong>n Sinne mit <strong>de</strong>r<br />

För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Mo<strong>de</strong>llflugs, die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s CB-Funkens mit <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Amateurfunkens. Diese<br />

Zwecke sind <strong>de</strong>shalb als gemeinnützig anzuerkennen. Nicht i<strong>de</strong>ntisch im vorstehen<strong>de</strong>n Sinne mit <strong>de</strong>n in § 52<br />

Abs. 2 Nr. 23 genannten Freizeitaktivitäten und <strong>de</strong>shalb nicht als eigenständige gemeinnützige Zwecke<br />

anzuerkennen sind z. B. die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Amateurfilmens und -fotografierens, <strong>de</strong>s Kochens, von Brett- und<br />

Kartenspielen und <strong>de</strong>s Sammelns von Gegenstän<strong>de</strong>n, wie Briefmarken, Münzen und Autogrammkarten, sowie<br />

die Tätigkeit von Reise- und Touristik-, Sauna-, Geselligkeits-, Kosmetik-, und Oldtimer-Vereinen. Bei<br />

Vereinen, die das Amateurfilmen und -fotografieren för<strong>de</strong>rn, und bei Oldtimer-Vereinen kann aber eine<br />

Steuerbegünstigung wegen <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung von Kunst o<strong>de</strong>r (technischer) Kultur in Betracht kommen.<br />

10. Obst- und Gartenbauvereine för<strong>de</strong>rn i. d. R. die Pflanzenzucht im Sinne <strong>de</strong>s § 52 Abs. 2 Nr. 23. Die<br />

För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Bonsaikunst ist Pflanzenzucht, die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Aquarien- und Terrarienkun<strong>de</strong> ist Tierzucht im<br />

Sinne <strong>de</strong>r Vorschrift.<br />

11. Historische Schützenbru<strong>de</strong>rschaften können wegen <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Brauchtumspflege (vgl. Nr. 6),<br />

Freizeitwinzervereine wegen <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Heimatpflege, die Teil <strong>de</strong>r Brauchtumspflege ist, als<br />

gemeinnützig behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. Dies gilt auch für Junggesellen- und Burschenvereine, die das traditionelle<br />

Brauchtum einer bestimmten Region för<strong>de</strong>rn, z. B. durch das Setzen von Maibäumen (Maiclubs). Die beson<strong>de</strong>re<br />

Nennung <strong>de</strong>s traditionellen Brauchtums als gemeinnütziger Zweck in § 52 Abs. 2 Nr. 23 be<strong>de</strong>utet jedoch keine<br />

allgemeine Ausweitung <strong>de</strong>s Brauchtumsbegriffs i. S. <strong>de</strong>s Gemeinnützigkeitsrechts. Stu<strong>de</strong>ntische Verbindungen,<br />

z. B. Burschenschaften, ähnliche Vereinigungen, z. B. Landjugendvereine, Country- und Westernvereine und<br />

Vereine, <strong>de</strong>ren Hauptzweck die Veranstaltung von örtlichen Volksfesten (z. B. Kirmes, Kärwa, Schützenfest) ist,<br />

sind <strong>de</strong>shalb i. d. R. nach wie vor nicht gemeinnützig.<br />

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12. Bei Tier- und Pflanzenzuchtvereinen, Freizeitwinzervereinen sowie Junggesellen- o<strong>de</strong>r Burschenvereinen ist<br />

beson<strong>de</strong>rs auf die Selbstlosigkeit (§ 55) und die Ausschließlichkeit (§ 56) zu achten. Eine Körperschaft ist z. B.<br />

nicht selbstlos tätig, wenn sie in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke ihrer Mitglie<strong>de</strong>r för<strong>de</strong>rt. Sie verstößt<br />

z. B. gegen das Gebot <strong>de</strong>r Ausschließlichkeit, wenn die Durchführung von Festveranstaltungen (z. B.<br />

Winzerfest, Maiball) Satzungszweck ist. Bei <strong>de</strong>r Prüfung <strong>de</strong>r tatsächlichen Geschäftsführung von Freizeitwinzer-<br />

, Junggesellen- und Burschenvereinen ist außer<strong>de</strong>m beson<strong>de</strong>rs darauf zu achten, dass die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Geselligkeit nicht im Vor<strong>de</strong>rgrund <strong>de</strong>r Vereinstätigkeit steht.<br />

13. Soldaten- und Reservistenvereine verfolgen i. d. R. gemeinnützige Zwecke i. S. d. § 52 Abs. 2 Nr. 23, wenn<br />

sie aktive und ehemalige Wehrdienstleisten<strong>de</strong>, Zeit- und Berufssoldaten betreuen, z. B. über mit <strong>de</strong>m Soldatsein<br />

zusammenhängen<strong>de</strong> Fragen beraten, Möglichkeiten zu sinnvoller Freizeitgestaltung bieten o<strong>de</strong>r beim Übergang<br />

in das Zivilleben helfen. Die Pflege <strong>de</strong>r Tradition durch Soldaten- und Reservistenvereine ist we<strong>de</strong>r<br />

steuerbegünstigte Brauchtumspflege noch Betreuung von Soldaten und Reservisten i. S. d. § 52 Abs. 2 Nr. 23.<br />

Die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Kameradschaft kann neben einem steuerbegünstigten Zweck als Vereinszweck genannt<br />

wer<strong>de</strong>n, wenn sich aus <strong>de</strong>r Satzung ergibt, dass damit lediglich eine Verbun<strong>de</strong>nheit <strong>de</strong>r Vereinsmitglie<strong>de</strong>r<br />

angestrebt wird, die aus <strong>de</strong>r gemeinnützigen Vereinstätigkeit folgt (BFH-Urteil vom 11.3.1999 – V R 57, 58/96 –<br />

BStBl. II, S. 331).<br />

14. Einrichtungen, die mit ihrer Tätigkeit auf die Erholung arbeiten<strong>de</strong>r Menschen ausgerichtet sind (z. B. <strong>de</strong>r<br />

Betrieb von Freizeiteinrichtungen wie Campingplätze o<strong>de</strong>r Bootsverleihe), können nicht als gemeinnützig<br />

anerkannt wer<strong>de</strong>n, es sei <strong>de</strong>nn, dass das Gewähren von Erholung einem beson<strong>de</strong>rs schutzwürdigen Personenkreis<br />

(z. B. Kranken o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Jugend) zugute kommt o<strong>de</strong>r in einer bestimmten Art und Weise (z. B. auf sportlicher<br />

Grundlage) vorgenommen wird (BFH-Urteile vom 22.11.1972 – I R 21/71 – BStBl. 1973 II, S. 251, und vom<br />

30.9.1981 – III R 2/80 – BStBl. 1982 II, S. 148). Wegen Erholungsheimen wird auf § 68 Nr. 1 Buchstabe a<br />

hingewiesen.<br />

15. Politische Zwecke (Beeinflussung <strong>de</strong>r politischen Meinungsbildung, För<strong>de</strong>rung politischer Parteien u.<br />

<strong>de</strong>rgl.) zählen grundsätzlich nicht zu <strong>de</strong>n gemeinnützigen Zwecken i. S. d. § 52.<br />

Eine gewisse Beeinflussung <strong>de</strong>r politischen Meinungsbildung schließt jedoch die Gemeinnützigkeit nicht aus<br />

(BFH-Urteil vom 29.8.1984 – I R 203/81 – BStBl. II, S. 844). Eine politische Tätigkeit ist danach unschädlich<br />

für die Gemeinnützigkeit, wenn eine gemeinnützige Tätigkeit nach <strong>de</strong>n Verhältnissen im Einzelfall zwangsläufig<br />

mit einer politischen Zielsetzung verbun<strong>de</strong>n ist und die unmittelbare Einwirkung auf die politischen Parteien und<br />

die staatliche Willensbildung gegenüber <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s gemeinnützigen Zwecks weit in <strong>de</strong>n Hintergrund<br />

tritt. Eine Körperschaft för<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>shalb auch dann ausschließlich ihren steuerbegünstigten Zweck, wenn sie<br />

gelegentlich zu tagespolitischen Themen im Rahmen ihres Satzungszwecks Stellung nimmt. Entschei<strong>de</strong>nd ist,<br />

dass die Tagespolitik nicht Mittelpunkt <strong>de</strong>r Tätigkeit <strong>de</strong>r Körperschaft ist o<strong>de</strong>r wird, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Vermittlung <strong>de</strong>r<br />

steuerbegünstigten Ziele <strong>de</strong>r Körperschaft dient (BFH-Urteil vom 23.11.1988 – I R 11/88 – BStBl. 1989 II,<br />

S. 391).<br />

Dagegen ist die Gemeinnützigkeit zu versagen, wenn ein politischer Zweck als alleiniger o<strong>de</strong>r überwiegen<strong>de</strong>r<br />

Zweck in <strong>de</strong>r Satzung einer Körperschaft festgelegt ist o<strong>de</strong>r die Körperschaft tatsächlich ausschließlich o<strong>de</strong>r<br />

überwiegend einen politischen Zweck verfolgt.<br />

Zu § 53 – Mildtätige Zwecke:<br />

1. Der Begriff „mildtätige Zwecke“ umfasst auch die Unterstützung von Personen, die wegen ihres seelischen<br />

Zustands hilfsbedürftig sind. Das hat beispielsweise für die Telefonseelsorge Be<strong>de</strong>utung.<br />

2. Völlige Unentgeltlichkeit <strong>de</strong>r mildtätigen Zuwendung wird nicht verlangt. Die mildtätige Zuwendung darf<br />

nur nicht <strong>de</strong>s Entgelts wegen erfolgen.<br />

3. Eine Körperschaft, zu <strong>de</strong>ren Satzungszwecken die Unterstützung von hilfsbedürftigen Verwandten <strong>de</strong>r<br />

Mitglie<strong>de</strong>r, Gesellschafter, Genossen o<strong>de</strong>r Stifter gehört, kann nicht als steuerbegünstigt anerkannt wer<strong>de</strong>n.<br />

Bei einer <strong>de</strong>rartigen Körperschaft steht nicht die För<strong>de</strong>rung mildtätiger Zwecke, son<strong>de</strong>rn die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Verwandtschaft im Vor<strong>de</strong>rgrund. Ihre Tätigkeit ist <strong>de</strong>shalb nicht, wie es § 53 verlangt, auf die selbstlose<br />

Unterstützung hilfsbedürftiger Personen gerichtet. Dem steht bei Stiftungen § 58 Nr. 5 nicht entgegen. Diese<br />

Vorschrift ist lediglich eine Ausnahme von <strong>de</strong>m Gebot <strong>de</strong>r Selbstlosigkeit (§ 55), begrün<strong>de</strong>t aber keinen<br />

eigenständigen gemeinnützigen Zweck. Bei <strong>de</strong>r tatsächlichen Geschäftsführung ist die Unterstützung von<br />

hilfsbedürftigen Angehörigen grundsätzlich nicht schädlich für die Steuerbegünstigung. Die Verwandtschaft<br />

darf jedoch kein Kriterium für die För<strong>de</strong>rleistungen <strong>de</strong>r Körperschaft sein.<br />

4. Hilfen nach § 53 Nr. 1 (Unterstützung von Personen, die infolge ihres körperlichen, geistigen o<strong>de</strong>r seelischen<br />

Zustands auf die Hilfe an<strong>de</strong>rer angewiesen sind) dürfen ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche<br />

Unterstützungsbedürftigkeit gewährt wer<strong>de</strong>n. Bei <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r Bedürftigkeit i. S. d. § 53 Nr. 1 kommt<br />

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es nicht darauf an, dass die Hilfsbedürftigkeit dauernd o<strong>de</strong>r für längere Zeit besteht. Hilfeleistungen wie<br />

beispielsweise „Essen auf Rä<strong>de</strong>rn“ können daher steuerbegünstigt durchgeführt wer<strong>de</strong>n. Bei Personen, die<br />

das 75. Lebensjahr vollen<strong>de</strong>t haben, kann körperliche Hilfsbedürftigkeit ohne weitere Nachprüfung<br />

angenommen wer<strong>de</strong>n.<br />

5. § 53 Nr. 2 legt die Grenzen <strong>de</strong>r wirtschaftlichen Hilfsbedürftigkeit fest. Danach können ohne Verlust <strong>de</strong>r<br />

Steuerbegünstigung Personen unterstützt wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ren Bezüge das Vierfache, beim Alleinstehen<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />

Haushaltsvorstand das Fünffache <strong>de</strong>s Regelsatzes <strong>de</strong>r Sozialhilfe i. S. d. § 28 SGB XII nicht übersteigen.<br />

Etwaige Mehrbedarfszuschläge zum Regelsatz sind nicht zu berücksichtigen. Leistungen für die Unterkunft<br />

wer<strong>de</strong>n nicht geson<strong>de</strong>rt berücksichtigt. Für die Begriffe „Einkünfte“ und „Bezüge“ sind die Ausführungen in<br />

H 33a.1 und H 33a.2 (Anrechnung eigener Einkünfte und Bezüge) EStH sowie in H 32.10 (Anrechnung<br />

eigener Bezüge) EStH maßgeblich.<br />

6. Zu <strong>de</strong>n Bezügen i. S. d. § 53 Nr. 2 zählen neben <strong>de</strong>n Einkünften i. S. d. § 2 Abs. 1 EStG auch alle an<strong>de</strong>ren<br />

für die Bestreitung <strong>de</strong>s Unterhalts bestimmten o<strong>de</strong>r geeigneten Bezüge aller Haushaltsangehörigen. Hierunter<br />

fallen auch solche Einnahmen, die im Rahmen <strong>de</strong>r steuerlichen Einkunftsermittlung nicht erfasst wer<strong>de</strong>n,<br />

also sowohl nicht steuerbare als auch für steuerfrei erklärte Einnahmen (BFH-Urteil vom 2.8.1974 –<br />

VI R 148/71 – BStBl. 1975 II, S. 139).<br />

Bei <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r wirtschaftlichen Hilfsbedürftigkeit von unverheirateten min<strong>de</strong>rjährigen Schwangeren<br />

und min<strong>de</strong>rjährigen Müttern, die ihr leibliches Kind bis <strong>zur</strong> Vollendung seines 6. Lebensjahres betreuen, und<br />

die <strong>de</strong>m Haushalt ihrer Eltern o<strong>de</strong>r eines Elternteils angehören, sind die Bezüge und das Vermögen <strong>de</strong>r Eltern<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Elternteils nicht zu berücksichtigen. Bei allen Schwangeren o<strong>de</strong>r Müttern, die ihr leibliches Kind bis<br />

<strong>zur</strong> Vollendung seines 6. Lebensjahres betreuen – einschließlich <strong>de</strong>r volljährigen, verheirateten und nicht bei<br />

ihren Eltern leben<strong>de</strong>n Frauen – bleiben ihre Unterhaltsansprüche gegen Verwandte ersten Gra<strong>de</strong>s<br />

unberücksichtigt.<br />

7. Bei Renten zählt <strong>de</strong>r über <strong>de</strong>n von § 53 Nr. 2 Buchstabe a erfassten Anteil hinausgehen<strong>de</strong> Teil <strong>de</strong>r Rente zu<br />

<strong>de</strong>n Bezügen im Sinne <strong>de</strong>s § 53 Nr. 2 Buchstabe b.<br />

8. Bei <strong>de</strong>r Feststellung <strong>de</strong>r Bezüge i. S. d. § 53 Nr. 2 Buchstabe b sind aus Vereinfachungsgrün<strong>de</strong>n insgesamt<br />

180 € im Kalen<strong>de</strong>rjahr abzuziehen, wenn nicht höhere Aufwendungen, die in wirtschaftlichem<br />

Zusammenhang mit <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Einnahmen stehen, nachgewiesen o<strong>de</strong>r glaubhaft gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />

9. Als Vermögen, das <strong>zur</strong> nachhaltigen Verbesserung <strong>de</strong>s Unterhalts ausreicht und <strong>de</strong>ssen Verwendung für <strong>de</strong>n<br />

Unterhalt zugemutet wer<strong>de</strong>n kann (§ 53 Nr. 2 Satz 2), ist i. d. R. ein Vermögen mit einem gemeinen Wert<br />

(Verkehrswert) von mehr als 15 500 € anzusehen. Dabei bleiben außer Ansatz:<br />

– Vermögensgegenstän<strong>de</strong>, <strong>de</strong>ren Veräußerung offensichtlich eine Verschleu<strong>de</strong>rung be<strong>de</strong>uten wür<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r<br />

die einen beson<strong>de</strong>ren Wert, z. B. Erinnerungswert, für die unterstützte Person haben o<strong>de</strong>r zu seinem<br />

Hausrat gehören,<br />

– ein angemessenes Hausgrundstück i. S. d. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII, das die unterstützte Person allein<br />

o<strong>de</strong>r zusammen mit Angehörigen, <strong>de</strong>nen es nach <strong>de</strong>m Tod <strong>de</strong>r unterstützten Person weiter als Wohnraum<br />

dienen soll, bewohnt.<br />

Die Grenze bezieht sich auch bei einem Mehrpersonenhaushalt auf je<strong>de</strong> unterstützte Person. H 33a.1<br />

(Geringes Vermögen – „Schonvermögen“) EStH 2010 gilt entsprechend.<br />

10. Erbringt eine Körperschaft ihre Leistungen an wirtschaftlich hilfsbedürftige Personen, muss sie anhand ihrer<br />

Unterlagen nachweisen können, dass die Höhe <strong>de</strong>r Einkünfte und Bezüge sowie das Vermögen <strong>de</strong>r<br />

unterstützten Personen die Grenzen <strong>de</strong>s § 53 Nr. 2 nicht übersteigen. Eine Erklärung, in <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r<br />

unterstützten Person nur das Unterschreiten <strong>de</strong>r Grenzen <strong>de</strong>s § 53 Nr. 2 mitgeteilt wird, reicht allein nicht<br />

aus. Eine Berechnung <strong>de</strong>r maßgeblichen Einkünfte und Bezüge sowie eine Berechnung <strong>de</strong>s Vermögens sind<br />

stets beizufügen.<br />

11. Steuerbegünstigte Körperschaften, die mildtätige Zwecke nach § 53 Nr. 2 verfolgen, müssen nachweisen,<br />

dass ihre Leistungen tatsächlich an wirtschaftlich hilfsbedürftige Personen i. S. d. § 53 Nr. 2 erbracht wer<strong>de</strong>n.<br />

Der Nachweis ist nach Nr. 10 <strong>de</strong>r Regelung zu § 53 in Form einer Berechnung <strong>de</strong>r maßgeblichen Einkünfte<br />

und Bezüge sowie einer Berechnung <strong>de</strong>s Vermögens zu erbringen.<br />

Aus Vereinfachungsgrün<strong>de</strong>n kann auf diesen Nachweis dann verzichtet wer<strong>de</strong>n, wenn die<br />

Leistungsempfänger Leistungen nach <strong>de</strong>m SGB II o<strong>de</strong>r SGB XII beziehen. Bei Beantragung dieser<br />

Sozialleistungen prüft die Sozialbehör<strong>de</strong> sowohl die Vermögens- als auch die Einkommensverhältnisse <strong>de</strong>r<br />

antragstellen<strong>de</strong>n Personen. Verfügen sie über ausreichend finanzielle Mittel (Einkommen o<strong>de</strong>r<br />

einzusetzen<strong>de</strong>s Vermögen), dann wer<strong>de</strong>n die beantragten Leistungen nicht bewilligt.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 36 von 235


Es ist also ausreichend, wenn Empfänger von Leistungen nach <strong>de</strong>m SGB II o<strong>de</strong>r SGB XII ihren für <strong>de</strong>n<br />

Empfangszeitraum maßgeblichen Leistungsbescheid o<strong>de</strong>r eine Bescheinigung <strong>de</strong>s Sozialleistungsträgers über<br />

<strong>de</strong>n Leistungsbezug bei <strong>de</strong>r Körperschaft einreichen. Die Körperschaft hat eine Ablichtung <strong>de</strong>s Beschei<strong>de</strong>s<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bestätigung aufzubewahren.<br />

Zu § 54 – Kirchliche Zwecke:<br />

Ein kirchlicher Zweck liegt nur vor, wenn die Tätigkeit darauf gerichtet ist, eine Religionsgemeinschaft <strong>de</strong>s<br />

öffentlichen Rechts zu för<strong>de</strong>rn. Bei Religionsgemeinschaften, die nicht Körperschaften <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts<br />

sind, kann wegen För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Religion eine Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft in Betracht<br />

kommen.<br />

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Zu § 55 – Selbstlosigkeit:<br />

Zu § 55 Abs. 1 Nr. 1:<br />

1. Eine Körperschaft han<strong>de</strong>lt selbstlos, wenn sie we<strong>de</strong>r selbst noch zugunsten ihrer Mitglie<strong>de</strong>r<br />

eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt. Ist die Tätigkeit einer Körperschaft in erster Linie auf Mehrung<br />

ihres eigenen Vermögens gerichtet, so han<strong>de</strong>lt sie nicht selbstlos. Eine Körperschaft verfolgt z. B. in<br />

erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke, wenn sie ausschließlich durch Darlehen ihrer<br />

Gründungsmitglie<strong>de</strong>r finanziert ist und dieses Fremdkapital satzungsgemäß tilgen und verzinsen muss<br />

(BFH-Urteile vom 13.12.1978 – I R 39/78 – BStBl. 1979 II, S. 482, vom 26.4.1989 – I R 209/85 –<br />

BStBl. II, S. 670 und vom 28.6.1989 – I R 86/85 – BStBl. 1990 II, S. 550).<br />

2. Nach § 55 Abs. 1 dürfen sämtliche Mittel <strong>de</strong>r Körperschaft nur für die satzungsmäßigen Zwecke<br />

verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n (Ausnahmen siehe § 58). Auch <strong>de</strong>r Gewinn aus Zweckbetrieben und aus <strong>de</strong>m<br />

steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 64 Abs. 2) sowie <strong>de</strong>r Überschuss aus <strong>de</strong>r<br />

Vermögensverwaltung dürfen nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Dies schließt die<br />

Bildung von Rücklagen im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und im Bereich <strong>de</strong>r Vermögensverwaltung<br />

nicht aus. Die Rücklagen müssen bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wirtschaftlich begrün<strong>de</strong>t<br />

sein (entsprechend § 14 Abs. 1 Nr. 4 KStG). Für die Bildung einer Rücklage im wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetrieb muss ein konkreter Anlass gegeben sein, <strong>de</strong>r auch aus objektiver unternehmerischer<br />

Sicht die Bildung <strong>de</strong>r Rücklage rechtfertigt (z. B. eine geplante Betriebsverlegung, Werkserneuerung<br />

o<strong>de</strong>r Kapazitätsausweitung). Eine fast vollständige Zuführung <strong>de</strong>s Gewinns zu einer Rücklage im<br />

wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ist nur dann unschädlich für die Steuerbegünstigung, wenn die<br />

Körperschaft nachweist, dass die betriebliche Mittelverwendung <strong>zur</strong> Sicherung ihrer Existenz geboten<br />

war (BFH-Urteil vom 15.7.1998 – I R 156/94 – BStBl. 2002 II, S. 162). Im Bereich <strong>de</strong>r<br />

Vermögensverwaltung dürfen außerhalb <strong>de</strong>r Regelung <strong>de</strong>s § 58 Nr. 7 Rücklagen nur für die<br />

Durchführung konkreter Reparatur- o<strong>de</strong>r Erhaltungsmaßnahmen an Vermögensgegenstän<strong>de</strong>n im Sinne<br />

<strong>de</strong>s § 21 EStG gebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Die Maßnahmen, für <strong>de</strong>ren Durchführung die Rücklage gebil<strong>de</strong>t wird,<br />

müssen notwendig sein, um <strong>de</strong>n ordnungsgemäßen Zustand <strong>de</strong>s Vermögensgegenstan<strong>de</strong>s zu erhalten o<strong>de</strong>r<br />

wie<strong>de</strong>rherzustellen, und in einem angemessenen Zeitraum durchgeführt wer<strong>de</strong>n können (z. B. geplante<br />

Erneuerung eines undichten Daches).<br />

3. Es ist grundsätzlich nicht zulässig, Mittel <strong>de</strong>s i<strong>de</strong>ellen Bereichs (insbeson<strong>de</strong>re Mitgliedsbeiträge,<br />

Spen<strong>de</strong>n, Zuschüsse, Rücklagen), Gewinne aus Zweckbetrieben, Erträge aus <strong>de</strong>r Vermögensverwaltung<br />

und das entsprechen<strong>de</strong> Vermögen für einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu<br />

verwen<strong>de</strong>n, z. B. zum Ausgleich eines Verlustes. Für das Vorliegen eines Verlustes ist das Ergebnis <strong>de</strong>s<br />

einheitlichen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs (§ 64 Abs. 2) maßgeblich. Eine<br />

Verwendung von Mitteln <strong>de</strong>s i<strong>de</strong>ellen Bereichs für <strong>de</strong>n Ausgleich <strong>de</strong>s Verlustes eines einzelnen<br />

wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs liegt <strong>de</strong>shalb nicht vor, soweit <strong>de</strong>r Verlust bereits im Entstehungsjahr<br />

mit Gewinnen an<strong>de</strong>rer steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe verrechnet wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Verbleibt danach ein Verlust, ist keine Verwendung von Mitteln <strong>de</strong>s i<strong>de</strong>ellen Bereichs für <strong>de</strong>ssen<br />

Ausgleich anzunehmen, wenn <strong>de</strong>m i<strong>de</strong>ellen Bereich in <strong>de</strong>n sechs vorangegangenen Jahren Gewinne <strong>de</strong>s<br />

einheitlichen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs in min<strong>de</strong>stens gleicher Höhe zugeführt<br />

wor<strong>de</strong>n sind. Insoweit ist <strong>de</strong>r Verlustausgleich im Entstehungsjahr als Rückgabe früherer, durch das<br />

Gemeinnützigkeitsrecht vorgeschriebener Gewinnabführungen anzusehen.<br />

4. Ein nach ertragsteuerlichen Grundsätzen ermittelter Verlust eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetriebs ist unschädlich für die Steuerbegünstigung <strong>de</strong>r Körperschaft, wenn er ausschließlich<br />

durch die Berücksichtigung von anteiligen Abschreibungen auf gemischt genutzte Wirtschaftsgüter<br />

entstan<strong>de</strong>n ist und wenn die folgen<strong>de</strong>n Voraussetzungen erfüllt sind:<br />

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– Das Wirtschaftsgut wur<strong>de</strong> für <strong>de</strong>n i<strong>de</strong>ellen Bereich angeschafft o<strong>de</strong>r hergestellt und wird nur <strong>zur</strong><br />

besseren Kapazitätsauslastung und Mittelbeschaffung teil- o<strong>de</strong>r zeitweise für <strong>de</strong>n steuerpflichtigen<br />

wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb genutzt. Die Körperschaft darf nicht schon im Hinblick auf eine<br />

zeit- o<strong>de</strong>r teilweise Nutzung für <strong>de</strong>n steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ein größeres<br />

Wirtschaftsgut angeschafft o<strong>de</strong>r hergestellt haben, als es für die i<strong>de</strong>elle Tätigkeit notwendig war.<br />

– Die Körperschaft verlangt für die Leistungen <strong>de</strong>s steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs<br />

marktübliche Preise.<br />

– Der steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetrieb bil<strong>de</strong>t keinen eigenständigen Sektor eines<br />

Gebäu<strong>de</strong>s (z. B. Gaststättenbetrieb in einer Sporthalle).<br />

Diese Grundsätze gelten entsprechend für die Berücksichtigung an<strong>de</strong>rer gemischter Aufwendungen (z. B.<br />

zeitweiser Einsatz von Personal <strong>de</strong>s i<strong>de</strong>ellen Bereichs in einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetrieb) bei <strong>de</strong>r gemeinnützigkeitsrechtlichen Beurteilung von Verlusten.<br />

5. Der Ausgleich <strong>de</strong>s Verlustes eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs mit Mitteln <strong>de</strong>s<br />

i<strong>de</strong>ellen Bereichs ist außer<strong>de</strong>m unschädlich für die Steuerbegünstigung, wenn<br />

– <strong>de</strong>r Verlust auf einer Fehlkalkulation beruht,<br />

– die Körperschaft innerhalb von 12 Monaten nach En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Wirtschaftsjahres, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Verlust<br />

entstan<strong>de</strong>n ist, <strong>de</strong>m i<strong>de</strong>ellen Tätigkeitsbereich wie<strong>de</strong>r Mittel in entsprechen<strong>de</strong>r Höhe zuführt und<br />

– die zugeführten Mittel nicht aus Zweckbetrieben, aus <strong>de</strong>m Bereich <strong>de</strong>r steuerbegünstigten<br />

Vermögensverwaltung, aus Beiträgen o<strong>de</strong>r aus an<strong>de</strong>ren Zuwendungen, die <strong>zur</strong> För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

steuerbegünstigten Zwecke <strong>de</strong>r Körperschaft bestimmt sind, stammen (BFH-Urteil vom 13.11.1996 –<br />

I R 152/93 – BStBl. 1998 II, S. 711).<br />

Die Zuführungen zu <strong>de</strong>m i<strong>de</strong>ellen Bereich können <strong>de</strong>mnach aus <strong>de</strong>m Gewinn <strong>de</strong>s (einheitlichen)<br />

steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>m Jahr nach <strong>de</strong>r Entstehung <strong>de</strong>s Verlustes<br />

erzielt wird, geleistet wer<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m dürfen für <strong>de</strong>n Ausgleich <strong>de</strong>s Verlustes Umlagen und<br />

Zuschüsse, die dafür bestimmt sind, verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Derartige Zuwendungen sind jedoch keine<br />

steuerbegünstigten Spen<strong>de</strong>n.<br />

6. Eine für die Steuerbegünstigung schädliche Verwendung von Mitteln für <strong>de</strong>n Ausgleich von Verlusten<br />

<strong>de</strong>s steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs liegt auch dann nicht vor, wenn <strong>de</strong>m Betrieb die<br />

erfor<strong>de</strong>rlichen Mittel durch die Aufnahme eines betrieblichen Darlehens zugeführt wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r bereits in<br />

<strong>de</strong>m Betrieb verwen<strong>de</strong>te i<strong>de</strong>elle Mittel mittels eines Darlehens, das <strong>de</strong>m Betrieb zugeordnet wird,<br />

innerhalb <strong>de</strong>r Frist von 12 Monaten nach <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Verlustentstehungsjahres an <strong>de</strong>n i<strong>de</strong>ellen Bereich<br />

<strong>de</strong>r Körperschaft <strong>zur</strong>ückgegeben wer<strong>de</strong>n. Voraussetzung für die Unschädlichkeit ist, dass Tilgung und<br />

Zinsen für das Darlehen ausschließlich aus Mitteln <strong>de</strong>s steuerpflichtigen wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetriebs geleistet wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Belastung von Vermögen <strong>de</strong>s i<strong>de</strong>ellen Bereichs mit einer Sicherheit für ein betriebliches Darlehen<br />

(z. B. Grundschuld auf einer Sporthalle) führt grundsätzlich zu keiner an<strong>de</strong>ren Beurteilung. Die<br />

Eintragung einer Grundschuld be<strong>de</strong>utet noch keine Verwendung <strong>de</strong>s belasteten Vermögens für <strong>de</strong>n<br />

steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.<br />

7. Steuerbegünstigte Körperschaften unterhalten steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe<br />

regelmäßig nur, um dadurch zusätzliche Mittel für die Verwirklichung <strong>de</strong>r steuerbegünstigten Zwecke zu<br />

beschaffen. Es kann <strong>de</strong>shalb unterstellt wer<strong>de</strong>n, dass etwaige Verluste bei Betrieben, die schon längere<br />

Zeit bestehen, auf einer Fehlkalkulation beruhen. Bei <strong>de</strong>m Aufbau eines neuen Betriebs ist eine<br />

Verwendung von Mitteln <strong>de</strong>s i<strong>de</strong>ellen Bereichs für <strong>de</strong>n Ausgleich von Verlusten auch dann unschädlich<br />

für die Steuerbegünstigung, wenn mit Anlaufverlusten zu rechnen war. Auch in diesem Fall muss die<br />

Körperschaft aber in <strong>de</strong>r Regel innerhalb von 3 Jahren nach <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Entstehungsjahres <strong>de</strong>s<br />

Verlustes <strong>de</strong>m i<strong>de</strong>ellen Bereich wie<strong>de</strong>r Mittel, die gemeinnützigkeitsunschädlich dafür verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n<br />

dürfen, zuführen.<br />

8. Die Regelungen in Nummern 3 bis 7 gelten entsprechend für die Vermögensverwaltung.<br />

9. Mitglie<strong>de</strong>r dürfen keine Zuwendungen aus Mitteln <strong>de</strong>r Körperschaft erhalten. Dies gilt nicht, soweit es<br />

sich um Annehmlichkeiten han<strong>de</strong>lt, wie sie im Rahmen <strong>de</strong>r Betreuung von Mitglie<strong>de</strong>rn allgemein üblich<br />

und nach allgemeiner Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen sind.<br />

10. Keine Zuwendung i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 liegt vor, wenn <strong>de</strong>r Leistung <strong>de</strong>r Körperschaft eine<br />

Gegenleistung <strong>de</strong>s Empfängers gegenübersteht (z. B. bei Kauf-, Dienst- und Werkverträgen) und die<br />

Werte von Leistung und Gegenleistung nach wirtschaftlichen Grundsätzen gegeneinan<strong>de</strong>r abgewogen<br />

sind.<br />

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11. Ist einer Körperschaft zugewen<strong>de</strong>tes Vermögen mit vor <strong>de</strong>r Übertragung wirksam begrün<strong>de</strong>ten<br />

Ansprüchen (z. B. Nießbrauch, Grund- o<strong>de</strong>r Rentenschul<strong>de</strong>n, Vermächtnisse aufgrund testamentarischer<br />

Bestimmungen <strong>de</strong>s Zuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n) belastet, <strong>de</strong>ren Erfüllung durch die Körperschaft keine nach<br />

wirtschaftlichen Grundsätzen abgewogene Gegenleistung für die Übertragung <strong>de</strong>s Vermögens darstellt,<br />

min<strong>de</strong>rn die Ansprüche das übertragene Vermögen bereits im Zeitpunkt <strong>de</strong>s Übergangs. Wirtschaftlich<br />

betrachtet wird <strong>de</strong>r Körperschaft nur das nach <strong>de</strong>r Erfüllung <strong>de</strong>r Ansprüche verbleiben<strong>de</strong> Vermögen<br />

zugewen<strong>de</strong>t. Die Erfüllung <strong>de</strong>r Ansprüche aus <strong>de</strong>m zugewen<strong>de</strong>ten Vermögen ist <strong>de</strong>shalb keine<br />

Zuwendung i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1. Dies gilt auch, wenn die Körperschaft die Ansprüche aus ihrem<br />

an<strong>de</strong>ren zulässigen Vermögen einschließlich <strong>de</strong>r Rücklage nach § 58 Nr. 7 Buchstabe a erfüllt.<br />

12. Soweit die vorhan<strong>de</strong>nen flüssigen Vermögensmittel nicht für die Erfüllung <strong>de</strong>r Ansprüche ausreichen,<br />

darf die Körperschaft dafür auch Erträge verwen<strong>de</strong>n. Ihr müssen jedoch ausreichen<strong>de</strong> Mittel für die<br />

Verwirklichung ihrer steuerbegünstigten Zwecke verbleiben. Diese Voraussetzung ist als erfüllt<br />

anzusehen, wenn für die Erfüllung <strong>de</strong>r Verbindlichkeiten höchstens ein Drittel <strong>de</strong>s Einkommens <strong>de</strong>r<br />

Körperschaft verwen<strong>de</strong>t wird. Die Ein-Drittel-Grenze umfasst bei Rentenverpflichtungen nicht nur die<br />

über <strong>de</strong>n Barwert hinausgehen<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn die gesamten Zahlungen. Sie bezieht sich auf <strong>de</strong>n<br />

Veranlagungszeitraum.<br />

13. § 58 Nr. 5 enthält eine Ausnahmeregelung zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 für Stiftungen. Diese ist nur anzuwen<strong>de</strong>n,<br />

wenn eine Stiftung Leistungen erbringt, die <strong>de</strong>m Grun<strong>de</strong> nach gegen § 55 Abs. 1 Nr. 1 verstoßen, also<br />

z. B. freiwillige Zuwendungen an <strong>de</strong>n in § 58 Nr. 5 genannten Personenkreis leistet o<strong>de</strong>r für die Erfüllung<br />

von Ansprüchen dieses Personenkreises aus <strong>de</strong>r Übertragung von Vermögen nicht das belastete o<strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>res zulässiges Vermögen, son<strong>de</strong>rn Erträge einsetzt. Im Unterschied zu an<strong>de</strong>ren Körperschaften kann<br />

eine Stiftung unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 58 Nr. 5 auch dann einen Teil ihres Einkommens für die<br />

Erfüllung solcher Ansprüche verwen<strong>de</strong>n, wenn ihr dafür ausreichen<strong>de</strong> flüssige Vermögensmittel <strong>zur</strong><br />

Verfügung stehen. Der Grundsatz, dass <strong>de</strong>r wesentliche Teil <strong>de</strong>s Einkommens für die Verwirklichung <strong>de</strong>r<br />

steuerbegünstigten Zwecke verbleiben muss, gilt aber auch für Stiftungen. Daraus folgt, dass eine<br />

Stiftung insgesamt höchstens ein Drittel ihres Einkommens für unter § 58 Nr. 5 fallen<strong>de</strong> Leistungen und<br />

für die Erfüllung von an<strong>de</strong>ren durch die Übertragung von belastetem Vermögen begrün<strong>de</strong>ten Ansprüchen<br />

verwen<strong>de</strong>n darf.<br />

14. Die Vergabe von Darlehen aus Mitteln, die zeitnah für die steuerbegünstigten Zwecke zu verwen<strong>de</strong>n<br />

sind, ist unschädlich für die Gemeinnützigkeit, wenn die Körperschaft damit selbst unmittelbar ihre<br />

steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwirklicht. Dies kann z. B. <strong>de</strong>r Fall sein, wenn die<br />

Körperschaft im Rahmen ihrer jeweiligen steuerbegünstigten Zwecke Darlehen im Zusammenhang mit<br />

einer Schuldnerberatung <strong>zur</strong> Ablösung von Bankschul<strong>de</strong>n, Darlehen an Nachwuchskünstler für die<br />

Anschaffung von Instrumenten o<strong>de</strong>r Stipendien für eine wissenschaftliche Ausbildung teilweise als<br />

Darlehen vergibt. Voraussetzung ist, dass sich die Darlehensvergabe von einer gewerbsmäßigen<br />

Kreditvergabe dadurch unterschei<strong>de</strong>t, dass sie zu günstigeren Bedingungen erfolgt als zu <strong>de</strong>n allgemeinen<br />

Bedingungen am Kapitalmarkt (z. B. Zinslosigkeit, Zinsverbilligung).<br />

Die Vergabe von Darlehen aus zeitnah für die steuerbegünstigten Zwecke zu verwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Mitteln an<br />

an<strong>de</strong>re steuerbegünstigte Körperschaften ist im Rahmen <strong>de</strong>s § 58 Nrn. 1 und 2 zulässig (mittelbare<br />

Zweckverwirklichung), wenn die an<strong>de</strong>re Körperschaft die darlehensweise erhaltenen Mittel unmittelbar<br />

für steuerbegünstigte Zwecke innerhalb <strong>de</strong>r für eine zeitnahe Mittelverwendung vorgeschriebenen Frist<br />

verwen<strong>de</strong>t.<br />

Darlehen, die <strong>zur</strong> unmittelbaren Verwirklichung <strong>de</strong>r steuerbegünstigten Zwecke vergeben wer<strong>de</strong>n, sind<br />

im Rechnungswesen entsprechend kenntlich zu machen. Es muss sichergestellt und für die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> nachprüfbar sein, dass die Rückflüsse, d. h. Tilgung und Zinsen, wie<strong>de</strong>r zeitnah für die<br />

steuerbegünstigten Zwecke verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />

15. Aus Mitteln, die nicht <strong>de</strong>m Gebot <strong>de</strong>r zeitnahen Mittelverwendung unterliegen (Vermögen einschließlich<br />

<strong>de</strong>r zulässigen Zuführungen und <strong>de</strong>r zulässig gebil<strong>de</strong>ten Rücklagen), darf die Körperschaft Darlehen nach<br />

folgen<strong>de</strong>r Maßgabe vergeben:<br />

Die Zinsen müssen sich in <strong>de</strong>m auf <strong>de</strong>m Kapitalmarkt üblichen Rahmen halten, es sei <strong>de</strong>nn, <strong>de</strong>r Verzicht<br />

auf die üblichen Zinsen ist eine nach <strong>de</strong>n Vorschriften <strong>de</strong>s Gemeinnützigkeitsrechts und <strong>de</strong>r Satzung <strong>de</strong>r<br />

Körperschaft zulässige Zuwendung (z. B. Darlehen an eine ebenfalls steuerbegünstigte<br />

Mitgliedsorganisation o<strong>de</strong>r eine hilfsbedürftige Person). Bei Darlehen an Arbeitnehmer aus <strong>de</strong>m<br />

Vermögen kann <strong>de</strong>r (teilweise) Verzicht auf eine übliche Verzinsung als Bestandteil <strong>de</strong>s Arbeitslohns<br />

angesehen wer<strong>de</strong>n, wenn dieser insgesamt, also einschließlich <strong>de</strong>s Zinsvorteils, angemessen ist und <strong>de</strong>r<br />

Zinsverzicht auch von <strong>de</strong>r Körperschaft als Arbeitslohn behan<strong>de</strong>lt wird (z. B. Abführung von Lohnsteuer<br />

und Sozialversicherungsbeiträgen).<br />

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Maßnahmen, für die eine Rücklage nach § 58 Nr. 6 gebil<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n ist, dürfen sich durch die Gewährung<br />

von Darlehen nicht verzögern.<br />

16. Die Vergabe von Darlehen ist als solche kein steuerbegünstigter Zweck. Sie darf <strong>de</strong>shalb nicht<br />

Satzungszweck einer steuerbegünstigten Körperschaft sein. Es ist jedoch unschädlich für die<br />

Steuerbegünstigung, wenn die Vergabe von zinsgünstigen o<strong>de</strong>r zinslosen Darlehen nicht als Zweck,<br />

son<strong>de</strong>rn als Mittel <strong>zur</strong> Verwirklichung <strong>de</strong>s steuerbegünstigten Zwecks in <strong>de</strong>r Satzung <strong>de</strong>r Körperschaft<br />

aufgeführt ist.<br />

17. Eine Körperschaft kann nicht als steuerbegünstigt behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n, wenn ihre Ausgaben für die<br />

allgemeine Verwaltung einschließlich <strong>de</strong>r Werbung um Spen<strong>de</strong>n einen angemessenen Rahmen<br />

übersteigen (§ 55 Abs. 1 Nrn. 1 und 3). Dieser Rahmen ist in je<strong>de</strong>m Fall überschritten, wenn eine<br />

Körperschaft, die sich weitgehend durch Geldspen<strong>de</strong>n finanziert, diese – nach einer Aufbauphase –<br />

überwiegend <strong>zur</strong> Bestreitung von Ausgaben für Verwaltung und Spen<strong>de</strong>nwerbung statt für die<br />

Verwirklichung <strong>de</strong>r steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwen<strong>de</strong>t (BFH-Beschluss vom<br />

23.9.1998 – I B 82/98 – BStBl. 2000 II, S. 320). Die Verwaltungsausgaben einschließlich<br />

Spen<strong>de</strong>nwerbung sind bei <strong>de</strong>r Ermittlung <strong>de</strong>r Anteile ins Verhältnis zu <strong>de</strong>n gesamten vereinnahmten<br />

Mitteln (Spen<strong>de</strong>n, Mitgliedsbeiträge, Zuschüsse, Gewinne aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben usw.)<br />

zu setzen.<br />

Für die Frage <strong>de</strong>r Angemessenheit <strong>de</strong>r Verwaltungsausgaben kommt es entschei<strong>de</strong>nd auf die Umstän<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>s jeweiligen Einzelfalls an. Eine für die Steuerbegünstigung schädliche Mittelverwendung kann<br />

<strong>de</strong>shalb auch schon dann vorliegen, wenn <strong>de</strong>r prozentuale Anteil <strong>de</strong>r Verwaltungsausgaben einschließlich<br />

<strong>de</strong>r Spen<strong>de</strong>nwerbung <strong>de</strong>utlich geringer als 50 v. H. ist.<br />

18. Während <strong>de</strong>r Gründungs- o<strong>de</strong>r Aufbauphase einer Körperschaft kann auch eine überwiegen<strong>de</strong><br />

Verwendung <strong>de</strong>r Mittel für Verwaltungsausgaben und Spen<strong>de</strong>nwerbung unschädlich für die<br />

Steuerbegünstigung sein. Die Dauer <strong>de</strong>r Gründungs- o<strong>de</strong>r Aufbauphase, während <strong>de</strong>r dies möglich ist,<br />

hängt von <strong>de</strong>n Verhältnissen <strong>de</strong>s Einzelfalls ab.<br />

Der in <strong>de</strong>m BFH-Beschluss vom 23.9.1998 – I B 82/98 – BStBl. 2000 II, S. 320 zugestan<strong>de</strong>ne Zeitraum<br />

von 4 Jahren für die Aufbauphase, in <strong>de</strong>r höhere anteilige Ausgaben für Verwaltung und<br />

Spen<strong>de</strong>nwerbung zulässig sind, ist durch die Beson<strong>de</strong>rheiten <strong>de</strong>s entschie<strong>de</strong>nen Falles begrün<strong>de</strong>t<br />

(insbeson<strong>de</strong>re 2. Aufbauphase nach Aberkennung <strong>de</strong>r Steuerbegünstigung). Er ist <strong>de</strong>shalb als Obergrenze<br />

zu verstehen. I. d. R. ist von einer kürzeren Aufbauphase auszugehen.<br />

19. Die Steuerbegünstigung ist auch dann zu versagen, wenn das Verhältnis <strong>de</strong>r Verwaltungsausgaben zu <strong>de</strong>n<br />

Ausgaben für die steuerbegünstigten Zwecke zwar insgesamt nicht zu beanstan<strong>de</strong>n, eine einzelne<br />

Verwaltungsausgabe (z. B. das Gehalt <strong>de</strong>s Geschäftsführers o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Aufwand für die Mitglie<strong>de</strong>r- und<br />

Spen<strong>de</strong>nwerbung) aber nicht angemessen ist (§ 55 Abs. 1 Nr. 3).<br />

20. Bei <strong>de</strong>n Kosten für die Beschäftigung eines Geschäftsführers han<strong>de</strong>lt es sich grundsätzlich um<br />

Verwaltungsausgaben. Eine Zuordnung dieser Kosten zu <strong>de</strong>r steuerbegünstigten Tätigkeit ist nur insoweit<br />

möglich, als <strong>de</strong>r Geschäftsführer unmittelbar bei steuerbegünstigten Projekten mitarbeitet.<br />

Entsprechen<strong>de</strong>s gilt für die Zuordnung von Reisekosten.<br />

21. Eine Unternehmergesellschaft i. S. d. § 5a Abs. 1 GmbHG i. d. F. <strong>de</strong>s Gesetzes <strong>zur</strong> Mo<strong>de</strong>rnisierung <strong>de</strong>s<br />

GmbH-Rechts und <strong>zur</strong> Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 (BGBl. I, S. 2026) ist<br />

nach § 5a Abs. 3 GmbHG i. d. F. <strong>de</strong>s MoMiG gesetzlich verpflichtet, von ihrem um einen Verlustvortrag<br />

aus <strong>de</strong>m Vorjahr gemin<strong>de</strong>rten Jahresüberschuss bis zum Erreichen <strong>de</strong>s Stammkapitals von 25 000 €<br />

min<strong>de</strong>stens 25 % in eine gesetzliche Rücklage einzustellen. Mit <strong>de</strong>r Bildung dieser Rücklage verstößt die<br />

Unternehmergesellschaft grundsätzlich nicht gegen das Gebot <strong>de</strong>r zeitnahen Mittelverwendung.<br />

Zu § 55 Abs. 1 Nrn. 2 und 4:<br />

22. Die in § 55 Abs. 1 Nrn. 2 und 4 genannten Sacheinlagen sind Einlagen i. S. d. Han<strong>de</strong>lsrechts, für die <strong>de</strong>m<br />

Mitglied Gesellschaftsrechte eingeräumt wor<strong>de</strong>n sind. Insoweit sind also nur Kapitalgesellschaften, nicht<br />

aber Vereine angesprochen. Unentgeltlich <strong>zur</strong> Verfügung gestellte Vermögensgegenstän<strong>de</strong>, für die keine<br />

Gesellschaftsrechte eingeräumt sind (Leihgaben, Sachspen<strong>de</strong>n) fallen nicht unter § 55 Abs. 1 Nrn. 2<br />

und 4. Soweit Kapitalanteile und Sacheinlagen von <strong>de</strong>r Vermögensbindung ausgenommen wer<strong>de</strong>n, kann<br />

von <strong>de</strong>m Gesellschafter nicht die Spen<strong>de</strong>nbegünstigung <strong>de</strong>s § 10b EStG (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG) in<br />

Anspruch genommen wer<strong>de</strong>n. Eingezahlte Kapitalanteile i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 2 und 4 liegen nicht vor,<br />

soweit für die Kapitalerhöhung Gesellschaftsmittel verwen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n (z. B. nach § 57c GmbHG).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 40 von 235


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Zu § 55 Abs. 1 Nr. 3:<br />

23. Bei Vorstandsmitglie<strong>de</strong>rn von Vereinen sind Tätigkeitsvergütungen gemeinnützigkeitsrechtlich nur zulässig,<br />

wenn eine entsprechen<strong>de</strong> Satzungsregelung besteht. Zu Einzelheiten bei Zahlungen an <strong>de</strong>n Vorstand<br />

steuerbegünstigter Vereine siehe BMF-Schreiben vom 14.10.2009 – IV C 4 – S 2121/07/0010 – BStBl. I,<br />

S. 1318.<br />

Diese Regelung gilt für Stiftungen entsprechend.<br />

Zu § 55 Abs. 1 Nr. 4:<br />

24. Eine wesentliche Voraussetzung für die Annahme <strong>de</strong>r Selbstlosigkeit bil<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Grundsatz <strong>de</strong>r<br />

Vermögensbindung für steuerbegünstigte Zwecke im Falle <strong>de</strong>r Beendigung <strong>de</strong>s Bestehens <strong>de</strong>r<br />

Körperschaft o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Wegfalles <strong>de</strong>s bisherigen Zwecks (§ 55 Abs. 1 Nr. 4).<br />

Hiermit soll verhin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, dass Vermögen, das sich aufgrund <strong>de</strong>r Steuervergünstigungen gebil<strong>de</strong>t<br />

hat, später zu nicht begünstigten Zwecken verwen<strong>de</strong>t wird. Die satzungsmäßigen Anfor<strong>de</strong>rungen an die<br />

Vermögensbindung sind in § 61 geregelt.<br />

25. Eine Körperschaft ist nur dann steuerbegünstigt i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2, wenn sie nach § 5 Abs. 1<br />

Nr. 9 KStG von <strong>de</strong>r Körperschaftsteuer befreit ist. Als Empfänger <strong>de</strong>s Vermögens <strong>de</strong>r Körperschaft<br />

kommen neben inländischen Körperschaften auch die in § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG aufgeführten<br />

Körperschaften in Betracht.<br />

Zu § 55 Abs. 1 Nr. 5:<br />

26. Die Körperschaft muss ihre Mittel grundsätzlich zeitnah für ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen<br />

Zwecke verwen<strong>de</strong>n. Verwendung in diesem Sinne ist auch die Verwendung <strong>de</strong>r Mittel für die<br />

Anschaffung o<strong>de</strong>r Herstellung von Vermögensgegenstän<strong>de</strong>n, die satzungsmäßigen Zwecken dienen (z. B.<br />

Bau eines Altenheims, Kauf von Sportgeräten o<strong>de</strong>r medizinischen Geräten).<br />

Die Bildung von Rücklagen ist nur unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 58 Nrn. 6 und 7 zulässig. Davon<br />

unberührt bleiben Rücklagen in einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und Rücklagen<br />

im Bereich <strong>de</strong>r Vermögensverwaltung (vgl. Nr. 3). Die Verwendung von Mitteln, die zeitnah für die<br />

steuerbegünstigten Zwecke zu verwen<strong>de</strong>n sind, für die Ausstattung einer Körperschaft mit Vermögen ist<br />

ein Verstoß gegen das Gebot <strong>de</strong>r zeitnahen Mittelverwendung, es sei <strong>de</strong>nn, die Mittel wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r<br />

empfangen<strong>de</strong>n Körperschaft zeitnah für satzungsmäßige Zwecke verwen<strong>de</strong>t, z. B. für die Errichtung<br />

eines Altenheims.<br />

27. Eine zeitnahe Mittelverwendung ist gegeben, wenn die Mittel spätestens in <strong>de</strong>m auf <strong>de</strong>n Zufluss<br />

folgen<strong>de</strong>n Kalen<strong>de</strong>r- o<strong>de</strong>r Wirtschaftsjahr für die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwen<strong>de</strong>t<br />

wer<strong>de</strong>n. Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Kalen<strong>de</strong>r- o<strong>de</strong>r Wirtschaftsjahres noch vorhan<strong>de</strong>ne Mittel müssen in <strong>de</strong>r Bilanz<br />

o<strong>de</strong>r Vermögensaufstellung <strong>de</strong>r Körperschaft zulässigerweise <strong>de</strong>m Vermögen o<strong>de</strong>r einer zulässigen<br />

Rücklage zugeordnet o<strong>de</strong>r als im <strong>zur</strong>ückliegen<strong>de</strong>n Jahr zugeflossene Mittel, die im folgen<strong>de</strong>n Jahr für die<br />

steuerbegünstigten Zwecke zu verwen<strong>de</strong>n sind, ausgewiesen sein. Soweit Mittel nicht schon im Jahr <strong>de</strong>s<br />

Zuflusses für die steuerbegünstigten Zwecke verwen<strong>de</strong>t o<strong>de</strong>r zulässigerweise <strong>de</strong>m Vermögen zugeführt<br />

wer<strong>de</strong>n, ist ihre zeitnahe Verwendung nachzuweisen, zweckmäßigerweise durch eine Nebenrechnung<br />

(Mittelverwendungsrechnung).<br />

28. Nicht <strong>de</strong>m Gebot <strong>de</strong>r zeitnahen Mittelverwendung unterliegt das Vermögen <strong>de</strong>r Körperschaften, auch<br />

soweit es durch Umschichtungen innerhalb <strong>de</strong>s Bereichs <strong>de</strong>r Vermögensverwaltung entstan<strong>de</strong>n ist (z. B.<br />

Verkauf eines zum Vermögen gehören<strong>de</strong>n Grundstücks einschließlich <strong>de</strong>s <strong>de</strong>n Buchwert übersteigen<strong>de</strong>n<br />

Teils <strong>de</strong>s Preises). Außer<strong>de</strong>m kann eine Körperschaft die in § 58 Nrn. 11 und 12 bezeichneten Mittel<br />

ohne für die Gemeinnützigkeit schädliche Folgen ihrem Vermögen zuführen.<br />

Zu § 55 Abs. 2:<br />

29. Wertsteigerungen bleiben für steuerbegünstigte Zwecke gebun<strong>de</strong>n. Bei <strong>de</strong>r Rückgabe <strong>de</strong>s Wirtschaftsguts<br />

selbst hat <strong>de</strong>r Empfänger die Differenz in Geld auszugleichen.<br />

Zu § 55 Abs. 3:<br />

30. Die Regelung, nach <strong>de</strong>r sich die Vermögensbindung nicht auf die eingezahlten Kapitalanteile <strong>de</strong>r<br />

Mitglie<strong>de</strong>r und <strong>de</strong>n gemeinen Wert <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>rn geleisteten Sacheinlagen erstreckt, gilt bei<br />

Stiftungen für die Stifter und ihre Erben sinngemäß (§ 55 Abs. 3 erster Halbsatz). Es ist also zulässig, das<br />

Stiftungskapital und die Zustiftungen von <strong>de</strong>r Vermögensbindung auszunehmen und im Falle <strong>de</strong>s<br />

Erlöschens <strong>de</strong>r Stiftung an <strong>de</strong>n Stifter o<strong>de</strong>r seine Erben <strong>zur</strong>ückfallen zu lassen. Für solche Stiftungen und<br />

Zustiftungen kann aber vom Stifter nicht die Spen<strong>de</strong>nvergünstigung nach § 10b EStG (§ 9 Abs. 1 Nr. 2<br />

KStG) in Anspruch genommen wer<strong>de</strong>n.<br />

31. Die Vorschrift <strong>de</strong>s § 55 Abs. 3 zweiter Halbsatz, die sich nur auf Stiftungen und Körperschaften <strong>de</strong>s<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 41 von 235


öffentlichen Rechts bezieht, berücksichtigt die Regelung im EStG, wonach die Entnahme eines<br />

Wirtschaftsgutes mit <strong>de</strong>m Buchwert angesetzt wer<strong>de</strong>n kann, wenn das Wirtschaftsgut <strong>de</strong>n in § 6 Abs. 1<br />

Nr. 4 Satz 4 EStG genannten Körperschaften unentgeltlich überlassen wird. Dies hat <strong>zur</strong> Folge, dass <strong>de</strong>r<br />

Zuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>r Stiftung nicht <strong>de</strong>n gemeinen Wert <strong>de</strong>r Zuwendung, son<strong>de</strong>rn nur <strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>m ursprünglichen Buchwert entsprechen<strong>de</strong>n Betrag <strong>zur</strong>ückerhält. Stille Reserven und<br />

Wertsteigerungen bleiben hiernach für steuerbegünstigte Zwecke gebun<strong>de</strong>n. Bei Rückgabe <strong>de</strong>s<br />

Wirtschaftsgutes selbst hat <strong>de</strong>r Empfänger die Differenz in Geld auszugleichen.<br />

Zu § 56 – Ausschließlichkeit:<br />

1. Das Ausschließlichkeitsgebot <strong>de</strong>s § 56 besagt, dass eine Körperschaft nicht steuerbegünstigt ist, wenn sie<br />

neben ihrer steuerbegünstigten Zielsetzung weitere Zwecke verfolgt und diese Zwecke nicht steuerbegünstigt<br />

sind. Im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Vermögensverwaltung und wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben, die Nicht-<br />

Zweckbetriebe sind, folgt daraus, dass <strong>de</strong>ren Unterhaltung <strong>de</strong>r Steuerbegünstigung einer Körperschaft<br />

entgegensteht, wenn sie in <strong>de</strong>r Gesamtschau zum Selbstzweck wird und in diesem Sinne neben die<br />

Verfolgung <strong>de</strong>s steuerbegünstigten Zwecks <strong>de</strong>r Körperschaft tritt. Die Vermögensverwaltung sowie die<br />

Unterhaltung eines Nicht-Zweckbetriebs sind aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>s Gemeinnützigkeitsrechts nur dann<br />

unschädlich, wenn sie um <strong>de</strong>s steuerbegünstigten Zwecks willen erfolgen, in<strong>de</strong>m sie z. B. <strong>de</strong>r Beschaffung<br />

von Mitteln <strong>zur</strong> Erfüllung <strong>de</strong>r steuerbegünstigten Aufgabe dienen. Ist die Vermögensverwaltung bzw. <strong>de</strong>r<br />

wirtschaftliche Geschäftsbetrieb dagegen nicht <strong>de</strong>m steuerbegünstigten Zweck untergeordnet, son<strong>de</strong>rn ein<br />

davon losgelöster Zweck o<strong>de</strong>r gar Hauptzweck <strong>de</strong>r Betätigung <strong>de</strong>r Körperschaft, so scheitert <strong>de</strong>ren<br />

Steuerbegünstigung an § 56. In einem solchen Fall kann die Betätigung <strong>de</strong>r Körperschaft nicht in einen<br />

steuerfreien und in einen steuerpflichtigen Teil aufgeteilt wer<strong>de</strong>n; vielmehr ist dann die Körperschaft<br />

insgesamt als steuerpflichtig zu behan<strong>de</strong>ln. Bei steuerbegünstigten Körperschaften, insbeson<strong>de</strong>re<br />

Mittelbeschaffungskörperschaften, die sich im Rahmen ihrer tatsächlichen Geschäftsführung an die in ihrer<br />

Satzung enthaltene Pflicht <strong>zur</strong> Verwendung sämtlicher Mittel für die satzungsmäßigen Zwecke halten, ist das<br />

Ausschließlichkeitsgebot selbst dann als erfüllt anzusehen, wenn sie sich vollständig aus Mitteln eines<br />

steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs o<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r Vermögensverwaltung finanzieren. Auf das<br />

BFH-Urteil vom 4.4.2007 – I R 76/05 – BStBl. II, S. 63, wird hingewiesen.<br />

2. Eine Körperschaft darf mehrere steuerbegünstigte Zwecke nebeneinan<strong>de</strong>r verfolgen, ohne dass dadurch die<br />

Ausschließlichkeit verletzt wird. Die verwirklichten steuerbegünstigten Zwecke müssen jedoch sämtlich<br />

satzungsmäßige Zwecke sein. Will <strong>de</strong>mnach eine Körperschaft steuerbegünstigte Zwecke, die nicht in die<br />

Satzung aufgenommen sind, för<strong>de</strong>rn, so ist eine Satzungsän<strong>de</strong>rung erfor<strong>de</strong>rlich, die <strong>de</strong>n Erfor<strong>de</strong>rnissen <strong>de</strong>s<br />

§ 60 entsprechen muss.<br />

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Zu § 57 – Unmittelbarkeit:<br />

1. Die Vorschrift stellt in Absatz 1 klar, dass die Körperschaft die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke<br />

selbst verwirklichen muss, damit Unmittelbarkeit gegeben ist (wegen <strong>de</strong>r Ausnahmen Hinweis auf § 58).<br />

2. Das Gebot <strong>de</strong>r Unmittelbarkeit ist gemäß § 57 Abs. 1 Satz 2 auch dann erfüllt, wenn sich die<br />

steuerbegünstigte Körperschaft einer Hilfsperson bedient. Hierfür ist es erfor<strong>de</strong>rlich, dass nach <strong>de</strong>n<br />

Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Falles, insbeson<strong>de</strong>re nach <strong>de</strong>n rechtlichen und tatsächlichen Beziehungen, die zwischen <strong>de</strong>r<br />

Körperschaft und <strong>de</strong>r Hilfsperson bestehen, das Wirken <strong>de</strong>r Hilfsperson wie eigenes Wirken <strong>de</strong>r<br />

Körperschaft anzusehen ist, d. h. die Hilfsperson nach <strong>de</strong>n Weisungen <strong>de</strong>r Körperschaft einen konkreten<br />

Auftrag ausführt. Hilfsperson kann eine natürliche Person, Personenvereinigung o<strong>de</strong>r juristische Person sein.<br />

Die Körperschaft hat durch Vorlage entsprechen<strong>de</strong>r Vereinbarungen nachzuweisen, dass sie <strong>de</strong>n Inhalt und<br />

<strong>de</strong>n Umfang <strong>de</strong>r Tätigkeit <strong>de</strong>r Hilfsperson im Innenverhältnis bestimmen kann. Die Tätigkeit <strong>de</strong>r Hilfsperson<br />

muss <strong>de</strong>n Satzungsbestimmungen <strong>de</strong>r Körperschaft entsprechen. Diese hat nachzuweisen, dass sie die<br />

Hilfsperson überwacht. Die weisungsgemäße Verwendung <strong>de</strong>r Mittel ist von ihr sicherzustellen.<br />

Die Steuerbegünstigung einer Körperschaft, die nur über eine Hilfsperson das Merkmal <strong>de</strong>r Unmittelbarkeit<br />

erfüllt (§ 57 Abs. 1 Satz 2), ist unabhängig davon zu gewähren, wie die Hilfsperson<br />

gemeinnützigkeitsrechtlich behan<strong>de</strong>lt wird.<br />

Die Steuerbegünstigung einer Hilfsperson ist nicht ausgeschlossen, wenn die Körperschaft mit ihrer<br />

Hilfspersonentätigkeit nicht nur die steuerbegünstigte Tätigkeit einer an<strong>de</strong>ren Körperschaft unterstützt,<br />

son<strong>de</strong>rn zugleich eigene steuerbegünstigte Satzungszwecke verfolgt. Keine Hilfspersonentätigkeit, son<strong>de</strong>rn<br />

eine eigene unmittelbare Tätigkeit liegt auch dann vor, wenn <strong>de</strong>r auftraggeben<strong>de</strong>n Person dadurch nicht nach<br />

§ 57 Abs. 1 Satz 2 die Gemeinnützigkeit vermittelt wird, z. B. Tätigkeiten im Auftrag von juristischen<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 42 von 235


Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts (Hoheitsbereich), voll steuerpflichtigen Körperschaften o<strong>de</strong>r natürlichen<br />

Personen. Ein Han<strong>de</strong>ln als Hilfsperson nach § 57 Abs. 1 Satz 2 begrün<strong>de</strong>t keine eigene steuerbegünstigte<br />

Tätigkeit (BFH-Urteil vom 7.3.2007 – I R 90/04 – BStBl. II S. 628).<br />

3. Ein Zusammenschluss i. S. d. § 57 Abs. 2 AO ist gegeben, wenn die Einrichtung ausschließlich allgemeine,<br />

aus <strong>de</strong>r Tätigkeit und Aufgabenstellung <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>rkörperschaften erwachsene Interessen wahrnimmt.<br />

Nach Absatz 2 wird eine Körperschaft, in <strong>de</strong>r steuerbegünstigte Körperschaften zusammengefasst sind, einer<br />

Körperschaft gleichgestellt, die unmittelbar steuerbegünstigte Zwecke verfolgt. Voraussetzung ist, dass je<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r zusammengefassten Körperschaften sämtliche Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung erfüllt.<br />

Verfolgt eine solche Körperschaft selbst unmittelbar steuerbegünstigte Zwecke, ist die bloße Mitgliedschaft<br />

einer nicht steuerbegünstigten Organisation für die Steuerbegünstigung unschädlich. Die Körperschaft darf<br />

die nicht steuerbegünstigte Organisation aber nicht mit Rat und Tat för<strong>de</strong>rn (z. B. Zuweisung von Mitteln,<br />

Rechtsberatung).<br />

Zu § 58 – Steuerlich unschädliche Beschäftigungen:<br />

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Zu § 58 Nr. 1:<br />

1. Diese Ausnahmeregelung ermöglicht es, Körperschaften als begünstigt anzuerkennen, die an<strong>de</strong>re<br />

Körperschaften för<strong>de</strong>rn und dafür Spen<strong>de</strong>n sammeln o<strong>de</strong>r auf an<strong>de</strong>re Art Mittel beschaffen<br />

(Mittelbeschaffungskörperschaften). Die Beschaffung von Mitteln muss als Satzungszweck festgelegt<br />

sein. Ein steuerbegünstigter Zweck, für <strong>de</strong>n Mittel beschafft wer<strong>de</strong>n sollen, muss in <strong>de</strong>r Satzung<br />

angegeben sein. Es ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich, die Körperschaften, für die Mittel beschafft wer<strong>de</strong>n sollen, in<br />

<strong>de</strong>r Satzung aufzuführen. Die Körperschaft, für die Mittel beschafft wer<strong>de</strong>n, muss nur dann selbst<br />

steuerbegünstigt sein, wenn sie eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft <strong>de</strong>s privaten Rechts ist.<br />

Wer<strong>de</strong>n Mittel für nicht unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften beschafft, muss die Verwendung<br />

<strong>de</strong>r Mittel für die steuerbegünstigten Zwecke ausreichend nachgewiesen wer<strong>de</strong>n.<br />

Zu § 58 Nr. 2:<br />

2. Die teilweise (nicht überwiegen<strong>de</strong>) Weitergabe eigener Mittel (auch Sachmittel) ist unschädlich. Als<br />

Mittelempfänger kommen in Betracht:<br />

– inländische steuerbegünstigte Körperschaften,<br />

– die in § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG aufgeführten Körperschaften,<br />

– juristische Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts.<br />

Ausschüttungen und sonstige Zuwendungen einer steuerbegünstigten Körperschaft sind unschädlich,<br />

wenn die Gesellschafter o<strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r als Begünstigte ausschließlich steuerbegünstigte Körperschaften<br />

sind. Entsprechen<strong>de</strong>s gilt für Ausschüttungen und sonstige Zuwendungen an juristische Personen <strong>de</strong>s<br />

öffentlichen Rechts, die die Mittel für steuerbegünstigte Zwecke verwen<strong>de</strong>n.<br />

Zu § 58 Nr. 3:<br />

3. Eine steuerlich unschädliche Betätigung liegt auch dann vor, wenn nicht nur Arbeitskräfte, son<strong>de</strong>rn<br />

zugleich Arbeitsmittel (z. B. Krankenwagen) <strong>zur</strong> Verfügung gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

Zu § 58 Nr. 4:<br />

4. Zu <strong>de</strong>n „Räumen“ i. S. d. Nr. 4 gehören beispielsweise auch Sportstätten, Sportanlagen und Freibä<strong>de</strong>r.<br />

Zu § 58 Nr. 5:<br />

5. Eine Stiftung darf einen Teil ihres Einkommens – höchstens ein Drittel – dazu verwen<strong>de</strong>n, die Gräber <strong>de</strong>s<br />

Stifters und seiner nächsten Angehörigen zu pflegen und <strong>de</strong>ren An<strong>de</strong>nken zu ehren. In diesem Rahmen<br />

ist auch gestattet, <strong>de</strong>m Stifter und seinen nächsten Angehörigen Unterhalt zu gewähren.<br />

Unter Einkommen ist die Summe <strong>de</strong>r Einkünfte aus <strong>de</strong>n einzelnen Einkunftsarten <strong>de</strong>s § 2 Abs. 1 EStG zu<br />

verstehen, unabhängig davon, ob die Einkünfte steuerpflichtig sind o<strong>de</strong>r nicht. Positive und negative<br />

Einkünfte sind zu saldieren. Die Verlustverrechnungsbeschränkungen nach § 2 Abs. 3 EStG sind dabei<br />

unbeachtlich. Bei <strong>de</strong>r Ermittlung <strong>de</strong>r Einkünfte sind von <strong>de</strong>n Einnahmen die damit zusammenhängen<strong>de</strong>n<br />

Aufwendungen einschließlich <strong>de</strong>r Abschreibungsbeträge abzuziehen.<br />

Zur steuerrechtlichen Beurteilung von Ausgaben für die Erfüllung von Verbindlichkeiten, die durch die<br />

Übertragung von belastetem Vermögen begrün<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n sind, wird auf die Nrn. 12 bis 14 zu § 55<br />

hingewiesen.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 43 von 235


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6. Der Begriff <strong>de</strong>s nächsten Angehörigen ist enger als <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>s Angehörigen nach § 15. Er umfasst:<br />

– Ehegatten,<br />

– Eltern, Großeltern, Kin<strong>de</strong>r, Enkel (auch falls durch Adoption verbun<strong>de</strong>n),<br />

– Geschwister,<br />

– Pflegeeltern, Pflegekin<strong>de</strong>r.<br />

7. Unterhalt, Grabpflege und Ehrung <strong>de</strong>s An<strong>de</strong>nkens müssen sich in angemessenem Rahmen halten. Damit<br />

ist neben <strong>de</strong>r relativen Grenze von einem Drittel <strong>de</strong>s Einkommens eine gewisse absolute Grenze<br />

festgelegt. Maßstab für die Angemessenheit <strong>de</strong>s Unterhalts ist <strong>de</strong>r Lebensstandard <strong>de</strong>s<br />

Zuwendungsempfängers.<br />

8. § 58 Nr. 5 enthält lediglich eine Ausnahmeregelung zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 für Stiftungen (vgl. zu § 55,<br />

Nr. 14), begrün<strong>de</strong>t jedoch keinen eigenständigen steuerbegünstigten Zweck. Eine Stiftung, zu <strong>de</strong>ren<br />

Satzungszwecken die Unterstützung von hilfsbedürftigen Verwandten <strong>de</strong>s Stifters gehört, kann daher<br />

nicht unter Hinweis auf § 58 Nr. 5 als steuerbegünstigt behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n.<br />

Zu § 58 Nr. 6:<br />

9. Bei <strong>de</strong>r Bildung <strong>de</strong>r Rücklage nach § 58 Nr. 6 kommt es nicht auf die Herkunft <strong>de</strong>r Mittel an. Der<br />

Rücklage dürfen also auch zeitnah zu verwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Mittel wie z. B. Spen<strong>de</strong>n zugeführt wer<strong>de</strong>n.<br />

10. Voraussetzung für die Bildung einer Rücklage nach § 58 Nr. 6 ist in je<strong>de</strong>m Fall, dass ohne sie die<br />

steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke nachhaltig nicht erfüllt wer<strong>de</strong>n können. Das Bestreben,<br />

ganz allgemein die Leistungsfähigkeit <strong>de</strong>r Körperschaft zu erhalten, reicht für eine steuerlich<br />

unschädliche Rücklagenbildung nach dieser Vorschrift nicht aus (hierfür können nur freie Rücklagen<br />

nach § 58 Nr. 7 gebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, vgl. Nrn. 13 bis 17). Vielmehr müssen die Mittel für bestimmte – die<br />

steuerbegünstigten Satzungszwecke verwirklichen<strong>de</strong> – Vorhaben angesammelt wer<strong>de</strong>n, für <strong>de</strong>ren<br />

Durchführung bereits konkrete Zeitvorstellungen bestehen. Besteht noch keine konkrete Zeitvorstellung,<br />

ist eine Rücklagenbildung zulässig, wenn die Durchführung <strong>de</strong>s Vorhabens glaubhaft und bei <strong>de</strong>n<br />

finanziellen Verhältnissen <strong>de</strong>r steuerbegünstigten Körperschaft in einem angemessenen Zeitraum<br />

möglich ist. Die Bildung von Rücklagen für periodisch wie<strong>de</strong>rkehren<strong>de</strong> Ausgaben (z. B. Löhne, Gehälter,<br />

Mieten) in Höhe <strong>de</strong>s Mittelbedarfs für eine angemessene Zeitperio<strong>de</strong> ist zulässig (so genannte<br />

Betriebsmittelrücklage). Ebenfalls unschädlich ist die vorsorgliche Bildung einer Rücklage <strong>zur</strong><br />

Bezahlung von Steuern außerhalb eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, solange<br />

Unklarheit darüber besteht, ob die Körperschaft insoweit in Anspruch genommen wird.<br />

Unter diesen Voraussetzungen ist auch eine Wie<strong>de</strong>rbeschaffungsrücklage für Grundstücke, Fahrzeuge<br />

und an<strong>de</strong>re Wirtschaftsgüter, für <strong>de</strong>ren Anschaffung die laufen<strong>de</strong>n Einnahmen nicht ausreichen, zulässig.<br />

Daraus folgt aber nicht, dass Mittel in Höhe <strong>de</strong>r Abschreibungen generell einer Rücklage nach § 58 Nr. 6<br />

zugeführt wer<strong>de</strong>n dürfen. Vielmehr ist es erfor<strong>de</strong>rlich, dass tatsächlich eine Neuanschaffung <strong>de</strong>s<br />

einzelnen Wirtschaftsguts geplant und in einem angemessenen Zeitraum möglich ist. Eine Einstellung<br />

von Mitteln in Höhe <strong>de</strong>r Abschreibungen in die Rücklage wäre z. B. dann nicht gerechtfertigt, wenn ein<br />

Fuhrpark verkleinert o<strong>de</strong>r ein Gebäu<strong>de</strong> während unabsehbar langer Zeit nicht durch einen Neubau ersetzt<br />

wer<strong>de</strong>n soll. Die Zuführung von Mitteln in Höhe <strong>de</strong>r Abschreibungen dürfte z. B. dann nicht ausreichen,<br />

wenn das vorhan<strong>de</strong>ne Wirtschaftsgut entwe<strong>de</strong>r frühzeitig o<strong>de</strong>r durch ein besseres, größeres und teureres<br />

Wirtschaftsgut ersetzt wer<strong>de</strong>n soll. Die Zuführung dürfte z. B. dann überhöht sein, wenn die steuerlich<br />

zulässigen (Son<strong>de</strong>r-)Abschreibungen nicht mit <strong>de</strong>m tatsächlichen Wertverlust übereinstimmen.<br />

Die Bildung einer Rücklage kann nicht damit begrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, dass die Überlegungen <strong>zur</strong> Verwendung<br />

<strong>de</strong>r Mittel noch nicht abgeschlossen sind.<br />

11. Die vorstehen<strong>de</strong>n Grundsätze zu § 58 Nr. 6 gelten auch für Mittelbeschaffungskörperschaften i. S. d. § 58<br />

Nr. 1 (BFH-Urteil vom 13.9.1989 – I R 19/85 – BStBl. 1990 II, S. 28). Voraussetzung ist jedoch, dass die<br />

Rücklagenbildung <strong>de</strong>m Zweck <strong>de</strong>r Beschaffung von Mitteln für die steuerbegünstigten Zwecke einer<br />

an<strong>de</strong>ren Körperschaft entspricht. Diese Voraussetzung ist zum Beispiel erfüllt, wenn die<br />

Mittelbeschaffungskörperschaft wegen Verzögerung <strong>de</strong>r von ihr zu finanzieren<strong>de</strong>n steuerbegünstigten<br />

Maßnahmen gezwungen ist, die beschafften Mittel zunächst zu thesaurieren.<br />

12. Unterhält eine steuerbegünstigte Körperschaft einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb,<br />

so können <strong>de</strong>ssen Erträge <strong>de</strong>r Rücklage erst nach Versteuerung zugeführt wer<strong>de</strong>n.<br />

Zu § 58 Nr. 7:<br />

13. Der freien Rücklage (§ 58 Nr. 7 Buchstabe a) darf jährlich höchstens ein Drittel <strong>de</strong>s Überschusses <strong>de</strong>r<br />

Einnahmen über die Unkosten aus <strong>de</strong>r Vermögensverwaltung zugeführt wer<strong>de</strong>n. Unter Unkosten sind<br />

Aufwendungen zu verstehen, die <strong>de</strong>m Grun<strong>de</strong> nach Werbungskosten sind.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 44 von 235


14. Darüber hinaus kann die Körperschaft höchstens 10 v. H. ihrer sonstigen nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 zeitnah<br />

zu verwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Mittel einer freien Rücklage zuführen. Mittel im Sinne dieser Vorschrift sind die<br />

Überschüsse bzw. Gewinne aus steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben und<br />

Zweckbetrieben sowie die Bruttoeinnahmen aus <strong>de</strong>m i<strong>de</strong>ellen Bereich. Bei Anwendung <strong>de</strong>r Regelungen<br />

<strong>de</strong>s § 64 Abs. 5 und 6 können in die Bemessungsgrundlage <strong>zur</strong> Ermittlung <strong>de</strong>r Rücklage statt <strong>de</strong>r<br />

geschätzten bzw. pauschal ermittelten Gewinne die tatsächlichen Gewinne einbezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

Verluste aus Zweckbetrieben sind mit entsprechen<strong>de</strong>n Überschüssen zu verrechnen; darüber<br />

hinausgehen<strong>de</strong> Verluste min<strong>de</strong>rn die Bemessungsgrundlage nicht. Das gilt entsprechend für Verluste aus<br />

<strong>de</strong>m einheitlichen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Ein Überschuss aus <strong>de</strong>r Vermögensverwaltung ist –<br />

unabhängig davon, inwieweit er in eine Rücklage eingestellt wur<strong>de</strong> – nicht in die Bemessungsgrundlage<br />

für die Zuführung aus <strong>de</strong>n sonstigen zeitnah zu verwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Mitteln einzubeziehen. Ein Verlust aus <strong>de</strong>r<br />

Vermögensverwaltung min<strong>de</strong>rt die Bemessungsgrundlage nicht.<br />

15. Wird die Höchstgrenze nach <strong>de</strong>n Nrn. 13 und 14 nicht voll ausgeschöpft, so ist eine Nachholung in<br />

späteren Jahren nicht zulässig. Die steuerbegünstigte Körperschaft braucht die freie Rücklage während<br />

<strong>de</strong>r Dauer ihres Bestehens nicht aufzulösen. Die in die Rücklage eingestellten Mittel können auch <strong>de</strong>m<br />

Vermögen zugeführt wer<strong>de</strong>n.<br />

16. Die Ansammlung und Verwendung von Mitteln zum Erwerb von Gesellschaftsrechten <strong>zur</strong> Erhaltung <strong>de</strong>r<br />

prozentualen Beteiligung an Kapitalgesellschaften schließen die Steuervergünstigungen nicht aus (§ 58<br />

Nr. 7 Buchstabe b). Die Herkunft <strong>de</strong>r Mittel ist dabei ohne Be<strong>de</strong>utung. § 58 Nr. 7 Buchstabe b ist nicht<br />

auf <strong>de</strong>n erstmaligen Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften anzuwen<strong>de</strong>n. Hierfür können u. a.<br />

freie Rücklagen nach § 58 Nr. 7 Buchstabe a eingesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />

17. Die Höchstgrenze für die Zuführung zu <strong>de</strong>r freien Rücklage min<strong>de</strong>rt sich um <strong>de</strong>n Betrag, <strong>de</strong>n die<br />

Körperschaft zum Erwerb von Gesellschaftsrechten <strong>zur</strong> Erhaltung <strong>de</strong>r prozentualen Beteiligung an<br />

Kapitalgesellschaften ausgibt o<strong>de</strong>r bereitstellt. Übersteigt <strong>de</strong>r für die Erhaltung <strong>de</strong>r Beteiligungsquote<br />

verwen<strong>de</strong>te o<strong>de</strong>r bereitgestellte Betrag die Höchstgrenze, ist auch in <strong>de</strong>n Folgejahren eine Zuführung zu<br />

<strong>de</strong>r freien Rücklage erst wie<strong>de</strong>r möglich, wenn die für eine freie Rücklage verwendbaren Mittel<br />

insgesamt die für die Erhaltung <strong>de</strong>r Beteiligungsquote verwen<strong>de</strong>ten o<strong>de</strong>r bereitgestellten Mittel<br />

übersteigen. Die Zuführung von Mitteln zu Rücklagen nach § 58 Nr. 6 berührt die Höchstgrenze für die<br />

Bildung freier Rücklagen dagegen nicht.<br />

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<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 45 von 235


Beispiel:<br />

Freie Rücklage<br />

(§ 58 Nr. 7<br />

Buchstabe a)<br />

Euro Euro Euro<br />

Jahr 01<br />

Zuführung <strong>zur</strong> freien Rücklage 25 000<br />

Jahr 02<br />

Höchstbetrag für die Zuführung <strong>zur</strong> freien<br />

Rücklage:<br />

⅓ von 15 000 € = 5 000<br />

10 v. H. von 50 000 € = 5 000<br />

Ergibt 10 000<br />

Verwendung von Mitteln <strong>zur</strong> Erhaltung <strong>de</strong>r<br />

Beteiligungsquote<br />

25 000 25 000<br />

übersteigen<strong>de</strong>r Betrag ./. 15 000<br />

Zuführung <strong>zur</strong> freien Rücklage 0<br />

Jahr 03<br />

Höchstbetrag für die Zuführung <strong>zur</strong> freien<br />

Rücklage:<br />

⅓ von 30 000 € = 10 000<br />

10 v. H. von 100 000 € = 10 000<br />

Ergibt 20 000<br />

Übersteigen<strong>de</strong>r Betrag aus <strong>de</strong>m Jahr 02 ./. 15 000<br />

Verbleiben<strong>de</strong>r Betrag 5 000<br />

Zuführung <strong>zur</strong> freien Rücklage 5 000<br />

Verwendung von Mitteln<br />

<strong>zur</strong> Erhaltung <strong>de</strong>r<br />

Beteiligungsquote<br />

(§ 58 Nr. 7 Buchstabe b)<br />

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Zu § 58 Nrn. 6 und 7:<br />

18. Ob die Voraussetzungen für die Bildung einer Rücklage gegeben sind, hat die steuerbegünstigte<br />

Körperschaft <strong>de</strong>m zuständigen Finanzamt im Einzelnen darzulegen. Weiterhin muss sie die Rücklagen<br />

nach § 58 Nrn. 6 und 7 in ihrer Rechnungslegung – ggf. in einer Nebenrechnung – geson<strong>de</strong>rt ausweisen,<br />

damit eine Kontrolle je<strong>de</strong>rzeit und ohne beson<strong>de</strong>ren Aufwand möglich ist (BFH-Urteil vom 20.12.1978 –<br />

I R 21/76 – BStBl. 1979 II, S. 496).<br />

Zu § 58 Nr. 8:<br />

19. Gesellige Zusammenkünfte, die im Vergleich <strong>zur</strong> steuerbegünstigten Tätigkeit nicht von untergeordneter<br />

Be<strong>de</strong>utung sind, schließen die Steuervergünstigung aus.<br />

Zu § 58 Nr. 10:<br />

20. Diese Ausnahmeregelung ermöglicht es <strong>de</strong>n ausschließlich von einer o<strong>de</strong>r mehreren<br />

Gebietskörperschaften errichteten rechtsfähigen und nichtrechtsfähigen Stiftungen, die Erfüllung ihrer<br />

steuerbegünstigten Zwecke mittelbar durch Zuschüsse an Wirtschaftsunternehmen zu verwirklichen.<br />

Diese mittelbare Zweckverwirklichung muss in <strong>de</strong>r Satzung festgelegt sein. Die Verwendung <strong>de</strong>r<br />

Zuschüsse für steuerbegünstigte Satzungszwecke muss nachgewiesen wer<strong>de</strong>n.<br />

Zu § 58 Nr. 11:<br />

21. Bei <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Vorschrift genannten Zuwendungen ist es ausnahmsweise zulässig, grundsätzlich zeitnah<br />

zu verwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Mittel <strong>de</strong>m zulässigen Vermögen zuzuführen. Die Aufzählung ist abschließend. Unter<br />

Sachzuwendungen, die ihrer Natur nach zum Vermögen gehören, sind Wirtschaftsgüter zu verstehen, die<br />

ihrer Art nach von <strong>de</strong>r Körperschaft im i<strong>de</strong>ellen Bereich, im Rahmen <strong>de</strong>r Vermögensverwaltung o<strong>de</strong>r im<br />

wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb genutzt wer<strong>de</strong>n können.<br />

Wer<strong>de</strong>n Mittel nach dieser Vorschrift <strong>de</strong>m Vermögen zugeführt, sind sie aus <strong>de</strong>r Bemessungsgrundlage<br />

für Zuführungen von sonstigen zeitnah zu verwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Mitteln nach § 58 Nr. 7 Buchstabe a<br />

heraus<strong>zur</strong>echnen.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 46 von 235


Zu § 58 Nr. 12:<br />

22. Stiftungen dürfen im Jahr ihrer Errichtung und in <strong>de</strong>n zwei folgen<strong>de</strong>n Kalen<strong>de</strong>rjahren Überschüsse und<br />

Gewinne aus <strong>de</strong>r Vermögensverwaltung, aus Zweckbetrieb und aus steuerpflichtigen wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetrieben ganz o<strong>de</strong>r teilweise ihrem Vermögen zuführen. Für sonstige Mittel, z. B.<br />

Zuwendungen und Zuschüsse, gilt diese Regelung dagegen nicht.<br />

Liegen in einem Kalen<strong>de</strong>rjahr positive und negative Ergebnisse aus <strong>de</strong>r Vermögensverwaltung, aus <strong>de</strong>n<br />

Zweckbetrieben und <strong>de</strong>m einheitlichen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb vor, ist eine<br />

Zuführung zum Vermögen auf <strong>de</strong>n positiven Betrag begrenzt, <strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>r Verrechnung <strong>de</strong>r Ergebnisse<br />

verbleibt.<br />

Zu § 58 Nrn. 2 bis 12:<br />

23. Die in § 58 Nrn. 2 bis 9, 11 und 12 genannten Ausnahmetatbestän<strong>de</strong> können auch ohne entsprechen<strong>de</strong><br />

Satzungsbestimmung verwirklicht wer<strong>de</strong>n. Entgeltliche Tätigkeiten nach § 58 Nrn. 3, 4 o<strong>de</strong>r 8 begrün<strong>de</strong>n<br />

einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb o<strong>de</strong>r Vermögensverwaltung (z. B.<br />

Raumüberlassung). Bei <strong>de</strong>n Regelungen <strong>de</strong>s § 58 Nrn. 5, 10 und 12 kommt es jeweils nicht auf die<br />

Bezeichnung <strong>de</strong>r Körperschaft als Stiftung, son<strong>de</strong>rn auf die tatsächliche Rechtsform an. Dabei ist es<br />

unmaßgeblich, ob es sich um eine rechtsfähige o<strong>de</strong>r nichtrechtsfähige Stiftung han<strong>de</strong>lt.<br />

Zu § 59 – Voraussetzung <strong>de</strong>r Steuervergünstigung:<br />

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1. Die Vorschrift bestimmt u. a., dass die Steuervergünstigung nur gewährt wird, wenn ein<br />

steuerbegünstigter Zweck (§§ 52 bis 54), die Selbstlosigkeit (§ 55) und die ausschließliche und<br />

unmittelbare Zweckverfolgung (§§ 56, 57) durch die Körperschaft aus <strong>de</strong>r Satzung direkt hervorgehen.<br />

Eine weitere satzungsmäßige Voraussetzung in diesem Sinn ist die in § 61 gefor<strong>de</strong>rte<br />

Vermögensbindung. Das Unterhalten wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe (§ 14 Sätze 1 und 2 und § 64),<br />

die keine Zweckbetriebe (§§ 65 bis 68) sind, und die Vermögensverwaltung (§ 14 Satz 3) dürfen nicht<br />

Satzungszweck sein. Die Erlaubnis <strong>zur</strong> Unterhaltung eines Nichtzweckbetriebs und die<br />

Vermögensverwaltung in <strong>de</strong>r Satzung können zulässig sein (BFH-Urteil vom 18.12.2002 – I R 15/02 –<br />

BStBl. 2003 II, S. 384). Bei Körperschaften, die ausschließlich Mittel für an<strong>de</strong>re Körperschaften o<strong>de</strong>r<br />

Körperschaften <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts beschaffen (§ 58 Nr. 1), kann in <strong>de</strong>r Satzung auf das Gebot <strong>de</strong>r<br />

Unmittelbarkeit verzichtet wer<strong>de</strong>n.<br />

2. Bei mehreren Betrieben gewerblicher Art einer juristischen Person <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts ist für je<strong>de</strong>n<br />

Betrieb gewerblicher Art eine eigene Satzung erfor<strong>de</strong>rlich.<br />

3. Ein beson<strong>de</strong>res Anerkennungsverfahren ist im steuerlichen Gemeinnützigkeitsrecht nicht vorgesehen. Ob<br />

eine Körperschaft steuerbegünstigt ist, entschei<strong>de</strong>t das Finanzamt im Veranlagungsverfahren durch<br />

Steuerbescheid (ggf. Freistellungsbescheid). Dabei hat es von Amts wegen die tatsächlichen und<br />

rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Steuerpflicht und für die Bemessung <strong>de</strong>r Steuer<br />

wesentlich sind. Eine Körperschaft, bei <strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m Ergebnis dieser Prüfung die gesetzlichen<br />

Voraussetzungen für die steuerliche Behandlung als steuerbegünstigte Körperschaft vorliegen, muss<br />

<strong>de</strong>shalb auch als solche behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob ein entsprechen<strong>de</strong>r<br />

Antrag gestellt wor<strong>de</strong>n ist o<strong>de</strong>r nicht. Ein Verzicht auf die Behandlung als steuerbegünstigte<br />

Körperschaft ist somit für das Steuerrecht unbeachtlich.<br />

4. Auf Antrag einer neu gegrün<strong>de</strong>ten Körperschaft, bei <strong>de</strong>r die Voraussetzungen <strong>de</strong>r Steuervergünstigung<br />

noch nicht im Veranlagungsverfahren festgestellt wor<strong>de</strong>n sind, bescheinigt das zuständige Finanzamt<br />

vorläufig, z. B. für <strong>de</strong>n Empfang steuerbegünstigter Spen<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r für eine Gebührenbefreiung, dass bei<br />

ihm die Körperschaft steuerlich erfasst ist und die eingereichte Satzung alle nach § 59 Satz 1, §§ 60<br />

und 61 gefor<strong>de</strong>rten Voraussetzungen erfüllt, welche u. a. für die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9<br />

KStG vorliegen müssen. Eine vorläufige Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit darf erst ausgestellt<br />

wer<strong>de</strong>n, wenn eine Satzung vorliegt, die <strong>de</strong>n gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorschriften entspricht.<br />

5. Die vorläufige Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit stellt keinen Verwaltungsakt, son<strong>de</strong>rn lediglich<br />

eine Auskunft über <strong>de</strong>n gekennzeichneten Teilbereich <strong>de</strong>r für die Steuervergünstigung erfor<strong>de</strong>rlichen<br />

Voraussetzungen dar. Sie sagt z. B. nichts über die Übereinstimmung von Satzung und tatsächlicher<br />

Geschäftsführung aus. Sie ist befristet zu erteilen und ist frei wi<strong>de</strong>rruflich (BFH-Beschluss vom<br />

7.5.1986 – I B 58/85 – BStBl. II, S. 677). Die Geltungsdauer sollte 18 Monate nicht überschreiten.<br />

6. Die Erteilung einer vorläufigen Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit kann auch in Betracht<br />

kommen, wenn eine Körperschaft schon längere Zeit existiert und die Gemeinnützigkeit im<br />

Veranlagungsverfahren versagt wur<strong>de</strong> (BFH-Beschluss vom 23.9.1998 – I B 82/98 – BStBl. 2000 II,<br />

S. 320).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 47 von 235


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6.1 Eine vorläufige Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit ist in diesen Fällen auf Antrag zu erteilen,<br />

wenn die Körperschaft die Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit im gesamten<br />

Veranlagungszeitraum, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Zeitraum <strong>de</strong>r Nichtgewährung folgt, voraussichtlich erfüllen wird. Ihre<br />

Geltungsdauer sollte 18 Monate nicht überschreiten.<br />

6.2 Darüber hinaus kann die Erteilung einer vorläufigen Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit auch dann<br />

geboten sein, wenn die Körperschaft nach Auffassung <strong>de</strong>s Finanzamts nicht gemeinnützig ist. In diesen<br />

Fällen darf die Bescheinigung nur erteilt wer<strong>de</strong>n, wenn die folgen<strong>de</strong>n Voraussetzungen erfüllt sind:<br />

6.2.1 Die Körperschaft muss gegen eine Entscheidung <strong>de</strong>s Finanzamts, mit <strong>de</strong>r die Erteilung einer vorläufigen<br />

Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit abgelehnt wur<strong>de</strong>, beim zuständigen Finanzgericht<br />

Rechtsschutz begehrt haben.<br />

6.2.2 Es müssen ernstliche Zweifel bestehen, ob die Ablehnung <strong>de</strong>r Gemeinnützigkeit im Klageverfahren<br />

bestätigt wird. Dies erfor<strong>de</strong>rt, dass die Körperschaft schlüssig darlegt und glaubhaft macht, dass sie die<br />

Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit nach ihrer Satzung und bei <strong>de</strong>r tatsächlichen<br />

Geschäftsführung erfüllt.<br />

6.2.3 Die wirtschaftliche Existenz <strong>de</strong>r Körperschaft muss in Folge <strong>de</strong>r Nichterteilung <strong>de</strong>r vorläufigen<br />

Bescheinigung gefähr<strong>de</strong>t sein. Für die Beurteilung sind die Verhältnisses im jeweiligen Einzelfall<br />

maßgeblich. Eine Existenzgefährdung kann nicht allein <strong>de</strong>shalb unterstellt wer<strong>de</strong>n, weil sich die<br />

Körperschaft bisher zu einem wesentlichen Teil aus Spen<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r steuerlich abziehbaren<br />

Mitgliedsbeiträgen finanziert hat und wegen <strong>de</strong>r Nichtgewährung <strong>de</strong>r Steuervergünstigungen ein<br />

erheblicher Rückgang dieser Einnahmen zu erwarten ist. Sie liegt z. B. auch dann nicht vor, wenn die<br />

Körperschaft über ausreichen<strong>de</strong>s verwertbares Vermögen verfügt o<strong>de</strong>r sich ausreichen<strong>de</strong> Kredite<br />

verschaffen kann. Die Körperschaft muss als Antragsgrund die Existenzgefährdung schlüssig darlegen<br />

und glaubhaft machen.<br />

Die vorläufige Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit nach Nr. 6.2 ist ggf. formlos zu erteilen. Sie<br />

muss die Körperschaft in die Lage versetzen, unter Hinweis auf die steuerliche Abzugsfähigkeit um<br />

Zuwendungen zu werben. Ihre Geltungsdauer ist bis zum rechtskräftigen Abschluss <strong>de</strong>s gerichtlichen<br />

Verfahrens zu befristen. Ob Auflagen, wie sie <strong>de</strong>r BFH in <strong>de</strong>m entschie<strong>de</strong>nen Fall beschlossen hat (u. a.<br />

vierteljährliche Einreichung von Aufstellungen über die Einnahmen und Ausgaben), sinnvoll und<br />

erfor<strong>de</strong>rlich sind, hängt von <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Einzelfalls ab.<br />

7. Die vorläufige Bescheinigung wird durch <strong>de</strong>n Steuerbescheid (ggf. Freistellungsbescheid) ersetzt. Die<br />

Steuerbefreiung soll spätestens alle drei Jahre überprüft wer<strong>de</strong>n.<br />

8. Die Satzung einer Körperschaft ist vor <strong>de</strong>r Erteilung einer erstmaligen vorläufigen Bescheinigung über<br />

die Steuerbegünstigung o<strong>de</strong>r eines Freistellungsbescheids <strong>zur</strong> Körperschaft- und Gewerbesteuer<br />

sorgfältig zu prüfen. Wird eine vorläufige Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit erteilt o<strong>de</strong>r die<br />

Steuerbegünstigung anerkannt, bei einer späteren Überprüfung <strong>de</strong>r Körperschaft aber festgestellt, dass die<br />

Satzung doch nicht <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Gemeinnützigkeitsrechts genügt, dürfen aus<br />

Vertrauensschutzgrün<strong>de</strong>n hieraus keine nachteiligen Folgerungen für die Vergangenheit gezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Körperschaft ist trotz <strong>de</strong>r fehlerhaften Satzung für abgelaufene Veranlagungszeiträume und für das<br />

Kalen<strong>de</strong>rjahr, in <strong>de</strong>m die Satzung beanstan<strong>de</strong>t wird, als steuerbegünstigt zu behan<strong>de</strong>ln. Dies gilt nicht,<br />

wenn bei <strong>de</strong>r tatsächlichen Geschäftsführung gegen Vorschriften <strong>de</strong>s Gemeinnützigkeitsrechts verstoßen<br />

wur<strong>de</strong>.<br />

Die Vertreter <strong>de</strong>r Körperschaft sind aufzufor<strong>de</strong>rn, die zu beanstan<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Teile <strong>de</strong>r Satzung so zu än<strong>de</strong>rn,<br />

dass die Körperschaft die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuervergünstigung erfüllt. Hierfür<br />

ist eine angemessene Frist zu setzen. Vereinen soll dabei in <strong>de</strong>r Regel eine Beschlussfassung in <strong>de</strong>r<br />

nächsten or<strong>de</strong>ntlichen Mitglie<strong>de</strong>rversammlung ermöglicht wer<strong>de</strong>n. Wird die Satzung innerhalb <strong>de</strong>r<br />

gesetzten Frist entsprechend <strong>de</strong>n Vorgaben <strong>de</strong>s Finanzamts geän<strong>de</strong>rt, ist die Steuervergünstigung für das<br />

<strong>de</strong>r Beanstandung <strong>de</strong>r Satzung folgen<strong>de</strong> Kalen<strong>de</strong>rjahr auch dann anzuerkennen, wenn zu Beginn <strong>de</strong>s<br />

Kalen<strong>de</strong>rjahres noch keine ausreichen<strong>de</strong> Satzung vorgelegen hat.<br />

Die vorstehen<strong>de</strong>n Grundsätze gelten nicht, wenn die Körperschaft die Satzung geän<strong>de</strong>rt hat und eine<br />

geän<strong>de</strong>rte Satzungsvorschrift zu beanstan<strong>de</strong>n ist. In diesen Fällen fehlt es an einer Grundlage für die<br />

Gewährung von Vertrauensschutz.<br />

Zu § 60 – Anfor<strong>de</strong>rungen an die Satzung:<br />

1. Die Satzung muss so präzise gefasst sein, dass aus ihr unmittelbar entnommen wer<strong>de</strong>n kann, ob die<br />

Voraussetzungen <strong>de</strong>r Steuerbegünstigung vorliegen (formelle Satzungsmäßigkeit). Die bloße Bezugnahme<br />

auf Satzungen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Regelungen Dritter genügt nicht (BFH-Urteil vom 19.4.1989 – I R 3/88 –<br />

BStBl. II, S. 595).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 48 von 235


2. Die Satzung muss die in <strong>de</strong>r Mustersatzung bezeichneten Festlegungen enthalten, soweit sie für die jeweilige<br />

Körperschaft im Einzelfall einschlägig sind.<br />

Unter an<strong>de</strong>rem sind in folgen<strong>de</strong>n Fällen Abweichungen vom Wortlaut <strong>de</strong>r Mustersatzung möglich:<br />

a) Bei Mittelbeschaffungskörperschaften (§ 58 Nr. 1) kann entgegen § 1 <strong>de</strong>r Mustersatzung auf das Gebot<br />

<strong>de</strong>r Unmittelbarkeit verzichtet wer<strong>de</strong>n (vgl. Nr. 1 zu § 59).<br />

b) Insbeson<strong>de</strong>re bei Stiftungen ist <strong>de</strong>r in § 3 <strong>de</strong>r Mustersatzung verwen<strong>de</strong>te Begriff „Mitglie<strong>de</strong>r“ durch eine<br />

an<strong>de</strong>re geeignete Formulierung zu ersetzen (vgl. § 55 Abs. 3).<br />

c) Körperschaften, <strong>de</strong>ren Gesellschafter o<strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r steuerbegünstigte Körperschaften sind und/o<strong>de</strong>r<br />

juristische Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts, die die Mittel für steuerbegünstigte Zwecke verwen<strong>de</strong>n,<br />

können auf die Regelung in § 3 Satz 2 <strong>de</strong>r Mustersatzung verzichten.<br />

d) § 5 <strong>de</strong>r Mustersatzung kann in Satzungen von Vereinen ohne die Formulierung „Aufhebung“ verwen<strong>de</strong>t<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Derselbe Aufbau und dieselbe Reihenfolge <strong>de</strong>r Bestimmungen wie in <strong>de</strong>r Mustersatzung wer<strong>de</strong>n nicht<br />

verlangt.<br />

3. Die Bestimmung, dass die Satzung die in <strong>de</strong>r Mustersatzung bezeichneten Festlegungen enthalten muss (§ 60<br />

Abs. 1 Satz 2), gilt für Körperschaften, die nach <strong>de</strong>m 31.12.2008 gegrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r die ihre Satzung mit<br />

Wirkung nach diesem Zeitpunkt än<strong>de</strong>rn. Die Satzung einer Körperschaft, die bereits vor <strong>de</strong>m 1.1.2009<br />

bestan<strong>de</strong>n hat, braucht nicht allein <strong>zur</strong> Anpassung an die Festlegungen in <strong>de</strong>r Mustersatzung geän<strong>de</strong>rt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

4. Eine Satzung braucht nicht allein <strong>de</strong>swegen geän<strong>de</strong>rt zu wer<strong>de</strong>n, weil in ihr auf Vorschriften <strong>de</strong>s StAnpG<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r GemV verwiesen o<strong>de</strong>r das Wort „selbstlos“ nicht verwandt wird.<br />

5. Or<strong>de</strong>nsgemeinschaften haben eine <strong>de</strong>n Or<strong>de</strong>nsstatuten entsprechen<strong>de</strong> zusätzliche Erklärung nach <strong>de</strong>m Muster<br />

<strong>de</strong>r Anlage zu Nr. 5 zu § 60 abzugeben, die die zuständigen Organe <strong>de</strong>r Or<strong>de</strong>n bin<strong>de</strong>t.<br />

6. Die tatsächliche Geschäftsführung (vgl. § 63) muss mit <strong>de</strong>r Satzung übereinstimmen.<br />

7. Die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Anerkennung <strong>de</strong>r Steuerbegünstigung müssen<br />

– bei <strong>de</strong>r Körperschaftsteuer vom Beginn bis zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Veranlagungszeitraums,<br />

– bei <strong>de</strong>r Gewerbesteuer vom Beginn bis zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Erhebungszeitraums,<br />

– bei <strong>de</strong>r Grundsteuer zum Beginn <strong>de</strong>s Kalen<strong>de</strong>rjahres, für das über die Steuerpflicht zu entschei<strong>de</strong>n ist (§ 9<br />

Abs. 2 GrStG),<br />

– bei <strong>de</strong>r Umsatzsteuer zu <strong>de</strong>n sich aus § 13 Abs. 1 UStG ergeben<strong>de</strong>n Zeitpunkten,<br />

– bei <strong>de</strong>r Erbschaftsteuer zu <strong>de</strong>n sich aus § 9 ErbStG ergeben<strong>de</strong>n Zeitpunkten,<br />

erfüllt sein.<br />

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Zu § 61 – Satzungsmäßige Vermögensbindung:<br />

1. Die Vorschrift stellt klar, dass die zu <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>r Selbstlosigkeit zählen<strong>de</strong> Bindung <strong>de</strong>s<br />

Vermögens für steuerbegünstigte Zwecke vor allem im Falle <strong>de</strong>r Auflösung <strong>de</strong>r Körperschaft aus <strong>de</strong>r<br />

Satzung genau hervorgehen muss (Mustersatzung, § 5). Als Empfänger <strong>de</strong>s Vermögens kommen in Betracht:<br />

– inländische steuerbegünstigte Körperschaften,<br />

– die in § 5 Abs. 2 Nummer 2 KStG aufgeführten Körperschaften,<br />

– juristische Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts.<br />

2. Nach <strong>de</strong>m aufgehobenen § 61 Abs. 2 durfte bei Vorliegen zwingen<strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Satzung bestimmt<br />

wer<strong>de</strong>n, dass über die Verwendung <strong>de</strong>s Vermögens zu steuerbegünstigten Zwecken nach Auflösung o<strong>de</strong>r<br />

Aufhebung <strong>de</strong>r Körperschaft o<strong>de</strong>r bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke erst nach Einwilligung <strong>de</strong>s<br />

Finanzamts bestimmt wird. Eine Satzung braucht nicht allein <strong>de</strong>swegen geän<strong>de</strong>rt zu wer<strong>de</strong>n, weil sie eine vor<br />

<strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>s § 61 Abs. 2 zulässige Bestimmung über die Vermögensbindung enthält.<br />

3. Wird die satzungsmäßige Vermögensbindung aufgehoben, gilt sie von Anfang an als steuerlich nicht<br />

ausreichend. Die Regelung greift auch ein, wenn die Bestimmung über die Vermögensbindung erst zu einem<br />

Zeitpunkt geän<strong>de</strong>rt wird, in <strong>de</strong>m die Körperschaft nicht mehr als steuerbegünstigt anerkannt ist. Die<br />

entsprechen<strong>de</strong>n steuerlichen Folgerungen sind durch Steuerfestsetzung rückwirkend zu ziehen.<br />

4. Bei Verstößen gegen <strong>de</strong>n Grundsatz <strong>de</strong>r Vermögensbindung bil<strong>de</strong>t die Festsetzungsverjährung (§§ 169 ff.)<br />

keine Grenze. Vielmehr können nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 auch Steuerbeschei<strong>de</strong> noch geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n,<br />

die Steuern betreffen, die innerhalb von zehn Jahren vor <strong>de</strong>r erstmaligen Verletzung <strong>de</strong>r<br />

Vermögensbindungsregelung entstan<strong>de</strong>n sind. Es kann <strong>de</strong>mnach auch dann noch zugegriffen wer<strong>de</strong>n, wenn<br />

zwischen <strong>de</strong>m steuerfreien Bezug <strong>de</strong>r Erträge und <strong>de</strong>m Wegfall <strong>de</strong>r Steuerbegünstigung ein Zeitraum von<br />

mehr als fünf Jahren liegt, selbst wenn in <strong>de</strong>r Zwischenzeit keine Erträge mehr zugeflossen sind.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 49 von 235


Beispiel:<br />

Eine gemeinnützige Körperschaft hat in <strong>de</strong>n Jahren 01 bis 11 steuerfreie Einnahmen aus einem Zweckbetrieb<br />

bezogen und diese teils für gemeinnützige Zwecke ausgegeben und zum Teil in eine Rücklage eingestellt.<br />

Eine in 11 vollzogene Satzungsän<strong>de</strong>rung sieht jetzt vor, dass bei Auflösung <strong>de</strong>s Vereins das Vermögen an<br />

die Mitglie<strong>de</strong>r ausgekehrt wird. In diesem Fall muss das Finanzamt für die Veranlagungszeiträume 01 ff.<br />

Steuerbeschei<strong>de</strong> erlassen, welche die Nachversteuerung aller genannten Einnahmen vorsehen, wobei es<br />

unerheblich ist, ob die Einnahmen noch im Vereinsvermögen vorhan<strong>de</strong>n sind.<br />

5. Verstöße gegen § 55 Abs. 1 bis 3 begrün<strong>de</strong>n die Möglichkeit einer Nachversteuerung im Rahmen <strong>de</strong>r<br />

Festsetzungsfrist.<br />

6. Die Nachversteuerung gem. § 61 Abs. 3 greift nicht nur bei gemeinnützigkeitsschädlichen Än<strong>de</strong>rungen<br />

satzungsrechtlicher Bestimmungen über die Vermögensbindung ein, son<strong>de</strong>rn erfasst auch die Fälle, in <strong>de</strong>nen<br />

die tatsächliche Geschäftsführung gegen die von § 61 gefor<strong>de</strong>rte Vermögensbindung verstößt (§ 63 Abs. 2).<br />

Beispiel:<br />

Eine gemeinnützige Körperschaft verwen<strong>de</strong>t bei ihrer Auflösung o<strong>de</strong>r bei Aufgabe ihres begünstigten<br />

Satzungszweckes ihr Vermögen entgegen <strong>de</strong>r Vermögensbindungsbestimmung in <strong>de</strong>r Satzung nicht für<br />

begünstigte Zwecke.<br />

7. Verstöße <strong>de</strong>r tatsächlichen Geschäftsführung gegen § 55 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 können so schwerwiegend sein,<br />

dass sie einer Verwendung <strong>de</strong>s gesamten Vermögens für satzungsfrem<strong>de</strong> Zwecke gleichkommen. Auch in<br />

diesen Fällen ist eine Nachversteuerung nach § 61 Abs. 3 möglich.<br />

8. Bei <strong>de</strong>r nachträglichen Besteuerung ist so zu verfahren, als ob die Körperschaft von Anfang an<br />

uneingeschränkt steuerpflichtig gewesen wäre. § 13 Abs. 3 KStG ist nicht anwendbar.<br />

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Zu § 63 – Anfor<strong>de</strong>rungen an die tatsächliche Geschäftsführung:<br />

1. Den Nachweis, dass die tatsächliche Geschäftsführung <strong>de</strong>n notwendigen Erfor<strong>de</strong>rnissen entspricht, hat die<br />

Körperschaft durch ordnungsmäßige Aufzeichnungen, insbeson<strong>de</strong>re Aufstellung <strong>de</strong>r Einnahmen und<br />

Ausgaben, Tätigkeitsbericht, Vermögensübersicht mit Nachweisen über die Bildung und Entwicklung <strong>de</strong>r<br />

Rücklagen) zu führen. Die Vorschriften <strong>de</strong>r AO über die Führung von Büchern und Aufzeichnungen<br />

(§§ 140 ff.) sind zu beachten. Die Vorschriften <strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>lsrechts einschließlich <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Buchführungsvorschriften gelten nur, sofern sich dies aus <strong>de</strong>r Rechtsform <strong>de</strong>r Körperschaft o<strong>de</strong>r aus ihrer<br />

wirtschaftlichen Tätigkeit ergibt. Bei <strong>de</strong>r Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke im Ausland besteht eine<br />

erhöhte Nachweispflicht (§ 90 Abs. 2).<br />

2. Die tatsächliche Geschäftsführung umfasst auch die Ausstellung steuerlicher Zuwendungsbestätigungen. Bei<br />

Missbräuchen auf diesem Gebiet, z. B. durch die Ausstellung von Gefälligkeitsbestätigungen, ist die<br />

Steuerbegünstigung zu versagen.<br />

3. Die tatsächliche Geschäftsführung muss sich im Rahmen <strong>de</strong>r verfassungsmäßigen Ordnung halten, da die<br />

Rechtsordnung als selbstverständlich das gesetzestreue Verhalten aller Rechtsunterworfenen voraussetzt. Als<br />

Verstoß gegen die Rechtsordnung, <strong>de</strong>r die Steuerbegünstigung ausschließt, kommt auch eine<br />

Steuerverkürzung in Betracht (BFH-Urteil vom 27.9.2001 – V R 17/99 – BStBl. 2002 II, S. 169). Die<br />

verfassungsmäßige Ordnung wird schon durch die Nichtbefolgung von polizeilichen Anordnungen<br />

durchbrochen (BFH-Urteil vom 29.8.1984, BStBl. 1985 II, S. 106). Gewaltfreier Wi<strong>de</strong>rstand, z. B.<br />

Sitzblocka<strong>de</strong>n, gegen geplante Maßnahmen <strong>de</strong>s Staates verstößt grundsätzlich nicht gegen die<br />

verfassungsmäßige Ordnung (vgl. BVerfG-Beschluss vom 10.1.1995 – 1 BvR 718/89, 1 BvR 719/89, 1 BvR<br />

722/89, 1 BvR 723/89 – BVerfGE 92, 1 bis 25).<br />

Zu § 64 – Steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe:<br />

Zu § 64 Abs. 1:<br />

1. Als Gesetz, das die Steuervergünstigung teilweise, nämlich für <strong>de</strong>n wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb<br />

(§ 14 Sätze 1 und 2), ausschließt, ist das jeweilige Steuergesetz zu verstehen, also § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG,<br />

§ 3 Nr. 6 GewStG, § 12 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 UStG, § 3 Abs. 1 Nr. 3b GrStG i. V. m. A 12 Abs. 4 GrStR.<br />

2. Wegen <strong>de</strong>s Begriffs „Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb“ wird auf § 14 hingewiesen. Zum Begriff <strong>de</strong>r<br />

„Nachhaltigkeit“ bei wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben siehe BFH-Urteil vom 21.8.1985 – I R 60/80 –<br />

BStBl. 1986 II, S. 88). Danach ist eine Tätigkeit grundsätzlich nachhaltig, wenn sie auf Wie<strong>de</strong>rholung<br />

angelegt ist. Es genügt, wenn bei <strong>de</strong>r Tätigkeit <strong>de</strong>r allgemeine Wille besteht, gleichartige o<strong>de</strong>r ähnliche<br />

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Handlungen bei sich bieten<strong>de</strong>r Gelegenheit zu wie<strong>de</strong>rholen. Wie<strong>de</strong>rholte Tätigkeiten liegen auch vor,<br />

wenn <strong>de</strong>r Grund zum Tätigwer<strong>de</strong>n auf einem einmaligen Entschluss beruht, die Erledigung aber mehrere<br />

(Einzel-)Tätigkeiten erfor<strong>de</strong>rt. Die Einnahmen aus <strong>de</strong>r Verpachtung eines vorher selbst betriebenen<br />

wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs unterliegen solange <strong>de</strong>r Körperschaft- und Gewerbesteuer, bis die<br />

Körperschaft die Betriebsaufgabe erklärt (BFH-Urteil vom 4.4.2007 – I R 55/06 – BStBl. II, S. 725).<br />

3. Ob eine an einer Personengesellschaft o<strong>de</strong>r Gemeinschaft beteiligte steuerbegünstigte Körperschaft<br />

gewerbliche Einkünfte bezieht und damit einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 Sätze 1 und 2)<br />

unterhält, wird im einheitlichen und geson<strong>de</strong>rten Gewinnfeststellungsbescheid <strong>de</strong>r Personengesellschaft<br />

bin<strong>de</strong>nd festgestellt (BFH-Urteil vom 27.7.1988 – I R 113/84 – BStBl. 1989 II, S. 134). Ob <strong>de</strong>r<br />

wirtschaftliche Geschäftsbetrieb steuerpflichtig ist o<strong>de</strong>r ein Zweckbetrieb (§§ 65 bis 68) vorliegt, ist<br />

dagegen bei <strong>de</strong>r Körperschaftsteuerveranlagung <strong>de</strong>r steuerbegünstigten Körperschaft zu entschei<strong>de</strong>n. Die<br />

Beteiligung einer steuerbegünstigten Körperschaft an einer Kapitalgesellschaft ist grundsätzlich<br />

Vermögensverwaltung (§ 14 Satz 3). Sie stellt jedoch einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dar, wenn<br />

mit ihr tatsächlich ein entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Einfluss auf die laufen<strong>de</strong> Geschäftsführung <strong>de</strong>r Kapitalgesellschaft<br />

ausgeübt wird o<strong>de</strong>r ein Fall <strong>de</strong>r Betriebsaufspaltung vorliegt (vgl. BFH-Urteil vom 30.6.1971 –<br />

I R 57/70 – BStBl. II, S. 753; H 15.7 Abs. 4 bis 6 EStH). Besteht die Beteiligung an einer<br />

Kapitalgesellschaft, die selbst ausschließlich <strong>de</strong>r Vermögensverwaltung dient, so liegt auch bei<br />

Einflussnahme auf die Geschäftsführung kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vor (vgl. R 16 Abs. 5<br />

KStR). Dies gilt auch bei Beteiligung an einer steuerbegünstigten Kapitalgesellschaft. Die Grundsätze<br />

<strong>de</strong>r Betriebsaufspaltung sind nicht anzuwen<strong>de</strong>n, wenn sowohl das Betriebs- als auch das<br />

Besitzunternehmen steuerbegünstigt sind. Dies gilt aber nur insoweit, als die überlassenen wesentlichen<br />

Betriebsgrundlagen bei <strong>de</strong>m Betriebsunternehmen nicht in einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetrieb eingesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />

4. Bei <strong>de</strong>r Ermittlung <strong>de</strong>s Gewinns aus <strong>de</strong>m wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb sind die Betriebsausgaben zu<br />

berücksichtigen, die durch <strong>de</strong>n Betrieb veranlasst sind. Dazu gehören Ausgaben, die <strong>de</strong>m Betrieb<br />

unmittelbar zuzuordnen sind, weil sie ohne <strong>de</strong>n Betrieb nicht o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st nicht in dieser Höhe<br />

angefallen wären.<br />

5. Bei so genannten gemischt veranlassten Kosten, die sowohl durch die steuerfreie als auch durch die<br />

steuerpflichtige Tätigkeit veranlasst sind, schei<strong>de</strong>t eine Berücksichtigung als Betriebsausgaben <strong>de</strong>s<br />

steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs grundsätzlich aus, wenn sie ihren primären Anlass<br />

im steuerfreien Bereich haben. Wer<strong>de</strong>n z. B. Werbemaßnahmen bei sportlichen o<strong>de</strong>r kulturellen<br />

Veranstaltungen durchgeführt, sind die Veranstaltungskosten, soweit sie auch ohne die Werbung<br />

entstan<strong>de</strong>n wären, keine Betriebsausgaben <strong>de</strong>s steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs<br />

„Werbung“ (BFH-Urteil vom 27.3.1991 – I R 31/89 – BStBl. 1992 II, S. 103; <strong>zur</strong> pauschalen<br />

Gewinnermittlung bei Werbung im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r steuerbegünstigten Tätigkeit einschließlich<br />

Zweckbetrieben vgl. Nrn. 28 ff.).<br />

6. Unabhängig von ihrer primären Veranlassung ist eine anteilige Berücksichtigung von gemischt<br />

veranlassten Aufwendungen (einschließlich Absetzung für Abnutzung) als Betriebsausgaben <strong>de</strong>s<br />

steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs dann zulässig, wenn ein objektiver Maßstab für die<br />

Aufteilung <strong>de</strong>r Aufwendungen (z. B. nach zeitlichen Gesichtspunkten) auf <strong>de</strong>n i<strong>de</strong>ellen Bereich<br />

einschließlich <strong>de</strong>r Zweckbetriebe und <strong>de</strong>n steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb besteht.<br />

Danach ist z. B. bei <strong>de</strong>r Gewinnermittlung für <strong>de</strong>n steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb<br />

„Greenfee“ von steuerbegünstigten Golfvereinen – abweichend von <strong>de</strong>n Grundsätzen <strong>de</strong>s BFH-Urteils<br />

vom 27.3.1991 – I R 31/89 – BStBl. 1992 II, S. 103) – wegen <strong>de</strong>r Abgrenzbarkeit nach objektiven<br />

Maßstäben (z. B. im Verhältnis <strong>de</strong>r Nutzung <strong>de</strong>r Golfanlage durch vereinsfrem<strong>de</strong> Spieler zu <strong>de</strong>n Golf<br />

spielen<strong>de</strong>n Vereinsmitglie<strong>de</strong>rn im Kalen<strong>de</strong>rjahr) trotz primärer Veranlassung durch <strong>de</strong>n i<strong>de</strong>ellen Bereich<br />

<strong>de</strong>s Golfvereins ein anteiliger Betriebsausgabenabzug <strong>de</strong>r Aufwendungen (z. B. für Golfplatz- und<br />

Personalkosten) zulässig. Bei gemeinnützigen Musikvereinen sind Aufwendungen, die zu einem Teil mit<br />

Auftritten ihrer Musikgruppen bei eigenen steuerpflichtigen Festveranstaltungen zusammenhängen,<br />

anteilig als Betriebsausgaben <strong>de</strong>s steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs abzuziehen.<br />

Derartige Aufwendungen sind z. B. Kosten für Notenmaterial, Uniformen und Verstärkeranlagen, die<br />

sowohl bei Auftritten, die unentgeltlich erfolgen o<strong>de</strong>r Zweckbetriebe sind, als auch bei Auftritten im<br />

Rahmen eines eigenen steuerpflichtigen Betriebs eingesetzt wer<strong>de</strong>n. Als Maßstab für die Aufteilung<br />

kommt die Zahl <strong>de</strong>r Stun<strong>de</strong>n, die einschließlich <strong>de</strong>r Proben auf die jeweiligen Bereiche entfallen, in<br />

Betracht.<br />

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Auch die Personal- und Sachkosten für die allgemeine Verwaltung können grundsätzlich im<br />

wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb abgezogen wer<strong>de</strong>n, soweit sie bei einer Aufteilung nach objektiven<br />

Maßstäben teilweise darauf entfallen. Bei Kosten für die Errichtung und Unterhaltung von<br />

Vereinsheimen gibt es i. d. R. keinen objektiven Aufteilungsmaßstab.<br />

7. Unter Sponsoring wird üblicherweise die Gewährung von Geld o<strong>de</strong>r geldwerten Vorteilen durch<br />

Unternehmen <strong>zur</strong> För<strong>de</strong>rung von Personen, Gruppen und/o<strong>de</strong>r Organisationen in sportlichen, kulturellen,<br />

kirchlichen, wissenschaftlichen, sozialen, ökologischen o<strong>de</strong>r ähnlich be<strong>de</strong>utsamen<br />

gesellschaftspolitischen Bereichen verstan<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>r regelmäßig auch eigene unternehmensbezogene<br />

Ziele <strong>de</strong>r Werbung o<strong>de</strong>r Öffentlichkeitsarbeit verfolgt wer<strong>de</strong>n. Leistungen eines Sponsors beruhen häufig<br />

auf einer vertraglichen Vereinbarung zwischen <strong>de</strong>m Sponsor und <strong>de</strong>m Empfänger <strong>de</strong>r Leistungen<br />

(Sponsoring-Vertrag), in <strong>de</strong>m Art und Umfang <strong>de</strong>r Leistungen <strong>de</strong>s Sponsors und <strong>de</strong>s Empfängers geregelt<br />

sind.<br />

8. Die im Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Sponsoring erhaltenen Leistungen können bei einer steuerbegünstigten<br />

Körperschaft steuerfreie Einnahmen im i<strong>de</strong>ellen Bereich, steuerfreie Einnahmen aus <strong>de</strong>r<br />

Vermögensverwaltung o<strong>de</strong>r Einnahmen eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs sein.<br />

Die steuerliche Behandlung <strong>de</strong>r Leistungen beim Empfänger hängt grundsätzlich nicht davon ab, wie die<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Aufwendungen beim leisten<strong>de</strong>n Unternehmen behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. Für die Abgrenzung<br />

gelten die allgemeinen Grundsätze.<br />

9. Danach liegt kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vor, wenn die steuerbegünstigte Körperschaft <strong>de</strong>m<br />

Sponsor nur die Nutzung ihres Namens zu Werbezwecken in <strong>de</strong>r Weise gestattet, dass <strong>de</strong>r Sponsor selbst<br />

zu Werbezwecken o<strong>de</strong>r <strong>zur</strong> Imagepflege auf seine Leistungen an die Körperschaft hinweist.<br />

Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb liegt auch dann nicht vor, wenn <strong>de</strong>r Empfänger <strong>de</strong>r Leistungen z. B.<br />

auf Plakaten, Veranstaltungshinweisen, in Ausstellungskatalogen o<strong>de</strong>r in an<strong>de</strong>rer Weise auf die<br />

Unterstützung durch einen Sponsor lediglich hinweist. Dieser Hinweis kann unter Verwendung <strong>de</strong>s<br />

Namens, Emblems o<strong>de</strong>r Logos <strong>de</strong>s Sponsors, jedoch ohne beson<strong>de</strong>re Hervorhebung, erfolgen.<br />

Entsprechen<strong>de</strong> Sponsoringeinnahmen sind nicht als Einnahmen aus <strong>de</strong>r Vermögensverwaltung<br />

anzusehen. Eine Zuführung <strong>zur</strong> freien Rücklage nach § 58 Nr. 7 Buchstabe a ist daher lediglich i. H. v.<br />

10 v. H. <strong>de</strong>r Einnahmen, nicht aber i. H. v. einem Drittel <strong>de</strong>s daraus erzielten Überschusses möglich.<br />

10. Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb liegt dagegen vor, wenn die Körperschaft an <strong>de</strong>n<br />

Werbemaßnahmen mitwirkt. Dies ist z. B. <strong>de</strong>r Fall, wenn die Körperschaft <strong>de</strong>m Sponsor das Recht<br />

einräumt, in einem von ihr herausgegebenen Publikationsorgan Werbeanzeigen zu schalten, einschlägige<br />

sponsorbezogene Themen darzustellen und bei Veranstaltungen <strong>de</strong>r Körperschaft <strong>de</strong>ren Mitglie<strong>de</strong>r über<br />

diese Themen zu informieren und dafür zu werben (vgl. BFH-Urteil vom 7.11.2007 – I R 42/06 – BStBl.<br />

2008 II, S. 949). Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb kann kein Zweckbetrieb (§§ 65 bis 68) sein. Soweit<br />

Sponsoringeinnahmen unmittelbar in einem aus an<strong>de</strong>ren Grün<strong>de</strong>n steuerpflichtigen wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetrieb anfallen, sind sie diesem zu<strong>zur</strong>echnen.<br />

Zu § 64 Abs. 2:<br />

11. Die Regelung, dass bei steuerbegünstigten Körperschaften mehrere steuerpflichtige wirtschaftliche<br />

Geschäftsbetriebe als ein Betrieb zu behan<strong>de</strong>ln sind, gilt auch für die Ermittlung <strong>de</strong>s steuerpflichtigen<br />

Einkommens <strong>de</strong>r Körperschaft und für die Beurteilung <strong>de</strong>r Buchführungspflicht nach § 141 Abs. 1. Für<br />

die Frage, ob die Grenzen für die Buchführungspflicht überschritten sind, kommt es also auf die Werte<br />

(Einnahmen, Überschuss) <strong>de</strong>s Gesamtbetriebs an.<br />

12. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 3 gilt auch für <strong>de</strong>n steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.<br />

Das be<strong>de</strong>utet u. a., dass Verluste und Gewinnmin<strong>de</strong>rungen in <strong>de</strong>n einzelnen steuerpflichtigen<br />

wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben nicht durch Zuwendungen an Mitglie<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r durch<br />

unverhältnismäßig hohe Vergütungen entstan<strong>de</strong>n sein dürfen.<br />

13. Bei einer Körperschaft, die mehrere steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe unterhält, ist für<br />

die Frage, ob gemeinnützigkeitsschädliche Verluste vorliegen, nicht auf das Ergebnis <strong>de</strong>s einzelnen<br />

steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, son<strong>de</strong>rn auf das zusammengefasste Ergebnis aller<br />

steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe abzustellen. Danach ist die Gemeinnützigkeit einer<br />

Körperschaft gefähr<strong>de</strong>t, wenn die steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe insgesamt Verluste<br />

erwirtschaften (vgl. zu § 55, Nrn. 4 ff.).<br />

In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 64 Abs. 5 und 6 ist nicht <strong>de</strong>r geschätzte bzw. pauschal ermittelte Gewinn, son<strong>de</strong>rn das<br />

Ergebnis zu berücksichtigen, das sich bei einer Ermittlung nach <strong>de</strong>n allgemeinen Regelungen ergeben<br />

wür<strong>de</strong> (vgl. Nrn. 4 bis 6).<br />

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Zu § 64 Abs. 3:<br />

14. Die Höhe <strong>de</strong>r Einnahmen aus <strong>de</strong>n steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben bestimmt sich<br />

nach <strong>de</strong>n Grundsätzen <strong>de</strong>r steuerlichen Gewinnermittlung. Bei steuerbegünstigten Körperschaften, die<br />

<strong>de</strong>n Gewinn nach § 4 Abs. 1 o<strong>de</strong>r § 5 EStG ermitteln, kommt es <strong>de</strong>shalb nicht auf <strong>de</strong>n Zufluss i. S. d.<br />

§ 11 EStG an, so dass auch For<strong>de</strong>rungszugänge als Einnahmen zu erfassen sind. Bei an<strong>de</strong>ren<br />

steuerbegünstigten Körperschaften sind die im Kalen<strong>de</strong>rjahr zugeflossenen Einnahmen (§ 11 EStG)<br />

maßgeblich. Ob die Einnahmen die Besteuerungsgrenze übersteigen, ist für je<strong>de</strong>s Jahr geson<strong>de</strong>rt zu<br />

prüfen. Nicht leistungsbezogene Einnahmen sind nicht <strong>de</strong>n für die Besteuerungsgrenze maßgeblichen<br />

Einnahmen zu<strong>zur</strong>echnen (vgl. Nr. 16).<br />

15. Zu <strong>de</strong>n Einnahmen i. S. d. § 64 Abs. 3 gehören leistungsbezogene Einnahmen einschließlich<br />

Umsatzsteuer aus <strong>de</strong>m laufen<strong>de</strong>n Geschäft, wie Einnahmen aus <strong>de</strong>m Verkauf von Speisen und Getränken.<br />

Dazu zählen auch erhaltene Anzahlungen.<br />

16. Zu <strong>de</strong>n leistungsbezogenen Einnahmen i. S. d. Nr. 15 gehören z. B. nicht<br />

a) <strong>de</strong>r Erlös aus <strong>de</strong>r Veräußerung von Wirtschaftsgütern <strong>de</strong>s Anlagevermögens <strong>de</strong>s steuerpflichtigen<br />

wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs;<br />

b) Betriebskostenzuschüsse sowie Zuschüsse für die Anschaffung o<strong>de</strong>r Herstellung von<br />

Wirtschaftsgütern <strong>de</strong>s steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs;<br />

c) Investitionszulagen;<br />

d) <strong>de</strong>r Zufluss von Darlehen;<br />

e) Entnahmen i. S. d. § 4 Abs. 1 EStG;<br />

f) die Auflösung von Rücklagen;<br />

g) erstattete Betriebsausgaben, z. B. Gewerbe- o<strong>de</strong>r Umsatzsteuer;<br />

h) Versicherungsleistungen mit Ausnahme <strong>de</strong>s Ersatzes von leistungsbezogenen Einnahmen.<br />

17. Ist eine steuerbegünstigte Körperschaft an einer Personengesellschaft o<strong>de</strong>r Gemeinschaft beteiligt, sind<br />

für die Beurteilung, ob die Besteuerungsgrenze überschritten wird, die anteiligen (Brutto-)Einnahmen aus<br />

<strong>de</strong>r Beteiligung – nicht aber <strong>de</strong>r Gewinnanteil – maßgeblich. Bei Beteiligung einer steuerbegünstigten<br />

Körperschaft an einer Kapitalgesellschaft sind die Bezüge i. S. d. § 8b Abs. 1 KStG und die Erlöse aus<br />

<strong>de</strong>r Veräußerung von Anteilen i. S. d. § 8b Abs. 2 KStG als Einnahmen i. S. d. § 64 Abs. 3 zu erfassen,<br />

wenn die Beteiligung einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb darstellt (vgl. Nr. 3) o<strong>de</strong>r<br />

in einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gehalten wird.<br />

18. In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 64 Abs. 5 und 6 sind für die Prüfung, ob die Besteuerungsgrenze i. S. d. § 64 Abs. 3<br />

überschritten wird, die tatsächlichen Einnahmen anzusetzen.<br />

19. Einnahmen aus sportlichen Veranstaltungen, die nach § 67a Abs. 1 Satz 1 o<strong>de</strong>r – bei einer Option –<br />

Abs. 3 kein Zweckbetrieb sind, gehören zu <strong>de</strong>n Einnahmen i. S. d. § 64 Abs. 3.<br />

Beispiel:<br />

Ein Sportverein, <strong>de</strong>r auf die Anwendung <strong>de</strong>s § 67a Abs. 1 Satz 1 (Zweckbetriebsgrenze) verzichtet hat,<br />

erzielt im Jahr 01 folgen<strong>de</strong> Einnahmen aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben:<br />

Sportliche Veranstaltungen, an <strong>de</strong>nen kein bezahlter<br />

40 000 €<br />

Sportler teilgenommen hat:<br />

Sportliche Veranstaltungen, an <strong>de</strong>nen bezahlte Sportler<br />

20 000 €<br />

<strong>de</strong>s Vereins teilgenommen haben:<br />

Verkauf von Speisen und Getränken: 5 000 €<br />

Die Einnahmen aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben, die keine Zweckbetriebe sind, betragen<br />

25 000 € (20 000 € + 5 000 €). Die Besteuerungsgrenze von 35 000 € wird nicht überschritten.<br />

20. Eine wirtschaftliche Betätigung verliert durch das Unterschreiten <strong>de</strong>r Besteuerungsgrenze nicht <strong>de</strong>n<br />

Charakter <strong>de</strong>s steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs. Das be<strong>de</strong>utet, dass kein Beginn einer<br />

teilweisen Steuerbefreiung i. S. d. § 13 Abs. 5 KStG vorliegt und <strong>de</strong>mentsprechend keine<br />

Schlussbesteuerung durchzuführen ist, wenn Körperschaft- und Gewerbesteuer wegen § 64 Abs. 3 nicht<br />

mehr erhoben wer<strong>de</strong>n.<br />

21. Bei Körperschaften mit einem vom Kalen<strong>de</strong>rjahr abweichen<strong>de</strong>n Wirtschaftsjahr sind für die Frage, ob die<br />

Besteuerungsgrenze überschritten wird, die in <strong>de</strong>m Wirtschaftsjahr erzielten Einnahmen maßgeblich.<br />

22. Der allgemeine Grundsatz <strong>de</strong>s Gemeinnützigkeitsrechts, dass für die steuerbegünstigten Zwecke<br />

gebun<strong>de</strong>ne Mittel nicht für <strong>de</strong>n Ausgleich von Verlusten aus steuerpflichtigen wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetrieben verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n dürfen, wird durch § 64 Abs. 3 nicht aufgehoben. Unter diesem<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 53 von 235


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Gesichtspunkt braucht jedoch bei Unterschreiten <strong>de</strong>r Besteuerungsgrenze <strong>de</strong>r Frage <strong>de</strong>r<br />

Mittelverwendung nicht nachgegangen zu wer<strong>de</strong>n, wenn bei überschlägiger Prüfung <strong>de</strong>r Aufzeichnungen<br />

erkennbar ist, dass in <strong>de</strong>m steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 64 Abs. 2) keine<br />

Verluste entstan<strong>de</strong>n sind.<br />

23. Verluste und Gewinne aus Jahren, in <strong>de</strong>nen die maßgeblichen Einnahmen die Besteuerungsgrenze nicht<br />

übersteigen, bleiben bei <strong>de</strong>m Verlustabzug (§ 10d EStG) außer Ansatz. Ein rück- und vortragbarer<br />

Verlust kann danach nur in Jahren entstehen, in <strong>de</strong>nen die Einnahmen die Besteuerungsgrenze<br />

übersteigen. Dieser Verlust wird nicht für Jahre verbraucht, in <strong>de</strong>nen die Einnahmen die<br />

Besteuerungsgrenze von 35 000 € nicht übersteigen.<br />

Zu § 64 Abs. 4:<br />

24. § 64 Abs. 4 gilt nicht für regionale Unterglie<strong>de</strong>rungen (Lan<strong>de</strong>s-, Bezirks-, Ortsverbän<strong>de</strong>)<br />

steuerbegünstigter Körperschaften.<br />

Zu § 64 Abs. 5:<br />

25. § 64 Abs. 5 gilt nur für Altmaterialsammlungen (Sammlung und Verwertung von Lumpen, Altpapier,<br />

Schrott). Die Regelung gilt nicht für <strong>de</strong>n Einzelverkauf gebrauchter Sachen (Gebrauchtwarenhan<strong>de</strong>l).<br />

Basare und ähnliche Einrichtungen sind <strong>de</strong>shalb nicht begünstigt (vgl. BFH-Urteil vom 11.2.2009 – I R<br />

73/08 – BStBl. II, S. 516).<br />

26. § 64 Abs. 5 ist nur anzuwen<strong>de</strong>n, wenn die Körperschaft dies beantragt (Wahlrecht).<br />

27. Der branchenübliche Reingewinn ist bei <strong>de</strong>r Verwertung von Altpapier mit 5 v. H. und bei <strong>de</strong>r<br />

Verwertung von an<strong>de</strong>rem Altmaterial mit 20 v. H. <strong>de</strong>r Einnahmen anzusetzen.<br />

Zu § 64 Abs. 6:<br />

28. Bei <strong>de</strong>n genannten steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben ist <strong>de</strong>r Besteuerung auf Antrag<br />

<strong>de</strong>r Körperschaft ein Gewinn von 15 v. H. <strong>de</strong>r Einnahmen zugrun<strong>de</strong> zu legen. Der Antrag gilt jeweils für<br />

alle gleichartigen Tätigkeiten in <strong>de</strong>m betreffen<strong>de</strong>n Veranlagungszeitraum. Er entfaltet keine<br />

Bindungswirkung für folgen<strong>de</strong> Veranlagungszeiträume.<br />

29. Nach § 64 Abs. 6 Nr. 1 kann <strong>de</strong>r Gewinn aus Werbemaßnahmen pauschal ermittelt wer<strong>de</strong>n, wenn sie im<br />

Zusammenhang mit <strong>de</strong>r steuerbegünstigten Tätigkeit einschließlich Zweckbetrieben stattfin<strong>de</strong>n. Beispiele<br />

für <strong>de</strong>rartige Werbemaßnahmen sind die Trikot- o<strong>de</strong>r Ban<strong>de</strong>nwerbung bei Sportveranstaltungen, die ein<br />

Zweckbetrieb sind, o<strong>de</strong>r die aktive Werbung in Programmheften o<strong>de</strong>r auf Plakaten bei kulturellen<br />

Veranstaltungen. Dies gilt auch für Sponsoring i. S. v. Nr. 10.<br />

30. Soweit Werbeeinnahmen nicht im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r i<strong>de</strong>ellen steuerbegünstigten Tätigkeit o<strong>de</strong>r<br />

einem Zweckbetrieb erzielt wer<strong>de</strong>n, z. B. Werbemaßnahmen bei einem Vereinsfest o<strong>de</strong>r bei sportlichen<br />

Veranstaltungen, die wegen Überschreitens <strong>de</strong>r Zweckbetriebsgrenze <strong>de</strong>s § 67a Abs. 1 o<strong>de</strong>r wegen <strong>de</strong>s<br />

Einsatzes bezahlter Sportler ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb sind, ist § 64 Abs. 6<br />

nicht anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

31. Nach § 64 Abs. 6 Nr. 2 kann auch <strong>de</strong>r Gewinn aus <strong>de</strong>m Totalisatorbetrieb <strong>de</strong>r Pfer<strong>de</strong>rennvereine mit<br />

15 v. H. <strong>de</strong>r Einnahmen angesetzt wer<strong>de</strong>n. Die maßgeblichen Einnahmen ermitteln sich wie folgt:<br />

Wetteinnahmen<br />

abzgl. Rennwettsteuer (Totalisatorsteuer)<br />

abzgl. Auszahlungen an die Wetter.<br />

Zu § 64 Abs. 5 und 6:<br />

32. Wird in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 64 Abs. 5 o<strong>de</strong>r 6 kein Antrag auf Schätzung <strong>de</strong>s Überschusses o<strong>de</strong>r auf<br />

pauschale Gewinnermittlung gestellt, ist <strong>de</strong>r Gewinn nach <strong>de</strong>n allgemeinen Regeln durch<br />

Gegenüberstellung <strong>de</strong>r Betriebseinnahmen und <strong>de</strong>r Betriebsausgaben zu ermitteln (vgl. Nrn. 4 bis 6).<br />

33. Wird <strong>de</strong>r Überschuss nach § 64 Abs. 5 geschätzt o<strong>de</strong>r nach § 64 Abs. 6 pauschal ermittelt, sind dadurch<br />

auch die damit zusammenhängen<strong>de</strong>n tatsächlichen Aufwendungen <strong>de</strong>r Körperschaft abgegolten; sie<br />

können nicht zusätzlich abgezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

34. Wird <strong>de</strong>r Überschuss nach § 64 Abs. 5 geschätzt o<strong>de</strong>r nach § 64 Abs. 6 pauschal ermittelt, muss die<br />

Körperschaft die mit diesen Einnahmen im Zusammenhang stehen<strong>de</strong>n Einnahmen und Ausgaben<br />

geson<strong>de</strong>rt aufzeichnen. Die genaue Höhe <strong>de</strong>r Einnahmen wird <strong>zur</strong> Ermittlung <strong>de</strong>s Gewinns nach § 64<br />

Abs. 5 bzw. 6 benötigt. Die mit diesen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben<br />

zusammenhängen<strong>de</strong>n Ausgaben dürfen das Ergebnis <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren steuerpflichtigen wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetriebe nicht min<strong>de</strong>rn.<br />

35. Die in <strong>de</strong>n Bruttoeinnahmen ggf. enthaltene Umsatzsteuer gehört nicht zu <strong>de</strong>n maßgeblichen Einnahmen<br />

i. S. d. § 64 Abs. 5 und 6.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 54 von 235


Zu § 65 – Zweckbetrieb:<br />

1. Der Zweckbetrieb ist ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb i. S. v. § 14. Jedoch wird ein wirtschaftlicher<br />

Geschäftsbetrieb unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich <strong>de</strong>m begünstigten Bereich <strong>de</strong>r Körperschaft<br />

zugerechnet.<br />

2. Ein Zweckbetrieb muss tatsächlich und unmittelbar satzungsmäßige Zwecke <strong>de</strong>r Körperschaft verwirklichen,<br />

die ihn betreibt. Es genügt nicht, wenn er begünstigte Zwecke verfolgt, die nicht satzungsmäßige Zwecke <strong>de</strong>r<br />

ihn tragen<strong>de</strong>n Körperschaft sind. Ebenso wenig genügt es, wenn er <strong>de</strong>r Verwirklichung begünstigter Zwecke<br />

nur mittelbar dient, z. B. durch Abführung seiner Erträge (BFH-Urteil vom 21.8.1985 – I R 60/80 –<br />

BStBl. 1986 II, S. 88). Ein Zweckbetrieb muss <strong>de</strong>shalb in seiner Gesamtrichtung mit <strong>de</strong>n ihn begrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Tätigkeiten und nicht nur mit <strong>de</strong>n durch ihn erzielten Einnahmen <strong>de</strong>n steuerbegünstigten Zwecken dienen<br />

(BFH-Urteil vom 26.4.1995 – I R 35/93 – BStBl. II, S. 767).<br />

3. Weitere Voraussetzung eines Zweckbetriebes ist, dass die Zwecke <strong>de</strong>r Körperschaft nur durch ihn erreicht<br />

wer<strong>de</strong>n können. Die Körperschaft muss <strong>de</strong>n Zweckbetrieb <strong>zur</strong> Verwirklichung ihrer satzungsmäßigen<br />

Zwecke unbedingt und unmittelbar benötigen. Dies ist z. B. nicht <strong>de</strong>r Fall beim Betrieb einer<br />

Beschaffungsstelle (zentraler Ein- und Verkauf von Ausrüstungsgegenstän<strong>de</strong>n, Auftragsbeschaffung etc.), da<br />

dieser we<strong>de</strong>r unentbehrlich noch das einzige Mittel <strong>zur</strong> Erreichung <strong>de</strong>s steuerbegünstigten Zwecks ist.<br />

4. Der Wettbewerb eines Zweckbetriebes zu nicht begünstigten Betrieben <strong>de</strong>rselben o<strong>de</strong>r ähnlicher Art muss<br />

auf das <strong>zur</strong> Erfüllung <strong>de</strong>r steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbare Maß begrenzt sein. Wettbewerb i. S. d.<br />

§ 65 Nr. 3 setzt nicht voraus, dass die Körperschaft auf einem Gebiet tätig ist, in <strong>de</strong>r sie tatsächlich in<br />

Konkurrenz zu steuerpflichtigen Betrieben <strong>de</strong>rselben o<strong>de</strong>r ähnlicher Art tritt. Der Sinn und Zweck <strong>de</strong>s § 65<br />

Nr. 3 liegt in einem umfänglichen Schutz <strong>de</strong>s Wettbewerbs, <strong>de</strong>r auch <strong>de</strong>n potentiellen Wettbewerb umfasst<br />

(vgl. BFH-Urteile vom 27.10.1993 – I R 60/91 – BStBl. 1994 II, S. 573 und vom 29.1.2009 – V R 46/06 –<br />

BStBl. II, S. 560). Ein Zweckbetrieb ist daher – entgegen <strong>de</strong>m BFH-Urteil vom 30.3.2000 – V R 30/99 –<br />

BStBl. II, S. 705) – bereits dann nicht gegeben, wenn ein Wettbewerb mit steuerpflichtigen Unternehmen<br />

lediglich möglich wäre, ohne dass es auf die tatsächliche Wettbewerbssituation vor Ort ankommt.<br />

Unschädlich ist dagegen <strong>de</strong>r uneingeschränkte Wettbewerb zwischen Zweckbetrieben, die <strong>de</strong>mselben<br />

steuerbegünstigten Zweck dienen und ihn in <strong>de</strong>r gleichen o<strong>de</strong>r in ähnlicher Form verwirklichen.<br />

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Zu § 66 – Wohlfahrtspflege:<br />

1. Die Bestimmung enthält eine Son<strong>de</strong>rregelung für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe, die sich mit <strong>de</strong>r<br />

Wohlfahrtspflege befassen.<br />

2. Die Wohlfahrtspflege darf nicht <strong>de</strong>s Erwerbs wegen ausgeführt wer<strong>de</strong>n. Damit ist keine Einschränkung<br />

gegenüber <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>r Selbstlosigkeit gegeben, wie sie in § 55 bestimmt sind.<br />

3. Die Tätigkeit muss auf die Sorge für notlei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r gefähr<strong>de</strong>te Menschen gerichtet sein. Notlei<strong>de</strong>nd bzw.<br />

gefähr<strong>de</strong>t sind Menschen, die eine o<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong> <strong>de</strong>r in § 53 Nrn. 1 und 2 genannten Voraussetzungen erfüllen.<br />

Es ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich, dass die gesamte Tätigkeit auf die För<strong>de</strong>rung notlei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r bzw. gefähr<strong>de</strong>ter<br />

Menschen gerichtet ist. Es genügt, wenn zwei Drittel <strong>de</strong>r Leistungen einer Einrichtung notlei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n bzw.<br />

gefähr<strong>de</strong>ten Menschen zugute kommen. Auf das Zahlenverhältnis von gefähr<strong>de</strong>ten bzw. notlei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n und<br />

übrigen geför<strong>de</strong>rten Menschen kommt es nicht an.<br />

4. Eine Einrichtung <strong>de</strong>r Wohlfahrtspflege liegt regelmäßig vor bei häuslichen Pflegeleistungen durch eine<br />

steuerbegünstigte Körperschaft im Rahmen <strong>de</strong>s Siebten o<strong>de</strong>r Elften Buches Sozialgesetzbuch, <strong>de</strong>s<br />

Bun<strong>de</strong>ssozialhilfegesetzes o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sversorgungsgesetzes.<br />

5. Die Belieferung von Stu<strong>de</strong>ntinnen und Stu<strong>de</strong>nten mit Speisen und Getränken in Mensa- und Cafeteria-<br />

Betrieben von Stu<strong>de</strong>ntenwerken ist als Zweckbetrieb zu beurteilen. Der Verkauf von alkoholischen<br />

Getränken, Tabakwaren und sonstigen Han<strong>de</strong>lswaren darf jedoch nicht mehr als 5 v. H. <strong>de</strong>s Gesamtumsatzes<br />

ausmachen. Entsprechen<strong>de</strong>s gilt für die Grundversorgung von Schülerinnen und Schülern mit Speisen und<br />

Getränken an Schulen.<br />

6. Der Krankentransport von Personen, für die während <strong>de</strong>r Fahrt eine fachliche Betreuung bzw. <strong>de</strong>r Einsatz<br />

beson<strong>de</strong>rer Einrichtungen eines Krankentransport- o<strong>de</strong>r Rettungswagens erfor<strong>de</strong>rlich ist o<strong>de</strong>r möglicherweise<br />

notwendig wird, ist als Zweckbetrieb zu beurteilen. Die steuerbegünstigten Körperschaften üben ihren<br />

Rettungsdienst und Krankentransport entgegen <strong>de</strong>r Annahme <strong>de</strong>s BFH in seinem Beschluss vom 18.9.2007 –<br />

I R 30/06 – BStBl. 2009 II, S. 126 regelmäßig nicht <strong>de</strong>s Erwerbs wegen und <strong>zur</strong> Beschaffung zusätzlicher<br />

Mittel aus, son<strong>de</strong>rn verfolgen damit ihren satzungsmäßigen steuerbegünstigten Zweck <strong>de</strong>r Sorge für Not<br />

lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r gefähr<strong>de</strong>te Menschen. Sind die übrigen Voraussetzungen erfüllt, können <strong>de</strong>shalb auch<br />

Leistungen wie <strong>de</strong>r Krankentransport und <strong>de</strong>r Rettungsdienst, die Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong> zu <strong>de</strong>nselben<br />

Bedingungen wie private gewerbliche Unternehmen anbieten, begünstigte Einrichtungen <strong>de</strong>r<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 55 von 235


Wohlfahrtspflege sein. Dagegen erfüllt die bloße Beför<strong>de</strong>rung von Personen, für die <strong>de</strong>r Arzt eine<br />

Krankenfahrt (Beför<strong>de</strong>rung in Pkws, Taxen o<strong>de</strong>r Mietwagen) verordnet hat, nicht die Kriterien nach § 66<br />

Abs. 2.<br />

7. Wer<strong>de</strong>n die Leistungen unter gleichen Bedingungen sowohl gegenüber hilfsbedürftigen als auch nicht<br />

hilfsbedürftigen Personen erbracht, ist ein einheitlicher wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb „Einrichtung <strong>de</strong>r<br />

Wohlfahrtspflege“ anzunehmen. Dieser ist als Zweckbetrieb zu behan<strong>de</strong>ln, wenn die ⅔-Grenze <strong>de</strong>s § 66<br />

erfüllt wird.<br />

8. Gesellige Veranstaltungen sind als steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe zu behan<strong>de</strong>ln.<br />

Veranstaltungen, bei <strong>de</strong>nen zwar auch die Geselligkeit gepflegt wird, die aber in erster Linie <strong>zur</strong> Betreuung<br />

behin<strong>de</strong>rter Personen durchgeführt wer<strong>de</strong>n, können unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>r §§ 65, 66 Zweckbetrieb<br />

sein.<br />

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Zu § 67a – Sportliche Veranstaltungen:<br />

Allgemeines<br />

1. Sportliche Veranstaltungen eines Sportvereins sind grundsätzlich ein Zweckbetrieb, wenn die Einnahmen<br />

einschließlich <strong>de</strong>r Umsatzsteuer aus allen sportlichen Veranstaltungen <strong>de</strong>s Vereins die<br />

Zweckbetriebsgrenze von 35 000 € im Jahr nicht übersteigen (§ 67a Abs. 1 Satz 1). Übersteigen die<br />

Einnahmen die Zweckbetriebsgrenze von 35 000 €, liegt grundsätzlich ein steuerpflichtiger<br />

wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vor.<br />

Der Verein kann auf die Anwendung <strong>de</strong>r Zweckbetriebsgrenze verzichten (§ 67a Abs. 2). Die steuerliche<br />

Behandlung seiner sportlichen Veranstaltungen richtet sich dann nach § 67a Abs. 3.<br />

2. Unter Sportvereinen i. S. <strong>de</strong>r Vorschrift sind alle gemeinnützigen Körperschaften zu verstehen, bei <strong>de</strong>nen<br />

die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Sports (§ 52 Abs. 2 Nr. 21) Satzungszweck ist; die tatsächliche Geschäftsführung<br />

muss diesem Satzungszweck entsprechen (§ 59). § 67a gilt also z B. auch für Sportverbän<strong>de</strong>. Sie gilt<br />

auch für Sportvereine, die Fußballveranstaltungen unter Einsatz ihrer Lizenzspieler nach <strong>de</strong>r<br />

„Lizenzordnung Spieler“ <strong>de</strong>r Organisation „Die Liga-Fußballverband e. V. – Ligaverband“ durchführen.<br />

3. Als sportliche Veranstaltung ist die organisatorische Maßnahme eines Sportvereins anzusehen, die es<br />

aktiven Sportlern (die nicht Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Vereins zu sein brauchen) ermöglicht, Sport zu treiben (BFH-<br />

Urteil vom 25.7.1996 – V R 7/95 – BStBl. 1997 II, S. 154). Eine sportliche Veranstaltung liegt auch dann<br />

vor, wenn ein Sportverein in Erfüllung seiner Satzungszwecke im Rahmen einer Veranstaltung einer<br />

an<strong>de</strong>ren Person o<strong>de</strong>r Körperschaft eine sportliche Darbietung erbringt. Die Veranstaltung, bei <strong>de</strong>r die<br />

sportliche Darbietung präsentiert wird, braucht keine steuerbegünstigte Veranstaltung zu sein (BFH-<br />

Urteil vom 4.5.1994 – XI R 109/90 – BStBl. II, S. 886).<br />

4. Sportreisen sind als sportliche Veranstaltungen anzusehen, wenn die sportliche Betätigung wesentlicher<br />

und notwendiger Bestandteil <strong>de</strong>r Reise ist (z. B. Reise zum Wettkampfort). Reisen, bei <strong>de</strong>nen die<br />

Erholung <strong>de</strong>r Teilnehmer im Vor<strong>de</strong>rgrund steht (Touristikreisen), zählen dagegen nicht zu <strong>de</strong>n<br />

sportlichen Veranstaltungen, selbst wenn anlässlich <strong>de</strong>r Reise auch Sport getrieben wird.<br />

5. Die Ausbildung und Fortbildung in sportlichen Fertigkeiten gehört zu <strong>de</strong>n typischen und wesentlichen<br />

Tätigkeiten eines Sportvereins. Sportkurse und Sportlehrgänge für Mitglie<strong>de</strong>r und Nichtmitglie<strong>de</strong>r von<br />

Sportvereinen (Sportunterricht) sind daher als „sportliche Veranstaltungen“ zu beurteilen. Es ist<br />

unschädlich für die Zweckbetriebseigenschaft, dass <strong>de</strong>r Verein mit <strong>de</strong>m Sportunterricht in Konkurrenz zu<br />

gewerblichen Sportlehrern (z. B. Reitlehrer, Skilehrer, Tennislehrer, Schwimmlehrer) tritt, weil § 67a als<br />

die speziellere Vorschrift <strong>de</strong>m § 65 vorgeht. Die Beurteilung <strong>de</strong>s Sportunterrichts als sportliche<br />

Veranstaltung hängt nicht davon ab, ob <strong>de</strong>r Unterricht durch Beiträge, Son<strong>de</strong>rbeiträge o<strong>de</strong>r<br />

Son<strong>de</strong>rentgelte abgegolten wird.<br />

6. Der Verkauf von Speisen und Getränken – auch an Wettkampfteilnehmer, Schiedsrichter, Kampfrichter,<br />

Sanitäter usw. – und die Werbung gehören nicht zu <strong>de</strong>n sportlichen Veranstaltungen. Diese Tätigkeiten<br />

sind geson<strong>de</strong>rte steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe. Nach § 64 Abs. 2 ist es jedoch<br />

möglich, Überschüsse aus diesen Betrieben mit Verlusten aus sportlichen Veranstaltungen, die<br />

steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe sind, zu verrechnen.<br />

7. Wird für <strong>de</strong>n Besuch einer sportlichen Veranstaltung, die Zweckbetrieb ist, mit Bewirtung ein<br />

einheitlicher Eintrittspreis bezahlt, so ist dieser – ggf. im Wege <strong>de</strong>r Schätzung – in einen Entgeltsanteil<br />

für <strong>de</strong>n Besuch <strong>de</strong>r sportlichen Veranstaltung und in einen Entgeltsanteil für die Bewirtungsleistungen<br />

aufzuteilen.<br />

8. Zur Zulässigkeit einer pauschalen Gewinnermittlung beim steuerpflichtigen wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetrieb „Werbung“ wird auf Nrn. 28 bis 35 zu § 64 hingewiesen.<br />

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9. Die entgeltliche Übertragung <strong>de</strong>s Rechts <strong>zur</strong> Nutzung von Werbeflächen in vereinseigenen o<strong>de</strong>r<br />

gemieteten Sportstätten (z. B. an <strong>de</strong>r Ban<strong>de</strong>) sowie von Lautsprecheranlagen an Werbeunternehmer ist als<br />

steuerfreie Vermögensverwaltung (§ 14 Satz 3) zu beurteilen. Voraussetzung ist jedoch, dass <strong>de</strong>m<br />

Pächter (Werbeunternehmer) ein angemessener Gewinn verbleibt. Es ist ohne Be<strong>de</strong>utung, ob die<br />

sportlichen Veranstaltungen, bei <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Werbeunternehmer das erworbene Recht nutzt, Zweckbetrieb<br />

o<strong>de</strong>r wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb sind.<br />

Die entgeltliche Übertragung <strong>de</strong>s Rechts <strong>zur</strong> Nutzung von Werbeflächen auf <strong>de</strong>r Sportkleidung (z. B. auf<br />

Trikots, Sportschuhen, Helmen) und auf Sportgeräten ist stets als steuerpflichtiger wirtschaftlicher<br />

Geschäftsbetrieb zu behan<strong>de</strong>ln.<br />

10. Die Unterhaltung von Club-Häusern, Kantinen, Vereinsheimen o<strong>de</strong>r Vereinsgaststätten ist keine<br />

„sportliche Veranstaltung“, auch wenn diese Einrichtungen ihr Angebot nur an Mitglie<strong>de</strong>r richten.<br />

11. Bei Vermietung von Sportstätten einschließlich <strong>de</strong>r Betriebsvorrichtungen für sportliche Zwecke ist<br />

zwischen <strong>de</strong>r Vermietung auf längere Dauer und <strong>de</strong>r Vermietung auf kurze Dauer (z. B. stun<strong>de</strong>nweise<br />

Vermietung, auch wenn die Stun<strong>de</strong>n für einen längeren Zeitraum im Voraus festgelegt wer<strong>de</strong>n) zu<br />

unterschei<strong>de</strong>n. Zur Vermietung öffentlicher Schwimmbä<strong>de</strong>r an Schwimmvereine und <strong>zur</strong> Nutzung durch<br />

Schulen für <strong>de</strong>n Schwimmunterricht siehe Nr. 13.<br />

12. Die Vermietung auf längere Dauer ist <strong>de</strong>m Bereich <strong>de</strong>r steuerfreien Vermögensverwaltung zuzuordnen,<br />

so dass sich die Frage <strong>de</strong>r Behandlung als „sportliche Veranstaltung“ i. S. d. § 67a dort nicht stellt.<br />

Die Vermietung von Sportstätten und Betriebsvorrichtungen auf kurze Dauer schafft lediglich die<br />

Voraussetzungen für sportliche Veranstaltungen. Sie ist jedoch selbst keine „sportliche Veranstaltung“,<br />

son<strong>de</strong>rn ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb eigener Art. Dieser ist als Zweckbetrieb i. S. d. § 65<br />

anzusehen, wenn es sich bei <strong>de</strong>n Mietern um Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Vereins han<strong>de</strong>lt. Bei <strong>de</strong>r Vermietung auf<br />

kurze Dauer an Nichtmitglie<strong>de</strong>r tritt <strong>de</strong>r Verein dagegen in größerem Umfang in Wettbewerb zu nicht<br />

begünstigten Vermietern, als es bei Erfüllung seiner steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist (§ 65<br />

Nr. 3). Diese Art <strong>de</strong>r Vermietung ist <strong>de</strong>shalb als steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu<br />

behan<strong>de</strong>ln.<br />

13. Durch <strong>de</strong>n Betrieb eines öffentlichen Schwimmba<strong>de</strong>s wer<strong>de</strong>n gemeinnützige Zwecke (öffentliche<br />

Gesundheitspflege und Sport) unabhängig davon geför<strong>de</strong>rt, ob das Schwimmbad von einem Verein o<strong>de</strong>r<br />

von einer juristischen Person <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts als Betrieb gewerblicher Art unterhalten wird.<br />

Die verschie<strong>de</strong>nen Tätigkeiten eines gemeinnützigen Schwimmvereins sind wie folgt zu beurteilen:<br />

a) Schulschwimmen<br />

Die Vermietung <strong>de</strong>s Schwimmbads auf längere Dauer an die Träger <strong>de</strong>r Schulen ist als<br />

Vermögensverwaltung anzusehen. Eine Vermietung auf längere Dauer ist in Anlehnung an<br />

Abschnitt 4.12.3 Absatz 2 UStAE bei stun<strong>de</strong>nweiser Nutzungsmöglichkeit <strong>de</strong>s Schwimmbads durch<br />

die Schulen anzunehmen, wenn die Nutzung mehr als ein Schulhalbjahr (min<strong>de</strong>stens sechs Monate)<br />

erfolgt. Unselbständige Nebenleistungen <strong>de</strong>s Vereins, wie Reinigung <strong>de</strong>s Schwimmbads, gehören mit<br />

<strong>zur</strong> Vermögensverwaltung.<br />

b) Vereinsschwimmen<br />

Das Vereinsschwimmen und die Durchführung von Schwimmkursen sind nach Maßgabe <strong>de</strong>s § 67a<br />

Zweckbetriebe (sportliche Veranstaltungen). Dabei ist es ohne Be<strong>de</strong>utung, ob die Teilnehmer an <strong>de</strong>n<br />

Schwimmkursen Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Vereins o<strong>de</strong>r Vereinsfrem<strong>de</strong> sind.<br />

c) Je<strong>de</strong>rmannschwimmen<br />

Das Je<strong>de</strong>rmannschwimmen ist insgesamt als Zweckbetrieb i. S. d. § 65 anzusehen, wenn die nicht<br />

unmittelbar <strong>de</strong>m Schwimmen dienen<strong>de</strong>n Angebote (zum Beispiel Sauna, Solarium) von<br />

untergeordneter Be<strong>de</strong>utung sind. Schwimmbä<strong>de</strong>r, die danach als Zweckbetriebe begünstigt sind,<br />

stehen in keinem schädlichen Wettbewerb zu steuerpflichtigen Schwimmbä<strong>de</strong>rn (§ 65 Nr. 3), weil sie<br />

i. d. R. an<strong>de</strong>rs strukturiert sind (so genannte Spaßbä<strong>de</strong>r) und sich ihre Angebote erheblich von <strong>de</strong>m<br />

im Wesentlichen auf das Schwimmen begrenzten Angebot <strong>de</strong>r Vereinsschwimmbä<strong>de</strong>r unterschei<strong>de</strong>n.<br />

14. Wer<strong>de</strong>n im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Vermietung von Sportstätten und Betriebsvorrichtungen auch<br />

bewegliche Gegenstän<strong>de</strong>, z. B. Tennisschläger o<strong>de</strong>r Golfschläger überlassen, stellt die entgeltliche<br />

Überlassung dieser Gegenstän<strong>de</strong> ein Hilfsgeschäft dar, das das steuerliche Schicksal <strong>de</strong>r Hauptleistung<br />

teilt (BFH-Urteil vom 30.3.2000 – V R 30/99 – BStBl. II, S. 705). Bei <strong>de</strong>r alleinigen Überlassung von<br />

Sportgeräten, z. B. eines Flugzeugs, bestimmt sich die Zweckbetriebseigenschaft danach, ob die<br />

Sportgeräte Mitglie<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r Nichtmitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>s Vereins überlassen wer<strong>de</strong>n.<br />

15. § 3 Nr. 26 EStG gilt nicht für Einnahmen, die ein nebenberuflicher Übungsleiter etc. für eine Tätigkeit in<br />

einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb „sportliche Veranstaltungen“ erhält.<br />

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16. Wer<strong>de</strong>n sportliche Veranstaltungen, die im vorangegangenen Veranlagungszeitraum Zweckbetrieb<br />

waren, zu einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb o<strong>de</strong>r umgekehrt, ist grundsätzlich<br />

§ 13 Abs. 5 KStG anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

Zu § 67a Abs. 1:<br />

17. Bei <strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>r Zweckbetriebsgrenze von 35 000 € sind alle Einnahmen <strong>de</strong>r Veranstaltungen<br />

zusammen<strong>zur</strong>echnen, die in <strong>de</strong>m maßgeblichen Jahr nach <strong>de</strong>n Regelungen <strong>de</strong>r Nrn. 1 bis 15 als sportliche<br />

Veranstaltungen anzusehen sind. Zu diesen Einnahmen gehören insbeson<strong>de</strong>re Eintrittsgel<strong>de</strong>r, Startgel<strong>de</strong>r,<br />

Zahlungen für die Übertragung sportlicher Veranstaltungen in Rundfunk und Fernsehen,<br />

Lehrgangsgebühren und Ablösezahlungen. Zum allgemeinen Einnahmebegriff wird auf die Nrn. 15<br />

und 16 zu § 64 hingewiesen.<br />

18. Die Bezahlung von Sportlern in einem Zweckbetrieb i. S. d. § 67a Abs. 1 Satz 1 ist zulässig (§ 58 Nr. 9).<br />

Dabei ist die Herkunft <strong>de</strong>r Mittel, mit <strong>de</strong>nen die Sportler bezahlt wer<strong>de</strong>n, ohne Be<strong>de</strong>utung.<br />

19. Die Zahlung von Ablösesummen ist in einem Zweckbetrieb i. S. d. § 67a Abs. 1 Satz 1 uneingeschränkt<br />

zulässig.<br />

20. Bei Spielgemeinschaften von Sportvereinen ist – unabhängig von <strong>de</strong>r Qualifizierung <strong>de</strong>r Einkünfte im<br />

Feststellungsbescheid für die Gemeinschaft – bei <strong>de</strong>r Körperschaftsteuerveranlagung <strong>de</strong>r beteiligten<br />

Sportvereine zu entschei<strong>de</strong>n, ob ein Zweckbetrieb o<strong>de</strong>r ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher<br />

Geschäftsbetrieb gegeben ist. Dabei ist für die Beurteilung <strong>de</strong>r Frage, ob die Zweckbetriebsgrenze <strong>de</strong>s<br />

§ 67a Abs. 1 Satz 1 überschritten wird, die Höhe <strong>de</strong>r anteiligen Einnahmen (nicht <strong>de</strong>s anteiligen<br />

Gewinns) maßgeblich.<br />

Zu § 67a Abs. 2:<br />

21. Ein Verzicht auf die Anwendung <strong>de</strong>s § 67a Abs. 1 Satz 1 ist auch dann möglich, wenn die Einnahmen<br />

aus <strong>de</strong>n sportlichen Veranstaltungen die Zweckbetriebsgrenze von 35 000 € nicht übersteigen.<br />

22. Die Option nach § 67a Abs. 2 kann bis <strong>zur</strong> Unanfechtbarkeit <strong>de</strong>s Körperschaftsteuerbescheids wi<strong>de</strong>rrufen<br />

wer<strong>de</strong>n. Die Regelungen in Abschnitt 247 Abs. 2 und 6 UStR sind entsprechend anzuwen<strong>de</strong>n. Der<br />

Wi<strong>de</strong>rruf ist – auch nach Ablauf <strong>de</strong>r Bindungsfrist – nur mit Wirkung ab <strong>de</strong>m Beginn eines Kalen<strong>de</strong>ro<strong>de</strong>r<br />

Wirtschaftsjahres zulässig.<br />

Zu § 67a Abs. 3:<br />

23. Verzichtet ein Sportverein gem. § 67a Abs. 2 auf die Anwendung <strong>de</strong>r Zweckbetriebsgrenze (§ 67a Abs. 1<br />

Satz 1), sind sportliche Veranstaltungen ein Zweckbetrieb, wenn an ihnen kein bezahlter Sportler <strong>de</strong>s<br />

Vereins teilnimmt und <strong>de</strong>r Verein keinen vereinsfrem<strong>de</strong>n Sportler selbst o<strong>de</strong>r im Zusammenwirken mit<br />

einem Dritten bezahlt. Auf die Höhe <strong>de</strong>r Einnahmen o<strong>de</strong>r Überschüsse dieser sportlichen<br />

Veranstaltungen kommt es bei Anwendung <strong>de</strong>s § 67a Abs. 3 nicht an. Sportliche Veranstaltungen, an<br />

<strong>de</strong>nen ein o<strong>de</strong>r mehrere Sportler teilnehmen, die nach § 67a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 o<strong>de</strong>r 2 als bezahlte<br />

Sportler anzusehen sind, sind steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe. Es kommt nach <strong>de</strong>m<br />

Gesetz nicht darauf an, ob ein Verein eine Veranstaltung von vornherein als steuerpflichtigen<br />

wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb angesehen o<strong>de</strong>r ob er – aus welchen Grün<strong>de</strong>n auch immer – zunächst<br />

irrtümlich einen Zweckbetrieb angenommen hat.<br />

24. Unter Veranstaltungen i. S. <strong>de</strong>s § 67a Abs. 3 sind bei allen Sportarten grundsätzlich die einzelnen<br />

Wettbewerbe zu verstehen, die in engem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang durchgeführt wer<strong>de</strong>n.<br />

Bei einer Mannschaftssportart ist also nicht die gesamte Meisterschaftsrun<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn je<strong>de</strong>s einzelne<br />

Meisterschaftsspiel die zu beurteilen<strong>de</strong> sportliche Veranstaltung. Bei einem Turnier hängt es von <strong>de</strong>r<br />

Gestaltung im Einzelfall ab, ob das gesamte Turnier o<strong>de</strong>r je<strong>de</strong>s einzelne Spiel als eine sportliche<br />

Veranstaltung anzusehen ist. Dabei ist von wesentlicher Be<strong>de</strong>utung, ob für je<strong>de</strong>s Spiel geson<strong>de</strong>rt Eintritt<br />

erhoben wird und ob die Einnahmen und Ausgaben für je<strong>de</strong>s Spiel geson<strong>de</strong>rt ermittelt wer<strong>de</strong>n.<br />

25. Sportkurse und Sportlehrgänge für Mitglie<strong>de</strong>r und Nichtmitglie<strong>de</strong>r von Sportvereinen sind bei<br />

Anwendung <strong>de</strong>s § 67a Abs. 3 als Zweckbetrieb zu behan<strong>de</strong>ln, wenn kein Sportler als Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r<br />

teilnimmt, <strong>de</strong>r wegen seiner Betätigung in dieser Sportart als bezahlter Sportler i. S. d. § 67a Abs. 3<br />

anzusehen ist. Die Bezahlung von Ausbil<strong>de</strong>rn berührt die Zweckbetriebseigenschaft nicht.<br />

26. Ist ein Sportler in einem Kalen<strong>de</strong>rjahr als bezahlter Sportler anzusehen, sind alle in <strong>de</strong>m Kalen<strong>de</strong>rjahr<br />

durchgeführten sportlichen Veranstaltungen <strong>de</strong>s Vereins, an <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Sportler teilnimmt, ein<br />

steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb. Bei einem vom Kalen<strong>de</strong>rjahr abweichen<strong>de</strong>n<br />

Wirtschaftsjahr ist das abweichen<strong>de</strong> Wirtschaftsjahr zugrun<strong>de</strong> zu legen. Es kommt nicht darauf an, ob <strong>de</strong>r<br />

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Sportler die Merkmale <strong>de</strong>s bezahlten Sportlers erst nach Beendigung <strong>de</strong>r sportlichen Veranstaltung<br />

erfüllt. Die Teilnahme unbezahlter Sportler an einer Veranstaltung, an <strong>de</strong>r auch bezahlte Sportler<br />

teilnehmen, hat keinen Einfluss auf die Behandlung <strong>de</strong>r Veranstaltung als steuerpflichtiger<br />

wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb.<br />

27. Die Vergütungen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Vorteile müssen in vollem Umfang aus steuerpflichtigen wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetrieben o<strong>de</strong>r von Dritten geleistet wer<strong>de</strong>n (§ 67a Abs. 3 Satz 3). Eine Aufteilung <strong>de</strong>r<br />

Vergütungen ist nicht zulässig. Es ist also z. B. steuerlich nicht zulässig, Vergütungen an bezahlte<br />

Sportler bis zu 400 € im Monat als Ausgaben <strong>de</strong>s steuerbegünstigten Bereichs und nur die 400 €<br />

übersteigen<strong>de</strong>n Vergütungen als Ausgaben <strong>de</strong>s steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs<br />

„sportliche Veranstaltungen“ zu behan<strong>de</strong>ln.<br />

28. Auch die an<strong>de</strong>ren Kosten müssen aus <strong>de</strong>m steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb „sportliche<br />

Veranstaltungen“, an<strong>de</strong>ren steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben o<strong>de</strong>r von Dritten<br />

geleistet wer<strong>de</strong>n. Dies gilt auch dann, wenn an <strong>de</strong>r Veranstaltung neben bezahlten Sportlern auch<br />

unbezahlte Sportler teilnehmen. Die Kosten eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs<br />

„sportliche Veranstaltungen“ sind also nicht danach aufzuteilen, ob sie auf bezahlte o<strong>de</strong>r auf unbezahlte<br />

Sportler entfallen. Etwaiger Aufwandsersatz an unbezahlte Sportler für die Teilnahme an einer<br />

Veranstaltung mit bezahlten Sportlern ist als eine Ausgabe dieser Veranstaltung zu behan<strong>de</strong>ln. Aus<br />

Vereinfachungsgrün<strong>de</strong>n ist es aber nicht zu beanstan<strong>de</strong>n, wenn die Aufwandspauschale (vgl. Nr. 32) an<br />

unbezahlte Sportler nicht als Betriebsausgabe <strong>de</strong>s steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs<br />

behan<strong>de</strong>lt, son<strong>de</strong>rn aus Mitteln <strong>de</strong>s i<strong>de</strong>ellen Bereichs abge<strong>de</strong>ckt wird.<br />

29. Trainingskosten (z. B. Vergütungen an Trainer), die sowohl unbezahlte als auch bezahlte Sportler<br />

betreffen, sind nach <strong>de</strong>n im Einzelfall gegebenen Abgrenzungsmöglichkeiten aufzuteilen. Als solche<br />

kommen beispielsweise in Betracht <strong>de</strong>r jeweilige Zeitaufwand o<strong>de</strong>r – bei gleichzeitigem Training<br />

unbezahlter und bezahlter Sportler – die Zahl <strong>de</strong>r trainierten Sportler o<strong>de</strong>r Mannschaften. Soweit eine<br />

Abgrenzung an<strong>de</strong>rs nicht möglich ist, sind die auf das Training unbezahlter und bezahlter Sportler<br />

entfallen<strong>de</strong>n Kosten im Wege <strong>de</strong>r Schätzung zu ermitteln.<br />

30. Wer<strong>de</strong>n bezahlte und unbezahlte Sportler einer Mannschaft gleichzeitig für eine Veranstaltung trainiert,<br />

die als steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu beurteilen ist, sind die gesamten<br />

Trainingskosten dafür Ausgaben <strong>de</strong>s steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs. Die<br />

Vereinfachungsregelung in Nr. 28 letzter Satz gilt entsprechend.<br />

31. Sportler <strong>de</strong>s Vereins i. S. d. § 67a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 sind nicht nur die (aktiven) Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Vereins,<br />

son<strong>de</strong>rn alle Sportler, die für <strong>de</strong>n Verein auftreten, z. B. in einer Mannschaft <strong>de</strong>s Vereins mitwirken. Für<br />

Verbän<strong>de</strong> gilt Nr. 38.<br />

32. Zahlungen an einen Sportler <strong>de</strong>s Vereins bis zu insgesamt 400 € je Monat im Jahresdurchschnitt sind für<br />

die Beurteilung <strong>de</strong>r Zweckbetriebseigenschaft <strong>de</strong>r sportlichen Veranstaltungen – nicht aber bei <strong>de</strong>r<br />

Besteuerung <strong>de</strong>s Sportlers – ohne Einzelnachweis als Aufwandsentschädigung anzusehen. Wer<strong>de</strong>n<br />

höhere Aufwendungen erstattet, sind die gesamten Aufwendungen im Einzelnen nachzuweisen. Dabei<br />

muss es sich um Aufwendungen persönlicher o<strong>de</strong>r sachlicher Art han<strong>de</strong>ln, die <strong>de</strong>m Grun<strong>de</strong> nach<br />

Werbungskosten o<strong>de</strong>r Betriebsausgaben sein können.<br />

Die Regelung gilt für alle Sportarten.<br />

33. Die Regelung über die Unschädlichkeit pauschaler Aufwandsentschädigungen bis zu 400 € je Monat im<br />

Jahresdurchschnitt gilt nur für Sportler <strong>de</strong>s Vereins, nicht aber für Zahlungen an an<strong>de</strong>re Sportler. Einem<br />

an<strong>de</strong>ren Sportler, <strong>de</strong>r in einem Jahr nur an einer Veranstaltung <strong>de</strong>s Vereins teilnimmt, kann also nicht ein<br />

Betrag bis zu 4 800 € als pauschaler Aufwandsersatz dafür gezahlt wer<strong>de</strong>n. Vielmehr führt in <strong>de</strong>n Fällen<br />

<strong>de</strong>s § 67a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 je<strong>de</strong> Zahlung an einen Sportler, die über eine Erstattung <strong>de</strong>s tatsächlichen<br />

Aufwands hinausgeht, zum Verlust <strong>de</strong>r Zweckbetriebseigenschaft <strong>de</strong>r Veranstaltung.<br />

34. Zuwendungen <strong>de</strong>r Stiftung Deutsche Sporthilfe, Frankfurt, und vergleichbarer Einrichtungen <strong>de</strong>r<br />

Sporthilfe an Spitzensportler sind i. d. R. als Ersatz von beson<strong>de</strong>ren Aufwendungen <strong>de</strong>r Spitzensportler<br />

für ihren Sport anzusehen. Sie sind <strong>de</strong>shalb nicht auf die zulässige Aufwandspauschale von 400 € je<br />

Monat im Jahresdurchschnitt an<strong>zur</strong>echnen. Weisen Sportler die tatsächlichen Aufwendungen nach, so<br />

muss sich <strong>de</strong>r Nachweis auch auf die Aufwendungen erstrecken, die <strong>de</strong>n Zuwendungen <strong>de</strong>r Stiftung<br />

Deutsche Sporthilfe und vergleichbarer Einrichtungen gegenüberstehen.<br />

35. Bei <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r Zweckbetriebseigenschaft einer Sportveranstaltung nach § 67a Abs. 3 ist nicht zu<br />

unterschei<strong>de</strong>n, ob Vergütungen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Vorteile an einen Sportler für die Teilnahme an sich o<strong>de</strong>r für<br />

die erfolgreiche Teilnahme gewährt wer<strong>de</strong>n. Entschei<strong>de</strong>nd ist, dass <strong>de</strong>r Sportler aufgrund seiner<br />

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Teilnahme Vorteile hat, die er ohne seine Teilnahme nicht erhalten hätte. Auch die Zahlung eines<br />

Preisgel<strong>de</strong>s, das über eine Aufwandsentschädigung hinausgeht, begrün<strong>de</strong>t <strong>de</strong>mnach einen<br />

steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.<br />

36. Bei einem so genannten Spielertrainer ist zu unterschei<strong>de</strong>n, ob er für die Trainertätigkeit o<strong>de</strong>r für die<br />

Ausübung <strong>de</strong>s Sports Vergütungen erhält. Wird er nur für die Trainertätigkeit bezahlt o<strong>de</strong>r erhält er für<br />

die Tätigkeit als Spieler nicht mehr als <strong>de</strong>n Ersatz seiner Aufwendungen (vgl. Nr. 32), ist seine<br />

Teilnahme an sportlichen Veranstaltungen unschädlich für die Zweckbetriebseigenschaft.<br />

37. Unbezahlte Sportler wer<strong>de</strong>n wegen <strong>de</strong>r Teilnahme an Veranstaltungen mit bezahlten Sportlern nicht<br />

selbst zu bezahlten Sportlern. Die Ausbildung dieser Sportler gehört nach wie vor zu <strong>de</strong>r<br />

steuerbegünstigten Tätigkeit eines Sportvereins, es sei <strong>de</strong>nn, sie wer<strong>de</strong>n zusammen mit bezahlten<br />

Sportlern für eine Veranstaltung trainiert, die ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist<br />

(vgl. Nr. 30).<br />

38. Sportler, die einem bestimmten Sportverein angehören und die nicht selbst unmittelbar Mitglie<strong>de</strong>r eines<br />

Sportverban<strong>de</strong>s sind, wer<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r Zweckbetriebseigenschaft von Veranstaltungen <strong>de</strong>s<br />

Verban<strong>de</strong>s als an<strong>de</strong>re Sportler i. S. d. § 67a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 angesehen. Zahlungen <strong>de</strong>r Vereine an<br />

Sportler im Zusammenhang mit sportlichen Veranstaltungen <strong>de</strong>r Verbän<strong>de</strong> (z. B. Län<strong>de</strong>rwettkämpfe)<br />

sind in diesen Fällen als „Zahlungen von Dritten im Zusammenwirken mit <strong>de</strong>m Verein“ (hier: Verband)<br />

zu behan<strong>de</strong>ln.<br />

39. Ablösezahlungen, die einem steuerbegünstigten Sportverein für die Freigabe von Sportlern zufließen,<br />

beeinträchtigen seine Gemeinnützigkeit nicht. Die erhaltenen Beträge zählen zu <strong>de</strong>n Einnahmen aus <strong>de</strong>m<br />

steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb „sportliche Veranstaltungen“, wenn <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Verein<br />

wechseln<strong>de</strong> Sportler in <strong>de</strong>n letzten zwölf Monaten vor seiner Freigabe bezahlter Sportler i. S. d. § 67a<br />

Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 war. Ansonsten gehören sie zu <strong>de</strong>n Einnahmen aus <strong>de</strong>m Zweckbetrieb „sportliche<br />

Veranstaltungen“.<br />

40. Zahlungen eines steuerbegünstigten Sportvereins an einen an<strong>de</strong>ren (abgeben<strong>de</strong>n) Verein für die<br />

Übernahme eines Sportlers sind unschädlich für die Gemeinnützigkeit <strong>de</strong>s zahlen<strong>de</strong>n Vereins, wenn sie<br />

aus steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben für die Übernahme eines Sportlers gezahlt<br />

wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r beim aufnehmen<strong>de</strong>n Verein in <strong>de</strong>n ersten zwölf Monaten nach <strong>de</strong>m Vereinswechsel als<br />

bezahlter Sportler i. S. d. § 67a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 anzusehen ist. Zahlungen für einen Sportler, <strong>de</strong>r beim<br />

aufnehmen<strong>de</strong>n Verein nicht als bezahlter Sportler anzusehen ist, sind bei Anwendung <strong>de</strong>s § 67a Abs. 3<br />

nur dann unschädlich für die Gemeinnützigkeit <strong>de</strong>s zahlen<strong>de</strong>n Vereins, wenn lediglich die<br />

Ausbildungskosten für <strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Verein wechseln<strong>de</strong>n Sportler erstattet wer<strong>de</strong>n. Eine <strong>de</strong>rartige<br />

Kostenerstattung kann bei Zahlungen bis <strong>zur</strong> Höhe von 2 557 € je Sportler ohne weiteres angenommen<br />

wer<strong>de</strong>n. Bei höheren Kostenerstattungen sind sämtliche Ausbildungskosten im Einzelfall nachzuweisen.<br />

Die Zahlungen min<strong>de</strong>rn nicht <strong>de</strong>n Überschuss <strong>de</strong>s steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs<br />

„sportliche Veranstaltungen“.<br />

Zur steuerlichen Behandlung von Ablösezahlungen bei Anwendung <strong>de</strong>r Zweckbetriebsgrenze <strong>de</strong>s § 67a<br />

Abs. 1 Satz 1 vgl. Nrn. 17 und 19.<br />

Zu § 68 – Einzelne Zweckbetriebe:<br />

Allgemeines<br />

1. § 68 enthält einen gesetzlichen Katalog einzelner Zweckbetriebe und geht als spezielle Norm <strong>de</strong>r<br />

Regelung <strong>de</strong>s § 65 vor (BFH-Urteil vom 4.6.2003 – I R 25/02 – BStBl. 2004 II, S. 660). Die beispielhafte<br />

Aufzählung von Betrieben, die ihrer Art nach Zweckbetriebe sein können, gibt wichtige Anhaltspunkte<br />

für die Auslegung <strong>de</strong>r Begriffe Zweckbetrieb (§ 65) im Allgemeinen und Einrichtungen <strong>de</strong>r<br />

Wohlfahrtspflege (§ 66) im Beson<strong>de</strong>ren.<br />

Zu § 68 Nr. 1:<br />

2. Wegen <strong>de</strong>r Begriffe „Alten-, Altenwohn- und Pflegeheime“ Hinweis auf § 1 <strong>de</strong>s Heimgesetzes. Eine für<br />

die Allgemeinheit zugängliche Cafeteria ist ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb.<br />

Soweit eine steuerbegünstigte Körperschaft Leistungen im Rahmen <strong>de</strong>r häuslichen Pflege erbringt, liegt<br />

i. d. R. ein Zweckbetrieb nach § 66 vor (vgl. zu § 66, Nr. 4).<br />

3. Bei Kin<strong>de</strong>rgärten, Kin<strong>de</strong>r-, Jugend- und Stu<strong>de</strong>ntenheimen sowie bei Schullandheimen und<br />

Jugendherbergen müssen die geför<strong>de</strong>rten Personen die Voraussetzungen nach § 53 nicht erfüllen.<br />

Jugendherbergen verlieren ihre Zweckbetriebseigenschaft nicht, wenn außerhalb ihres satzungsmäßigen<br />

Zwecks <strong>de</strong>r Umfang <strong>de</strong>r Beherbergung alleinreisen<strong>de</strong>r Erwachsener 10 v. H. <strong>de</strong>r Gesamtbeherbergungen<br />

nicht übersteigt (BFH-Urteil vom 18.1.1995 – V R 139-142/92 – BStBl. II, S. 446).<br />

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Zu § 68 Nr. 2:<br />

4. Von § 68 Nr. 2 Buchstabe b wer<strong>de</strong>n nur solche Selbstversorgungseinrichtungen umfasst, die <strong>de</strong>n darin<br />

genannten Handwerksbetrieben vergleichbar sind. Wer<strong>de</strong>n auch Leistungen gegenüber Außenstehen<strong>de</strong>n<br />

erbracht, sind nur solche Einrichtungen <strong>de</strong>r steuerbegünstigten Körperschaft begünstigt, die nicht<br />

regelmäßig ausgelastet sind und <strong>de</strong>shalb gelegentlich auch Leistungen an Außenstehen<strong>de</strong> erbringen, nicht<br />

aber solche, die über Jahre hinweg Leistungen an Außenstehen<strong>de</strong> ausführen und hierfür auch personell<br />

entsprechend ausgestattet sind (vgl. BFH-Urteil vom 29.1.2009 – V R 46/06 – BStBl. II, S. 560 und<br />

BMF-Schreiben vom 12.4.2011 – IV C 4 – S 0187/09/10005 :001 – BStBl. I, S. 538). Außenstehen<strong>de</strong> im<br />

Sinne dieser Regelung sind auch Arbeitnehmer <strong>de</strong>r Körperschaft. Bei Lieferungen und Leistungen an<br />

Außenstehen<strong>de</strong> tritt die Körperschaft mit Dritten in Leistungsbeziehung. Solange <strong>de</strong>r Umfang dieser<br />

Geschäfte an Dritte, hierzu gehören auch Leistungsempfänger, die selbst eine steuerbegünstigte<br />

Körperschaft i. S. d. § 68 Nr. 2 sind (BFH-Urteil vom 18.10.1990 – V R 35/85 – BStBl. 1991 II, S. 157),<br />

nicht mehr als 20 v. H. <strong>de</strong>r gesamten Lieferungen und Leistungen <strong>de</strong>r begünstigten Körperschaft<br />

ausmachen, bleibt die Zweckbetriebseigenschaft erhalten.<br />

Zu § 68 Nr. 3:<br />

5. Der Begriff „Werkstatt für behin<strong>de</strong>rte Menschen“ bestimmt sich nach § 136 Sozialgesetzbuch – Neuntes<br />

Buch – (SGB IX). Werkstätten für behin<strong>de</strong>rte Menschen bedürfen <strong>de</strong>r förmlichen Anerkennung.<br />

Anerkennungsbehör<strong>de</strong> ist die Bun<strong>de</strong>sagentur für Arbeit, die im Einvernehmen mit <strong>de</strong>m überörtlichen<br />

Träger <strong>de</strong>r Sozialhilfe über die Anerkennung einer Einrichtung als Werkstatt für behin<strong>de</strong>rte Menschen<br />

durch Anerkennungsbescheid entschei<strong>de</strong>t (§ 142 SGB IX).<br />

Lä<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Verkaufsstellen von Werkstätten für behin<strong>de</strong>rte Menschen sind grundsätzlich als<br />

Zweckbetriebe zu behan<strong>de</strong>ln, wenn dort Produkte verkauft wer<strong>de</strong>n, die von <strong>de</strong>r – <strong>de</strong>n La<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r die<br />

Verkaufsstelle betreiben<strong>de</strong>n – Werkstatt für behin<strong>de</strong>rte Menschen o<strong>de</strong>r einer an<strong>de</strong>ren Werkstatt für<br />

behin<strong>de</strong>rte Menschen i. S. d. § 68 Nr. 3a hergestellt wor<strong>de</strong>n sind. Wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>m La<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Verkaufsstelle <strong>de</strong>r Werkstatt für behin<strong>de</strong>rte Menschen auch zugekaufte Waren, die nicht von ihr o<strong>de</strong>r von<br />

an<strong>de</strong>ren Werkstätten für behin<strong>de</strong>rte Menschen hergestellt wor<strong>de</strong>n sind, weiterverkauft, liegt insoweit ein<br />

geson<strong>de</strong>rter steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vor.<br />

Zu <strong>de</strong>n Zweckbetrieben gehören auch die von <strong>de</strong>n Trägern <strong>de</strong>r Werkstätten für behin<strong>de</strong>rte Menschen<br />

betriebenen Kantinen, weil die beson<strong>de</strong>re Situation <strong>de</strong>r behin<strong>de</strong>rten Menschen auch während <strong>de</strong>r<br />

Mahlzeiten eine Betreuung erfor<strong>de</strong>rt.<br />

6. Integrationsprojekte i. S. d. § 132 SGB IX sind rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Unternehmen<br />

(Integrationsunternehmen) o<strong>de</strong>r unternehmensinterne o<strong>de</strong>r von öffentlichen Arbeitgebern i. S. d. § 73<br />

Abs. 3 SGB IX geführte Betriebe (Integrationsbetriebe) o<strong>de</strong>r Abteilungen (Integrationsabteilungen) <strong>zur</strong><br />

Beschäftigung schwerbehin<strong>de</strong>rter Menschen, <strong>de</strong>ren Teilhabe an einer sonstigen Beschäftigung auf <strong>de</strong>m<br />

allgemeinen Arbeitsmarkt aufgrund von Art o<strong>de</strong>r Schwere <strong>de</strong>r Behin<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r wegen sonstiger<br />

Umstän<strong>de</strong> voraussichtlich auf beson<strong>de</strong>re Schwierigkeiten stößt. Während Integrationsprojekte i. S. d.<br />

§ 132 SGB IX min<strong>de</strong>stens 25 % und höchstens 50 % beson<strong>de</strong>rs betroffene schwerbehin<strong>de</strong>rte Menschen<br />

beschäftigen sollen, um sozialrechtlich als Integrationsprojekt anerkannt wer<strong>de</strong>n zu können, bedarf es für<br />

die steuerliche Eignung als Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 3 Buchstabe c einer Beschäftigungsquote von<br />

min<strong>de</strong>stens 40 % dieser Personengruppe. Für Integrationsprojekte wird an<strong>de</strong>rs als bei Werkstätten für<br />

behin<strong>de</strong>rte Menschen kein förmliches Anerkennungsverfahren durchgeführt. Als Nachweis für die<br />

Eigenschaft als Integrationsprojekt dient <strong>de</strong>r Bescheid <strong>de</strong>s zuständigen Integrationsamtes über erbrachte<br />

Leistungen nach § 134 SGB IX (Leistungsbescheid). Zusätzlich ist für die steuerliche Beurteilung als<br />

Integrationsprojekt nach § 68 Nr. 3 Buchstabe c eine Beschäftigungsquote von min<strong>de</strong>stens 40 % <strong>de</strong>r o. g.<br />

Personengruppe nachzuweisen. Die Beschäftigungsquote wird nach <strong>de</strong>n Grundsätzen <strong>de</strong>s § 75 SGB IX<br />

berechnet. Es wer<strong>de</strong>n also grundsätzlich nur die Beschäftigten <strong>de</strong>s Integrationsprojektes berücksichtigt,<br />

die auf Arbeitsplätzen im Sinne <strong>de</strong>s § 73 SGB IX beschäftigt sind (siehe § 75 Abs. 1 SGB IX).<br />

Teilzeitbeschäftigte, die mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von weniger als 18 Stun<strong>de</strong>n beschäftigt sind,<br />

sind damit nicht berücksichtigungsfähig. Ein über diese Grenze hinausgehend Teilzeitbeschäftigter wird<br />

voll angerechnet. Verfügt ein Integrationsprojekt über wenigstens 20 Arbeitsplätze und ist damit<br />

beschäftigungspflichtig (vgl. § 71 Abs. 1 SGB IX), kann das Vorliegen <strong>de</strong>r Voraussetzungen <strong>de</strong>r 40 %-<br />

Quote über die Anzeige nach § 80 Abs. 2 SGB IX geführt wer<strong>de</strong>n.<br />

7. Zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten für (schwer-)behin<strong>de</strong>rte Menschen schaffen Han<strong>de</strong>lsbetriebe,<br />

die als wohnortnahe Einzelhan<strong>de</strong>lsgeschäfte beispielsweise mit einem Lebensmittelvollsortiment und<br />

entsprechen<strong>de</strong>m Einsatz von Fachpersonal betrieben wer<strong>de</strong>n. Mit dieser Beschäftigungsform soll<br />

behin<strong>de</strong>rten Menschen eine Möglichkeit <strong>zur</strong> Teilhabe am Arbeitsleben auf <strong>de</strong>m allgemeinen<br />

Arbeitsmarkt auch außerhalb von Werkstätten für behin<strong>de</strong>rte Menschen geboten wer<strong>de</strong>n.<br />

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Han<strong>de</strong>lsbetriebe, die keine Lä<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Verkaufsstellen von Werkstätten für behin<strong>de</strong>rte Menschen i. S. d.<br />

Nr. 5 darstellen, können als Integrationsprojekt (vgl. Nr. 6) o<strong>de</strong>r als zusätzlicher Arbeitsbereich,<br />

zusätzlicher Betriebsteil o<strong>de</strong>r zusätzliche Betriebsstätte einer (anerkannten) Werkstatt für behin<strong>de</strong>rte<br />

Menschen gegrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Im letzteren Fall muss die Werkstatt für behin<strong>de</strong>rte Menschen bei <strong>de</strong>n<br />

Anerkennungsbehör<strong>de</strong>n (§ 142 SGB IX) die Erweiterung <strong>de</strong>r anerkannten Werkstatt um <strong>de</strong>n zusätzlichen<br />

Arbeitsbereich, <strong>de</strong>n Betriebsteil o<strong>de</strong>r die zusätzliche Betriebsstätte „Han<strong>de</strong>lsbetrieb“ anzeigen und um<br />

<strong>de</strong>ren Einbeziehung in die Anerkennung nach § 142 SGB IX ersuchen. Die Anerkennungsbehör<strong>de</strong>n<br />

prüfen, ob die anerkannte Werkstatt für behin<strong>de</strong>rte Menschen auch mit einer solchen Erweiterung<br />

insgesamt noch die Anerkennungsvoraussetzungen als Werkstatt für behin<strong>de</strong>rte Menschen nach § 142<br />

SGB IX erfüllt.<br />

Han<strong>de</strong>lsbetriebe, die von <strong>de</strong>n Sozialbehör<strong>de</strong>n als Integrationsprojekte geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, stellen<br />

grundsätzlich einen steuerbegünstigten Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 3 Buchstabe c dar, wenn die<br />

Beschäftigungsquote von 40 % <strong>de</strong>r Personengruppe erreicht ist.<br />

Die von <strong>de</strong>n Sozialbehör<strong>de</strong>n vorgenommene sozialrechtliche Einordnung dieser Han<strong>de</strong>lsbetriebe als Teil<br />

einer Werkstatt für behin<strong>de</strong>rte Menschen (§ 68 Nr. 3 Buchstabe a) o<strong>de</strong>r als Integrationsprojekt (§ 68 Nr. 3<br />

Buchstabe c) soll von <strong>de</strong>r zuständigen Finanzbehör<strong>de</strong> regelmäßig übernommen wer<strong>de</strong>n. Dem zuständigen<br />

Finanzamt obliegt aber die abschließen<strong>de</strong> rechtsverbindliche Entscheidung im Einzelfall. Dabei kommt<br />

<strong>de</strong>n Beschei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Sozialbehör<strong>de</strong>n (Anerkennungsbescheid nach § 142 SGB IX bzw. Bescheid über<br />

erbrachte Leistungen nach § 134 SGB IX) grundsätzlich Tatbestandswirkung zu. Die Beschei<strong>de</strong> stellen<br />

aber keine Grundlagenbeschei<strong>de</strong> i. S. v. § 171 Abs. 10 dar.<br />

8. Einrichtungen für Beschäftigungs- und Arbeitstherapie, die <strong>de</strong>r Einglie<strong>de</strong>rung von behin<strong>de</strong>rten Menschen<br />

dienen, sind beson<strong>de</strong>re Einrichtungen, in <strong>de</strong>nen eine Behandlung von behin<strong>de</strong>rten Menschen aufgrund<br />

ärztlicher Indikationen erfolgt. Während eine Beschäftigungstherapie ganz allgemein das Ziel hat,<br />

körperliche o<strong>de</strong>r psychische Grundfunktionen zum Zwecke <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>reinglie<strong>de</strong>rung in das Alltagsleben<br />

wie<strong>de</strong>rherzustellen, zielt die Arbeitstherapie darauf ab, die beson<strong>de</strong>ren Fähigkeiten und Fertigkeiten<br />

auszubil<strong>de</strong>n, zu för<strong>de</strong>rn und zu trainieren, die für eine Teilnahme am Arbeitsleben erfor<strong>de</strong>rlich sind.<br />

Beschäftigungs- und Arbeitstherapie sind vom medizinischen Behandlungszweck geprägt und erfolgen<br />

regelmäßig außerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses zum Träger <strong>de</strong>r Therapieeinrichtung. Ob eine<br />

entsprechen<strong>de</strong> Einrichtung vorliegt, ergibt sich aufgrund <strong>de</strong>r Vereinbarungen über Art und Umfang <strong>de</strong>r<br />

Heilbehandlung und Rehabilitation zwischen <strong>de</strong>m Träger <strong>de</strong>r Einrichtung und <strong>de</strong>n Leistungsträgern.<br />

Zu § 68 Nr. 4:<br />

9. Begünstigte Einrichtungen sind insbeson<strong>de</strong>re Werkstätten, die <strong>zur</strong> Fürsorge von blin<strong>de</strong>n und<br />

körperbehin<strong>de</strong>rten Menschen unterhalten wer<strong>de</strong>n.<br />

Zu § 68 Nr. 6:<br />

10. Lotterien und Ausspielungen sind ein Zweckbetrieb, wenn sie von <strong>de</strong>n zuständigen Behör<strong>de</strong>n genehmigt<br />

sind o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>n jeweiligen lan<strong>de</strong>srechtlichen Bestimmungen wegen <strong>de</strong>s geringen Umfangs <strong>de</strong>r<br />

Ausspielung o<strong>de</strong>r Lotterieveranstaltung per Verwaltungserlass pauschal als genehmigt gelten. Die<br />

sachlichen Voraussetzungen und die Zuständigkeit für die Genehmigung bestimmen sich nach <strong>de</strong>n<br />

lotterierechtlichen Verordnungen <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r. Der Gesetzeswortlaut lässt es offen, in welchem Umfang<br />

solche Lotterien veranstaltet wer<strong>de</strong>n dürfen. Da eine beson<strong>de</strong>re Einschränkung fehlt, ist auch eine<br />

umfangreiche Tätigkeit so lange unschädlich, als die allgemein durch das Gesetz gezogenen Grenzen<br />

nicht überschritten wer<strong>de</strong>n. Die jährliche Organisation einer Tombola durch eine<br />

Mittelbeschaffungskörperschaft ist im Rahmen <strong>de</strong>r Gesamtbetrachtung selbst dann als steuerbegünstigter<br />

Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 6 zu beurteilen, wenn die Körperschaft die Mittel überwiegend aus <strong>de</strong>r<br />

Ausrichtung <strong>de</strong>r Tombola erzielt.<br />

11. Zur Ermittlung <strong>de</strong>s Reinertrags dürfen <strong>de</strong>n Einnahmen aus <strong>de</strong>r Lotterieveranstaltung o<strong>de</strong>r Ausspielung<br />

nur die unmittelbar damit zusammenhängen<strong>de</strong>n Ausgaben gegenübergestellt wer<strong>de</strong>n. Führt eine<br />

steuerbegünstigte Körperschaft eine Lotterieveranstaltung durch, die nach <strong>de</strong>m Rennwett- und<br />

Lotteriegesetz nicht genehmigungsfähig ist, z. B. eine Ausspielung anlässlich einer geselligen<br />

Veranstaltung, han<strong>de</strong>lt es sich insoweit nicht um einen Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 6.<br />

Zu § 68 Nr. 7:<br />

12. Wegen <strong>de</strong>r Breite <strong>de</strong>s Spektrums, die die För<strong>de</strong>rung von Kunst und Kultur umfasst, ist die im Gesetz<br />

enthaltene Aufzählung <strong>de</strong>r kulturellen Einrichtungen nicht abschließend.<br />

13. Kulturelle Einrichtungen und Veranstaltungen i. S. d. § 68 Nr. 7 können nur vorliegen, wenn die<br />

För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Kultur Satzungszweck <strong>de</strong>r Körperschaft ist. Sie sind stets als Zweckbetrieb zu behan<strong>de</strong>ln.<br />

Das BFH-Urteil vom 4.5.1994 – XI R 109/90 – BStBl. II, S. 886) zu sportlichen Darbietungen eines<br />

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Sportvereins (vgl. zu § 67a, Nr. 3) gilt für kulturelle Darbietungen entsprechend. Demnach liegt auch<br />

dann eine kulturelle Veranstaltung <strong>de</strong>r Körperschaft vor, wenn diese eine Darbietung kultureller Art im<br />

Rahmen einer Veranstaltung präsentiert, die nicht von <strong>de</strong>r Körperschaft selbst organisiert wird und die<br />

ihrerseits keine kulturelle Veranstaltung i. S. d. § 68 Nr. 7 darstellt. Wenn z. B. ein steuerbegünstigter<br />

Musikverein, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r volkstümlichen Musik dient, gegen Entgelt im Festzelt einer<br />

Brauerei ein volkstümliches Musikkonzert darbietet, gehört <strong>de</strong>r Auftritt <strong>de</strong>s Musikvereins als kulturelle<br />

Veranstaltung zum Zweckbetrieb.<br />

14. Der Verkauf von Speisen und Getränken und die Werbung bei kulturellen Veranstaltungen gehören nicht<br />

zu <strong>de</strong>m Zweckbetrieb. Diese Tätigkeiten sind geson<strong>de</strong>rte wirtschaftliche Geschäftsbetriebe. Wird für <strong>de</strong>n<br />

Besuch einer kulturellen Veranstaltung mit Bewirtung ein einheitliches Entgelt entrichtet, so ist dieses –<br />

ggf. im Wege <strong>de</strong>r Schätzung – in einen Entgeltsanteil für <strong>de</strong>n Besuch <strong>de</strong>r Veranstaltung (Zweckbetrieb)<br />

und für die Bewirtungsleistungen (wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb) aufzuteilen.<br />

Zu § 68 Nr. 9:<br />

15. Auf das BMF-Schreiben vom 22.9.1999 (BStBl. I, S. 944) wird verwiesen. Abweichend von Tz. I.5<br />

letzter Satz <strong>de</strong>s genannten BMF-Schreibens kann bei einer Forschungseinrichtung, auf die § 68 Nr. 9<br />

anzuwen<strong>de</strong>n ist, <strong>de</strong>ren Träger die Finanzierungsvoraussetzungen <strong>de</strong>r Vorschrift jedoch nicht erfüllt, nicht<br />

zwingend davon ausgegangen wer<strong>de</strong>n, dass sie in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt.<br />

Nach <strong>de</strong>n Grundsätzen <strong>de</strong>s BFH-Urteils vom 4.4.2007 – I R 76/05 – BStBl. II, S. 631 ist unter<br />

Berücksichtigung <strong>de</strong>r gesamten Umstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Einzelfalls zu prüfen, ob sich die Auftragsforschung von<br />

<strong>de</strong>r steuerbegünstigten Tätigkeit trennen lässt. Ist in diesem Fall die Auftragsforschung von<br />

untergeordneter Be<strong>de</strong>utung, kann <strong>de</strong>r Träger <strong>de</strong>r Einrichtung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG gleichwohl<br />

steuerbefreit sein und die Auftragsforschung lediglich einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen<br />

Geschäftsbetrieb (§ 64) darstellen. Die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG geht nur dann<br />

verloren, wenn die Auftragsforschung als eigenständiger Zweck neben die Eigenforschung<br />

(Grundlagenforschung) tritt und somit gegen das Gebot <strong>de</strong>r Ausschließlichkeit <strong>de</strong>s § 56 verstoßen wird.<br />

Zu § 69 – Haftung <strong>de</strong>r Vertreter:<br />

1. Bevollmächtigte, Beistän<strong>de</strong> und Vertreter (§§ 80 und 81) haften nur, wenn sie gleichzeitig Vertreter o<strong>de</strong>r<br />

Verfügungsberechtigte i. S. d. §§ 34 und 35 (z. B. Vermögensverwalter, Konkursverwalter,<br />

Insolvenzverwalter, Testamentsvollstrecker) sind.<br />

2. Die Haftung wird durch Erlass eines Haftungsbescheids gem. § 191 geltend gemacht. Wegen <strong>de</strong>r<br />

Einwendungen <strong>de</strong>s Haften<strong>de</strong>n gegen <strong>de</strong>n ursprünglichen Steuerbescheid Hinweis auf § 166, wegen <strong>de</strong>s<br />

Leistungsgebots vgl. zu § 219; wegen <strong>de</strong>r Verpflichtung <strong>zur</strong> Anhörung <strong>de</strong>r zuständigen Berufskammern vgl.<br />

zu § 191.<br />

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Zu § 70 – Haftung <strong>de</strong>s Vertretenen:<br />

Die Vorschrift hat vor allem Be<strong>de</strong>utung auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s Zoll- und Verbrauchsteuerrechts, im Bereich <strong>de</strong>r<br />

Besitz- und Verkehrsteuern kommt ihre Anwendung insbeson<strong>de</strong>re bei Abzugsteuern in Betracht. Für<br />

Handlungen eines Arbeitnehmers wird nur gehaftet, wenn dieser zu <strong>de</strong>m in <strong>de</strong>n §§ 34 und 35 genannten<br />

Personenkreis gehört.<br />

Zu § 71 – Haftung <strong>de</strong>s Steuerhinterziehers und <strong>de</strong>s Steuerhehlers:<br />

Die für <strong>de</strong>n Erlass <strong>de</strong>s Haftungsbeschei<strong>de</strong>s zuständige Stelle <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> hat im Einvernehmen mit <strong>de</strong>r für<br />

Straf- und Bußgeldsachen zuständigen Stelle zu prüfen, ob <strong>de</strong>r objektive o<strong>de</strong>r subjektive Tatbestand <strong>de</strong>r<br />

einschlägigen Strafvorschrift gegeben ist. Eine vorherige strafgerichtliche Verurteilung ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich.<br />

Ebenso wenig sind Selbstanzeige (§ 371), Eintritt <strong>de</strong>r Strafverfolgungsverjährung o<strong>de</strong>r sonstige<br />

Verfahrenshin<strong>de</strong>rnisse von Be<strong>de</strong>utung. An Entscheidungen im strafgerichtlichen Verfahren ist die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> nicht gebun<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 10.10.1972 – VII R 117/69 – BStBl. 1973 II, S. 68).<br />

Zu § 73 – Haftung bei Organschaft:<br />

1. Die Haftung bezieht sich auf die Steuern, für die die Organschaft gilt. Besteht z. B. nur hinsichtlich <strong>de</strong>r<br />

Umsatzsteuer Organschaft, so erstreckt sich die Haftung <strong>de</strong>r Tochtergesellschaft nicht auch auf die<br />

Körperschaftsteuer o<strong>de</strong>r Gewerbesteuer <strong>de</strong>r Muttergesellschaft.<br />

2. Ob eine Organschaft vorliegt, richtet sich nach <strong>de</strong>m jeweiligen Steuergesetz, das für die einzelne Steuer von<br />

Be<strong>de</strong>utung ist (z. B. § 14 KStG; § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG; § 2 Abs. 2 GewStG).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 63 von 235


Zu § 74 – Haftung <strong>de</strong>s Eigentümers von Gegenstän<strong>de</strong>n:<br />

1. Der Eigentümer <strong>de</strong>r Gegenstän<strong>de</strong> haftet persönlich, aber beschränkt auf die <strong>de</strong>m Unternehmen <strong>zur</strong><br />

Verfügung gestellten Gegenstän<strong>de</strong>. Das Haftungsobjekt ist dabei nicht auf <strong>de</strong>n (im Zeitpunkt <strong>de</strong>r<br />

Haftungsinanspruchnahme noch) im Eigentum <strong>de</strong>s Beteiligten stehen<strong>de</strong>n Gegenstand beschränkt, son<strong>de</strong>rn<br />

umfasst auch ein dafür ggf. erhaltenes Surrogat (Veräußerungserlös, Scha<strong>de</strong>nersatz, Tauschgegenstand<br />

o. Ä.), wenn <strong>de</strong>r Gegenstand im Zeitraum <strong>de</strong>r Steuerschul<strong>de</strong>ntstehung <strong>de</strong>m Unternehmen gedient hat (vgl.<br />

BFH-Urteil vom 22.11.2011 – VII R 63/10 – BStBl. 2012 II, S. 223). Gegenstand <strong>de</strong>r Haftung können auch<br />

immaterielle Wirtschaftsgüter sein, wenn in dieses Vermögen vollstreckt wer<strong>de</strong>n kann (BFH-Urteil vom<br />

23.5.2012 – VII R 28/10 – BStBl. II, S. 763).<br />

Zur Haftung, wenn <strong>de</strong>r Gegenstand nicht im Eigentum <strong>de</strong>s Haften<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn im Eigentum einer<br />

Gesellschaft steht, an <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Haften<strong>de</strong> beteiligt ist, siehe BFH-Urteile vom 10.11.1983 – V R 18/79 – BStBl.<br />

1984 II, S. 127 (GbR) und vom 23.5.2012 – VII R 28/10 – BStBl. 2012 II, S. 763 (KG).<br />

2. Der Eigentümer haftet für die Steuern und Ansprüche auf Erstattung von Steuervergütungen, bei <strong>de</strong>nen sich<br />

die Steuerpflicht auf <strong>de</strong>n Betrieb <strong>de</strong>s Unternehmens grün<strong>de</strong>t und die während <strong>de</strong>s Bestehens <strong>de</strong>r wesentlichen<br />

Beteiligung entstan<strong>de</strong>n sind; auf die Fälligkeit kommt es nicht an. Hierzu gehören die Steuern bzw.<br />

Ansprüche, für die <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Einzelsteuergesetzen bezeichnete Tatbestand an <strong>de</strong>n Betrieb eines<br />

Unternehmens geknüpft ist (z. B. Umsatzsteuer – auch bei Eigenverbrauch –, Gewerbesteuer,<br />

Verbrauchsteuer bei Herstellungsbetrieben, Rückfor<strong>de</strong>rung von Investitionszulage), nicht dagegen z. B.<br />

Personensteuern (z. B. Einkommen-, Körperschaft- und Erbschaftsteuer), Zölle, Abschöpfungen o<strong>de</strong>r<br />

Steuerabzugsbeträge (z. B. Lohnsteuer). Die Haftung erstreckt sich nicht auf die steuerlichen<br />

Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4).<br />

3. Eine wesentliche Beteiligung liegt auch dann vor, wenn <strong>de</strong>r betroffene Eigentümer nur mittelbar, z. B. über<br />

eine Tochtergesellschaft o<strong>de</strong>r einen Treuhän<strong>de</strong>r, beteiligt ist.<br />

4. Einer wesentlichen Beteiligung steht es gleich, wenn jemand ohne entsprechen<strong>de</strong> Vermögensbeteiligung auf<br />

das Unternehmen einen beherrschen<strong>de</strong>n Einfluss tatsächlich und in einer Weise ausübt, die dazu beiträgt,<br />

dass fällige Betriebsteuern nicht entrichtet wer<strong>de</strong>n; es genügt nicht, wenn eine Person nur die Möglichkeit<br />

hat, beherrschen<strong>de</strong>n Einfluss auszuüben.<br />

Zu § 75 – Haftung <strong>de</strong>s Betriebsübernehmers:<br />

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Inhaltsübersicht<br />

1. Art <strong>de</strong>r Haftung<br />

2. Haftungsschuldner<br />

3. Haftungstatbestand<br />

3.1 Übereignung eines Unternehmens o<strong>de</strong>r geson<strong>de</strong>rt geführten Betriebs<br />

3.2 Übereignung <strong>de</strong>r wesentlichen Betriebsgrundlagen<br />

3.3 Leben<strong>de</strong>s Unternehmen<br />

3.4 Haftungsausschluss für Erwerbe aus einer Insolvenzmasse und im Vollstreckungsverfahren<br />

4. Umfang <strong>de</strong>r Haftung<br />

4.1 Sachliche Beschränkung<br />

4.2 Zeitliche Beschränkung<br />

4.3 Gegenständliche Beschränkung <strong>de</strong>r Haftung<br />

5. Verjährung<br />

6. Auskunftserteilung bei Betriebsübernahme<br />

1. Art <strong>de</strong>r Haftung<br />

§ 75 begrün<strong>de</strong>t eine persönliche, keine dingliche Haftung, die jedoch ihrem Gegenstand nach auf <strong>de</strong>m Bestand<br />

<strong>de</strong>s übereigneten Unternehmens bzw. Teilbetriebes beschränkt ist.<br />

2. Haftungsschuldner<br />

Haftungsschuldner ist <strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r Geschäftsveräußerung beteiligte Erwerber. Als Erwerber kommt je<strong>de</strong>r in<br />

Betracht, <strong>de</strong>r Träger von Rechten und Pflichten sein kann.<br />

3. Haftungstatbestand<br />

Haftungstatbestand ist die Übereignung eines Unternehmens o<strong>de</strong>r eines in <strong>de</strong>r Glie<strong>de</strong>rung eines Unternehmens<br />

geson<strong>de</strong>rt geführten Betriebes im Ganzen.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 64 von 235


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3.1 Übereignung eines Unternehmens o<strong>de</strong>r geson<strong>de</strong>rt geführten Betriebes<br />

Unternehmen ist je<strong>de</strong> wirtschaftliche Einheit o<strong>de</strong>r organisatorische Zusammenfassung persönlicher o<strong>de</strong>r<br />

sachlicher Mittel <strong>zur</strong> Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke, d. h. ein Unternehmen im Sinne <strong>de</strong>s § 2 Abs. 1 UStG<br />

(BFH-Urteile vom 14.5.1970 – V R 117/96 – BStBl. II, S. 676, vom 28.11.1973 – I R 129/71 – BStBl. 1974 II,<br />

S. 145, vom 27.11.1979 – VII R 12/79 – BStBl. 1980 II, S. 258, vom 11.5.1993 – VII R 86/92 – BStBl. II,<br />

S. 700, und vom 7.3.1996 – VII B 242/95 – BFH/NV S. 726).<br />

Ein geson<strong>de</strong>rt geführter Betrieb im Sinne <strong>de</strong>s § 75 ist ein mit gewisser Selbstständigkeit ausgestatteter, organisch<br />

geschlossener Teil eines Gesamtbetriebes, <strong>de</strong>r für sich allein lebensfähig ist. Fehlt es hieran, so kommt eine<br />

Haftung – ohne Rücksicht auf <strong>de</strong>n Umfang <strong>de</strong>r übernommenen Wirtschaftsgüter – nicht in Betracht (BFH-<br />

Urteile vom 15.3.1984 – IV R 189/81 – BStBl. II, S. 486, vom 3.12.1985 – VII R 186/83 – BFH/NV 1986<br />

S. 315, und vom 29.4.1993 – IV R 88/92 – BFH/NV 1994 S. 694). Ob ein Betriebsteil die für die Annahme eines<br />

geson<strong>de</strong>rt geführten Betriebes erfor<strong>de</strong>rliche Selbstständigkeit besitzt, ist nach <strong>de</strong>m Gesamtbild <strong>de</strong>r Verhältnisse<br />

zu entschei<strong>de</strong>n. Als Abgrenzungsmerkmale sind u. a. von Be<strong>de</strong>utung: Räumliche Trennung vom Hauptbetrieb,<br />

geson<strong>de</strong>rte Buchführung, eigenes Personal, eigene Verwaltung, selbstständige Organisation, eigenes<br />

Anlagevermögen, ungleichartige betriebliche Tätigkeit und eigener Kun<strong>de</strong>nstamm. Diese Merkmale, die nicht<br />

sämtlich vorliegen müssen, haben unterschiedliches Gewicht, je nach<strong>de</strong>m, ob es sich um einen Han<strong>de</strong>ls-,<br />

Dienstleistungs- o<strong>de</strong>r Fertigungsbetrieb han<strong>de</strong>lt (vgl. BFH-Urteile vom 23.11.1988 – X R 1/86 – BStBl. 1989 II,<br />

S. 376, und vom 29.4.1993 – IV R 88/92 – a.a.O.). Bei Einzelhan<strong>de</strong>lsfilialen reicht es für die Annahme eines<br />

geson<strong>de</strong>rt geführten Betriebes regelmäßig nicht aus, dass die Filiale vom Hauptbetrieb räumlich getrennt ist und<br />

über eigenes Personal, eine selbstständige Kassenführung und einen eigenen Kun<strong>de</strong>nkreis verfügt. Es muss<br />

hinzukommen, dass die Filiale über selbstständige Wareneinkaufsbeziehungen und eine selbstständige<br />

Preisgestaltung verfügt (BFH-Urteile vom 12.9.1979 – I R 146/76 – BStBl. 1980 II, S. 51, vom 12.2.1992 –<br />

XI R 21/90 – BFH/NV S. 516, und vom 29.4.1993, a.a.O.).<br />

3.2 Übereignung <strong>de</strong>r wesentlichen Betriebsgrundlagen<br />

Die Übereignung <strong>de</strong>s Unternehmens im Ganzen setzt voraus, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen von<br />

<strong>de</strong>m Veräußerer auf <strong>de</strong>n Erwerber <strong>de</strong>rgestalt übergehen, dass dieser in <strong>de</strong>r Lage ist, wirtschaftlich wie ein<br />

Eigentümer darüber zu verfügen und so das Unternehmen fortzuführen (BFH-Urteile vom 18.3.1986 –<br />

VII R 146/81 – BStBl. II, S. 589 und vom 10.12.1991 – VII R 57/89 – BFH/NV 1992 S. 712). Welche<br />

Wirtschaftsgüter wesentliche Betriebsgrundlage sind, hängt letztendlich von <strong>de</strong>r Art <strong>de</strong>s Betriebes ab und ist<br />

nach <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Einzelfalles zu entschei<strong>de</strong>n; in Betracht kommen z. B. Geschäftsgrundstücke, -räume<br />

und -einrichtung, das Warenlager, Maschinen, Nutzungs- und Gebrauchsrechte o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>nstamm.<br />

Maßgeblich ist das tatsächliche Ergebnis <strong>de</strong>r Übertragung, nicht etwa vertraglich getroffene Vereinbarungen<br />

(BFH-Urteil vom 23.10.1985 – VII R 142/81 – BFH/NV 1986 S. 381). Eine Haftung kommt nicht in Betracht,<br />

sofern <strong>de</strong>r frühere Betriebsinhaber eine wesentliche Betriebsgrundlage <strong>zur</strong>ückbehält und später übereignet (BFH-<br />

Urteil vom 6.8.1985 – VII R 142/81 – BStBl. II, S. 651).<br />

Eine Betriebsübereignung im Sinne <strong>de</strong>s § 75 setzt bei Grundstücken die zu <strong>de</strong>n wesentlichen Grundlagen <strong>de</strong>s<br />

Unternehmens gehören und im Eigentum <strong>de</strong>s Betriebsinhabers stehen, voraus, dass sie nach <strong>de</strong>n Vorschriften <strong>de</strong>s<br />

BGB an <strong>de</strong>n Erwerber übereignet wer<strong>de</strong>n. Die Vermietung o<strong>de</strong>r Verpachtung eines solchen Grundstücks durch<br />

<strong>de</strong>n früheren Betriebsinhaber an <strong>de</strong>n fortführen<strong>de</strong>n Unternehmer vermag die Haftung nicht zu begrün<strong>de</strong>n (BFH-<br />

Urteile vom 18.3.1986 – VII R 146/81 – BStBl. II, S. 589 und vom 29.10.1985 – VII R 194/82 – BFH/NV 1987<br />

S. 358). Das Gleiche gilt, wenn <strong>de</strong>r frühere Unternehmer <strong>de</strong>n ihm gehören<strong>de</strong>n Hälfteanteil <strong>de</strong>s<br />

Betriebsgrundstücks als wesentliche Grundlage <strong>de</strong>s Betriebes nicht an die als Haftungsschuldner in Betracht<br />

kommen<strong>de</strong> GmbH, son<strong>de</strong>rn an <strong>de</strong>ren Alleingesellschafter und alleinigen Geschäftsführer übereignet (BFH-Urteil<br />

vom 16.3.1982 – VII R 105/79 – BStBl. II, S. 483).<br />

Umfassen die wesentlichen Betriebsgrundlagen Wirtschaftsgüter, die nicht im bürgerlich-rechtlichen Sinne<br />

übereignet wer<strong>de</strong>n können (z. B. Erfahrungen, Geheimnisse, Beziehungen zu Kun<strong>de</strong>n, Lieferanten und<br />

Mitarbeitern) genügt es, wenn diese lediglich im wirtschaftlichen Sinne übereignet wer<strong>de</strong>n, so dass <strong>de</strong>r Erwerber<br />

ein eigentümerähnliches Herrschaftsverhältnis erlangt (BFH-Urteile vom 27.11.1979 – VII R 12/79 –<br />

BStBl. 1980 II, S. 258, vom 16.3.1982 – VII R 105/79 – BStBl. II, S. 483, und vom 3.5.1994 – VII B 265/93 –<br />

BFH/NV S. 762).<br />

Gehören zu <strong>de</strong>n wesentlichen Betriebsgrundlagen auch Nutzungsrechte, z. B. Miet- o<strong>de</strong>r Pachtrechte, die nicht<br />

nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen übereignet wer<strong>de</strong>n können, so reicht es für die Übertragung solcher<br />

Rechte aus, dass <strong>de</strong>r Betriebsübernehmer unter Mitwirkung <strong>de</strong>s bisherigen Betriebsinhabers mit <strong>de</strong>m Vermieter<br />

o<strong>de</strong>r Verpächter einen entsprechen<strong>de</strong>n Nutzungsvertrag abschließt. Für die Mitwirkung <strong>de</strong>s bisherigen<br />

Betriebsinhabers ist es ausreichend, wenn dieser in irgen<strong>de</strong>iner tatsächlichen Art und Weise in <strong>de</strong>n Abschluss<br />

<strong>de</strong>s neuen Nutzungsvertrages eingeschaltet war, sei es, dass er <strong>de</strong>n Eintritt <strong>de</strong>s Betriebsübernehmers in <strong>de</strong>n alten<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 65 von 235


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Vertrag o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Neuabschluss <strong>de</strong>s Nutzungsvertrages initiierte, vermittelte, befürwortete o<strong>de</strong>r auch nur billigte<br />

(BFH-Urteil vom 21.2.1989 – VII R 164/85 – BFH/NV S. 671 und BFH-Beschluss vom 19.5.1998 –<br />

VII B 281/97 – BFH/NV 1999 S. 4).<br />

Ein auf frem<strong>de</strong>m Grundstück unterhaltener Betrieb ist erst dann übereignet, wenn <strong>de</strong>r Pachtvertrag mit <strong>de</strong>m<br />

Grundstückseigentümer auf <strong>de</strong>n Erwerber übergeleitet ist. Dies gilt auch dann, wenn an<strong>de</strong>re Betriebsgrundlagen<br />

bereits vorher auf <strong>de</strong>n Erwerber übergegangen sind (BFH-Urteil vom 17.2.1988 – VII R 97/88 – BFH/NV<br />

S. 755).<br />

Für die Haftung <strong>de</strong>s Betriebsübernehmers kommt es nur darauf an, dass das wirtschaftliche Eigentum an <strong>de</strong>n<br />

wesentlichen Betriebsgrundlagen, d. h. die Möglichkeit, über <strong>de</strong>n Einsatz <strong>de</strong>r Gegenstän<strong>de</strong> allein entschei<strong>de</strong>n zu<br />

können, vom bisherigen Unternehmer auf <strong>de</strong>n Erwerber übergeht. Die Haftung <strong>de</strong>s Betriebsübernehmers kommt<br />

daher auch dann in Betracht, wenn <strong>de</strong>r Erwerber das wirtschaftliche Herrschaftsverhältnis über im frem<strong>de</strong>n<br />

Sicherungseigentum stehen<strong>de</strong>s Betriebsvermögen durch Vereinbarung mit <strong>de</strong>m bisherigen Unternehmer erlangt<br />

(BFH-Urteil vom 22.9.1992 – VII R 73–74/91 – BFH/NV 1993 S. 215). Eine Haftung <strong>de</strong>s Betriebsübernehmers<br />

schei<strong>de</strong>t dagegen aus, wenn <strong>de</strong>r Erwerber das (wirtschaftliche) Eigentum durch Erwerb vom Sicherungsnehmer<br />

erlangt, ohne dass <strong>de</strong>r frühere Betreiber <strong>de</strong>s Unternehmens an <strong>de</strong>m Geschäft in irgen<strong>de</strong>iner Weise beteiligt war<br />

(BFH-Urteil vom 19.1.1988 – VII R 74/85 – BFH/NV S. 479, und BFH-Beschluss vom 3.5.1994 –<br />

VII B 265/93 – BFH/NV S. 762).<br />

Eine Übertragung in mehreren Teilakten ist eine Übertragung im Ganzen, wenn die einzelnen Teile im<br />

wirtschaftlichen Zusammenhang stehen und <strong>de</strong>r Wille auf Erwerb <strong>de</strong>s Unternehmens gerichtet ist (BFH-Urteile<br />

vom 16.3.1982 – VII R 105/79 – BStBl. II, S. 483, vom 17.2.1988 – VII R 74/85 – BFH/NV S. 755, und vom<br />

3.5.1994 – VII B 265/93 – BFH/NV S. 762).<br />

3.3 Leben<strong>de</strong>s Unternehmen<br />

Der Haftung <strong>de</strong>s Betriebsübernehmers stehen Überschuldung, Zahlungsunfähigkeit bzw. Insolvenzreife <strong>de</strong>s<br />

bisherigen Unternehmens nicht entgegen. Die Haftung <strong>de</strong>s Erwerbers ist davon abhängig, dass er ein leben<strong>de</strong>s<br />

Unternehmen erwirbt. Dazu ist es erfor<strong>de</strong>rlich, dass <strong>de</strong>r Erwerber das Unternehmen ohne nennenswerte<br />

finanzielle Aufwendungen fortführen o<strong>de</strong>r, sofern <strong>de</strong>r Betrieb <strong>de</strong>s Unternehmens vor <strong>de</strong>m Erwerb bereits<br />

eingestellt war, ohne großen Aufwand wie<strong>de</strong>r in Gang setzen kann (BFH-Urteile vom 18.3.1986 –<br />

VII R 146/81 – BStBl. II, S. 589, vom 11.5.1993 – VII R 86/92 – BStBl. II, S. 700, und vom 10.12.1991 –<br />

VII R 57/89 – BFH/NV 1992 S. 712).<br />

Die Haftung <strong>de</strong>s Erwerbers wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass dieser <strong>de</strong>n Betrieb nur dann in <strong>de</strong>r<br />

bisherigen Weise fortführen kann, wenn er an die Stelle <strong>de</strong>s Veräußerers in das Vertragsnetz eines an<strong>de</strong>ren<br />

Unternehmens eintritt (BFH-Urteil vom 27.5.1986 – VII R 183/83 – BStBl. II, S. 654).<br />

Die Abweisung <strong>de</strong>s Antrags <strong>de</strong>s bisherigen Betriebsinhabers auf Eröffnung <strong>de</strong>s Insolvenzverfahrens mangels<br />

Masse kann ein Indiz dafür sein, dass ein leben<strong>de</strong>s Unternehmen nicht mehr vorhan<strong>de</strong>n ist; sie ist aber kein<br />

Kriterium, das eine Haftung <strong>de</strong>s Betriebsübernehmers generell ausschließt (vgl. BFH-Urteile vom 22.9.1992 –<br />

VII R 73–74/91 – BFH/NV 1993 S. 215).<br />

3.4 Haftungsausschluss für Erwerbe aus einer Insolvenzmasse und im Vollstreckungsverfahren<br />

Für Erwerbe aus einer Insolvenzmasse und im Vollstreckungsverfahren schei<strong>de</strong>t eine Haftung <strong>de</strong>s<br />

Betriebsübernehmers aus (§ 75 Abs. 2). Aus einer Insolvenzmasse wird ein Unternehmen erworben, wenn <strong>de</strong>r<br />

Erwerb nach Eröffnung und vor Einstellung o<strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>s Insolvenzverfahrens getätigt wird. Ist die<br />

Eröffnung <strong>de</strong>s Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wor<strong>de</strong>n, so greift <strong>de</strong>r Haftungsausschluss nach<br />

§ 75 Abs. 2 nicht ein (vgl. BFH-Urteil vom 23.7.1998 – VII R 143/97 – BStBl. II, S. 765).<br />

Ein Erwerb im Vollstreckungsverfahren liegt vor, wenn dieser im Rahmen <strong>de</strong>r Verwertung, also <strong>de</strong>r<br />

Zwangsversteigerung (§ 17 ZVG), <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren Verwertung (§ 65 ZVG), <strong>de</strong>r Versteigerung (§ 814 ZPO), <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>rweitigen Verwertung (§ 825 ZPO) o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Verwertung nach <strong>de</strong>n §§ 296, 305 erfolgt.<br />

Einen darüber hinausgehen<strong>de</strong>n Haftungsausschluss durch private Vereinbarung, etwa vergleichbar <strong>de</strong>s § 25<br />

Abs. 2 HGB, lässt die öffentlich-rechtliche Natur <strong>de</strong>r Haftung nach § 75 nicht zu.<br />

4. Umfang <strong>de</strong>r Haftung<br />

4.1 Sachliche Beschränkung<br />

Der Übernehmer eines Unternehmens o<strong>de</strong>r geson<strong>de</strong>rt geführten Betriebes haftet nur<br />

– für die im Betrieb begrün<strong>de</strong>ten Steuern (z. B. Umsatzsteuer – ausschließlich <strong>de</strong>r Einfuhrumsatzsteuer gemäß<br />

§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG und <strong>de</strong>r Umsatzsteuer wegen unberechtigten Steuerausweises gemäß § 14c Abs. 2<br />

UStG –, pauschalierte Lohnsteuer, Gewerbesteuer); er haftet dagegen insbeson<strong>de</strong>re nicht für<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 66 von 235


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Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Erbschaftsteuer, Grundsteuer, Grun<strong>de</strong>rwerbsteuer und<br />

Kraftfahrzeugsteuer;<br />

– für Ansprüche auf Erstattung von Steuervergütungen sowie Prämien und Zulagen, auf die die Vorschriften<br />

für Steuervergütungen entsprechend anwendbar sind, wobei <strong>de</strong>r Erstattungsanspruch aus einer<br />

betriebsbedingten Steuervergütung bzw. Prämie o<strong>de</strong>r Zulage resultieren muss (insbeson<strong>de</strong>re Rückfor<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>r Investitionszulage);<br />

– für Steuerabzugsbeträge, insbeson<strong>de</strong>re Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer, Abzugsbeträge nach §§ 48, 50a<br />

EStG.<br />

Nach <strong>de</strong>m BFH-Urteil vom 28.1.1982 – V S 13/81 – BStBl. II, S. 490, umfasst die Haftung auch die durch die<br />

Unternehmensveräußerung entstan<strong>de</strong>ne Umsatzsteuerschuld. Zwar unterliegt eine Unternehmensveräußerung<br />

gemäß § 1 Abs. 1a UStG nicht mehr <strong>de</strong>r Umsatzsteuer. Die Haftung umfasst aber auch die in diesen Fällen<br />

unberechtigt ausgewiesene nach § 14c Abs. 1 UStG geschul<strong>de</strong>te Umsatzsteuer.<br />

Steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4) sind von <strong>de</strong>r Haftung ausgenommen.<br />

4.2 Zeitliche Beschränkung<br />

Voraussetzung für die Haftung ist, dass die Steuern und Erstattungsansprüche seit <strong>de</strong>m Beginn <strong>de</strong>s letzten vor<br />

<strong>de</strong>r wirtschaftlichen Übereignung liegen<strong>de</strong>n Kalen<strong>de</strong>rjahres entstan<strong>de</strong>n (§ 38) sind und innerhalb eines Jahres<br />

nach Abmeldung (§ 138) <strong>de</strong>s Betriebes bei <strong>de</strong>r zuständigen Finanzbehör<strong>de</strong> durch <strong>de</strong>n Erwerber festgesetzt o<strong>de</strong>r<br />

angemel<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n sind. Die Jahresfrist beginnt frühestens mit <strong>de</strong>m Zeitpunkt <strong>de</strong>r Betriebsübernahme. Die<br />

Fälligkeit <strong>de</strong>r Ansprüche ist unerheblich.<br />

Es reicht aus, wenn die Steuern gegenüber <strong>de</strong>m Veräußerer innerhalb <strong>de</strong>r Jahresfrist festgesetzt wor<strong>de</strong>n sind, <strong>de</strong>r<br />

Haftungsbescheid kann später erlassen wer<strong>de</strong>n.<br />

4.3 Gegenständliche Beschränkung <strong>de</strong>r Haftung<br />

Die Haftung beschränkt sich auf das übernommene Vermögen (einschließlich Surrogate). Darunter ist das<br />

übernommene Aktivvermögen zu verstehen; Schul<strong>de</strong>n sind nicht abzuziehen. Der Haftungsschuldner haftet nicht<br />

in Höhe <strong>de</strong>s Wertes <strong>de</strong>s übernommenen Vermögens, son<strong>de</strong>rn mit diesem Vermögen.<br />

Der Umfang <strong>de</strong>r Haftung ist ausreichend bestimmt (§ 119 Abs. 1), wenn im Haftungsbescheid <strong>de</strong>r<br />

Vermögenswert angegeben wird, auf <strong>de</strong>n die Haftung beschränkt ist (BFH-Urteil vom 22.9.1992 – VII R 73–<br />

74/91 – BFH/NV 1993 S. 215). Alternativ können die einzelnen übernommenen Gegenstän<strong>de</strong> aufgeführt<br />

wer<strong>de</strong>n. Han<strong>de</strong>lt es sich um eine größere Anzahl von Gegenstän<strong>de</strong>n, könne diese in einer beson<strong>de</strong>ren Anlage<br />

zum Haftungsbescheid angegeben wer<strong>de</strong>n. Es genügt jedoch auch, im Haftungsbescheid auf <strong>de</strong>n<br />

Übergabevertrag Bezug zu nehmen, sofern sich aus diesem die übernommenen Gegenstän<strong>de</strong> in ein<strong>de</strong>utig<br />

abgrenzbarer Weise ergeben.<br />

5. Verjährung<br />

Die Festsetzungsverjährung beträgt 4 Jahre (§ 191 Abs. 3 Satz 2).<br />

6. Auskunftserteilung bei Betriebsübernahme<br />

Ersucht ein Kaufinteressent das Finanzamt um Auskunft über Rückstän<strong>de</strong> an Betriebssteuern und<br />

Steuerabzugsbeträgen, für die eine Haftung in Frage kommt, so kann diese Auskunft nur erteilt wer<strong>de</strong>n, wenn<br />

<strong>de</strong>r Betriebsinhaber zustimmt (§ 30 Abs. 4 Nr. 3). Der anfragen<strong>de</strong> Kaufinteressent ist ggf. auf die erfor<strong>de</strong>rliche<br />

Zustimmung sowie darauf hinzuweisen, dass <strong>de</strong>r Erwerber auch dann nach § 75 Abs. 1 haftet, wenn ihm bei <strong>de</strong>r<br />

Übereignung die Steuerschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Veräußerers nicht bekannt sind.<br />

Der haftungsbegrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Tatbestand ist mit <strong>de</strong>r Eigentumsübertragung verwirklicht. Da Steuerschuldner und<br />

Haften<strong>de</strong>r nach § 44 Abs. 1 Gesamtschuldner sind, darf <strong>de</strong>m Erwerber nach erfolgter Eigentumsübertragung eine<br />

Auskunft über etwaige bekannte Steuerrückstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Veräußerers insoweit erteilt wer<strong>de</strong>n, als eine Haftung<br />

nach § 75 Abs. 1 in Betracht kommt. Es ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich, dass gegen <strong>de</strong>n Erwerber bereits ein<br />

Haftungsbescheid ergangen ist.<br />

Zu § 77 – Duldungspflicht:<br />

1. Eine Duldungspflicht kommt vor allem bei <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n §§ 34 und 35 genannten Personen in Betracht. Als<br />

öffentliche Last ruht auf <strong>de</strong>m Grundbesitz die Grundsteuer (§ 12 GrStG).<br />

2. Zum Erlass eines Duldungsbeschei<strong>de</strong>s wird auf § 191 hingewiesen, wegen weiterer Vorschriften über die<br />

Duldung <strong>de</strong>r Zwangsvollstreckung auf die §§ 262, 264 und 265.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 67 von 235


Zu § 78 – Beteiligte:<br />

Unter Beteiligten sind i. d. R. die Steuerpflichtigen (§ 33 Abs. 1) zu verstehen. Der Beteiligtenbegriff <strong>de</strong>s § 78<br />

gilt nicht im Zerlegungs- und Einspruchsverfahren (§§ 186, 359; vgl. BFH-Beschluss vom 28.3.1979, BStBl. II,<br />

S. 538).<br />

Zu § 80 – Bevollmächtigte und Beistän<strong>de</strong>:<br />

1. Die Finanzbehör<strong>de</strong> soll <strong>de</strong>n schriftlichen Nachweis einer Vollmacht nur verlangen, wenn begrün<strong>de</strong>te Zweifel<br />

an <strong>de</strong>r Vertretungsmacht bestehen; dieser Nachweis kann auch in elektronischer Form (§ 87a Abs. 3)<br />

erbracht wer<strong>de</strong>n. Bei Angehörigen <strong>de</strong>r steuerberaten<strong>de</strong>n Berufe, die für <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen han<strong>de</strong>ln, wird<br />

eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung vermutet.<br />

2. Eine Vollmacht ermächtigt zwar nicht zum Empfang von Erstattungen o<strong>de</strong>r Vergütungen. Der<br />

Bevollmächtigte kann jedoch in an<strong>de</strong>rer Weise über das Guthaben <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen verfügen, in<strong>de</strong>m er<br />

z. B. namens <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen gegenüber <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> aufrechnet (§ 226). Erstattungen an<br />

Bevollmächtigte o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Personen sind zulässig, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige eine entsprechen<strong>de</strong><br />

Zahlungsanweisung erteilt; die Finanzbehör<strong>de</strong> ist jedoch nicht <strong>zur</strong> Zahlung an sie verpflichtet.<br />

3. Bei <strong>de</strong>r Unterzeichnung von Steuererklärungen ist, wenn die Einzelsteuergesetze die eigenhändige<br />

Unterschrift vorsehen, eine Vertretung durch Bevollmächtigte nur unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 150<br />

Abs. 3 zulässig.<br />

4. Der Schriftwechsel und die Verhandlungen im Besteuerungsverfahren sind mit <strong>de</strong>m Bevollmächtigten zu<br />

führen. Nur bei Vorliegen beson<strong>de</strong>rer Grün<strong>de</strong> soll sich die Finanzbehör<strong>de</strong> an <strong>de</strong>n Beteiligten selbst wen<strong>de</strong>n,<br />

z. B. um ihn um Auskünfte zu bitten, die nur er selbst als Wissensträger geben kann. In diesem Fall ist <strong>de</strong>r<br />

Bevollmächtigte zu unterrichten. Inwieweit Verwaltungsakte, insbeson<strong>de</strong>re Steuerbeschei<strong>de</strong>, gegenüber <strong>de</strong>m<br />

Bevollmächtigten bekannt zu geben sind, richtet sich nach § 122.<br />

5. Mit <strong>de</strong>r Bestellung eines Bevollmächtigten verliert <strong>de</strong>r Steuerpflichtige nicht die Möglichkeit, selbst<br />

rechtswirksame Erklärungen gegenüber <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> abzugeben. Er kann z. B. auch einen von <strong>de</strong>m<br />

Bevollmächtigten eingelegten Einspruch <strong>zur</strong>ücknehmen.<br />

6. Verfahrenshandlungen, die ein Bevollmächtigter o<strong>de</strong>r Beistand vor seiner Zurückweisung vorgenommen hat,<br />

sind wirksam.<br />

Zu § 81 – Bestellung eines Vertreters von Amts wegen:<br />

Die Finanzbehör<strong>de</strong>n haben im Allgemeinen keinen Anlass, die Bestellung eines Vertreters von Amts wegen zu<br />

beantragen. Wegen <strong>de</strong>r Bekanntgabe von Verwaltungsakten an Beteiligte im Ausland vgl. zu § 122, Nr. 1.8.4.<br />

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Zu § 82 – Ausgeschlossene Personen:<br />

1. Wegen <strong>de</strong>r Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen diese Vorschrift wird auf §§ 125 und 127 hingewiesen.<br />

2. Hilfe in Steuersachen i. S. von § 82 Abs. 1 Nr. 4 leisten nicht nur diejenigen, die nach <strong>de</strong>m StBerG<br />

ausdrücklich dazu befugt sind, son<strong>de</strong>rn auch sonstige Personen, die ohne gesetzliche Befugnis Hilfe in<br />

Steuersachen leisten. Zur Hilfe in Steuersachen zählen auch die nicht <strong>de</strong>m Erlaubnisvorbehalt <strong>de</strong>s § 2 StBerG<br />

unterliegen<strong>de</strong>n mechanischen Buchführungsarbeiten und die Erstattung wissenschaftlicher Gutachten (§ 6<br />

StBerG).<br />

3. Zum Begriff <strong>de</strong>s Amtsträgers Hinweis auf § 7.<br />

Zu § 83 – Besorgnis <strong>de</strong>r Befangenheit:<br />

1. Das in § 83 vorgeschriebene Verfahren ist nicht nur dann durchzuführen, wenn <strong>de</strong>r Amtsträger tatsächlich<br />

befangen ist o<strong>de</strong>r sich für befangen hält, son<strong>de</strong>rn schon dann, wenn ein vernünftiger Grund vorliegt, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

Beteiligten von seinem Standpunkt aus befürchten lassen könnte, dass <strong>de</strong>r Amtsträger nicht unparteiisch<br />

sachlich entschei<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>.<br />

2. Die Entscheidung, ob sich ein Amtsträger <strong>de</strong>r Mitwirkung an einem Verwaltungsverfahren zu enthalten hat,<br />

trifft <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong>nleiter bzw. <strong>de</strong>r von ihm Beauftragte o<strong>de</strong>r die Aufsichtsbehör<strong>de</strong>. Über die Zulässigkeit <strong>de</strong>r<br />

Mitwirkung <strong>de</strong>s Amtsträgers im Verwaltungsverfahren ist ggf. im Rechtsbehelfsverfahren über <strong>de</strong>n<br />

Verwaltungsakt zu entschei<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 68 von 235


Zu § 85 – Besteuerungsgrundsätze:<br />

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1. Das Gesetz unterschei<strong>de</strong>t nicht zwischen <strong>de</strong>m Steuerermittlungsverfahren, das <strong>de</strong>r Festsetzung <strong>de</strong>r Steuer<br />

gegenüber einem bestimmten Steuerpflichtigen dient, und <strong>de</strong>m Steueraufsichtsverfahren, in <strong>de</strong>m die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>n gegenüber allen Steuerpflichtigen darüber wachen, dass die Steuern nicht verkürzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Finanzbehör<strong>de</strong>n können sich sowohl bei Ermittlungen, die sich gegen einen bestimmten<br />

Steuerpflichtigen richten, als auch bei <strong>de</strong>r Erforschung unbekannter Steuerfälle <strong>de</strong>r Beweismittel <strong>de</strong>s § 92<br />

bedienen. Sie können mit <strong>de</strong>r Auf<strong>de</strong>ckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle auch die Steuerfahndung<br />

beauftragen (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3).<br />

2. Die Finanzbehör<strong>de</strong> hat die Grundlagen <strong>de</strong>r Besteuerung bei je<strong>de</strong>r Veranlagung ohne Rücksicht auf die<br />

Behandlung <strong>de</strong>sselben Sachverhalts in Vorjahren selbstständig festzustellen und die Rechtslage neu zu<br />

beurteilen. Sie ist an die Sach- o<strong>de</strong>r Rechtsbehandlung in früheren Veranlagungszeiträumen nicht gebun<strong>de</strong>n.<br />

Etwas an<strong>de</strong>res gilt nur dann, wenn <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen wirksam eine bestimmte Behandlung zugesagt<br />

wor<strong>de</strong>n ist (vgl. § 89 Abs. 2 und §§ 204 ff.) o<strong>de</strong>r die Finanzbehör<strong>de</strong> durch ihr früheres Verhalten außerhalb<br />

einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (vgl. BFH-Urteil vom 30. 9. l.997 – IX R 80/94 –<br />

BStBl. 1998 II, S. 771, m. w. N.). Fehlt es hieran, gebieten es die Grundsätze <strong>de</strong>r Gesetzmäßigkeit <strong>de</strong>r<br />

Verwaltung und <strong>de</strong>r Gleichmäßigkeit <strong>de</strong>r Besteuerung, dass die Finanzbehör<strong>de</strong> eine als falsch erkannte<br />

Auffassung vom frühestmöglichen Zeitpunkt an aufgibt, auch wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige auf sie vertraut<br />

haben sollte. Diese Verpflichtung besteht auch, wenn die fehlerhafte Auffassung in einem Prüfungsbericht<br />

nie<strong>de</strong>rgelegt wor<strong>de</strong>n ist o<strong>de</strong>r wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> über eine längere Zeitspanne eine rechtsirrige, für <strong>de</strong>n<br />

Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hat. Die Finanzbehör<strong>de</strong> ist selbst dann nicht an eine bei einer<br />

früheren Veranlagung zugrun<strong>de</strong> gelegte Auffassung gebun<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige im Vertrauen<br />

darauf disponiert hat (vgl. BFH-Urteil vom 21. l.0. 1992 – X R 99/88 – BStBl. 1993 II, S. 289, m. w. N.).<br />

3. Die Finanzbehör<strong>de</strong> kann nach pflichtgemäßem Ermessen „betriebsnahe Veranlagungen“ durchführen. Die<br />

betriebsnahen Veranlagungen gehören zum Steuerfestsetzungsverfahren, wenn sie ohne Prüfungsanordnung<br />

mit Einverständnis <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen an Ort und Stelle durchgeführt wer<strong>de</strong>n; es gelten die allgemeinen<br />

Verfahrensvorschriften über Besteuerungsgrundsätze und Beweismittel (§§ 85, 88 und 90 ff.). Eine<br />

betriebsnahe Veranlagung bewirkt keine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 (BFH-Urteil vom 6.7. l.999 –<br />

VIII R 1.7/97 – BStBl. 2000 II, S. 306).<br />

4. Der gesetzliche Auftrag „sicherzustellen“, dass Steuern nicht verkürzt wer<strong>de</strong>n usw., weist auf die Befugnis<br />

zu Maßnahmen außerhalb eines konkreten Besteuerungsverfahrens hin. So sind <strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong>n<br />

allgemeine Hinweise an die Öffentlichkeit o<strong>de</strong>r ähnliche vorbeugen<strong>de</strong> Maßnahmen gegenüber Einzelnen <strong>zur</strong><br />

Erfüllung <strong>de</strong>s gesetzlichen Auftrags gestattet. Auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s § 85 können auch im Wege <strong>de</strong>r<br />

Amtshilfe an<strong>de</strong>re Behör<strong>de</strong>n ersucht wer<strong>de</strong>n, Aufträge nur zu erteilen, wenn eine von <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong><br />

erteilte Bescheinigung in Steuersachen die Bewertung ermöglicht, dass <strong>de</strong>r Bewerber seinen steuerlichen<br />

Pflichten im Wesentlichen nachkommt. Wegen <strong>de</strong>r allgemeinen Mitteilungspflicht von Behör<strong>de</strong>n und<br />

Rundfunkanstalten wird auf die Mitteilungsverordnung hingewiesen.<br />

Zu § 87 – Amtssprache:<br />

1. Bei Eingaben in frem<strong>de</strong>r Sprache soll die Finanzbehör<strong>de</strong> zunächst prüfen, ob eine <strong>zur</strong> Bearbeitung<br />

ausreichen<strong>de</strong> Übersetzung durch eigene Bedienstete o<strong>de</strong>r im Wege <strong>de</strong>r Amtshilfe ohne Schwierigkeiten<br />

beschafft wer<strong>de</strong>n kann. Übersetzungen sind nur im Rahmen <strong>de</strong>s Notwendigen, nicht aus Prinzip anzufor<strong>de</strong>rn.<br />

Die Finanzbehör<strong>de</strong> kann auch Schriftstücke in frem<strong>de</strong>r Sprache entgegennehmen und in einer frem<strong>de</strong>n<br />

Sprache verhan<strong>de</strong>ln, wenn <strong>de</strong>r Amtsträger über entsprechen<strong>de</strong> Sprachkenntnisse verfügt. Anträge, die ein<br />

Verwaltungsverfahren auslösen, und fristwahren<strong>de</strong> Eingaben sollen in ihren wesentlichen Teilen in <strong>de</strong>utscher<br />

Sprache aktenkundig gemacht wer<strong>de</strong>n. Verwaltungsakte sind grundsätzlich in <strong>de</strong>utscher Sprache bekannt zu<br />

geben.<br />

2. Wegen <strong>de</strong>r Führung von Büchern in einer frem<strong>de</strong>n Sprache Hinweis auf § 146 Abs. 3.<br />

Zu § 87a – Elektronische Kommunikation:<br />

Inhaltsübersicht<br />

1. Zugangseröffnung<br />

2. Zugang<br />

3. Elektronisch signierte Dokumente<br />

4. Beweis durch elektronische Dokumente<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 69 von 235


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1. Zugangseröffnung<br />

Die Übermittlung elektronischer Dokumente an die Finanzbehör<strong>de</strong>n und an die Steuerpflichtigen ist zulässig,<br />

soweit <strong>de</strong>r Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet (§ 87a Abs. 1 Satz 1). Die Zugangseröffnung kann durch<br />

ausdrückliche Erklärung o<strong>de</strong>r konklu<strong>de</strong>nt sowie generell o<strong>de</strong>r nur für bestimmte Fälle erfolgen. Vorbehaltlich<br />

einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung besteht we<strong>de</strong>r für die Steuerpflichtigen noch für die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>n ein Zwang <strong>zur</strong> Übermittlung elektronischer Dokumente.<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>n, die eine E-Mail-Adresse angeben, erklären damit ihre Bereitschaft <strong>zur</strong> Entgegennahme<br />

elektronischer Dokumente; für die Übermittlung elektronisch signierter Dokumente (vgl. Nr. 3) muss <strong>de</strong>r Zugang<br />

geson<strong>de</strong>rt eröffnet wer<strong>de</strong>n. Wegen <strong>de</strong>r elektronischen Übermittlung von Steuererklärungsdaten Hinweis auf<br />

§ 150 Abs. 1 Satz 2 und die Steuerdaten-Übermittlungsverordnung.<br />

Bei natürlichen o<strong>de</strong>r juristischen Personen, die eine gewerbliche o<strong>de</strong>r berufliche Tätigkeit selbstständig ausüben<br />

und die auf einem im Verkehr mit <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> verwen<strong>de</strong>ten Briefkopf, in einer Steuererklärung o<strong>de</strong>r in<br />

einem Antrag an die Finanzbehör<strong>de</strong> ihre E-Mail-Adresse angegeben o<strong>de</strong>r sich per E-Mail an die Finanzbehör<strong>de</strong><br />

gewandt haben, kann in <strong>de</strong>r Regel davon ausgegangen wer<strong>de</strong>n, dass sie damit konklu<strong>de</strong>nt ihre Bereitschaft <strong>zur</strong><br />

Entgegennahme elektronischer Dokumente erklärt haben. Bei Steuerpflichtigen, die keine gewerbliche o<strong>de</strong>r<br />

berufliche Tätigkeit selbstständig ausüben (z. B. Arbeitnehmer), ist dagegen <strong>de</strong>rzeit nur bei Vorliegen einer<br />

ausdrücklichen, aber nicht formgebun<strong>de</strong>nen Einverständniserklärung von einer Zugangseröffnung im Sinne <strong>de</strong>s<br />

§ 87a Abs. 1 Satz 1 auszugehen.<br />

2. Zugang<br />

Ein elektronisches Dokument ist zugegangen, sobald die für <strong>de</strong>n Empfang bestimmte Einrichtung es in für <strong>de</strong>n<br />

Empfänger bearbeitbarer Weise aufgezeichnet hat (§ 87a Abs. 1 Satz 2). Ob und wann <strong>de</strong>r Empfänger das<br />

bearbeitbare Dokument tatsächlich <strong>zur</strong> Kenntnis nimmt, ist für <strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>s Zugangs unbeachtlich. Zur<br />

wi<strong>de</strong>rlegbaren Vermutung <strong>de</strong>s Tags <strong>de</strong>s Zugangs elektronischer Verwaltungsakte vgl. § 122 Abs. 2a und § 123<br />

Sätze 2 und 3. Ein für <strong>de</strong>n Empfänger nicht bearbeitbares Dokument ist nicht im Sinne <strong>de</strong>s § 87a Abs. 1 Satz 2<br />

zugegangen und löst somit noch keine Rechtsfolgen (z. B. die Wahrung einer Antrags- o<strong>de</strong>r Rechtsbehelfsfrist<br />

o<strong>de</strong>r das Wirksamwer<strong>de</strong>n eines Verwaltungsakts) aus. Zum Verfahren nach Übermittlung eines nicht<br />

bearbeitbaren elektronischen Dokuments vgl. § 87a Abs. 2.<br />

3. Elektronisch signierte Dokumente<br />

Soweit durch Gesetz die Schriftform vorgeschrieben ist, kann dieser Form grundsätzlich auch durch<br />

Übermittlung in elektronischer Form entsprochen wer<strong>de</strong>n. Hierbei muss das Dokument mit einer qualifizierten<br />

elektronischen Signatur im Sinne <strong>de</strong>s § 2 Nr. 3 <strong>de</strong>s Signaturgesetzes (BStBl. 2001, I S. 351) versehen sein (§ 87a<br />

Abs. 3 und 4).<br />

§ 87a Abs. 3 gilt auch, wenn eine eigenhändige Unterschrift gesetzlich vorgeschrieben ist. In diesem Fall ist das<br />

Dokument von <strong>de</strong>rjenigen Person elektronisch zu signieren, die <strong>zur</strong> eigenhändigen Unterschrift verpflichtet ist,<br />

bzw. in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 150 Abs. 3 von <strong>de</strong>r bevollmächtigten Person.<br />

Elektronische Dokumente, die mit einem Wahlnamen signiert wor<strong>de</strong>n sind, <strong>de</strong>m die Funktion <strong>de</strong>s bürgerlichen<br />

Namens zukommt, sind von <strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong>n nicht unter Berufung auf § 87a Abs. 3 Satz 3 <strong>zur</strong>ückzuweisen.<br />

4. Beweis durch elektronische Dokumente<br />

Ist ein elektronisches Dokument Gegenstand eines Beweises, wird <strong>de</strong>r Beweis durch Vorlegung o<strong>de</strong>r<br />

Übermittlung <strong>de</strong>r Datei angetreten. Befin<strong>de</strong>t sich das vorzulegen<strong>de</strong> elektronische Dokument we<strong>de</strong>r im Besitz <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen noch im Besitz <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>, gilt hinsichtlich <strong>de</strong>r Vorlage- bzw. Übermittlungspflicht<br />

Dritter § 97 Abs. 1 und 3 entsprechend (§ 87a Abs. 5 Satz 1). Die Finanzbehör<strong>de</strong> hat bei ihrem<br />

Herausgabeverlangen anzugeben, dass das elektronische Dokument für die Besteuerung einer an<strong>de</strong>ren Person<br />

benötigt wird (§ 97 Abs. 1 Satz 2). Sie kann das elektronische Dokument an Amtsstelle o<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>m Dritten<br />

einsehen, wenn dieser damit einverstan<strong>de</strong>n ist (§ 97 Abs. 3 Satz 1). Der Dritte hat ggf. auf seine Kosten<br />

diejenigen Hilfsmittel <strong>zur</strong> Verfügung zu stellen, die erfor<strong>de</strong>rlich sind, um das Dokument lesbar zu machen (§ 97<br />

Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 147 Abs. 5).<br />

Der Anschein <strong>de</strong>r Echtheit eines mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach <strong>de</strong>m Signaturgesetz<br />

übermittelten Dokuments, <strong>de</strong>r sich aufgrund <strong>de</strong>r Prüfung nach <strong>de</strong>m Signaturgesetz ergibt, kann nur durch<br />

Tatsachen erschüttert wer<strong>de</strong>n, die ernstliche Zweifel daran begrün<strong>de</strong>n, dass das Dokument mit <strong>de</strong>m Willen <strong>de</strong>s<br />

Signaturschlüssel-Inhabers übermittelt wur<strong>de</strong> (§ 87a Abs. 5 Satz 2). Für die Beurteilung <strong>de</strong>r Frage, wann<br />

„ernstliche Zweifel“ vorliegen, können die Auslegungsgrundsätze zu § 361 Abs. 2 Satz 2 (vgl. zu § 361, Nr. 2.5)<br />

herangezogen wer<strong>de</strong>n. Für die Wi<strong>de</strong>rlegung <strong>de</strong>r Echtheitsvermutung ist daher erfor<strong>de</strong>rlich, dass die<br />

vorgetragenen Tatsachen ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit, dass das Dokument nicht mit <strong>de</strong>m Willen <strong>de</strong>s<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 70 von 235


Signaturschlüssel-Inhabers übermittelt wor<strong>de</strong>n ist, zumin<strong>de</strong>st ebenso hoch ist wie die Wahrscheinlichkeit, dass<br />

das übermittelte Dokument <strong>de</strong>m Willen <strong>de</strong>s Signaturschlüssel-Inhabers entspricht.<br />

Die Vermutung <strong>de</strong>s § 87a Abs. 5 Satz 2 gilt nicht, wenn das übermittelte elektronische Dokument mit einer<br />

„einfachen“ elektronischen Signatur (§ 2 Nr. 1 <strong>de</strong>s Signaturgesetzes), mit einer „fortgeschrittenen elektronischen<br />

Signatur“ (§ 2 Nr. 2 <strong>de</strong>s Signaturgesetzes) o<strong>de</strong>r mit einer Signatur im Sinne <strong>de</strong>s § 87a Abs. 6 versehen wor<strong>de</strong>n<br />

ist.<br />

Zu § 88 – Untersuchungsgrundsatz:<br />

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1. Die Finanzbehör<strong>de</strong>n haben alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die entscheidungserheblichen<br />

Tatsachen aufzuklären. Sie bestimmen Art und Umfang <strong>de</strong>r Ermittlungen nach <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />

Einzelfalles. Der Grundsatz <strong>de</strong>r Verhältnismäßigkeit ist zu beachten. Die Ermittlungshandlungen dürfen<br />

danach zu <strong>de</strong>m angestrebten Erfolg nicht erkennbar außer Verhältnis stehen. Sie sollen so gewählt wer<strong>de</strong>n,<br />

dass damit unter Berücksichtigung <strong>de</strong>r Verhältnisse <strong>de</strong>s Einzelfalles ein möglichst geringer Eingriff in die<br />

Rechtssphäre <strong>de</strong>s Beteiligten o<strong>de</strong>r Dritter verbun<strong>de</strong>n ist. Der Gewährung rechtlichen Gehörs kommt<br />

beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung zu.<br />

Trotz <strong>de</strong>s in § 85 festgelegten Legalitätsprinzips können bei <strong>de</strong>n Entscheidungen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>n<br />

Erwägungen einbezogen wer<strong>de</strong>n, die im Ergebnis Zweckmäßigkeitserwägungen gleichzustellen sind<br />

(BVerfG vom 20.6.1973 – 1 BvL 9/71, 1 BvL 10/71 – BStBl. II, S. 720). Für die Anfor<strong>de</strong>rungen, die an die<br />

Aufklärungspflicht <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>n zu stellen sind, darf die Erwägung eine Rolle spielen, dass die<br />

Aufklärung einen nicht mehr vertretbaren Zeitaufwand erfor<strong>de</strong>rt. Dabei kann auf das Verhältnis zwischen<br />

voraussichtlichem Arbeitsaufwand und steuerlichem Erfolg abgestellt wer<strong>de</strong>n. Die Finanzämter dürfen auch<br />

berücksichtigen, in welchem Maße sie durch ein zu erwarten<strong>de</strong>s finanzgerichtliches Verfahren belastet<br />

wer<strong>de</strong>n, sofern sie bei vorhan<strong>de</strong>nen tatsächlichen o<strong>de</strong>r rechtlichen Zweifeln <strong>de</strong>m Begehren <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen nicht entsprechen und zu seinem Nachteil entschei<strong>de</strong>n. In Fällen erschwerter<br />

Sachverhaltsermittlung dient es unter bestimmten Voraussetzungen <strong>de</strong>r Effektivität <strong>de</strong>r Besteuerung und<br />

allgemein <strong>de</strong>m Rechtsfrie<strong>de</strong>n, wenn sich die Beteiligten über die Annahme eines bestimmten Sachverhalts<br />

und über eine bestimmte Sachbehandlung einigen können (BFH-Urteil vom 11.12.1984 – VIII R 131/76 –<br />

BStBl. 1985 II, S. 354). Vgl. hierzu BMF-Schreiben vom 30.7.2008, BStBl. I, S. 831.<br />

2. Die Aufklärungspflicht <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>n wird durch die Mitwirkungspflicht <strong>de</strong>r Beteiligten (§ 90)<br />

begrenzt. Die Finanzbehör<strong>de</strong>n sind nicht verpflichtet, <strong>de</strong>n Sachverhalt auf alle möglichen Fallgestaltungen zu<br />

erforschen. Für <strong>de</strong>n Regelfall kann davon ausgegangen wer<strong>de</strong>n, dass die Angaben <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen in<br />

<strong>de</strong>r Steuererklärung vollständig und richtig sind (BFH-Urteil vom 17.4.1969 – V R 21/66 – BStBl. II,<br />

S. 474). Die Finanzbehör<strong>de</strong> kann <strong>de</strong>n Angaben eines Steuerpflichtigen Glauben schenken, wenn nicht<br />

greifbare Umstän<strong>de</strong> vorliegen, die darauf hin<strong>de</strong>uten, dass seine Angaben falsch o<strong>de</strong>r unvollständig sind<br />

(BFH-Urteil vom 11.7.1978 – VIII R 120/75 – BStBl. 1979 II, S. 57). Sie verletzt ihre Aufklärungspflicht<br />

nur, wenn sie Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel außer Acht lässt und offenkundigen Zweifelsfragen nicht<br />

nachgeht, die sich ihr <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n nach ohne weiteres aufdrängen mussten (BFH-Urteile vom<br />

16.1.1964 – V 94/61 – BStBl. III, S. 149, und vom 13.11.1985 – II R 202/82 – BStBl. 1986 II, S. 241).<br />

3. Im Rahmen <strong>de</strong>r Prüfung zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen muss die Finanzbehör<strong>de</strong> ihrer Pflicht <strong>zur</strong> Fürsorge<br />

für <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen (§ 89) gerecht wer<strong>de</strong>n. So ist auch die Verjährung von Amts wegen zu<br />

berücksichtigen.<br />

Zu § 89 – Beratung, Auskunft:<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1. Beratung <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

2. Auskünfte nach § 89 Abs. 1 Satz 2<br />

3. Verbindliche Auskünfte nach § 89 Abs. 2<br />

3.1 Allgemeines<br />

3.2 Antragsteller<br />

3.3 Zuständigkeit für die Erteilung verbindlicher Auskünfte<br />

3.4 Form, Inhalt und Voraussetzungen <strong>de</strong>s Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft<br />

3.5 Erteilung einer verbindlichen Auskunft<br />

3.6 Bindungswirkung einer verbindlichen Auskunft<br />

3.7 Rechtsbehelfsmöglichkeiten<br />

4. Gebühren für die Bearbeitung von Anträgen auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft (§ 89 Abs. 3 bis 7)<br />

4.1 Gebührenpflicht<br />

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4.2 Gegenstandswert<br />

4.3 Zeitgebühr<br />

4.4 Gebührenfestsetzung<br />

4.5 Ermäßigung <strong>de</strong>r Gebühr<br />

5. Anwendung <strong>de</strong>r StAuskV<br />

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1. Beratung <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

1.1 In § 89 Abs. 1 Satz 1 sind Erklärungen und Anträge gemeint, die sich bei <strong>de</strong>m gegebenen Sachverhalt<br />

aufdrängen. Im Übrigen ist es Sache <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen, sich über die Antragsmöglichkeiten zu unterrichten,<br />

ggf. durch Rückfrage beim Finanzamt (§ 89 Abs. 1 Satz 2). Die Finanzämter wären überfor<strong>de</strong>rt, wenn sie darauf<br />

zu achten hätten, ob <strong>de</strong>r Steuerpflichtige je<strong>de</strong> sich ihm bieten<strong>de</strong> Möglichkeit, Steuern zu sparen, ausgenutzt hat<br />

(BFH-Urteil vom 22.1.1960 – VI 175/59 U – BStBl. III, S. 178).<br />

1.2 Kann bei einem ein<strong>de</strong>utigen Verstoß <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>n gegen die Fürsorgepflicht nach § 89 Abs. 1 Satz 1<br />

<strong>de</strong>m Steuerpflichtigen nicht durch Wie<strong>de</strong>reinsetzung in <strong>de</strong>n vorigen Stand (§ 110) o<strong>de</strong>r durch Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s<br />

bestandskräftigen Steuerbeschei<strong>de</strong>s nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 geholfen wer<strong>de</strong>n, so kann es geboten sein, die zu<br />

Unrecht festgesetzte Steuer wegen sachlicher Unbilligkeit (§ 227) zu erlassen.<br />

2. Auskünfte nach § 89 Abs. 1 Satz 2<br />

In § 89 Abs. 1 Satz 2 sind Auskünfte über das Verfahren (z. B. Fristberechnung, Wie<strong>de</strong>reinsetzung in <strong>de</strong>n<br />

vorigen Stand, Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung) gemeint. Die Erteilung von Auskünften materieller Art ist <strong>de</strong>n<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>n gestattet; hierauf besteht jedoch kein Anspruch.<br />

3. Verbindliche Auskünfte nach § 89 Abs. 2<br />

3.1 Allgemeines<br />

Die Finanzämter und das Bun<strong>de</strong>szentralamt für Steuern können unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 89 Abs. 2<br />

Satz 1 und <strong>de</strong>r StAuskV auf Antrag verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau<br />

bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten erteilen, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen<br />

steuerlichen Auswirkungen ein beson<strong>de</strong>res Interesse besteht.<br />

3.2 Antragsteller<br />

3.2.1 Antragsteller einer verbindlichen Auskunft im Sinne <strong>de</strong>s § 89 Abs. 2 (und zugleich Gebührenschuldner im<br />

Sinne <strong>de</strong>s § 89 Abs. 3 bis 5) ist <strong>de</strong>rjenige, in <strong>de</strong>ssen Namen <strong>de</strong>r Antrag gestellt wird. Zur Antragstellung durch<br />

Personenmehrheiten vgl. § 1 Abs. 2 StAuskV. Antragsteller und Steuerpflichtiger müssen nicht i<strong>de</strong>ntisch sein.<br />

3.2.2 Antragsteller und Steuerpflichtiger sind in <strong>de</strong>r Regel i<strong>de</strong>ntisch, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige, <strong>de</strong>ssen künftige<br />

Besteuerung Gegenstand <strong>de</strong>r verbindlichen Auskunft sein soll, bei Antragstellung bereits existiert. Eine dritte<br />

Person hat in diesen Fällen im Regelfall kein eigenes berechtigtes Interesse an einer Auskunftserteilung<br />

hinsichtlich <strong>de</strong>r Besteuerung eines an<strong>de</strong>ren, bereits existieren<strong>de</strong>n Steuerpflichtigen.<br />

3.2.3 Existiert <strong>de</strong>r Steuerpflichtige bei Antragstellung noch nicht, kann bei berechtigtem Interesse auch ein<br />

Dritter Antragsteller sein (§ 1 Abs. 3 StAuskV). Berechtigte/r Antragsteller einer verbindlichen Auskunft über<br />

die künftige Besteuerung einer noch nicht existieren<strong>de</strong>n Kapitalgesellschaft kann die Person/können die<br />

Personen gemeinsam sein, die diese Kapitalgesellschaft grün<strong>de</strong>n und dann (gemeinsam) zu min<strong>de</strong>stens 50 % an<br />

<strong>de</strong>r Gesellschaft beteiligt sein will/wollen. Entsprechen<strong>de</strong>s gilt für Auskunftsanträge einer<br />

Vorgründungsgesellschaft. Die einem Dritten wegen seines berechtigten Interesses erteilte verbindliche<br />

Auskunft entfaltet gegenüber <strong>de</strong>m künftigen Steuerpflichtigen auch dann Bindungswirkung, wenn die<br />

tatsächlichen Beteiligungsverhältnisse bei Verwirklichung <strong>de</strong>s Sachverhalts von <strong>de</strong>n bei Antragstellung<br />

geplanten Beteiligungsverhältnissen abweichen, soweit die Beteiligungsverhältnisse für die steuerrechtliche<br />

Beurteilung ohne Be<strong>de</strong>utung sind.<br />

3.2.4 § 1 Abs. 3 StAuskV geht <strong>de</strong>r Regelung in § 1 Abs. 2 StAuskV als lex specialis vor. Deshalb muss ein<br />

Auskunftsantrag für eine noch zu grün<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Kapitalgesellschaft o<strong>de</strong>r Personengesellschaft nicht von allen<br />

künftigen Gesellschaftern gemeinsam gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

3.3 Zuständigkeit für die Erteilung verbindlicher Auskünfte<br />

Nach § 89 Abs. 2 Satz 2 ist das Finanzamt für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft zuständig, das bei<br />

Verwirklichung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>m Antrag zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Sachverhalts für die Besteuerung örtlich zuständig sein<br />

wür<strong>de</strong>. Abweichend hiervon ist allerdings bei Antragstellern, für die im Zeitpunkt <strong>de</strong>r Antragstellung nach §§ 18<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 72 von 235


is 21 kein Finanzamt zuständig ist, auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r Steuern, die von <strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>sfinanzbehör<strong>de</strong>n im Auftrag<br />

<strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s verwaltet wer<strong>de</strong>n, nach § 89 Abs. 2 Satz 3 das Bun<strong>de</strong>szentralamt für Steuern für die<br />

Auskunftserteilung zuständig.<br />

3.3.1 Zuständigkeit <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>szentralamts für Steuern nach § 89 Abs. 2 Satz 3 AO<br />

3.3.1.1 Die Son<strong>de</strong>rregelung <strong>de</strong>s § 89 Abs. 2 Satz 3 geht <strong>de</strong>r allgemeinen Regelung in § 89 Abs. 2 Satz 2 vor. Sie<br />

gilt allerdings nur für Steuern, die von <strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>sfinanzbehör<strong>de</strong>n im Auftrag <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s verwaltet wer<strong>de</strong>n. Für<br />

an<strong>de</strong>re von <strong>de</strong>n Finanzämtern verwaltete Steuern sowie für die Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung kann das<br />

Bun<strong>de</strong>szentralamt für Steuern auch dann keine verbindliche Auskunft erteilen, wenn im Zeitpunkt <strong>de</strong>r<br />

Antragstellung nach §§ 18 bis 21 kein Finanzamt für die Besteuerung <strong>de</strong>s Antragstellers zuständig ist.<br />

3.3.1.2 § 89 Abs. 2 Satz 3 stellt auf die aktuellen Verhältnisse <strong>de</strong>s Antragstellers im Zeitpunkt <strong>de</strong>r<br />

Antragstellung ab, während § 89 Abs. 2 Satz 2 auf künftige (geplante) Verhältnisse <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen (d. h.<br />

<strong>de</strong>r Person, <strong>de</strong>ren künftige Besteuerung Gegenstand <strong>de</strong>r verbindlichen Auskunft ist) abstellt.<br />

3.3.1.3 § 89 Abs. 2 Satz 3 ist für je<strong>de</strong> Steuerart geson<strong>de</strong>rt anzuwen<strong>de</strong>n. Bei einem Antragsteller, für <strong>de</strong>n im<br />

Zeitpunkt <strong>de</strong>r Antragstellung ein Finanzamt für eine von <strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>sfinanzbehör<strong>de</strong>n im Auftrag <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s<br />

verwaltete Steuer zuständig ist, ist das Bun<strong>de</strong>szentralamt für Steuern für die Auskunftserteilung nur hinsichtlich<br />

solcher von <strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>sfinanzbehör<strong>de</strong>n im Auftrag <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s verwalteten Steuern zuständig, für die im<br />

Zeitpunkt <strong>de</strong>r Antragstellung noch kein Finanzamt zuständig ist.<br />

3.3.1.4<br />

Beispiel:<br />

Die im Ausland ansässige natürliche Person A unterliegt im Zeitpunkt <strong>de</strong>r Antragstellung im Inland nur <strong>de</strong>r<br />

Umsatzsteuer. Für die Umsatzbesteuerung <strong>de</strong>s A ist in diesem Zeitpunkt nach § 21 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. <strong>de</strong>r<br />

UStZustV das Finanzamt U zuständig. A beantragt eine verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 Satz 1 über<br />

Einkommen- und Umsatzsteuer.<br />

– Für die verbindliche Auskunft über Einkommensteuer ist nach § 89 Abs. 2 Satz 3 das Bun<strong>de</strong>szentralamt für<br />

Steuern zuständig.<br />

– Für die verbindliche Auskunft über Umsatzsteuer ist nach § 89 Abs. 2 Satz 2 das Finanzamt zuständig, das<br />

bei Verwirklichung <strong>de</strong>s vorgetragenen Sachverhalts nach § 21 (ggf. i. V. m. <strong>de</strong>r UStZustV) für die<br />

Umsatzbesteuerung <strong>de</strong>s A örtlich zuständig sein wür<strong>de</strong>.<br />

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3.3.1.5 Bei Anwendung <strong>de</strong>s § 89 Abs. 2 Satz 3 kommt es nicht darauf an, ob <strong>de</strong>r Antragsteller im Inland bereits<br />

bei einem Finanzamt geführt wird. Entschei<strong>de</strong>nd ist, ob nach <strong>de</strong>n Verhältnissen zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r<br />

Antragstellung ein Finanzamt örtlich zuständig ist, d. h. ob vom Antragsteller bereits steuerrelevante<br />

Sachverhalte im Inland verwirklicht wur<strong>de</strong>n. Unerheblich ist, ob das örtlich zuständige Finanzamt hiervon<br />

bereits Kenntnis hat bzw. ob es bereits ein Besteuerungsverfahren durchgeführt hat.<br />

3.3.1.6 Das Bun<strong>de</strong>szentralamt für Steuern kann unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 89 Abs. 2 Satz 3 auch dann<br />

eine verbindliche Auskunft erteilen, wenn <strong>de</strong>r Ort, an <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r vorgetragene Sachverhalt im Inland verwirklicht<br />

wer<strong>de</strong>n soll, noch nicht feststeht.<br />

3.3.1.7 Betrifft eine verbindliche Auskunft mehrere Steuerarten und sind hierfür zum Teil das Bun<strong>de</strong>szentralamt<br />

für Steuern und im Übrigen ein o<strong>de</strong>r mehrere Finanzämter zuständig, sollen sich die beteiligten Finanzbehör<strong>de</strong>n<br />

untereinan<strong>de</strong>r abstimmen, um wi<strong>de</strong>rsprüchliche verbindliche Auskünfte zu vermei<strong>de</strong>n.<br />

3.3.2 Zuständigkeit eines Finanzamts nach § 89 Abs. 2 Satz 2<br />

3.3.2.1 Die Zuständigkeitsregelung <strong>de</strong>s § 89 Abs. 2 Satz 2 gilt bei <strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>sfinanzbehör<strong>de</strong>n im<br />

Auftrag <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s verwalteten Steuern nur, soweit nicht das Bun<strong>de</strong>szentralamt für Steuern nach § 89 Abs. 2<br />

Satz 3 zuständig ist (vgl. Nr. 3.3.1). Für an<strong>de</strong>re von <strong>de</strong>n Finanzämtern verwaltete Steuern sowie für die<br />

Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung richtet sich die Zuständigkeit für die Erteilung einer verbindlichen<br />

Auskunft immer nach § 89 Abs. 2 Satz 2.<br />

3.3.2.2 Die Zuständigkeit nach § 89 Abs. 2 Satz 2 knüpft an die künftigen steuerlichen Verhältnisse <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen bei Verwirklichung <strong>de</strong>s Sachverhaltes an. Das hiernach für die Auskunftserteilung zuständige<br />

Finanzamt muss nicht mit <strong>de</strong>m Finanzamt i<strong>de</strong>ntisch sein, das zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r Antragstellung für die<br />

Besteuerung <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen zuständig ist. Wird eine verbindliche Auskunft berechtigterweise durch einen<br />

Dritten beantragt (vgl. Nr. 3.2.3), ist ebenso unerheblich, welches Finanzamt für seine Besteuerung zuständig ist.<br />

3.3.2.3 Betrifft eine verbindliche Auskunft mehrere Steuerarten und sind hierfür jeweils unterschiedliche<br />

Finanzämter nach § 89 Abs. 2 Satz 2 zuständig, soll eine Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 herbeigeführt<br />

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wer<strong>de</strong>n, wenn die unterschiedliche Zuständigkeit we<strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen noch für die Finanzbehör<strong>de</strong>n<br />

zweckmäßig ist. Eine <strong>de</strong>rartige Zuständigkeitsvereinbarung kann auch schon vor Verwirklichung <strong>de</strong>s geplanten<br />

Sachverhaltes getroffen wer<strong>de</strong>n. Sofern keine Zuständigkeitsvereinbarung herbeigeführt wer<strong>de</strong>n kann, sollen<br />

sich die beteiligten Finanzämter untereinan<strong>de</strong>r abstimmen, um wi<strong>de</strong>rsprüchliche verbindliche Auskünfte zu<br />

vermei<strong>de</strong>n (vgl. Nr. 3.3.1.7).<br />

3.4 Form, Inhalt und Voraussetzungen <strong>de</strong>s Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft<br />

3.4.1 Der Antrag muss schriftlich gestellt wer<strong>de</strong>n und die in § 1 Abs. 1 StAuskV bezeichneten Angaben<br />

enthalten. Zusätzlich soll <strong>de</strong>r Antragsteller nach § 89 Abs. 4 Satz 2 Angaben zum Gegenstandswert <strong>de</strong>r Auskunft<br />

machen.<br />

3.4.2 Im Auskunftsantrag ist <strong>de</strong>r ernsthaft geplante und zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r Antragstellung noch nicht<br />

verwirklichte Sachverhalt ausführlich und vollständig darzulegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 StAuskV). Es ist<br />

unschädlich, wenn bereits mit vorbereiten<strong>de</strong>n Maßnahmen begonnen wur<strong>de</strong>, solange <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Auskunftsantrag<br />

zugrun<strong>de</strong> gelegte Sachverhalt im Wesentlichen noch nicht verwirklicht wur<strong>de</strong> und noch an<strong>de</strong>rweitige<br />

Dispositionen möglich sind.<br />

3.4.3 Der Antragsteller muss sein eigenes steuerliches Interesse darlegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 StAuskV). Außer in<br />

<strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 1 Abs. 3 StAuskV ist ein Auskunftsantrag mit Wirkung für Dritte nicht zulässig. Denn eine<br />

dritte Person hat kein eigenes berechtigtes Interesse an einer Auskunftserteilung hinsichtlich <strong>de</strong>r Besteuerung<br />

eines an<strong>de</strong>ren, bereits existieren<strong>de</strong>n Steuerpflichtigen.<br />

3.4.4 Im Auskunftsantrag sind konkrete Rechtsfragen darzulegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 StAuskV). Es reicht nicht<br />

aus, allgemeine Fragen zu <strong>de</strong>n bei Verwirklichung <strong>de</strong>s geplanten Sachverhalts eintreten<strong>de</strong>n steuerlichen<br />

Rechtsfragen darzulegen.<br />

3.5 Erteilung einer verbindlichen Auskunft<br />

3.5.1 Der Auskunft ist <strong>de</strong>r vom Antragsteller vorgetragene Sachverhalt zugrun<strong>de</strong> zu legen. Das Finanzamt ist<br />

nicht verpflichtet, eigens für die zu erteilen<strong>de</strong> Auskunft Ermittlungen durchzuführen, es soll aber <strong>de</strong>m<br />

Antragsteller Gelegenheit zum ergänzen<strong>de</strong>n Sachvortrag geben, wenn dadurch eine Entscheidung in <strong>de</strong>r Sache<br />

ermöglicht wer<strong>de</strong>n kann. Die Erteilung einer verbindlichen Auskunft für alternative Gestaltungsvarianten ist<br />

nicht zulässig.<br />

3.5.2 Die Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist ausgeschlossen, wenn <strong>de</strong>r Sachverhalt im Wesentlichen<br />

bereits verwirklicht ist. Über Rechtsfragen, die sich aus einem bereits abgeschlossenen Sachverhalt ergeben, ist<br />

ausschließlich im Rahmen <strong>de</strong>s Veranlagungs- o<strong>de</strong>r Feststellungsverfahrens zu entschei<strong>de</strong>n. Das gilt auch, wenn<br />

<strong>de</strong>r Sachverhalt zwar erst nach Antragstellung, aber vor <strong>de</strong>r Entscheidung über <strong>de</strong>n Antrag verwirklicht wird.<br />

3.5.3 Eine Auskunft kann auch erteilt wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Antragsteller eine Auskunft für die ernsthaft geplante<br />

Umgestaltung eines bereits vorliegen<strong>de</strong>n Sachverhalts begehrt. Das gilt insbeson<strong>de</strong>re bei Sachverhalten, die<br />

wesentliche Auswirkungen in die Zukunft haben (z. B. Dauersachverhalte). Bei Dauersachverhalten richtet sich<br />

das zeitliche Ausmaß <strong>de</strong>r Bindungswirkung nach <strong>de</strong>m Auskunftsantrag, soweit die Finanzbehör<strong>de</strong> nicht aus<br />

materiellrechtlichen Grün<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n zeitlichen Vorstellungen <strong>de</strong>s Antragstellers abweicht (z. B. wegen<br />

Verlängerung o<strong>de</strong>r Verkürzung <strong>de</strong>s Abschreibungszeitraumes) und <strong>de</strong>shalb ihre Auskunft für einen an<strong>de</strong>ren<br />

Zeitraum erteilt.<br />

3.5.4 Verbindliche Auskünfte sollen nicht erteilt wer<strong>de</strong>n in Angelegenheiten, bei <strong>de</strong>nen die Erzielung eines<br />

Steuervorteils im Vor<strong>de</strong>rgrund steht (z. B. Prüfung von Steuersparmo<strong>de</strong>llen, Feststellung <strong>de</strong>r Grenzpunkte für<br />

das Han<strong>de</strong>ln eines or<strong>de</strong>ntlichen Geschäftsleiters). Die Befugnis, nach pflichtgemäßem Ermessen auch in an<strong>de</strong>ren<br />

Fällen die Erteilung verbindlicher Auskünfte abzulehnen, bleibt unberührt (z. B. wenn zu <strong>de</strong>m Rechtsproblem<br />

eine gesetzliche Regelung, eine höchstrichterliche Entscheidung o<strong>de</strong>r eine Verwaltungsanweisung in absehbarer<br />

Zeit zu erwarten ist).<br />

3.5.5 An<strong>de</strong>rs als die frühere Auskunft mit Bindungswirkung nach Treu und Glauben ist die verbindliche<br />

Auskunft nach § 89 Abs. 2 ein Verwaltungsakt. Die verbindliche Auskunft (auch wenn sie nicht <strong>de</strong>r<br />

Rechtsauffassung <strong>de</strong>s Antragstellers entspricht) und die Ablehnung <strong>de</strong>r Erteilung einer verbindlichen Auskunft<br />

sind schriftlich zu erteilen und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen. Die Bekanntgabe richtet sich nach<br />

§ 122 und <strong>de</strong>n Regelungen zu § 122. In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 1 Abs. 2 StAuskV ist die Auskunft allen Beteiligten<br />

gegenüber einheitlich zu erteilen und <strong>de</strong>m von ihnen bestellten Empfangsbevollmächtigten bekannt zu geben.<br />

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3.5.6 Die verbindliche Auskunft hat zu enthalten<br />

– <strong>de</strong>n ihr zugrun<strong>de</strong> gelegten Sachverhalt; dabei kann auf <strong>de</strong>n im Antrag dargestellten Sachverhalt Bezug<br />

genommen wer<strong>de</strong>n,<br />

– die Entscheidung über <strong>de</strong>n Antrag, die zugrun<strong>de</strong> gelegten Rechtsvorschriften und die dafür maßgeben<strong>de</strong>n<br />

Grün<strong>de</strong>; dabei kann auf die im Antrag dargelegten Rechtsvorschriften und Grün<strong>de</strong> Bezug genommen<br />

wer<strong>de</strong>n,<br />

– eine Angabe darüber, für welche Steuern und für welchen Zeitraum die verbindliche Auskunft gilt.<br />

3.5.7 Ist vor einer Entscheidung über die Erteilung einer verbindlichen Auskunft die Anhörung eines Beteiligten<br />

o<strong>de</strong>r die Mitwirkung einer an<strong>de</strong>ren Behör<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r eines Ausschusses vorgesehen, so darf die verbindliche<br />

Auskunft erst nach Anhörung <strong>de</strong>r Beteiligten o<strong>de</strong>r nach Mitwirkung dieser Behör<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Ausschusses erteilt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

3.6 Bindungswirkung einer verbindlichen Auskunft<br />

3.6.1 Die von <strong>de</strong>r nach § 89 Abs. 2 Satz 2 und 3 zuständigen Finanzbehör<strong>de</strong> erteilte verbindliche Auskunft ist<br />

für die Besteuerung <strong>de</strong>s Antragstellers nur dann bin<strong>de</strong>nd, wenn <strong>de</strong>r später verwirklichte Sachverhalt von <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r<br />

Auskunft zugrun<strong>de</strong> gelegten Sachverhalt nicht o<strong>de</strong>r nur unwesentlich abweicht (§ 2 Abs. 1 Satz 1 StAuskV). Die<br />

Bindungswirkung tritt daher nicht ein, wenn <strong>de</strong>r tatsächlich verwirklichte Sachverhalt mit <strong>de</strong>m bei <strong>de</strong>r<br />

Beantragung <strong>de</strong>r verbindlichen Auskunft vorgetragenen Sachverhalt in wesentlichen Punkten nicht<br />

übereinstimmt Eine vom Bun<strong>de</strong>szentralamt für Steuern nach § 89 Abs. 2 Satz 3 rechtmäßig erteilte verbindliche<br />

Auskunft bin<strong>de</strong>t auch das Finanzamt, das bei Verwirklichung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Auskunft zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Sachverhalts<br />

zuständig ist.<br />

3.6.2 Im Fall <strong>de</strong>r Gesamtrechtsnachfolge geht die Bindungswirkung entsprechend § 45 auf <strong>de</strong>n<br />

Rechtsnachfolger über. Bei Einzelrechtsnachfolge erlischt die Bindungswirkung. Die Bindungswirkung tritt<br />

daher nicht ein, wenn <strong>de</strong>r Sachverhalt nicht durch <strong>de</strong>n Antragsteller, son<strong>de</strong>rn durch einen Dritten verwirklicht<br />

wur<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r nicht Gesamtrechtsnachfolger <strong>de</strong>s Antragstellers ist.<br />

3.6.3 Ist die verbindliche Auskunft zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen rechtswidrig, tritt nach § 2 Abs. 1 Satz 2<br />

StAuskV keine Bindungswirkung ein. In diesem Fall ist die Steuer nach Maßgabe <strong>de</strong>r Gesetze und <strong>de</strong>n in diesem<br />

Zeitpunkt gelten<strong>de</strong>n Verwaltungsanweisungen zutreffend festzusetzen. Die Frage, ob sich die (rechtswidrige)<br />

verbindliche Auskunft zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen auswirkt, ist durch einen Vergleich zwischen<br />

zugesagter und rechtmäßiger Behandlung zu beantworten und kann sich nur auf die konkret erteilte Auskunft<br />

beziehen.<br />

3.6.4 Die Bindungswirkung <strong>de</strong>r verbindlichen Auskunft entfällt nach § 2 Abs. 2 StAuskV ohne Zutun <strong>de</strong>r<br />

zuständigen Finanzbehör<strong>de</strong> ab <strong>de</strong>m Zeitpunkt, in <strong>de</strong>m die Rechtsvorschriften, auf <strong>de</strong>nen die Auskunft beruht,<br />

aufgehoben o<strong>de</strong>r geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Wird die verbindliche Auskunft in diesem Fall <strong>zur</strong> Klarstellung aufgehoben,<br />

hat dies nur <strong>de</strong>klaratorische Wirkung.<br />

3.6.5 Eine verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 kann unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>r §§ 129 bis 131<br />

berichtigt, <strong>zur</strong>ückgenommen und wi<strong>de</strong>rrufen wer<strong>de</strong>n. Die Korrektur einer verbindlichen Auskunft mit Wirkung<br />

für die Vergangenheit kommt danach insbeson<strong>de</strong>re in Betracht, wenn<br />

– die Auskunft durch unlautere Mittel wie arglistige Täuschung, Drohung o<strong>de</strong>r Bestechung erwirkt wor<strong>de</strong>n ist<br />

o<strong>de</strong>r<br />

– die Rechtswidrigkeit <strong>de</strong>r Auskunft <strong>de</strong>m Begünstigten bekannt o<strong>de</strong>r infolge grober Fahrlässigkeit nicht<br />

bekannt war.<br />

Ist die verbindliche Auskunft von einer sachlich o<strong>de</strong>r örtlich unzuständigen Behör<strong>de</strong> erlassen wor<strong>de</strong>n, entfaltet<br />

sie von vornherein keine Bindungswirkung.<br />

3.6.6 Über die Fälle <strong>de</strong>r §§ 129 bis 131 hinaus kann eine verbindliche Auskunft nach § 2 Abs. 3 StAuskV auch<br />

mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben o<strong>de</strong>r geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, wenn sich herausstellt, dass die erteilte Auskunft<br />

unrichtig war.<br />

Eine verbindliche Auskunft ist materiell rechtswidrig und damit rechtswidrig im Sinne <strong>de</strong>s § 2 Abs. 3 StAuskV,<br />

wenn sie ohne Rechtsgrundlage o<strong>de</strong>r unter Verstoß gegen materielle Rechtsnormen erlassen wur<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r<br />

ermessensfehlerhaft ist. Für die Beurteilung <strong>de</strong>r Rechtmäßigkeit o<strong>de</strong>r Rechtswidrigkeit kommt es auf <strong>de</strong>n<br />

Zeitpunkt <strong>de</strong>s Wirksamwer<strong>de</strong>ns, also <strong>de</strong>r Bekanntgabe <strong>de</strong>r verbindlichen Auskunft an.<br />

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Eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Rechtsprechung stellt keine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Rechtslage dar, weil sie die bisherige<br />

Rechtsauffassung nur richtig stellt, also die von Anfang an bestehen<strong>de</strong> Rechtslage klarstellt. Daher ist eine<br />

verbindliche Auskunft von vornherein unrichtig im Sinne <strong>de</strong>s § 2 Abs. 3 StAuskV, wenn sie von einem nach<br />

ihrer Bekanntgabe ergangenen FG- o<strong>de</strong>r BFH-Urteil o<strong>de</strong>r einer später ergangenen Verwaltungsanweisung<br />

abweicht. Sie ist nicht unrichtig gewor<strong>de</strong>n, ihre Unrichtigkeit wur<strong>de</strong> lediglich erst nachträglich erkannt.<br />

Die Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung nach § 2 Abs. 3 StAuskV steht im Ermessen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>. Eine Aufhebung<br />

o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung mit Wirkung für die Zukunft ist z. B. sachgerecht, wenn sich die steuerrechtliche Beurteilung <strong>de</strong>s<br />

<strong>de</strong>r verbindlichen Auskunft zugrun<strong>de</strong> gelegten Sachverhalts durch die Rechtsprechung o<strong>de</strong>r durch eine<br />

Verwaltungsanweisung zum Nachteil <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen geän<strong>de</strong>rt hat.<br />

Dem Vertrauensschutz wird dadurch Rechnung getragen, dass die Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung nur mit Wirkung<br />

für die Zukunft erfolgen darf. War <strong>de</strong>r Sachverhalt im Zeitpunkt <strong>de</strong>r Bekanntgabe <strong>de</strong>r Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung<br />

bereits im Wesentlichen verwirklicht, bleibt die Bindungswirkung bestehen, wenn <strong>de</strong>r später verwirklichte<br />

Sachverhalt von <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Auskunft zugrun<strong>de</strong> gelegten Sachverhalt nicht o<strong>de</strong>r nur unwesentlich abweicht.<br />

3.6.7 Der Steuerpflichtige ist vor einer Korrektur <strong>de</strong>r verbindlichen Auskunft zu hören (§ 91 Abs. 1).<br />

3.6.8 Im Einzelfall kann es aus Billigkeitsgrün<strong>de</strong>n gerechtfertigt sein, von einem Wi<strong>de</strong>rruf <strong>de</strong>r verbindlichen<br />

Auskunft abzusehen o<strong>de</strong>r die Wirkung <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rrufs zu einem späteren Zeitpunkt eintreten zu lassen. Eine<br />

solche Billigkeitsmaßnahme wird in <strong>de</strong>r Regel jedoch nur dann geboten sein, wenn sich <strong>de</strong>r Steuerpflichtige<br />

nicht mehr ohne erheblichen Aufwand bzw. unter beträchtlichen Schwierigkeiten von <strong>de</strong>n im Vertrauen auf die<br />

Auskunft getroffenen Dispositionen o<strong>de</strong>r eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen zu lösen vermag.<br />

3.6.9 Die Regelungen in Nrn. 3.6.1 bis 3.6.8 gelten in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 1 Abs. 3 StAuskV für die Person,<br />

Personenvereinigung o<strong>de</strong>r Vermögensmasse, die <strong>de</strong>n Sachverhalt verwirklicht hat, entsprechend.<br />

3.7 Rechtsbehelfsmöglichkeiten<br />

Gegen die erteilte verbindliche Auskunft wie auch gegen die Ablehnung <strong>de</strong>r Erteilung einer verbindlichen<br />

Auskunft ist <strong>de</strong>r Einspruch gegeben (§ 347).<br />

4. Gebühren für die Bearbeitung von Anträgen auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft (§ 89<br />

Abs. 3 bis 5)<br />

4.1 Gebührenpflicht<br />

4.1.1 § 89 Abs. 3 bis 7 i. d. F. <strong>de</strong>s Steuervereinfachungsgesetzes 2011 vom 1.11.2011 (BGBl. I, S. 2131) ist<br />

erstmals auf Anträge anzuwen<strong>de</strong>n, die nach <strong>de</strong>m 4.11.2011 bei <strong>de</strong>r zuständigen Finanzbehör<strong>de</strong> eingegangen sind<br />

(Art. 97 § 25 EGAO). Für Anträge, die nach <strong>de</strong>m 18.12.2006 und vor <strong>de</strong>m 5.11.2011 bei <strong>de</strong>r zuständigen<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> eingegangen sind, richtet sich die Gebührenerhebung nach § 89 Abs. 3 bis 5 i. d. F. <strong>de</strong>s<br />

Jahressteuergesetzes 2007 vom 13.12.2006 (BGBl. I, S. 2878).<br />

4.1.2 Gebühren sind nicht nur zu erheben, wenn die beantragte Auskunft erteilt wird. § 89 Abs. 3 Satz 1 ordnet<br />

eine Gebührenpflicht für die Bearbeitung eines Auskunftsantrags an. Gebühren sind daher grundsätzlich auch<br />

dann zu entrichten, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> in ihrer verbindlichen Auskunft eine an<strong>de</strong>re Rechtsauffassung als<br />

<strong>de</strong>r Antragsteller vertritt, wenn sie die Erteilung einer verbindlichen Auskunft ablehnt o<strong>de</strong>r wenn <strong>de</strong>r Antrag<br />

<strong>zur</strong>ückgenommen wird. Zur Möglichkeit einer Gebührenermäßigung siehe Nr. 4.5.<br />

4.1.3 Die Gebühr wird für je<strong>de</strong>n Antrag auf verbindliche Auskunft festgesetzt. Es han<strong>de</strong>lt sich jeweils um einen<br />

Antrag, soweit sich die rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts auf einen Steuerpflichtigen bezieht. Dieser<br />

Sachverhalt kann sich auf mehrere Steuerarten auswirken. In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 1 Abs. 2 StAuskV gelten die<br />

Gesellschafter und die Gesellschaft bei <strong>de</strong>r Gebührenberechnung als ein Steuerpflichtiger. In<br />

Umwandlungsfällen ist je<strong>de</strong>r abgeben<strong>de</strong>, übernehmen<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r entstehen<strong>de</strong> Rechtsträger eigenständig zu<br />

beurteilen.<br />

4.1.4 Die Gebührenpflicht gilt nicht für Anträge auf verbindliche Zusagen auf Grund einer Außenprüfung nach<br />

§§ 204 ff. o<strong>de</strong>r für Lohnsteueranrufungsauskünfte nach § 42e EStG. Sie gilt auch nicht für Anfragen, die keine<br />

verbindliche Auskunft <strong>de</strong>s Finanzamts im Sinne <strong>de</strong>s § 89 Abs. 2 zum Ziel haben.<br />

4.2 Gegenstandswert<br />

4.2.1 Die Gebühr richtet sich grundsätzlich nach <strong>de</strong>m Wert, <strong>de</strong>n die Auskunft für <strong>de</strong>n Antragsteller hat<br />

(Gegenstandswert; § 89 Abs. 4 Satz 1).<br />

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4.2.2 Maßgebend für die Bestimmung <strong>de</strong>s Gegenstandswerts ist die steuerliche Auswirkung <strong>de</strong>s vom<br />

Antragsteller dargelegten Sachverhalts. Die steuerliche Auswirkung ist in <strong>de</strong>r Weise zu ermitteln, dass <strong>de</strong>r<br />

Steuerbetrag, <strong>de</strong>r bei Anwendung <strong>de</strong>r vom Antragsteller vorgetragenen Rechtsauffassung entstehen wür<strong>de</strong>, <strong>de</strong>m<br />

Steuerbetrag gegenüberzustellen ist, <strong>de</strong>r entstehen wür<strong>de</strong>, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> eine entgegengesetzte<br />

Rechtsauffassung vertreten wür<strong>de</strong>.<br />

4.2.3 Bei Dauersachverhalten ist auf die durchschnittliche steuerliche Auswirkung eines Jahres abzustellen (vgl.<br />

auch Nr. 3.5.3).<br />

4.2.4 Der Gegenstandswert ist in entsprechen<strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>s § 39 Abs. 2 GKG auf 30 Mio. € begrenzt<br />

(§ 89 Abs. 5 Satz 2). Die Gebühr beträgt damit höchstens 91 456 €. Beträgt <strong>de</strong>r Gegenstandswert weniger als<br />

10 000 €, wird keine Gebühr erhoben (§ 89 Abs. 5 Satz 3).<br />

4.2.5 Der Antragsteller soll <strong>de</strong>n Gegenstandswert und die für seine Bestimmung maßgeblichen Umstän<strong>de</strong><br />

bereits in seinem Auskunftsantrag darlegen (§ 89 Abs. 4 Satz 2). Diese Darlegung erfor<strong>de</strong>rt schlüssige und<br />

nachvollziehbare Angaben; fehlen <strong>de</strong>rartige Angaben o<strong>de</strong>r sind sie un<strong>zur</strong>eichend, ist <strong>de</strong>r Antragsteller hierauf<br />

hinzuweisen und um entsprechen<strong>de</strong> Ergänzung seines Antrags o<strong>de</strong>r um Erläuterung zu bitten, warum er keine<br />

Angaben machen kann.<br />

4.2.6 Den Angaben <strong>de</strong>s Antragstellers ist im Regelfall zu folgen. Eine Ermittlung <strong>de</strong>s Gegenstandswerts durch<br />

das Finanzamt ist nur dann geboten, wenn <strong>de</strong>r Antragsteller keine Angaben machen kann o<strong>de</strong>r wenn seine<br />

Angaben zu einem offensichtlich unzutreffen<strong>de</strong>n Ergebnis führen wür<strong>de</strong>n (§ 89 Abs. 4 Satz 3).<br />

4.2.7 Will das Finanzamt von <strong>de</strong>m erklärten Gegenstandswert abweichen o<strong>de</strong>r konnte <strong>de</strong>r Antragsteller keine<br />

Angaben zum Gegenstandswert machen, ist <strong>de</strong>m Antragsteller vor Erlass <strong>de</strong>s Gebührenbescheids rechtliches<br />

Gehör (§ 91) zu gewähren. Die Bearbeitung <strong>de</strong>s Auskunftsantrags soll bis zum Eingang <strong>de</strong>r Stellungnahme <strong>de</strong>s<br />

Antragstellers, höchstens aber bis zum Ablauf <strong>de</strong>r (regelmäßig einmonatigen) Frist <strong>zur</strong> Stellungnahme<br />

<strong>zur</strong>ückgestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

4.3 Zeitgebühr<br />

4.3.1 Beziffert <strong>de</strong>r Antragsteller <strong>de</strong>n Gegenstandswert nicht und ist <strong>de</strong>r Gegenstandswert auch nicht durch<br />

Schätzung bestimmbar, ist eine Zeitgebühr zu berechnen (§ 89 Abs. 6 Satz 1 1. Halbsatz). Die Zeitgebühr beträgt<br />

50 € je angefangene halbe Stun<strong>de</strong> Bearbeitungszeit (§ 89 Abs. 6 Satz 1 2. Halbsatz). Beträgt bei <strong>de</strong>r<br />

Gebührenbemessung nach <strong>de</strong>m Zeitwert die Bearbeitungszeit weniger als zwei Stun<strong>de</strong>n, wird keine Gebühr<br />

erhoben (§ 89 Abs. 6 Satz 2).<br />

4.3.2 Wird eine solche Zeitgebühr erhoben, ist <strong>de</strong>r zeitliche Aufwand für die Bearbeitung <strong>de</strong>s Antrags auf<br />

verbindliche Auskunft zu dokumentieren. Zur Bearbeitungszeit rechnen nur die Zeiten, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r<br />

vorgetragene Sachverhalt ermittelt und <strong>de</strong>ssen rechtliche Würdigung geprüft wur<strong>de</strong>. Waren vorgesetzte<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>n wegen <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Einzelfalls o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r grundsätzlichen Be<strong>de</strong>utung<br />

entscheidungserheblicher Rechtsfragen hinzuzuziehen, ist die dortige Bearbeitungszeit ebenfalls zu<br />

berücksichtigen, soweit sie <strong>de</strong>m konkreten Auskunftsantrag individuell zuzuordnen ist.<br />

4.4 Gebührenfestsetzung<br />

4.4.1 Die Gebühr ist durch schriftlichen Bescheid gegenüber <strong>de</strong>m Antragsteller festzusetzen;<br />

Bekanntgabevollmachten sind zu beachten. Der Antragsteller hat die Gebühr innerhalb eines Monats nach<br />

Bekanntgabe dieses Bescheids zu entrichten (§ 89 Abs. 3 Satz 2).<br />

Auf die Gebühr sind die Vorschriften <strong>de</strong>r AO grundsätzlich sinngemäß anzuwen<strong>de</strong>n (vgl. im Einzelnen Nr. 3 <strong>de</strong>s<br />

<strong>AEAO</strong> zu § 1). Die Gebührenfestsetzung kann nach §§ 129 bis 131 korrigiert wer<strong>de</strong>n. Gegen die<br />

Gebührenfestsetzung ist <strong>de</strong>r Einspruch gegeben (§ 347).<br />

4.4.2 Die Entscheidung über <strong>de</strong>n Antrag auf verbindliche Auskunft soll bis <strong>zur</strong> Zahlung <strong>de</strong>r Gebühr<br />

<strong>zur</strong>ückgestellt wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Zahlungseingang nicht gesichert erscheint. In <strong>de</strong>rartigen Fällen ist im<br />

Gebührenbescheid darauf hinzuweisen, dass über <strong>de</strong>n Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft erst<br />

nach Zahlungseingang entschie<strong>de</strong>n wird.<br />

4.5 Ermäßigung <strong>de</strong>r Gebühr<br />

4.5.1 Die Gebühr nach § 89 Abs. 3 bis 6 entsteht auch für die Bearbeitung eines Antrags auf verbindliche<br />

Auskunft, <strong>de</strong>r die formalen Voraussetzungen nicht erfüllt (Beispiel: <strong>de</strong>r Antrag beinhaltet keine ausführliche<br />

Darlegung <strong>de</strong>s Rechtsproblems o<strong>de</strong>r keine eingehen<strong>de</strong> Begründung <strong>de</strong>s Rechtsstandpunkts <strong>de</strong>s Antragstellers).<br />

Vor einer Ablehnung eines Antrags aus formalen Grün<strong>de</strong>n hat die Finanzbehör<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Antragsteller auf diese<br />

Mängel und auf die Möglichkeit <strong>de</strong>r Ergänzung o<strong>de</strong>r Rücknahme <strong>de</strong>s Antrags hinzuweisen.<br />

4.5.2 Wird ein Antrag vor Bekanntgabe <strong>de</strong>r Entscheidung über <strong>de</strong>n Antrag auf verbindliche Auskunft<br />

<strong>zur</strong>ückgenommen, kann die Gebühr ermäßigt wer<strong>de</strong>n (§ 89 Abs. 7 Satz 2). Hierbei ist wie folgt zu verfahren:<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 77 von 235


– Hat die Finanzbehör<strong>de</strong> noch nicht mit <strong>de</strong>r Bearbeitung <strong>de</strong>s Antrags begonnen, ist die Gebühr auf Null zu<br />

ermäßigen. In diesem Fall kann aus Vereinfachungsgrün<strong>de</strong>n bereits von <strong>de</strong>r Erteilung eines<br />

Gebührenbeschei<strong>de</strong>s abgesehen wer<strong>de</strong>n.<br />

– Hat die Finanzbehör<strong>de</strong> bereits mit <strong>de</strong>r Bearbeitung <strong>de</strong>s Antrags begonnen, ist <strong>de</strong>r bis <strong>zur</strong> Rücknahme <strong>de</strong>s<br />

Antrags angefallene Bearbeitungsaufwand angemessen zu berücksichtigen und die Gebühr anteilig zu<br />

ermäßigen.<br />

5. Anwendung <strong>de</strong>r StAuskV<br />

Die StAuskV gilt für alle verbindlichen Auskünfte, die ab Inkrafttreten <strong>de</strong>s § 89 Abs. 2 (12.9.2006) erteilt<br />

wor<strong>de</strong>n sind. Für Auskünfte mit Bindungswirkung nach Treu und Glauben, die bis zum 11.9.2006 erteilt wor<strong>de</strong>n<br />

sind, sind die Regelungen in Nummer 4 und 5 <strong>de</strong>s BMF-Schreibens vom 29.12.2003 – IV A 4 – S 0430 – 7/03 –<br />

(BStBl. 2003 I, S. 742) weiter anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

Zu § 90 – Mitwirkungspflichten <strong>de</strong>r Beteiligten:<br />

1. Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Pflichten gem. § 90 Abs. 2 und ist <strong>de</strong>r Sachverhalt nicht an<strong>de</strong>rweitig<br />

aufklärbar, so kann zu seinem Nachteil von einem Sachverhalt ausgegangen wer<strong>de</strong>n, für <strong>de</strong>n unter<br />

Berücksichtigung <strong>de</strong>r Beweisnähe <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen und seiner Verantwortung für die Aufklärung <strong>de</strong>s<br />

Sachverhalts eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht. Insbeson<strong>de</strong>re dann, wenn die Mitwirkungspflicht sich<br />

auf Tatsachen und Beweismittel aus <strong>de</strong>m alleinigen Verantwortungsbereich <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen bezieht,<br />

können aus seiner Pflichtverletzung für ihn nachteilige Schlussfolgerungen gezogen wer<strong>de</strong>n (BFH-Beschluss<br />

vom 17.3.1997 – I B 123/95 – BFH/NV 1997 S. 730).<br />

2. Zu <strong>de</strong>n Folgen <strong>de</strong>r Verletzung <strong>de</strong>r Aufzeichnungs- und Vorlagepflicht nach § 90 Abs. 3 vgl. § 162 Abs. 3<br />

und 4.<br />

3. Zu <strong>de</strong>n Grundsätzen für die Prüfung <strong>de</strong>r Einkunftsabgrenzung zwischen nahe stehen<strong>de</strong>n Personen mit<br />

grenzüberschreiten<strong>de</strong>n Geschäftsbeziehungen in Bezug auf Ermittlungs- und Mitwirkungspflichten,<br />

Berichtigungen sowie auf Verständigungs- und EU-Schiedsverfahren (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren)<br />

vgl. BMF-Schreiben vom 12.4.2005, BStBl. I, S. 570.<br />

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Zu § 91 – Anhörung Beteiligter:<br />

1. Im Besteuerungsverfahren äußert sich <strong>de</strong>r Beteiligte zu <strong>de</strong>n für die Entscheidung erheblichen Tatsachen<br />

regelmäßig in <strong>de</strong>r Steuererklärung. Will die Finanzbehör<strong>de</strong> von <strong>de</strong>m erklärten Sachverhalt zu Ungunsten <strong>de</strong>s<br />

Beteiligten wesentlich abweichen, so muss sie <strong>de</strong>n Beteiligten hiervon vor Erlass <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r<br />

sonstigen Verwaltungsaktes unterrichten. Der persönlichen (ggf. fernmündlichen) Kontaktaufnahme mit <strong>de</strong>m<br />

Steuerpflichtigen kommt hierbei beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung zu. Sind die steuerlichen Auswirkungen <strong>de</strong>r<br />

Abweichung nur gering, so genügt es, die Abweichung im Steuerbescheid zu erläutern.<br />

2. Eine versehentlich unterbliebene Anhörung <strong>de</strong>r Beteiligten kann nach Erlass <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s<br />

nachgeholt und die Fehlerhaftigkeit <strong>de</strong>s Beschei<strong>de</strong>s dadurch geheilt wer<strong>de</strong>n (§ 126 Abs. 1 Nr. 3).<br />

3. Ist die erfor<strong>de</strong>rliche Anhörung eines Beteiligten unterblieben und dadurch die rechtzeitige Anfechtung <strong>de</strong>s<br />

Verwaltungsaktes versäumt wor<strong>de</strong>n, so ist Wie<strong>de</strong>reinsetzung in <strong>de</strong>n vorigen Stand zu gewähren (§ 126<br />

Abs. 3 i. V. m. § 110). Die unterlassene Anhörung ist im Allgemeinen nur dann für die Versäumung <strong>de</strong>r<br />

Einspruchsfrist ursächlich, wenn die notwendigen Erläuterungen auch im Verwaltungsakt selbst unterblieben<br />

sind (BFH-Urteil vom 13.12.1984 – VIII R 19/81 – BStBl. 1985 II, S. 601).<br />

4. Zur Erteilung von Auskünften über zu einer Person gespeicherte Daten einschließlich <strong>de</strong>r Akteneinsicht im<br />

Steuerfestsetzungsverfahren vgl. BMF-Schreiben vom 17.12.2008 – IV A 3 – S 0030/08/10001 –<br />

BStBl. 2009 I, S. 6.<br />

5. Wegen <strong>de</strong>s zwingen<strong>de</strong>n öffentlichen Interesses (§ 91 Abs. 3) Hinweis auf § 30 Abs. 4 Nr. 5 und § 106, <strong>de</strong>ren<br />

Grundsätze entsprechend anzuwen<strong>de</strong>n sind.<br />

Zu § 92 – Beweismittel:<br />

Die Finanzbehör<strong>de</strong>n sind verpflichtet, die Steuern nach Maßgabe <strong>de</strong>r Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu<br />

erheben (§ 85). Sie müssen dazu <strong>de</strong>n steuererheblichen Sachverhalt von Amts wegen aufklären (§ 88). Hierbei<br />

sind sie auf die gesetzlich vorgeschriebene Mitwirkung <strong>de</strong>r Beteiligten (§ 90) angewiesen.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 78 von 235


Es besteht dabei zwar keine Verpflichtung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>n, in je<strong>de</strong>m Fall alle Angaben <strong>de</strong>s Beteiligten auf<br />

Vollständigkeit und Richtigkeit zu prüfen (vgl. zu § 88); soweit die Finanzbehör<strong>de</strong> im Einzelfall jedoch Anlass<br />

dazu sieht, hat sie die Angaben <strong>de</strong>s Beteiligten zu überprüfen. An<strong>de</strong>renfalls ergäbe sich eine Steuerbelastung, die<br />

nahezu allein auf <strong>de</strong>r Erklärungsbereitschaft und <strong>de</strong>r Ehrlichkeit <strong>de</strong>s einzelnen Beteiligten beruhte (vgl. BVerfG-<br />

Urteil vom 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89 – BStBl. II, S. 654).<br />

Die Finanzbehör<strong>de</strong> kann sich <strong>zur</strong> Ermittlung <strong>de</strong>s steuerrelevanten Sachverhalts aller Beweismittel bedienen, die<br />

sie nach pflichtgemäßem Ermessen <strong>zur</strong> Ermittlung <strong>de</strong>s Sachverhalts für erfor<strong>de</strong>rlich hält (§ 92). Die<br />

Erfor<strong>de</strong>rlichkeit <strong>de</strong>r Beweiserhebung ist von <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> nach <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s jeweiligen Einzelfalles<br />

im Wege <strong>de</strong>r Prognose zu beurteilen.<br />

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Zu § 93 – Auskunftspflicht <strong>de</strong>r Beteiligten und an<strong>de</strong>rer Personen:<br />

1. Auskunftsersuchen nach § 93 Absatz 1 Satz 1<br />

Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 sind im gesamten Besteuerungsverfahren, d. h. auch im<br />

Rechtsbehelfsverfahren o<strong>de</strong>r im Vollstreckungsverfahren (§ 249 Abs. 2 Satz 1; BFH-Urteil vom 22.2.2000 – VII<br />

R 73/98 – BStBl. II, S. 366), möglich. Im Rahmen <strong>de</strong>r Außenprüfung und <strong>de</strong>r Steuerfahndung sind die<br />

Regelungen in §§ 200, 208, 210 und 211 zu beachten. Im Steuerstraf- und -bußgeldverfahren gelten nach § 385<br />

Abs. 1 und § 410 Abs. 1 die Vorschriften <strong>de</strong>r StPO und <strong>de</strong>s OWiG.<br />

1.1 Allgemeines/Voraussetzungen<br />

1.1.1 Voraussetzung für ein Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 ist, dass die Heranziehung eines<br />

Auskunftspflichtigen im Einzelfall aufgrund hinreichen<strong>de</strong>r konkreter Umstän<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r aufgrund allgemeiner<br />

Erfahrungen geboten ist (vgl. BFH-Urteile vom 29.10.1986 – VII R 82/85 – BStBl. 1988 II, S. 359, und vom<br />

18.3.1987 – II R 35/86 – BStBl. II, S. 419). Unter dieser Voraussetzung sind grundsätzlich auch<br />

Sammelauskunftsersuchen zulässig (vgl. BFH-Urteil vom 24.10.1989 – VII R 1/87 – BStBl. 1990 II, S. 198).<br />

Unzulässig sind Auskunftsersuchen „ins Blaue hinein“ (vgl. BFH-Urteil vom 23.10.1990 – VIII R 1/86 – BStBl.<br />

1991 II, S. 277). Darüber hinaus müssen die Auskunft <strong>zur</strong> Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die<br />

Pflichterfüllung für <strong>de</strong>n Betroffenen möglich und <strong>de</strong>ssen Inanspruchnahme geeignet, erfor<strong>de</strong>rlich und zumutbar<br />

sein (vgl. BFH-Urteile vom 29.10.1986 und vom 24.10.1989, jeweils a.a.O.). Die Erfor<strong>de</strong>rlichkeit eines<br />

Auskunftsersuchens ist von <strong>de</strong>r zuständigen Finanzbehör<strong>de</strong> nach <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Einzelfalles und unter<br />

Berücksichtigung allgemeiner Erfahrungen im Wege <strong>de</strong>r Prognose zu beurteilen. Die Erfor<strong>de</strong>rlichkeit setzt<br />

keinen begrün<strong>de</strong>ten Verdacht voraus, dass steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten vorliegen; es genügt, wenn<br />

aufgrund konkreter Momente o<strong>de</strong>r aufgrund allgemeiner Erfahrungen ein Auskunftsersuchen angezeigt ist (vgl.<br />

BFH-Urteil vom 17.3.1992 – VII R 122/91 – BFH/NV S. 791).<br />

1.1.2 Die Finanzämter können Auskunftsersuchen an die Beteiligten (§ 78), aber auch an an<strong>de</strong>re Personen<br />

richten, wenn das Ersuchen <strong>zur</strong> Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erfor<strong>de</strong>rlich ist.<br />

1.1.3 Im Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskunft erteilt wer<strong>de</strong>n soll und für die Besteuerung<br />

welcher Person die Auskunft angefor<strong>de</strong>rt wird (§ 93 Abs. 2 Satz 1). Zur Begründung <strong>de</strong>s Ersuchens reicht im<br />

Allgemeinen die Angabe <strong>de</strong>r Rechtsgrundlage sowie bei einem Auskunftsersuchen an einen Dritten <strong>de</strong>r Hinweis<br />

aus, dass die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziele geführt hat o<strong>de</strong>r keinen Erfolg<br />

verspricht. Eine Begründung <strong>de</strong>s Auskunftsersuchens hinsichtlich <strong>de</strong>r Frage, warum die Finanzbehör<strong>de</strong> einen<br />

bestimmten Auskunftspflichtigen vor einem an<strong>de</strong>ren Auskunftsverpflichteten in Anspruch nimmt, ist nur<br />

erfor<strong>de</strong>rlich, wenn gewichtige Anhaltspunkte dafür bestehen, dass <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re vorrangig in Anspruch zu nehmen<br />

sein könnte (BFH-Urteil vom 22.2.2000 – VII R 73/98 – BStBl. II, S. 366).<br />

1.1.4 Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 Satz 1 sind Verwaltungsakte i. S. d. § 118. Für Auskunftsersuchen ist<br />

keine bestimmte Form vorgesehen (§ 119 Abs. 2). Regelmäßig ist jedoch Schriftform angebracht (vgl. § 93<br />

Abs. 2 Satz 2). Im Auskunftsersuchen ist eine angemessene Frist <strong>zur</strong> Auskunftserteilung zu bestimmen sowie<br />

anzugeben, in welcher Form die Auskunft erteilt wer<strong>de</strong>n soll (vgl. § 93 Abs. 4).<br />

1.2 Zulässigkeit von Auskunftsersuchen an Dritte<br />

1.2.1 Die Auskunftspflicht an<strong>de</strong>rer Personen ist wie die prozessuale Zeugenpflicht eine allgemeine<br />

Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich unbe<strong>de</strong>nklich (vgl. BFH-Urteil vom 22.2.2000 – VII R 73/98 –<br />

BStBl. II, S. 366, und Beschluss <strong>de</strong>s BVerfG vom 15.11.2000 – 1 BvR 1213/00 – BStBl. 2002 II, S. 142). Eine<br />

Auskunftspflicht besteht nicht, soweit <strong>de</strong>m Dritten ein Auskunftsverweigerungsrecht zusteht (vgl. §§ 101–103).<br />

Zu Auskunftsersuchen gegenüber Telekommunikationsdienstleistern siehe Nummer 1.2.7.<br />

1.2.2 An Dritte soll mit Auskunftsersuchen erst herangetreten wer<strong>de</strong>n, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch<br />

die Beteiligten selbst nicht zum Ziel führt o<strong>de</strong>r keinen Erfolg verspricht (§ 93 Abs. 1 Satz 3). Unerheblich ist<br />

dabei, worauf dies <strong>zur</strong>ückzuführen ist. Ob die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 93 Abs. 1 Satz 3 vorliegen, entschei<strong>de</strong>t die<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 79 von 235


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Finanzbehör<strong>de</strong> im Einzelfall anhand einer Prognoseentscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. BFH-<br />

Urteil vom 22.2.2000, a.a.O.).<br />

Die Sachaufklärung durch die Beteiligten hat nicht zum Ziel geführt, wenn sie zwar versucht wor<strong>de</strong>n ist, aber<br />

letztlich nicht gelungen ist. Unerheblich ist dabei insbeson<strong>de</strong>re, ob die Beteiligten <strong>de</strong>n Sachverhalt nicht<br />

aufklären konnten o<strong>de</strong>r wollten.<br />

Die Sachaufklärung durch die Beteiligten verspricht keinen Erfolg, wenn sie nach <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />

Einzelfalles o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>n bisherigen Erfahrungen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>n Beteiligten nicht zu erwarten ist.<br />

1.2.3 Auskunftsersuchen an Dritte können insbeson<strong>de</strong>re geboten sein, wenn die Beteiligten keine eigenen<br />

Kenntnisse über <strong>de</strong>n relevanten Sachverhalt besitzen und eine Auskunft daher ohne Hinzuziehung Dritter nicht<br />

erteilt wer<strong>de</strong>n kann; in diesem Fall ist das Auskunftsersuchen unmittelbar an <strong>de</strong>njenigen zu richten, <strong>de</strong>r über die<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Kenntnisse verfügt. Ein Auskunftsersuchen an einen Dritten kann aber auch geboten sein, wenn<br />

eine Auskunft <strong>de</strong>s Beteiligten aufgrund konkreter Umstän<strong>de</strong> von vorneherein als unwahr zu werten wäre.<br />

1.2.4 Auskunftsbegehren dürfen auch dann an Dritte gerichtet wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige unbekannt ist<br />

und ein hinreichen<strong>de</strong>r Anlass aufgrund konkreter Umstän<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r allgemeiner, auch branchenspezifischer,<br />

Erfahrungen besteht (BFH-Urteil vom 4.10.2006 – VIII R 53/04 – BStBl 2007 II, S. 227). § 93 Abs. 1 ist nicht<br />

auf die Fälle beschränkt, in <strong>de</strong>nen Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass möglicherweise<br />

eine Steuerschuld entstan<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r die Steuer verkürzt wor<strong>de</strong>n ist. Nur wenn klar und ein<strong>de</strong>utig jeglicher<br />

Anhaltspunkt für die Steuererheblichkeit fehlt, ist ein Auskunftsverlangen unzulässig (vgl. BFH-Urteil vom<br />

23.10.1990 – VIII R 1/86 – BStBl. 1991 II, S. 277).<br />

1.2.5 Ein Dritter kann sich seinen Auskunftspflichten nicht mit <strong>de</strong>m Hinweis auf die Möglichkeit entziehen,<br />

auch an<strong>de</strong>re seien <strong>zur</strong> gewünschten Auskunft in <strong>de</strong>r Lage. § 93 Abs. 1 Satz 3 sieht keine Rangfolge vor, welche<br />

von mehreren – möglicherweise – als Auskunftspflichtige in Betracht kommen<strong>de</strong>n Personen in Anspruch zu<br />

nehmen ist (vgl. BFH-Urteil vom 22.2.2000, a.a.O.).<br />

Die Auswahl hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu erfolgen. Dabei ist auch eine Interessenabwägung zwischen<br />

<strong>de</strong>n beson<strong>de</strong>ren Belastungen, <strong>de</strong>nen ein Auskunftsverpflichteter ausgesetzt ist, und <strong>de</strong>m Interesse <strong>de</strong>r<br />

Allgemeinheit an <strong>de</strong>r möglichst gleichmäßigen Festsetzung und Erhebung <strong>de</strong>r Steueransprüche vorzunehmen.<br />

Die Beantwortung eines Auskunftsersuchens ist i. d. R. auch dann zumutbar, wenn mit <strong>de</strong>ssen Befolgung eine<br />

nicht unverhältnismäßige Beeinträchtigung eigenwirtschaftlicher Interessen verbun<strong>de</strong>n ist (vgl. BVerfG-<br />

Beschluss vom 15.11.2000, a.a.O.).<br />

1.2.6 Vor Befragung eines Dritten soll <strong>de</strong>r Beteiligte, falls <strong>de</strong>r Ermittlungszweck nicht gefähr<strong>de</strong>t wird, über die<br />

Möglichkeit eines Auskunftsersuchens gegenüber Dritten informiert wer<strong>de</strong>n, um es gegebenenfalls abwen<strong>de</strong>n zu<br />

können und damit zu verhin<strong>de</strong>rn, dass seine steuerlichen Verhältnisse Dritten bekannt wer<strong>de</strong>n. Falls <strong>de</strong>r<br />

Ermittlungszweck nicht gefähr<strong>de</strong>t wird, ist <strong>de</strong>r Beteiligte über das Auskunftsersuchen zu informieren.<br />

1.2.7 Bestandsdaten gemäß § 3 Nr. 3 <strong>de</strong>s Telekommunikationsgesetzes (TKG) wie Name, Anschrift,<br />

Bankverbindung und Rufnummer <strong>de</strong>s Anschlussinhabers unterliegen – im Gegensatz zu Verbindungsdaten –<br />

nicht <strong>de</strong>m Fernmel<strong>de</strong>geheimnis nach § 88 TKG. § 88 Abs. 3 Satz 3 TKG steht daher einer Auskunftserteilung<br />

aufgrund von Auskunftsersuchen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>n nicht entgegen.<br />

Richten die Finanzbehör<strong>de</strong>n im Besteuerungsverfahren <strong>de</strong>rartige Auskunftsersuchen an Unternehmen und<br />

Personen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringen o<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r Erbringung solcher Dienste<br />

mitwirken, sind diese Unternehmen daher <strong>zur</strong> Auskunftserteilung verpflichtet. Art und Umfang <strong>de</strong>r<br />

Auskunftserteilung bestimmt sich dabei ausschließlich nach § 93 (ggf. i. V. m. § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und<br />

Satz 3). Entgegenstehen<strong>de</strong> Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen <strong>de</strong>r o.g. Unternehmen und<br />

Personen treten <strong>de</strong>mgegenüber <strong>zur</strong>ück.<br />

1.2.8 Können Bank- und Depotverbindungen <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen sowohl durch einen Kontenabruf als auch<br />

durch ein Auskunftsersuchen an Dritte ermittelt wer<strong>de</strong>n, ist bei <strong>de</strong>r Auswahl <strong>de</strong>s Ermittlungsinstruments auch zu<br />

berücksichtigen, dass ein Kontenabruf <strong>de</strong>n Betroffenen im Einzelfall weniger beeinträchtigen kann als<br />

Auskunftsersuchen gegenüber Dritten. Denn an<strong>de</strong>rs als bei Auskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1 erfährt bei<br />

Kontenabrufen kein Dritter von <strong>de</strong>n steuerlichen Verhältnissen <strong>de</strong>s Betroffenen, insbeson<strong>de</strong>re vom Vorliegen<br />

von Steuerrückstän<strong>de</strong>n. Die Kreditinstitute dürfen von <strong>de</strong>r Durchführung eines Kontenabrufs keine Kenntnis<br />

erlangen (§ 93b Abs. 4 AO i. V. m. § 24c Abs. 1 Satz 6 KWG). Daher kann ein Kontenabruf auch nicht zu<br />

negativen Folgen für einen Bankkun<strong>de</strong>n führen.<br />

1.2.9 § 30a steht einem Auskunftsersuchen an Kreditinstitute nicht entgegen (§ 30a Abs. 5; vgl. zu § 30a, Nr. 2).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 80 von 235


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2. Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 in <strong>de</strong>r ab <strong>de</strong>m 1.1.2009 gelten<strong>de</strong>n Fassung<br />

2.1 Die Finanzbehör<strong>de</strong> kann unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 93 Abs. 7 bei <strong>de</strong>n Kreditinstituten über das<br />

Bun<strong>de</strong>szentralamt für Steuern folgen<strong>de</strong> Bestandsdaten zu Konten- und Depotverbindungen abrufen:<br />

– die Nummer eines Kontos, das <strong>de</strong>r Verpflichtung <strong>zur</strong> Legitimationsprüfung i. S. d. § 154 Abs. 2 Satz 1<br />

unterliegt, o<strong>de</strong>r eines Depots,<br />

– <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>r Errichtung und <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>r Auflösung <strong>de</strong>s Kontos o<strong>de</strong>r Depots,<br />

– <strong>de</strong>r Name sowie bei natürlichen Personen <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>r Geburt <strong>de</strong>s Inhabers und eines Verfügungsberechtigten<br />

sowie<br />

– <strong>de</strong>r Name und die Anschrift eines abweichend wirtschaftlich Berechtigten (§ 1 Abs. 6 GwG).<br />

Kontenbewegungen und Kontenstän<strong>de</strong> können auf diesem Weg nicht ermittelt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Verpflichtung <strong>de</strong>r Kreditinstitute, Daten für einen Kontenabruf durch das Bun<strong>de</strong>szentralamt für Steuern<br />

bereitzuhalten, ergibt sich unmittelbar aus § 93b AO i. V. m. § 24c KWG und bedarf daher keines<br />

Verwaltungsaktes.<br />

2.2 Ein Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 ist nur in <strong>de</strong>n gesetzlich abschließend aufgezählten Fällen möglich.<br />

2.2.1 Steuerpflichtige, <strong>de</strong>ren persönlicher Steuersatz niedriger ist als <strong>de</strong>r Abgeltungsteuersatz, können nach<br />

§ 32d Abs. 6 EStG beantragen, dass ihre Einkünfte nach § 20 EStG im Rahmen einer<br />

Einkommensteuerveranlagung ihrem individuellen niedrigeren Steuersatz unterworfen wer<strong>de</strong>n<br />

(Günstigerprüfung). In diesem Fall muss <strong>de</strong>r Steuerpflichtige sämtliche Kapitalerträge erklären (§ 32d Abs. 6<br />

Satz 2 und 3 EStG). Die Finanzbehör<strong>de</strong>n müssen daher prüfen können, ob neben <strong>de</strong>n erklärten Einkünften noch<br />

an<strong>de</strong>re Einkünfte nach § 20 EStG vorliegen (vgl. § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1).<br />

2.2.2 In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 2 Abs. 5b Satz 2 EStG ist die Kenntnis aller vom Steuerpflichtigen erzielten<br />

Kapitalerträge i. S. d. § 32d Abs. 1 und § 43 Abs. 5 EStG erfor<strong>de</strong>rlich. Die Finanzbehör<strong>de</strong>n müssen <strong>de</strong>shalb<br />

prüfen können, ob neben erklärten Einnahmen bisher nicht erklärte Kapitalerträge vorliegen (vgl. § 93 Abs. 7<br />

Satz 1 Nr. 2).<br />

2.2.3 § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 dient <strong>de</strong>r Verifikation von Einkünften nach § 20 und § 23 Abs. 1 EStG für die<br />

Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2008.<br />

2.2.4 Nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 ist ein Kontenabruf zulässig, wenn er <strong>zur</strong> Erhebung (einschließlich <strong>de</strong>r<br />

Vollstreckung) von bun<strong>de</strong>sgesetzlich geregelten Steuern, mithin auch von Lan<strong>de</strong>ssteuern, die durch<br />

Bun<strong>de</strong>sgesetz geregelt sind, erfor<strong>de</strong>rlich ist (<strong>zur</strong> Erfor<strong>de</strong>rlichkeit vgl. Nr. 2.3). Bei <strong>de</strong>r Geltendmachung von<br />

Haftungsansprüchen ist ein Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 nur <strong>zur</strong> Erhebung (einschließlich <strong>de</strong>r<br />

Vollstreckung) von Haftungsansprüchen zulässig, nicht <strong>zur</strong> Vorbereitung <strong>de</strong>r Festsetzung eines<br />

Haftungsanspruchs.<br />

2.2.5 In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>r Nrn. 2.2.1 bis 2.2.3 ist ein Kontenabruf nur zulässig, wenn er im Einzelfall <strong>zur</strong><br />

Festsetzung <strong>de</strong>r Einkommensteuer erfor<strong>de</strong>rlich ist (vgl. dazu Nr. 2.3). Des Weiteren darf in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>r<br />

Nrn. 2.2.1 bis 2.2.4 ein Abrufersuchen nur dann erfolgen, wenn ein Auskunftsersuchen an <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen<br />

nicht zum Ziel geführt hat o<strong>de</strong>r keinen Erfolg verspricht (§ 93 Abs. 7 Satz 2). Da im Vollstreckungsverfahren<br />

eine Gefährdung <strong>de</strong>r Ermittlungszwecke zu befürchten ist, wenn <strong>de</strong>r säumige Steuerschuldner vor einem<br />

Kontenabruf individuell informiert wür<strong>de</strong>, muss eine Information <strong>de</strong>s Betroffenen vor Durchführung eines<br />

Kontenabrufs nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 unterbleiben (vgl. § 93 Abs. 9 Satz 3 Nr. 1). Es reicht aus, dass<br />

säumige Steuerschuldner in <strong>de</strong>r Zahlungserinnerung auf die Möglichkeiten <strong>de</strong>r Zwangsvollstreckung<br />

(einschließlich <strong>de</strong>r Möglichkeit eines Kontenabrufs) hingewiesen wer<strong>de</strong>n (§ 93 Abs. 9 Satz 1 zweiter Halbsatz).<br />

2.2.6 Darüber hinaus ist ein Kontenabruf nur mit Zustimmung <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen zulässig (§ 93 Abs. 7 Satz 1<br />

Nr. 5). Der Steuerpflichtige kann seine Zustimmung zu einem Kontenabruf auf Auffor<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Finanzverwaltung o<strong>de</strong>r unaufgefor<strong>de</strong>rt erteilen.<br />

Wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> eine Überprüfung <strong>de</strong>r Angaben <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen mittels eines Kontenabrufs für<br />

erfor<strong>de</strong>rlich hält, weil sie Zweifel daran hat, ob die Angaben <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen vollständig und richtig sind,<br />

kann sie ihn nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 auffor<strong>de</strong>rn, <strong>zur</strong> Aufklärung <strong>de</strong>s Sachverhalts einem Kontenabruf<br />

zuzustimmen.<br />

In Betracht kommen insbeson<strong>de</strong>re Fälle, in <strong>de</strong>nen aufgeklärt wer<strong>de</strong>n soll, ob <strong>de</strong>r Steuerpflichtige betriebliche<br />

Erlöse zutreffend in seiner Buchführung erfasst hat o<strong>de</strong>r ob steuerpflichtige Einnahmen auf „private“ Konten<br />

geflossen sind. Die Finanzbehör<strong>de</strong>n können <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen auch dann <strong>zur</strong> Zustimmung zu einem<br />

Kontenabruf auffor<strong>de</strong>rn, wenn noch kein strafrechtlicher Anfangsverdacht vorliegt.<br />

Erteilt <strong>de</strong>r Steuerpflichtige trotz Auffor<strong>de</strong>rung die Zustimmung zu einem Kontenabruf nicht und bestehen<br />

tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit o<strong>de</strong>r Unvollständigkeit <strong>de</strong>r vom Steuerpflichtigen gemachten<br />

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Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen o<strong>de</strong>r Betriebsvermögensmehrungen, sind die Besteuerungsgrundlagen<br />

nach § 162 Abs. 2 Satz 2 zu schätzen (vgl. auch zu § 162, Nr. 6).<br />

2.2.7 Für Besteuerungsverfahren, auf die die AO nach § 1 nicht unmittelbar anwendbar ist, ist ein Kontenabruf<br />

nach § 93 Abs. 7 nicht zulässig. Für strafrechtliche Zwecke kann ein Kontenabruf nur nach § 24c KWG erfolgen.<br />

Der Kontenabruf entspricht einer elektronischen Einnahme <strong>de</strong>s Augenscheins und stellt einen Realakt dar.<br />

2.3 Ein Kontenabruf steht im Ermessen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> und kann nur anlassbezogen und zielgerichtet<br />

erfolgen und muss sich auf eine ein<strong>de</strong>utig bestimmte Person beziehen. Bei <strong>de</strong>r Ausübung <strong>de</strong>s Ermessens sind die<br />

Grundsätze <strong>de</strong>r Gleichmäßigkeit <strong>de</strong>r Besteuerung, <strong>de</strong>r Verhältnismäßigkeit <strong>de</strong>r Mittel, <strong>de</strong>r Erfor<strong>de</strong>rlichkeit, <strong>de</strong>r<br />

Zumutbarkeit, <strong>de</strong>r Billigkeit und von Treu und Glauben sowie das Willkürverbot und das Übermaßverbot zu<br />

beachten (vgl. zu § 5, Nr. 1).<br />

Die Erfor<strong>de</strong>rlichkeit, die von <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> im Einzelfall im Wege einer Prognose zu beurteilen ist, setzt<br />

keinen begrün<strong>de</strong>ten Verdacht dafür voraus, dass steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten vorliegen. Es genügt<br />

vielmehr, wenn aufgrund konkreter Momente o<strong>de</strong>r aufgrund allgemeiner Erfahrungen ein Kontenabruf angezeigt<br />

ist (vgl. BVerfG-Beschluss vom 13.6.2007 – 1 BvR 1550/03, 1 BvR 2357/04, 1 BvR 603/05 – BStBl. II, S. 896).<br />

2.4 Die Verantwortung für die Zulässigkeit <strong>de</strong>s Datenabrufs und <strong>de</strong>r Datenübermittlung trägt die ersuchen<strong>de</strong><br />

Finanzbehör<strong>de</strong> (§ 93b Abs. 3). Das Bun<strong>de</strong>szentralamt für Steuern darf lediglich prüfen, ob das Ersuchen<br />

plausibel ist.<br />

2.5 Ein Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 ist auch zulässig, um Konten o<strong>de</strong>r Depots zu ermitteln, hinsichtlich <strong>de</strong>rer<br />

<strong>de</strong>r Steuerpflichtige zwar nicht Verfügungsberechtigter, aber wirtschaftlich Berechtigter ist. Dies gilt auch dann,<br />

wenn <strong>de</strong>r Verfügungsberechtigte nach § 102 die Auskunft verweigern könnte (z. B. im Fall von An<strong>de</strong>rkonten<br />

von Anwälten). Denn ein Kontenabruf erfolgt bei <strong>de</strong>m Kreditinstitut und nicht bei <strong>de</strong>m Berufsgeheimnisträger.<br />

Das Kreditinstitut hat aber kein Auskunftsverweigerungsrecht und muss daher auch nach § 93 Abs. 1 Satz 1<br />

Auskunft geben darüber, ob bei festgestellten Konten eines Berufsgeheimnisträgers eine an<strong>de</strong>re Person<br />

wirtschaftlich Berechtigter ist. Das Vertrauensverhältnis zwischen <strong>de</strong>m Berufsgeheimnisträger und seinem<br />

Mandanten bleibt dadurch unberührt.<br />

Ein Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 ist auch im Besteuerungsverfahren eines Berufsgeheimnisträgers i. S. d. § 102<br />

grundsätzlich zulässig. Bei <strong>de</strong>r gebotenen Ermessensentscheidung (vgl. Nr. 2.3) ist in diesem Fall zusätzlich eine<br />

Güterabwägung zwischen <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Verschwiegenheitspflicht <strong>de</strong>s Berufsgeheimnisträgers<br />

und <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Gleichmäßigkeit <strong>de</strong>r Besteuerung unter Berücksichtigung <strong>de</strong>s<br />

Verhältnismäßigkeitsprinzips vorzunehmen (vgl. BVerfG-Urteil vom 30.3.2004 – 2 BvR 1520/01, 2 BvR<br />

1521/01 – BVerfGE 110, 226, und BFH-Urteil vom 26.2.2004 – IV R 50/01 – BStBl. II, S. 502). Über<br />

An<strong>de</strong>rkonten eines Berufsgeheimnisträgers i. S. d. § 102, die durch einen Kontenabruf im Besteuerungsverfahren<br />

<strong>de</strong>s Berufsgeheimnisträgers festgestellt wer<strong>de</strong>n, sind keine Kontrollmitteilungen zu fertigen.<br />

2.6 Ob die Sachaufklärung durch <strong>de</strong>n Beteiligten zum Ziel führt o<strong>de</strong>r Erfolg verspricht o<strong>de</strong>r ob dies nicht<br />

zutrifft, ist eine Frage <strong>de</strong>r Beweiswürdigung (vgl. Nr. 1.4). Diese Beweiswürdigung obliegt <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>.<br />

Die Finanzbehör<strong>de</strong> soll zunächst <strong>de</strong>m Beteiligten Gelegenheit geben, Auskunft über seine Konten und Depots zu<br />

erteilen und ggf. entsprechen<strong>de</strong> Unterlagen (z. B. Konto- o<strong>de</strong>r Depotauszüge) vorzulegen, es sei <strong>de</strong>nn, <strong>de</strong>r<br />

Ermittlungszweck wür<strong>de</strong> dadurch gefähr<strong>de</strong>t. Hierbei soll auch bereits darauf hingewiesen wer<strong>de</strong>n, dass die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 93 Abs. 7 einen Kontenabruf durchführen lassen o<strong>de</strong>r bei<br />

Verweigerung <strong>de</strong>r Zustimmung zu einem Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 die<br />

Besteuerungsgrundlagen nach § 162 Abs. 2 Satz 2 schätzen kann, wenn die Sachaufklärung durch <strong>de</strong>n<br />

Beteiligten nicht zum Ziel führt.<br />

2.7 Hat sich durch einen Kontenabruf herausgestellt, dass Konten o<strong>de</strong>r Depots vorhan<strong>de</strong>n sind, die <strong>de</strong>r Beteiligte<br />

auf Nachfrage (vgl. Nr. 2.6) nicht angegeben hat, ist er über das Ergebnis <strong>de</strong>s Kontenabrufs zu informieren (§ 93<br />

Abs. 9 Satz 2). Hierbei ist <strong>de</strong>r Beteiligte darauf hinzuweisen, dass die Finanzbehör<strong>de</strong> das betroffene<br />

Kreditinstitut nach § 93 Abs. 1 Satz 1 um Auskunft ersuchen kann, wenn ihre Zweifel durch die Auskunft <strong>de</strong>s<br />

Beteiligten nicht ausgeräumt wer<strong>de</strong>n.<br />

Wür<strong>de</strong> durch eine vorhergehen<strong>de</strong> Information <strong>de</strong>s Beteiligten <strong>de</strong>r Ermittlungszweck gefähr<strong>de</strong>t (§ 93 Abs. 9<br />

Satz 3 Nr. 1) o<strong>de</strong>r ergibt sich aus <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Einzelfalles, dass eine Aufklärung durch <strong>de</strong>n Beteiligten<br />

selbst nicht zu erwarten ist, kann sich die Finanzbehör<strong>de</strong> nach § 93 Abs. 1 Satz 1 unmittelbar an die betreffen<strong>de</strong>n<br />

Kreditinstitute wen<strong>de</strong>n (vgl. Nrn. 1.4 und 1.7) bzw. an<strong>de</strong>re erfor<strong>de</strong>rliche Maßnahmen ergreifen. In diesen Fällen<br />

ist <strong>de</strong>r Beteiligte nachträglich über die Durchführung <strong>de</strong>s Kontenabrufs zu informieren.<br />

2.8 Wur<strong>de</strong>n die Angaben <strong>de</strong>s Beteiligten durch einen Kontenabruf bestätigt, ist <strong>de</strong>r Beteiligte gleichwohl über<br />

die Durchführung <strong>de</strong>s Kontenabrufs zu informieren, z. B. durch eine Erläuterung im Steuerbescheid: „Es wur<strong>de</strong><br />

ein Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 durchgeführt.“<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 82 von 235


2.9 Die Rechtmäßigkeit eines Kontenabrufs nach § 93 Abs. 7 kann vom Finanzgericht im Rahmen <strong>de</strong>r<br />

Überprüfung <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r eines an<strong>de</strong>ren Verwaltungsaktes, zu <strong>de</strong>ssen Vorbereitung <strong>de</strong>r<br />

Kontenabruf vorgenommen wur<strong>de</strong>, o<strong>de</strong>r isoliert im Wege <strong>de</strong>r Leistungs- o<strong>de</strong>r (Fortsetzungs-)Feststellungsklage<br />

überprüft wer<strong>de</strong>n (vgl. BVerfG-Beschluss vom 4.2.2005 – 2 BvR 308/04 – NJW 2005, 1637, unter Absatz-<br />

Nr. 19).<br />

Zu § 93a – Allgemeine Mitteilungspflichten:<br />

Wegen <strong>de</strong>r allgemeinen Mitteilungspflichten (Kontrollmitteilungen) <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>r Rundfunkanstalten an<br />

die Finanzbehör<strong>de</strong>n Hinweis auf die Mitteilungsverordnung. Die Verpflichtung <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>r<br />

Rundfunkanstalten zu Mitteilungen, Auskünften (insbeson<strong>de</strong>re Einzelauskünften nach § 93), Anzeigen (z. B.<br />

gem. § 116) und <strong>zur</strong> Amtshilfe (§§ 111 ff.) aufgrund an<strong>de</strong>rer Vorschriften bleibt unberührt. Mitteilungspflichten,<br />

die sich aus Verträgen o<strong>de</strong>r Auflagen in Verwaltungsakten ergeben (z. B. beson<strong>de</strong>re Bedingungen in<br />

Zuwendungsbeschei<strong>de</strong>n nach Maßgabe <strong>de</strong>s Haushaltsrechts) bleiben ebenfalls unberührt.<br />

Die Mitteilungspflichten für Zwecke <strong>de</strong>r Feststellung von Einheitswerten <strong>de</strong>s Grundbesitzes sowie für Zwecke<br />

<strong>de</strong>r Grundsteuer sind in § 29 Abs. 3 BewG geregelt.<br />

Zu § 95 – Versicherung an Ei<strong>de</strong>s statt:<br />

Aus <strong>de</strong>r Weigerung eines Steuerpflichtigen, eine Tatsachenbehauptung durch ei<strong>de</strong>sstattliche Versicherung zu<br />

bekräftigen, können für ihn nachteilige Folgerungen gezogen wer<strong>de</strong>n. Im Übrigen wird auf § 162 hingewiesen.<br />

Zu § 99 – Betreten von Grundstücken und Räumen:<br />

Es dürfen auch Grundstücke, Räume usw. betreten wer<strong>de</strong>n, die nicht <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen gehören, son<strong>de</strong>rn im<br />

Eigentum o<strong>de</strong>r Besitz einer an<strong>de</strong>ren Person stehen. Von <strong>de</strong>r Besichtigung „betroffene“ Personen sind alle, die an<br />

<strong>de</strong>m Grundstück usw. entwe<strong>de</strong>r Besitzrechte haben, sie tatsächlich nutzen o<strong>de</strong>r eine sonstige tatsächliche<br />

Verfügungsbefugnis haben. Wohnräume dürfen im Besteuerungsverfahren nicht gegen <strong>de</strong>n Willen <strong>de</strong>s Inhabers<br />

betreten wer<strong>de</strong>n (siehe aber § 210 Abs. 2 und § 287).<br />

Zu § 101 – Auskunfts- und Ei<strong>de</strong>sverweigerungsrecht <strong>de</strong>r Angehörigen:<br />

1. Der Beteiligte (Steuerpflichtige) selbst hat kein Auskunftsverweigerungsrecht; § 393 Abs. 1 ist zu beachten.<br />

2. Ist die nach § 101 Abs. 1 Satz 2 erfor<strong>de</strong>rliche Belehrung unterblieben, dürfen die auf <strong>de</strong>r Aussage <strong>de</strong>s<br />

Angehörigen beruhen<strong>de</strong>n Kenntnisse nicht verwertet wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 31.10.1990 – II R 180/87 –<br />

BStBl. 1991 II, S. 204), es sei <strong>de</strong>nn, <strong>de</strong>r Angehörige stimmt nachträglich zu o<strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>rholt nach Belehrung<br />

seine Aussage (vgl. auch BFH-Urteil von 7.11.1985 – IV R 6/85 – BStBl. 1986 II, S. 435).<br />

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Zu § 104 – Verweigerung <strong>de</strong>r Erstattung eines Gutachtens und <strong>de</strong>r Vorlage von Urkun<strong>de</strong>n:<br />

Trotz ihres Auskunftsverweigerungsrechts sind die Angehörigen <strong>de</strong>r steuerberaten<strong>de</strong>n Berufe verpflichtet, alle<br />

Urkun<strong>de</strong>n und Wertsachen, insbeson<strong>de</strong>re Geschäftsbücher und sonstige Aufzeichnungen, die sie für <strong>de</strong>n<br />

Steuerpflichtigen aufbewahren o<strong>de</strong>r führen, auf Verlangen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> unter <strong>de</strong>n gleichen<br />

Voraussetzungen vorzulegen wie <strong>de</strong>r Steuerpflichtige selbst.<br />

Zu § 107 – Entschädigung <strong>de</strong>r Auskunftspflichtigen und Sachverständigen:<br />

1. Die Entschädigungspflicht wird nur ausgelöst, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> Auskunftspflichtige und<br />

Sachverständige durch Verwaltungsakt zu Beweiszwecken herangezogen hat. Freiwillig vorgelegte<br />

Auskünfte und Sachverständigengutachten führen selbst dann nicht zu einer Entschädigung, wenn die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> sie verwertet.<br />

2. Vorlagepflichtige, die aufzubewahren<strong>de</strong> Unterlagen nur in <strong>de</strong>r Form einer Wie<strong>de</strong>rgabe auf einem Bildträger<br />

o<strong>de</strong>r auf an<strong>de</strong>ren Datenträgern vorlegen können (§ 97 Abs. 3 Satz 2), erhalten keine Entschädigung für<br />

Kosten, die dadurch entstehen, dass sie Hilfsmittel <strong>zur</strong> Verfügung stellen müssen, um die Unterlagen lesbar<br />

zu machen (§ 147 Abs. 5). Das Gleiche gilt für die Kosten, die <strong>de</strong>r Ausdruck <strong>de</strong>r Unterlagen o<strong>de</strong>r die<br />

Fertigung von lesbaren Reproduktionen verursacht.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 83 von 235


3. Für die Vorlage von Urkun<strong>de</strong>n (§ 97) und für die Duldung <strong>de</strong>r Einnahme <strong>de</strong>s Augenscheins (§ 98) besteht<br />

kein Anspruch auf eine Entschädigung nach § 107. Bei einem kombinierten Auskunfts- und Vorlageersuchen<br />

hat <strong>de</strong>r ersuchte Dritte dagegen Anspruch auf Ersatz aller seiner mit <strong>de</strong>m Ersuchen zusammenhängen<strong>de</strong>n<br />

Aufwendungen, d. h. auch jener, die ihm im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Vorlage von Urkun<strong>de</strong>n entstan<strong>de</strong>n sind<br />

(BFH-Urteil vom 24.3.1987 – VII R 113/84 – BStBl. 1988 II, S. 163).<br />

Ein (reines) Vorlageverlangen i. S. d. § 97, das keinen Kostenerstattungsanspruch auslöst, liegt vor, wenn die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> die vorzulegen<strong>de</strong>n Unterlagen so konkret und ein<strong>de</strong>utig benennt, dass sich die gefor<strong>de</strong>rte<br />

Tätigkeit <strong>de</strong>s Vorlageverpflichteten auf rein mechanische Hilfstätigkeiten wie das Heraussuchen und<br />

Lesbarmachen <strong>de</strong>r angefor<strong>de</strong>rten Unterlagen beschränkt. Das setzt bei <strong>de</strong>r Anfor<strong>de</strong>rung von Bankunterlagen<br />

voraus, dass die Finanzbehör<strong>de</strong> die Konten- und Depotnummern benennt o<strong>de</strong>r vergleichbar konkrete<br />

Angaben zu sonstigen Bankverbindungen macht (BFH-Urteil vom 8.8.2006 – VII R 29/05 – BStBl. 2007 II,<br />

S. 80).<br />

Ein Vorlageverlangen i. S. d. § 97 gegenüber Dritten ist im Regelfall nur zulässig, wenn<br />

– <strong>de</strong>r Dritte eine von ihm zuvor gefor<strong>de</strong>rte Auskunft nicht erteilt hat,<br />

– die Auskunft <strong>de</strong>s Dritten un<strong>zur</strong>eichend ist,<br />

– Be<strong>de</strong>nken gegen die Richtigkeit <strong>de</strong>r Auskunft bestehen o<strong>de</strong>r<br />

– das Vorliegen steuerrelevanter Tatsachen nur durch die Vorlage eines Schriftstückes beweisbar bzw. eine<br />

Auskunft <strong>zur</strong> Wahrheitsfindung untauglich ist<br />

(vgl. BFH-Urteil vom 24.2.2010 – II R 57/08 – BStBl. 2011 II, S. ...).<br />

Zu § 108 – Fristen und Termine:<br />

1. Fristen sind abgegrenzte, bestimmte o<strong>de</strong>r je<strong>de</strong>nfalls bestimmbare Zeiträume (BFH-Urteil vom 14.10.2003 –<br />

IX R 68/98 – BStBl. II, S. 898). Termine sind bestimmte Zeitpunkte, an <strong>de</strong>nen etwas geschehen soll o<strong>de</strong>r zu<br />

<strong>de</strong>nen eine Wirkung eintritt. „Fälligkeitstermine“ geben das En<strong>de</strong> einer Frist an.<br />

2. § 108 Abs. 3 gilt auch für die Dreitage-Regelungen (§ 122 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 2a, § 123 Satz 2; § 4 Abs. 1<br />

VwZG), die Monats-Regelungen (§ 122 Abs. 2 Nr. 2, § 123 Satz 2) und die Zweiwochen-Regelung (§ 122<br />

Abs. 4 Satz 3) zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes (BFH-Urteil vom 14.10.2003 –<br />

IX R 68/98 – BStBl. II, S. 898).<br />

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Zu § 110 – Wie<strong>de</strong>reinsetzung in <strong>de</strong>n vorigen Stand:<br />

1. § 110 Abs. 1 erfasst nur verfahrensrechtliche und materiellrechtliche Fristen, die „einzuhalten“ sind; das sind<br />

Handlungs- und Erklärungsfristen, die Beteiligte (§ 78) o<strong>de</strong>r Dritte gegenüber <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> zu wahren<br />

haben. Nicht wie<strong>de</strong>reinsetzungsfähig sind dagegen die gesetzlichen Fristen, die von <strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong>n als<br />

Verwaltungsträger im Verwaltungsverfahren zu beachten sind. So fällt unter § 110 nicht <strong>de</strong>r Ablauf von<br />

Festsetzungsfristen (BFH-Urteil vom 24.1.2008 – VII R 3/07 – BStBl. II, S. 462). Soweit das Gesetz eine<br />

Fristverlängerung vorsieht (§ 109 Abs. 1), kommt nicht Wie<strong>de</strong>reinsetzung, son<strong>de</strong>rn rückwirken<strong>de</strong><br />

Fristverlängerung in Betracht.<br />

2. Zur Wie<strong>de</strong>reinsetzung in <strong>de</strong>n vorigen Stand nach unterlassener Anhörung eines Beteiligten bzw. wegen<br />

fehlen<strong>de</strong>r Begründung <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes (§ 126 Abs. 3) vgl. zu § 91, Nr. 3 und zu § 121, Nr. 3. Zur<br />

Wie<strong>de</strong>reinsetzung in <strong>de</strong>n vorigen Stand nach Einspruchseinlegung bei einer unzuständigen Behör<strong>de</strong> vgl. zu<br />

§ 357, Nr. 2.<br />

3. Abweichend von § 100 Abs. 2 beträgt im finanzgerichtlichen Verfahren die Frist für <strong>de</strong>n Antrag auf<br />

Wie<strong>de</strong>reinsetzung und die Nachholung <strong>de</strong>r versäumten Rechtshandlung zwei Wochen (§ 56 Abs. 2 FGO).<br />

Zu § 111 – Amtshilfepflicht:<br />

1. Die §§ 111 ff. sind auch dann anzuwen<strong>de</strong>n, wenn sich Finanzbehör<strong>de</strong>n untereinan<strong>de</strong>r Amtshilfe leisten.<br />

2. Für Verbän<strong>de</strong> und berufsständische Vertretungen besteht, soweit sie nicht Behör<strong>de</strong>n sind o<strong>de</strong>r unterhalten,<br />

keine Beistandspflicht. Sie sind jedoch ebenso wie die in § 111 Abs. 3 erwähnten Institutionen im Rahmen<br />

<strong>de</strong>r §§ 88, 92 ff. <strong>zur</strong> Auskunftserteilung und Vorlage von Urkun<strong>de</strong>n verpflichtet.<br />

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Zu § 112 – Voraussetzungen und Grenzen <strong>de</strong>r Amtshilfe:<br />

An<strong>de</strong>re Behör<strong>de</strong>n, die von <strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong>n im Besteuerungsverfahren um Amtshilfe ersucht wer<strong>de</strong>n, können<br />

die Amtshilfe nur unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen dieser Vorschrift ablehnen. Die Bestimmungen <strong>de</strong>s<br />

Verwaltungsverfahrensgesetzes und <strong>de</strong>s SGB X über die Amtshilfe sind insoweit nicht anwendbar.<br />

Zu § 117 – Zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe in Steuersachen:<br />

1. Die Voraussetzungen, unter <strong>de</strong>nen die Finanzbehör<strong>de</strong> für <strong>de</strong>utsche Besteuerungszwecke die Hilfe<br />

ausländischer Behör<strong>de</strong>n in Anspruch nehmen dürfen, richten sich nach <strong>de</strong>utschem Recht, insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>n<br />

§§ 85 ff.<br />

2. Gem. § 117 Abs. 2 können die Finanzbehör<strong>de</strong>n zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe leisten aufgrund<br />

a) innerstaatlich anwendbarer völkerrechtlicher Vereinbarungen. Derartige Vereinbarungen enthalten vor<br />

allem die Doppelbesteuerungsabkommen und die Abkommen im Zollbereich. Über <strong>de</strong>n Stand <strong>de</strong>r<br />

Doppelbesteuerungsabkommen veröffentlicht das BMF jährlich im BStBl. Teil I eine Übersicht.<br />

b) innerstaatlich anwendbarer Rechtsakte <strong>de</strong>r Europäischen Gemeinschaft (im Zollbereich und im Bereich<br />

<strong>de</strong>r indirekten Steuern). Als Rechtsgrundlagen kommen unmittelbar gelten<strong>de</strong> Verordnungen in Betracht.<br />

Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 1798/2003 <strong>de</strong>s Rates vom 7.10.2003 über die Zusammenarbeit <strong>de</strong>r<br />

Verwaltungsbehör<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r Mehrwertsteuer und <strong>zur</strong> Aufhebung <strong>de</strong>r Verordnung (EWG)<br />

Nr. 218/92 (Amtsblatt Nr. L 264 vom 15.10.2003 S. 1).<br />

c) <strong>de</strong>s EG-Amtshilfe-Gesetzes und <strong>de</strong>s EU-Beitreibungsgesetzes.<br />

3. Wegen <strong>de</strong>r Voraussetzungen und <strong>de</strong>r Durchführung <strong>de</strong>r zwischenstaatlichen Amtshilfe wird auf folgen<strong>de</strong><br />

Merkblätter verwiesen:<br />

– Merkblatt <strong>zur</strong> zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen (BMF-<br />

Schreiben vom 25.5.2012, BStBl. I, S. 599);<br />

– Merkblatt <strong>zur</strong> zwischenstaatlichen Amtshilfe bei <strong>de</strong>r Steuererhebung (Beitreibung) (BMF-Schreiben vom<br />

29.2.2012, BStBl. I, S. 244).<br />

Zu § 118 – Begriff <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes:<br />

Da auch die Steuerbeschei<strong>de</strong> Verwaltungsakte sind, gelten die §§ 118 ff. auch für die Steuerbeschei<strong>de</strong>, soweit in<br />

<strong>de</strong>n §§ 155 ff. nichts an<strong>de</strong>res bestimmt ist. Ausgenommen sind insbeson<strong>de</strong>re die §§ 130 und 131, die kraft<br />

ausdrücklicher Regelung (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d) als Rechtsgrundlage für die Aufhebung o<strong>de</strong>r<br />

Än<strong>de</strong>rung von Steuerbeschei<strong>de</strong>n ausgeschlossen sind.<br />

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Zu § 120 – Nebenbestimmungen zum Verwaltungsakt:<br />

1. Nebenbestimmungen sind zulässig bei Verwaltungsakten, die auf einer Ermessensentscheidung <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>n beruhen (z. B. Fristverlängerung, Stundung, Erlass, Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung). Bei<br />

gebun<strong>de</strong>nen Verwaltungsakten (z. B. Steuerbeschei<strong>de</strong>n) sind gesetzlich ausdrücklich zugelassene<br />

Nebenbestimmungen <strong>de</strong>r Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung (§ 164), die Vorläufigkeitserklärung (§ 165) und die<br />

Sicherheitsleistung (§ 165 Abs. 1 Satz 4).<br />

2. Nebenbestimmungen müssen inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 119 Abs. 1). An<strong>de</strong>renfalls sind sie<br />

nichtig. Wegen <strong>de</strong>r Rechtsfolgen bei Nichtigkeit <strong>de</strong>r Nebenbestimmung Hinweis auf § 125 Abs. 4.<br />

3. Wegen <strong>de</strong>r unterschiedlichen Folgen, die sich aus <strong>de</strong>r Nichterfüllung einer Nebenbestimmung ergeben<br />

können, ist die Nebenbestimmung im Verwaltungsakt genau zu bezeichnen (z. B. „unter <strong>de</strong>r aufschieben<strong>de</strong>n<br />

Bedingung“, „unter <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rrufs“).<br />

4. Der Wi<strong>de</strong>rrufsvorbehalt ermöglicht <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rruf rechtmäßiger Verwaltungsakte nach § 131 Abs. 2 Nr. 1. Er<br />

ist aber für sich allein kein hinreichen<strong>de</strong>r Grund zum Wi<strong>de</strong>rruf, son<strong>de</strong>rn lässt <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rruf nur im Rahmen<br />

pflichtgemäßen Ermessens zu.<br />

Zu § 121 – Begründung <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes:<br />

1. Die Vorschrift gilt für alle Verwaltungsakte einschließlich Steuerbeschei<strong>de</strong>.<br />

2. Besteht eine Pflicht, <strong>de</strong>n Verwaltungsakt zu begrün<strong>de</strong>n, so muss die Begründung nur <strong>de</strong>n Umfang haben, <strong>de</strong>r<br />

erfor<strong>de</strong>rlich ist, damit <strong>de</strong>r Adressat <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes die Grün<strong>de</strong> für die Entscheidung <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> verstehen kann. Die Begründung von Ermessensentscheidungen soll erkennen lassen, dass die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> ihr Ermessen ausgeübt hat und von welchen Gesichtspunkten sie bei ihrer Entscheidung<br />

ausgegangen ist.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 85 von 235


3. Das Fehlen <strong>de</strong>r vorgeschriebenen Begründung macht <strong>de</strong>n Verwaltungsakt fehlerhaft. Dieser Mangel kann<br />

nach § 126 Abs. 1 und 2 geheilt wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r gemäß § 127 unbeachtlich sein. Wur<strong>de</strong> wegen <strong>de</strong>r fehlen<strong>de</strong>n<br />

Begründung die rechtzeitige Anfechtung <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes versäumt, so ist auf Antrag Wie<strong>de</strong>reinsetzung<br />

in <strong>de</strong>n vorigen Stand zu gewähren (§ 126 Abs. 3 i. V. m. § 110; vgl. auch zu § 91, Nr. 3).<br />

Zu § 122 – Bekanntgabe <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes:<br />

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Inhaltsübersicht<br />

1. Allgemeines<br />

1.1 Bekanntgabe von Verwaltungsakten<br />

1.2 Steuerbeschei<strong>de</strong><br />

1.3 Bezeichnung <strong>de</strong>s Inhaltsadressaten<br />

1.4 Bezeichnung <strong>de</strong>s Bekanntgabeadressaten<br />

1.5 Bezeichnung <strong>de</strong>s Empfängers<br />

1.6 Anschriftenfeld<br />

1.7 Übermittlung an Bevollmächtigte<br />

1.8 Form <strong>de</strong>r Bekanntgabe<br />

2. Bekanntgabe von Beschei<strong>de</strong>n<br />

2.1 Bekanntgabe von Beschei<strong>de</strong>n an Ehegatten<br />

2.2 Bekanntgabe an gesetzliche Vertreter natürlicher Personen<br />

2.3 Beschei<strong>de</strong> an Ehegatten mit Kin<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r Alleinstehen<strong>de</strong> mit Kin<strong>de</strong>rn<br />

2.4 Personengesellschaften (Gemeinschaften)<br />

2.5 Beschei<strong>de</strong> über geson<strong>de</strong>rte und einheitliche Feststellungen<br />

2.6 Grundsteuermessbeschei<strong>de</strong>, Grun<strong>de</strong>rwerbsteuerbeschei<strong>de</strong><br />

2.7 Personengesellschaften (Gemeinschaften) in Liquidation<br />

2.8 Bekanntgabe an juristische Personen<br />

2.9 Bekanntgabe in Insolvenzfällen<br />

2.10 Verbraucherinsolvenzverfahren<br />

2.11 Zwangsverwaltung<br />

2.12 Gesamtrechtsnachfolge (z. B. Erbfolge)<br />

2.13 Testamentsvollstreckung, Nachlassverwaltung, Nachlasspflegschaft<br />

2.14 Haften<strong>de</strong><br />

2.15 Spaltung<br />

2.16 Formwechseln<strong>de</strong> Umwandlung<br />

3. Beson<strong>de</strong>rheiten <strong>de</strong>s Zustellungsverfahrens<br />

3.1 Zustellungsarten<br />

3.2 Zustellung an mehrere Beteiligte<br />

3.3 Zustellung an Bevollmächtigte<br />

3.4 Zustellung an Ehegatten<br />

4. Folgen von Verfahrens- und Formfehlern<br />

4.1 Unwirksamkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes wegen inhaltlicher Mängel<br />

4.2 Wirksamkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes trotz inhaltlicher Mängel<br />

4.3 Unwirksamkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes wegen eines Bekanntgabemangels<br />

4.4 Wirksame Bekanntgabe<br />

4.5 Fehler bei förmlichen Zustellungen<br />

4.6 Fehlerhafte Bekanntgabe von Grundlagenbeschei<strong>de</strong>n<br />

4.7 Bekanntgabe von geson<strong>de</strong>rten und einheitlichen Feststellungen an einzelne Beteiligte<br />

1. Allgemeines<br />

1.1 Bekanntgabe von Verwaltungsakten<br />

1.1.1 Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes ist, dass er inhaltlich hinreichend bestimmt ist<br />

(§ 119 Abs. 1) und dass er <strong>de</strong>mjenigen, für <strong>de</strong>n er bestimmt ist o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r von ihm betroffen wird, bekannt gegeben<br />

wird (§ 124 Abs. 1). Deshalb ist beim Erlass eines Verwaltungsakts festzulegen,<br />

– an wen er sich richtet (Nr. 1.3 – Inhaltsadressat),<br />

– wem er bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n soll (Nr. 1.4 – Bekanntgabeadressat)<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 86 von 235


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– welcher Person er zu übermitteln ist (Nr. 1.5 – Empfänger) und<br />

– ob eine beson<strong>de</strong>re Form <strong>de</strong>r Bekanntgabe erfor<strong>de</strong>rlich o<strong>de</strong>r zweckmäßig ist (Nr. 1.8).<br />

1.1.2 Verfahrensrechtlich ist zu unterschei<strong>de</strong>n zwischen <strong>de</strong>m Rechtsbegriff <strong>de</strong>r Bekanntgabe als<br />

Wirksamkeitsvoraussetzung, <strong>de</strong>n Formen <strong>de</strong>r Bekanntgabe (mündliche, schriftliche, elektronische o<strong>de</strong>r<br />

öffentliche Bekanntgabe o<strong>de</strong>r Bekanntgabe in an<strong>de</strong>rer Weise) und <strong>de</strong>n technischen Vorgängen bei <strong>de</strong>r<br />

Übermittlung <strong>de</strong>s Inhalts eines Verwaltungsakts. Die Bekanntgabe setzt <strong>de</strong>n Bekanntgabewillen <strong>de</strong>s für <strong>de</strong>n<br />

Erlass <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes zuständigen Bediensteten voraus (BFH-Urteile vom 27.6.1986 – VI R 23/83 –<br />

BStBl. II, S. 832, und vom 24.11.1988 – V R 123/83 – BStBl. 1989 II, S. 344). Zur Aufgabe <strong>de</strong>s<br />

Bekanntgabewillens vgl. zu § 124, Nrn. 5 und 6.<br />

1.1.3 Mit <strong>de</strong>m Rechtsbegriff „Bekanntgabe“ nicht gleichbe<strong>de</strong>utend sind die Bezeichnungen für die technischen<br />

Vorgänge bei <strong>de</strong>r Übermittlung eines verfügten Verwaltungsaktes (z. B. „Aufgabe <strong>zur</strong> Post“, „Zusendung“,<br />

„Zustellung“, „ortsübliche Bekanntmachung“, „Zugang“), auch wenn diese Begriffe zugleich eine gewisse<br />

rechtliche Be<strong>de</strong>utung haben. Die technischen Vorgänge bedürfen, soweit das Gesetz daran Rechtsfolgen knüpft,<br />

einer Dokumentation, um nachweisen zu können, dass, wann und wie die Bekanntgabe erfolgt ist.<br />

1.1.4 Die nachfolgen<strong>de</strong>n Grundsätze über die Bekanntgabe von Steuerbeschei<strong>de</strong>n (vgl. Nr. 1.2) gelten<br />

entsprechend für an<strong>de</strong>re Verwaltungsakte (z. B. Haftungsbeschei<strong>de</strong>, Prüfungsanordnungen, Androhungen und<br />

Festsetzungen von Zwangsgel<strong>de</strong>rn; vgl. Nr. 1.8.1). Zur Adressierung und Bekanntgabe von<br />

Prüfungsanordnungen vgl. zu § 197, <strong>zur</strong> Adressierung und Bekanntgabe von Zwangsgeldandrohungen und<br />

Zwangsgeldfestsetzungen vgl. BFH-Urteil vom 23.11.1999 – VII R 38/99 – BStBl. 2001 II, S. 463.<br />

1.2 Steuerbeschei<strong>de</strong><br />

Steuerfestsetzungen sind nur dann eine Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus <strong>de</strong>m<br />

Steuerschuldverhältnis, wenn sie gem. § 122 Abs. 1 Satz 1 als Steuerbescheid <strong>de</strong>mjenigen Beteiligten bekannt<br />

gegeben wor<strong>de</strong>n sind, für <strong>de</strong>n sie bestimmt sind o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r von ihnen betroffen wird. Die folgen<strong>de</strong>n Grundsätze<br />

regeln, wie <strong>de</strong>r Steuerschuldner als Inhaltsadressat und ggf. <strong>de</strong>r Bekanntgabeadressat und <strong>de</strong>r Empfänger zu<br />

bezeichnen sind und wie <strong>de</strong>r Bescheid zu übermitteln ist.<br />

1.3 Bezeichnung <strong>de</strong>s Inhaltsadressaten<br />

1.3.1 Der Inhaltsadressat muss im Bescheid so ein<strong>de</strong>utig bezeichnet wer<strong>de</strong>n, dass Zweifel über seine I<strong>de</strong>ntität<br />

nicht bestehen. Inhaltsadressat eines Steuerbeschei<strong>de</strong>s ist <strong>de</strong>r Steuerschuldner.<br />

1.3.2 Im Allgemeinen wird eine natürliche Person als Inhaltsadressat durch Vornamen und Familiennamen<br />

genügend bezeichnet. Nur bei Verwechslungsmöglichkeiten, insbeson<strong>de</strong>re bei häufiger vorkommen<strong>de</strong>n Namen,<br />

sind weitere Angaben erfor<strong>de</strong>rlich (z. B. Wohnungsanschrift, Geburtsdatum, Berufsbezeichnung, Namenszusätze<br />

wie „senior“ o<strong>de</strong>r „junior“). Bei juristischen Personen und Han<strong>de</strong>lsgesellschaftern ergibt sich <strong>de</strong>r zutreffen<strong>de</strong><br />

„Name“ aus Gesetz, Satzung, Register o<strong>de</strong>r ähnlichen Quellen (bei Han<strong>de</strong>lsgesellschaften Firma gemäß § 17<br />

HGB); wegen <strong>de</strong>r Bezeichnung von Ehegatten vgl. 2.1.2, wegen <strong>de</strong>r Bezeichnung <strong>de</strong>r nichtrechtsfähigen<br />

Personenvereinigungen vgl. Nrn. 2.4, 2.4.1.2.<br />

1.4 Bezeichnung <strong>de</strong>s Bekanntgabeadressaten<br />

1.4.1 Die Person, <strong>de</strong>r ein Verwaltungsakt bekannt zu geben ist, wird als Bekanntgabeadressat bezeichnet. Bei<br />

Steuerfestsetzungen ist dies i. d. R. <strong>de</strong>r Steuerschuldner als Inhaltsadressat, weil <strong>de</strong>r Steuerbescheid seinem<br />

Inhalt nach für ihn bestimmt ist o<strong>de</strong>r er von ihm betroffen wird (§ 122 Abs. 1 Satz 1).<br />

1.4.2 Als Bekanntgabeadressat kommen jedoch auch Dritte in Betracht, wenn sie für <strong>de</strong>n Inhaltsadressaten<br />

(Steuerschuldner) steuerliche Pflichten zu erfüllen haben. Dabei han<strong>de</strong>lt es sich in erster Linie um Fälle, in <strong>de</strong>nen<br />

die Bekanntgabe an <strong>de</strong>n Steuerschuldner nicht möglich o<strong>de</strong>r nicht zulässig ist (§ 79).<br />

Die Bekanntgabe ist insbeson<strong>de</strong>re an folgen<strong>de</strong> Dritte erfor<strong>de</strong>rlich:<br />

a) Eltern (§ 1629 BGB), Vormund (§ 1793 BGB), Pfleger (§§ 1909 ff. BGB) als gesetzliche Vertreter<br />

natürlicher Personen (§ 34 Abs. 1),<br />

b) Geschäftsführer von nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen (z. B. Vorstän<strong>de</strong> nichtrechtsfähiger Vereine,<br />

§ 54 BGB),<br />

c) Geschäftsführer von Vermögensmassen (z. B. nichtrechtsfähige Stiftungen, §§ 86, 26 BGB),<br />

d) Vermögensverwalter i. S. v. § 34 Abs. 3 (z. B. Insolvenzverwalter, Zwangsverwalter, gerichtlich bestellte<br />

Liquidatoren, Nachlassverwalter),<br />

e) Verfügungsberechtigte i. S. v. § 35,<br />

f) für das Besteuerungsverfahren bestellte Vertreter i. S. v. § 81.<br />

1.4.3 Ist <strong>de</strong>r Bekanntgabeadressat nicht mit <strong>de</strong>m Inhaltsadressaten i<strong>de</strong>ntisch (vgl. Nr. 1.4.2), so ist er zusätzlich<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 87 von 235


zu Inhaltsadressaten anzugeben. Hinsichtlich <strong>de</strong>r ein<strong>de</strong>utigen Bezeichnung gelten dieselben Grundsätze wie für<br />

die Bezeichnung <strong>de</strong>s Inhaltsadressaten (vgl. Nr. 1.3.2). Das Vertretungsverhältnis (vgl. Nr. 1.4.2) ist im Bescheid<br />

anzugeben (vgl. Nr. 1.6).<br />

1.5 Bezeichnung <strong>de</strong>s Empfängers<br />

1.5.1 Als Empfänger wird <strong>de</strong>rjenige bezeichnet, <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Verwaltungsakt tatsächlich zugehen soll, damit er<br />

durch Bekanntgabe wirksam wird. In <strong>de</strong>r Regel ist <strong>de</strong>r Inhaltsadressat nicht nur Bekanntgabeadressat, son<strong>de</strong>rn<br />

auch „Empfänger“ <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes.<br />

1.5.2 Es können jedoch auch an<strong>de</strong>re Personen Empfänger sein, wenn für sie eine Empfangsvollmacht <strong>de</strong>s<br />

Bekanntgabeadressaten vorliegt o<strong>de</strong>r wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> nach ihrem Ermessen <strong>de</strong>n Verwaltungsakt einem<br />

Bevollmächtigten übermitteln will (vgl. Nr. 1.7).<br />

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Beispiel:<br />

Die gesetzlichen Vertreter (Bekanntgabeadressaten) eines Min<strong>de</strong>rjährigen (Steuerschuldner und damit<br />

Inhaltsadressat) haben einen Dritten (Empfänger) bevollmächtigt.<br />

Inhaltsadressat (Steuerschuldner):<br />

Hans Huber<br />

Bekanntgabeadressaten:<br />

Herrn Anton Huber, Frau Maria Huber<br />

als gesetzliche Vertreter <strong>de</strong>s Hans Huber, Moltkestraße 5, 12203 Berlin<br />

Empfänger (Anschriftenfeld):<br />

Herrn<br />

Steuerberater<br />

Anton Schulz<br />

Postfach 11 48<br />

80335 München<br />

Darstellung im Bescheid:<br />

(Die Angaben in Klammern wer<strong>de</strong>n im Bescheid nicht ausgedruckt. Dies gilt auch für die übrigen Beispiele.)<br />

Anschriftenfeld (Empfänger):<br />

Herrn<br />

Steuerberater<br />

Anton Schulz<br />

Postfach 11 48<br />

80335 München<br />

Bescheidkopf:<br />

Für<br />

Herrn Anton Huber und Frau Maria Huber (Bekanntgabeadressaten) als gesetzliche Vertreter <strong>de</strong>s Hans Huber<br />

(Steuerschuldner und Inhaltsadressat), Moltkestraße 5, 12203 Berlin<br />

1.5.3 Eine Empfangsvollmacht ist auch erfor<strong>de</strong>rlich, wenn <strong>de</strong>r Verwaltungsakt nur namentlich benannten<br />

Geschäftsführern o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Personen (z. B. <strong>de</strong>m Steuerabteilungsleiter) zugehen soll.<br />

Beispiel:<br />

Anschriftenfeld (Empfänger):<br />

Herrn<br />

Steuerabteilungsleiter<br />

Fritz Schulz<br />

i.Hs. <strong>de</strong>r Meyer GmbH<br />

Postfach 11 01<br />

50859 Köln<br />

Bescheidkopf:<br />

Für die Meyer GmbH (Inhalts- und Bekanntgabeadressat)<br />

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1.5.4 Zur Bekanntgabe nach § 122 Abs. 6 vgl. Nr. 2.1.3, <strong>zur</strong> Bekanntgabe an einen gemeinsamen<br />

Empfangsbevollmächtigten i. S. von § 183 Abs. 1 vgl. Nr. 2.5.2.<br />

1.6 Anschriftenfeld<br />

Der Empfänger ist im Anschriftenfeld <strong>de</strong>s Steuerbescheids mit seinem Namen und postalischer Anschrift zu<br />

bezeichnen. Es reicht nicht aus, <strong>de</strong>n Empfänger nur auf <strong>de</strong>m Briefumschlag und in <strong>de</strong>n Steuerakten anzugeben,<br />

weil sonst die ordnungsgemäße Bekanntgabe nicht einwandfrei nachgewiesen wer<strong>de</strong>n kann. Sind Inhaltsadressat<br />

(Steuerschuldner), Bekanntgabeadressat und Empfänger nicht dieselbe Person, muss je<strong>de</strong>r im Steuerbescheid<br />

benannt wer<strong>de</strong>n: Der Empfänger ist im Anschriftenfeld anzugeben, <strong>de</strong>r Inhalts- und ggf. <strong>de</strong>r<br />

Bekanntgabeadressat sowie das Vertretungsverhältnis müssen an an<strong>de</strong>rer Stelle <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s aufgeführt<br />

wer<strong>de</strong>n (vgl. z. B. bei Bekanntgabe an Min<strong>de</strong>rjährige Nr. 2.2.2).<br />

1.7 Übermittlung an Bevollmächtigte<br />

1.7.1 Der einem Angehörigen <strong>de</strong>r steuerberaten<strong>de</strong>n Berufe erteilte Auftrag <strong>zur</strong> Erstellung und Einreichung <strong>de</strong>r<br />

Steuererklärungen schließt i. d. R. seine Bestellung als Empfangsbevollmächtigter nicht ein (BFH-Urteil vom<br />

30.7.1980 – I R 148/79 – BStBl. 1981 II, S. 3). Aus <strong>de</strong>r Mitwirkung eines Steuerberaters bei <strong>de</strong>r Steuererklärung<br />

folgt daher nicht, dass die Finanzbehör<strong>de</strong> einen Steuerbescheid <strong>de</strong>m Steuerberater zu übermitteln hat. Dasselbe<br />

gilt in Bezug auf die an<strong>de</strong>ren <strong>zur</strong> Hilfe in Steuersachen befugten Personen und Vereinigungen (§§ 3, 4 StBerG).<br />

1.7.2 Es liegt im Ermessen <strong>de</strong>s Finanzamts, ob es einen Steuerbescheid an <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen selbst o<strong>de</strong>r an<br />

<strong>de</strong>ssen Bevollmächtigten bekannt gibt (§ 122 Abs. 1 Satz 3). Zur Ausübung <strong>de</strong>s Ermessens gilt Folgen<strong>de</strong>s:<br />

Hat <strong>de</strong>r Steuerpflichtige <strong>de</strong>m Finanzamt ausdrücklich mitgeteilt, dass er seinen Vertreter auch <strong>zur</strong><br />

Entgegennahme von Steuerbeschei<strong>de</strong>n ermächtigt, sind diese grundsätzlich <strong>de</strong>m Bevollmächtigten bekannt zu<br />

geben (BFH-Urteil vom 5.10.2000 – VII R 96/99 – BStBl. 2001 II, S. 86). Dies gilt auch, wenn <strong>de</strong>r<br />

Steuerpflichtige <strong>de</strong>m Finanzamt eine Vollmacht vorgelegt hat, nach <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bevollmächtigte berechtigt ist, für<br />

<strong>de</strong>n Steuerpflichtigen „rechtsverbindliche Erklärungen“ entgegenzunehmen (BFH-Urteil vom 23.11.1999 –<br />

VII R 38/99 – BStBl. 2001 II, S. 463). Nur dann, wenn im Einzelfall beson<strong>de</strong>re Grün<strong>de</strong> gegen die Bekanntgabe<br />

<strong>de</strong>s Steuerbescheids an <strong>de</strong>n Bevollmächtigten sprechen, kann <strong>de</strong>r Steuerbescheid unmittelbar <strong>de</strong>m<br />

Steuerpflichtigen bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n. Derartige beson<strong>de</strong>re Grün<strong>de</strong> können auch technischer Natur sein.<br />

Fehlt es an einer ausdrücklichen Benennung eines Empfangsbevollmächtigten, hat das Finanzamt aber bisher<br />

Verwaltungsakte <strong>de</strong>m Vertreter <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen übermittelt, so darf es sich nicht in Wi<strong>de</strong>rspruch zu seinem<br />

bisherigen Verhalten setzen und sich bei gleich liegen<strong>de</strong>n Verhältnissen ohne ersichtlichen Grund an <strong>de</strong>n<br />

Steuerpflichtigen selbst wen<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteile vom 11.8.1954 – II 239/53 U – BStBl. III, S. 327, und vom<br />

13.4.1965 – I 36/64 U, I 37/64 U – BStBl. III, S. 389). In diesen Fällen ist jedoch eine schriftliche Vollmacht<br />

nachzufor<strong>de</strong>rn; <strong>de</strong>r Vollmachtnachweis kann auch in elektronischer Form (§ 87a Abs. 3) erbracht wer<strong>de</strong>n.<br />

Die im Einkommensteuererklärungsvordruck erteilte Empfangsvollmacht gilt nur für Beschei<strong>de</strong> <strong>de</strong>s betreffen<strong>de</strong>n<br />

Veranlagungszeitraums. Dagegen entfaltet die im Erklärungsvordruck <strong>zur</strong> geson<strong>de</strong>rten und einheitlichen<br />

Feststellung erteilte Empfangsvollmacht nicht lediglich Wirkung für das Verfahren <strong>de</strong>s entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Feststellungszeitraums, son<strong>de</strong>rn ist so lange zu beachten, bis sie durch Wi<strong>de</strong>rruf entfällt (Urteil <strong>de</strong>s FG<br />

Bran<strong>de</strong>nburg vom 17.9.1997, EFG 1998 S. 7).<br />

Ein während eines Klageverfahrens ergehen<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rungsbescheid ist i. d. R. <strong>de</strong>m Prozessbevollmächtigten<br />

bekannt zu geben (BFH-Urteile vom 5.5.1994 – VI R 98/93 – BStBl. II, S. 806, und vom 29. Oktober 1997,<br />

BStBl. 1998 II S. 266).<br />

1.7.3 Wird ein Verwaltungsakt <strong>de</strong>m betroffenen Steuerpflichtigen bekannt gegeben und hierdurch eine von ihm<br />

erteilte Bekanntgabevollmacht zu Gunsten seines Bevollmächtigten ohne beson<strong>de</strong>re Grün<strong>de</strong> nicht beachtet, wird<br />

<strong>de</strong>r Bekanntgabemangel durch die Weiterleitung <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes an <strong>de</strong>n Bevollmächtigten geheilt. Die<br />

Frist für einen außergerichtlichen Rechtsbehelf beginnt in <strong>de</strong>m Zeitpunkt, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Bevollmächtigte <strong>de</strong>n<br />

Verwaltungsakt nachweislich erhalten hat (BFH-Urteil vom 8.12.1988 – IV R 24/87 – BStBl. 1989 II, S. 346).<br />

1.7.4 Wegen <strong>de</strong>r Zustellung an Bevollmächtigte vgl. Nr. 3.3.<br />

1.7.5 Hat <strong>de</strong>r Steuerpflichtige einen Bevollmächtigten benannt, bleibt die Vollmacht so lange wirksam, bis <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> ein Wi<strong>de</strong>rruf zugeht (§ 80 Abs. 1). Die Wirksamkeit einer Vollmacht ist nur dann auf einen<br />

Besteuerungszeitraum o<strong>de</strong>r einen einzelnen Bearbeitungsvorgang begrenzt, wenn dies ausdrücklich in <strong>de</strong>r<br />

Vollmacht erwähnt ist o<strong>de</strong>r sich aus <strong>de</strong>n äußeren Umstän<strong>de</strong>n ergibt (z. B. bei Einzelsteuerfestsetzungen); vgl.<br />

aber auch Nr. 1.7.2.<br />

1.7.6 Wen<strong>de</strong>t sich die Finanzbehör<strong>de</strong> aus beson<strong>de</strong>rem Grund an <strong>de</strong>n Beteiligten selbst (z. B. um ihn um<br />

Auskünfte zu bitten, die nur er selbst als Wissensträger geben kann, o<strong>de</strong>r um die Vornahme von Handlungen zu<br />

erzwingen), so soll <strong>de</strong>r Bevollmächtigte unterrichtet wer<strong>de</strong>n (§ 80 Abs. 3 Satz 3).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 89 von 235


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1.8 Form <strong>de</strong>r Bekanntgabe<br />

Schriftliche Verwaltungsakte, insbeson<strong>de</strong>re Steuerbeschei<strong>de</strong>, sind grundsätzlich durch die Post zu übermitteln<br />

(vgl. Nr. 1.8.2), sofern <strong>de</strong>r Empfänger im Inland wohnt o<strong>de</strong>r soweit <strong>de</strong>r ausländische Staat mit <strong>de</strong>r<br />

Postübermittlung einverstan<strong>de</strong>n ist (vgl. Nr. 1.8.4). Ein Verwaltungsakt kann ferner durch Telefax (vgl.<br />

Nr. 1.8.2) wirksam bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n, auch wenn für ihn die Schriftform gesetzlich vorgeschrieben ist<br />

(BFH-Urteil vom 8.7.1998 – I R 17/96 – BStBl. 1999 II, S. 48). Eine förmliche Zustellung ist nur erfor<strong>de</strong>rlich,<br />

wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist o<strong>de</strong>r die Finanzbehör<strong>de</strong> von sich aus die Zustellung anordnet (vgl.<br />

Nr. 1.8.3). Die Zustellung erfolgt nach <strong>de</strong>n Vorschriften <strong>de</strong>s Verwaltungszustellungsgesetzes (vgl. Nr. 3.1).<br />

Unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 87a können Verwaltungsakte auch elektronisch übermittelt wer<strong>de</strong>n.<br />

1.8.1 Schriftform<br />

Grundsätzlich ist die schriftliche Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes nur erfor<strong>de</strong>rlich, wenn das Gesetz sie<br />

ausdrücklich vorsieht (für Steuerbeschei<strong>de</strong>, § 157; für die Aufhebung <strong>de</strong>s Vorbehalts <strong>de</strong>r Nachprüfung, § 164<br />

Abs. 3; für Haftungs- und Duldungsbeschei<strong>de</strong>, § 191 Abs. 1; für Prüfungsanordnungen, § 196; für verbindliche<br />

Zusagen, § 205 Abs. 1; für Pfändungsverfügungen, § 309 Abs. 2; für Androhung von Zwangsmitteln, § 332<br />

Abs. 1; für Einspruchsentscheidungen, § 366). Im Übrigen reicht die mündliche Bekanntgabe eines<br />

steuerlichen Verwaltungsaktes aus (z. B. bei Fristverlängerungen, Billigkeitsmaßnahmen, Stundungen). Aus<br />

Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Rechtssicherheit sollen Verwaltungsakte aber im Allgemeinen schriftlich erteilt wer<strong>de</strong>n. Ein<br />

mündlicher Verwaltungsakt ist ggf. schriftlich zu bestätigen (§ 119 Abs. 2).<br />

1.8.2 Übermittlung durch die Post o<strong>de</strong>r durch Telefax<br />

Der in § 122 Abs. 2 verwen<strong>de</strong>te Begriff <strong>de</strong>r „Post“ ist nicht auf die Deutsche Post AG (als<br />

Nachfolgeunternehmen <strong>de</strong>r Deutschen Bun<strong>de</strong>spost) beschränkt, son<strong>de</strong>rn umfasst alle Unternehmen, soweit sie<br />

Postdienstleistungen erbringen. Wird ein schriftlicher Verwaltungsakt durch die Post übermittelt, so hängt die<br />

Wirksamkeit <strong>de</strong>r Bekanntgabe nicht davon ab, dass <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>r Aufgabe <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes <strong>zur</strong> Post in <strong>de</strong>n<br />

Akten vermerkt wird. Um <strong>de</strong>n Bekanntgabezeitpunkt berechnen zu können und im Hinblick auf die Regelung in<br />

§ 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ist jedoch <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>r Aufgabe <strong>zur</strong> Post in geeigneter Weise festzuhalten.<br />

Ein durch Telefax (einschließlich Computerfax) bekannt gegebener Verwaltungsakt (vgl. Nr. 1.8) ist ein i. S. d.<br />

§ 122 Abs. 2a elektronisch übermittelter Verwaltungsakt. Er gilt somit grundsätzlich am dritten Tag nach <strong>de</strong>r<br />

Absendung als bekannt gegeben. Die für elektronische Verwaltungsakte gelten<strong>de</strong>n Regelungen <strong>de</strong>s § 87a sind<br />

auf ihn aber nicht anwendbar.<br />

1.8.3 Förmliche Bekanntgabe (Zustellung)<br />

Zuzustellen sind:<br />

– die Ladung zu <strong>de</strong>m Termin <strong>zur</strong> Abgabe <strong>de</strong>r ei<strong>de</strong>sstattlichen Versicherung (§ 284 Abs. 6),<br />

– die Verfügung über die Pfändung einer Geldfor<strong>de</strong>rung (§ 309 Abs. 2),<br />

– die Arrestanordnung (§ 324 Abs. 2, § 326 Abs. 4).<br />

Darüber hinaus kann die Finanzbehör<strong>de</strong> die Zustellung anordnen (§ 122 Abs. 5 Satz 1). Diese Anordnung stellt<br />

keinen Verwaltungsakt dar (BFH-Urteil vom 16.3.2000 – III R 19/99 –, BStBl. 2000 II, S. 520).<br />

Wegen <strong>de</strong>r Beson<strong>de</strong>rheiten <strong>de</strong>s Zustellungsverfahrens vgl. Nr. 3; wegen <strong>de</strong>r Zustellung von<br />

Einspruchsentscheidungen vgl. zu § 366, Nr. 2.<br />

1.8.4 Bekanntgabe an Empfänger im Ausland<br />

Mit Ausnahme <strong>de</strong>r in Nr. 3.1.4.1 Satz 4 angeführten Staaten kann davon ausgegangen wer<strong>de</strong>n, dass an<br />

Empfänger (einschließlich <strong>de</strong>r Bevollmächtigten; BFH-Urteil vom 1.2.2000 – VII R 49/99 –, BStBl. II, S. 334)<br />

im Ausland Steuerverwaltungsakte durch einfachen Brief, durch Telefax o<strong>de</strong>r – unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s<br />

§ 87a – durch elektronische Übermittlung bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n können.<br />

Ansonsten muss nach § 123 AO, § 9 VwZG (vgl. Nr. 3.1.4) o<strong>de</strong>r § 10 VwZG (vgl. Nr. 3.1.5) verfahren wer<strong>de</strong>n,<br />

wenn ein Verwaltungsakt an einen Empfänger im Ausland bekannt zu geben ist.<br />

Welche <strong>de</strong>r bestehen<strong>de</strong>n Möglichkeiten einer Auslandsbekanntgabe gewählt wird, liegt im pflichtgemäßen<br />

Ermessen (§ 5) <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>. Die Auswahl ist u. a. abhängig von <strong>de</strong>n gesetzlichen Erfor<strong>de</strong>rnissen (z. B.<br />

Zustellung, vgl. Nr. 1.8.3) und von <strong>de</strong>m Erfor<strong>de</strong>rnis, im Einzelfall einen einwandfreien Nachweis <strong>de</strong>s Zugangs<br />

<strong>de</strong>s amtlichen Schreibens zu erhalten.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 90 von 235


2. Bekanntgabe von Beschei<strong>de</strong>n<br />

2.1 Bekanntgabe von Beschei<strong>de</strong>n an Ehegatten<br />

2.1.1 Allgemeines<br />

Ehegatten sind im Fall <strong>de</strong>r ESt-Zusammenveranlagung stets Gesamtschuldner (§ 44). Gemäß § 155 Abs. 3 Satz 1<br />

kann daher gegen sie ein zusammengefasster Steuerbescheid erlassen wer<strong>de</strong>n. Dabei han<strong>de</strong>lt es sich formal um<br />

die Zusammenfassung zweier Beschei<strong>de</strong> zu einer – nur äußerlich gemeinsamen – Festsetzung. Dies gilt auch für<br />

die Festsetzung von Verspätungszuschlägen gegenüber zusammen veranlagten Ehegatten (BFH-Urteil vom<br />

28.8.1987 – III R 230/83 – BStBl. II, S. 836).<br />

Bei an<strong>de</strong>ren Steuerarten sind gegenüber Ehegatten zusammengefasste Steuerbeschei<strong>de</strong> nur zulässig, wenn<br />

tatsächlich Gesamtschuldnerschaft vorliegt. Gesamtschuldnerschaft liegt nicht vor, wenn es sich lediglich um<br />

gleich geartete Steuervorgänge han<strong>de</strong>lt. So liegen z. B. für die Grun<strong>de</strong>rwerbsteuer zwei Steuerfälle vor, wenn<br />

Ehegatten gemeinschaftlich ein Grundstück erwerben. An je<strong>de</strong>n Ehegatten ist für <strong>de</strong>n auf ihn entfallen<strong>de</strong>n<br />

Steuerbetrag ein geson<strong>de</strong>rter Steuerbescheid zu erteilen (BFH-Urteil vom 12.10.1994 – II R 63/93 – BStBl. 1995<br />

II, S. 174).<br />

Leben Eheleute in einer konfessions- o<strong>de</strong>r einer glaubensverschie<strong>de</strong>nen Ehe, darf ein Kirchensteuerbescheid nur<br />

an <strong>de</strong>n kirchensteuerpflichtigen Ehegatten gerichtet wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 29.6.1994 – II R 63/93 –,<br />

BStBl. II, S. 510).<br />

2.1.2 Bekanntgabe nach § 122 Abs. 7<br />

Bei Zusammenveranlagung von Ehegatten reicht es für die wirksame Bekanntgabe an bei<strong>de</strong> Ehegatten aus, wenn<br />

ihnen eine Ausfertigung <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s an die gemeinsame Anschrift übermittelt wird. Ebenso genügt es,<br />

wenn <strong>de</strong>r Steuerbescheid in das Postfach eines Ehegatten eingelegt wird (BFH-Urteil vom 13.10.1994 –<br />

IV R 100/93 – BStBl. 1995 II, S. 484).<br />

Es han<strong>de</strong>lt sich nicht um eine Bekanntgabe an einen <strong>de</strong>r Ehegatten mit Wirkung für und gegen <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren (vgl.<br />

hierzu Nr. 2.1.3). Bei<strong>de</strong> Ehegatten sind Empfänger <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s und daher im Anschriftenfeld<br />

aufzuführen. Diese vereinfachte Bekanntgabe ist auch möglich, wenn eine gemeinsam abzugeben<strong>de</strong> Erklärung<br />

nicht eingereicht wor<strong>de</strong>n ist (z. B. bei Schätzung von Besteuerungsgrundlagen).<br />

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Beispiel<br />

für die Bekanntgabe eines Beschei<strong>de</strong>s an Eheleute, die eine gemeinsame Anschrift haben und zusammen zu<br />

veranlagen sind:<br />

Anschriftenfeld:<br />

Herrn Adam Meier<br />

Frau Eva Meier<br />

Hauptstraße 100<br />

67433 Neustadt<br />

o<strong>de</strong>r<br />

Herrn und Frau<br />

Adam u. Eva Meier<br />

Hauptstraße 100<br />

67433 Neustadt<br />

Die Angabe von beson<strong>de</strong>ren Namensteilen eines <strong>de</strong>r Eheleute (z. B. eines aka<strong>de</strong>mischen Gra<strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r eines<br />

Geburtsnamens ist namensrechtlich geboten (vgl. aber Nr. 4.2.3).<br />

Beispiel:<br />

Herrn Adam Meier<br />

Frau Dr. Eva Schulze-Meier<br />

2.1.3 Bekanntgabe nach § 122 Abs. 6<br />

Nach dieser Vorschrift ist die Übermittlung <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s an einen <strong>de</strong>r Ehegatten zugleich mit Wirkung<br />

für und gegen <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Ehegatten zulässig, soweit die Ehegatten einverstan<strong>de</strong>n sind.<br />

Eine Bekanntgabe nach dieser Vorschrift kommt insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>n Fällen in Betracht, in <strong>de</strong>nen die<br />

Bekanntgabe nicht nach § 122 Abs. 7 erfolgen kann, weil die Ehegatten keine gemeinsame Anschrift haben.<br />

Im Bescheidkopf ist darauf hinzuweisen, dass <strong>de</strong>r Verwaltungsakt an <strong>de</strong>n einen Ehegatten zugleich mit Wirkung<br />

für und gegen <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Ehegatten ergeht.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 91 von 235


Beispiel<br />

für die Bekanntgabe an einen <strong>de</strong>r Ehegatten mit Einverständnis bei<strong>de</strong>r:<br />

Anschriftenfeld:<br />

Herrn Adam Meier<br />

Hauptstraße 100<br />

67433 Neustadt<br />

Bescheidkopf:<br />

Dieser Bescheid ergeht an Sie zugleich mit Wirkung für und gegen Ihre Ehefrau Eva Meier.<br />

2.1.4 Einzelbekanntgabe<br />

Einzelbekanntgabe ist insbeson<strong>de</strong>re erfor<strong>de</strong>rlich, wenn<br />

– keine gemeinsame Anschrift besteht und kein Einverständnis <strong>zur</strong> Bekanntgabe nach § 122 Abs. 6 vorliegt,<br />

– bekannt ist, dass zwischen <strong>de</strong>n Ehegatten ernstliche Meinungsverschie<strong>de</strong>nheiten bestehen (z. B. bei<br />

offenbarer Interessenkollision <strong>de</strong>r Eheleute, bei getrennt leben<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r geschie<strong>de</strong>nen Ehegatten),<br />

– dies nach § 122 Abs. 7 Satz 2 beantragt wor<strong>de</strong>n ist.<br />

Bei Einzelbekanntgabe ist <strong>de</strong>r Empfänger in <strong>de</strong>m jeweiligen Anschriftenfeld mit seinem Vor- und<br />

Familiennamen genau zu bezeichnen. Dies gilt auch bei förmlichen Zustellungen (vgl. Nr. 3.2). Dabei ist darauf<br />

zu achten, dass nicht versehentlich eine nur für einen Ehegatten gelten<strong>de</strong> Postanschrift (z. B. Firma o<strong>de</strong>r Praxis)<br />

verwandt wird, son<strong>de</strong>rn für je<strong>de</strong>n Ehegatten seine persönliche Anschrift. Auch die kassenmäßige Abrechnung<br />

und ggf. das Leistungsgebot sind doppelt zu erteilen.<br />

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Beispiel<br />

für die Bekanntgabe an <strong>de</strong>n Ehemann:<br />

Anschriftenfeld (Empfänger und Bekanntgabeadressat):<br />

Herrn<br />

Adam Meier<br />

Hauptstraße 100<br />

67433 Neustadt<br />

Bescheidkopf (Inhaltsadressaten):<br />

Für<br />

Herrn Adam Meier und Frau Eva Meier<br />

In je<strong>de</strong> Bescheidausfertigung ist als Erläuterung aufzunehmen:<br />

„Ihrem Ehegatten wur<strong>de</strong> ein Bescheid gleichen Inhalts erteilt.“<br />

2.1.5 Son<strong>de</strong>rfälle<br />

Betreiben bei<strong>de</strong> Ehegatten gemeinsam einen Gewerbebetrieb o<strong>de</strong>r sind sie gemeinsam Unternehmer i. S. d.<br />

Umsatzsteuergesetzes, so gelten für Beschei<strong>de</strong> über Betriebsteuern die Grundsätze zu Nrn. 2.4 und 2.5. Sind<br />

Ehegatten z. B. Miteigentümer eines Grundstücks o<strong>de</strong>r eines selbstständigen Wirtschaftsguts, für das ein<br />

Einheitswert festgestellt wird, so ist nach Nr. 2.5.4 zu verfahren.<br />

Betreibt nur ein Ehegatte ein Gewerbe (o<strong>de</strong>r eine Praxis als Freiberufler usw.), so ist nur dieser Inhaltsadressat<br />

für Verwaltungsakte, die ausschließlich <strong>de</strong>n Geschäftsbetrieb betreffen.<br />

2.2 Bekanntgabe an gesetzliche Vertreter natürlicher Personen<br />

2.2.1 Ist ein Inhaltsadressat (Steuerschuldner) bei Bekanntgabe <strong>de</strong>s Beschei<strong>de</strong>s geschäftsunfähig o<strong>de</strong>r<br />

beschränkt geschäftsfähig, so ist Bekanntgabeadressat <strong>de</strong>r gesetzliche Vertreter (Ausnahme vgl. Nr. 2.2.3). Das<br />

Vertretungsverhältnis muss aus <strong>de</strong>m Bescheid hervorgehen (BFH-Beschluss vom 14.5.1968 – II B 41/67 –<br />

BStBl. II, S. 503). Der Inhaltsadressat (Steuerschuldner) ist dabei in <strong>de</strong>r Regel durch Angabe seines Vor- und<br />

Familiennamens ein<strong>de</strong>utig genug bezeichnet (vgl. Nr. 1.3.2). Das Vertretungsverhältnis ist ausreichend<br />

gekennzeichnet, wenn Name und Anschrift <strong>de</strong>s Vertreters genannt wer<strong>de</strong>n und angegeben wird, dass ihm <strong>de</strong>r<br />

Bescheid „als gesetzlicher Vertreter“ für <strong>de</strong>n Inhaltsadressaten (Steuerschuldner) bekannt gegeben wird. Ist <strong>de</strong>r<br />

gesetzliche Vertreter nicht gleichzeitig auch <strong>de</strong>r Empfänger, so braucht er in <strong>de</strong>r Regel nur mit seinem Vor- und<br />

Familiennamen bezeichnet zu wer<strong>de</strong>n.<br />

2.2.2 Soweit nicht ausnahmsweise die gesetzliche Vertretung nur einem Elternteil zusteht, sind die Eltern<br />

Bekanntgabeadressaten <strong>de</strong>r Steuerbeschei<strong>de</strong>s für ihr min<strong>de</strong>rjähriges Kind. Die Bekanntgabe an einen von<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 92 von 235


ei<strong>de</strong>n reicht jedoch aus, um <strong>de</strong>n Verwaltungsakt wirksam wer<strong>de</strong>n zu lassen. Für die Zustellung von<br />

Verwaltungsakten ist es gemäß § 6 Abs. 3 VwZG ausreichend, wenn <strong>de</strong>r Verwaltungsakt einem von bei<strong>de</strong>n<br />

Ehegatten zugestellt wird (BFH-Beschluss vom 19.6.1974 – VI B 27/74 – BStBl. II, S. 640 und BFH-Urteil vom<br />

22.10.1976 – VI R 137/74 – BStBl. II, S. 762). Diese vom BFH für die förmliche Zustellung von<br />

Verwaltungsakten aufgestellten Grundsätze sind auch bei <strong>de</strong>r Bekanntgabe mit einfachem Brief anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

Wenn die Eltern bereits bei<strong>de</strong> als Empfänger <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s im Anschriftenfeld aufgeführt sind, kann<br />

darauf verzichtet wer<strong>de</strong>n, sie im Text <strong>de</strong>s Beschei<strong>de</strong>s noch einmal mit vollem Namen und in voller Anschrift als<br />

Bekanntgabeadressaten zu bezeichnen.<br />

Beispiel:<br />

Den Eltern Anton und Maria Huber steht gesetzlich gemeinsam die Vertretung für <strong>de</strong>n min<strong>de</strong>rjährigen<br />

Steuerschuldner Hans Huber zu. Sie sind die Bekanntgabeadressaten für <strong>de</strong>n Steuerbescheid an Hans Huber.<br />

Der Steuerbescheid ist zu übermitteln an:<br />

Anschriftenfeld (Empfänger):<br />

Herrn Anton Huber<br />

Frau Maria Huber<br />

Moltkestraße 5<br />

12203 Berlin<br />

Bescheidkopf:<br />

Als gesetzliche Vertreter (Bekanntgabeadressaten) von Hans Huber (Steuerschuldner und Inhaltsadressat)<br />

Bei Empfangsvollmacht vgl. das Beispiel bei Nr. 1.5.2<br />

2.2.3 Ermächtigt <strong>de</strong>r gesetzliche Vertreter mit Genehmigung <strong>de</strong>s Vormundschaftsgerichts <strong>de</strong>n Min<strong>de</strong>rjährigen<br />

zum selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts, so ist <strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>rjährige für diejenigen Rechtsgeschäfte<br />

unbeschränkt geschäftsfähig, die <strong>de</strong>r Geschäftsbetrieb mit sich bringt (§ 112 BGB). Steuerbeschei<strong>de</strong>, die<br />

ausschließlich diesen Geschäftsbetrieb betreffen, sind daher nur <strong>de</strong>m Min<strong>de</strong>rjährigen bekannt zu geben (vgl.<br />

Nr. 1.4 – Bekanntgabeadressat –). Das Gleiche gilt bei einer Veranlagung nach § 46 EStG, wenn das<br />

Einkommen ausschließlich aus Einkünften nichtselbstständiger Arbeit besteht und <strong>de</strong>r gesetzliche Vertreter <strong>de</strong>n<br />

Min<strong>de</strong>rjährigen <strong>zur</strong> Eingehung <strong>de</strong>s Dienstverhältnisses ermächtigt hat (§ 113 BGB). Von <strong>de</strong>r Ermächtigung kann<br />

im Regelfall ausgegangen wer<strong>de</strong>n.<br />

Hat <strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>rjährige noch weitere Einkünfte o<strong>de</strong>r Vermögenswerte und wer<strong>de</strong>n diese in die Festsetzung<br />

einbezogen, so kann <strong>de</strong>r Steuerbescheid nicht durch Bekanntgabe gegenüber <strong>de</strong>m min<strong>de</strong>rjährigen<br />

Steuerschuldner wirksam wer<strong>de</strong>n. Bekanntgabeadressat <strong>de</strong>s Beschei<strong>de</strong>s ist <strong>de</strong>r gesetzliche Vertreter.<br />

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2.3 Beschei<strong>de</strong> an Ehegatten mit Kin<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r Alleinstehen<strong>de</strong> mit Kin<strong>de</strong>rn<br />

2.3.1 Allgemeines<br />

Sofern Ehegatten mit ihren Kin<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r Alleinstehen<strong>de</strong> mit ihren Kin<strong>de</strong>rn Gesamtschuldner sind, gelten für die<br />

Bekanntgabe von Beschei<strong>de</strong>n an diese Personen die Nrn. 2.1 und 2.2 entsprechend. Insbeson<strong>de</strong>re kann auch nach<br />

§ 122 Abs. 7 (gleichzeitige Bekanntgabe; vgl. hierzu Nr. 2.1.2) und § 122 Abs. 6 (einverständliche Bekanntgabe<br />

an einen <strong>de</strong>r Beteiligten; vgl. hierzu Nr. 2.1.3) bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n. Hierbei sind die nachfolgen<strong>de</strong>n<br />

Beson<strong>de</strong>rheiten zu beachten.<br />

2.3.2 Bekanntgabe nach § 122 Abs. 7<br />

Hat ein Familienmitglied Einzelbekanntgabe beantragt, so ist für die übrigen Familienmitglie<strong>de</strong>r gleichwohl eine<br />

Bekanntgabe nach § 122 Abs. 7 möglich. In diesem Fall ist eine Ausfertigung <strong>de</strong>s zusammengefassten<br />

Beschei<strong>de</strong>s an <strong>de</strong>n Antragsteller und eine weitere Ausfertigung an die übrigen Familienmitglie<strong>de</strong>r bekannt zu<br />

geben. Im Bescheidkopf sind alle Steuerschuldner/Beteiligten als Inhaltsadressaten namentlich aufzuführen.<br />

2.4 Personengesellschaften (Gemeinschaften)<br />

Zu <strong>de</strong>n Personengesellschaften (Gemeinschaften) i. S. dieser Regelung zählen die Han<strong>de</strong>lsgesellschaften (vgl.<br />

Nr. 2.4.1.1) und die sonstigen nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen (vgl. Nr. 2.4.1.2).<br />

Es ist zu unterschei<strong>de</strong>n zwischen Beschei<strong>de</strong>n, die sich an die Gesellschaft richten, und Beschei<strong>de</strong>n, die sich an<br />

die Gesellschafter richten.<br />

2.4.1 Beschei<strong>de</strong> an die Gesellschaft (Gemeinschaft)<br />

Steuerbeschei<strong>de</strong> und Steuermessbeschei<strong>de</strong> sind an die Gesellschaft zu richten, wenn die Gesellschaft selbst<br />

Steuerschuldner ist. Dies gilt z. B. für<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 93 von 235


© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

a) die Umsatzsteuer (§ 13a UStG),<br />

b) die Gewerbesteuer einschließlich <strong>de</strong>r Festsetzung <strong>de</strong>s Messbetrags und <strong>de</strong>r Zerlegung (§ 5 Abs. 1 Satz 3<br />

GewStG),<br />

c) die Kraftfahrzeugsteuer, wenn das Fahrzeug für die Gesellschaft zum Verkehr zugelassen ist (§ 7 KraftStG;<br />

BFH-Urteil vom 24.7.1963 – II 8/62 – HFR 1964 S. 20),<br />

d) die pauschale Lohnsteuer (§ 40 Abs. 3, § 40a Abs. 5 und § 40b Abs. 5 EStG),<br />

e) die Festsetzung <strong>de</strong>s Grundsteuermessbetrags, wenn <strong>de</strong>r Gesellschaft <strong>de</strong>r Steuergegenstand zugerechnet<br />

wor<strong>de</strong>n ist (§ 10 Abs. 1 GrStG),<br />

f) die Grun<strong>de</strong>rwerbsteuer, soweit Gesamthandseigentum <strong>de</strong>r Personengesellschaft besteht (insbeson<strong>de</strong>re bei<br />

GbR, OHG, KG und ungeteilter Erbengemeinschaft; BFH-Urteile vom 28.4.1965 – II 9/62 U – BStBl. III,<br />

S. 422, vom 27.10.1970 – II 72/65 – BStBl. 1971 II, S. 278, vom 29.11.1972 – II R 28/67 – BStBl. 1973 II,<br />

S. 370, vom 11.2.1987 – II R 103/84 – BStBl. II, S. 325, und vom 12.12.1996 – II R 61/93 – BStBl. 1997 II,<br />

S. 299),<br />

g) die Körperschaftsteuer bei körperschaftsteuerpflichtigen nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen<br />

und entsprechend für<br />

h) Haftungsbeschei<strong>de</strong> für Steuerabzugsbeträge.<br />

Da eine typisch o<strong>de</strong>r atypisch stille Gesellschaft nicht selbst Steuerschuldnerin ist, sind Steuerbeschei<strong>de</strong> und<br />

Steuermessbeschei<strong>de</strong> an <strong>de</strong>n Inhaber <strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>lsgeschäfts zu richten (BFH-Urteil vom 12.11.1985 – VIII R<br />

364/83 – BStBl. 1986 II, S. 311; R 5.1 Abs. 2 GewStR 2009). Entsprechen<strong>de</strong>s gilt bei einer ver<strong>de</strong>ckten<br />

Mitunternehmerschaft (BFH-Urteil vom 16.12.1997 – VIII R 32/90 – BStBl. 1998 II, S. 480).<br />

Eine Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) kann selbst Steuerschuldnerin sein. Dies gilt<br />

jedoch nicht für die Gewerbesteuer. Schuldner <strong>de</strong>r Gewerbesteuer sind die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Vereinigung (§ 5<br />

Abs. 1 Satz 4 GewStG), bei einer Bruchteilsgemeinschaft die Gemeinschafter; an diese sind<br />

Gewerbesteuermessbeschei<strong>de</strong> und Gewerbesteuerbeschei<strong>de</strong> zu richten.<br />

2.4.1.1 Han<strong>de</strong>lsgesellschaften<br />

Bei Han<strong>de</strong>lsgesellschaften (OHG, KG, EWIV) sind Steuerbeschei<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Gesellschaft unter ihrer Firma bekannt<br />

zu geben, wenn sie Steuerschuldner und damit Inhaltsadressat ist. Die Han<strong>de</strong>lsgesellschaft kann im<br />

Wirtschaftsleben mit ihrer Firma ein<strong>de</strong>utig bezeichnet wer<strong>de</strong>n; bei Zweifeln über die zutreffen<strong>de</strong> Bezeichnung<br />

ist das Han<strong>de</strong>lsregister maßgebend. Ist eine Han<strong>de</strong>lsgesellschaft Steuerschuldner und damit Inhaltsadressat,<br />

genügt <strong>de</strong>shalb <strong>zur</strong> Bezeichnung <strong>de</strong>s Inhaltsadressaten die Angabe <strong>de</strong>r Firma im Steuerbescheid (BFH-Urteil<br />

vom 16.12.1997 – VIII R 32/90 – BStBl. 1998 II, S. 480). Ein zusätzlicher Hinweis auf Vertretungsbefugnisse<br />

o<strong>de</strong>r einzelne Gesellschafter (z. B. „zu Hän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Geschäftsführers Meier“) ist <strong>zur</strong> Kennzeichnung <strong>de</strong>s<br />

Inhaltsadressaten nicht erfor<strong>de</strong>rlich; wegen <strong>de</strong>r Bekanntgabe an namentlich benannte Geschäftsführer usw. vgl.<br />

Nrn. 1.5.2 und 1.5.3.<br />

Beispiel:<br />

Ein Umsatzsteuerbescheid für die Firma Schmitz & Söhne KG muss folgen<strong>de</strong> Angaben enthalten:<br />

Steuerschuldner und Inhaltsadressat (zugleich Bekanntgabeadressat und Empfänger):<br />

Firma<br />

Schmitz & Söhne KG<br />

Postfach 11 47<br />

50853 Köln<br />

Zur Bekanntgabe von Feststellungsbeschei<strong>de</strong>n vgl. Nr. 2.5.<br />

2.4.1.2 Sonstige nicht rechtsfähige Personenvereinigungen<br />

Zu <strong>de</strong>n sonstigen nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen gehören insbeson<strong>de</strong>re die nicht eingetragenen<br />

Vereine, Gesellschaften bürgerlichen Rechts, Partnerschaftsgesellschaften, Arbeitsgemeinschaften,<br />

Erbengemeinschaften (vgl. Nr. 2.12.6) und Bruchteilsgemeinschaften. Sie haben formal keinen eigenen Namen<br />

und keine gesetzliche Vertretung, können aber ggf. durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und<br />

Pflichten begrün<strong>de</strong>n (BGH-Urteil vom 29.1.2001 – II ZR 331/00 – DB S. 423; BFH-Beschluss vom 19.8.2004 –<br />

II B 22/03 – BFH/NV 2005 S. 156). In diesen Fällen ist bei Steuerbeschei<strong>de</strong>n, die an Personenvereinigungen<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 94 von 235


gerichtet wer<strong>de</strong>n, die I<strong>de</strong>ntität <strong>de</strong>s Inhaltsadressaten (Steuerschuldners) durch Angabe <strong>de</strong>s geschäftsüblichen<br />

Namens, unter <strong>de</strong>m sie am Rechtsverkehr teilnehmen, ausreichend gekennzeichnet (BFH-Urteile vom<br />

21.5.1971 – II R 103/84 – BStBl. II, S. 540, und vom 11.2.1987 – V R 117/67 – BStBl. II, S. 325). Ein solcher<br />

Bescheid reicht nach § 267 <strong>zur</strong> Vollstreckung in das Vermögen <strong>de</strong>r Personenvereinigung aus.<br />

Beispiel:<br />

Ein Umsatzsteuerbescheid für die Brennstoffhandlung Josef Müller Erben GbR muss folgen<strong>de</strong> Angaben<br />

enthalten:<br />

Steuerschuldner und Inhaltsadressat (zugleich Bekanntgabeadressat und Empfänger):<br />

Brennstoffhandlung<br />

Josef Müller Erben GbR<br />

Postfach 11 11<br />

54290 Trier<br />

Hat die nicht rechtsfähige Personenvereinigung keine Geschäftsadresse, ist als Empfänger eine natürliche Person<br />

anzugeben (vgl. Nr. 2.4.1.3).<br />

Ein Umsatzsteuerbescheid hat sich bei Arbeitsgemeinschaften (ARGE) an diese als eine umsatzsteuerlich<br />

rechtsfähige Personenvereinigung (Unternehmer) zu richten. Es ist ausreichend und zweckmäßig, wenn <strong>de</strong>r<br />

Bescheid <strong>de</strong>r geschäftsführen<strong>de</strong>n Firma als <strong>de</strong>r Bevollmächtigten übermittelt wird (BFH-Urteil vom 21.5.1971 –<br />

V R 117/67 – BStBl. II, S. 540).<br />

Beispiel:<br />

Anschriftenfeld (Empfänger):<br />

Firma<br />

Rheinische Betonbau GmbH & Co. KG<br />

Postfach 90 11<br />

50890 Köln<br />

© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

Bescheidkopf:<br />

Für<br />

ARGE Rheinbrücke Bonn (Inhalts- und Bekanntgabeadressat)<br />

2.4.1.3 Soweit bei Steuerbeschei<strong>de</strong>n an Personenvereinigungen kein geschäftsüblicher Name vorhan<strong>de</strong>n ist, sind<br />

die Beschei<strong>de</strong> an alle Mitglie<strong>de</strong>r (Gemeinschafter, Gesellschafter) zu richten (BFH-Urteil vom 17.3.1970 –<br />

II 65/63 – BStBl. II, S. 598; <strong>zur</strong> Erbengemeinschaft: BFH-Urteil vom 29.11.1972 – II R 42/67 – BStBl. 1973 II,<br />

S. 372). Ist die Bezeichnung <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r nicht rechtsfähigen Personenvereinigung durch die Aufzählung<br />

aller Namen im Kopf <strong>de</strong>s Beschei<strong>de</strong>s aus technischen Grün<strong>de</strong>n nicht möglich, kann so verfahren wer<strong>de</strong>n, dass<br />

neben einer Kurzbezeichnung im Bescheidkopf (Beispiel: „Erbengemeinschaft Max Meier“,<br />

„Bruchteilsgemeinschaft Goethestraße 100“, „GbR Peter Müller unter an<strong>de</strong>rem“, „Kegelclub Alle Neune“) die<br />

einzelnen Mitglie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Beschei<strong>de</strong>rläuterungen o<strong>de</strong>r in einer Anlage zum Bescheid aufgeführt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Beschei<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n durch Bekanntgabe an ein vertretungsberechtigtes Mitglied gegenüber <strong>de</strong>r<br />

Personenvereinigung wirksam. Bei mehreren vertretungsberechtigten Mitglie<strong>de</strong>rn reicht die Bekanntgabe an<br />

eines von ihnen (BFH-Urteile vom 11.2.1987 – II R 103/84 – BStBl. II, S. 325, vom 27.4.1993 – VIII R 27/92 –<br />

BStBl. 1994 II, S. 3, und vom 8.11.1995 – V R 64/94 – BStBl. 1996 II, S. 256). Es genügt, wenn <strong>de</strong>m<br />

Bekanntgabeadressaten eine Ausfertigung <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s zugeht. Ausfertigungen für alle Mitglie<strong>de</strong>r sind<br />

i. d. R. nicht erfor<strong>de</strong>rlich.<br />

Als Bekanntgabeadressat kommen vor allem <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>rn bestellte Geschäftsführer (§ 34 Abs. 1)<br />

o<strong>de</strong>r die als Verfügungsberechtigter auftreten<strong>de</strong> Person (§ 35) in Betracht. Hat eine nicht rechtsfähige<br />

Personenvereinigung keinen Geschäftsführer, kann <strong>de</strong>r Bescheid einem <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r nach Wahl <strong>de</strong>s<br />

Finanzamts bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n (§ 34 Abs. 2). In <strong>de</strong>n Bescheid ist folgen<strong>de</strong>r Erläuterungstext aufzunehmen:<br />

„Der Bescheid ergeht an Sie als Mitglied <strong>de</strong>r Gemeinschaft/Gesellschaft mit Wirkung für und gegen die<br />

Gemeinschaft/Gesellschaft“.<br />

Im Bescheid ist zum Ausdruck zu bringen, dass er dieser Person als Vertreter <strong>de</strong>r Personenvereinigung bzw.<br />

ihrer Mitglie<strong>de</strong>r zugeht (§§ 34, 35). Der Bekanntgabeadressat muss sich dabei aus <strong>de</strong>m Bescheid selbst ergeben,<br />

die Angabe auf <strong>de</strong>m Briefumschlag <strong>de</strong>r Postsendung reicht nicht aus (BFH-Urteil vom 8.2.1974 – III R 27/73 –<br />

BStBl. II, S. 367).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 95 von 235


Beispiel:<br />

Bekanntgabeadressat:<br />

a) Herrn Peter Meier<br />

als Geschäftsführer <strong>de</strong>r<br />

Erbengemeinschaft Max Meier<br />

b) Herrn Emil Krause<br />

für die Bruchteilsgemeinschaft<br />

Goethestraße 100<br />

c) Herrn Karl Huber<br />

für die Grundstücksgemeinschaft Karl und Maria Huber<br />

d) Herrn Hans Schmidt<br />

als Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s<br />

Kegelclubs „Alle Neune“<br />

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Ist für die Mitglie<strong>de</strong>r einer Personenvereinigung kein gemeinsamer Bekanntgabeadressat vorhan<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r wird<br />

von <strong>de</strong>r Bestimmung eines Bekanntgabeadressaten abgesehen, so ist je<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r eine Ausfertigung <strong>de</strong>s<br />

Steuerbeschei<strong>de</strong>s bekannt zu geben. Soll auch in das Vermögen einzelner Mitglie<strong>de</strong>r vollstreckt wer<strong>de</strong>n, vgl.<br />

Abschn. 33 VollstrA.<br />

2.4.2 Beschei<strong>de</strong> an Gesellschafter (Mitglie<strong>de</strong>r)<br />

Steuerbeschei<strong>de</strong> und Feststellungsbeschei<strong>de</strong> sind an die Gesellschafter (Mitglie<strong>de</strong>r, Gemeinschafter) zu richten,<br />

wenn die einzelnen Beteiligten unmittelbar aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis in Anspruch genommen wer<strong>de</strong>n<br />

sollen o<strong>de</strong>r ihnen <strong>de</strong>r Gegenstand <strong>de</strong>r Feststellung zugerechnet wird (vgl. Nrn. 2.5 und 2.6).<br />

2.5 Beschei<strong>de</strong> über geson<strong>de</strong>rte und einheitliche Feststellungen<br />

2.5.1 Beschei<strong>de</strong> über geson<strong>de</strong>rte und einheitliche Feststellungen richten sich nicht an die Personengesellschaft<br />

als solche, son<strong>de</strong>rn an die einzelnen Gesellschafter (Mitglie<strong>de</strong>r), die <strong>de</strong>n Gegenstand <strong>de</strong>r Feststellung (z. B.<br />

Vermögenswerte als Einheitswert o<strong>de</strong>r Einkünfte) anteilig zu versteuern haben und <strong>de</strong>nen er <strong>de</strong>shalb<br />

insbeson<strong>de</strong>re bei Feststellungen nach § 180 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 Buchstabe a und Abs. 2 zu<strong>zur</strong>echnen ist (§ 179<br />

Abs. 2).<br />

Es genügt i. d. R., wenn im Bescheidkopf die Personengesellschaft als solche bezeichnet wird<br />

(Sammelbezeichnung) und sich alle Gesellschafter ein<strong>de</strong>utig als Betroffene (Inhaltsadressaten) aus <strong>de</strong>m für die<br />

Verteilung <strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen vorgesehenen Teil <strong>de</strong>s Bescheids ergeben (BFH-Urteil vom 7.4.1987 –<br />

VIII R 259/84 – BStBl. II, S. 766). Aus einem kombinierten positiv-negativen Feststellungsbescheid muss<br />

ein<strong>de</strong>utig hervorgehen, welchen Beteiligten Besteuerungsgrundlagen zugerechnet wer<strong>de</strong>n und für welche<br />

Beteiligte eine Feststellung abgelehnt wird (BFH-Urteil vom 7.4.1987, a.a.O.).<br />

Der einheitliche Feststellungsbescheid erlangt volle Wirksamkeit, wenn er allen Feststellungsbeteiligten bekannt<br />

gegeben wird. Mit seiner Bekanntgabe an einzelne Feststellungsbeteiligte entfaltet er nur diesen gegenüber<br />

Wirksamkeit (BFH-Urteile vom 7.4.1987 – VIII R 259/84 – BStBl. II, S. 766, vom 25.11.1987 – II R 227/84 –<br />

BStBl. 1988 II, S. 410, und vom 23.6.1988 – IV R 33/86 – BStBl. II, S. 979). Eine unterlassene o<strong>de</strong>r<br />

unwirksame Bekanntgabe gegenüber einzelnen Feststellungsbeteiligten kann noch im Klageverfahren nachgeholt<br />

wer<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteil vom 19.5.1983 – IV R 125/82 – BStBl. 1984 II, S. 15). Der Bescheid ist diesen mit<br />

unverän<strong>de</strong>rtem Inhalt bekannt zu geben (vgl. Nr. 4.7.1).<br />

2.5.2 Gemeinsame Empfangsbevollmächtigte<br />

Alle Feststellungsbeteiligten sollen einen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten bestellen, <strong>de</strong>r ermächtigt<br />

ist, <strong>de</strong>n an sämtliche Gesellschafter (Gemeinschafter) gerichteten Feststellungsbescheid, sonstige<br />

Verwaltungsakte und das Feststellungsverfahren betreffen<strong>de</strong> Mitteilungen in Empfang zu nehmen (§ 183 Abs. 1<br />

Satz 1). Das Finanzamt kann aber im Einzelfall zulassen, dass ein gemeinsamer Empfangsbevollmächtigter nur<br />

durch einen Teil <strong>de</strong>r Feststellungsbeteiligten bestellt wird. In diesem Fall ist <strong>de</strong>r Feststellungsbescheid <strong>de</strong>n<br />

übrigen Feststellungsbeteiligten einzeln bekannt zu geben.<br />

Die Empfangsvollmacht nach § 183 Abs. 1 Satz 1 gilt fort auch bei Ausschei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Beteiligten aus <strong>de</strong>r<br />

Gesellschaft o<strong>de</strong>r bei ernstlichen Meinungsverschie<strong>de</strong>nheiten, bis sie gegenüber <strong>de</strong>m Finanzamt wi<strong>de</strong>rrufen wird<br />

(§ 183 Abs. 3).<br />

Ist kein gemeinsamer Empfangsbevollmächtigter bestellt, so gilt ein <strong>zur</strong> Vertretung <strong>de</strong>r Gesellschaft o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Feststellungsbeteiligten o<strong>de</strong>r ein <strong>zur</strong> Verwaltung <strong>de</strong>s Gegenstan<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Feststellung Berechtigter, z. B. <strong>de</strong>r<br />

vertraglich <strong>zur</strong> Vertretung berufene Geschäftsführer einer Personenhan<strong>de</strong>lsgesellschaft, als<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 96 von 235


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Empfangsbevollmächtigter (§ 183 Abs. 1 Satz 2). Bei einer Gesellschaft <strong>de</strong>s bürgerlichen Rechts ist nach § 183<br />

Abs. 1 Satz 2 je<strong>de</strong>r Gesellschafter <strong>zur</strong> Vertretung <strong>de</strong>r Feststellungsbeteiligten und damit zum Empfang von<br />

Feststellungsbeschei<strong>de</strong>n berechtigt, sofern sich aus einem <strong>de</strong>m Finanzamt vorliegen<strong>de</strong>n Gesellschaftsvertrag<br />

nichts an<strong>de</strong>rs ergibt (BFH-Urteil vom 23.6.1988 – IV R 33/86 – BStBl. II, S. 979). Die Son<strong>de</strong>rregelung <strong>de</strong>s<br />

§ 183 Abs. 3 gilt in diesen Fällen nicht.<br />

In <strong>de</strong>r Liquidationsphase einer Personengesellschaft ist <strong>de</strong>r Liquidator Empfangsbevollmächtigter i. S. d. § 183<br />

Abs. 1 Satz 2. Nach Abschluss <strong>de</strong>r gesellschaftsrechtlichen Liquidation (vgl. hierzu Nr. 2.7.1) kann von dieser<br />

Bekanntgabemöglichkeit nicht mehr Gebrauch gemacht wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 26.10.1989 – IV R 23/89 –<br />

BStBl. 1990 II, S. 333).<br />

Bei <strong>de</strong>r Bekanntgabe an einen Empfangsbevollmächtigten ist nach § 183 Abs. 1 Satz 5 in <strong>de</strong>m<br />

Feststellungsbescheid stets darauf hinzuweisen, dass die Bekanntgabe mit Wirkung für und gegen alle<br />

Feststellungsbeteiligten erfolgt (BFH-Urteile vom 29.8.1982 – IV R 31/82 – BStBl. 1983 II, S. 23 und vom<br />

23.7.1985 – VIII R 315/82 – BStBl. 1986 II, S. 123).<br />

Zur Zustellung an einen Empfangsbevollmächtigten vgl. Nr. 3.3.3.<br />

2.5.3 Ist ein Empfangsbevollmächtigter i. S. d. Nr. 2.5.2 nicht vorhan<strong>de</strong>n, kann das Finanzamt die Beteiligten<br />

<strong>zur</strong> Benennung eines Empfangsbevollmächtigten auffor<strong>de</strong>rn. Die Auffor<strong>de</strong>rung ist an je<strong>de</strong>n Beteiligten zu<br />

richten. Mit <strong>de</strong>r Auffor<strong>de</strong>rung ist gleichzeitig ein Beteiligter als Empfangsbevollmächtigter vorzuschlagen und<br />

darauf hinzuweisen, dass diesem künftig Verwaltungsakte mit Wirkung für und gegen alle Beteiligten bekannt<br />

gegeben wer<strong>de</strong>n, soweit nicht ein an<strong>de</strong>rer Empfangsbevollmächtigter benannt wird (§ 183 Abs. 1 Satz 4). Die<br />

Son<strong>de</strong>rregelung <strong>de</strong>s § 183 Abs. 3 gilt in diesen Fällen nicht.<br />

Bei <strong>de</strong>r Bekanntgabe <strong>de</strong>s Feststellungsbescheids ist § 183 Abs. 1 Satz 5 zu beachten (vgl. Nr. 2.5.2 vorletzter<br />

Absatz).<br />

2.5.4 Einheitswertbeschei<strong>de</strong> an Eheleute, Eltern mit Kin<strong>de</strong>rn und Alleinstehen<strong>de</strong> mit Kin<strong>de</strong>rn<br />

Bei <strong>de</strong>r Bekanntgabe eines Beschei<strong>de</strong>s über Einheitswerte <strong>de</strong>s Grundbesitzes an Eheleute, die gemeinsam<br />

Eigentümer sind, sind die Eheleute einzeln als Beteiligte anzugeben (vgl. Nr. 2.5.1). Haben die Eheleute eine<br />

gemeinsame Anschrift und haben sie keinen Empfangsbevollmächtigten benannt, kann <strong>de</strong>r Einheitswertbescheid<br />

bei<strong>de</strong>n in einer Ausfertigung bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n (§ 183 Abs. 4 i. V. m. § 122 Abs. 7).<br />

Haben die Eheleute gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 einen Empfangsbevollmächtigten benannt, ist <strong>de</strong>r Bescheid an<br />

diesen bekannt zu geben. Im Bescheid ist darauf hinzuweisen, dass die Bekanntgabe mit Wirkung für und gegen<br />

bei<strong>de</strong> Ehegatten erfolgt.<br />

In <strong>de</strong>n übrigen Fällen ist <strong>de</strong>r Bescheid an bei<strong>de</strong> Ehegatten getrennt bekannt zu geben.<br />

Dies gilt für Eheleute mit Kin<strong>de</strong>rn und Alleinstehen<strong>de</strong> mit Kin<strong>de</strong>rn entsprechend.<br />

2.5.5 Ausnahmen von <strong>de</strong>r Bekanntgabe an Empfangsbevollmächtigte<br />

Die in § 183 Abs. 1 zugelassene Vereinfachung darf nicht so weit gehen, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige in seinen<br />

Rechten eingeschränkt wird. Diese Art <strong>de</strong>r Bekanntgabe ist daher gemäß § 183 Abs. 2 unzulässig, soweit<br />

a) ein Gesellschafter (Gemeinschafter) im Zeitpunkt <strong>de</strong>r Bekanntgabe <strong>de</strong>s Feststellungsbeschei<strong>de</strong>s bereits<br />

ausgeschie<strong>de</strong>n und dies <strong>de</strong>m für <strong>de</strong>n Erlass <strong>de</strong>s Feststellungsbeschei<strong>de</strong>s zuständigen Finanzamt bekannt ist<br />

o<strong>de</strong>r wegen einer entsprechen<strong>de</strong>n Eintragung im Han<strong>de</strong>lsregister als bekannt gelten muss (BFH-Urteil vom<br />

14.12.1978 – IV R 221/75 – BStBl. 1979 II, S. 503);<br />

b) die Zusendung eines Feststellungsbeschei<strong>de</strong>s an einen Erben erfor<strong>de</strong>rlich wird, <strong>de</strong>r nicht in die<br />

Gesellschafterstellung <strong>de</strong>s Rechtsvorgängers eintritt (BFH-Urteil vom 23.5.1973 – I R 121/71 – BStBl. II,<br />

S. 746); vgl. auch Nr. 2.12;<br />

c) die Gesellschaft (Gemeinschaft) im Zeitpunkt <strong>de</strong>r Zusendung <strong>de</strong>s Beschei<strong>de</strong>s nicht mehr besteht (BFH-Urteil<br />

vom 30.3.1978 – IV R 72/74 – BStBl. II, S. 503);<br />

d) über das Vermögen <strong>de</strong>r Gesellschaft, aber nicht ihrer Gesellschafter, das Insolvenzverfahren eröffnet wor<strong>de</strong>n<br />

ist (siehe zu § 251, Nr. 4.4);<br />

e) zwischen <strong>de</strong>n Gesellschaftern (Gemeinschaftern) erkennbar ernstliche Meinungsverschie<strong>de</strong>nheiten bestehen;<br />

f) durch einen Bescheid das Bestehen o<strong>de</strong>r Nichtbestehen einer Gesellschaft (Gemeinschaft) erstmals mit<br />

steuerlicher Wirkung festgestellt wird und die Gesellschafter noch keinen Empfangsbevollmächtigten i. S. d.<br />

§ 183 Abs. 1 benannt haben.<br />

In <strong>de</strong>n Fällen a) und b) ist auch <strong>de</strong>m ausgeschie<strong>de</strong>nen Gesellschafter (Gemeinschafter) bzw. <strong>de</strong>m Erben, in <strong>de</strong>n<br />

übrigen Fällen je<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Gesellschafter (Gemeinschafter) ein Bescheid bekannt zu geben.<br />

In <strong>de</strong>n Fällen a), c), d) und e) wirkt eine von <strong>de</strong>n Beteiligten nach § 183 Abs. 1 Satz 1 erteilte Vollmacht bis zum<br />

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Wi<strong>de</strong>rruf fort (§ 183 Abs. 3; vgl. BFH-Urteil vom 7.2.1995 – IX R 3/93 – BStBl. II, S. 357). Der Wi<strong>de</strong>rruf wird<br />

<strong>de</strong>m Finanzamt gegenüber erst mit seinem Zugang wirksam.<br />

2.5.6 Soweit nach § 183 Abs. 2 Satz 1 Einzelbekanntgabe erfor<strong>de</strong>rlich wird, ist grundsätzlich ein verkürzter<br />

Feststellungsbescheid bekannt zu geben (§ 183 Abs. 2 Satz 2). Bei berechtigtem Interesse ist <strong>de</strong>n Beteiligten<br />

allerdings <strong>de</strong>r gesamte Inhalt <strong>de</strong>s Feststellungsbeschei<strong>de</strong>s mitzuteilen (§ 183 Abs. 2 Satz 3).<br />

2.6 Grundsteuermessbeschei<strong>de</strong>, Grun<strong>de</strong>rwerbsteuerbeschei<strong>de</strong><br />

2.6.1 Grundsteuermessbeschei<strong>de</strong> sind in gleicher Weise bekannt zu geben wie Feststellungsbeschei<strong>de</strong> über<br />

Einheitswerte <strong>de</strong>s Grundbesitzes (§ 184 Abs. 1); vgl. aber auch Nr. 2.4.1 Buchstabe e.<br />

2.6.2 Zur Grun<strong>de</strong>rwerbsteuer, soweit Bruchteilseigentum besteht (z. B. geteilte Erbengemeinschaft), vgl.<br />

Nr. 2.1.1; <strong>zur</strong> Grun<strong>de</strong>rwerbsteuer, soweit Gesamthandseigentum besteht, vgl. Nr. 2.4.1, Buchstabe f.<br />

2.7 Personengesellschaften (Gemeinschaften) in Liquidation<br />

2.7.1 Bei <strong>de</strong>r Liquidation einer Personengesellschaft ist zwischen <strong>de</strong>r gesellschaftsrechtlichen und <strong>de</strong>r<br />

steuerrechtlichen Liquidation zu unterschei<strong>de</strong>n. Bei <strong>de</strong>r gesellschaftsrechtlichen Liquidation ist die<br />

Personengesellschaft vollständig abgewickelt mit <strong>de</strong>r Realisierung <strong>de</strong>s Gesellschaftsvermögens (= Verteilung an<br />

die Gläubiger und Ausschüttung <strong>de</strong>s Restes an die Gesellschafter). Bei <strong>de</strong>r steuerrechtlichen Liquidation ist die<br />

Personengesellschaft erst dann vollständig abgewickelt, wenn alle gemeinsamen Rechtsbeziehungen, also auch<br />

die Rechtsbeziehungen zwischen Personengesellschaft und Finanzamt, unter <strong>de</strong>n Gesellschaftern beseitigt sind<br />

(BFH-Urteil vom 1.10.1992 – IV R 60/91 – BStBl. 1993 II, S. 82).<br />

2.7.2 Befin<strong>de</strong>t sich eine Han<strong>de</strong>lsgesellschaft (OHG, KG) in <strong>de</strong>r gesellschaftsrechtlichen Liquidation, so ist <strong>de</strong>r<br />

Liquidator das einzige <strong>zur</strong> Geschäftsführung und Vertretung befugte Organ <strong>de</strong>r Abwicklungsgesellschaft. Die<br />

Löschung im Han<strong>de</strong>lsregister wirkt nur <strong>de</strong>klaratorisch (BFH-Urteil vom 22.1.1985 – VIII R 37/84 – BStBl. II,<br />

S. 501). Verwaltungsakte sind <strong>de</strong>m Liquidator unter Angabe <strong>de</strong>s Vertretungsverhältnisses bekannt zu geben (vgl.<br />

Nr. 1.4; BFH-Urteile vom 16.6.1961 – III R 329/58 U – BStBl. III, S. 349, und vom 24.3.1987 – X R 28/80 –<br />

BStBl. 1988 II, S. 316). Bei mehreren Liquidatoren genügt die Bekanntgabe an einen von ihnen (BFH-Urteil<br />

vom 8.11.1995 – V R 64/94 – BStBl. 1996 II, S. 256; siehe auch § 6 Abs. 3 VwZG). Sind gegenüber einer<br />

GmbH & Co. KG nach Löschung im Han<strong>de</strong>lsregister Verwaltungsakte zu erlassen, ist die Bestellung eines<br />

Nachlassliquidators für die bereits im Han<strong>de</strong>lsregister gelöschte GmbH entbehrlich. Die ehemaligen<br />

Kommanditisten vertreten hier als gesetzliche Liquidatoren die KG (§ 161 Abs. 2 HGB i. V. m. § 146 Abs. 1<br />

Satz 1 HGB). Auch insoweit genügt die Bekanntgabe an einen <strong>de</strong>r Liquidatoren (§ 150 Abs. 2 Satz 2 HGB<br />

i. V. m. § 125 Abs. 2 Satz 3 HGB).<br />

Bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts steht mit <strong>de</strong>r Auflösung <strong>de</strong>r Gesellschaft die Geschäftsführung<br />

grundsätzlich allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu (§ 730 Abs. 2 BGB).<br />

2.7.3 Nach Beendigung <strong>de</strong>r gesellschaftsrechtlichen Liquidation (vollständige Abwicklung) ist es in <strong>de</strong>r Regel<br />

unzweckmäßig, Verwaltungsakte noch gegenüber <strong>de</strong>r Gesellschaft zu erlassen (z. B.<br />

Gewerbesteuermessbeschei<strong>de</strong>). In diesen Fällen sind Ansprüche aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis gegenüber<br />

je<strong>de</strong>m einzelnen Gesellschafter (Gemeinschafter) durch Haftungsbescheid geltend zu machen.<br />

2.7.4 Wird eine Personengesellschaft ohne Liquidation durch Ausschei<strong>de</strong>n ihres vorletzten Gesellschafters und<br />

Anwachsung <strong>de</strong>s Anteils am Gesamthandsvermögen bei <strong>de</strong>m übernehmen<strong>de</strong>n Gesellschafter been<strong>de</strong>t, gehen in<br />

<strong>de</strong>r Gesellschaft entstan<strong>de</strong>ne Ansprüche aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis (z. B. Umsatzsteuer, Gewerbesteuer)<br />

auf <strong>de</strong>n Gesamtrechtsnachfolger über (vgl. Nr. 2.12.2). In Bezug auf die geson<strong>de</strong>rte und einheitliche Feststellung<br />

von Besteuerungsgrundlagen (vgl. Nr. 2.5) tritt jedoch keine Gesamtrechtsnachfolge i. S. d. § 45 Abs. 1 ein (vgl.<br />

zu § 45, Nr. 1).<br />

2.8 Bekanntgabe an juristische Personen<br />

2.8.1<br />

2.8.1.1 Der Steuerbescheid ist an die juristische Person zu richten und ihr unter ihrer Geschäftsanschrift bekannt<br />

zu geben. Die Angabe <strong>de</strong>s gesetzlichen Vertreters als Bekanntgabeadressat ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich (BFH-Beschluss<br />

vom 7.8.1970 – VI R 24/67 – BStBl. II, S. 814).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 98 von 235


Beispiel:<br />

Anschriftenfeld (Steuerschuldner als Inhaltsadressat, Bekanntgabeadressat und Empfänger):<br />

Müller GmbH<br />

Postfach 67 00<br />

40210 Düsseldorf<br />

(Angaben wie „z. H. <strong>de</strong>s Geschäftsführers Müller“ o. Ä. sind nicht erfor<strong>de</strong>rlich.)<br />

Zur Bekanntgabe an namentlich genannte Vertreter vgl. Nrn. 1.5.2 und 1.5.3.<br />

2.8.1.2 Eine führungslose GmbH, die sich nicht in Liquidation o<strong>de</strong>r im Insolvenzverfahren befin<strong>de</strong>t, wird nach<br />

§ 35 Abs. 1 GmbHG durch ihre Gesellschafter vertreten, soweit ihr gegenüber u. a. Steuerverwaltungsakte<br />

bekannt gegeben o<strong>de</strong>r zugestellt wer<strong>de</strong>n. Eine führungslose AG, die sich nicht in Liquidation o<strong>de</strong>r im<br />

Insolvenzverfahren befin<strong>de</strong>t, wird nach § 78 Abs. 1 AktG durch ihren Aufsichtsrat vertreten, soweit ihr<br />

gegenüber u. a. Steuerverwaltungsakte bekannt gegeben o<strong>de</strong>r zugestellt wer<strong>de</strong>n. Vgl. zu § 34, Nr. 3. Solange die<br />

führungslose Gesellschaft über eine Geschäftsadresse verfügt, können ihr Steuerbeschei<strong>de</strong> weiterhin unter dieser<br />

Anschrift bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n. Ein Hinweis auf die beson<strong>de</strong>re gesetzliche Vertretung <strong>de</strong>r Gesellschaft durch<br />

die Gesellschafter bzw. <strong>de</strong>n Vorstand ist nur erfor<strong>de</strong>rlich, wenn keine Geschäftsanschrift mehr besteht und die<br />

Bekanntgabe an die Gesellschafter bzw. die Aufsichtsratsmitglie<strong>de</strong>r unter ihrer persönlichen Anschrift erfolgen<br />

soll.<br />

2.8.2 Bekanntgabe an juristische Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts<br />

Die Grundsätze zu Nr. 2.8.1 gelten auch für die Bekanntgabe von Steuerbeschei<strong>de</strong>n an Körperschaften <strong>de</strong>s<br />

öffentlichen Rechts (BFH-Urteil vom 18.8.1988 – V R 194/83 – BStBl. II, S. 932).<br />

Juristische Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts sind wegen je<strong>de</strong>s einzelnen von ihnen unterhaltenen Betriebs<br />

gewerblicher Art o<strong>de</strong>r mehrerer zusammengefasster Betriebe gewerblicher Art Körperschaftsteuersubjekt (BFH-<br />

Urteile vom 13.3.1974 – I R 7/71 – BStBl. II, S. 391, und vom 8.11.1989 – I R 187/85 – BStBl. 1990 II, S. 242).<br />

Gegenstand <strong>de</strong>r Gewerbesteuer ist gemäß § 2 Abs. 1 GewStG i. V. m. § 2 Abs. 1 GewStDV <strong>de</strong>r einzelne Betrieb<br />

gewerblicher Art, sofern er einen Gewerbebetrieb im Sinne <strong>de</strong>s Einkommensteuergesetzes darstellt;<br />

Steuerschuldner ist die juristische Person <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts (§ 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GewStG). Im<br />

Gegensatz <strong>zur</strong> Umsatzsteuer sind daher für je<strong>de</strong>n Betrieb gewerblicher Art geson<strong>de</strong>rte Körperschaftsteuer- und<br />

Gewerbesteuer(mess)beschei<strong>de</strong> erfor<strong>de</strong>rlich. Damit eine entsprechen<strong>de</strong> Zuordnung erleichtert wird, ist es<br />

zweckmäßig, aber nicht erfor<strong>de</strong>rlich, im Anschriftenfeld <strong>de</strong>r Körperschaftsteuer- und<br />

Gewerbesteuer(mess)beschei<strong>de</strong> einen Hinweis auf <strong>de</strong>n jeweils betroffenen Betrieb gewerblicher Art<br />

anzubringen.<br />

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Beispiel:<br />

Anschriftenfeld (Steuerschuldner als Inhaltsadressat, Bekanntgabeadressat und Empfänger):<br />

Gemein<strong>de</strong> Mainwiesen<br />

– Friedhofsgärtnerei –<br />

Postfach 12 34<br />

61116 Mainwiesen<br />

Der Hinweis auf <strong>de</strong>n betroffenen Betrieb gewerblicher Art kann auch in <strong>de</strong>n Erläuterungen zum<br />

Steuer(mess)bescheid angebracht wer<strong>de</strong>n.<br />

2.8.3 Juristische Personen in und nach Liquidation (Abwicklung)<br />

2.8.3.1 Bei einer in Liquidation (bei Aktiengesellschaften: Abwicklung) befindlichen Gesellschaft ist <strong>de</strong>r<br />

Steuerbescheid <strong>de</strong>r Gesellschaft, z.H. <strong>de</strong>s Liquidators (Abwicklers), bekannt zu geben.<br />

Beispiel:<br />

Für die in Liquidation befindliche Müller GmbH (Inhaltsadressat) ist <strong>de</strong>r Steuerberater Hans Schmidt als<br />

Liquidator (Bekanntgabeadressat) bestellt wor<strong>de</strong>n.<br />

Anschriftenfeld:<br />

Müller GmbH i.L.<br />

z.H. <strong>de</strong>s Liquidators<br />

Herrn Steuerberater Hans Schmidt<br />

. . .<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 99 von 235


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2.8.3.2 Steuerrechtlich wird auch eine im Han<strong>de</strong>lsregister bereits gelöschte juristische Person so lange als<br />

fortbestehend angesehen, wie sie noch steuerrechtliche Pflichten zu erfüllen hat (BFH-Urteil vom 1.10.1992 –<br />

IV R 60/91 – BStBl. 1993 II, S. 82). Zu ihrer steuerlichen Vertretung bedarf es eines Liquidators, <strong>de</strong>r insoweit<br />

auch die steuerlichen Pflichten zu erfüllen hat (§ 34 Abs. 3). Ein Liquidator kann auch nur zum Zweck <strong>de</strong>r<br />

Entgegennahme eines Steuerbescheids für die gelöschte GmbH bestellt wer<strong>de</strong>n (BayObLG-Beschluss vom<br />

2.2.1984 – BReg 3 Z 192/83 – DB S. 870). Das Finanzamt hat ggf. die Neubestellung eines Liquidators beim<br />

Registergericht zu beantragen, weil mit <strong>de</strong>m Erlöschen <strong>de</strong>r Firma auch das Amt <strong>de</strong>s zunächst bestellten<br />

Liquidators en<strong>de</strong>t (BFH-Urteile vom 2.7.1969 – I R 190/67 – BStBl. II, S. 656, und vom 6.5.1977 –<br />

III R 19/75 – BStBl. II, S. 783). Die Neubestellung eines Liquidators ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich, wenn eine gelöschte<br />

Kapitalgesellschaft durch einen Bevollmächtigten vertreten wird, <strong>de</strong>r bereits vor Löschung bestellt wur<strong>de</strong> und<br />

<strong>de</strong>ssen Bevollmächtigung die Entgegennahme von Entscheidungen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> umfasst. Eine vor<br />

Löschung erteilte Vollmacht wirkt insoweit fort (§ 80 Abs. 2; vgl. BFH-Urteil vom 27.4.2000 – I R 65/98 –<br />

BStBl. II, S. 500 zu § 86 ZPO). Wegen § 80 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz ist jedoch für etwaige Zahlungen an<br />

die im Han<strong>de</strong>lsregister gelöschte Gesellschaft die nachträgliche Bestellung eines Liquidators erfor<strong>de</strong>rlich, wenn<br />

nicht <strong>de</strong>r Bevollmächtigte bereits vor Löschung ausdrücklich <strong>zur</strong> Entgegennahme von Zahlungen für die<br />

Gesellschaft ermächtigt wor<strong>de</strong>n ist (vgl. zu § 80, Nr. 2).<br />

2.9 Bekanntgabe in Insolvenzfällen<br />

Wegen <strong>de</strong>r Bekanntgabe von Verwaltungsakten in Insolvenzfällen siehe zu § 251, Nrn. 4.3, 4.4, 6.1, 13.2<br />

und 15.1.<br />

2.10 Verbraucherinsolvenzverfahren<br />

Wegen <strong>de</strong>r Bekanntgabe von Verwaltungsakten im Verbraucherinsolvenzverfahren siehe zu § 251, Nrn. 12.2<br />

und 12.3.<br />

2.11 Zwangsverwaltung<br />

Mit Anordnung <strong>de</strong>r Zwangsverwaltung verliert <strong>de</strong>r Grundstückseigentümer (Schuldner) die Befugnis, über das<br />

beschlagnahmte Grundstück zu verfügen. Bekanntgabeadressat von Verwaltungsakten, die das beschlagnahmte<br />

Grundstück betreffen (Grundsteuermessbescheid, Grundsteuerbescheid, Umsatzsteuerbescheid), ist daher <strong>de</strong>r<br />

Zwangsverwalter. Der <strong>de</strong>m Zwangsverwalter bekannt zu geben<strong>de</strong> Verwaltungsakt muss neben <strong>de</strong>r Bezeichnung<br />

<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Zwangsverwaltung unterliegen<strong>de</strong>n Grundstücke auch die Person <strong>de</strong>s Grundstückseigentümers<br />

(Inhaltsadressat) angeben (BFH-Urteil vom 23.6.1988 – V R 203/83 – BStBl. II, S. 920).<br />

Soweit die Wirkung von Steuerbeschei<strong>de</strong>n über die Zwangsverwaltung hinausgeht, sind sie auch <strong>de</strong>m<br />

Grundstückseigentümer (Inhaltsadressat) bekannt zu geben. Einheitswertbeschei<strong>de</strong> über zwangsverwaltete<br />

Grundstücke sind sowohl <strong>de</strong>m Zwangsverwalter als auch <strong>de</strong>m Grundstückseigentümer (Inhaltsadressat) bekannt<br />

zu geben (RFH-Urteil vom 1.9.1939, RStBl. S. 1007).<br />

Beispiel<br />

für die Bekanntgabe eines Einheitswertbeschei<strong>de</strong>s:<br />

Bekanntgabeadressaten sind<br />

sowohl <strong>de</strong>r<br />

Schuldner<br />

Anschriftenfeld (Empfänger):<br />

Herrn<br />

Josef Meier<br />

Sophienstraße 20<br />

80799 München<br />

als auch <strong>de</strong>r<br />

Zwangsverwalter<br />

Herrn<br />

Rechtsanwalt Helmut Müller<br />

Schellingstraße 40<br />

80799 München<br />

Bescheidkopf:<br />

Als Zwangsverwalter <strong>de</strong>s Grundstücks<br />

Sophienstraße 20<br />

(Grundstückseigentümer Josef Meier)<br />

2.12 Gesamtrechtsnachfolge (z. B. Erbfolge)<br />

2.12.1 Zur Frage, wann eine Gesamtrechtsnachfolge i. S. d. § 45 Abs. 1 vorliegt, vgl. zu § 45. Beschei<strong>de</strong>, die<br />

bereits vor Eintritt <strong>de</strong>r Gesamtrechtsnachfolge an <strong>de</strong>n Rechtsvorgänger gerichtet und ihm zugegangen waren,<br />

wirken auch gegen <strong>de</strong>n Gesamtrechtsnachfolger. Er kann nur innerhalb <strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Rechtsvorgänger<br />

maßgeblichen Rechtsbehelfsfrist Einspruch einlegen. § 353 schreibt dies für Beschei<strong>de</strong> mit dinglicher Wirkung<br />

ausdrücklich auch vor, soweit es sich um Einzelrechtsnachfolge han<strong>de</strong>lt. Die Regelung in § 166, wonach<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 100 von 235


unanfechtbare Steuerfestsetzungen auch gegenüber einem Gesamtrechtsnachfolger gelten, be<strong>de</strong>utet nicht, dass<br />

gegenüber einem Gesamtrechtsnachfolger die Bekanntgabe zu wie<strong>de</strong>rholen ist o<strong>de</strong>r dass eine neue<br />

Rechtsbehelfsfrist läuft. Hat <strong>de</strong>r Rechtsvorgänger zwar <strong>de</strong>n Steuertatbestand verwirklicht, wur<strong>de</strong> ihm aber <strong>de</strong>r<br />

Bescheid vor Eintritt <strong>de</strong>r Rechtsnachfolge nicht mehr bekannt gegeben, so ist <strong>de</strong>r Bescheid an <strong>de</strong>n<br />

Gesamtrechtsnachfolger zu richten (BFH-Urteil vom 16.1.1974 – I R 254/70 – BStBl. II, S. 388).<br />

2.12.2 Bei einer Gesamtrechtsnachfolge i. S. d. § 45 Abs. 1 geht die Steuerschuld <strong>de</strong>s Rechtsvorgängers auf <strong>de</strong>n<br />

Rechtsnachfolger über. In <strong>de</strong>n Bescheidkopf ist <strong>de</strong>r Hinweis aufzunehmen, dass <strong>de</strong>r Steuerschuldner zugleich<br />

aufgrund eines eigenen Steuerschuldverhältnisses und als Gesamtrechtsnachfolger in Anspruch genommen wird.<br />

Beispiel:<br />

Der Ehemann ist 08 verstorben. Die Ehefrau ist Alleinerbin. Für <strong>de</strong>n Veranlagungszeitraum 07 soll ein<br />

zusammengefasster ESt-Bescheid bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n.<br />

Anschriftenfeld (Steuerschuldner als Inhaltsadressat, Bekanntgabeadressat und Empfänger):<br />

Frau<br />

Eva Meier<br />

Hauptstraße 101<br />

67433 Neustadt<br />

Bescheidkopf:<br />

Dieser Steuerbescheid ergeht an Sie zugleich als Alleinerbin nach Ihrem Ehemann.<br />

Beispiel:<br />

Die Meier-OHG mit <strong>de</strong>n Gesellschaftern Max und Emil Meier ist durch Austritt <strong>de</strong>s Gesellschafters Emil Meier<br />

aus <strong>de</strong>r OHG und gleichzeitige Übernahme <strong>de</strong>s Gesamthandsvermögens durch Max Meier ohne Liquidation<br />

erloschen (vollbeen<strong>de</strong>t). Nach <strong>de</strong>m Ausschei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s vorletzten Gesellschafters soll ein Umsatzsteuerbescheid für<br />

einen Zeitraum vor <strong>de</strong>m Ausschei<strong>de</strong>n für die erloschene OHG ergehen.<br />

Anschriftenfeld (Steuerschuldner als Inhaltsadressat, Bekanntgabeadressat und Empfänger):<br />

Herrn<br />

Max Meier<br />

Hauptstraße 101<br />

67433 Neustadt<br />

Bescheidkopf:<br />

Dieser Bescheid ergeht an Sie zugleich als Gesamtrechtsnachfolger <strong>de</strong>r Meier-OHG.<br />

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Beispiel:<br />

Die A-GmbH ist unter Auflösung ohne Abwicklung auf die B-GmbH verschmolzen wor<strong>de</strong>n.<br />

Anschriftenfeld (Steuerschuldner als Inhaltsadressat, Bekanntgabeadressat und Empfänger):<br />

B-GmbH<br />

Hauptstraße 101<br />

67433 Neustadt<br />

Bescheidkopf:<br />

Dieser Bescheid ergeht an Sie als Gesamtrechtsnachfolgerin <strong>de</strong>r A-GmbH.<br />

2.12.3 Das Finanzamt kann gegen Gesamtrechtsnachfolger (z. B. mehrere Erben) Einzelbeschei<strong>de</strong> nach § 155<br />

Abs. 1 o<strong>de</strong>r einen nach § 155 Abs. 3 zusammengefassten Steuerbescheid erlassen (BFH-Urteile vom<br />

24.11.1967 – III 2/63 – BStBl. 1968 II, S. 163, und vom 28.3.1973 – I R 100/71 – BStBl. II, S. 544).<br />

Grundsätzlich ist ein zusammengefasster Bescheid zu erlassen, <strong>de</strong>r an die Gesamtrechtsnachfolger als<br />

Gesamtschuldner zu richten und je<strong>de</strong>m von ihnen bekannt zu geben ist, soweit nicht nach § 122 Abs. 6 (vgl.<br />

Nr. 2.1.3) verfahren wer<strong>de</strong>n kann (§ 122 Abs. 1 und BFH-Urteil vom 24.3.1970 – I R 141/69 – BStBl. II,<br />

S. 501). Der Steuerbescheid ist nur wirksam, wenn die Gesamtrechtsnachfolger, an die sich <strong>de</strong>r Bescheid richtet,<br />

namentlich als Inhaltsadressaten aufgeführt sind.<br />

Im Einzelfall können sich die Gesamtrechtsnachfolger, gegen die sich <strong>de</strong>r Bescheid als Inhaltsadressaten richtet,<br />

auch durch Auslegung <strong>de</strong>s Bescheids ergeben, z. B. durch die Bezugnahme auf einen <strong>de</strong>n Betroffenen bekannten<br />

Betriebsprüfungsbericht (BFH-Urteil vom 17.11.2005 – III R 8/03 – BStBl. 2006 II, S. 287). Die Ermittlung <strong>de</strong>s<br />

Inhaltsadressaten durch Auslegung kann jedoch einen Mangel <strong>de</strong>r fehlen<strong>de</strong>n Bestimmtheit <strong>de</strong>s Steuerschuldners<br />

nicht heilen. Für eine Auslegung, an wen <strong>de</strong>r Steuerbescheid sich richtet, ist z. B. dann kein Raum, wenn in<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 101 von 235


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einem Einkommensteuerbescheid ohne namentliche Anführung <strong>de</strong>r Beteiligten eine Erbengemeinschaft als<br />

Inhaltsadressat benannt (z. B. „Erbengemeinschaft nach Herrn Adam Meier“) und zugleich <strong>de</strong>r Hinweis auf die<br />

Gesamtrechtsnachfolge unterblieben ist (vgl. Nr. 2.12.2). Die Angabe, wer die Steuer schul<strong>de</strong>t (§ 157 Abs. 1<br />

Satz 2), fehlt hier, <strong>de</strong>nn eine Erbengemeinschaft kann nicht Schuldnerin <strong>de</strong>r Einkommensteuer sein.<br />

Aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Rechtsklarheit sind die Inhaltsadressaten grundsätzlich namentlich aufzuführen (vgl. auch die<br />

Beispiele zu Nr. 2.12.4); von <strong>de</strong>m Verweis auf für die Betroffenen bekannte Umstän<strong>de</strong> ist nur ausnahmsweise<br />

Gebrauch zu machen.<br />

Es ist unschädlich, nur einen o<strong>de</strong>r mehrere aus einer größeren Zahl von Gesamtrechtsnachfolgern auszuwählen,<br />

weil es nicht zwingend erfor<strong>de</strong>rlich ist, einen Steuerbescheid an alle Gesamtrechtsnachfolger zu richten (vgl.<br />

Nr. 4.4.5). Betrifft <strong>de</strong>r zusammengefasste Bescheid Eheleute, Eheleute mit Kin<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r Alleinstehen<strong>de</strong> mit<br />

Kin<strong>de</strong>rn, kann auch von <strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rregelung <strong>de</strong>s § 122 Abs. 7 (vgl. Nr. 2.1.2) Gebrauch gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />

2.12.4 Beispiele:<br />

1.1 Der Steuerschuldner Adam Meier ist im Jahr 08 verstorben.<br />

Erben sind seine Kin<strong>de</strong>r Konrad, Ludwig und Martha Meier zu gleichen Teilen. Die Steuerbeschei<strong>de</strong> für<br />

das Jahr 07 (ESt, USt, GewSt) können erst im Jahr 09, d. h. nach <strong>de</strong>m To<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Adam Meier ergehen.<br />

Die Erben Konrad, Ludwig und Martha Meier sind durch Gesamtrechtsnachfolge Steuerschuldner<br />

(Inhaltsadressaten) gewor<strong>de</strong>n (§ 45 Abs. 1); sie haben je<strong>de</strong>r für sich für die gesamte Steuerschuld<br />

einzustehen (§ 45 Abs. 2, § 44 Abs. 1).<br />

Gegen die Miterben können zusammengefasste Beschei<strong>de</strong> nach § 155 Abs. 3 ergehen. Je<strong>de</strong>m Erben ist<br />

eine Ausfertigung <strong>de</strong>s zusammengefassten Beschei<strong>de</strong>s an die Wohnanschrift zu übermitteln. Die<br />

Bekanntgabe an einen Erben mit Wirkung für und gegen alle an<strong>de</strong>ren Erben ist in diesem Fall nur unter<br />

<strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 122 Abs. 6 (vgl. Beispiel 1.2) möglich. Der Bescheid wird gegenüber <strong>de</strong>m<br />

Erben, <strong>de</strong>m er bekannt gegeben wur<strong>de</strong>, auch wirksam, wenn er <strong>de</strong>m o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Miterben nicht<br />

bekannt gegeben wur<strong>de</strong>. Um eine Zwangsvollstreckung in <strong>de</strong>n ungeteilten Nachlass zu ermöglichen, ist<br />

aber die Bekanntgabe <strong>de</strong>s Beschei<strong>de</strong>s an je<strong>de</strong>n einzelnen Miterben notwendig (§ 265 AO i. V. m. § 747<br />

ZPO).<br />

Anschriftenfeld (jeweils in geson<strong>de</strong>rten Ausfertigungen):<br />

Herrn<br />

Konrad Meier<br />

Sternstraße 15<br />

53111 Bonn<br />

Herrn<br />

Ludwig Meier<br />

Königinstraße 200<br />

40212 Düsseldorf<br />

Frau<br />

Martha Meier<br />

Sophienstraße 3<br />

80333 München<br />

Bescheidkopf:<br />

Für Konrad, Ludwig und Martha Meier als Miterben nach Adam Meier. Den an<strong>de</strong>ren Miterben wur<strong>de</strong> ein<br />

Bescheid gleichen Inhalts erteilt. Die Erben sind Gesamtschuldner (§ 44 AO).<br />

1.2 Wie Beispiel 1.1, jedoch ist Konrad Meier mit Einverständnis von Ludwig und Martha Meier Empfänger<br />

<strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s (einverständliche Bekanntgabe nach § 122 Abs. 6).<br />

Anschriftenfeld:<br />

Herrn<br />

Konrad Meier<br />

Sternstraße 15<br />

53111 Bonn<br />

Bescheidkopf:<br />

Der Steuerbescheid ergeht an Sie als Miterben nach Adam Meier zugleich mit Wirkung für und gegen die<br />

Miterben Ludwig und Martha Meier. Die Erben sind Gesamtschuldner (§ 44 AO).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 102 von 235


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1.3 Wie Beispiel 1.1, jedoch sind die Erben Eheleute o<strong>de</strong>r nahe Familienangehörige unter gemeinschaftlicher<br />

Anschrift i. S. <strong>de</strong>s § 122 Abs. 7. Es genügt die Bekanntgabe einer Ausfertigung <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s an<br />

die gemeinsame Anschrift.<br />

Anschriftenfeld:<br />

Konrad Meier<br />

Ludwig Meier<br />

Martha Meier<br />

Sternstraße 15<br />

53111 Bonn<br />

Bescheidkopf:<br />

Der Steuerbescheid ergeht an Sie als Miterben nach Adam Meier. Die Erben sind Gesamtschuldner (§ 44<br />

AO).<br />

2.1 Der Steuerschuldner Herbert Müller ist im Jahr 08 verstorben. Erben sind seine Ehefrau Anna Müller und<br />

die gemeinsamen Kin<strong>de</strong>r Eva Müller und Thomas Müller. Der ESt-Bescheid für das Jahr 07 kann erst<br />

nach <strong>de</strong>m Tod <strong>de</strong>s Herbert Müller ergehen. Herbert und Anna Müller sind zusammen zu veranlagen.<br />

Anna Müller ist Gesamtschuldner zunächst als zusammenveranlagter Ehegatte (§ 26b EStG i. V. m. § 44<br />

AO) sowie gemeinsam mit <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn Eva und Thomas Müller als Erben <strong>de</strong>s verstorbenen Herbert<br />

Müller (§ 45 Abs. 1). Sie haben je<strong>de</strong>r für sich für die gesamte Steuerschuld einzustehen (§ 45 Abs. 2,<br />

§ 44 Abs. 1).<br />

Gegen die Beteiligten Anna Müller, Eva Müller und Thomas Müller können zusammengefasste<br />

Beschei<strong>de</strong> nach § 155 Abs. 3 ergehen. Je<strong>de</strong>m Beteiligten ist eine Ausfertigung <strong>de</strong>s zusammengefassten<br />

Beschei<strong>de</strong>s an seine Wohnanschrift zu übermitteln. Der Bescheid wird gegen einen Beteiligten, <strong>de</strong>m er<br />

bekannt gegeben wur<strong>de</strong>, auch wirksam, wenn er einem o<strong>de</strong>r mehreren an<strong>de</strong>ren Beteiligten nicht bekannt<br />

gegeben wur<strong>de</strong> (siehe aber § 265 AO i. V. m. § 747 ZPO, vgl. Beispiel 1.1).<br />

Anschriftenfeld (jeweils in geson<strong>de</strong>rten Ausfertigungen):<br />

Frau<br />

Anna Müller<br />

Hohe Straße 27<br />

50667 Köln<br />

Frau<br />

Eva Müller<br />

Wilhelmstraße 19<br />

53111 Bonn<br />

Herrn<br />

Thomas Müller<br />

Sophienstraße 35<br />

80333 München<br />

Bescheidkopf:<br />

Für Anna Müller und die Erben nach Herbert Müller: Anna Müller, Eva Müller und Thomas Müller. Alle<br />

Beteiligten sind Gesamtschuldner (§ 44 AO).<br />

2.2 Wie Beispiel 2.1, jedoch ist Anna Müller mit Einverständnis von Eva und Thomas Müller Empfänger <strong>de</strong>s<br />

Bescheids (§ 122 Abs. 6).<br />

Anschriftenfeld:<br />

Frau<br />

Anna Müller<br />

Hohe Straße 27<br />

50667 Köln<br />

Bescheidkopf:<br />

Für Anna Müller und die Erben nach Herbert Müller: Anna Müller, Eva Müller und Thomas Müller. Der<br />

Bescheid ergeht an Sie zugleich mit Wirkung für und gegen die Miterben. Alle Beteiligten sind<br />

Gesamtschuldner (§ 44 AO).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 103 von 235


© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

2.3 Wie Beispiel 2.1, jedoch leben alle Beteiligten unter gemeinsamer Anschrift i. S. von § 122 Abs. 7 (in<br />

Köln, Hohe Straße 27). Es genügt die Bekanntgabe einer Ausfertigung <strong>de</strong>s Steuerbescheids an die<br />

gemeinsame Anschrift.<br />

Anschriftenfeld:<br />

Anna Müller<br />

Eva Müller<br />

Thomas Müller<br />

Hohe Straße 27<br />

50667 Köln<br />

Bescheidkopf:<br />

Für Anna Müller und die Erben nach Herbert Müller: Anna Müller, Eva Müller und Thomas Müller. Alle<br />

Beteiligten sind Gesamtschuldner (§ 44 AO).<br />

2.12.5 Zur Bekanntgabe von Beschei<strong>de</strong>n bei unbekannten Erben vgl. Nr. 2.13.1.3.<br />

2.12.6 Ist eine Erbengemeinschaft Unternehmer o<strong>de</strong>r selbstständiger Rechtsträger, so ist ein Steuerbescheid<br />

(z. B. über Umsatzsteuer o<strong>de</strong>r Grun<strong>de</strong>rwerbsteuer) an sie als Erbengemeinschaft zu richten (vgl. Nrn. 2.4 und<br />

2.4.1.2). Hat die Erbengemeinschaft keinen Namen und keinen gesetzlichen Vertreter, muss sie <strong>zur</strong><br />

zweifelsfreien I<strong>de</strong>ntifizierung <strong>de</strong>r Gemeinschaft und ihrer Gemeinschafter grundsätzlich durch <strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>s<br />

Erblassers und <strong>de</strong>r einzelnen Miterben charakterisiert wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 29.11.1972 – II R 42/67 –<br />

BStBl. 1973 II, S. 372). Zur Ermittlung <strong>de</strong>r Inhaltsadressaten durch Auslegung gelten die Ausführungen in<br />

Nr. 2.12.3 entsprechend.<br />

2.12.7 Vollstreckung in <strong>de</strong>n Nachlass<br />

Ist ein Steuerbescheid bereits zu Lebzeiten <strong>de</strong>s Erblassers wirksam gewor<strong>de</strong>n und will die Finanzbehör<strong>de</strong> wegen<br />

<strong>de</strong>r Steuerschuld vollstrecken, muss sie vor Beginn <strong>de</strong>r Vollstreckung ein Leistungsgebot erlassen (vgl. im<br />

Einzelnen Abschn. 29 ff. VollstrA).<br />

2.12.8 Umwandlung von Gesellschaften<br />

Zum Erlass von Steuerverwaltungsakten in Spaltungsfällen und in Fällen eines Formwechsels vgl. Nrn. 2.15<br />

und 2.16 sowie zu § 45, Nrn. 2 und 3.<br />

2.13 Testamentsvollstreckung, Nachlassverwaltung, Nachlasspflegeschaft<br />

2.13.1 Der Testamentsvollstrecker ist nicht Vertreter <strong>de</strong>r Erben, son<strong>de</strong>rn Träger eines durch letztwillige<br />

Verfügung <strong>de</strong>s Erblassers begrün<strong>de</strong>ten Amts, <strong>de</strong>ssen Inhalt durch die letztwillige Verfügung bestimmt wird<br />

(§§ 2202, 2197 ff. BGB). Soweit die Verwaltungsbefugnis <strong>de</strong>s Testamentsvollstreckers reicht, ist <strong>de</strong>m Erben die<br />

Verfügungsbefugnis entzogen (§ 2211 BGB). Der Testamentsvollstrecker kann <strong>de</strong>n Erben nicht persönlich<br />

verpflichten und hat auch nicht <strong>de</strong>ssen persönliche Pflichten gegenüber <strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong>n zu erfüllen (BFH-<br />

Urteil vom 16.4.1980 – VII R 81/79 – BStBl. II, S. 605).<br />

2.13.1.1 Hat <strong>de</strong>r Erblasser selbst noch <strong>de</strong>n Steuertatbestand verwirklicht, ist aber gegen ihn kein Steuerbescheid<br />

mehr ergangen, so ist <strong>de</strong>r Steuerbescheid an <strong>de</strong>n Erben als Inhaltsadressaten zu richten und diesem bekannt zu<br />

geben (vgl. Beispiele zu Nr. 2.12.4; BFH-Urteile vom 15.2.1978 – I R 36/77 – BStBl. II, S. 491 und vom<br />

8.3.1979 – IV R 75/76 – BStBl. II, S. 501), es sei <strong>de</strong>nn, <strong>de</strong>r Testamentsvollstrecker ist zugleich<br />

Empfangsbevollmächtigter <strong>de</strong>s Erben. Ist <strong>de</strong>r Testamentsvollstrecker im Rahmen seiner Verwaltung <strong>de</strong>s<br />

gesamten Nachlassvermögens nach § 2213 Abs. 1 BGB <strong>zur</strong> Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten<br />

verpflichtet und soll er <strong>zur</strong> Erfüllung <strong>de</strong>r Steuerschuld aus <strong>de</strong>m von ihm verwalteten Nachlass herangezogen<br />

wer<strong>de</strong>n, kann <strong>de</strong>r Steuerbescheid – auch – an ihn gerichtet wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 30.9.1987 – II R 42/84 –<br />

BStBl. 1988 II, S. 120). Geschieht dies nicht, ist er durch Übersendung einer Ausfertigung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>m Erben o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>m Nachlasspfleger bekannt gegebenen Steuerbeschei<strong>de</strong>s in Kenntnis zu setzen. Ggf. ist er durch<br />

Duldungsbescheid (§ 191 Abs. 1) in Anspruch zu nehmen. Seine persönliche Haftung nach § 69 i. V. m. § 34<br />

Abs. 3 bleibt davon unberührt.<br />

2.13.1.2 Betrifft die Steuerpflicht Tatbestän<strong>de</strong> nach <strong>de</strong>m Erbfall, so ist <strong>de</strong>r Erbe Steuerschuldner auch für<br />

Steuertatbestän<strong>de</strong>, die das Nachlassvermögen betreffen. Steuerbeschei<strong>de</strong> über Einkünfte, die <strong>de</strong>m Erben aus <strong>de</strong>m<br />

Nachlassvermögen zufließen, sind <strong>de</strong>m Erben als Inhaltsadressaten und nicht <strong>de</strong>m Testamentsvollstrecker<br />

bekannt zu geben (BFH-Urteil vom 7.10.1970 – I R 145/68 – BStBl. 1971 II, S. 119; BFH-Beschluss vom<br />

29.11.1995 – X B 328/94 – BStBl. 1996 II, S. 322). Dies gilt auch, wenn <strong>de</strong>r Testamentsvollstrecker ein<br />

Unternehmen im eigenen Namen weiterführt (BFH-Urteil vom 16.2.1977 – I R 53/74 – BStBl. II, S. 481, für<br />

GewSt-Messbeschei<strong>de</strong>). Steht <strong>de</strong>m Testamentsvollstrecker nach § 2213 Abs. 1 BGB die Verwaltung <strong>de</strong>s<br />

gesamten Nachlasses zu, sind die drei letzten Sätze <strong>de</strong>r Nr. 2.13.1.1 entsprechend anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 104 von 235


2.13.1.3 Sind <strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r die Erben (noch) unbekannt, so ist <strong>de</strong>r Steuerbescheid, gleichgültig ob <strong>de</strong>r<br />

Steuertatbestand vom Erblasser selbst noch verwirklicht wor<strong>de</strong>n ist o<strong>de</strong>r erst nach Eintritt <strong>de</strong>s Erbfalls, einem zu<br />

bestellen<strong>de</strong>n Nachlasspfleger als gesetzlichen Vertreter bekannt zu geben. Die Vertretungsbefugnis <strong>de</strong>s<br />

Nachlasspflegers en<strong>de</strong>t auch dann erst mit Aufhebung <strong>de</strong>r Nachlasspflegschaft durch das Nachlassgericht, wenn<br />

die Erben zwischenzeitlich bekannt wur<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 30.3.1982 – VIII R 227/80 – BStBl. II, S. 687).<br />

Der Testamentsvollstrecker ist nicht bereits kraft Amtes Vertreter <strong>de</strong>s unbekannten Erben, kann aber dazu<br />

bestellt wer<strong>de</strong>n (vgl. Nr. 2.13.2).<br />

2.13.2 Der Nachlasspfleger ist gesetzlicher Vertreter <strong>de</strong>s künftigen Erben, falls dieser noch unbekannt ist o<strong>de</strong>r<br />

die Annahme <strong>de</strong>r Erbschaft noch ungewiss ist. Er wird von Amts wegen o<strong>de</strong>r auf Antrag eines<br />

Nachlassgläubigers vom Nachlassgericht bestellt (siehe §§ 1960, 1961 BGB, § 81 AO). Nr. 2.2 ist entsprechend<br />

anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

2.13.3 Nachlassverwaltung ist die Nachlasspflegeschaft zum Zwecke <strong>de</strong>r Befriedigung <strong>de</strong>r Nachlassgläubiger<br />

(§ 1975 BGB). Die Stellung <strong>de</strong>s Nachlassverwalters ist <strong>de</strong>rjenigen <strong>de</strong>s Testamentsvollstreckers vergleichbar.<br />

Nr. 2.13.1.1 und Nr. 2.13.1.2 sind daher entsprechend anzuwen<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 5.6.1991 – XI R 26/89 –<br />

BStBl. II, S. 820).<br />

© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

2.13.4 Erbschaftsteuerbeschei<strong>de</strong><br />

2.13.4.1 Ein Erbschaftsteuerbescheid ist nach § 32 Abs. 1 ErbStG <strong>de</strong>m Testamentsvollstrecker o<strong>de</strong>r<br />

Nachlassverwalter mit Wirkung für und gegen die Erben bekannt zu geben, wenn er die Steuererklärung für die<br />

Erben abgegeben hat. Dies gilt auch, wenn sich <strong>de</strong>r Steueranspruch gegen die Erben nicht nur auf die Erbschaft<br />

i. S. d. bürgerlichen Rechts grün<strong>de</strong>t. Ein Erbschaftsteuerbescheid, mit <strong>de</strong>m lediglich Erbschaftsteuer aufgrund<br />

<strong>de</strong>s Erwerbs eines schuldrechtlichen Anspruchs erbrechtlicher Natur (z. B. Vermächtnis, Pflichtteilsrecht,<br />

Erbersatzanspruch) und/o<strong>de</strong>r aufgrund Erwerbs infolge eines Vertrages <strong>de</strong>s Erblassers zugunsten <strong>de</strong>s Erwerbers<br />

auf <strong>de</strong>n To<strong>de</strong>sfall festgesetzt wird, kann hingegen <strong>de</strong>m Testamentsvollstrecker o<strong>de</strong>r Nachlassverwalter nicht mit<br />

Wirkung für und gegen <strong>de</strong>n Steuerschuldner bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteile vom 14.11.1990 –<br />

II R 255/85 – und – II R 58/86 – BStBl. 1991 II, S. 49 und S. 52).<br />

Ist <strong>de</strong>r Erbschaftsteuerbescheid nach <strong>de</strong>n vorgenannten Grundsätzen <strong>de</strong>m Testamentsvollstrecker bekannt zu<br />

geben, muss <strong>de</strong>r Bescheid mit hinreichen<strong>de</strong>r Bestimmtheit erkennen lassen, dass er sich – ungeachtet <strong>de</strong>r<br />

Verpflichtung <strong>de</strong>s Testamentsvollstreckers, für die Zahlung <strong>de</strong>r Steuer zu sorgen (§ 32 Abs. 1 Satz 2 ErbStG) –<br />

an <strong>de</strong>n Erben als Steuerschuldner richtet (BFH-Urteil vom 10.7.1991 – VIII R 16/90 – BFH/NV 1992 S. 223).<br />

Der Bescheidvordruck ist daher in diesen Fällen wie folgt auszufüllen:<br />

Anschriftenfeld:<br />

Name und Anschrift <strong>de</strong>s Testamentsvollstreckers<br />

Bescheidkopf:<br />

Erbschaftsteuerbescheid über <strong>de</strong>n Erwerb <strong>de</strong>s . . . . . . (Name <strong>de</strong>s Erben/Miterben) aufgrund <strong>de</strong>s Ablebens von<br />

. . . . . .<br />

Erläuterungen:<br />

Der Bescheid wird Ihnen nach § 32 Abs. 1 Satz 1 ErbStG mit Wirkung für und gegen <strong>de</strong>n oben bezeichneten<br />

Erben bekannt gegeben. Dieser ist Steuerschuldner.<br />

2.13.4.2 Die Bekanntgabe <strong>de</strong>s Erbschaftsteuerbescheids an <strong>de</strong>n Testamentsvollstrecker o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

Nachlassverwalter setzt auch die Rechtsbehelfsfrist für die Anfechtung durch <strong>de</strong>n Erben in Lauf. Dem Erben ist<br />

bei verspäteter Unterrichtung durch <strong>de</strong>n Testamentsvollstrecker o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Nachlassverwalter innerhalb <strong>de</strong>r<br />

Jahresfrist <strong>de</strong>s § 110 Abs. 3 Wie<strong>de</strong>reinsetzung in <strong>de</strong>n vorigen Stand zu gewähren, wobei <strong>de</strong>ssen Verhalten ihm<br />

nicht zu<strong>zur</strong>echnen ist (BFH-Urteil vom 14.11.1990 – II R 58/86 – BStBl. 1991 II, S. 52). Testamentsvollstrecker<br />

o<strong>de</strong>r Nachlassverwalter haben nach § 32 Abs. 1 Satz 2 ErbStG für die Einrichtung <strong>de</strong>r Erbschaftsteuer <strong>de</strong>r Erben<br />

zu sorgen.<br />

2.14 Haften<strong>de</strong><br />

2.14.1 Der Steuerschuldner und <strong>de</strong>r Haften<strong>de</strong> sind nach § 44 Abs. 1 zwar Gesamtschuldner, diese Bestimmung<br />

führt aber nicht zu einer völligen Gleichstellung. Der Steuerbescheid ist an <strong>de</strong>n Steuerschuldner zu richten. Über<br />

die Haftung ist durch selbstständigen Haftungsbescheid zu entschei<strong>de</strong>n (§ 191) und <strong>de</strong>r Haften<strong>de</strong> durch<br />

Zahlungsauffor<strong>de</strong>rung in Anspruch zu nehmen (§ 219). Bei<strong>de</strong> Maßnahmen können auch getrennt voneinan<strong>de</strong>r<br />

ausgeführt wer<strong>de</strong>n. Die Zusendung einer Ausfertigung <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s reicht <strong>zur</strong> Inanspruchnahme <strong>de</strong>s<br />

Haften<strong>de</strong>n nicht aus.<br />

2.14.2 Der Haftungsbescheid muss ein<strong>de</strong>utig erkennen lassen, gegen wen sich <strong>de</strong>r Haftungsanspruch richtet.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 105 von 235


Beispiele für Lohnsteuerhaftungsbeschei<strong>de</strong> bei Inanspruchnahme:<br />

a) <strong>de</strong>s Arbeitgebers: b) <strong>de</strong>s Geschäftsführers <strong>de</strong>s Arbeitgebers:<br />

Haftungsschuldner als<br />

Inhaltsadressat,<br />

Haftungsschuldner als<br />

Inhaltsadressat,<br />

Bekanntgabeadressat<br />

Bekanntgabeadressat<br />

und Empfänger:<br />

und Empfänger:<br />

Meier GmbH<br />

Sophienstraße 2a<br />

80333 München<br />

(jeweils mit Angabe<br />

<strong>de</strong>s Haftungsgrun<strong>de</strong>s<br />

in <strong>de</strong>r Erläuterung)<br />

Herrn<br />

Josef Meier<br />

(Geschäftsführer <strong>de</strong>r Meier GmbH)<br />

Hansastraße 100<br />

81373 München<br />

(jeweils mit Angabe<br />

<strong>de</strong>s Haftungsgrun<strong>de</strong>s<br />

in <strong>de</strong>r Erläuterung)<br />

Bei <strong>de</strong>r Inanspruchnahme <strong>de</strong>s Geschäftsführers als Haftungsschuldner für Steuerschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r von ihm<br />

vertretenen juristischen Person o<strong>de</strong>r nichtrechtsfähigen Personenvereinigung ist darauf zu achten, dass die<br />

persönliche Inanspruchnahme in <strong>de</strong>r Adressierung und auch sonst im Bescheid ein<strong>de</strong>utig zum Ausdruck<br />

kommt. Als postalische Anschrift ist im Haftungsbescheid i. d. R. die von <strong>de</strong>r Firmenanschrift abweichen<strong>de</strong><br />

Wohnanschrift <strong>de</strong>s Geschäftsführers zu verwen<strong>de</strong>n. Wird ein Haftungsbescheid an <strong>de</strong>n Geschäftsführer durch die<br />

Post mit Zustellungsurkun<strong>de</strong> (vgl. Nr. 3.1.1) ausnahmsweise unter <strong>de</strong>r Firmenanschrift zugestellt, ist im Kopf<br />

<strong>de</strong>s Vordrucks „Zustellungsurkun<strong>de</strong>“ in roter Schrift o<strong>de</strong>r durch rotes Unterstreichen zu vermerken: „Keine<br />

Ersatzzustellung“.<br />

© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

2.14.3 Sollen wegen <strong>de</strong>sselben Anspruchs mehrere Haftungsschuldner herangezogen wer<strong>de</strong>n, kann in<br />

entsprechen<strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>s § 155 Abs. 3 ein zusammengefasster Haftungsbescheid erlassen wer<strong>de</strong>n. Für<br />

je<strong>de</strong>n Haftungsschuldner ist jedoch ein geson<strong>de</strong>rter Bescheid auszufertigen und bekannt zu geben, um ihm<br />

gegenüber Wirksamkeit zu erlangen. Dies gilt auch dann, wenn <strong>de</strong>r zusammengefasste Haftungsbescheid gegen<br />

Ehegatten gerichtet ist (BFH-Beschluss vom 22.10.1975 – I B 38/75 – BStBl. 1976 II, S. 136).<br />

Bei <strong>de</strong>r Inanspruchnahme von mehreren Haftungsschuldnern wegen <strong>de</strong>sselben Anspruchs sind im<br />

Haftungsbescheid alle als Haftungsschuldner herangezogenen Personen zu benennen. Eine fehlen<strong>de</strong> Angabe <strong>de</strong>r<br />

übrigen Haftungsschuldner führt aber nicht ohne weiteres <strong>zur</strong> Unwirksamkeit <strong>de</strong>r Haftungsbeschei<strong>de</strong> (BFH-<br />

Urteil vom 5.11.1980 – II R 25/78 – BStBl. 1981 II, S. 176), son<strong>de</strong>rn kann im Rahmen <strong>de</strong>s § 126 nachgeholt<br />

wer<strong>de</strong>n. Die einzelnen Haftungsschuldner wer<strong>de</strong>n durch die gemeinsame Inanspruchnahme zu<br />

Gesamtschuldnern (§ 44); die Erfüllung durch einen <strong>de</strong>r Gesamtschuldner wirkt auch für die übrigen.<br />

2.15 Spaltung<br />

In <strong>de</strong>n Fällen einer Abspaltung, Ausglie<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Vermögensübertragung nach <strong>de</strong>m UmwG liegt mit<br />

Ausnahme <strong>de</strong>r Vermögensübertragung im Wege <strong>de</strong>r Vollübertragung keine Gesamtrechtsnachfolge i. S. d. § 45<br />

Abs. 1 vor (vgl. zu § 45, Nr. 2). Die an einer Spaltung beteiligten Rechtsträger sind aber Gesamtschuldner für die<br />

Verbindlichkeiten <strong>de</strong>s übertragen<strong>de</strong>n Rechtsträgers, die vor <strong>de</strong>m Wirksamwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Spaltung begrün<strong>de</strong>t<br />

wor<strong>de</strong>n sind (§ 33 Abs. 1 Satz 1 UmwG). Der übernehmen<strong>de</strong> Rechtsträger kann daher durch Haftungsbescheid<br />

(im Falle <strong>de</strong>r Vermögensübertragung im Wege <strong>de</strong>r Vollübertragung durch Steuerbescheid) in Anspruch<br />

genommen wer<strong>de</strong>n.<br />

Bei einer Aufspaltung erlischt <strong>de</strong>r übertragen<strong>de</strong> Rechtsträger mit <strong>de</strong>r Registereintragung <strong>de</strong>r Spaltung (§ 131<br />

Abs. 1 Nr. 2 UmwG). Die Regelung über die steuerliche Gesamtrechtsnachfolge (§ 45 Abs. 1) ist sinngemäß<br />

anzuwen<strong>de</strong>n; dies gilt nicht in Bezug auf die geson<strong>de</strong>rte und einheitliche Feststellung von<br />

Besteuerungsgrundlagen (vgl. zu § 45, Nr. 2).<br />

Bei <strong>de</strong>r Entscheidung, ob ein übernehmen<strong>de</strong>r Rechtsträger für Steuerverbindlichkeiten <strong>de</strong>s übertragen<strong>de</strong>n<br />

Rechtsträgers in Anspruch zu nehmen ist, soll i. d. R. eine im Spaltungs- und Übernahmevertrag getroffene<br />

Zuweisung <strong>de</strong>r Steuerverbindlichkeiten berücksichtigt wer<strong>de</strong>n. Enthält <strong>de</strong>r Spaltungs- und Übernahmevertrag<br />

keine Zuweisung <strong>de</strong>r Steuerverbindlichkeiten, soll in Fällen <strong>de</strong>r Abspaltung o<strong>de</strong>r Ausglie<strong>de</strong>rung in <strong>de</strong>r Regel<br />

zunächst nur <strong>de</strong>r übertragen<strong>de</strong> Rechtsträger in Anspruch genommen wer<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 106 von 235


Beispiel 1:<br />

Vom Vermögen <strong>de</strong>r Spalt-GmbH wur<strong>de</strong> ein Teil abgespalten und an die A-GmbH übertragen. Der Spaltungsund<br />

Übernahmevertrag enthält keine Regelungen <strong>zur</strong> Zuweisung <strong>de</strong>r Steuerverbindlichkeiten.<br />

Steuerbescheid an Spalt-GmbH:<br />

Anschriftenfeld (Steuerschuldner als Inhaltsadressat, Bekanntgabeadressat und Empfänger):<br />

Spalt-GmbH<br />

Moltkestraße 5<br />

12203 Berlin<br />

Beispiel 2:<br />

Wie Beispiel 1, jedoch sollen die Spalt-GmbH und die A-GmbH als Gesamtschuldner in Anspruch genommen<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Steuerbescheid an Spalt-GmbH:<br />

Anschriftenfeld (Steuerschuldner als Inhaltsadressat, Bekanntgabeadressat und Empfänger):<br />

Spalt-GmbH<br />

Moltkestraße 5<br />

12203 Berlin<br />

Bescheidkopf:<br />

Der A-GmbH wur<strong>de</strong> ein Haftungsbescheid erteilt. Die an <strong>de</strong>r Abspaltung beteiligten Rechtsträger sind<br />

Gesamtschuldner (§ 44 AO, § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG).<br />

Haftungsbescheid an A-GmbH:<br />

Anschriftenfeld (Haftungsschuldner als Inhaltsadressat, Bekanntgabeadressat und Empfänger):<br />

A-GmbH<br />

Meiserstraße 4<br />

80284 München<br />

Bescheidkopf:<br />

Dieser Bescheid ergeht an Sie als partielle Nachfolgerin <strong>de</strong>r Spalt-GmbH. Der Spalt-GmbH wur<strong>de</strong> ein<br />

Steuerbescheid erteilt. Die an <strong>de</strong>r Abspaltung beteiligten Rechtsträger sind Gesamtschuldner (§ 44 AO, § 133<br />

Abs. 1 Satz 1 UmwG).<br />

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Beispiel 3:<br />

Die Spalt-GmbH wur<strong>de</strong> in die A-GmbH und die B-GmbH aufgespalten. Im Spaltungs- und Übernahmevertrag<br />

wur<strong>de</strong>n die Steuerverbindlichkeiten <strong>de</strong>r erloschenen Spalt-GmbH <strong>de</strong>r A-GmbH zugewiesen.<br />

Steuerbescheid an A-GmbH:<br />

Anschriftenfeld (Steuerschuldner als Inhaltsadressat, Bekanntgabeadressat und Empfänger):<br />

A-GmbH<br />

Meiserstraße 4<br />

80284 München<br />

Bescheidkopf:<br />

Dieser Bescheid ergeht an Sie als Nachfolgerin <strong>de</strong>r durch Aufspaltung erloschenen Spalt-GmbH.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 107 von 235


Beispiel 4:<br />

Die Spalt-GmbH wur<strong>de</strong> in die A-GmbH und die B-GmbH aufgespalten. Der Spaltungs- und Übernahmevertrag<br />

enthält keine Regelungen <strong>zur</strong> Zuweisung <strong>de</strong>r Steuerverbindlichkeiten <strong>de</strong>r Spalt-GmbH. Die A-GmbH und die B-<br />

GmbH sollen als Gesamtschuldner in Anspruch genommen wer<strong>de</strong>n.<br />

Steuerbescheid an A-GmbH:<br />

Anschriftenfeld (Steuerschuldner als Inhaltsadressat, Bekanntgabeadressat und Empfänger):<br />

A-GmbH<br />

Meiserstraße 4<br />

80284 München<br />

Bescheidkopf:<br />

Dieser Bescheid ergeht an Sie als Nachfolgerin <strong>de</strong>r durch Aufspaltung erloschenen Spalt-GmbH. Der B-GmbH<br />

wur<strong>de</strong> ein Bescheid gleichen Inhalts erteilt. Die an <strong>de</strong>r Spaltung beteiligten Rechtsträger sind Gesamtschuldner<br />

(§ 44 AO, § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG).<br />

Steuerbescheid an B-GmbH:<br />

Anschriftenfeld (Steuerschuldner als Inhaltsadressat, Bekanntgabeadressat und Empfänger):<br />

B-GmbH<br />

Hauptstr. 101<br />

67433 Neustadt<br />

Bescheidkopf:<br />

Dieser Bescheid ergeht an Sie als Nachfolgerin <strong>de</strong>r durch Aufspaltung erloschenen Spalt-GmbH. Der A-GmbH<br />

wur<strong>de</strong> ein Bescheid gleichen Inhalts erteilt. Die an <strong>de</strong>r Spaltung beteiligten Rechtsträger sind Gesamtschuldner<br />

(§ 44 AO, § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG).<br />

© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

2.16 Formwechseln<strong>de</strong> Umwandlung<br />

Bei einer formwechseln<strong>de</strong>n Umwandlung (§ 1 Abs. 1 Nr. 4, §§ 190 ff. UmwG) liegt lediglich ein Wechsel <strong>de</strong>r<br />

Rechtsform eines Rechtsträgers unter Wahrung seiner rechtlichen I<strong>de</strong>ntität vor. Än<strong>de</strong>rt sich allerdings durch <strong>de</strong>n<br />

Formwechsel das Steuersubjekt, ist die Regelung <strong>de</strong>s § 45 Abs. 1 über die steuerliche Gesamtrechtsnachfolge<br />

sinngemäß anzuwen<strong>de</strong>n (vgl. zu § 45, Nr. 3).<br />

Wird eine Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft umgewan<strong>de</strong>lt, sind Beschei<strong>de</strong> über Steuern, für die<br />

die Personengesellschaft Steuerschuldnerin war (vgl. Nr. 2.4.1), nach <strong>de</strong>r Umwandlung an die<br />

Kapitalgesellschaft zu richten und dieser bekannt zu geben. Beschei<strong>de</strong> über die geson<strong>de</strong>rte und einheitliche<br />

Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sind an die Gesellschafter <strong>de</strong>r umgewan<strong>de</strong>lten Personengesellschaft zu<br />

richten (vgl. Nr. 2.5). Wird eine Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft umgewan<strong>de</strong>lt, sind Beschei<strong>de</strong><br />

über Steuern, für die die Kapitalgesellschaft Steuerschuldnerin war, an die Personengesellschaft zu richten.<br />

3. Beson<strong>de</strong>rheiten <strong>de</strong>s Zustellungsverfahrens<br />

3.1 Zustellungsarten<br />

Die Zustellung richtet sich nach <strong>de</strong>m Verwaltungszustellungsgesetz – VwZG – (§ 122 Abs. 5 Satz 2). Die vom<br />

Amtsgericht zu erlassen<strong>de</strong> Anordnung eines persönlichen Sicherheitsarrestes ist nach <strong>de</strong>n Vorschriften <strong>de</strong>r ZPO<br />

zuzustellen (§ 326 Abs. 4).<br />

Das VwZG sieht die folgen<strong>de</strong>n Zustellungsarten vor:<br />

– Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkun<strong>de</strong> (§ 3 VwZG; vgl. Nr. 3.1.1),<br />

– Zustellung durch die Post mittels Einschreiben (§ 4 VwZG; vgl. Nr. 3.1.2),<br />

– Zustellung (auch eines elektronischen Dokuments) durch die Behör<strong>de</strong> gegen Empfangsbekenntnis (§ 5<br />

VwZG; vgl. Nr. 3.1.3),<br />

– Zustellung (auch eines elektronischen Dokuments) im Ausland (§ 9 VwZG; vgl. Nr. 3.1.4),<br />

– Öffentliche Zustellung (§ 10 VwZG; vgl. Nr. 3.1.5).<br />

Kommen mehrere Zustellungsarten in Betracht, soll die kostengünstigste gewählt wer<strong>de</strong>n, sofern nicht beson<strong>de</strong>re<br />

Umstän<strong>de</strong> (z. B. Zweifel an <strong>de</strong>r Annahmebereitschaft <strong>de</strong>s Empfängers; vgl. Nr. 3.1.2) für eine Zustellung durch<br />

die Post mit Zustellungsurkun<strong>de</strong> sprechen.<br />

Die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum VwZG vom 13.12.1966 (BStBl. I, S. 969), geän<strong>de</strong>rt durch die<br />

Allgemeine Verwaltungsvorschrift vom 27.4.1973 (BStBl. I, S. 220), sind überholt.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 108 von 235


3.1.1 Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkun<strong>de</strong> (§ 3 VwZG)<br />

Soll ein Verwaltungsakt durch die Post mit Zustellungsurkun<strong>de</strong> zugestellt wer<strong>de</strong>n, sind § 3 VwZG sowie die dort<br />

angeführten Vorschriften <strong>de</strong>r §§ 177 bis 181 ZPO zu beachten. „Post“ ist je<strong>de</strong>r Erbringer von<br />

Postdienstleistungen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 VwZG; siehe auch § 33 <strong>de</strong>s Postgesetzes vom 22.12.1997, BGBl. I,<br />

S. 3294).<br />

Die Finanzbehör<strong>de</strong> hat <strong>de</strong>r Post <strong>de</strong>n Zustellungsauftrag, das zuzustellen<strong>de</strong> Dokument in einem verschlossenen<br />

Umschlag und einen vorbereiteten Vordruck einer Zustellungsurkun<strong>de</strong> zu übergeben (§ 3 Abs. 1 VwZG). Für die<br />

Zustellungsurkun<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n Zustellungsauftrag und <strong>de</strong>n verschlossenen Umschlag sind die in <strong>de</strong>r<br />

Zustellungsvordruckverordnung vom 12.2.2002 (BGBl. I S. 671, 1019), geän<strong>de</strong>rt durch Verordnung vom<br />

23.4.2004 (BGBl. I S. 619), bestimmten Vordrucke zu verwen<strong>de</strong>n (§ 3 Abs. 2 Satz 3 VwZG). Der vorbereitete<br />

Vordruck <strong>de</strong>r Zustellungsurkun<strong>de</strong> muss <strong>de</strong>n Empfänger (vgl. Nrn. 1.5 und 1.6) und das Aktenzeichen (vgl.<br />

Nr. 3.1.1.1) <strong>de</strong>s zuzustellen<strong>de</strong>n Dokuments sowie die Anschrift <strong>de</strong>r auftraggeben<strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong> enthalten.<br />

Fehlen diese Angaben auf <strong>de</strong>r zuzustellen<strong>de</strong>n Sendung ganz o<strong>de</strong>r teilweise, ist die Zustellung unwirksam, auch<br />

wenn die Zustellungsurkun<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s § 182 ZPO genügt. Gleiches gilt, wenn auf <strong>de</strong>r Sendung<br />

ein falsches Aktenzeichen angegeben ist.<br />

Ausnahmsweise kann als Zustellungsanschrift die Postfachnummer gewählt wer<strong>de</strong>n. In diesem Fall ist aber die<br />

tatsächliche Zustellung beim Rücklauf <strong>de</strong>r Zustellungsurkun<strong>de</strong> zu überwachen (BFH-Urteil vom 9.2.1983 – II<br />

R 10/79 – BStBl. II, S. 698). Bei Ersatzzustellung durch Nie<strong>de</strong>rlegung ist die Zustellung nicht wirksam, wenn<br />

die Mitteilung über die Nie<strong>de</strong>rlegung in das Postfach <strong>de</strong>s Empfängers eingelegt wird (BFH-Urteil vom<br />

17.2.1983 – V R 76/77 – BStBl. II, S. 528).<br />

3.1.1.1 Das auf <strong>de</strong>r vorbereiteten Zustellungsurkun<strong>de</strong> und auf <strong>de</strong>m verschlossenen Umschlag anzugeben<strong>de</strong><br />

Aktenzeichen (vgl. Nr. 3.1.1) ist mit Abkürzungen zu bil<strong>de</strong>n. Anhand <strong>de</strong>s Aktenzeichens muss einerseits <strong>de</strong>r<br />

Inhalt <strong>de</strong>s zuzustellen<strong>de</strong>n Dokuments einwandfrei zu i<strong>de</strong>ntifizieren sein (BFH-Urteil vom 18.3.2004 – V R<br />

11/02 – BStBl. II, S. 540), an<strong>de</strong>rerseits muss das Aktenzeichen so gewählt wer<strong>de</strong>n, dass es einem Dritten<br />

möglichst keinen Rückschluss auf <strong>de</strong>n Inhalt <strong>de</strong>r Sendung zulässt. Die bloße Angabe <strong>de</strong>r Steuernummer reicht<br />

nicht aus (BFH-Urteil vom 13.10.2005 – IV R 44/03 – BStBl. 2006 II, S. 214).<br />

Neben <strong>de</strong>r Steuernummer und grundsätzlich neben <strong>de</strong>m Datum <strong>de</strong>s zuzustellen<strong>de</strong>n Verwaltungsaktes sind die<br />

folgen<strong>de</strong>n verwaltungsüblichen Abkürzungen und Listennummern zu verwen<strong>de</strong>n.<br />

© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

Beispiele:<br />

Abkürzung<br />

Inhalt <strong>de</strong>r Sendung<br />

210/50 108, EStB 2005<br />

StNr. 210/50 108, ESt-Bescheid 2005 vom xx. xx. xxxx<br />

vom xx. xx. xxxx<br />

210/50 108, VZB<br />

StNr. 210/50 108, Vorauszahlungsbescheid für ESt 2006 vom<br />

ESt 2006 vom xx. xx. xxxx<br />

xx. xx. xxxx<br />

210/50 108, HaB LSt 2005<br />

StNr. 210/50 108, Haftungsbescheid<br />

vom xx. xx. xxxx<br />

für LSt 2005 vom xx. xx. xxxx<br />

210/50 108, NachB LSt 2005<br />

StNr. 210/50 108, Nachfor<strong>de</strong>rungsbescheid für LSt 2005 vom<br />

vom xx. xx. xxxx<br />

xx. xx. xxxx<br />

210/50 108 EE EStB 2005 StNr. 210/50 108 – Einspruchsentscheidung in Sachen ESt-<br />

Bescheid 2005<br />

210/50 108 EE RbL 150/2006 StNr. 210/50 108 – Einspruchsentscheidung für <strong>de</strong>n in die<br />

Rechtsbehelfsliste 2006 unter Nr. 150 eingetragenen Einspruch<br />

210/50 108 PrA<br />

StNr. 210/50 108 Prüfungsanordnung<br />

vom xx. xx. xxxx<br />

210/50 108 Mitteilung<br />

141 Abs. 2 AO<br />

vom xx. xx. xxxx<br />

210/50 108 ZG.-A.<br />

vom xx. xx. xxxx<br />

vom xx. xx. xxxx<br />

StNr. 210/50 108 Mitteilung vom xx. xx. xxxx über <strong>de</strong>n<br />

Beginn <strong>de</strong>r Buchführungspflicht<br />

StNr. 210/50 108 Verwaltungsakt über<br />

die Anordnung eines Zwangsgel<strong>de</strong>s<br />

vom xx. xx. xxxx<br />

Bei <strong>de</strong>r Zustellung eines Bescheids über die geson<strong>de</strong>rte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen muss sich aus<br />

<strong>de</strong>m Aktenzeichen auch <strong>de</strong>r Gegenstand <strong>de</strong>r Feststellung ergeben (BFH-Urteil vom 13.10.2005 – IV R 44/03 –<br />

BStBl. 2006 II, S. 214). Für die hinreichen<strong>de</strong> Unterscheidung von geson<strong>de</strong>rten Feststellungen sind – neben <strong>de</strong>n<br />

übrigen Angaben, wie Steuernummer und Datum <strong>de</strong>s zuzustellen<strong>de</strong>n Verwaltungsaktes (vgl. die vorstehen<strong>de</strong>n<br />

Beispiele) – zweckmäßigerweise die folgen<strong>de</strong>n Kürzel zu verwen<strong>de</strong>n:<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 109 von 235


Beispiele:<br />

Kürzel<br />

VF-ESt 31.12.05<br />

VF-KSt 31.12.05<br />

VF-Gew 31.12.05<br />

Fest2B 2005<br />

ges. Fest 2005<br />

Gegenstand<br />

Feststellung <strong>de</strong>s verbleiben<strong>de</strong>n Verlustvortrages <strong>zur</strong> ESt auf <strong>de</strong>n<br />

31.12.2005<br />

Feststellung <strong>de</strong>s verbleiben<strong>de</strong>n Verlustvortrages <strong>zur</strong> KSt auf <strong>de</strong>n<br />

31.12.2005<br />

Feststellung <strong>de</strong>s vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf <strong>de</strong>n<br />

31.12.2005<br />

Feststellung <strong>de</strong>r negativen Einkünfte aus <strong>de</strong>r Beteiligung an<br />

Verlustzuweisungsgesellschaften nach § 2b EStG i. V. m. § 10d<br />

Abs. 4 EStG für 2005<br />

Geson<strong>de</strong>rte Feststellung gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AO für<br />

2005<br />

ges+ein Fest 2005 Geson<strong>de</strong>rte und einheitliche Feststellung i. S. v. § 180 Abs. 1 Nr. 2<br />

Buchst. a AO für 2005<br />

© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

3.1.1.2 Sollen mehrere Verwaltungsakte (z. B. Einspruchsentscheidungen) verschie<strong>de</strong>nen Inhalts in einer<br />

Postsendung zugestellt wer<strong>de</strong>n, müssen die gesetzlichen Form- und Beurkundungserfor<strong>de</strong>rnisse in Bezug auf<br />

je<strong>de</strong>s einzelne Schriftstück gewahrt wer<strong>de</strong>n. Das Aktenzeichen muss aus Angaben über die einzelnen<br />

Schriftstücke bestehen (BFH-Urteil vom 7.7.2004 – X R 33/02 – BFH/NV 2005 S. 66). Enthält die Sendung<br />

mehr Schriftstücke als durch Aktenzeichen auf <strong>de</strong>r Zustellungsurkun<strong>de</strong> und/o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Umschlag bezeichnet, ist<br />

nur die Zustellung <strong>de</strong>s nicht bezeichneten Schriftstücks unwirksam. Der Zustellungsmangel kann jedoch nach<br />

§ 8 VwZG geheilt wer<strong>de</strong>n (vgl. Nr. 4.5.2).<br />

3.1.1.3 Eine wirksame Zustellung an mehrere Personen gemeinsam ist nicht möglich, son<strong>de</strong>rn nur die<br />

Zustellung an einen bestimmten Zustellungsempfänger. In <strong>de</strong>r Anschrift auf <strong>de</strong>m Briefumschlag und<br />

<strong>de</strong>mentsprechend in <strong>de</strong>r Zustellungsurkun<strong>de</strong> darf daher als Empfänger nur eine Person angesprochen wer<strong>de</strong>n.<br />

Das gilt auch für die Zustellung an Ehegatten (BFH-Urteil vom 8.6.1995 – IV R 104/94 – BStBl. II, S. 681).<br />

Eine mit <strong>de</strong>r Anschrift „Herrn Adam und Frau Eva Meier“ versehene Sendung kann daher nicht wirksam<br />

zugestellt wer<strong>de</strong>n (vgl. auch Nr. 3.4).<br />

3.1.1.4 Die Zustellungsurkun<strong>de</strong> ist eine öffentliche Urkun<strong>de</strong> i. S. d. § 418 Abs. 1 ZPO (vgl. § 182 Abs. 1 Satz 2<br />

ZPO) und erbringt daher <strong>de</strong>n vollen Beweis für die in ihr bezeugten Tatsachen. Dieser ist aber nach § 418 Abs. 2<br />

ZPO durch Gegenbeweis wi<strong>de</strong>rlegbar. Dies erfor<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>n vollen Nachweis eines an<strong>de</strong>ren Geschehensablaufs;<br />

durch bloße Zweifel an <strong>de</strong>r Richtigkeit <strong>de</strong>r urkundlichen Feststellungen ist <strong>de</strong>r Gegenbeweis nicht erbracht<br />

(BFH-Urteil vom 28.9.1993 – II R 34/92 – BFH/NV 1994 S. 291).<br />

3.1.2 Zustellung durch die Post mittels Einschreiben (§ 4 VwZG)<br />

Die durch § 4 VwZG eröffnete Zustellungsmöglichkeit ist auf die Varianten „Einschreiben mittels Übergabe“<br />

und „Einschreiben mit Rückschein“ beschränkt. Die Zustellung mittels eines „Einwurf-Einschreibens“ ist somit<br />

nicht möglich. Nicht nur Briefe, son<strong>de</strong>rn auch umfangreichere Sendungen – z. B. Pakete – können mittels<br />

Einschreiben zugestellt wer<strong>de</strong>n, soweit die Post (zum Begriff <strong>de</strong>r „Post“ vgl. Nr. 3.1.1) dies ermöglicht.<br />

Eine Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein gilt an <strong>de</strong>m Tag als bewirkt, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Rückschein angibt.<br />

Zum Nachweis <strong>de</strong>r Zustellung genügt <strong>de</strong>r Rückschein (§ 4 Abs. 2 Satz 1 VwZG). Im Gegensatz zu <strong>de</strong>r bei einer<br />

Zustellung nach § 3 VwZG (vgl. Nr. 3.1.1) errichteten Zustellungsurkun<strong>de</strong> ist <strong>de</strong>r Rückschein keine öffentliche<br />

Urkun<strong>de</strong> i. S. d. § 418 ZPO. Der von <strong>de</strong>m Rückschein ausgehen<strong>de</strong> Nachweis <strong>de</strong>r Zustellung ist somit auf das<br />

Maß eines normalen Beweismittels eingeschränkt. Geht <strong>de</strong>r Rückschein nicht bei <strong>de</strong>r die Zustellung<br />

veranlassen<strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong> ein o<strong>de</strong>r enthält er kein Datum, gilt die Zustellung am dritten Tag nach <strong>de</strong>r Aufgabe <strong>zur</strong><br />

Post als bewirkt, es sei <strong>de</strong>nn, dass <strong>de</strong>r Verwaltungsakt nicht o<strong>de</strong>r zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im<br />

Zweifel hat die Behör<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Zugang und <strong>de</strong>ssen Zeitpunkt nachzuweisen (§ 4 Abs. 2 Sätze 2 und 3 VwZG).<br />

Eine Zustellung mittels Einschreiben durch Übergabe gilt am dritten Tag nach <strong>de</strong>r Aufgabe <strong>zur</strong> Post als<br />

bewirkt, es sei <strong>de</strong>nn, dass <strong>de</strong>r Verwaltungsakt nicht o<strong>de</strong>r zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Auch<br />

insoweit hat im Zweifel die Behör<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Zugang und <strong>de</strong>ssen Zeitpunkt nachzuweisen (§ 4 Abs. 2 Sätze 2 und 3<br />

VwZG). Der Tag <strong>de</strong>r Aufgabe <strong>zur</strong> Post ist in <strong>de</strong>n Akten zu vermerken (§ 4 Abs. 2 Satz 4 VwZG).<br />

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Für eine eventuelle Ersatzzustellung gelten nicht die §§ 178 bis 181 ZPO, son<strong>de</strong>rn die einschlägigen allgemeinen<br />

Geschäftsbedingungen <strong>de</strong>s in Anspruch genommenen Postdienstleisters. Verweigert <strong>de</strong>r Empfänger o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Ersatzempfänger die Annahme <strong>de</strong>r eingeschriebenen Sendung, wird sie als unzustellbar an <strong>de</strong>n Absen<strong>de</strong>r<br />

<strong>zur</strong>ückgeschickt. Im Gegensatz <strong>zur</strong> Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkun<strong>de</strong> (vgl. Nr. 3.1.1) kann daher<br />

gegen <strong>de</strong>n Willen <strong>de</strong>s Empfängers bzw. Ersatzempfängers eine Zustellung mittels Einschreiben nicht bewirkt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

3.1.3 Zustellungen gegen Empfangsbekenntnis (§ 5 VwZG)<br />

Gegen Empfangsbekenntnis kann zugestellt wer<strong>de</strong>n,<br />

– in<strong>de</strong>m die Behör<strong>de</strong> <strong>de</strong>n zuzustellen<strong>de</strong>n Verwaltungsakt <strong>de</strong>m Empfänger aushändigt (§ 5 Abs. 1 bis 3 VwZG;<br />

vgl. Nr. 3.1.3.1),<br />

– durch Übermittlung auf an<strong>de</strong>re Weise an Behör<strong>de</strong>n, Körperschaften, Anstalten und Stiftungen <strong>de</strong>s<br />

öffentlichen Rechts sowie an Angehörige bestimmter Berufe (§ 5 Abs. 4 VwZG; vgl. Nrn. 3.1.3.2, 3.1.3.4<br />

und 3.1.3.5),<br />

– durch elektronische Übermittlung an an<strong>de</strong>re Empfänger unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 5 Abs. 5 VwZG<br />

(vgl. Nrn. 3.1.3.3 bis 3.1.3.5).<br />

3.1.3.1 In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 5 Abs. 1 VwZG ist das zuzustellen<strong>de</strong> Dokument grundsätzlich in einem<br />

verschlossenen Umschlag auszuhändigen. Nur wenn keine schutzwürdigen Interessen <strong>de</strong>s Empfängers<br />

entgegenstehen, kann das Dokument auch offen ausgehändigt wer<strong>de</strong>n. Dies ist z. B. <strong>de</strong>r Fall, wenn das<br />

Dokument durch <strong>de</strong>n fachlich zuständigen Bediensteten selbst – etwa bei Erscheinen <strong>de</strong>s Empfängers in <strong>de</strong>n<br />

Diensträumen – ausgehändigt wird.<br />

Bei einer Ersatzzustellung gem. § 5 Abs. 2 Nr. 3 VwZG ist wegen <strong>de</strong>s Verweises auf § 181 ZPO für die<br />

Mitteilung über die Nie<strong>de</strong>rlegung <strong>de</strong>r Vordruck gem. Anlage 4 <strong>de</strong>r Zustellungsvordruckverordnung vom<br />

12.2.2002 (BGBl. I S. 671) zu verwen<strong>de</strong>n.<br />

3.1.3.2 Nach § 5 Abs. 4 VwZG kann an Behör<strong>de</strong>n, Körperschaften, Anstalten und Stiftungen <strong>de</strong>s öffentlichen<br />

Rechts, an Rechtsanwälte, Patentanwälte, Notare, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer,<br />

vereidigte Buchprüfer, Steuerberatungsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und<br />

Buchprüfungsgesellschaften auch auf an<strong>de</strong>re Weise, somit z. B. durch einfachen Brief o<strong>de</strong>r elektronisch (auch<br />

durch Telefax), zugeteilt wer<strong>de</strong>n. § 5 Abs. 4 VwZG enthält eine abschließen<strong>de</strong> Aufzählung <strong>de</strong>s in Betracht<br />

kommen<strong>de</strong>n Empfängerkreises. Abweichend von § 174 Abs. 1 ZPO darf daher an an<strong>de</strong>re Personen, bei <strong>de</strong>nen<br />

aufgrund ihres Berufs von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen wer<strong>de</strong>n kann, nicht nach § 5 Abs. 4<br />

VwZG zugestellt wer<strong>de</strong>n; in Betracht kommt aber eine elektronische Zustellung gem. § 5 Abs. 5 VwZG (vgl.<br />

Nr. 3.1.3.3).<br />

Ob eine elektronische Zustellung die Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur erfor<strong>de</strong>rt,<br />

bestimmt sich danach, ob für <strong>de</strong>n zuzustellen<strong>de</strong>n Verwaltungsakt die Schriftform gesetzlich vorgeschrieben ist<br />

(§ 87a Abs. 4). Das elektronisch zuzustellen<strong>de</strong> Dokument ist mit einem geeigneten Verfahren zu verschlüsseln<br />

(§ 87a Abs. 1 Satz 3). Die Regelungen <strong>de</strong>s § 87a sind jedoch nicht anwendbar, wenn die elektronische<br />

Zustellung durch Telefax erfolgt (vgl. Nr. 1.8.2). Die Formerfor<strong>de</strong>rnisse <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n Nr. 3.1.3.3 gelten daher<br />

insoweit nicht.<br />

3.1.3.3 Gemäß § 5 Abs. 5 VwZG kann ein Dokument auch an einen nicht in § 5 Abs. 4 VwZG genannten<br />

Empfänger elektronisch zugestellt wer<strong>de</strong>n, soweit <strong>de</strong>r Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet hat (<strong>zur</strong><br />

„Zugangseröffnung“ vgl. zu § 87a, Nr. 1). Für die Übermittlung ist das Dokument mit einer qualifizierten<br />

elektronischen Signatur nach <strong>de</strong>m Signaturgesetz zu versehen (§ 5 Abs. 5 Satz 2 VwZG), also auch dann, wenn<br />

für <strong>de</strong>n zuzustellen<strong>de</strong>n Verwaltungsakt die Schriftform nicht gesetzlich vorgeschrieben ist. Es ist gegen<br />

unbefugte Kenntnisnahme Dritter zu schützen (§ 5 Abs. 5 Satz 2 VwZG) und mit einem geeigneten Verfahren zu<br />

verschlüsseln (§ 87a Abs. 1 Satz 3).<br />

3.1.3.4 Bei <strong>de</strong>r elektronischen Zustellung nach § 5 Abs. 4 o<strong>de</strong>r Abs. 5 VwZG ist die Übermittlung mit <strong>de</strong>m<br />

Hinweis „Zustellung gegen Empfangsbekenntnis“ einzuleiten. Die Übermittlung muss die absen<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Behör<strong>de</strong>,<br />

<strong>de</strong>n Namen und die Anschrift <strong>de</strong>s Zustellungsadressaten („Empfänger“ i. S. d. Nr. 1.5) sowie <strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>s<br />

Bediensteten erkennen lassen, <strong>de</strong>r das Dokument <strong>zur</strong> Übermittlung aufgegeben hat (§ 5 Abs. 6 VwZG).<br />

Beizufügen ist ein vorbereitetes Formular für das Empfangsbekenntnis (vgl. Nr. 3.1.3.5).<br />

3.1.3.5 Zum Nachweis <strong>de</strong>r Zustellung in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 5 Abs. 4 und 5 VwZG genügt das mit Datum und<br />

Unterschrift versehene Empfangsbekenntnis, das an die Behör<strong>de</strong> durch die Post o<strong>de</strong>r elektronisch<br />

<strong>zur</strong>ückzusen<strong>de</strong>n ist (§ 5 Abs. 7 VwZG). Es kann, auch durch Telefax übermittelt wer<strong>de</strong>n. Wird das<br />

Empfangsbekenntnis als elektronisches Dokument erteilt, bedarf es einer qualifizierten elektronischen Signatur<br />

nach <strong>de</strong>m Signaturgesetz, die in diesem Fall die Unterschrift ersetzt.<br />

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Das datierte und unterschriebene Empfangsbekenntnis erbringt <strong>de</strong>n vollen Beweis dafür, dass das darin<br />

bezeichnete Dokument an <strong>de</strong>m vom Empfänger bezeichneten Tag tatsächlich zugestellt wor<strong>de</strong>n ist; ein<br />

Gegenbeweis ist aber zulässig (BFH-Urteil vom 31.10.2000 – VIII R 14/00 – BStBl. 2001 II, S. 156). Das<br />

Fehlen <strong>de</strong>s Datums auf <strong>de</strong>m vom Empfänger unterschriebenen Empfangsbekenntnis ist für die<br />

Rechtswirksamkeit <strong>de</strong>r Zustellung unschädlich. Maßgebend für <strong>de</strong>n durch die Zustellung ausgelösten Beginn<br />

einer Frist ist <strong>de</strong>r Zeitpunkt, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Aussteller <strong>de</strong>s Empfangsbekenntnisses das Dokument als zugestellt<br />

entgegengenommen hat (BFH-Beschluss vom 29.8.1982 – VIII R 58/82 – BStBl. 1983 II, S. 63).<br />

Der Rücklauf <strong>de</strong>r Empfangsbekenntnisse ist in geeigneter Weise zu überwachen. Wer<strong>de</strong>n Empfangsbekenntnisse<br />

nicht <strong>zur</strong>ückgesandt, ist zunächst an die Rückgabe zu erinnern. Bleibt diese Erinnerung erfolglos, ist <strong>de</strong>r<br />

Verwaltungsakt auf an<strong>de</strong>re Weise erneut zuzustellen, es sei <strong>de</strong>nn, <strong>de</strong>r Empfänger hat das zuzustellen<strong>de</strong><br />

Dokument in Kenntnis <strong>de</strong>r Zustellungsabsicht nachweislich entgegengenommen und behalten (BFH-Urteil vom<br />

6.3.1990 – II R 131/87 – BStBl. II, S. 477); dies gilt aber nicht bei einer Zustellung nach § 5 Abs. 5 VwZG (vgl.<br />

§ 8 VwZG).<br />

3.1.4 Zustellung im Ausland (§ 9 VwZG)<br />

3.1.4.1 Soweit ein Verwaltungsakt im Ausland zuzustellen ist und nicht ein Fall <strong>de</strong>s § 9 Abs. 1 Nr. 3 VwZG<br />

(vgl. Nr. 3.1.4.2) vorliegt, sollte vorrangig von <strong>de</strong>r Möglichkeit <strong>de</strong>r Zustellung durch Einschreiben mit<br />

Rückschein (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG) bzw. <strong>de</strong>r Zustellung elektronischer Dokumente (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 VwZG)<br />

Gebrauch gemacht wer<strong>de</strong>n. Bei<strong>de</strong> Zustellungsarten setzen aber voraus, dass sie „völkerrechtlich zulässig“ sind.<br />

Diese Formulierung umfasst nicht nur völkerrechtliche Übereinkünfte, son<strong>de</strong>rn auch etwaiges<br />

Völkergewohnheitsrecht, ausdrückliches nichtvertragliches Einverständnis, aber auch Tolerierung einer<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Zustellungspraxis durch <strong>de</strong>n Staat, in <strong>de</strong>m zugestellt wer<strong>de</strong>n soll. Es kann davon ausgegangen<br />

wer<strong>de</strong>n, dass eine Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein o<strong>de</strong>r eine Zustellung elektronischer<br />

Dokumente zumin<strong>de</strong>st toleriert wird und daher völkerrechtlich zulässig ist; dies gilt nicht hinsichtlich folgen<strong>de</strong>r<br />

Staaten: Ägypten, Argentinien, China, Republik Korea, Kuwait, Liechtenstein, Mexiko, Russische Fö<strong>de</strong>ration,<br />

San Marino, Schweiz, Sri Lanka, Ukraine, Venezuela.<br />

Zum Beweiswert eines Rückscheins bei <strong>de</strong>r Zustellung durch Einschreiben vgl. § 9 Abs. 2 Satz 1 VwZG sowie<br />

Nr. 3.1.2.<br />

Bei einer Zustellung durch Übermittlung elektronischer Dokumente sind neben <strong>de</strong>r völkerrechtlichen<br />

Zulässigkeit die Regelungen <strong>de</strong>s § 5 Abs. 5 VwZG, insbeson<strong>de</strong>re die Erfor<strong>de</strong>rnisse einer „Zugangseröffnung“<br />

und einer qualifizierten elektronischen Signatur, zu beachten; vgl. Nr. 3.1.3.3. Zum Empfangsbekenntnis vgl. § 9<br />

Abs. 2 Satz 3 VwZG sowie Nr. 3.1.3.5.<br />

3.1.4.2 Zustellungsersuchen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VwZG (Zustellung durch die Behör<strong>de</strong> <strong>de</strong>s frem<strong>de</strong>n<br />

Staates o<strong>de</strong>r durch die zuständige diplomatische o<strong>de</strong>r konsularische Vertretung <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

Deutschland) o<strong>de</strong>r nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 VwZG (Zustellung durch das Auswärtige Amt) sind auf <strong>de</strong>m<br />

Dienstweg <strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong>szentralamt für Steuern zuzuleiten. Hierbei ist die Staatsangehörigkeit <strong>de</strong>s Empfängers<br />

anzugeben, weil diese für die Ausführung <strong>de</strong>r Zustellung maßgeblich sein kann. Ist die Staatsangehörigkeit nicht<br />

bekannt, so ist dies zu vermerken. Ferner ist Folgen<strong>de</strong>s zu beachten:<br />

– Der zuzustellen<strong>de</strong> Verwaltungsakt muss in Maschinenschrift gefertigt sein und die vollständige ausländische<br />

Anschrift <strong>de</strong>s Empfängers enthalten.<br />

– In <strong>de</strong>m Zustellungsersuchen sind die zuzustellen<strong>de</strong>n Schriftstücke einzeln aufzuführen. Sie sind genau und<br />

mit Datum zu bezeichnen.<br />

– Steuer- o<strong>de</strong>r Haftungsbeschei<strong>de</strong> müssen abgerechnet sein und erfor<strong>de</strong>rlichenfalls ein Leistungsgebot<br />

enthalten. Wegen <strong>de</strong>r Ungewissheit über die Dauer <strong>de</strong>s Zustellungsverfahrens sind etwaige Zahlungsfristen<br />

nicht datumsmäßig zu bestimmen, son<strong>de</strong>rn vom Tag <strong>de</strong>r Zustellung abhängig zu machen (z. B. durch die<br />

Formulierung „einen Monat nach <strong>de</strong>m Tag <strong>de</strong>r Zustellung dieses Bescheids“).<br />

– In <strong>de</strong>r Rechtsbehelfsbelehrung ist – ggf. unter Än<strong>de</strong>rung eines vorgedruckten Textes – darüber zu belehren,<br />

dass <strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Beginn <strong>de</strong>r Rechtsbehelfsfrist maßgebliche Tag <strong>de</strong>r Bekanntgabe <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>r Zustellung ist.<br />

– Sind Verwaltungsakte an mehrere Empfänger zuzustellen, müssen jeweils geson<strong>de</strong>rte Zustellungsersuchen<br />

gestellt wer<strong>de</strong>n (vgl. Nr. 3.2). Dies gilt auch bei Zustellungen an Ehegatten (vgl. Nr. 3.4).<br />

3.1.4.3 Von <strong>de</strong>r durch § 9 Abs. 3 VwZG eingeräumten Möglichkeit, bei einer Zustellung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2<br />

o<strong>de</strong>r Nr. 3 VwZG anzuordnen, dass ein inländischer Zustellungsbevollmächtigter benannt wird, sollte nur<br />

Gebrauch gemacht wer<strong>de</strong>n, wenn zu erwarten ist, dass künftig Verwaltungsakte erlassen wer<strong>de</strong>n, für die das<br />

Gesetz die förmliche Zustellung vorschreibt (vgl. Nr. 1.8.3). Ansonsten ist vorrangig nach § 123 zu verfahren,<br />

soweit die Benennung eines inländischen Empfangsbevollmächtigten für erfor<strong>de</strong>rlich o<strong>de</strong>r zweckmäßig gehalten<br />

wird.<br />

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3.1.5 Öffentliche Zustellung (§ 10 VwZG)<br />

Die öffentliche Zustellung kommt nur als „letztes Mittel“ <strong>de</strong>r Bekanntgabe in Betracht, wenn alle Möglichkeiten<br />

erschöpft sind, das Dokument <strong>de</strong>m Empfänger in an<strong>de</strong>rer Weise zu übermitteln.<br />

3.1.5.1 Eine öffentliche Zustellung wegen eines unbekannten Aufenthaltsortes <strong>de</strong>s Empfängers (§ 10 Abs. 1<br />

Satz 1 Nr. 1 VwZG) ist nicht bereits dann zulässig, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> die Anschrift nicht kennt o<strong>de</strong>r<br />

Briefe als unzustellbar <strong>zur</strong>ückkommen. Die Anschrift <strong>de</strong>s Empfängers muss vielmehr allgemein unbekannt sein<br />

(BFH-Urteil vom 9.12.2009 – X R 54/06 – BStBl. 2010 II, S. 732). Dies ist durch eine Erklärung <strong>de</strong>r<br />

zuständigen Mel<strong>de</strong>behör<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r auf an<strong>de</strong>re Weise zu belegen. Die bloße Feststellung, dass sich <strong>de</strong>r Empfänger<br />

bei <strong>de</strong>r Mel<strong>de</strong>behör<strong>de</strong> abgemel<strong>de</strong>t hat, ist nicht ausreichend. Die Finanzbehör<strong>de</strong> muss daher, bevor sie durch<br />

öffentliche Bekanntmachung zustellt, die nach Sachlage gebotenen und zumutbaren Ermittlungen anstellen.<br />

Dazu gehören insbeson<strong>de</strong>re Nachforschungen bei <strong>de</strong>r Mel<strong>de</strong>behör<strong>de</strong>, u. U. auch die Befragung von Angehörigen<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s bisherigen Vermieters <strong>de</strong>s Empfängers. Auch Hinweisen auf <strong>de</strong>n mutmaßlichen neuen Aufenthaltsort<br />

<strong>de</strong>s Empfängers muss durch Rückfrage bei <strong>de</strong>r dortigen Mel<strong>de</strong>behör<strong>de</strong> nachgegangen wer<strong>de</strong>n.<br />

Eine Rechtspflicht <strong>de</strong>r zustellen<strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong>, Anschriften im Ausland zu ermitteln, ist regelmäßig zu verneinen,<br />

wenn ein Fall <strong>de</strong>r „Auslandsflucht“ vorliegt o<strong>de</strong>r wenn sich <strong>de</strong>r Empfänger beim inländischen Mel<strong>de</strong>register „ins<br />

Ausland“ ohne Angabe einer Anschrift abgemel<strong>de</strong>t hat o<strong>de</strong>r sich in einer Weise verhält, die auf seine Absicht<br />

schließen lässt, seinen Aufenthaltsort zu verheimlichen. Die Finanzbehör<strong>de</strong> ist in diesen Fällen vorrangig nur zu<br />

Ermittlungsmaßnahmen im Inland verpflichtet, z. B. durch Nachfragen beim Einwohnermel<strong>de</strong>amt und bei<br />

Kontaktpersonen <strong>de</strong>s Empfängers (BFH-Urteil vom 9.12.2009, a.a.O.). Ist aber zu vermuten, dass sich <strong>de</strong>r<br />

Steuerpflichtige in einem bestimmten an<strong>de</strong>ren Land aufhält, sind die Ermittlungsmöglichkeiten <strong>de</strong>s<br />

zwischenstaatlichen Auskunftsaustauschs nach <strong>de</strong>m BMF-Schreiben vom 25.1.2006, BStBl. I, S. 26<br />

auszuschöpfen (BFH-Urteil vom 9.12.2009, a.a.O.).<br />

Nicht zulässig ist es beispielsweise, eine öffentliche Zustellung bereits dann anzuordnen, wenn eine versuchte<br />

Bekanntgabe unter einer Adresse, die <strong>de</strong>r Empfänger angegeben hat, einmalig fehlgeschlagen ist o<strong>de</strong>r wenn<br />

lediglich die Vermutung besteht, dass eine Adresse, an die sich <strong>de</strong>r Empfänger bei <strong>de</strong>r Mel<strong>de</strong>behör<strong>de</strong> abgemel<strong>de</strong>t<br />

hat, eine Scheinadresse ist (BFH-Urteil vom 6.6.2000 – VII R 55/99 – BStBl. II, S. 560, und BFH-Beschluss<br />

vom 13.3.2003 – VII B 196/02 – BStBl. II, S. 609). Eine öffentliche Zustellung ist aber wirksam, wenn die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> durch unrichtige Auskünfte Dritter zu <strong>de</strong>r unrichtigen Annahme verleitet wur<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r Empfänger<br />

sei unbekannten Aufenthaltsortes, sofern die Finanzbehör<strong>de</strong> auf die Richtigkeit <strong>de</strong>r ihr erteilten Auskunft<br />

vertrauen konnte (BFH-Beschluss vom 13.3.2003 – VII B 196/02 – BStBl. II, S. 609).<br />

3.1.5.2 Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwZG kann öffentlich zugestellt wer<strong>de</strong>n, wenn bei juristischen<br />

Personen, die <strong>zur</strong> Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift zum Han<strong>de</strong>lsregister verpflichtet<br />

sind, eine Zustellung we<strong>de</strong>r unter <strong>de</strong>r eingetragenen Anschrift noch unter einer im Han<strong>de</strong>lsregister eingetragenen<br />

Anschrift einer für Zustellungen empfangsberechtigten Person o<strong>de</strong>r einer ohne Ermittlungen bekannten an<strong>de</strong>ren<br />

inländischen Anschrift möglich ist.<br />

3.1.5.3 Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VwZG kommt eine öffentliche Zustellung in Betracht, wenn eine<br />

Zustellung im Ausland (§ 9 VwZG; vgl. Nr. 3.1.4) nicht möglich ist o<strong>de</strong>r keinen Erfolg verspricht. Eine<br />

Zustellung im Ausland verspricht keinen Erfolg, wenn sie grundsätzlich möglich wäre, ihre Durchführung aber<br />

etwa wegen Kriegs, Abbruchs <strong>de</strong>r diplomatischen Beziehungen, Verweigerung <strong>de</strong>r Amtshilfe o<strong>de</strong>r<br />

un<strong>zur</strong>eichen<strong>de</strong>r Vornahme durch die örtlichen Behör<strong>de</strong>n nicht zu erwarten ist. Der Umstand, dass die<br />

Ausführung eines Zustellungsersuchens längere Zeit in Anspruch nehmen wird, rechtfertigt aber nicht die<br />

Anordnung einer öffentlichen Zustellung (BFH-Urteil vom 6.6.2000 – VII R 55/99 – BStBl. II, S. 560).<br />

Sobald die ausländische Anschrift <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen bekannt ist und eine Postverbindung besteht, sind nach<br />

erfolgter öffentlicher Zustellung <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen die Tatsache <strong>de</strong>r öffentlichen Zustellung und <strong>de</strong>r Inhalt<br />

<strong>de</strong>s Verwaltungsaktes (z. B. durch Beifügen einer Ablichtung) mit einfachem Brief mitzuteilen. Diese Mitteilung<br />

ist an Empfänger in sämtlichen Staaten zulässig, da es sich hierbei mangels rechtlicher Regelung nicht um einen<br />

Verwaltungsakt han<strong>de</strong>lt.<br />

3.1.5.4 Zur Durchführung <strong>de</strong>r öffentlichen Zustellung ist nicht <strong>de</strong>r Inhalt (auch nicht <strong>de</strong>r verfügen<strong>de</strong> Teil) <strong>de</strong>s<br />

zuzustellen<strong>de</strong>n Verwaltungsaktes öffentlich bekannt zu geben, son<strong>de</strong>rn lediglich eine Benachrichtigung mit<br />

weitgehend neutralem Inhalt (§ 10 Abs. 2 VwZG). Die Benachrichtigung muss die Behör<strong>de</strong>, für die zugestellt<br />

wird, <strong>de</strong>n Namen und die letzte bekannte Anschrift <strong>de</strong>s Zustellungsempfängers, das Datum und das<br />

Aktenzeichen <strong>de</strong>s Dokuments sowie die Stelle, wo das Dokument eingesehen wer<strong>de</strong>n kann, erkennen lassen<br />

(§ 10 Abs. 2 Satz 2 VwZG). Für das in <strong>de</strong>r Benachrichtigung anzugeben<strong>de</strong> Aktenzeichen <strong>de</strong>s zuzustellen<strong>de</strong>n<br />

Dokuments (§ 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwZG) gelten die Ausführungen in Nr. 3.1.1.1 entsprechend. Die<br />

Benachrichtigung muss ferner <strong>de</strong>n Hinweis enthalten, dass das Dokument öffentlich zugestellt wird und Fristen<br />

in Lauf gesetzt wer<strong>de</strong>n können, nach <strong>de</strong>ren Ablauf Rechtsverluste eintreten können (§ 10 Abs. 2 Satz 3 VwZG).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 113 von 235


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Bei <strong>de</strong>r Zustellung einer Ladung muss die Benachrichtigung <strong>de</strong>n Hinweis enthalten, dass das Dokument eine<br />

Ladung zu einem Termin enthält, <strong>de</strong>ssen Versäumung Rechtsnachteile <strong>zur</strong> Folge haben kann (§ 10 Abs. 2 Satz 4<br />

VwZG). Die Benachrichtigung ist an <strong>de</strong>r Stelle bekannt zu machen, die von <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong> hierfür allgemein<br />

bestimmt ist (z. B. durch Aushang im Dienstgebäu<strong>de</strong>). Alternativ hierzu kann die Benachrichtigung auch durch<br />

Veröffentlichung im Bun<strong>de</strong>sanzeiger o<strong>de</strong>r im elektronischen Bun<strong>de</strong>sanzeiger bekannt gemacht wer<strong>de</strong>n (§ 10<br />

Abs. 2 Satz 1 VwZG). In <strong>de</strong>n Akten ist zu vermerken, wann und in welcher Weise die Benachrichtigung bekannt<br />

gemacht wur<strong>de</strong> (§ 10 Abs. 2 Satz 5 VwZG).<br />

Wird die Benachrichtigung über die öffentliche Zustellung durch Aushang bekannt gemacht, ist sie stets bis zu<br />

<strong>de</strong>m Zeitpunkt auszuhängen, zu <strong>de</strong>m die Zustellung nach § 10 Abs. 2 Satz 6 VwZG als bewirkt anzusehen ist.<br />

Das gilt auch dann, wenn <strong>de</strong>r Empfänger vor Fristablauf bei <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> erscheint und ihm das<br />

zuzustellen<strong>de</strong> Schriftstück ausgehändigt wird (vgl. Nr. 3.1.5.5). Die Aushändigung ist in <strong>de</strong>n Akten zu<br />

vermerken.<br />

3.1.5.5 Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach <strong>de</strong>m Tag <strong>de</strong>r Bekanntmachung <strong>de</strong>r Benachrichtigung als<br />

zugestellt (§ 10 Abs. 2 Satz 6 VwZG). Dies gilt auch, wenn <strong>de</strong>m Empfänger vor Ablauf dieser zweiwöchigen<br />

Frist <strong>de</strong>r Verwaltungsakt ausgehändigt wur<strong>de</strong>. Die Frist gem. § 10 Abs. 2 Satz 6 VwZG bestimmt sich nach<br />

§ 108 Abs. 1 AO i. V. m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB. Danach ist bei <strong>de</strong>r Berechnung einer Aushangfrist <strong>de</strong>r<br />

Tag <strong>de</strong>s Aushangs nicht mit<strong>zur</strong>echnen. Die Frist en<strong>de</strong>t mit Ablauf <strong>de</strong>s Tages, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Aushangtag<br />

kalen<strong>de</strong>rmäßig entspricht. Bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>r Frist ist ggf. § 108 Abs. 3 AO zu beachten (vgl. zu § 108<br />

Nr. 1).<br />

3.2 Zustellung an mehrere Beteiligte<br />

Soll ein Verwaltungsakt mehreren Beteiligten zugestellt wer<strong>de</strong>n, so ist – soweit kein gemeinsamer<br />

Bevollmächtigter vorhan<strong>de</strong>n ist (vgl. Nr. 3.3) – das Dokument je<strong>de</strong>m einzelnen geson<strong>de</strong>rt zuzustellen (vgl. zu<br />

Nr. 3.1.1.3 und Nr. 3.1.4.2). Zur Zustellung an Ehegatten vgl. Nr. 3.4.<br />

3.3 Zustellung an Bevollmächtigte (§ 7 VwZG)<br />

3.3.1 Ist für das Verfahren ein Bevollmächtigter bestellt, kann an diesen zugestellt wer<strong>de</strong>n (§ 7 Abs. 1 Satz 1<br />

VwZG). Hat <strong>de</strong>r Bevollmächtigte eine schriftliche Vollmacht vorgelegt, muss an diesen zugestellt wer<strong>de</strong>n (§ 7<br />

Abs. 1 Satz 2 VwZG); dies gilt auch, wenn die Vollmacht in elektronischer Form (§ 87a Abs. 3) vorgelegt<br />

wur<strong>de</strong>. Eine Zustellung direkt an <strong>de</strong>n/die Beteiligten ist in diesem Falle unwirksam. Haben mehrere Beteiligte<br />

einen gemeinsamen Verfahrensbevollmächtigten bestellt, genügt es, <strong>de</strong>m Bevollmächtigten eine Ausfertigung<br />

<strong>de</strong>s Dokuments mit Wirkung für alle Beteiligten zuzustellen (§ 7 Abs. 1 Satz 3 VwZG; BFH-Urteil vom<br />

13.8.1970 – IV 48/65 – BStBl. II, S. 839). Dies gilt auch, wenn <strong>de</strong>r Verfahrensbevollmächtigte selbst Beteiligter<br />

ist und zugleich an<strong>de</strong>re Beteiligte vertritt.<br />

3.3.2 Einem Zustellungsbevollmächtigten mehrerer Beteiligter sind so viele Ausfertigungen o<strong>de</strong>r Abschriften<br />

zuzustellen, als Beteiligte vorhan<strong>de</strong>n sind (§ 7 Abs. 2 VwZG).<br />

3.3.3 Haben mehrere Personen im Feststellungsverfahren einen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten<br />

(§ 183; § 6 <strong>de</strong>r V zu § 180 Abs. 2 AO), so vertritt dieser die Feststellungsbeteiligten auch bei Zustellungen (§ 7<br />

Abs. 3 VwZG). Dem Empfangsbevollmächtigten ist eine Ausfertigung <strong>de</strong>s Dokuments zuzustellen und dabei<br />

darauf hinzuweisen, dass die Bekanntgabe mit Wirkung für und gegen alle von ihm vertretenen<br />

Feststellungsbeteiligten erfolgt (§ 183 Abs. 1 Satz 5; § 6 Abs. 1 Satz 5 <strong>de</strong>r V zu § 180; vgl. Nr. 2.5.2).<br />

3.3.4 Soll eine Einspruchsentscheidung zugestellt wer<strong>de</strong>n (vgl. zu § 366, Nr. 2), hat die Finanzbehör<strong>de</strong> diese<br />

<strong>de</strong>m Verfahrensbevollmächtigten (vgl. Nr. 3.3.1) auch ohne Nachweis einer Vollmacht zuzustellen, wenn dieser<br />

<strong>de</strong>n Einspruch eingelegt und die Finanzbehör<strong>de</strong> ihn als Bevollmächtigten in <strong>de</strong>r Einspruchsentscheidung<br />

aufgeführt hat (BFH-Urteil vom 25.10.1963 – III 7/60 U – BStBl. III, S. 600). Hat <strong>de</strong>r Steuerpflichtige <strong>de</strong>n<br />

Einspruch selbst eingelegt, ist jedoch im weiteren Verlauf <strong>de</strong>s Einspruchsverfahrens ein Bevollmächtigter für<br />

<strong>de</strong>n Steuerpflichtigen aufgetreten, ist die Einspruchsentscheidung nur dann <strong>de</strong>m Bevollmächtigten zuzustellen,<br />

wenn eine Empfangsvollmacht vorliegt o<strong>de</strong>r das Interesse <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen an einer Bekanntgabe gegenüber<br />

<strong>de</strong>m Bevollmächtigten nach <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Einzelfalls ein<strong>de</strong>utig erkennbar ist (BFH-Urteil vom<br />

29.7.1987 – I R 367, 379/83 – BStBl. 1988 II, S. 242).<br />

3.4 Zustellung an Ehegatten<br />

Der Grundsatz <strong>de</strong>r Nr. 3.2 ist auch bei <strong>de</strong>r Zustellung an Ehegatten zu beachten.<br />

Haben bei<strong>de</strong> Ehegatten gegen einen zusammengefassten Steuerbescheid (vgl. Nr. 2.1.1) Einspruch eingelegt, so<br />

ist – falls die Finanzbehör<strong>de</strong> die förmliche Zustellung angeordnet hat (vgl. Nr. 1.8.3 und zu § 366, Nr. 2) –<br />

grundsätzlich je<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Ehegatten je eine Ausfertigung <strong>de</strong>r an bei<strong>de</strong> zu richten<strong>de</strong>n einheitlichen<br />

Einspruchsentscheidung zuzustellen (BFH-Urteil vom 8.6.1995 – IV R 104/94 – BStBl. II, S. 681; vgl. auch<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 114 von 235


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Nr. 3.1.1.3). Dies gilt unabhängig davon, in welcher Weise (vgl. Nrn. 2.1.1 bis 2.1.5) <strong>de</strong>r angefochtene Bescheid<br />

bekannt gegeben wor<strong>de</strong>n ist. Bei einer Zustellung mittels Einschreiben (vgl. Nr. 3.1.2) können aber bei<strong>de</strong><br />

Ausfertigungen in einer an bei<strong>de</strong> Eheleute gemeinsam adressierten Sendung <strong>zur</strong> Post gegeben wer<strong>de</strong>n (Urteil <strong>de</strong>s<br />

FG Bremen vom 23.6.1992 – II 87/91 K – EFG S. 758).<br />

Tritt gegenüber <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> nur einer <strong>de</strong>r Ehegatten im Einspruchsverfahren auf, so ist im Zweifel zu<br />

klären, ob dieser <strong>de</strong>n Einspruch nur im eigenen Namen o<strong>de</strong>r auch für <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Ehegatten führt. Bei Vorliegen<br />

einer „Vollmacht“ ist zu unterschei<strong>de</strong>n, ob <strong>de</strong>r Einspruchsführer Zustellungsbevollmächtigter (vgl. Nr. 3.3.2)<br />

o<strong>de</strong>r Verfahrensbevollmächtigter (vgl. Nr. 3.3.1) ist. Dem Ehegatten als Zustellungsbevollmächtigten darf mit<br />

Wirkung auch für <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Ehegatten zugestellt wer<strong>de</strong>n, wobei an ihn je eine Ausfertigung <strong>de</strong>r<br />

Entscheidung für je<strong>de</strong>n Ehegatten zuzustellen ist. Dem Ehegatten als Verfahrensbevollmächtigten muss mit<br />

Wirkung für <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Ehegatten zugestellt wer<strong>de</strong>n, wobei eine Ausfertigung genügt.<br />

4. Folgen von Verfahrens- und Formfehlern<br />

4.1 Unwirksamkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes wegen inhaltlicher Mängel<br />

Fehlen in einem Verwaltungsakt unverzichtbare wesentliche Bestandteile (siehe zum Steuerbescheid § 157<br />

Abs. 1 Satz 2), die dazu führen, dass dieser inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist (§ 119 Abs. 1), so ist ein<br />

solcher Verwaltungsakt gemäß § 125 Abs. 1 nichtig und damit unwirksam (§ 124 Abs. 3). Eine Heilung<br />

<strong>de</strong>rartiger Fehler ist nicht möglich, vielmehr ist ein neuer Verwaltungsakt zu erlassen (BFH-Urteil vom<br />

17.7.1986 – V R 96/85 – BStBl. II, S. 834).<br />

4.1.1 Wird <strong>de</strong>r Steuerschuldner (Inhaltsadressat) im Steuerbescheid gar nicht, falsch o<strong>de</strong>r so ungenau<br />

bezeichnet, dass Verwechslungen möglich sind, ist <strong>de</strong>r Verwaltungsakt wegen inhaltlicher Unbestimmtheit<br />

nichtig und damit unwirksam. Eine Heilung im weiteren Verfahren gegen <strong>de</strong>n tatsächlichen Schuldner ist nicht<br />

möglich, es muss ein neuer Steuerbescheid mit richtiger Bezeichnung <strong>de</strong>s Steuerschuldners (Inhaltsadressaten)<br />

verfügt und bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 17.3.1970 – II 65/63 – BStBl. II, S. 598).<br />

Ist dagegen im Steuerbescheid eine falsche Person ein<strong>de</strong>utig und zweifelsfrei als Steuerschuldner<br />

(Inhaltsadressat) angegeben und wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Bescheid dieser Person bekannt gegeben, so ist <strong>de</strong>r Bescheid nicht<br />

nichtig, son<strong>de</strong>rn rechtswidrig und damit lediglich anfechtbar (BFH-Beschluss vom 17.11.1987 – V B 111/87 –<br />

BFH/NV 1988 S. 682).<br />

4.1.2 Konnte im Fall einer Gesamtrechtsnachfolge ein Steuerbescheid <strong>de</strong>m Rechtsvorgänger (Erblasser) nicht<br />

mehr rechtswirksam bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n, ist <strong>de</strong>r Bescheid an <strong>de</strong>n Gesamtrechtsnachfolger als<br />

Steuerschuldner (Inhaltsadressaten) zu richten. Ein gleichwohl an <strong>de</strong>n Rechtsvorgänger gerichteter Bescheid ist<br />

unwirksam (BFH-Urteil vom 24.3.1970 – I R 141/69 – BStBl. II, S. 501, vgl. Nr. 2.12.1).<br />

4.1.3 Ein Verwaltungsakt, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Inhaltsadressaten selbst bekannt gegeben wird, obwohl eine an<strong>de</strong>re Person<br />

<strong>de</strong>r zutreffen<strong>de</strong> Bekanntgabeadressat ist (vgl. Nr. 1.4.3), ist unwirksam (BFH-Urteil vom 14.5.1968 –<br />

II B 41/67 – BStBl. II, S. 503). Eine Heilung ist nicht möglich; vielmehr ist ein neuer Verwaltungsakt mit<br />

Bezeichnung <strong>de</strong>s zutreffen<strong>de</strong>n Bekanntgabeadressaten (vgl. Nr. 1.4.3) zu erlassen. Zu <strong>de</strong>n Folgen einer nur<br />

fehlerhaften Bezeichnung <strong>de</strong>s Bekanntgabeadressaten vgl. Nr. 4.2.3.<br />

4.2 Wirksamkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes trotz inhaltlicher Mängel<br />

4.2.1 Wird <strong>de</strong>r richtige Steuerschuldner (Inhaltsadressat) lediglich ungenau bezeichnet, ohne dass Zweifel an <strong>de</strong>r<br />

I<strong>de</strong>ntität bestehen (z. B. falsche Bezeichnung <strong>de</strong>r Rechtsform einer Gesellschaft: OHG statt KG, GbR statt OHG<br />

o. Ä.), so liegt kein Fall <strong>de</strong>r inhaltlichen Unbestimmtheit vor. Der Steuerbescheid ist daher nicht unwirksam; die<br />

falsche Bezeichnung kann berichtigt wer<strong>de</strong>n (BGH-Urteile vom 26.6.1974 – II R 199/72 – BStBl. II, S. 724 und<br />

vom 26.9.1974 – IV R 24/71 – BStBl. 1975 II, S. 311; BFH-Beschluss vom 18.3.1998 – IV B 50/97 – BFH/NV<br />

S. 1255).<br />

4.2.2 Ist in einem Feststellungsbescheid ein Beteiligter falsch bezeichnet, weil Rechtsnachfolge eingetreten ist,<br />

kann dies durch beson<strong>de</strong>ren Bescheid gegenüber <strong>de</strong>n Betroffenen berichtigt wer<strong>de</strong>n (§ 182 Abs. 3).<br />

4.2.3 Die fehlerhafte Bezeichnung <strong>de</strong>s Bekanntgabeadressaten macht <strong>de</strong>n Bescheid nicht in je<strong>de</strong>m Fall<br />

unwirksam, die Bekanntgabe kann aber fehlerhaft sein. Die aus einer formell fehlerhaften Bezeichnung<br />

herrühren<strong>de</strong>n Mängel können geheilt wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> zutreffend bestimmte, aber<br />

fehlerhaft bezeichnete Bekanntgabeadressat tatsächlich vom Inhalt <strong>de</strong>s Beschei<strong>de</strong>s Kenntnis erhält.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 115 von 235


Beispiel:<br />

Der gesetzliche Vertreter (Bekanntgabeadressat) eines Min<strong>de</strong>rjährigen (Steuerschuldner und Inhaltsadressat)<br />

wird irrtümlich als Adam Meier bezeichnet, obwohl es sich um Alfred Meier han<strong>de</strong>lt, <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Verwaltungsakt<br />

auch tatsächlich zugeht.<br />

Aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Rechtssicherheit soll im Zweifel die Bekanntgabe <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes unter richtiger Angabe<br />

<strong>de</strong>s Bekanntgabeadressaten wie<strong>de</strong>rholt wer<strong>de</strong>n.<br />

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4.2.4 Geringfügige Abweichungen bei <strong>de</strong>r Bezeichnung <strong>de</strong>s Inhaltsadressaten, <strong>de</strong>s Bekanntgabeadressaten<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Empfängers, die – insbeson<strong>de</strong>re bei ausländischen Namen – auf technischen Schwierigkeiten,<br />

Lesefehlern usw. beruhen, machen <strong>de</strong>n Bescheid we<strong>de</strong>r unwirksam noch anfechtbar. Dies gilt auch, wenn bei<br />

einer juristischen Person ein unwesentlicher Namensbestandteil weggelassen o<strong>de</strong>r abgekürzt wird o<strong>de</strong>r eine<br />

allgemein übliche Kurzformel eines eingetragenen Namens verwen<strong>de</strong>t wird. Bei einem Verstoß gegen das<br />

Namensrecht (z. B. Abkürzung überlanger Namen, Übersehen von A<strong>de</strong>lsprädikaten o<strong>de</strong>r aka<strong>de</strong>mischen Gra<strong>de</strong>n)<br />

wird <strong>de</strong>r Steuerbescheid <strong>de</strong>nnoch durch Bekanntgabe wirksam, wenn <strong>de</strong>r Steuerschuldner (Inhaltsadressat) durch<br />

die verwen<strong>de</strong>ten Angaben unverwechselbar bezeichnet wird.<br />

4.3 Unwirksamkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes wegen eines Bekanntgabemangels<br />

Ein Verwaltungsakt wird erst mit ordnungsgemäßer Bekanntgabe wirksam (§ 122 Abs. 1, § 124). Zur Heilung<br />

von Bekanntgabemängeln vgl. Nr. 4.4.4; zu Mängeln bei <strong>de</strong>r förmlichen Zustellung vgl. Nr. 4.5.<br />

Wird ein inhaltlich richtiger Verwaltungsakt einem auf <strong>de</strong>r Postsendung unrichtig ausgewiesenen Empfänger<br />

übermittelt (z. B. Briefumschläge wer<strong>de</strong>n vertauscht), ist <strong>de</strong>r Verwaltungsakt we<strong>de</strong>r gegenüber <strong>de</strong>m richtigen<br />

noch gegenüber <strong>de</strong>m falschen Empfänger wirksam.<br />

Beispiel:<br />

Das FA erlässt einen für Herrn Konrad Meier, Sternstraße 25, 53111 Bonn, bestimmten<br />

Einkommensteuerbescheid. Der Bescheid weist im Anschriftenfeld die vorstehen<strong>de</strong> Adresse aus, wird aber in<br />

einem Briefumschlag eingelegt, <strong>de</strong>r an Herrn Ludwig Meier, Königstraße 200, 40212 Düsseldorf, adressiert ist.<br />

Der Bescheid ist nicht wegen fehlen<strong>de</strong>r inhaltlicher Bestimmtheit nichtig, weil aus ihm ein<strong>de</strong>utig hervorgeht,<br />

wer Steuerschuldner (Inhaltsadressat) ist. Er wur<strong>de</strong> jedoch nicht <strong>de</strong>m Beteiligten, für <strong>de</strong>n er bestimmt ist,<br />

bekannt gegeben und ist damit nicht wirksam. Die Unwirksamkeit <strong>de</strong>s Bescheids kann unter entsprechen<strong>de</strong>r<br />

Anwendung <strong>de</strong>s § 125 Abs. 5 förmlich festgestellt wer<strong>de</strong>n. Gegenüber <strong>de</strong>m richtigen<br />

Bekanntgabeadressaten/Empfänger wird er erst wirksam, wenn die Bekanntgabe an diesen nachgeholt wird.<br />

Leitet <strong>de</strong>r falsche Empfänger die Ausfertigung <strong>de</strong>s Verwaltungsakts an <strong>de</strong>n richtigen Empfänger<br />

(Bekanntgabeadressaten) weiter, wird <strong>de</strong>r zunächst vorliegen<strong>de</strong> Bekanntgabemangel geheilt und <strong>de</strong>r<br />

Verwaltungsakt wirksam (vgl. Nrn. 4.4.1, 4.4.4 und 1.7.3).<br />

4.4 Wirksame Bekanntgabe<br />

4.4.1 Fehler beim technischen Ablauf <strong>de</strong>r Übermittlung <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes und Verletzungen von<br />

Formvorschriften können unbeachtlich sein (§ 127), wenn <strong>de</strong>r Betroffene <strong>de</strong>n für ihn bestimmten<br />

Verwaltungsakt tatsächlich <strong>zur</strong> Kenntnis genommen hat (vgl. Nrn. 4.2.3 und 4.4.4 zweiter Absatz). An<strong>de</strong>rerseits<br />

kann eine Bekanntgabe im Rechtssinne unter bestimmten Voraussetzungen auch wirksam sein, wenn <strong>de</strong>r<br />

Betroffene selbst <strong>de</strong>n Verwaltungsakt tatsächlich nicht erhalten, <strong>zur</strong> Kenntnis genommen o<strong>de</strong>r verstan<strong>de</strong>n hat.<br />

Das Gesetz fingiert in diesen Fällen die Bekanntgabe (z. B. bei Übermittlung an einen für <strong>de</strong>n Betroffenen<br />

han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Bekanntgabeadressaten). Zu <strong>de</strong>n Folgen <strong>de</strong>r Nichtbeachtung einer Empfangsvollmacht vgl. zu<br />

Nr. 1.7.3.<br />

4.4.2 Ein Feststellungsbescheid, <strong>de</strong>r im Anschriftenfeld eine im Zeitpunkt seines Erlasses bereits erloschene<br />

Personengesellschaft benennt, ist wirksam bekannt gegeben, wenn aus <strong>de</strong>m Gesamtinhalt <strong>de</strong>s Beschei<strong>de</strong>s<br />

erkennbar ist, für welche Personen und in welcher Höhe Besteuerungsgrundlagen festgestellt wer<strong>de</strong>n, und dieser<br />

Bescheid diesen Personen auch übermittelt wird (BFH-Urteil vom 27.4.1978 – IV R 187/74 – BStBl. 1979 II,<br />

S. 89).<br />

4.4.3 Solange das Ausschei<strong>de</strong>n eines Gesellschafters im Han<strong>de</strong>lsregister nicht eingetragen und <strong>de</strong>m Finanzamt<br />

auch sonst nicht bekannt gewor<strong>de</strong>n ist, ist die Bekanntgabe <strong>de</strong>s Feststellungsbeschei<strong>de</strong>s an einen<br />

Empfangsbevollmächtigten i. S. d. § 183 auch <strong>de</strong>m ausgeschie<strong>de</strong>nen Gesellschafter gegenüber wirksam erfolgt<br />

(BFH-Urteile vom 3.11.1959 – I 2/59 U – BStBl. 1960 III, S. 96 und vom 14.12.1978 – IV R 221/75 –<br />

BStBl. 1979 II, S. 503; vgl. Nr. 2.5.5 und Nr. 4.2.2).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 116 von 235


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4.4.4 Heilung von Bekanntgabemängeln<br />

Bekanntgabemängel können unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s entsprechend anwendbaren § 8 VwZG (vgl. hierzu<br />

Nr. 4.5.1) geheilt wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 29.10.1997 – X R 37/95 – BStBl. 1998 II, S. 266).<br />

Ein Verwaltungsakt kann trotz unrichtig angegebener Anschrift wirksam sein, wenn <strong>de</strong>r Bekanntgabeadressat die<br />

Sendung tatsächlich erhält (BFH-Urteil vom 1.2.1990 – V R 74/85 – BFH/NV 1991 S. 2, für <strong>de</strong>n Fall <strong>de</strong>r<br />

Angabe einer unzutreffen<strong>de</strong>n Hausnummer).<br />

Wird <strong>de</strong>m Bekanntgabeadressaten eines Verwaltungsakts die Einspruchsentscheidung ordnungsgemäß bekannt<br />

gegeben, so kommt es auf Bekanntgabemängel <strong>de</strong>s ursprünglichen Beschei<strong>de</strong>s grundsätzlich nicht mehr an<br />

(BFH-Urteile vom 28.10.1988 – III R 52/86 – BStBl. 1989 II, S. 257 und vom 16.5.1990 – X R 147/87 –<br />

BStBl. II, S. 942). Der Fehler bei <strong>de</strong>r Bekanntgabe wird jedoch nicht geheilt, wenn <strong>de</strong>r Einspruch in <strong>de</strong>r<br />

Einspruchsentscheidung als unzulässig verworfen wird (BFH-Urteil vom 25.1.1994 – VIII R 49/92 – BStBl. II,<br />

S. 603).<br />

4.4.5 Zusammengefasste Steuerbeschei<strong>de</strong><br />

Zusammengefasste Steuerbeschei<strong>de</strong> (§ 155 Abs. 3) können gegenüber mehreren Beteiligten zu verschie<strong>de</strong>nen<br />

Zeitpunkten bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n. Eine unterlassene o<strong>de</strong>r unwirksame Bekanntgabe kann je<strong>de</strong>rzeit<br />

nachgeholt wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 25.5.1976 – VIII R 66/74 – BStBl. II, S. 606); <strong>de</strong>r Ablauf <strong>de</strong>r<br />

Festsetzungsfrist ist zu beachten. Die Wirksamkeit eines Steuerbeschei<strong>de</strong>s gegenüber einem Beteiligten wird<br />

nicht dadurch berührt, dass dieser Bescheid gegenüber einem an<strong>de</strong>ren Beteiligten unwirksam ist. Zur<br />

Bekanntgabe an Ehegatten vgl. Nr. 2.1.<br />

4.5 Fehler bei förmlichen Zustellungen<br />

4.5.1 Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen o<strong>de</strong>r ist es unter Verletzung<br />

zwingen<strong>de</strong>r Zustellungsvorschriften zugegangen, gilt es als in <strong>de</strong>m Zeitpunkt zugestellt, in <strong>de</strong>m es <strong>de</strong>m<br />

Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist; im Fall <strong>de</strong>s § 5 Abs. 5 VwZG (Zustellung eines elektronischen<br />

Dokuments; vgl. Nrn. 3.1.3.3 bis 3.1.3.5) in <strong>de</strong>m Zeitpunkt, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Empfänger das Empfangsbekenntnis<br />

<strong>zur</strong>ückgesen<strong>de</strong>t hat (§ 8 VwZG). Dies gilt auch dann, wenn durch die Zustellung eine Klagefrist in Lauf gesetzt<br />

wird (z. B. in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>r behördlich angeordneten förmlichen Zustellung einer Einspruchsentscheidung). Ein<br />

Zustellungsmangel ist nach § 8 VwZG auch dann geheilt, wenn <strong>de</strong>r Empfänger nachweislich nur eine Fotokopie<br />

<strong>de</strong>s Verwaltungsaktes erhalten hat (BFH-Urteil vom 15.1.1991 – VII R 86/89 – BFH/NV 1992 S. 81).<br />

4.5.2 Zwingen<strong>de</strong> Zustellungsvorschriften sind insbeson<strong>de</strong>re bei <strong>de</strong>r Zustellung durch die Post mit<br />

Zustellungsurkun<strong>de</strong> (vgl. Nr. 3.1.1) zu beachten. Es müssen sowohl die Zustellungsart (z. B. Ersatzzustellung)<br />

als auch <strong>de</strong>r Zustellungsort (Wohnung, Geschäftsraum) richtig durch <strong>de</strong>n Postbediensteten beurkun<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n<br />

(BFH-Urteil vom 10.10.1978 – VIII R 197/74 – BStBl. 1979 II, S. 209). Das Aktenzeichen (vgl. Nr. 3.1.1.1)<br />

muss sowohl auf <strong>de</strong>m Briefumschlag als auch auf <strong>de</strong>r Zustellungsurkun<strong>de</strong> angegeben sein (BFH-Urteil vom<br />

24.11.1977 – IV R 113/75 – BStBl. 1978 II, S. 467). Auch ein Verstoß gegen § 10 VwZG bei <strong>de</strong>r Anordnung<br />

einer öffentlichen Zustellung (vgl. Nr. 3.1.5) kann unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 8 VwZG geheilt wer<strong>de</strong>n<br />

(BFH-Urteil vom 6.6.2000 – VII R 55/99 – BStBl. II, S. 560).<br />

4.5.3 Eine wegen Formmangels unwirksame, von <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> angeordnete Zustellung eines<br />

Verwaltungsakts kann nicht in eine wirksame „schlichte“ Bekanntgabe im Sinne <strong>de</strong>s § 122 Abs. 1 umge<strong>de</strong>utet<br />

wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteile vom 25.1.1994 – VIII R 45/92 – BStBl. II, S. 603, und vom 8.6.1995 – IV R 104/94 –<br />

BStBl. II, S. 681).<br />

4.6 Fehlerhafte Bekanntgabe von Grundlagenbeschei<strong>de</strong>n<br />

Da ein Folgebescheid gemäß § 155 Abs. 2 vor Erlass eines notwendigen Grundlagenbeschei<strong>de</strong>s ergehen kann, ist<br />

die Unwirksamkeit <strong>de</strong>r Bekanntgabe eines Grundlagenbeschei<strong>de</strong>s für <strong>de</strong>n bereits vorliegen<strong>de</strong>n Folgebescheid<br />

ohne Be<strong>de</strong>utung. Erst wenn <strong>de</strong>r Grundlagenbescheid wirksam bekannt gegeben wor<strong>de</strong>n ist, sind daraus für <strong>de</strong>n<br />

Folgebescheid Folgerungen zu ziehen (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1).<br />

4.7 Bekanntgabe von geson<strong>de</strong>rten und einheitlichen Feststellungen an einzelne Beteiligte<br />

4.7.1 Ein Verwaltungsakt, <strong>de</strong>r an mehrere Beteiligte gerichtet ist (z. B. geson<strong>de</strong>rte und einheitliche<br />

Feststellung), aber nicht allen Beteiligten bekannt gegeben wird, ist dadurch nicht unwirksam. Mit <strong>de</strong>r<br />

Bekanntgabe an einzelne Beteiligte ist <strong>de</strong>r Verwaltungsakt als entstan<strong>de</strong>n anzusehen; er hat gegenüber diesen<br />

Beteiligten Wirksamkeit erlangt und kann insgesamt nicht mehr frei, son<strong>de</strong>rn nur bei Vorliegen <strong>de</strong>r gesetzlichen<br />

Än<strong>de</strong>rungsvorschriften geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteile vom 31.5.1978 – I R 76/76 – BStBl. II, S. 600 und vom<br />

25.11.1987 – II R 227/84 – BStBl. 1988 II, S. 410). Zur Nachholung <strong>de</strong>r Bekanntgabe an die übrigen Beteiligten<br />

vgl. Nr. 2.5.1.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 117 von 235


4.7.2 Die einzelnen Gesellschafter sind nicht in ihren Rechten verletzt, wenn ein geson<strong>de</strong>rter und einheitlicher<br />

Feststellungsbescheid an<strong>de</strong>ren Gesellschaftern nicht o<strong>de</strong>r nicht ordnungsgemäß bekannt gegeben wor<strong>de</strong>n ist<br />

(BFH-Urteil vom 12.12.1978 – VIII R 10/76 – BStBl. 1979 II, S. 440).<br />

Zu § 123 – Bestellung eines Empfangsbevollmächtigten:<br />

Die Vorschrift lässt <strong>de</strong>n Nachweis zu, dass das Schriftstück o<strong>de</strong>r das elektronische Dokument <strong>de</strong>n Empfänger<br />

nicht o<strong>de</strong>r erst zu einem späteren Zeitpunkt erreicht hat. Zweifel gehen zu Lasten <strong>de</strong>s Empfängers.<br />

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Zu § 124 – Wirksamkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsakts:<br />

1. Der Verwaltungsakt wird mit <strong>de</strong>m Inhalt wirksam, mit <strong>de</strong>m er bekannt gegeben wird. Maßgebend ist nicht<br />

die Aktenverfügung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn die Fassung, die <strong>de</strong>m Beteiligten zugegangen ist.<br />

Bei <strong>de</strong>r Auslegung <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes kommt es gemäß <strong>de</strong>m entsprechend anzuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n § 133 BGB<br />

nicht darauf an, was die Finanzbehör<strong>de</strong> mit ihren Erklärungen gewollt hat, son<strong>de</strong>rn darauf, wie <strong>de</strong>r<br />

Betroffene nach <strong>de</strong>n ihm bekannten Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n materiellen Gehalt <strong>de</strong>r Erklärungen unter<br />

Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Im Zweifel ist das <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen weniger<br />

belasten<strong>de</strong> Auslegungsergebnis vorzuziehen (BFH-Urteil vom 27.11.1996 – X R 20/95 – BStBl. II 1997,<br />

S. 791).<br />

2. Weicht <strong>de</strong>r bekannt gegebene Verwaltungsakt von <strong>de</strong>r Aktenverfügung ab, so liegt i. d. R. ein Schreib- o<strong>de</strong>r<br />

Übertragungsfehler vor, <strong>de</strong>r gem. § 129 berichtigt wer<strong>de</strong>n kann. Sind die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 129 nicht<br />

gegeben, hat die Finanzbehör<strong>de</strong> alle Möglichkeiten einer Rücknahme, <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rrufs, <strong>de</strong>r Aufhebung o<strong>de</strong>r<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes zu prüfen.<br />

3. Bis <strong>zur</strong> Bekanntgabe wird <strong>de</strong>r Verwaltungsakt nicht wirksam. Er kann daher bis zu diesem Zeitpunkt<br />

rückgängig gemacht o<strong>de</strong>r abgeän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, ohne dass die Voraussetzungen <strong>de</strong>r §§ 130, 131 o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

§§ 172 ff. vorliegen müssen.<br />

4. Eine wirksame Bekanntgabe setzt voraus, dass <strong>de</strong>r zum Erlass befugte Bedienstete diese veranlasst und dass<br />

er mit <strong>de</strong>m Willen han<strong>de</strong>lt, <strong>de</strong>n Bescheid bekannt zu geben (BFH-Urteil vom 24.11.1988 – V R 123/83 –<br />

BStBl. II 1989, S. 344). Der Bekanntgabewille wird dadurch gebil<strong>de</strong>t, dass <strong>de</strong>r zeichnungsberechtigte<br />

Bedienstete die Aktenverfügung <strong>de</strong>s Verwaltungsakts abschließend zeichnet und <strong>de</strong>n Versand <strong>de</strong>s<br />

Verwaltungsakts veranlasst o<strong>de</strong>r dass die Beschei<strong>de</strong>rteilung in an<strong>de</strong>rer Form abschließend veranlasst und die<br />

Versendung <strong>de</strong>s Beschei<strong>de</strong>s angewiesen wird.<br />

5. Der Bekanntgabewille kann aufgegeben wer<strong>de</strong>n. Die Aufgabe <strong>de</strong>s Willens <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> <strong>zur</strong><br />

Bekanntgabe eines Verwaltungsakts führt aber nur dann zu <strong>de</strong>ssen Unwirksamkeit, wenn <strong>de</strong>r Wille<br />

aufgegeben wird, bevor <strong>de</strong>r Bescheid <strong>de</strong>n Herrschaftsbereich <strong>de</strong>r Verwaltung verlassen hat; die<br />

Rechtzeitigkeit <strong>de</strong>r Aufgabe <strong>de</strong>s Bekanntgabewillens muss in <strong>de</strong>n Akten hinreichend klar und ein<strong>de</strong>utig<br />

dokumentiert sein (BFH-Urteil vom 23.8.2000 – X R 27/98 – BStBl. II 2001, S. 662). Der Empfänger <strong>de</strong>s<br />

Verwaltungsaktes ist unverzüglich schriftlich über die Aufgabe <strong>de</strong>s Bekanntgabewillens zu unterrichten. Es<br />

ist unerheblich, wenn <strong>de</strong>r Empfänger diese Mitteilung erst nach Zugang <strong>de</strong>s Verwaltungsakts erhält. Der<br />

Aufgabe <strong>de</strong>s Bekanntgabewillens kommt keine Be<strong>de</strong>utung mehr zu, wenn <strong>de</strong>r Verwaltungsakt <strong>de</strong>n<br />

Herrschaftsbereich <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> bereits verlassen hat (BFH-Urteil vom 12.8.1996 – VI R 18/94 –<br />

BStBl. II 1996, S. 627).<br />

6. Unabhängig vom Zeitpunkt <strong>de</strong>r Aufgabe <strong>de</strong>s Bekanntgabewillens (vgl. Nummer 5) wird ein Verwaltungsakt<br />

aber auch dann nicht wirksam, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Empfänger vor o<strong>de</strong>r spätestens mit <strong>de</strong>r<br />

Bekanntgabe <strong>de</strong>s Verwaltungsakts mitteilt, dieser Bescheid solle nicht gelten (vgl. BFH-Urteil vom<br />

28.5.2009 – III R 84/06 – BStBl. 2009 II, S. 949). Wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Verwaltungsakt mit einfachem Brief versandt,<br />

ist ein solcher Wi<strong>de</strong>rruf auch dann bis zum Ablauf <strong>de</strong>s nach § 122 Abs. 2 fingierten Bekanntgabetages<br />

möglich, wenn <strong>de</strong>r Verwaltungsakt <strong>de</strong>m Empfänger tatsächlich früher zugegangen sein sollte (vgl. BFH-<br />

Urteil vom 18.8.2009 – X R 25/06 – BStBl. 2009 II, S. 965). Der Wi<strong>de</strong>rruf bedarf nicht <strong>de</strong>r Schriftform, er<br />

muss aber in <strong>de</strong>n Akten hinreichend klar und ein<strong>de</strong>utig dokumentiert sein.<br />

Zu § 125 – Nichtigkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes:<br />

1. Der nichtige Verwaltungsakt entfaltet keine Rechtswirkungen; aus ihm darf nicht vollstreckt wer<strong>de</strong>n.<br />

2. Fehler bei <strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>s materiellen Rechts führen i. d. R. nicht <strong>zur</strong> Nichtigkeit, son<strong>de</strong>rn nur <strong>zur</strong><br />

Rechtswidrigkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes.<br />

3. Der Betroffene kann die Nichtigkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes je<strong>de</strong>rzeit auch noch nach Ablauf <strong>de</strong>r<br />

Rechtsbehelfsfristen geltend machen. Der Antrag auf Feststellung <strong>de</strong>r Nichtigkeit (§ 125 Abs. 5) ist nicht<br />

fristgebun<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 118 von 235


Zu § 126 – Heilung von Verfahrens- und Formfehlern:<br />

1. Ein nachträglich gestellter, fristgebun<strong>de</strong>ner Antrag heilt <strong>de</strong>n Verwaltungsakt nur, wenn er innerhalb <strong>de</strong>r für<br />

die Antragstellung vorgeschriebenen Frist nachgeholt wird.<br />

2. Wegen § 126 Abs. 1 Nr. 3 wird auf § 91 hingewiesen.<br />

3. Zur Wie<strong>de</strong>reinsetzung in <strong>de</strong>n vorigen Stand nach unterlassener Anhörung eines Beteiligten bzw. wegen<br />

fehlen<strong>de</strong>r Begründung <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes (§ 126 Abs. 3 i. V. m. § 110) vgl. zu § 91, Nr. 3 und zu § 121,<br />

Nr. 3.<br />

Zu § 127 – Folgen von Verfahrens- und Formfehlern:<br />

1. Die Vorschrift gilt nur für die gesetzesgebun<strong>de</strong>nen Verwaltungsakte. Sie verhin<strong>de</strong>rt, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige<br />

die Aufhebung eines Steuerbescheids allein <strong>de</strong>shalb beanspruchen kann, weil <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>r<br />

Steuerfestsetzung ein Verfahrensfehler (z. B. unterlassene Anhörung) o<strong>de</strong>r ein Formfehler (z. B. fehlen<strong>de</strong><br />

Begründung) unterlaufen ist o<strong>de</strong>r weil die Finanzbehör<strong>de</strong> Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht<br />

beachtet hat. Die Vorschrift ist auch anwendbar, wenn die Besteuerungsgrundlagen für einen Steuerbescheid<br />

geschätzt wor<strong>de</strong>n sind (BFH-Urteile vom 19.2.1987 – IV R 143/84 – BStBl. II, S. 412, vom 17.9.1997 – II R<br />

15/95 – BFH/NV 1998 S. 416, und vom 11.2.1999 – V R 40/98 – BStBl. II, S. 382, sowie BFH-Beschluss<br />

vom 18.8.1999 – IV B 108/98 – BFH/NV 2000 S. 165). Sie ist nicht anwendbar bei Verletzung <strong>de</strong>r<br />

Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit (BFH-Urteil vom 21.4.1993 – X R 112/91 – BStBl. II, S. 649).<br />

2. § 127 gilt nicht für Ermessensentscheidungen (BFH-Urteile vom 20.6.1990 – I R 157/87 – BStBl. 1992 II,<br />

S. 43, vom 18.5.1994 – I R 21/93 – BStBl. II, S. 697, und vom 15.10.1998 – V R 77/97 – BFH/NV 1999<br />

S. 585). Wenn diese mit einem Verfahrens- o<strong>de</strong>r Formfehler behaftet sind, <strong>de</strong>r nicht geheilt wer<strong>de</strong>n kann<br />

(§ 126), müssen sie aufgehoben und – nach erneuter Ausübung <strong>de</strong>s Ermessens – nochmals erlassen wer<strong>de</strong>n,<br />

falls <strong>de</strong>r Beteiligte rechtzeitig einen Rechtsbehelf eingelegt hat. Dies gilt nur dann nicht, wenn <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m<br />

Rechtsbehelf gerügte Fehler die Entscheidung durch die zuständige Finanzbehör<strong>de</strong> unter keinen Umstän<strong>de</strong>n<br />

beeinflusst haben kann (BFH-Urteil vom 18.7.1985 – VI R 41/81 – BStBl. 1986 II, S. 169).<br />

3. Die Aufhebung eines Gewerbesteuermessbeschei<strong>de</strong>s kann regelmäßig nicht allein <strong>de</strong>swegen beansprucht<br />

wer<strong>de</strong>n, weil er von einem örtlich unzuständigen Finanzamt erlassen wor<strong>de</strong>n ist (BFH-Urteil vom<br />

19.11.2003 – I R 88/02 – BStBl. 2004 II, S. 751). Ein Bescheid über die geson<strong>de</strong>rte Feststellung, <strong>de</strong>r unter<br />

Verletzung <strong>de</strong>r in § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b herangezogenen Vorschriften über die örtliche<br />

Zuständigkeit ergangen ist, muss aufgehoben wer<strong>de</strong>n, weil die Verletzung <strong>de</strong>r §§ 18, 19 in <strong>de</strong>r gemäß § 180<br />

Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b getroffenen Zuordnung ein nicht heilbarer Rechtsfehler ist (BFH-Urteile vom<br />

15.4.1986 – VIII R 325/84 – BStBl. 1987 II, S. 195, und vom 10.6.1999 – IV R 69/98 – BStBl. II, S. 691).<br />

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Zu § 129 – Offenbare Unrichtigkeit beim Erlass eines Verwaltungsakts:<br />

1. Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten i. S. <strong>de</strong>s § 129 sind mechanische Versehen, wie beispielsweise Eingabeo<strong>de</strong>r<br />

Übertragungsfehler. Eine offenbare Unrichtigkeit kann daher auch vorliegen, wenn <strong>de</strong>r Sachbearbeiter<br />

<strong>de</strong>n Eingabewertbogen falsch ausfüllt o<strong>de</strong>r Daten versehentlich nicht o<strong>de</strong>r falsch in ein Computerprogramm<br />

eingibt.<br />

Ein mechanisches Versehen wird ferner angenommen, wenn <strong>de</strong>r Sachbearbeiter es versehentlich unterlassen<br />

hat, die für die Veranlagung eines Jahres vorliegen<strong>de</strong>n Unterlagen auszuwerten, die ihm vom<br />

Steuerpflichtigen unterjährig übersandt wur<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteil vom 27.5.2009 – X R 47/08 – BStBl. II,<br />

S. 946). Gleiches gilt für das Übersehen einer für <strong>de</strong>n Veranlagungszeitraum einschlägigen<br />

Kontrollmitteilung, eines relevanten Grundlagenbeschei<strong>de</strong>s (vgl. dazu auch zu § 175, Nr. 1.2 2. Tiret) o<strong>de</strong>r<br />

von Punkten eines Betriebsprüfungsberichts bzw. <strong>de</strong>ssen wi<strong>de</strong>rsprüchliche o<strong>de</strong>r gar unterlassene Auswertung<br />

(vgl. u. a. BFH-Urteil vom 27.11.2003 – V R 52/02 – BFH/NV 2004, S. 605).<br />

2. Keine offenbaren Unrichtigkeiten im Sinne von § 129 sind Fehler bei <strong>de</strong>r Auslegung o<strong>de</strong>r (Nicht-<br />

)Anwendung einer Rechtsnorm, unrichtige Tatsachenwürdigung, die unzutreffen<strong>de</strong> Annahme eines in<br />

Wirklichkeit nicht vorliegen<strong>de</strong>n Sachverhalts o<strong>de</strong>r Fehlers, die auf mangeln<strong>de</strong>r Sachaufklärung bzw. <strong>de</strong>r<br />

Nichtbeachtung feststehen<strong>de</strong>r Tatsachen beruhen. Eine Berichtigung nach § 129 ist ausgeschlossen, wenn<br />

auch nur die ernsthafte und nicht nur theoretische Möglichkeit besteht, dass ein <strong>de</strong>rartiger Fehler vorliegt.<br />

3. Ein Fehler ist dann „offenbar“ i. S. <strong>de</strong>s § 129, wenn er auf <strong>de</strong>r Hand liegt, durchschaubar, ein<strong>de</strong>utig o<strong>de</strong>r<br />

augenfällig ist, d. h. sich für einen unvoreingenommenen Dritten ohne weiteres aus <strong>de</strong>r Steuererklärung,<br />

<strong>de</strong>ren Anlagen sowie <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Akten befindlichen Unterlagen für das betreffen<strong>de</strong> Veranlagungsjahr ergibt<br />

(vgl. BFH-Urteil vom 27.5.2009 – X R 47/08 – BStBl. II, S. 946). In <strong>de</strong>n objektivierten Erkenntnishorizont<br />

<strong>de</strong>s Dritten sind daneben regelmäßig aber auch im konkreten Fall einschlägige interne Arbeits- und<br />

Dienstanweisungen einzubeziehen (vgl. u. a. BFH-Urteil vom 13.6.2012 – VI R 85/10 – BStBl. II, S. XX).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 119 von 235


Es kommt nicht darauf an, ob <strong>de</strong>r Steuerpflichtige die Unrichtigkeit anhand <strong>de</strong>s Bescheids und <strong>de</strong>r ihm<br />

vorliegen<strong>de</strong>n Unterlagen erkennen konnte.<br />

4. Die offenbare Unrichtigkeit muss beim Erlass <strong>de</strong>s Verwaltungsakts unterlaufen sein. Daher können nur<br />

Fehler berichtigt wer<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> unterlaufen sind. Eine offenbare Unrichtigkeit kann aber<br />

auch dann vorliegen, wenn das Finanzamt eine in <strong>de</strong>r Steuererklärung o<strong>de</strong>r dieser beigefügten Anlagen<br />

enthaltene offenbare, d. h. für das Finanzamt erkennbare Unrichtigkeit als eigene übernimmt.<br />

Sind <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen bei Erstellung seiner Steuererklärung Fehler (insbeson<strong>de</strong>re Schreib- o<strong>de</strong>r<br />

Rechenfehler) unterlaufen und hat er <strong>de</strong>mzufolge <strong>de</strong>m Finanzamt bestimmte Tatsachen nicht o<strong>de</strong>r mit einem<br />

unzutreffen<strong>de</strong>n Wert mitgeteilt, kann <strong>de</strong>r Steuerbescheid nicht nach § 129 berichtigt wer<strong>de</strong>n, da das<br />

Finanzamt <strong>de</strong>n Fehler nicht erkennen und diesen sich somit auch nicht zu eigen machen konnte. Allerdings<br />

kommt bei steuerermäßigen<strong>de</strong>n Tatsachen eine Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 in Betracht, wenn <strong>de</strong>n<br />

Steuerpflichtigen kein grobes Verschul<strong>de</strong>n am nachträglichen Bekanntwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r zutreffen<strong>de</strong>n Tatsachen<br />

trifft (vgl. zu § 173, Nr. 5) und diese Tatsachen auch bei Erlass <strong>de</strong>s ursprünglichen Steuerbescheids<br />

rechtserheblich waren (vgl. zu § 173, Nr. 3). Dafür, dass die ursprüngliche Nichterklärung auf einem<br />

mechanischen Versehen beruht, trägt <strong>de</strong>r Steuerpflichtige die Beweislast (vgl. zu § 173, Nr. 5.1 und 5.1.3).<br />

Die Form <strong>de</strong>r Steuererklärung ist hierbei unerheblich (vgl. zu § 173, Nr. 5.6).<br />

5. Bei einer Berichtigung nach § 129 können im Wege pflichtgemäßer Ermessensausübung unter sinngemäßer<br />

Anwendung <strong>de</strong>s § 177 materielle Fehler korrigiert wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 8.3.1989 – X R 116/87 –<br />

BStBl. II, S. 531).<br />

6. Die Berichtigung zugunsten und zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen ist<br />

– bei Steuerfestsetzungen und Zinsbeschei<strong>de</strong>n nur innerhalb <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 1 Satz 2),<br />

– bei Aufteilungsbeschei<strong>de</strong>n nur bis <strong>zur</strong> Beendigung <strong>de</strong>r Vollstreckung (§ 280),<br />

– bei Verwaltungsakten, die sich auf Zahlungsansprüche richten, bis zum Ablauf <strong>de</strong>r Zahlungsverjährung<br />

(§ 228),<br />

– bei an<strong>de</strong>ren Verwaltungsakten zeitlich unbeschränkt<br />

zulässig. Auf die beson<strong>de</strong>re Ablaufhemmung <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 2 wird hingewiesen.<br />

7. Zur Korrektur von Haftungs- und Duldungsbeschei<strong>de</strong>n vgl. zu § 191. Zur Anfechtungsbeschränkung vgl. zu<br />

§ 351, Nr. 3.<br />

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Vor §§ 130, 131 – Rücknahme und Wi<strong>de</strong>rruf von Verwaltungsakten:<br />

1. Die §§ 130 bis 133 gelten für Rücknahme o<strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rruf von Verwaltungsakten nur, soweit keine<br />

Son<strong>de</strong>rregelungen bestehen (Hinweis auf §§ 172 ff. für Steuerbeschei<strong>de</strong>; §§ 206, 207 für verbindliche<br />

Zusagen; § 280 für Aufteilungsbeschei<strong>de</strong>). Dabei bestehen hinsichtlich <strong>de</strong>r Bestandskraft unanfechtbarer<br />

Verwaltungsakte Unterschie<strong>de</strong> zwischen begünstigen<strong>de</strong>n Verwaltungsakten und nicht begünstigen<strong>de</strong>n<br />

Verwaltungsakten.<br />

2. Begünstigen<strong>de</strong> Verwaltungsakte sind insbeson<strong>de</strong>re<br />

– Gewährung von Entschädigungen (§ 107),<br />

– Fristverlängerungen (§ 109),<br />

– Gewährung von Buchführungserleichterungen (§ 148),<br />

– Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227, 234 Abs. 2),<br />

– Verlegung <strong>de</strong>s Beginns einer Außenprüfung (§ 197 Abs. 2),<br />

– Stundungen (§ 222),<br />

– Einstellung o<strong>de</strong>r Beschränkung <strong>de</strong>r Vollstreckung (§§ 257, 258),<br />

– Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung (§ 361 AO, § 69 Abs. 2 FGO).<br />

3. Nicht begünstigen<strong>de</strong> Verwaltungsakte sind insbeson<strong>de</strong>re<br />

– Ablehnung beantragter begünstigen<strong>de</strong>r Verwaltungsakte,<br />

– Festsetzung von steuerlichen Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4, § 218 Abs. 1),<br />

– Ablehnung einer Erstattung von Nebenleistungen (§ 37 Abs. 2, § 218 Abs. 2),<br />

– Auskunftsersuchen (§§ 93 ff.),<br />

– Auffor<strong>de</strong>rung <strong>zur</strong> Buchführung (§ 141 Abs. 2),<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 120 von 235


– Haftungsbeschei<strong>de</strong> (§ 191),<br />

– Duldungsbeschei<strong>de</strong> (§ 191),<br />

– Prüfungsanordnungen (§ 196),<br />

– Anfor<strong>de</strong>rungen von Säumniszuschlägen (§ 240),<br />

– Pfändungen (§ 281).<br />

4. Zur Korrektur von Haftungs- und Duldungsbeschei<strong>de</strong>n vgl. zu § 191.<br />

Zu § 130 – Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes:<br />

1. Ein Verwaltungsakt ist rechtswidrig, wenn er im Zeitpunkt seines Erlasses ganz o<strong>de</strong>r teilweise gegen<br />

zwingen<strong>de</strong> gesetzliche Vorschriften (§ 4) verstößt, ermessensfehlerhaft ist (vgl. zu § 5) o<strong>de</strong>r eine<br />

Rechtsgrundlage überhaupt fehlt. Eine nachträgliche Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Sach- und Rechtslage hingegen macht<br />

einen ursprünglich rechtmäßigen Verwaltungsakt grundsätzlich nicht i. S. d. § 130 rechtswidrig, es sei <strong>de</strong>nn,<br />

es läge ein Fall steuerrechtlicher Rückwirkung vor, welche <strong>de</strong>n Verwaltungsakt erfasst (vgl. BFH-Urteil vom<br />

9.12.2008 – VII R 43/07 – BStBl. 2009 II, S. 344). Beson<strong>de</strong>rs schwerwiegen<strong>de</strong> Fehler haben die Nichtigkeit<br />

und damit die Unwirksamkeit <strong>zur</strong> Folge (§ 125 i. V. m. § 124 Abs. 3). Liegt kein Fall <strong>de</strong>r Nichtigkeit vor, so<br />

wird <strong>de</strong>r rechtswidrige Verwaltungsakt zunächst wirksam.<br />

2. Die Finanzbehör<strong>de</strong> entschei<strong>de</strong>t im Rahmen ihres Ermessens, ob sie eine Überprüfung eines rechtswidrigen,<br />

unanfechtbaren Verwaltungsaktes vornehmen soll. Die Finanzbehör<strong>de</strong> braucht nicht in die Überprüfung<br />

einzutreten, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige nach Ablauf <strong>de</strong>r Einspruchsfrist die Rechtswidrigkeit lediglich<br />

behauptet und Grün<strong>de</strong>, aus <strong>de</strong>nen sich schlüssig die Rechtswidrigkeit <strong>de</strong>s belasten<strong>de</strong>n Verwaltungsaktes<br />

ergibt, nicht näher bezeichnet (vgl. BFH-Urteil vom 9.3.1989 – VI R 101/84 – BStBl. II, S. 749, 751). Ist die<br />

Fehlerhaftigkeit eines Verwaltungsaktes festgestellt, so ist zunächst die mögliche Nichtigkeit (§ 125), danach<br />

die Möglichkeit <strong>de</strong>r Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten (§ 129), danach die Möglichkeit <strong>de</strong>r Heilung<br />

von Verfahrens- und Formfehlern (§§ 126, 127), danach die Möglichkeit <strong>de</strong>r Um<strong>de</strong>utung (§ 128) und danach<br />

die Rücknahme zu prüfen.<br />

3. Nicht begünstigen<strong>de</strong> rechtswidrige Verwaltungsakte können je<strong>de</strong>rzeit <strong>zur</strong>ückgenommen wer<strong>de</strong>n, auch wenn<br />

die Einspruchsfrist abgelaufen ist. Eine teilweise Rücknahme ist zulässig.<br />

Beispiel:<br />

Ein Verspätungszuschlag ist mit einem Betrag festgesetzt wor<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r mehr als 10 v. H. <strong>de</strong>r festgesetzten<br />

Steuer ausmacht (Verstoß gegen § 152 Abs. 2). Die Festsetzung kann insoweit <strong>zur</strong>ückgenommen wer<strong>de</strong>n,<br />

wie sie 10 v. H. übersteigt; sie bleibt im Übrigen bestehen.<br />

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4. Die Rücknahme eines begünstigen<strong>de</strong>n rechtswidrigen Verwaltungsaktes ist nur unter Einschränkungen<br />

möglich (§ 130 Abs. 2 und 3). Unter einer Begünstigung i. S. d. Vorschriften ist je<strong>de</strong> Rechtswirkung zu<br />

verstehen, an <strong>de</strong>ren Aufrechterhaltung <strong>de</strong>r vom Verwaltungsakt Betroffene ein schutzwürdiges Interesse hat<br />

(BFH-Urteil vom 16.10.1986 – VII R 159/83 – BStBl. 1987 II, S. 405). Sofern die Rücknahme zulässig und<br />

wirksam ist, kann die Finanzbehör<strong>de</strong> aufgrund <strong>de</strong>s verän<strong>de</strong>rten Sachverhalts o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r verän<strong>de</strong>rten Rechtslage<br />

einen neuen Verwaltungsakt erlassen, <strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Beteiligten weniger vorteilhaft ist.<br />

Beispiele:<br />

a) Ein Verspätungszuschlag ist unter Abweichung von <strong>de</strong>r sonst beim Finanzamt üblichen Anwendung <strong>de</strong>r<br />

Grundsätze <strong>de</strong>s § 152 auf 500 € festgesetzt wor<strong>de</strong>n. Eine Überprüfung <strong>de</strong>s Falles ergibt, dass eine<br />

Festsetzung i. H. v. 1 000 € richtig gewesen wäre. Die Rücknahme <strong>de</strong>r Festsetzung, verbun<strong>de</strong>n mit einer<br />

neuen höheren Festsetzung, ist rechtlich zulässig, wenn die niedrige Festsetzung auf unrichtigen o<strong>de</strong>r<br />

unvollständigen Angaben <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen beruhte (§ 130 Abs. 2 Nr. 3).<br />

b) Der Steuerpflichtige hat durch arglistige Täuschung über seine Vermögens- und Liquiditätslage eine<br />

Stundung ohne Sicherheitsleistung erwirkt. Die Finanzbehör<strong>de</strong> kann die Stundungsverfügung mit<br />

Wirkung für die Vergangenheit <strong>zur</strong>ücknehmen (§ 130 Abs. 2 Nr. 2), für die Vergangenheit<br />

Säumniszuschläge anfor<strong>de</strong>rn und eine in die Zukunft wirken<strong>de</strong> neue Stundung von einer<br />

Sicherheitsleistung abhängig machen.<br />

5. § 130 Abs. 3 normiert keine Prüfungsfrist, innerhalb <strong>de</strong>rer die Finanzbehör<strong>de</strong> ihr bekannte Tatsachen<br />

rechtlich zu bewerten und aus ihnen die gebotenen Schlussfolgerungen zu ziehen hätte, son<strong>de</strong>rn lediglich<br />

eine Entscheidungsfrist. Deshalb beginnt die Jahresfrist erst dann, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> tatsächlich die<br />

Erkenntnis gewonnen hat, dass ein Verwaltungsakt <strong>zur</strong>ückgenommen bzw. wi<strong>de</strong>rrufen wer<strong>de</strong>n kann (vgl.<br />

Beschluss <strong>de</strong>s BVerwG vom 19.12.1984 – GrS 1 und 2/84 – BVerwGE 70, 356, und daran anschließend die<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 121 von 235


ständige Rechtsprechung <strong>de</strong>s BFH, vgl. u. a. BFH-Urteil vom 9.12.2008 – VII R 43/07 – BStBl. 2009 II,<br />

S. 344). Dies ist <strong>de</strong>r Fall, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> ohne weitere Sachaufklärung objektiv in <strong>de</strong>r Lage ist,<br />

unter sachgerechter Ausübung ihres Ermessens über Rücknahme bzw. Wi<strong>de</strong>rruf <strong>de</strong>s Verwaltungsakts zu<br />

entschei<strong>de</strong>n.<br />

Zu § 131 – Wi<strong>de</strong>rruf eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes:<br />

1. Ein Verwaltungsakt ist rechtmäßig, wenn er zum Zeitpunkt <strong>de</strong>s Wirksamwer<strong>de</strong>ns (Bekanntgabe) <strong>de</strong>m Gesetz<br />

(§ 4) entspricht. Än<strong>de</strong>rt sich <strong>de</strong>r Sachverhalt durch nachträglich eingetretene Tatsachen o<strong>de</strong>r lässt das Gesetz<br />

in <strong>de</strong>rselben Sache unterschiedliche Verwaltungsakte zu (Ermessensentscheidungen), so kann <strong>de</strong>r<br />

rechtmäßige Verwaltungsakt unter bestimmten Voraussetzungen mit Wirkung für die Zukunft wi<strong>de</strong>rrufen<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

2. § 131 Abs. 2 Nr. 3 betrifft nur die Än<strong>de</strong>rung tatsächlicher, nicht rechtlicher Verhältnisse. Der Begriff<br />

„Tatsache“ bezeichnet in dieser Vorschrift dasselbe wie in § 173 (vgl. zu § 173, Nr. 1). „Tatsache“ ist auch<br />

die steuerrechtliche Beurteilung eines Sachverhalts in einem an<strong>de</strong>ren Bescheid, soweit dieser Bescheid<br />

Bindungswirkung für <strong>de</strong>n zu wi<strong>de</strong>rrufen<strong>de</strong>n Bescheid hat (vgl. BFH-Urteile vom 13.1.2005 – II R 48/02 –<br />

BStBl. II, S. 451, und vom 9.12.2008 – VII R 43/07 – BStBl. 2009 II, S. 244). Das öffentliche Interesse<br />

i. S. d. Vorschrift ist immer dann gefähr<strong>de</strong>t, wenn bei einem Festhalten an <strong>de</strong>r getroffenen Entscheidung <strong>de</strong>r<br />

Betroffene gegenüber an<strong>de</strong>ren Steuerpflichtigen bevorzugt wür<strong>de</strong>.<br />

3. Ein Steuererlass kann nicht wi<strong>de</strong>rrufen wer<strong>de</strong>n. Die nachträgliche Verbesserung <strong>de</strong>r Liquiditäts- o<strong>de</strong>r<br />

Vermögenslage ist unbeachtlich. Für die Rücknahme gilt § 130 Abs. 2 und 3.<br />

4. Ein rechtmäßiger begünstigen<strong>de</strong>r Verwaltungsakt darf je<strong>de</strong>rzeit um einen weiteren rechtmäßigen<br />

Verwaltungsakt ergänzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Beispiele:<br />

a) Verlängerung o<strong>de</strong>r Erhöhung einer Stundung,<br />

b) weitere Fristverlängerung,<br />

c) Gewährung ergänzen<strong>de</strong>r Buchführungserleichterungen,<br />

d) Erhöhung <strong>de</strong>s zu erlassen<strong>de</strong>n Steuerbetrages.<br />

5. Dementsprechend bedarf es bei <strong>de</strong>mselben Sachverhalt nicht <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rrufs, wenn zu einem nicht<br />

begünstigen<strong>de</strong>n rechtmäßigen Verwaltungsakt lediglich ein weiterer rechtmäßiger Verwaltungsakt hinzutritt.<br />

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Beispiele:<br />

a) Wegen einer Steuerschuld von 2 500 € sind Wertpapiere im Werte von 1 500 € verpfän<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n. Es<br />

wird eine weitere Pfändung über 1 000 € verfügt.<br />

b) Die Prüfungsanordnung für eine Außenprüfung umfasst <strong>de</strong>n Prüfungszeitraum 1993 bis 1995. Die<br />

Prüfungsanordnung wird auf <strong>de</strong>n Besteuerungszeitraum 1996 ausge<strong>de</strong>hnt.<br />

c) Zur Klärung eines steuerlich be<strong>de</strong>utsamen Sachverhalts wird das Kreditinstitut X um Auskunft über die<br />

Kontenstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen gebeten. Im Zuge <strong>de</strong>r Ermittlungen wird auch die Angabe aller baren<br />

Einzahlungen über 5 000 € verlangt.<br />

Zu § 138 – Anzeigen über die Erwerbstätigkeit:<br />

1. Die Verpflichtung, die Eröffnung eines Betriebes <strong>de</strong>r Land- und Forstwirtschaft, eines gewerblichen<br />

Betriebes o<strong>de</strong>r einer Betriebstätte anzuzeigen, besteht nur gegenüber <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>, in <strong>de</strong>r dieser Betrieb<br />

o<strong>de</strong>r die Betriebstätte eröffnet wird; diese hat unverzüglich das zuständige Finanzamt zu unterrichten.<br />

Freiberuflich Tätige haben die Aufnahme ihrer Erwerbstätigkeit <strong>de</strong>m Wohnsitzfinanzamt (§ 19 Abs. 1, ggf.<br />

Tätigkeitsfinanzamt nach § 19 Abs. 3) mitzuteilen. Unter Eröffnung ist auch die Fortführung eines Betriebes<br />

o<strong>de</strong>r einer Betriebstätte durch <strong>de</strong>n Rechtsnachfolger o<strong>de</strong>r Erwerber zu verstehen (Hinweis auf § 75).<br />

Die Mel<strong>de</strong>frist beträgt einen Monat. Gewerbetreiben<strong>de</strong>, die nach § 14 <strong>de</strong>r Gewerbeordnung gegenüber <strong>de</strong>r<br />

zuständigen Behör<strong>de</strong> (Ordnungs- bzw. Gewerbeamt) anzeigepflichtig sind, genügen mit dieser Anzeige<br />

gleichzeitig ihrer steuerlichen Anzeigepflicht nach § 138 Abs. 1. Die Anzeige ist auf <strong>de</strong>m Vordruck zu<br />

erstatten, <strong>de</strong>r durch die Anlagen 1, 2 und 3 zu § 14 Abs. 4 <strong>de</strong>r Gewerbeordnung bestimmt wor<strong>de</strong>n ist. Ein<br />

Durchschlag ist <strong>zur</strong> Weiterleitung an das zuständige Finanzamt vorgesehen. Steuerpflichtige, die nicht unter<br />

die Anzeigepflicht nach <strong>de</strong>r Gewerbeordnung fallen, können die Anzeige formlos erstatten. Sie können sich<br />

auch <strong>de</strong>s Vordrucks gem. <strong>de</strong>r Gewerbeordnung bedienen.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 122 von 235


2. § 138 Abs. 2 verpflichtet alle Steuerpflichtigen, Auslandsbeteiligungen innerhalb <strong>de</strong>r Fristen nach § 138<br />

Abs. 3 <strong>de</strong>m Finanzamt mitzuteilen. Eine Verletzung dieser Verpflichtung kann als Steuergefährdung mit<br />

einem Bußgeld geahn<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n (§ 379 Abs. 2 Nr. 1). Näheres zu Inhalt und Form <strong>de</strong>r Anzeigen bei<br />

Auslandsbeteiligungen regelt das BMF-Schreiben vom 15.4.2010, BStBl. I S. 346.<br />

Zu § 140 – Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten nach an<strong>de</strong>ren Gesetzen:<br />

Durch die Vorschrift wer<strong>de</strong>n die sog. außersteuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungsvorschriften, die auch<br />

für die Besteuerung von Be<strong>de</strong>utung sind, für das Steuerrecht nutzbar gemacht. In Betracht kommen einmal die<br />

allgemeinen Buchführungs- und Aufzeichnungsvorschriften <strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>ls-, Gesellschafts- und<br />

Genossenschaftsrechts. Zum an<strong>de</strong>ren fallen hierunter die Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten für<br />

bestimmte Betriebe und Berufe, die sich aus einer Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen ergeben. Auch<br />

ausländische Rechtsnormen können eine Buchführungspflicht nach § 140 begrün<strong>de</strong>n (Rz. 3 <strong>de</strong>s BMF-Schreibens<br />

vom 16.5.2011, BStBl. I, S. 530). Verstöße gegen außersteuerliche Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten<br />

stehen <strong>de</strong>n Verstößen gegen steuerrechtliche Buchführungs- und Aufzeichnungsvorschriften gleich. Hinweis auf<br />

§ 162 Abs. 2 (Schätzung), § 379 Abs. 1 (Steuergefährdung). Aufzeichnungspflichten, die für <strong>de</strong>n<br />

Gesamthaushalt einer juristischen Person <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts bestehen (Doppik), führen nicht zu einer<br />

Verpflichtung <strong>zur</strong> Buchführung für einzelne Betriebe gewerblicher Art (BMF-Schreiben vom 3.1.2013, BStBl. I,<br />

S. XX).<br />

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Zu § 141 – Buchführungspflicht bestimmter Steuerpflichtiger:<br />

1. Die Vorschrift fin<strong>de</strong>t nur Anwendung, wenn sich nicht bereits eine Buchführungspflicht nach § 140 ergibt.<br />

Wird von <strong>de</strong>m Wahlrecht nach § 241a HGB Gebrauch gemacht, kann <strong>de</strong>nnoch eine Buchführungspflicht<br />

nach § 141 bestehen. Unter die Vorschrift fallen gewerbliche Unternehmer sowie Land- und Forstwirte, nicht<br />

jedoch Freiberufler. Gewerbliche Unternehmer sind solche Unternehmer, die einen Gewerbebetrieb i. S. d.<br />

§ 15 Abs. 2 o<strong>de</strong>r 3 EStG bzw. <strong>de</strong>s § 2 Abs. 2 o<strong>de</strong>r 3 GewStG ausüben.<br />

Ausländische Unternehmen fallen unter die Vorschrift je<strong>de</strong>nfalls dann, wenn und soweit sie im Inland eine<br />

Betriebsstätte unterhalten o<strong>de</strong>r einen ständigen Vertreter bestellt haben (BFH-Urteil vom 14.9.1994 –<br />

I R 116/93 – BStBl. 1995 II, S. 238). Die Buchführungspflicht einer Personengesellschaft erstreckt sich auch<br />

auf das Son<strong>de</strong>rbetriebsvermögen ihrer Gesellschafter. Die Gesellschafter selbst sind insoweit nicht<br />

buchführungspflichtig.<br />

2. Die Finanzbehör<strong>de</strong> kann die Feststellung i. S. d. § 141 Abs. 1 im Rahmen eines Steuer- o<strong>de</strong>r<br />

Feststellungsbeschei<strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r durch einen selbstständigen feststellen<strong>de</strong>n Verwaltungsakt treffen. Die<br />

Feststellung kann aber auch mit <strong>de</strong>r Mitteilung über <strong>de</strong>n Beginn <strong>de</strong>r Buchführungspflicht nach § 141 Abs. 2<br />

verbun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n und bil<strong>de</strong>t dann mit ihr einen einheitlichen Verwaltungsakt (BFH-Urteil vom 23.6.1983 –<br />

IV R 3/82 – BStBl. II, S. 768).<br />

3. Die Buchführungsgrenzen beziehen sich grundsätzlich auf <strong>de</strong>n einzelnen Betrieb (zum Begriff vgl. BFH-<br />

Urteil vom 13.10.1988 – IV R 136/85 – BStBl. 1989 II, S. 7), auch wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige mehrere<br />

Betriebe <strong>de</strong>r gleichen Einkunftsart hat. Eine Ausnahme gilt für steuerbegünstigte Körperschaften, bei <strong>de</strong>nen<br />

mehrere steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe als ein Betrieb zu behan<strong>de</strong>ln sind (§ 64 Abs. 2). In<br />

<strong>de</strong>n maßgeben<strong>de</strong>n Umsatz (§ 141 Abs. 1 Nr. 1) sind auch die nicht steuerbaren Auslandsumsätze<br />

einzubeziehen (BFH-Urteil vom 7.10.2009 – II R 23/08 – BStBl. 2010 II, S. 219). Sie sind ggf. zu schätzen;<br />

§ 162 gilt entsprechend. Bei einem Dauerverlustbetrieb einer juristischen Person <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts<br />

führt allein das Überschreiten <strong>de</strong>r Umsatzgrenze nach § 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 nicht zu einer<br />

Buchführungspflicht, wenn dieser mangels Gewinnerzielungsabsicht kein gewerbliches Unternehmen<br />

darstellt (BMF-Schreiben vom 9.2.2012, BStBl. I, S. 184). Da die Gewinngrenze für die land- und<br />

forstwirtschaftlichen Betriebe (§ 141 Abs. 1 Nr. 5) auf das Kalen<strong>de</strong>rjahr abstellt, wer<strong>de</strong>n bei einem vom<br />

Kalen<strong>de</strong>rjahr abweichen<strong>de</strong>n Wirtschaftsjahr die zeitanteiligen Gewinne aus zwei Wirtschaftsjahren<br />

angesetzt. Für die Bestimmung <strong>de</strong>r Buchführungsgrenzen nach § 141 Abs. 1 Nr. 3 sind die<br />

Einzelertragswerte <strong>de</strong>r im Einheitswert erfassten Nebenbetriebe bei <strong>de</strong>r Ermittlung <strong>de</strong>s Wirtschaftswertes <strong>de</strong>r<br />

selbstbewirtschafteten Flächen nicht anzusetzen (BFH-Urteil vom 6.7.1989 – IV R 97/87 – BStBl. 1990 II,<br />

S. 606).<br />

4. Die Finanzbehör<strong>de</strong> hat <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen auf <strong>de</strong>n Beginn <strong>de</strong>r Buchführungspflicht hinzuweisen. Diese<br />

Mitteilung soll <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen min<strong>de</strong>stens einen Monat vor Beginn <strong>de</strong>s Wirtschaftsjahres bekannt<br />

gegeben wer<strong>de</strong>n, von <strong>de</strong>ssen Beginn ab die Buchführungspflicht zu erfüllen ist. Zur Bekanntgabe <strong>de</strong>r<br />

Mitteilung über <strong>de</strong>n Beginn <strong>de</strong>r Buchführungspflicht bei ungeklärter Unternehmereigenschaft <strong>de</strong>r Ehegatten<br />

als Miteigentümer <strong>de</strong>r Nutzflächen eines landwirtschaftlichen Betriebs Hinweis auf BFH-Urteile vom<br />

23.1.1986 – IV R 108/85 – BStBl. II, S. 539 und vom 26.11.1987 – IV R 22/86 – BStBl. 1988 II, S. 238.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 123 von 235


Wer<strong>de</strong>n die Buchführungsgrenzen nicht mehr überschritten, so wird <strong>de</strong>r Wegfall <strong>de</strong>r Buchführungspflicht<br />

dann nicht wirksam, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> vor <strong>de</strong>m Erlöschen <strong>de</strong>r Verpflichtung wie<strong>de</strong>rum das Bestehen<br />

<strong>de</strong>r Buchführungspflicht feststellt. Beim einmaligen Überschreiten <strong>de</strong>r Buchführungsgrenze soll auf Antrag<br />

nach § 148 Befreiung von <strong>de</strong>r Buchführungspflicht bewilligt wer<strong>de</strong>n, wenn nicht zu erwarten ist, dass die<br />

Grenze auch später überschritten wird. Bei <strong>de</strong>r Prüfung, ob die in § 141 Abs. 1 Nr. 4 und 5 aufgeführten,<br />

Buchführungsgrenzen überschritten wer<strong>de</strong>n, sind erhöhte Absetzungen für Abnutzung sowie<br />

Son<strong>de</strong>rabschreibungen unberücksichtigt zu lassen (§ 7a Abs. 6 EStG). Erhöhte Absetzungen für Abnutzung<br />

sind nur insoweit <strong>de</strong>m Gewinn zu<strong>zur</strong>echnen, als diese die Absetzungsbeträge nach § 7 Abs. 1 o<strong>de</strong>r 4 EStG<br />

übersteigen (§ 7a Abs. 3 EStG).<br />

5. Die Buchführungspflicht geht nach § 141 Abs. 3 kraft Gesetzes über. Es ist nicht Voraussetzung, dass eine<br />

<strong>de</strong>r in § 141 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 aufgeführten Buchführungsgrenzen überschritten ist. Als Eigentümer bzw.<br />

Nutzungsberechtigter kommen z. B. in Betracht: Erwerber, Erbe, Pächter, Nießbraucher. Eine Übernahme<br />

<strong>de</strong>s Betriebs im Ganzen liegt vor, wenn seine I<strong>de</strong>ntität gewahrt bleibt. Dies ist <strong>de</strong>r Fall, wenn die<br />

wesentlichen Grundlagen <strong>de</strong>s Betriebs als einheitliches Ganzes erhalten bleiben. Dies liegt nicht vor, wenn<br />

nur <strong>de</strong>r landwirtschaftliche, nicht aber auch <strong>de</strong>r forstwirtschaftliche Teilbetrieb übernommen wird (BFH-<br />

Urteil vom 24.2.1994 – IV R 4/93 – BStBl. II, S. 677).<br />

Zu § 143 – Aufzeichnung <strong>de</strong>s Wareneingangs:<br />

1. Zur geson<strong>de</strong>rten Aufzeichnung <strong>de</strong>s Wareneingangs sind nur gewerbliche Unternehmer (siehe zu § 141 Nr. 1)<br />

verpflichtet; Land- und Forstwirte fallen nicht unter die Vorschrift. Die Aufzeichnungspflicht besteht<br />

unabhängig von <strong>de</strong>r Buchführungspflicht. Bei buchführen<strong>de</strong>n Gewerbetreiben<strong>de</strong>n genügt es, wenn sich die<br />

gefor<strong>de</strong>rten Angaben aus <strong>de</strong>r Buchführung ergeben.<br />

2. Beson<strong>de</strong>re Aufzeichnungspflichten, die in Einzelsteuergesetzen vorgeschrieben sind (z. B. nach § 22 UStG),<br />

wer<strong>de</strong>n von dieser Vorschrift nicht berührt.<br />

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Zu § 144 – Aufzeichnung <strong>de</strong>s Warenausgangs:<br />

Zur geson<strong>de</strong>rten Aufzeichnung <strong>de</strong>s Warenausgangs sind gewerbliche Unternehmer (siehe zu § 141 Nr. 1) sowie<br />

nach § 144 Abs. 5 auch buchführungspflichtige Land- und Forstwirte verpflichtet. Mit <strong>de</strong>r Einbeziehung <strong>de</strong>r<br />

buchführungspflichtigen Land- und Forstwirte in die Vorschrift soll eine bessere Überprüfung <strong>de</strong>r Käufer landund<br />

forstwirtschaftlicher Produkte (z. B. Obst- o<strong>de</strong>r Gemüsehändler) ermöglicht wer<strong>de</strong>n. Bei buchführen<strong>de</strong>n<br />

Unternehmern können die Aufzeichnungspflichten im Rahmen <strong>de</strong>r Buchführung erfüllt wer<strong>de</strong>n. Beson<strong>de</strong>re<br />

Aufzeichnungspflichten, z. B. nach § 22 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 UStG, bleiben unberührt. Erleichterungen nach § 14<br />

Abs. 6 UStG für die Ausstellung von Rechnungen (z. B. nach §§ 31, 33 UStDV) gelten auch für diese<br />

Vorschrift. Bei Verstoß gegen die Aufzeichnungspflichten nach § 144 kann eine Ordnungswidrigkeit nach § 379<br />

Abs. 2 Nr. 1a vorliegen.<br />

Zu § 146 – Ordnungsvorschriften für die Buchführung und für Aufzeichnungen:<br />

1. Nur <strong>de</strong>r ordnungsmäßigen Buchführung kommt Beweiskraft zu (§ 158). Verstöße gegen die<br />

Buchführungsvorschriften (§§ 140 bis 147) können z. B. die Anwendung von Zwangsmitteln nach § 328,<br />

eine Schätzung nach § 162 o<strong>de</strong>r eine Ahndung nach § 379 Abs. 1 <strong>zur</strong> Folge haben. Die Verletzung <strong>de</strong>r<br />

Buchführungspflichten ist unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>r §§ 283 und 283b StGB (sog. Insolvenzstraftaten)<br />

strafbar.<br />

2. Der Begriff „geordnet“ in § 146 Abs. 1 besagt, dass je<strong>de</strong> sinnvolle Ordnung genügt, die einen<br />

sachverständigen Dritten in <strong>de</strong>n Stand setzt, sich in angemessener Zeit einen Überblick über die<br />

Geschäftsvorfälle und über die Lage <strong>de</strong>s Unternehmens zu verschaffen.<br />

3. Die Festsetzung eines Verzögerungsgelds gemäß § 146 Abs. 2b in Zusammenhang mit<br />

Mitwirkungsverstößen im Rahmen von Außenprüfungen ist nicht auf Fälle beschränkt, bei <strong>de</strong>nen die<br />

elektronische Buchführung im Ausland geführt und/o<strong>de</strong>r aufbewahrt wird. Eine mehrfache Festsetzung eines<br />

Verzögerungsgelds wegen fortdauern<strong>de</strong>r Nichtvorlage <strong>de</strong>rselben Unterlagen ist jedoch nicht zulässig (BFH-<br />

Beschlüsse vom 16.6.2011 – IV B 120/10 – BStBl. II, S. 855 und vom 28.6.2011 – X B 37/11 – BFH/NV<br />

S. 1833–1835). Wird die Verpflichtung nach Festsetzung <strong>de</strong>s Verzögerungsgel<strong>de</strong>s erfüllt, so ist <strong>de</strong>r Vollzug<br />

nicht einzustellen.<br />

4. § 146 Abs. 5 enthält die gesetzliche Grundlage für die sog. „Offene Posten-Buchhaltung“ sowie für die<br />

Führung <strong>de</strong>r Bücher und sonst erfor<strong>de</strong>rlichen Aufzeichnungen auf maschinell lesbaren Datenträgern (z. B.<br />

Magnetplatten, Magnetbän<strong>de</strong>r, Blu-ray-Disk, Flash-Speicher). Bei einer Buchführung auf maschinell<br />

lesbaren Datenträgern (DV-gestützte Buchführung) müssen die Daten unverzüglich lesbar gemacht wer<strong>de</strong>n<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 124 von 235


können. Es wird nicht verlangt, dass <strong>de</strong>r Buchungsstoff zu einem bestimmten Zeitpunkt (z. B. zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

Jahres) lesbar gemacht wird. Er muss ganz o<strong>de</strong>r teilweise lesbar gemacht wer<strong>de</strong>n, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> es<br />

verlangt (§ 147 Abs. 5). Wer seine Bücher o<strong>de</strong>r sonst erfor<strong>de</strong>rlichen Aufzeichnungen auf maschinell lesbaren<br />

Datenträgern führt, hat die Grundsätze ordnungsgemäßer DV-geschützter Buchführungssysteme – GoBS –<br />

zu beachten (BMF-Schreiben vom 7.11.1995, BStBl. I, S. 738).<br />

5. Es ist Aufgabe <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen selbst, seine vorzulegen<strong>de</strong>n Daten so zu organisieren, dass bei einer<br />

zulässigen Einsichtnahme in die steuerlich relevanten Datenbestän<strong>de</strong> keine gesetzlich geschützten Bereiche<br />

tangiert wer<strong>de</strong>n können, zum Beispiel bei Rechtsanwälten, Steuerberatern, Ärzten usw.<br />

Zu § 147 – Ordnungsvorschriften für die Aufbewahrung von Unterlagen:<br />

1. Die Aufbewahrungspflicht ist Bestandteil <strong>de</strong>r Buchführungs- und Aufzeichnungspflicht. Wegen <strong>de</strong>r<br />

Rechtsfolgen bei Verstößen vgl. zu § 146, Nr. 1.<br />

2. Den in § 147 Abs. 1 Nr. 1 aufgeführten Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen kommt<br />

bei DV-gestützten Buchführungen beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung zu. Die Dokumentation hat nach Maßgabe <strong>de</strong>r<br />

Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme – GoBS – (BMF-Schreiben vom<br />

7.11.1995, BStBl. I, S. 738) zu erfolgen.<br />

3. Bildträger i. S. <strong>de</strong>s § 147 Abs. 2 sind z. B. Fotokopien, Mikrofilme. Als an<strong>de</strong>re Datenträger kommen z. B.<br />

Magnetbän<strong>de</strong>r, Magnetplatten, CD, DVD, Blu-ray-Disk, Flash-Speicher in Betracht. § 147 Abs. 2 enthält<br />

auch die Rechtsgrundlage für das sog. COM-Verfahren (Computer Output Microfilm); bei diesem Verfahren<br />

wer<strong>de</strong>n die Daten aus <strong>de</strong>m Computer direkt auf Mikrofilm ausgegeben. Bei <strong>de</strong>r Aufzeichnung von Schriftgut<br />

auf Mikrofilm sind die Mikrofilm-Grundsätze (BMF-Schreiben vom 1.2.1984, BStBl. I, S. 155) zu beachten.<br />

Die Lesbarmachung von in nicht lesbarer Form aufbewahrten Unterlagen richtet sich nach § 147 Abs. 5.<br />

4. Zur Anwendung <strong>de</strong>s § 147 Abs. 6 wird auf das BMF-Schreiben vom 16.7.2001 (BStBl. I, S. 415)<br />

„Grundsätze zum Datenzugriff und <strong>zur</strong> Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU)“ hingewiesen.<br />

5. Zur Aufbewahrung digitaler Unterlagen bei Bargeschäften vgl. BMF-Schreiben vom 26.11.2010 (BStBl. I,<br />

S. 1342).<br />

Zu § 148 – Bewilligung von Erleichterungen:<br />

Die Bewilligung von Erleichterungen kann sich nur auf steuerrechtliche Buchführungs-, Aufzeichnungs- und<br />

Aufbewahrungspflichten erstrecken. § 148 lässt eine dauerhafte Befreiung von diesen Pflichten nicht zu.<br />

Persönliche Grün<strong>de</strong>, wie Alter und Krankheit <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen, rechtfertigen regelmäßig keine<br />

Erleichterungen (BFH-Urteil vom 14.7.1954 – II 63/53 U – BStBl. III, S. 253). Eine Bewilligung soll nur<br />

ausgesprochen wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige sie beantragt.<br />

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Zu § 150 – Form und Inhalt <strong>de</strong>r Steuererklärungen:<br />

Die Umsatzsteuer-Jahreserklärung ist eine Steueranmeldung i. S. d. § 150 Abs. 1 Satz 3, da <strong>de</strong>r Unternehmer<br />

nach § 18 Abs. 3 UStG nach Ablauf eines Kalen<strong>de</strong>rjahres eine Umsatzsteuererklärung abzugeben hat, in <strong>de</strong>r er<br />

die Umsatzsteuer o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Überschuss selbst berechnen muss. Wegen <strong>de</strong>r Festsetzung <strong>de</strong>r Steuer bei einer<br />

Steueranmeldung vgl. zu § 167, wegen <strong>de</strong>r Wirkung einer Steueranmeldung vgl. zu § 168. Zu <strong>de</strong>n Grundsätzen<br />

für die Verwendung von Steuererklärungsvordrucken vgl. BMF-Schreiben vom 3.4.2012, BStBl. I, S. 522.<br />

Zu § 151 – Aufnahme <strong>de</strong>r Steuererklärung an Amtsstelle:<br />

Eine Aufnahme <strong>de</strong>r Steuererklärung an Amtsstelle kommt i. d. R. nur bei geschäftlich unerfahrenen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>utschen Sprache unkundigen Steuerpflichtigen in Betracht, die nicht fähig sind, die Steuererklärung selbst<br />

schriftlich abzugeben o<strong>de</strong>r unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 150 Abs. 1 Satz 2 elektronisch zu übermitteln, und<br />

auch nicht in <strong>de</strong>r Lage sind, die Hilfe eines Angehörigen <strong>de</strong>r steuerberaten<strong>de</strong>n Berufe in Anspruch zu nehmen.<br />

Zu § 152 – Verspätungszuschlag:<br />

1. Der Verspätungszuschlag wird gegen <strong>de</strong>n Erklärungspflichtigen festgesetzt. Wird die Steuererklärung von<br />

einem gesetzlichen Vertreter o<strong>de</strong>r einer sonstigen Person i. S. d. §§ 34, 35 abgegeben, so ist <strong>de</strong>r<br />

Verspätungszuschlag gleichwohl grundsätzlich gegen <strong>de</strong>n Steuerschuldner festzusetzen (vgl. BGH-Urteil<br />

vom 18.4.1991 – IV R 127/89 – BStBl. II, S. 675). Eine Festsetzung gegen <strong>de</strong>n Vertreter kommt nur in<br />

Ausnahmefällen (z. B. leichtere Beitreibbarkeit <strong>de</strong>s Verspätungszuschlags gegen <strong>de</strong>n Vertreter) in Betracht.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 125 von 235


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2. Das Versäumnis ist regelmäßig dann nicht entschuldbar, wenn die Steuererklärung wie<strong>de</strong>rholt nicht o<strong>de</strong>r<br />

wie<strong>de</strong>rholt nicht fristgemäß abgegeben wur<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r eine von <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> antragsgemäß bewilligte<br />

Fristverlängerung (§ 109) nicht eingehalten wur<strong>de</strong>.<br />

3. Der Verspätungszuschlag ist eine Nebenleistung (§ 3 Abs. 4). Er entsteht mit <strong>de</strong>r Bekanntgabe seiner<br />

Festsetzung (§ 124 Abs. 1) und wird mit Ablauf <strong>de</strong>r vom Finanzamt gesetzten Frist fällig (§ 220 Abs. 2).<br />

I.d.R. ist dies die Zahlungsfrist für die Steuer (Ausnahme vgl. Nr. 6). Wegen <strong>de</strong>r Verjährung <strong>de</strong>s<br />

Verspätungszuschlags wird auf § 228 hingewiesen, wegen <strong>de</strong>r Rücknahme und <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rrufs auf §§ 130,<br />

131, wegen <strong>de</strong>r Haftung für Verspätungszuschläge auf §§ 69 ff.<br />

4. Ein Verspätungszuschlag kann auch bei verspäteter Abgabe o<strong>de</strong>r bei Nichtabgabe von Erklärungen <strong>zur</strong><br />

geson<strong>de</strong>rten Feststellung (§ 180) festgesetzt wer<strong>de</strong>n. In diesem Fall sind bei <strong>de</strong>r Bemessung <strong>de</strong>s<br />

Verspätungszuschlages die steuerlichen Auswirkungen nach <strong>de</strong>n Grundsätzen zu schätzen, die die<br />

Rechtsprechung zu <strong>de</strong>r Bemessung <strong>de</strong>s Streitwerts entwickelt hat. Der Verspätungszuschlag ist abweichend<br />

von Nr. 1 Satz 3 gegen <strong>de</strong>njenigen festzusetzen, <strong>de</strong>r nach § 181 Abs. 2 AO, § 3 Abs. 1 <strong>de</strong>r VO zu § 180<br />

Abs. 2 AO die Erklärung <strong>zur</strong> geson<strong>de</strong>rten Feststellung abzugeben hat. Bei mehreren Feststellungsbeteiligten<br />

ist es grundsätzlich ermessensfehlerfrei, ihn gegen <strong>de</strong>n Erklärungspflichtigen festzusetzen, <strong>de</strong>r gegenüber<br />

<strong>de</strong>m Finanzamt bei <strong>de</strong>r Erledigung <strong>de</strong>r steuerlichen Angelegenheiten für die Gemeinschaft bzw. die<br />

Beteiligten auftritt (vgl. BFH-Urteil vom 21.5.1987 – IV R 134/83 – BStBl. II, S. 764).<br />

5. Bei verspäteter Abgabe einer Steueranmeldung (§ 168) ist <strong>de</strong>r Verspätungszuschlag durch beson<strong>de</strong>ren<br />

Verwaltungsakt festzusetzen. Einer beson<strong>de</strong>ren Begründung bedarf es hierbei i. d. R. nicht (§ 121 Abs. 2<br />

Nr. 2). Unabhängig von <strong>de</strong>r Fälligkeit <strong>de</strong>r Steuer ist in diesen Fällen jedoch eine Zahlungsfrist für <strong>de</strong>n<br />

Verspätungszuschlag ein<strong>zur</strong>äumen (§ 220 Abs. 2).<br />

6. Nach § 152 Abs. 2 Satz 1 darf <strong>de</strong>r Verspätungszuschlag höchstens 25 000 € betragen (<strong>zur</strong> Anwendung siehe<br />

Art. 97 § 8 Abs. 2 EGAO). Ein Verspätungszuschlag i. H. v. mehr als 5 000 € ist nur festzusetzen, wenn mit<br />

einem Verspätungszuschlag i. H. v. bis zu 5 000 € ein durch die verspätete Abgabe <strong>de</strong>r Steuererklärung<br />

(Steueranmeldung) entstan<strong>de</strong>ner Zinsvorteil nicht ausreichend abgeschöpft wer<strong>de</strong>n kann.<br />

7. Bei <strong>de</strong>r Ermessensentscheidung sind sämtliche in § 152 Abs. 2 Satz 2 ausdrücklich und abschließend<br />

aufgezählten Kriterien zu beachten; das Für und Wi<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Kriterien ist gegeneinan<strong>de</strong>r abzuwägen (BFH-<br />

Urteil vom 26.4.1989 – I R 10/85 – BStBl. II, S. 693). Wenngleich die Beurteilungsmerkmale grundsätzlich<br />

gleichwertig sind, sind sie nicht notwendigerweise in je<strong>de</strong>m Fall in gleicher Weise zu gewichten. Im<br />

Ergebnis kann je nach <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Einzelfalls ein Merkmal stärker als ein an<strong>de</strong>res hervortreten<br />

(BFH-Urteil vom 11.6.1997 – X R 14/95 – BStBl. II, S. 642) o<strong>de</strong>r auch ganz ohne Auswirkung auf die<br />

Bemessung bleiben.<br />

Danach gilt für die Anwendung <strong>de</strong>s § 152 Abs. 2 Satz 2 grundsätzlich Folgen<strong>de</strong>s (BFH-Urteil vom<br />

14.6.2000 – X R 56/98 – BStBl. 2001 II, S. 60 m. w. N.):<br />

– Es ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Höhe <strong>de</strong>s Verspätungszuschlags <strong>de</strong>n durch die verspätete<br />

Abgabe <strong>de</strong>r Erklärung gezogenen Vorteil erheblich übersteigt.<br />

– Da die Bemessung <strong>de</strong>s Zuschlags nicht durch das Maß <strong>de</strong>s gezogenen Vorteils begrenzt wird, kommt es<br />

u. U. nicht entschei<strong>de</strong>nd darauf an, ob und in welcher Höhe letztlich ein Zinsvorteil erzielt wur<strong>de</strong>.<br />

– Ein Verspätungszuschlag kann auch festgesetzt wer<strong>de</strong>n, obwohl es aufgrund von Anrechnungsbeträgen<br />

zu einer Erstattung gekommen ist o<strong>de</strong>r wenn ein o<strong>de</strong>r zwei <strong>de</strong>r in § 152 Abs. 2 Satz 2 genannten und in<br />

je<strong>de</strong>m Fall zu prüfen<strong>de</strong>n Voraussetzungen nicht erfüllt sind.<br />

– Es ist in schweren Fällen (z. B. bei erheblicher Fristüberschreitung, schwerwiegen<strong>de</strong>m Verschul<strong>de</strong>n und<br />

hoher Steuerfestsetzung) nicht ermessensfehlerhaft, <strong>de</strong>n Verspätungszuschlag so zu bemessen, dass er als<br />

angemessene Sanktion wirkt.<br />

– Bei <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r Frage, welche Vorteile <strong>de</strong>r Steuerpflichtige aus <strong>de</strong>r verspäteten o<strong>de</strong>r<br />

unterlassenen Abgabe <strong>de</strong>r Steuererklärung gezogen hat, ist zu berücksichtigen, dass Zinsvorteile bereits<br />

durch Zinsen nach § 233a teilweise ausgeglichen sein können.<br />

Zu § 154 – Kontenwahrheit:<br />

1. Das Verbot, falsche o<strong>de</strong>r erdichtete Namen zu verwen<strong>de</strong>n, richtet sich an <strong>de</strong>njenigen, <strong>de</strong>r als Kun<strong>de</strong> bei<br />

einem an<strong>de</strong>ren ein Konto errichten lassen will o<strong>de</strong>r Buchungen vornehmen lässt. Wegen <strong>de</strong>s Verbots im<br />

eigenen Geschäftsbetrieb falsche o<strong>de</strong>r erdichtete Namen für Konten zu gebrauchen, Hinweis auf § 146<br />

Abs. 1.<br />

2. Es ist zulässig, Konten auf <strong>de</strong>n Namen Dritter zu errichten, hierbei ist die Existenz <strong>de</strong>s Dritten nachzuweisen.<br />

Der ausdrücklichen Zustimmung <strong>de</strong>s Dritten bedarf es nicht.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 126 von 235


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3. Je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r für einen an<strong>de</strong>ren Konten führt, Wertsachen verwahrt o<strong>de</strong>r von ihm als Pfand nimmt o<strong>de</strong>r ihm ein<br />

Schließfach überlässt, hat sich Gewissheit über die Person <strong>de</strong>s Verfügungsberechtigten zu verschaffen. Die<br />

Vorschrift ist nicht auf Kreditinstitute beschränkt, son<strong>de</strong>rn gilt auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr und<br />

für Privatpersonen. Verboten ist die Abwicklung von Geschäftsvorfällen über sog. CpD-Konten, wenn <strong>de</strong>r<br />

Name <strong>de</strong>s Beteiligten bekannt ist o<strong>de</strong>r unschwer ermittelt wer<strong>de</strong>n kann und für ihn bereits ein entsprechen<strong>de</strong>s<br />

Konto geführt wird.<br />

4. Das Kreditinstitut hat sich vor Erledigung von Aufträgen, die über ein Konto abgewickelt wer<strong>de</strong>n sollen,<br />

bzw. vor Überlassung eines Schließfachs Gewissheit über die Person und Anschrift <strong>de</strong>s (<strong>de</strong>r)<br />

Verfügungsberechtigten zu verschaffen. Gewissheit über die Person besteht im Allgemeinen nur, wenn <strong>de</strong>r<br />

vollständige Name, das Geburtsdatum und <strong>de</strong>r Wohnsitz bekannt sind. Eine vorübergehen<strong>de</strong> Anschrift<br />

(Hoteladresse) reicht nicht aus. Bei einer juristischen Person (Körperschaft <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts, AG,<br />

GmbH usw.) reicht die Bezugnahme auf eine amtliche Veröffentlichung o<strong>de</strong>r ein amtliches Register unter<br />

Angabe <strong>de</strong>r Register-Nr. aus. Wird ein Konto auf <strong>de</strong>n Namen eines verfügungsberechtigten Dritten errichtet,<br />

müssen die Angaben über Person und Anschrift sowohl <strong>de</strong>s Kontoinhabers als auch <strong>de</strong>sjenigen, <strong>de</strong>r das<br />

Konto errichtet, festgehalten wer<strong>de</strong>n. Steht <strong>de</strong>r Verfügungsberechtigte noch nicht fest (z. B. <strong>de</strong>r unbekannte<br />

Erbe), reicht es aus, wenn das Kreditinstitut sich zunächst Gewissheit über die Person und Anschrift <strong>de</strong>s das<br />

Konto Errichten<strong>de</strong>n (z. B. <strong>de</strong>s Nachlasspflegers) verschafft; die Legitimation <strong>de</strong>s Kontoinhabers ist sobald<br />

wie möglich nachzuholen.<br />

5. Diese Angaben sind auf <strong>de</strong>m Kontostammblatt zu machen. Es ist unzulässig, Name und Anschrift <strong>de</strong>s<br />

Verfügungsberechtigten lediglich in einer vertraulichen Liste zu führen und das eigentliche Konto nur mit<br />

einer Nummer zu kennzeichnen. Die Führung sog. Nummernkonten bleibt verboten. Bei Auflösung <strong>de</strong>s<br />

ersten Kontos müssen die I<strong>de</strong>ntifikationsmerkmale auf das zweite bzw. weitere Konto bzw. auf die<br />

betreffen<strong>de</strong>n Kontounterlagen übertragen wer<strong>de</strong>n.<br />

6. Das Kreditinstitut ist nach § 154 Abs. 2 Satz 2 verpflichtet, ein beson<strong>de</strong>res alphabetisch geführtes<br />

Namensverzeichnis <strong>de</strong>r Verfügungsberechtigten zu führen, um je<strong>de</strong>rzeit über die Konten und Schließfächer<br />

eines Verfügungsberechtigten Auskunft geben zu können. Eines <strong>de</strong>rartigen Verzeichnisses bedarf es nicht,<br />

wenn die Erfüllung <strong>de</strong>r Verpflichtung auf an<strong>de</strong>re Weise sichergestellt wer<strong>de</strong>n kann. Die Verpflichtung<br />

besteht noch sechs Jahre nach Beendigung <strong>de</strong>r Geschäftsbeziehung, bei Bevollmächtigten sechs Jahre nach<br />

Erlöschen <strong>de</strong>r Vollmacht.<br />

7. Verfügungsberechtigte i. S. d. vorstehen<strong>de</strong>n Nummern sind sowohl <strong>de</strong>r Gläubiger <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rung und seine<br />

gesetzlichen Vertreter als auch je<strong>de</strong> Person, die <strong>zur</strong> Verfügung über das Konto bevollmächtigt ist<br />

(Kontovollmacht). Dies gilt entsprechend für die Verwahrung von Wertsachen sowie für die Überlassung<br />

von Schließfächern. Personen, die aufgrund Gesetzes o<strong>de</strong>r Rechtsgeschäfts <strong>zur</strong> Verfügung berechtigt sind,<br />

ohne dass diese Berechtigung <strong>de</strong>m Kreditinstitut usw. mitgeteilt wor<strong>de</strong>n ist, gelten insoweit nicht als<br />

Verfügungsberechtigte.<br />

Nach <strong>de</strong>m Grundsatz <strong>de</strong>r Verhältnismäßigkeit ist nicht zu beanstan<strong>de</strong>n, wenn in folgen<strong>de</strong>n Fällen auf die<br />

Legitimationsprüfung (Nrn. 3 bis 5) und die Herstellung <strong>de</strong>r Auskunftsbereitschaft (Nr. 6) verzichtet wird:<br />

a) bei Eltern als gesetzliche Vertreter ihrer min<strong>de</strong>rjährigen Kin<strong>de</strong>r, wenn die Voraussetzungen für die<br />

gesetzliche Vertretung bei Kontoeröffnung durch amtliche Urkun<strong>de</strong>n nachgewiesen wer<strong>de</strong>n,<br />

b) bei Vormundschaften und Pflegschaften, einschließlich Amtsvormundschaften und Amtspflegschaften,<br />

sowie bei rechtlicher Betreuung (§§ 1896 ff. BGB),<br />

c) bei Parteien kraft Amtes (Konkursverwalter, Insolvenzverwalter, Zwangsverwalter, Nachlassverwalter,<br />

Testamentsvollstrecker und ähnliche Personen),<br />

d) bei Pfandnehmern (insbeson<strong>de</strong>re in Bezug auf Mietkautionskonten, bei <strong>de</strong>nen die Einlage auf einem<br />

Konto <strong>de</strong>s Mieters erfolgt und an <strong>de</strong>n Vermieter verpfän<strong>de</strong>t wird),<br />

e) bei Vollmachten auf <strong>de</strong>n To<strong>de</strong>sfall (auch nach diesem Ereignis),<br />

f) bei Vollmachten <strong>zur</strong> einmaligen Verfügung über ein Konto,<br />

g) bei Verfügungsbefugnissen im Lastschriftverfahren (Abbuchungsauftragsverfahren und<br />

Einzugsermächtigungsverfahren),<br />

h) bei Vertretung juristischer Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts (einschließlich Eigenbetriebe),<br />

i) bei Vertretung von Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen,<br />

j) bei <strong>de</strong>n als Vertretern eingetragenen Personen, die in öffentlichen Registern (Han<strong>de</strong>lsregister,<br />

Vereinsregister) eingetragene Firmen o<strong>de</strong>r Personen vertreten,<br />

k) bei Vertretung von Unternehmen, sofern schon min<strong>de</strong>stens fünf Personen, die in öffentliche Register<br />

eingetragen sind bzw. bei <strong>de</strong>nen eine Legitimationsprüfung stattgefun<strong>de</strong>n hat, Verfügungsbefugnis<br />

haben,<br />

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l) bei vor <strong>de</strong>m 1.1.1992 begrün<strong>de</strong>ten, noch bestehen<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r bereits erloschenen Befugnissen.<br />

Unberührt bleibt die Befugnis <strong>de</strong>r Finanzämter, im Besteuerungsverfahren Auskünfte von<br />

Auskunftspersonen (§§ 93, 94) einzuholen und die Vorlage von Unterlagen (§ 97) zu verlangen sowie in<br />

einem Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat o<strong>de</strong>r in einem Bußgeldverfahren wegen einer<br />

Steuerordnungswidrigkeit die Befugnis <strong>zur</strong> Vernehmung von Zeugen o<strong>de</strong>r <strong>zur</strong> Beschlagnahme von<br />

Unterlagen (§§ 208, 399 Abs. 2, § 410).<br />

8. Bei einem Verstoß gegen § 154 Abs. 3 haftet <strong>de</strong>r Zuwi<strong>de</strong>rhan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> nach Maßgabe <strong>de</strong>s § 72. Waren über ein<br />

Konto usw. mehrere Personen verfügungsberechtigt (mit Ausnahme <strong>de</strong>r in Nr. 7 Satz 4 genannten Fälle),<br />

bedarf es u. U. <strong>de</strong>r Zustimmung aller beteiligten Finanzämter <strong>zur</strong> Herausgabe.<br />

9. Wegen <strong>de</strong>r Ahndung einer Verletzung <strong>de</strong>s § 154 Abs. 1 als Ordnungswidrigkeit Hinweis auf § 379 Abs. 2<br />

Nr. 2.<br />

10. Die Verletzung <strong>de</strong>r Verpflichtungen nach § 154 Abs. 2 führt allein noch nicht unmittelbar zu einer Haftung<br />

o<strong>de</strong>r Ahndung wegen Ordnungswidrigkeit. Es kann sich jedoch um eine Steuergefährdung i. S. d. § 379<br />

Abs. 1 Nr. 3 han<strong>de</strong>ln, soweit nicht sogar <strong>de</strong>r Tatbestand <strong>de</strong>s § 370 erfüllt ist. Wird festgestellt, dass die nach<br />

§ 154 Abs. 2 bestehen<strong>de</strong>n Verpflichtungen nicht erfüllt sind, soll die für Straf- und Bußgeldsachen<br />

zuständige Stelle unterrichtet wer<strong>de</strong>n. Die Möglichkeit <strong>de</strong>r Erzwingung <strong>de</strong>r Verpflichtungen (§§ 328 ff.)<br />

bleibt unberührt.<br />

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Zu § 155 – Steuerfestsetzung:<br />

1. Wegen Einzelheiten <strong>zur</strong> Bekanntgabe von Steuerbeschei<strong>de</strong>n vgl. zu § 122. Wegen <strong>de</strong>r Wirksamkeit von<br />

Steuerbeschei<strong>de</strong>n wird auf § 124 hingewiesen, wegen formeller Fehler auf §§ 126 bis 129, wegen Form und<br />

Inhalt auf § 157.<br />

2. Die volle o<strong>de</strong>r teilweise Freistellung von <strong>de</strong>r Steuer sowie die Ablehnung eines Antrags auf Festsetzung <strong>de</strong>r<br />

Steuer erfolgt durch Steuerbescheid. Daher ist z. B. die Erstattung von Kapitalertragsteuer aufgrund von<br />

Doppelbesteuerungsabkommen eine Steuerfestsetzung i. S. d. Vorschrift. Es gelten alle<br />

Verfahrensvorschriften, die bei <strong>de</strong>r Festsetzung von Steuern anzuwen<strong>de</strong>n sind. Für die Festsetzung sind<br />

insbeson<strong>de</strong>re die Grundsätze über die Festsetzungsfrist zu beachten (§§ 169 ff., § 47). Für die Aufhebung<br />

und Än<strong>de</strong>rung dieser Steuerbeschei<strong>de</strong> sind die §§ 172 ff. maßgebend.<br />

3. Ansprüche <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen, die auf Rückzahlung eines überzahlten Betrages gerichtet sind (z. B. bei<br />

Doppelzahlung), fallen nicht unter <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r Vergütung i. S. d. Vorschrift. Ein solcher<br />

Rückzahlungsanspruch ist im Erhebungsverfahren geltend zu machen (Hinweis auf § 218 Abs. 2).<br />

4. Nach <strong>de</strong>n Gesetzen, in <strong>de</strong>nen die Gewährung von Zulagen geregelt wird (z. B. die Investitionszulage, die<br />

Eigenheimzulage o<strong>de</strong>r die Arbeitnehmer-Sparzulage), und <strong>de</strong>n Prämiengesetzen sind die für<br />

Steuervergütungen gelten<strong>de</strong>n Vorschriften (§ 155 Abs. 4) auf Zulagen und Prämien entsprechend<br />

anzuwen<strong>de</strong>n. Die Gewährung erfolgt somit durch Festsetzung, soweit nichts an<strong>de</strong>res vorgeschrieben ist (z. B.<br />

§§ 4a, 4b WoPG). Die Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung dieser Beschei<strong>de</strong> und insbeson<strong>de</strong>re die Rückfor<strong>de</strong>rung zu<br />

Unrecht gewährter Beträge regeln sich nach <strong>de</strong>n für das Steuerfestsetzungsverfahren gelten<strong>de</strong>n Vorschriften.<br />

Zu § 156 – Absehen von Steuerfestsetzungen:<br />

Das Absehen von <strong>de</strong>r Festsetzung bringt <strong>de</strong>n Steueranspruch nicht zum Erlöschen; die Festsetzung kann<br />

innerhalb <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist nachgeholt wer<strong>de</strong>n. Wegen <strong>de</strong>r Kleinbetragsregelung für das<br />

Festsetzungsverfahren siehe die KBV (<strong>zur</strong> Anwendung siehe Art. 97 § 9a EGAO). Zur Kleinbetragsregelung für<br />

das Erhebungsverfahren siehe BMF-Schreiben vom 22.3.2001, BStBl. I, S. 242.<br />

Zu § 157 – Form und Inhalt <strong>de</strong>r Steuerbeschei<strong>de</strong>:<br />

1. Steuerbeschei<strong>de</strong>, die zwecks Bekanntgabe <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen nicht selbst übergeben wer<strong>de</strong>n, sind mit<br />

Rücksicht auf das Steuergeheimnis (§ 30) in einem verschlossenen Umschlag zu versen<strong>de</strong>n.<br />

2. Wegen <strong>de</strong>r Begründung <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s wird auf § 121 hingewiesen, wegen <strong>de</strong>r Bekanntgabe auf<br />

§§ 122, 155, wegen <strong>de</strong>r Wirksamkeit auf § 124, wegen <strong>de</strong>s Leistungsgebotes auf § 254, wegen <strong>de</strong>r Folgen<br />

bei unterbliebener o<strong>de</strong>r unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrung auf § 356.<br />

Zu § 158 – Beweiskraft <strong>de</strong>r Buchführung:<br />

Die Vorschrift enthält eine gesetzliche Vermutung. Sie verliert ihre Wirksamkeit mit <strong>de</strong>r Folge <strong>de</strong>r<br />

Schätzungsnotwendigkeit nach § 162, wenn es nach Verprobung usw. unwahrscheinlich ist, dass das<br />

ausgewiesene Ergebnis mit <strong>de</strong>n tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmt. Für die formelle Ordnungsmäßigkeit<br />

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<strong>de</strong>r Buchführung ist das Gesamtbild aller Umstän<strong>de</strong> im Einzelfall maßgebend. Eine Buchführung kann trotz<br />

einzelner Mängel nach <strong>de</strong>n §§ 140 bis 148 AO aufgrund <strong>de</strong>r Gesamtwertung als formell ordnungsmäßig<br />

erscheinen. Insoweit kommt <strong>de</strong>r sachlichen Gewichtung <strong>de</strong>r Mängel ausschlaggeben<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>utung zu. Eine<br />

Buchführung ist erst dann formell ordnungswidrig, wenn sie wesentliche Mängel aufweist o<strong>de</strong>r die Gesamtheit<br />

aller (unwesentlichen) Mängel diesen Schluss for<strong>de</strong>rt (BFH-Beschluss vom 2.12.2008 – X B 69/08 – m. w. N.).<br />

Wer<strong>de</strong>n digitale Unterlagen bei Bargeschäften nicht entsprechend <strong>de</strong>m BMF-Schreiben vom 26.11.2010,<br />

BStBl. I, S. 1342 aufbewahrt, kann dies ein schwerwiegen<strong>de</strong>r formeller Mangel <strong>de</strong>r Ordnungsmäßigkeit sein.<br />

Die gesetzliche Vermutung <strong>de</strong>r Richtigkeit <strong>de</strong>r Kassenbuchführung erfor<strong>de</strong>rt, dass ein schlüssiger Nachweis<br />

hinsichtlich <strong>de</strong>r Unverän<strong>de</strong>rbarkeit <strong>de</strong>r Einzelbuchungen und <strong>de</strong>ren Zusammenführung bei <strong>de</strong>r Erstellung<br />

steuerlicher Abschlüsse geführt wer<strong>de</strong>n kann. Das Buchführungsergebnis ist nicht zu übernehmen, soweit die<br />

Beanstandungen reichen. Eine Vollschätzung an Stelle einer Zuschätzung kommt nur dann in Betracht, wenn<br />

sich die Buchführung in wesentlichen Teilen als unbrauchbar erweist.<br />

Zu § 159 – Nachweis <strong>de</strong>r Treuhän<strong>de</strong>rschaft:<br />

Personen, die <strong>zur</strong> Verweigerung <strong>de</strong>r Auskunft aufgrund ihres Berufes berechtigt sind (§ 102), insbeson<strong>de</strong>re<br />

Angehörige <strong>de</strong>r steuerberaten<strong>de</strong>n Berufe, können ein Aussageverweigerungsrecht nur mit <strong>de</strong>r Einschränkung <strong>de</strong>s<br />

§ 104 Abs. 2 in Anspruch nehmen. Sie haften für steuerliche Folgen u. U. selbst gemäß §§ 34, 35, soweit ihnen<br />

die Wirtschaftsgüter nicht nach § 159 selbst zu<strong>zur</strong>echnen sind.<br />

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Zu § 160 – Benennung von Gläubigern und Zahlungsempfängern:<br />

1. Es steht im pflichtgemäßen Ermessen <strong>de</strong>s Finanzamts, ob es sich <strong>de</strong>n Gläubiger von Schul<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

Empfänger von Ausgaben vom Steuerpflichtigen benennen lässt (vgl. BFH-Urteile vom 25.11.1986 –<br />

VIII R 350/82 – BStBl. 1987 II, S. 286 und vom 10.3.1999 – XI R 10/98 – BStBl. II, S. 434). Liegen<br />

Anhaltspunkte für straf- o<strong>de</strong>r bußgeldbewehrte Vorteilszuwendung vor, so ist die Benennung <strong>de</strong>s Gläubigers<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Empfängers stets zu verlangen. Zum einkommensteuerrechtlichen Abzugsverbot für die Zuwendung<br />

von Vorteilen im Sinne <strong>de</strong>s § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 EStG und zum Verhältnis dieser Vorschrift zu § 160<br />

vgl. BMF-Schreiben vom 10.10.2002 (BStBl. I, S. 1031).<br />

Bei <strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>s § 160 ist nach pflichtgemäßem Ermessen zunächst zu entschei<strong>de</strong>n, ob ein<br />

Benennungsverlangen geboten ist. Das Benennungsverlangen ist eine nicht selbstständig anfechtbare<br />

Vorbereitungshandlung (BFH-Urteil vom 20.4.1988 – I R 67/84 – BStBl. II, S. 927). Zur Belehrungspflicht,<br />

wenn das Benennungsverlangen eine vermutete straf- o<strong>de</strong>r bußgeldbewehrte Vorteilszuwendung zum<br />

Gegenstand hat, vgl. Tz. 30 <strong>de</strong>s BMF-Schreibens vom 10.10.2002 (a.a.O.). Wegen <strong>de</strong>r Stellung von<br />

Personen, die aufgrund ihres Berufes <strong>zur</strong> Auskunftsverweigerung berechtigt sind, vgl. zu § 159, Satz 1.<br />

2. Unterlässt <strong>de</strong>r Steuerpflichtige es trotz Auffor<strong>de</strong>rung durch die Finanzbehör<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n Gläubiger <strong>de</strong>r Schuld<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Empfänger <strong>de</strong>r Ausgabe genau zu benennen, so ist im Rahmen einer zweiten<br />

Ermessensentscheidung zu prüfen, ob und in welcher Höhe <strong>de</strong>r Abzug <strong>de</strong>r Ausgaben bzw. Schul<strong>de</strong>n zu<br />

versagen ist. Nach § 160 Satz 1 ist <strong>de</strong>r Abzug dann „regelmäßig“ zu versagen (BFH-Urteil vom 10.3.1999 –<br />

XI R 10/98 – BStBl. II, S. 434). Ist sowohl streitig, ob <strong>de</strong>r Höhe nach Betriebsausgaben vorliegen, als auch,<br />

ob die fehlen<strong>de</strong> Benennung <strong>de</strong>r Zahlungsempfänger <strong>de</strong>m Abzug entgegensteht, so ist zunächst die Höhe <strong>de</strong>r<br />

Betriebsausgaben zu ermitteln o<strong>de</strong>r ggf. zu schätzen. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit die fehlen<strong>de</strong><br />

Benennung <strong>de</strong>r Zahlungsempfänger <strong>de</strong>m Abzug <strong>de</strong>r Betriebsausgaben entgegensteht. Die bei <strong>de</strong>r<br />

Anwendung <strong>de</strong>s § 160 zu treffen<strong>de</strong>n Ermessensentscheidungen können eine unterlassene Schätzung nicht<br />

ersetzen (BFH-Urteil vom 24.6.1997 – VIII R 9/96 – BStBl. 1998 II, S. 51).<br />

3. Wer<strong>de</strong>n Leistungen über eine Domizilgesellschaft (Briefkastenfirma) abgerechnet, so ist zunächst zu prüfen,<br />

ob <strong>de</strong>r Steuerpflichtige überhaupt eine Leistung von objektiv feststellbarem wirtschaftlichen Wert erhalten<br />

hat o<strong>de</strong>r ob lediglich ein Scheingeschäft vorliegt. Bei Leistungen an Domizilgesellschaften ist <strong>de</strong>r<br />

Empfängernachweis nur erbracht, wenn die hinter <strong>de</strong>r Gesellschaft stehen<strong>de</strong>n Personen benannt wer<strong>de</strong>n<br />

(BFH-Beschluss vom 25.8.1986 – IV B 76/86 – BStBl. 1987 II, S. 481). Das sind die Personen, die anstelle<br />

<strong>de</strong>r inaktiven Domizilgesellschaften bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine Leistung gegenüber <strong>de</strong>m<br />

Steuerpflichtigen erbracht haben und <strong>de</strong>nen damit auch die Gegenleistung zusteht. Die Benennung lediglich<br />

formaler Anteilseigner (z. B. Treuhän<strong>de</strong>r) reicht nicht aus, ebenso wenig wie die Erklärung <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen, nicht er, son<strong>de</strong>rn ein frem<strong>de</strong>r Dritter stehe hinter <strong>de</strong>r ausländischen Gesellschaft (BFH-<br />

Beschluss vom 25.8.1986, a.a.O.). Ungewissheiten hinsichtlich <strong>de</strong>r Person <strong>de</strong>s Empfängers gehen zu Lasten<br />

<strong>de</strong>s Steuerpflichtigen (BFH-Urteil vom 13.3.1985 – I R 7/81 – BStBl. 1986 II, S. 318, und BFH-Beschluss<br />

vom 9.7.1986 – I B 36/86 – BStBl. 1987 II, S. 487). Ausländische Verbotsnormen führen nicht dazu, dass<br />

ein Offenlegungsverlangen von vornherein unverhältnismäßig o<strong>de</strong>r unzumutbar wird (vgl. BFH-Urteil vom<br />

16.4.1980 – I R 75/78 – BStBl. 1981 II, S. 492). § 16 AStG bleibt unberührt.<br />

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4. Bei Zahlungen an ausländische Empfänger soll das Finanzamt – soweit keine Anhaltspunkte für eine strafo<strong>de</strong>r<br />

bußgeldbewehrte Vorteilszuwendung vorliegen – auf <strong>de</strong>n Empfängernachweis nach § 160 verzichten,<br />

wenn feststeht, dass die Zahlung im Rahmen eines üblichen Han<strong>de</strong>lsgeschäfts erfolgte, <strong>de</strong>r Geldbetrag ins<br />

Ausland abgeflossen ist und <strong>de</strong>r Empfänger nicht <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Steuerpflicht unterliegt. Hierzu ist <strong>de</strong>r<br />

Empfänger in <strong>de</strong>m Umfang zu bezeichnen, dass <strong>de</strong>ssen Steuerpflicht im Inland mit hinreichen<strong>de</strong>r Sicherheit<br />

ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n kann. Die bloße Möglichkeit einer im Inland nicht bestehen<strong>de</strong>n Steuerpflicht reicht<br />

nicht aus (BFH-Urteil vom 13.3.1985 – I R 7/81 – BStBl. 1986 II, S. 318). In geeigneten Fällen ist eine<br />

Erklärung <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Geschäft betrauten Personen sowie <strong>de</strong>s verantwortlichen Organs <strong>de</strong>s Unternehmens<br />

zu verlangen, dass ihnen keine Umstän<strong>de</strong> bekannt sind, die für einen Rückfluss <strong>de</strong>r Zuwendung an einen<br />

inländischen Empfänger sprechen. Die Zulässigkeit <strong>de</strong>r Mitteilung von Erkenntnissen <strong>de</strong>utscher<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>n im Rahmen <strong>de</strong>s § 117 bleibt hiervon unberührt.<br />

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Zu § 162 – Schätzung von Besteuerungsgrundlagen:<br />

1. Bei <strong>de</strong>r Schätzung <strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 155 Abs. 2 han<strong>de</strong>lt es sich um eine<br />

vorläufige Maßnahme <strong>de</strong>s Wohnsitzfinanzamtes, <strong>de</strong>r ein Grundlagenbescheid nachfolgen muss (BFH-Urteil<br />

vom 26.7.1983 – VIII R 28/79 – BStBl. 1984 II, S. 290).<br />

2. Wegen <strong>de</strong>r Pflicht <strong>zur</strong> Abgabe einer Steuererklärung trotz Schätzung siehe § 149 Abs. 1 Satz 4.<br />

3. Wegen <strong>de</strong>r nur eingeschränkten Offenlegung <strong>de</strong>r Verhältnisse von Vergleichsbetrieben vgl. zu § 30, Nr. 4.5.<br />

4. Wer<strong>de</strong>n die Besteuerungsgrundlagen wegen Nichtabgabe <strong>de</strong>r Steuererklärung geschätzt, ist die Steuer unter<br />

Nachprüfungsvorbehalt (§ 164) festzusetzen, wenn <strong>de</strong>r Fall für eine eventuelle spätere Überprüfung offen<br />

gehalten wer<strong>de</strong>n soll. Dies gilt z. B., wenn eine <strong>de</strong>n Schätzungszeitraum umfassen<strong>de</strong> Außenprüfung<br />

vorgesehen ist o<strong>de</strong>r zu erwarten ist, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige nach Erlass <strong>de</strong>s Bescheids die Steuererklärung<br />

nachreicht.<br />

Die unter Nachprüfungsvorbehalt stehen<strong>de</strong> Steuerfestsetzung ist – sofern <strong>de</strong>r Steuerpflichtige keinen<br />

Einspruch eingelegt bzw. keinen Än<strong>de</strong>rungsantrag gestellt hat und auch keine Außenprüfung vorgesehen<br />

ist – bei <strong>de</strong>r Veranlagung für das Folgejahr zu überprüfen. Dabei sind auch die in einem eventuellen<br />

Vollstreckungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse zu berücksichtigen. Der Nachprüfungsvorbehalt ist<br />

danach grundsätzlich aufzuheben, auch wenn die Steuerfestsetzung nicht zu än<strong>de</strong>rn ist.<br />

Zur Aufhebung <strong>de</strong>s Nachprüfungsvorbehalts in Fällen einer Fristsetzung nach § 364b vgl. zu § 364b, Nr. 2.<br />

5. Wegen <strong>de</strong>r Befugnis <strong>zur</strong> Schätzung bei Verletzung <strong>de</strong>r Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 vgl. zu § 90,<br />

Nr. 1.<br />

6. Die Besteuerungsgrundlagen sind nach § 162 Abs. 1 unter an<strong>de</strong>rem dann zu schätzen, wenn tatsächliche<br />

Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen<br />

Einnahmen o<strong>de</strong>r Betriebsvermögensmehrungen unrichtig o<strong>de</strong>r unvollständig sind. Hat <strong>de</strong>r Steuerpflichtige in<br />

einem <strong>de</strong>rartigen Fall die Zustimmung zu einem Kontenabruf verweigert (§ 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5), sind die<br />

nach Einschätzung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> nicht erklärten steuerpflichtigen Einnahmen o<strong>de</strong>r<br />

Betriebsvermögensmehrungen nach § 162 Abs. 2 Satz 2 dritte Alternative zu schätzen. In diesem Fall kann<br />

zu Lasten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen von einem Sachverhalt ausgegangen wer<strong>de</strong>n, für <strong>de</strong>n unter Berücksichtigung<br />

seiner Beweisnähe und seiner Verantwortung für die Aufklärung <strong>de</strong>s Sachverhalts eine gewisse<br />

Wahrscheinlichkeit spricht. Gleiches gilt, wenn ein mit Zustimmung <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen durchgeführter<br />

Kontenabruf keine neuen Erkenntnisse gebracht hat, z. B. bei auf ausländischen – und <strong>de</strong>swegen durch einen<br />

Kontenabruf nicht ermittelbaren – Konten zugeflossenen Einnahmen o<strong>de</strong>r bei baren Einnahmen. In diesen<br />

Fällen ist auch weiterhin eine Schätzung nach § 162 möglich, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die<br />

Angaben über Einnahmen o<strong>de</strong>r Betriebsvermögensmehrungen nicht vollständig o<strong>de</strong>r unzutreffend sind.<br />

Zu § 163 – Abweichen<strong>de</strong> Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgrün<strong>de</strong>n:<br />

1. § 163 regelt Billigkeitsmaßnahmen im Festsetzungsverfahren. Billigkeitsmaßnahmen im Erhebungsverfahren<br />

regelt § 227. Die Unbilligkeit kann sich aus sachlichen o<strong>de</strong>r aus persönlichen Grün<strong>de</strong>n ergeben.<br />

2. Ein Antrag auf eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 kann auch nach Eintritt <strong>de</strong>r Unanfechtbarkeit <strong>de</strong>r<br />

Steuerfestsetzung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n geson<strong>de</strong>rten Feststellung gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

3. Die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 stellt auch dann einen selbständigen<br />

Verwaltungsakt dar, wenn sie mit <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n geson<strong>de</strong>rten Feststellung<br />

verbun<strong>de</strong>n wird. Sie ist Grundlagenbescheid für <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Steuer- o<strong>de</strong>r Feststellungsbescheid<br />

(§ 171 Abs. 10). Wird eine Billigkeitsmaßnahme erst nach Erlass <strong>de</strong>s hiervon betroffenen Steuer- o<strong>de</strong>r<br />

Feststellungsbescheids getroffen, muss dieser Bescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 entsprechend<br />

angepasst wer<strong>de</strong>n.<br />

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4. Bei <strong>de</strong>r Ermessensentscheidung ist <strong>de</strong>r Zeitraum zwischen Entstehung <strong>de</strong>s Steueranspruchs und <strong>de</strong>r<br />

Antragstellung zu berücksichtigen. Es ist regelmäßig ermessensgerecht, eine Billigkeitsmaßnahme nach<br />

§ 163 abzulehnen, sobald für <strong>de</strong>n Folgebescheid die Festsetzungs- o<strong>de</strong>r Feststellungsfrist abgelaufen ist<br />

(BFH-Urteil vom 17.3.1987 – VII R 26/84 – BFH/NV 1987 S. 620).<br />

Eine Billigkeitsmaßnahme kann ausnahmsweise auch nach diesem Zeitpunkt getroffen wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r ihr<br />

zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong> Antrag vor Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungs- o<strong>de</strong>r Feststellungsfrist gestellt wor<strong>de</strong>n war.<br />

5. Wegen <strong>de</strong>r Auswirkungen einer Billigkeitsmaßnahme bei <strong>de</strong>n Steuern vom Einkommen auf die<br />

Gewerbesteuer Hinweis auf § 184 Abs. 2. Danach ist die niedrigere Festsetzung eines Messbetrags nach<br />

§ 163 Satz 1 nicht zulässig, wenn die Voraussetzungen dafür nicht in einer allgemeinen<br />

Verwaltungsvorschrift <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung o<strong>de</strong>r einer obersten Lan<strong>de</strong>sfinanzbehör<strong>de</strong> festgelegt sind.<br />

6. Zum Einspruchsverfahren gegen die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme vgl. zu § 347, Nr. 4.<br />

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Zu § 164 – Steuerfestsetzung unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung:<br />

1. Der Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung ist eine Nebenbestimmung i. S. d. § 120, die im Steuerbescheid anzugeben<br />

ist. Im Gegensatz <strong>zur</strong> vorläufigen Steuerfestsetzung hat <strong>de</strong>r Vorbehalt keine Auswirkung auf <strong>de</strong>n Ablauf <strong>de</strong>r<br />

Festsetzungsfrist. Wegen <strong>de</strong>r Wirkung einer Steueranmeldung als Vorbehaltsfestsetzung siehe § 168.<br />

2. Der Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung ist zulässig bei allen Festsetzungen, für die die Vorschriften über das<br />

Steuerfestsetzungsverfahren gelten (z. B. bei Steuervergütungen, Zulagen, Prämien, geson<strong>de</strong>rten<br />

Feststellungen, Steuermessbeträgen, Zinsen, vgl. zu § 155). Zum Nachprüfungsvorbehalt in Schätzungsfällen<br />

vgl. zu § 162, Nr. 4.<br />

3. Solange ein Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, kann die spätere Überprüfung vorbehalten bleiben und<br />

die Steuer aufgrund <strong>de</strong>r Angaben <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen o<strong>de</strong>r aufgrund vorläufiger Überprüfung (vgl. BFH-<br />

Urteil vom 4.8.1983 – IV R 79/83 – BStBl. 1984 II, S. 6) unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung festgesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n. Der Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung erfasst die Festsetzung insgesamt; eine Beschränkung auf<br />

Einzelpunkte o<strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen ist nicht zulässig. Eine Begründung dafür, dass die Festsetzung<br />

unter Vorbehalt erfolgt, ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich.<br />

4. Solange <strong>de</strong>r Vorbehalt wirksam ist, bleibt <strong>de</strong>r gesamte Steuerfall „offen“, die Steuerfestsetzung kann<br />

je<strong>de</strong>rzeit – also auch nach Eintritt <strong>de</strong>r Unanfechtbarkeit – und <strong>de</strong>m Umfang nach uneingeschränkt von Amts<br />

wegen o<strong>de</strong>r auch auf Antrag <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen aufgehoben o<strong>de</strong>r geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Die Grundsätze <strong>de</strong>s<br />

Vertrauensschutzes nach § 176 sind aber zu beachten.<br />

5. Der Steuerpflichtige hat keinen Anspruch auf unverzügliche Entscheidung über seinen Antrag. Die<br />

Entscheidung kann bis <strong>zur</strong> abschließen<strong>de</strong>n Prüfung <strong>de</strong>s Steuerfalles – an Amtsstelle o<strong>de</strong>r im Wege einer<br />

Außenprüfung – hinausgeschoben wer<strong>de</strong>n. Sie hat jedoch in angemessener Zeit zu erfolgen. Wegen <strong>de</strong>s<br />

Ablaufs <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist bei Antragstellung Hinweis auf § 171 Abs. 3.<br />

6. Wird eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung geän<strong>de</strong>rt, so ist in <strong>de</strong>m neuen Steuerbescheid<br />

zu vermerken, ob dieser weiterhin unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung steht o<strong>de</strong>r ob <strong>de</strong>r Vorbehalt aufgehoben<br />

wird. Fehlt ein <strong>de</strong>rartiger Vermerk, bleibt <strong>de</strong>r Vorbehalt bestehen (BFH-Urteil vom 14.9.1993 –<br />

VIII R 9/93 – BStBl. 1995 II, S. 2); dies gilt nicht, wenn die zu än<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Festsetzung kraft Gesetzes unter<br />

Nachprüfungsvorbehalt steht (BFH-Urteil vom 2.12.1999 – V R 19/99 – BStBl. 2000 II, S. 284). Die<br />

Aufhebung <strong>de</strong>s Vorbehalts muss schriftlich o<strong>de</strong>r in elektronischer Form (§ 87a Abs. 4) ergehen und mit einer<br />

Rechtsbehelfsbelehrung versehen sein (§ 164 Abs. 3 Satz 2). Die Aufhebung <strong>de</strong>s Nachprüfungsvorbehalts ist<br />

auch ohne abschließen<strong>de</strong> Prüfung <strong>de</strong>s Steuerfalles zulässig (BFH-Urteil vom 28.5.1998 – V R 100/96 –<br />

BStBl. II, S. 502) und bedarf regelmäßig keiner Begründung (BFH-Urteil vom 10.7.1996 – I R 5/96 –<br />

BStBl. 1997 II, S. 5). Nach <strong>de</strong>r Bekanntgabe <strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>s Vorbehalts kann die Aufhebung o<strong>de</strong>r<br />

Än<strong>de</strong>rung einer Steuerfestsetzung nicht mehr auf § 164 Abs. 2 gestützt wer<strong>de</strong>n; §§ 172 ff. bleiben unberührt.<br />

7. Wird <strong>de</strong>r Vorbehalt nicht ausdrücklich aufgehoben, entfällt <strong>de</strong>r Vorbehalt mit Ablauf <strong>de</strong>r allgemeinen<br />

Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1). Die Verlängerung <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist für hinterzogene o<strong>de</strong>r<br />

leichtfertig verkürzte Steuern (§ 169 Abs. 2 Satz 2) verlängert nicht die Wirksamkeit <strong>de</strong>s Vorbehalts, es<br />

ergeben sich aber Auswirkungen auf die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 1 bis 6, 9 und 11 bis 14.<br />

8. Wegen <strong>de</strong>s Einspruchs gegen eine Vorbehaltsfestsetzung vgl. zu § 367, Nr. 5.<br />

Zu § 165 – Vorläufige Steuerfestsetzung, Aussetzung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung:<br />

1. Eine vorläufige Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 1 ist nur zulässig, soweit ungewiss ist, ob <strong>de</strong>r<br />

Tatbestand verwirklicht ist, an <strong>de</strong>n das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; Zweifel bei <strong>de</strong>r Auslegung <strong>de</strong>s<br />

Steuergesetzes reichen nicht aus. Eine Steuerfestsetzung kann <strong>de</strong>mgemäß nach § 165 Abs. 1 Satz 1 nur im<br />

Hinblick auf ungewisse Tatsachen, nicht im Hinblick auf die steuerrechtliche Beurteilung von Tatsachen für<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 131 von 235


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vorläufig erklärt wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 25.4.1985 – IV R 64/83 – BStBl. II, S. 648). Vorläufige<br />

Steuerfestsetzungen nach § 165 Abs. 1 Satz 1 sind insbeson<strong>de</strong>re dann vorzunehmen, wenn eine<br />

Steuerfestsetzung unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung nicht zweckmäßig ist, z. B. weil keine Nachprüfung <strong>de</strong>s<br />

gesamten Steuerfalles mehr zu erwarten ist o<strong>de</strong>r weil sie aus Rechtsgrün<strong>de</strong>n nicht möglich ist (z. B. bei<br />

fortbestehen<strong>de</strong>r Ungewissheit nach einer Außenprüfung).<br />

2. Die Tatsache, dass ein Doppelbesteuerungsabkommen nach seinem Inkrafttreten voraussichtlich<br />

rückwirkend anzuwen<strong>de</strong>n sein wird, rechtfertigt eine vorläufige Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 2<br />

Nr. 1, um <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen die Vorteile <strong>de</strong>s Doppelbesteuerungsabkommens zu sichern.<br />

3. Eine vorläufige Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 setzt voraus, dass die Entscheidung <strong>de</strong>s<br />

Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichts bereits ergangen ist und die gesetzliche Neuregelung noch aussteht.<br />

4. Zweifel an <strong>de</strong>r Vereinbarkeit einer <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Rechtsnorm mit höherrangigem<br />

Recht (insbeson<strong>de</strong>re mit <strong>de</strong>m Grundgesetz o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Europäischen Gemeinschaftsrecht) rechtfertigen nur<br />

dann eine vorläufige Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, wenn dieselbe Frage bereits<br />

Gegenstand eines Musterverfahrens bei <strong>de</strong>m Gerichtshof <strong>de</strong>r Europäischen Gemeinschaften, <strong>de</strong>m<br />

Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht o<strong>de</strong>r einem obersten Bun<strong>de</strong>sgericht ist.<br />

Zum Rechtsschutzbedürfnis für einen Einspruch gegen eine hinsichtlich <strong>de</strong>s strittigen Punktes bereits<br />

vorläufige Steuerfestsetzung vgl. zu § 350, Nr. 6.<br />

5. Nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 kann eine Steuer vorläufig festgesetzt wer<strong>de</strong>n, soweit eine im Fall <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen entscheidungserhebliche Rechtsfrage Gegenstand eines Verfahrens beim Bun<strong>de</strong>sfinanzhof<br />

ist. Hierbei han<strong>de</strong>lt es sich auch um solche Fälle, in <strong>de</strong>nen eine strittige Rechtsfrage nicht nur unter<br />

verfassungsrechtlichen Aspekten zu beurteilen ist (und <strong>de</strong>retwegen bereits eine vorläufige Steuerfestsetzung<br />

nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 erfolgt), son<strong>de</strong>rn vom Bun<strong>de</strong>sfinanzhof auf ,,einfachgesetzlichem“ Wege,<br />

d. h. durch Anwendung bzw. Auslegung <strong>de</strong>s einfachen Rechts, entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n könnte.<br />

6. Die Entscheidung, die Steuer vorläufig festzusetzen, steht in sämtlichen Fällen <strong>de</strong>s § 165 Abs. 1 im<br />

Ermessen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>. Von <strong>de</strong>r Möglichkeit, eine Steuer nach § 165 Abs. 1 Satz 2 vorläufig<br />

festzusetzen, ist nur Gebrauch zu machen, soweit die Finanzbehör<strong>de</strong>n hierzu durch BMF-Schreiben o<strong>de</strong>r<br />

gleichlauten<strong>de</strong> Erlasse <strong>de</strong>r obersten Finanzbehör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r angewiesen wor<strong>de</strong>n sind.<br />

Zum Rechtsschutzbedürfnis für einen Einspruch gegen eine hinsichtlich <strong>de</strong>s strittigen Punktes bereits<br />

vorläufige Steuerfestsetzung vgl. zu § 350, Nr. 6.<br />

7. Die Vorläufigkeit ist auf die ungewissen Voraussetzungen zu beschränken und zu begrün<strong>de</strong>n. Die<br />

Begründung kann nachgeholt wer<strong>de</strong>n (§ 126 Abs. 1 Nr. 2) Wird eine vorläufige Steuerfestsetzung geän<strong>de</strong>rt,<br />

so ist in <strong>de</strong>m neuen Steuerbescheid zu vermerken, ob und inwieweit dieser weiterhin vorläufig ist o<strong>de</strong>r für<br />

endgültig erklärt wird. Durch einen Vorläufigkeitsvermerk im Än<strong>de</strong>rungsbescheid wird <strong>de</strong>r Umfang <strong>de</strong>r<br />

Vorläufigkeit neu bestimmt (BFH-Urteil vom 19.10.1999 – IX R 23/98 – BStBl. 2000 II, S. 282).<br />

8. Soweit wegen <strong>de</strong>r Frage <strong>de</strong>r Vereinbarkeit einer Rechtsnorm mit <strong>de</strong>m Grundgesetz eine Steuer nach § 165<br />

Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 vorläufig festgesetzt wor<strong>de</strong>n ist, sind Steuerbeschei<strong>de</strong> auch dann nach § 165 Abs. 2 zu<br />

än<strong>de</strong>rn, wenn das Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sfinanzhof die streitige Frage dadurch<br />

entschei<strong>de</strong>t, dass das Gericht die vom Vorläufigkeitsvermerk erfasste Rechtsnorm entgegen <strong>de</strong>r bisherigen<br />

Verwaltungsauffassung verfassungskonform so auslegt, dass das betreffen<strong>de</strong> Steuergesetz mit<br />

höherrangigem Recht vereinbar ist und diese Auslegung zu einer Steuermin<strong>de</strong>rung führt (BFH-Urteil vom<br />

30.9.2010 – III R 39/08 – BStBl. 2011 II, S. 11). Dies gilt auch, wenn <strong>de</strong>r Vorläufigkeitsvermerk insoweit<br />

zusätzlich auf § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 gestützt war. Soweit eine Steuer (auch) nach § 165 Abs. 1 Satz 2<br />

Nr. 4 vorläufig festgesetzt wor<strong>de</strong>n ist, sind die Steuerbeschei<strong>de</strong> (zu<strong>de</strong>m) auch dann nach § 165 Abs. 2 zu<br />

än<strong>de</strong>rn, wenn <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sfinanzhof die vom Vorläufigkeitsvermerk erfasste Rechtsnorm aufgrund<br />

einfachgesetzlicher Auslegung eines Steuergesetzes entgegen <strong>de</strong>r bisherigen Verwaltungsauffassung auslegt,<br />

diese Auslegung zu einer Steuermin<strong>de</strong>rung führt und dieses Urteil über <strong>de</strong>n entschie<strong>de</strong>nen Einzelfall hinaus<br />

anzuwen<strong>de</strong>n ist.<br />

9. Die vorläufige Steuerfestsetzung kann je<strong>de</strong>rzeit für endgültig erklärt wer<strong>de</strong>n. Die Vorläufigkeit bleibt bis<br />

dahin bestehen; für <strong>de</strong>n Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist gilt § 171 Abs. 8. Wird die vorläufige Steuerfestsetzung<br />

nach Beseitigung <strong>de</strong>r Ungewissheit geän<strong>de</strong>rt (§ 165 Abs. 2 Satz 2), sind im Rahmen <strong>de</strong>s Än<strong>de</strong>rungsbetrages<br />

auch solche Fehler zu berichtigen, die nicht mit <strong>de</strong>m Grund <strong>de</strong>r Vorläufigkeit zusammenhängen (BFH-Urteil<br />

vom 2.3.2000 – VI R 48/97 – BStBl. II, S. 332).<br />

10. In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 165 Abs. 1 Satz 2 ist eine Endgültigkeitserklärung nicht erfor<strong>de</strong>rlich, wenn sich die<br />

Steuerfestsetzung letztlich als zutreffend erweist und <strong>de</strong>r Steuerpflichtige keine Entscheidung beantragt. Die<br />

Vorläufigkeit entfällt in diesem Fall mit Ablauf <strong>de</strong>r – ggf. nach § 171 Abs. 8 Satz 2 verlängerten –<br />

Festsetzungsfrist.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 132 von 235


11. Wird die vorläufige Steuerfestsetzung auf Antrag <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen o<strong>de</strong>r von Amts wegen für endgültig<br />

erklärt o<strong>de</strong>r wird <strong>de</strong>r Vorläufigkeitsvermerk in einem Än<strong>de</strong>rungsbescheid nicht wie<strong>de</strong>rholt (vgl. Nr. 7), kann<br />

gegen die insoweit nunmehr endgültige Steuerfestsetzung Einspruch eingelegt und ggf. anschließend Klage<br />

erhoben wer<strong>de</strong>n; hinsichtlich <strong>de</strong>r Auswirkungen <strong>de</strong>r bisherigen Vorläufigkeit <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung ergibt<br />

sich aus § 351 Abs. 1 keine Anfechtungsbeschränkung (BFH-Urteil vom 30.9.2010 – III R 39/08 – BStBl.<br />

2011 II, S 11). Der Umfang <strong>de</strong>r Anfechtbarkeit bestimmt sich dabei nicht betragsmäßig, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r<br />

Wirkung <strong>de</strong>r fehlen<strong>de</strong>n Bestandskraft <strong>de</strong>r bisherigen Vorläufigkeit. In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>r Vorläufigkeit nach<br />

§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 beschränkt sich dieser Rechtsschutz <strong>de</strong>mentsprechend auf die weitere<br />

verfassungsrechtliche Klärung dieser Rechtsfrage BFH-Urteil vom 30.9.2010, a.a.O.).<br />

Zu § 167 – Steueranmeldung, Verwendung von Steuerzeichen o<strong>de</strong>r Steuerstemplern:<br />

1. Die Selbstberechnung <strong>de</strong>r Steuer (§ 150 Abs. 1 Satz 3) durch Steueranmeldung ist gesetzlich insbeson<strong>de</strong>re<br />

vorgeschrieben für die Umsatzsteuer (Voranmeldung und Jahreserklärung – § 18 UStG), die Lohnsteuer<br />

(§ 41a EStG), die Kapitalertragsteuer (§ 45a EStG), <strong>de</strong>n Steuerabzug nach § 48 i. V. m. § 48a EStG o<strong>de</strong>r<br />

nach § 50a EStG, die Versicherungsteuer (§ 8 VersStG), die Wettsteuer (§ 18 RennwLottAB) und für die<br />

Feuerschutzsteuer (§ 8 FeuerSchStG). Die Steueranmeldung ist Steuererklärung i. S. d. § 150. Wegen <strong>de</strong>r<br />

Wirkung einer Steueranmeldung siehe § 168.<br />

2. Eine Steueranmeldung i. S. d. AO liegt nicht vor, wenn ein Gesetz zwar die Selbstberechnung <strong>de</strong>r Steuer<br />

durch <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen vorschreibt, daneben aber eine förmliche Steuerfestsetzung vorsieht; z. B. § 9<br />

KraftStDV.<br />

3. Das Anerkenntnis <strong>de</strong>s zum Steuerabzug Verpflichteten, insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>s Arbeitgebers hinsichtlich <strong>de</strong>r<br />

Lohnsteuer, steht einer Steueranmeldung und damit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung<br />

gleich (§ 167 Abs. 1 Satz 3, § 168 Satz 1). Es ist <strong>de</strong>shalb nicht erfor<strong>de</strong>rlich, gegen ihn einen<br />

Haftungsbescheid zu erlassen, wenn er seiner Zahlungsverpflichtung aus <strong>de</strong>m Anerkenntnis nicht<br />

nachkommen will. Der Entrichtungspflichtige kann sein Zahlungsanerkenntnis nur mit Zustimmung <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> än<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rrufen. Nach einer abschließen<strong>de</strong>n Prüfung <strong>de</strong>s Steuerfalls ist <strong>de</strong>r Vorbehalt<br />

<strong>de</strong>r Nachprüfung durch beson<strong>de</strong>ren Bescheid aufzuheben (§ 164 Abs. 2 und 3).<br />

4. Steueranmeldungen sind bei <strong>de</strong>m für die Besteuerung zuständigen Finanzamt abzugeben. Es treten aber<br />

keine Verspätungsfolgen ein, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige die Steueranmeldung und <strong>de</strong>n Scheck fristgemäß bei<br />

<strong>de</strong>m für die Steuererhebung zuständigen Finanzamt einreicht.<br />

5. Gibt jemand (z. B. ein Arbeitgeber) trotz seiner gesetzlichen Verpflichtung, Steuern für Rechnung eines<br />

Dritten einzubehalten, anzumel<strong>de</strong>n und abzuführen, keine Steueranmeldung ab, so kann gegen ihn ein<br />

Steuerbescheid aufgrund einer Schätzung ergehen. Die Möglichkeit, einen Haftungsbescheid zu erlassen,<br />

steht <strong>de</strong>m nicht entgegen (vgl. BFH-Urteil vom 7.7.2004 – VI R 171/00 – BStBl. II, S. 1087).<br />

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Zu § 168 – Wirkung einer Steueranmeldung:<br />

1. Eine Steueranmeldung, die nicht zu einer Herabsetzung <strong>de</strong>r bisher zu entrichten<strong>de</strong>n Steuer o<strong>de</strong>r zu einer<br />

Steuervergütung führt, hat mit ihrem Eingang bei <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> die Wirkung einer Steuerfestsetzung<br />

unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung. Wegen <strong>de</strong>r daraus sich ergeben<strong>de</strong>n Folgen vgl. zu § 164.<br />

Die fällige Steuer ist ohne beson<strong>de</strong>res Leistungsgebot nach Eingang <strong>de</strong>r Anmeldung vollstreckbar (§ 249<br />

Abs. 1, § 254 Abs. 1 Satz 4).<br />

2. Eine erstmalige Steueranmeldung, die zu einer Steuervergütung führt (z. B. Vorsteuerüberschuss), wirkt erst<br />

dann als Steuerfestsetzung unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung, wenn <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen die Zustimmung<br />

<strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> bekannt wird (§ 168 Satz 2; BFH-Urteil vom 28.2.1996 – XI R 42/94 – BStBl. II, S. 660).<br />

Bis dahin ist sie als Antrag auf Steuerfestsetzung (§ 155 Abs. 1 und 4) anzusehen.<br />

3. Auch eine berichtigte Steueranmeldung, die zu einer Herabsetzung <strong>de</strong>r bisher angemel<strong>de</strong>ten Steuer<br />

(Min<strong>de</strong>rsoll) o<strong>de</strong>r zu einer Erhöhung <strong>de</strong>r bisher angemel<strong>de</strong>ten Steuervergütung führt, wirkt erst dann als<br />

Steuerfestsetzung unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung, wenn <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen die Zustimmung <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> bekannt wird. Bis dahin ist sie als Antrag auf Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung nach § 164<br />

Abs. 2 Satz 2 zu behan<strong>de</strong>ln. Wegen <strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung einer nicht mehr unter <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung<br />

stehen<strong>de</strong>n Steuerfestsetzung vgl. Nr. 12.<br />

4. Die kassenmäßige Sollstellung eines Rotbetrags ist keine Zustimmung <strong>zur</strong> Anmeldung i. S. d. § 168 Satz 2;<br />

sie darf <strong>de</strong>m Anmel<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n nicht mitgeteilt wer<strong>de</strong>n. Wird <strong>de</strong>r Steuerpflichtige schriftlich bzw. elektronisch<br />

über die Zustimmung unterrichtet (z. B. zusammen mit einer Abrechnungsmitteilung), ist grundsätzlich<br />

davon auszugehen, dass ihm die Zustimmung am dritten Tag nach Aufgabe <strong>zur</strong> Post bzw. nach <strong>de</strong>r<br />

Absendung bekannt gewor<strong>de</strong>n ist. Zur Fälligkeit <strong>de</strong>r Erstattung vgl. zu § 220.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 133 von 235


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5. Die Abgabe einer berichtigten Anmeldung mit Min<strong>de</strong>rsoll hat keine Auswirkungen auf <strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>r<br />

Fälligkeit <strong>de</strong>s ursprünglich angemel<strong>de</strong>ten Betrages. Ebenso bleiben auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r ursprünglichen<br />

Steueranmeldung entstan<strong>de</strong>ne Säumniszuschläge unberührt (§ 240 Abs. 1 Satz 4).<br />

6. Will die Finanzbehör<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r angemel<strong>de</strong>ten Steuer abweichen, so ist eine Steuerfestsetzung vorzunehmen<br />

und darüber ein Steuerbescheid zu erteilen. Die abweichen<strong>de</strong> Festsetzung kann unter <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong>de</strong>r<br />

Nachprüfung o<strong>de</strong>r unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 165 vorläufig vorgenommen wer<strong>de</strong>n.<br />

7. Nach § 18 Abs. 2 UStG ist die für einen Voranmeldungszeitraum errechnete Umsatzsteuer eine<br />

Vorauszahlung. Wird eine abweichen<strong>de</strong> USt-Festsetzung durchgeführt, steht diese als<br />

Vorauszahlungsbescheid nach § 164 Abs. 1 Satz 2 kraft Gesetzes unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung. Dies gilt<br />

nicht bei einer von einer USt-Jahreserklärung abweichen<strong>de</strong>n Festsetzung; in diesen Fällen muss die<br />

Steuerfestsetzung unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung beson<strong>de</strong>rs angeordnet und im Bescheid vermerkt wer<strong>de</strong>n<br />

(BFH-Urteil vom 2.12.1999 – V R 19/99 – BStBl. 2000 II, S. 284).<br />

8. Ergibt sich durch die an<strong>de</strong>rweitige Festsetzung eine höhere Zahllast als angemel<strong>de</strong>t, ist für <strong>de</strong>n<br />

nachzuzahlen<strong>de</strong>n Differenzbetrag eine Zahlungsfrist ein<strong>zur</strong>äumen (§ 220 Abs. 2). Auf § 18 Abs. 4 UStG<br />

wird hingewiesen. Liegt <strong>de</strong>r abweichen<strong>de</strong>n Festsetzung eine Steueranmeldung mit Steuervergütung o<strong>de</strong>r<br />

Min<strong>de</strong>rsoll zugrun<strong>de</strong>, so ist Fälligkeitstag <strong>de</strong>s gesamten Erstattungsbetrags <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>r Bekanntgabe <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>rweitigen Festsetzung (§ 220 Abs. 2).<br />

9. Aus Vereinfachungsgrün<strong>de</strong>n kann bei Steueranmeldungen, die zu einer Steuervergütung o<strong>de</strong>r zu einem<br />

Min<strong>de</strong>rsoll führen, die Zustimmung allgemein erteilt wer<strong>de</strong>n. Auch in diesem Fall stehen die Anmeldungen<br />

erst dann einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung gleich, wenn <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen die<br />

Zustimmung bekannt wird. Wird <strong>de</strong>r Steuerpflichtige schriftlich bzw. elektronisch über die Zustimmung<br />

unterrichtet (z. B. zusammen mit einer Abrechnungsmitteilung), ist grundsätzlich davon auszugehen, dass<br />

ihm die Zustimmung am dritten Tag nach Aufgabe <strong>zur</strong> Post bekannt gewor<strong>de</strong>n ist.<br />

10. In <strong>de</strong>n Fällen, in <strong>de</strong>nen keine allgemeine Zustimmung erteilt wird, ist über die Zustimmung o<strong>de</strong>r Festsetzung<br />

alsbald zu entschei<strong>de</strong>n. Auf die Bearbeitung in angemessener Zeit bzw. auf die rechtzeitige Mitteilung von<br />

Hin<strong>de</strong>rungsgrün<strong>de</strong>n ist angesichts § 347 Abs. 1 Satz 2 beson<strong>de</strong>rs zu achten.<br />

11. Wird die Zustimmung <strong>zur</strong> Steueranmeldung nicht erteilt, so ist <strong>de</strong>r Antrag <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen auf<br />

Steuerfestsetzung (vgl. Nr. 2) bzw. auf Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung nach § 164 Abs. 2 Satz 2 (vgl. Nr. 3)<br />

durch Bescheid abzulehnen (§ 155 Abs. 1 Satz 3).<br />

12. Führt die berichtigte Anmeldung zu einer höheren Steuer o<strong>de</strong>r zu einem geringeren Vergütungsbetrag, gilt<br />

Folgen<strong>de</strong>s:<br />

– Steht die bisherige Steuerfestsetzung noch unter <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung, bedarf es keiner<br />

Zustimmung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>; die berichtigte Steueranmeldung steht bereits mit ihrem Eingang bei <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> einer nach § 164 Abs. 2 geän<strong>de</strong>rten Steuerfestsetzung unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung<br />

gleich.<br />

– Steht die bisherige Steuerfestsetzung nicht o<strong>de</strong>r nicht mehr unter <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung, ist ein<br />

nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a geän<strong>de</strong>rter Bescheid zu erteilen.<br />

Zu prüfen ist, ob die berichtigte Anmeldung eine Selbstanzeige (§ 371) ist. Wegen <strong>de</strong>r Verlängerung <strong>de</strong>r<br />

Festsetzungsfrist Hinweis auf § 171 Abs. 9.<br />

13. Eine Steueranmeldung, die – ggf. nach Zustimmung – einer Steuerfestsetzung unter <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong>de</strong>r<br />

Nachprüfung gleichsteht, kann mit <strong>de</strong>m Einspruch angefochten wer<strong>de</strong>n (§ 347 Abs. 1 Satz 1). Wegen <strong>de</strong>s<br />

Beginns <strong>de</strong>r Einspruchsfrist wird auf § 355 Abs. 1 Satz 2, wegen <strong>de</strong>s Beginns <strong>de</strong>r Zahlungsverjährung auf<br />

§ 229 hingewiesen.<br />

Vor §§ 169 bis 171 – Festsetzungsverjährung:<br />

1. Durch Verjährung erlöschen allgemein Ansprüche aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis (§ 47).<br />

Das Gesetz unterschei<strong>de</strong>t zwischen <strong>de</strong>r Festsetzungsverjährung (§§ 169 bis 171) und <strong>de</strong>r Zahlungsverjährung<br />

(§§ 228 bis 232).<br />

2. Die Finanzbehör<strong>de</strong> darf die Festsetzung von Steuern, von Erstattungs- o<strong>de</strong>r Vergütungsansprüchen nur<br />

vornehmen, soweit die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Dies gilt auch für Än<strong>de</strong>rungen o<strong>de</strong>r<br />

Aufhebungen von Steuerfestsetzungen sowie Berichtigungen wegen offenbarer Unrichtigkeit, gleichgültig ob<br />

zugunsten o<strong>de</strong>r zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen. Mit Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist sind Ansprüche <strong>de</strong>s<br />

Steuergläubigers, aber auch Ansprüche <strong>de</strong>s Erstattungsberechtigten erloschen. Zur Berichtigung (teil-<br />

)verjährter Steueransprüche im Zusammenhang mit einer Aufhebung, Än<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Berichtigung <strong>de</strong>r<br />

Steuerfestsetzung wegen offenbarer Unrichtigkeit vgl. zu § 177, Nr. 1.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 134 von 235


3. Eine Festsetzung usw., die erst nach Eintritt <strong>de</strong>r Festsetzungsverjährung erfolgt, ist nicht nichtig (§ 125<br />

Abs. 1), son<strong>de</strong>rn nur anfechtbar, erwächst also ggf. in Bestandskraft; <strong>de</strong>r Bescheid ist auch vollstreckbar.<br />

4. Die Festsetzungsverjährung schließt Ermittlungshandlungen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> im Einzelfall (§§ 88, 92 ff.,<br />

193 ff., 208 Abs. 1 Nr. 2) nicht aus (vgl. BFH-Urteil vom 23.7.1985 – VIII R 48/85 – BStBl. 1986 II,<br />

S. 433).<br />

5. Die Bestimmungen über die Festsetzungsverjährung gelten sinngemäß auch für die Festsetzung von<br />

Steuermessbeträgen (§ 184 Abs. 1) und für die geson<strong>de</strong>rte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (§ 181<br />

Abs. 1), sowie bei allen Festsetzungen, für die die Vorschriften über das Steuerfestsetzungsverfahren<br />

anzuwen<strong>de</strong>n sind (siehe § 155). Auf steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4) fin<strong>de</strong>n sie nur Anwendung,<br />

wenn dies beson<strong>de</strong>rs vorgeschrieben ist (§ 1 Abs. 3 Satz 2), wie z. B. bei Zinsen (§ 239). Für die Kosten <strong>de</strong>r<br />

Vollstreckung gilt die beson<strong>de</strong>re Regelung <strong>de</strong>s § 346. Für Verspätungszuschläge (§ 152) fehlt dagegen eine<br />

entsprechen<strong>de</strong> Bestimmung (vgl. zu § 169, Nr. 5). Säumniszuschläge (§ 240) entstehen kraft Gesetzes, sie<br />

unterliegen allein <strong>de</strong>r Zahlungsverjährung (§§ 228 ff.).<br />

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Zu § 169 – Festsetzungsfrist:<br />

1. Die Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ist nur gewahrt, wenn <strong>de</strong>r vor Ablauf <strong>de</strong>r Frist <strong>zur</strong> Post<br />

gegebene „Steuerbescheid“ <strong>de</strong>m Empfänger nach Fristablauf tatsächlich zugeht (vgl. Beschluss <strong>de</strong>s Großen<br />

Senats <strong>de</strong>s BFH vom 25.11.2002 – GrS 2/01 – BStBl. 2003 II, S. 548).<br />

Zu <strong>de</strong>n für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehör<strong>de</strong>n sind auch die für die Finanzbehör<strong>de</strong>n<br />

arbeiten<strong>de</strong>n Rechenzentren (§§ 2 und 17 FVG) zu zählen, wenn sie die Absendung an <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen<br />

vornehmen.<br />

Bei Steuermessbeschei<strong>de</strong>n wird die Frist allein durch die Absendung <strong>de</strong>r Mitteilungen an die Gemein<strong>de</strong><br />

(§ 184 Abs. 3) nicht gewahrt. Die fristgerechte Absendung <strong>de</strong>r Messbeschei<strong>de</strong> ist Aufgabe <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>n,<br />

die insoweit für die Finanzbehör<strong>de</strong>n han<strong>de</strong>ln.<br />

2. Die Festsetzungsfrist verlängert sich auf zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und auf fünf Jahre,<br />

soweit die Steuer leichtfertig verkürzt wor<strong>de</strong>n ist (§ 169 Abs. 2 Satz 2).<br />

2.1 Zur Frage <strong>de</strong>r Feststellung, ob Steuern hinterzogen wor<strong>de</strong>n sind, vgl. zu § 71. Entsprechen<strong>de</strong>s gilt bezüglich<br />

leichtfertig verkürzter Steuern.<br />

2.2 Die Verlängerung <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist für hinterzogene o<strong>de</strong>r leichtfertig verkürzte Steuern verlängert nicht<br />

die Wirksamkeit eines Vorbehalts <strong>de</strong>r Nachprüfung (vgl. zu § 164, Nr. 7). § 169 Abs. 2 Satz 2 ist auch dann<br />

anzuwen<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Steuerbescheid unter <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung ergangen ist; § 164 Abs. 4<br />

Satz 2 regelt lediglich, dass § 169 Abs. 2 Satz 2 und § 171 Abs. 7, 8 und 10 bei Bestimmung <strong>de</strong>s Ablaufs <strong>de</strong>r<br />

für § 164 Abs. 4 Satz 1 maßgeblichen Frist nicht anzuwen<strong>de</strong>n sind.<br />

3. Wegen <strong>de</strong>r Frist für die geson<strong>de</strong>rte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Feststellungsfrist) Hinweis auf<br />

§ 181 Abs. 3. Für <strong>de</strong>n Erlass von Haftungsbeschei<strong>de</strong>n wird auf § 191 Abs. 3 hingewiesen.<br />

4. Bei Zinsen und Kosten <strong>de</strong>r Vollstreckung beträgt die Festsetzungsfrist jeweils ein Jahr (§§ 239 und 346).<br />

5. Verspätungszuschläge unterliegen nicht <strong>de</strong>r Festsetzungsverjährung (vgl. vor §§ 169 bis 171, Nr. 2). Von <strong>de</strong>r<br />

erstmaligen Festsetzung eines Verspätungszuschlags ist jedoch grundsätzlich abzusehen, wenn die<br />

Festsetzungsfrist für die Steuer abgelaufen ist (vgl. zu § 152, Nr. 3). Wird aber ein bereits vor Ablauf <strong>de</strong>r für<br />

die Steuer gelten<strong>de</strong>n Festsetzungsfrist festgesetzter Verspätungszuschlag nur aus formellen Grün<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />

aufgrund einer fehlerhaften Ermessensausübung bezüglich seiner Höhe aufgehoben, ist die Festsetzung eines<br />

Verspätungszuschlags auch nach Ablauf <strong>de</strong>r für die Steuer gelten<strong>de</strong>n Festsetzungsfrist zulässig.<br />

Zu § 170 – Beginn <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist:<br />

1. Für <strong>de</strong>n Beginn <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist kommt es darauf an, wann die Steuer (§ 37) entstan<strong>de</strong>n ist. Der<br />

Zeitpunkt <strong>de</strong>r Entstehung <strong>de</strong>r Ansprüche aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis ist in § 38 und in <strong>de</strong>n<br />

Einzelsteuergesetzen (vgl. zu § 38, Nr. 1) geregelt. Die Anlaufhemmung (§ 170 Abs. 2 bis 6) schiebt <strong>de</strong>n<br />

Beginn <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist hinaus.<br />

2. Wegen <strong>de</strong>s Beginns <strong>de</strong>r Frist für die geson<strong>de</strong>rte Feststellung von Einheitswerten Hinweis auf § 181 Abs. 3<br />

und 4. Für Haftungsbeschei<strong>de</strong> gilt § 191 Abs. 3. Bei Zinsen und Kosten <strong>de</strong>r Vollstreckung ergibt sich <strong>de</strong>r<br />

Beginn <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist aus § 239 Abs. 1 Satz 2 bzw. § 346 Abs. 2 Satz 2. Hinsichtlich <strong>de</strong>r<br />

Verspätungszuschläge vgl. zu § 169, Nr. 5.<br />

3. Die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 gilt für sämtliche Besitz- und Verkehrsteuern, für die auf Grund<br />

allgemeiner gesetzlicher Vorschrift (z. B. § 181 Abs. 2; § 25 EStG; § 14a GewStG; § 31 KStG; § 18 UStG;<br />

§ 31 ErbStG) o<strong>de</strong>r auf Grund einer Auffor<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> (§ 149 Abs. 1 Satz 2) eine<br />

Steuererklärung o<strong>de</strong>r eine Steueranmeldung ein<strong>zur</strong>eichen o<strong>de</strong>r eine Anzeige zu erstatten ist; gesetzliche<br />

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Vorschrift ist auch eine Rechtsverordnung (§ 4). Eine Berichtigungsanzeige nach § 153 Abs. 1 löst allerdings<br />

keine Anlaufhemmung aus (vgl. BFH-Urteil vom 22.1.1997 – II B 40/96 – BStBl. II, S. 266).<br />

Ist <strong>de</strong>r Steuerpflichtige berechtigt, aber nicht verpflichtet, eine Steuererklärung abzugeben, wie z. B. bei <strong>de</strong>r<br />

Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG, greift die Anlaufhemmung nach § 170 Absatz 2 Satz 1<br />

Nr. 1 nicht (BFH-Urteil vom 14.4.2011 – VI R 53/10 – BStBl. II, S. 746). Die Anlaufhemmung greift auch<br />

dann nicht, wenn eine behördliche Auffor<strong>de</strong>rung <strong>zur</strong> Abgabe einer Steuererklärung <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen<br />

erst nach <strong>de</strong>m Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist <strong>de</strong>s § 169 Abs. 2 zugeht o<strong>de</strong>r eine Pflichtveranlagung<br />

begrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Steuererklärung erst nach <strong>de</strong>m Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist <strong>de</strong>s § 169 Abs. 2 abgegeben wird<br />

(BFH-Urteil vom 28.3.2012 – VI R 68/10 – BStBl. II, S. 711).<br />

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Zu § 171 – Ablaufhemmung:<br />

1. Die Ablaufhemmung schiebt das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist hinaus. Die Festsetzungsfrist en<strong>de</strong>t in diesen<br />

Fällen meist nicht – wie im Normalfall – am En<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn im Laufe eines Kalen<strong>de</strong>rjahres. Wegen <strong>de</strong>r<br />

Fristberechnung Hinweis auf § 108.<br />

2. Eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 setzt voraus, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige vor Ablauf <strong>de</strong>r<br />

Festsetzungsfrist einen Antrag auf Steuerfestsetzung o<strong>de</strong>r auf Korrektur einer Steuerfestsetzung stellt. Ist<br />

innerhalb <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist kein Antrag <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen eingegangen, kann keine Wie<strong>de</strong>reinsetzung<br />

in <strong>de</strong>n vorigen Stand nach § 110 Abs. 1 mit <strong>de</strong>m Ziel einer rückwirken<strong>de</strong>n Ablaufhemmung nach § 171<br />

Abs. 3 gewährt wer<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteil vom 24.1.2008 – VII R 3/07 – BStBl. II, S. 462).<br />

Anträge auf Billigkeitsmaßnahmen nach §§ 163 o<strong>de</strong>r 227 hemmen <strong>de</strong>n Fristablauf nicht nach § 171 Abs. 3;<br />

eine Billigkeitsentscheidung nach § 163 bewirkt aber als Grundlagenbescheid eine Ablaufhemmung nach<br />

§ 171 Abs. 10 (vgl. dazu BFH-Urteil vom 21.9.2000 – IV R 54/99 – BStBl. 2001 II, S. 178).<br />

Die Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung kann für sich allein eine Ablaufhemmung<br />

nach § 171 Abs. 3 grundsätzlich nicht herbeiführen (BFH-Urteil vom 18.6.1991 – VIII R 54/89 – BStBl.<br />

1992 II, S. 124, und BFH-Beschluss vom 13.2.1995 – V B 95/94 – BFH/NV S. 756). Dies gilt hinsichtlich<br />

einer Umsatzsteuererklärung auch dann, wenn mit ihr ein Anspruch auf Auszahlung eines Überschusses<br />

geltend gemacht wird (BFH-Urteil vom 11.5.1995 – V R 136/93 – BFH/NV 1996 S. 1).<br />

Selbstanzeigen (§§ 371, 378 Abs. 3) und Berichtigungserklärungen (§ 153) lösen keine Ablaufhemmung<br />

nach § 171 Abs. 3 aus, sie bewirken ausschließlich eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 9 (vgl. BFH-Urteil<br />

vom 8.7.2009 – VIII R 5/07 – BStBl. 2010 II, S. 583).<br />

2a. Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a tritt auch dann ein, wenn nach Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist ein<br />

zulässiger Rechtsbehelf eingelegt wird (§ 171 Abs. 3a Satz 1 2. Halbsatz). Dies gilt auch dann, wenn <strong>de</strong>r<br />

Rechtsbehelf nach Gewährung von Wie<strong>de</strong>reinsetzung in <strong>de</strong>n vorigen Stand als fristgerecht zu behan<strong>de</strong>ln ist;<br />

die Grundsätze <strong>de</strong>s BFH-Urteils vom 24.1.2008, a. a. O. (vgl. Nr. 2) sind auf diesen Fall nicht übertragbar.<br />

§ 171 Abs. 3a Satz 3 hemmt <strong>de</strong>n Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist nur im Falle <strong>de</strong>r gerichtlichen Kassation eines<br />

angefochtenen Bescheids (vgl. BFH-Urteil vom 5.10.2004 – VII R 77/03 – BStBl. 2005 II, S. 122, für<br />

Haftungsbeschei<strong>de</strong>). Diese Ablaufhemmung gilt nicht im Fall <strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>s Bescheids durch die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>; <strong>de</strong>nn mit <strong>de</strong>r Aufhebung eines Bescheids verliert er seine ablaufhemmen<strong>de</strong> Wirkung. Hebt<br />

die Finanzbehör<strong>de</strong> allerdings in einem Verwaltungsakt <strong>de</strong>n angefochtenen Bescheid unter gleichzeitigem<br />

Erlass eines neuen Bescheids auf, ist <strong>de</strong>r neue Bescheid noch innerhalb <strong>de</strong>r nach § 171 Abs. 3a Satz 1<br />

gehemmten Festsetzungsfrist ergangen (vgl. BFH-Urteil vom 5.10.2004 – VII R 18/03 – BStBl. 2005 II,<br />

S. 323, für Haftungsbeschei<strong>de</strong>).<br />

3. Ablaufhemmung wegen Beginn einer Außenprüfung (§ 171 Abs. 4)<br />

3.1 Der Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist wird durch <strong>de</strong>n Beginn einer Außenprüfung (vgl. zu § 198, Nrn. 1 und 2)<br />

hinausgeschoben (§ 171 Abs. 4). Die Ablaufhemmung tritt nicht ein, wenn eine zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong><br />

Prüfungsanordnung unwirksam ist (BFH-Urteile vom 10.4.1987 – III R 202/83 – BStBl. 1988 II, S. 165, und<br />

vom 17.9.1992 – V R 17/86 – BFH/NV 1993 S. 279).<br />

3.2 Eine Außenprüfung hemmt <strong>de</strong>n Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist nur für Steuern, auf die sich die<br />

Prüfungsanordnung erstreckt (BFH-Urteile vom 18.7.1991 – V R 54/87 – BStBl. II, S. 824, und vom<br />

25.1.1996 – V R 42/95 – BStBl. II, S. 338). Wird die Außenprüfung später auf bisher nicht einbezogene<br />

Steuern ausge<strong>de</strong>hnt, ist die Ablaufhemmung nur wirksam, soweit vor Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist eine<br />

Prüfungsanordnung erlassen (vgl. zu § 196, Nr. 5) und mit <strong>de</strong>r Außenprüfung auch insoweit ernsthaft<br />

begonnen wird (BFH-Urteil vom 2.2.1994 – I R 57/93 – BStBl. II, S. 377).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 136 von 235


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3.3 Bei einem Antrag <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen auf Verschiebung <strong>de</strong>s Prüfungsbeginns (§ 197 Absatz 2) wird <strong>de</strong>r<br />

Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist nach § 171 Absatz 4 Satz 1 2. Alternative nur gehemmt, wenn dieser Antrag für<br />

die Verschiebung ursächlich war. Wird <strong>de</strong>r Beginn <strong>de</strong>r Außenprüfung nicht maßgeblich aufgrund eines<br />

Antrags <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen, son<strong>de</strong>rn aufgrund eigener Belange <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> bzw. aus innerhalb<br />

<strong>de</strong>ren Sphäre liegen<strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n hinausgeschoben, läuft die Festsetzungsfrist ungeachtet <strong>de</strong>s Antrags ab.<br />

3.3.1 Bei einem vom Steuerpflichtigen gestellten Antrag auf zeitlich befristetes Hinausschieben <strong>de</strong>s Beginns <strong>de</strong>r<br />

Außenprüfung entfällt die Ablaufhemmung nach In § 171 Absatz 4 Satz 1 2. Alternative rückwirkend, wenn<br />

die Finanzbehör<strong>de</strong> nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang <strong>de</strong>s Antrags mit <strong>de</strong>r Prüfung beginnt (vgl.<br />

BFH-Urteil vom 17.3.2010 – IV R 54/07 – BStBl. 2011 II, S. 7).<br />

Die Ablaufhemmung entfällt dagegen nicht, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige einen unbefristeten bzw. zeitlich<br />

unbestimmten Antrag gestellt hat, also bspw. beantragt hat wegen einer noch andauern<strong>de</strong>n Vor-<br />

Betriebsprüfung zunächst <strong>de</strong>ren Abschluss abzuwarten.<br />

3.3.2 Enthält <strong>de</strong>r Antrag <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen auf Verschiebung <strong>de</strong>s Prüfungsbeginns keine zeitlichen Vorgaben<br />

(Antrag auf unbefristetes Hinausschieben), en<strong>de</strong>t die Festsetzungsfrist mit Ablauf von zwei Jahren nach <strong>de</strong>m<br />

<strong>de</strong>r Hin<strong>de</strong>rungsgrund beseitigt ist und die Finanzbehör<strong>de</strong> hiervon Kenntnis hat, sofern nicht zuvor mit <strong>de</strong>r<br />

Prüfung begonnen wur<strong>de</strong> (vgl. BFH-Urteil vom 1.2.2012 – I R 18/11 – BStBl. II, S. 400).<br />

3.4 Der Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist wird auch gehemmt, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige die Prüfungsanordnung<br />

angefochten hat und <strong>de</strong>ren Vollziehung ausgesetzt wur<strong>de</strong> (vgl. BFH-Urteile vom 25.1.1989 – X R 158/87 –<br />

BStBl. II, S. 483, und vom 17.6.1998 – IX R 65/95 – BStBl. 1999 II, S. 4). Dies gilt unabhängig von <strong>de</strong>r<br />

Dauer <strong>de</strong>r Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung.<br />

3.5 Ermittlungen i. S. d. § 171 Abs. 4 Satz 3 sind nur diejenigen Maßnahmen eines Betriebsprüfers, die auf eine<br />

Überprüfung <strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen gerichtet sind. Die Zusammenstellung <strong>de</strong>s Prüfungsergebnisses im<br />

Prüfungsbericht stellt keine <strong>de</strong>n Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist hinausschieben<strong>de</strong> Ermittlungshandlung dar<br />

(BFH-Urteil vom 8.7.2009 – XI R 64/07 – BStBl. 2010 II, S. 4).<br />

4. Die Ablaufhemmung <strong>de</strong>s § 171 Abs. 5 bei Ermittlungen <strong>de</strong>r Steuerfahndung (Zollfahndung) umfasst –<br />

an<strong>de</strong>rs als im Fall <strong>de</strong>s § 171 Abs. 4 – nicht <strong>de</strong>n gesamten Steueranspruch; vielmehr tritt die Hemmung nur in<br />

<strong>de</strong>m Umfang ein, in <strong>de</strong>m sich die Ergebnisse <strong>de</strong>r Ermittlungen auf die festzusetzen<strong>de</strong> Steuer auswirken<br />

(BFH-Urteil vom 14.4.1999 – IX R 30/96 – BStBl. II, S. 478).<br />

5. Bei einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 1 en<strong>de</strong>t die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf<br />

eines Jahres, nach<strong>de</strong>m die Finanzbehör<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r Beseitigung <strong>de</strong>r Ungewissheit Kenntnis erhalten hat (§ 171<br />

Abs. 8 Satz 1). Bei einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 2 en<strong>de</strong>t die Festsetzungsfrist<br />

nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nach<strong>de</strong>m die Finanzbehör<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r Beseitigung <strong>de</strong>r Ungewissheit<br />

Kenntnis erlangt hat (§ 171 Abs. 8 Satz 2). Die Ablaufhemmung beschränkt sich dabei auf <strong>de</strong>n für vorläufig<br />

erklärten Teil <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung.<br />

Eine Ungewissheit, die Anlass für eine vorläufige Steuerfestsetzung war, ist beseitigt, wenn die<br />

Tatbestandsmerkmale für die endgültige Steuerfestsetzung feststellbar sind. „Kenntnis“ i. S. d. § 171 Abs. 8<br />

verlangt positive Kenntnis <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r Beseitigung <strong>de</strong>r Ungewissheit, ein „Kennenmüssen“<br />

von Tatsachen steht <strong>de</strong>r Kenntnis nicht gleich (BFH-Urteil vom 26.8.1992 – II R 107/90 – BStBl. 1993 II,<br />

S. 5).<br />

6. § 171 Abs. 10 Satz 1 gewährt eine maximale Anpassungsfrist von zwei Jahren nach Bekanntgabe eines<br />

Grundlagenbescheids (vgl. BFH-Urteil vom 19.1.2005 – X R 14/04 – BStBl. II, S. 242). Der Zeitpunkt <strong>de</strong>s<br />

Zugangs <strong>de</strong>r verwaltungsinternen Mitteilung über <strong>de</strong>n Grundlagenbescheid bei <strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Erlass <strong>de</strong>s<br />

Folgebescheids zuständigen Finanzbehör<strong>de</strong> ist für die Fristbestimmung ebenso unbeachtlich wie <strong>de</strong>r<br />

Zeitpunkt, an <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Grundlagenbescheid unanfechtbar gewor<strong>de</strong>n ist. Eine Anfechtung <strong>de</strong>s<br />

Grundlagenbescheids führt lediglich <strong>zur</strong> Hemmung <strong>de</strong>r Feststellungsfrist (§ 181 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 171<br />

Abs. 3a), nicht aber <strong>zur</strong> Hemmung <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist <strong>de</strong>r Folgebeschei<strong>de</strong> (vgl. BFH-Urteil vom<br />

19.1.2005, a.a.O.).<br />

6.1 Wer<strong>de</strong>n Feststellungen im Grundlagenbescheid in einem Feststellungs-, Einspruchs- o<strong>de</strong>r Klageverfahren<br />

geän<strong>de</strong>rt, führt dies zu einer erneuten Anpassungspflicht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und damit wie<strong>de</strong>rum<br />

zu einer Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 Satz 1. Dagegen setzt ein Grundlagenbescheid, <strong>de</strong>r einen<br />

gleichartigen, <strong>de</strong>m Inhaltsadressaten wirksam bekannt gegebenen Steuerverwaltungsakt in seinem<br />

verbindlichen Regelungsgehalt lediglich wie<strong>de</strong>rholt, o<strong>de</strong>r eine Einspruchs- o<strong>de</strong>r Gerichtsentscheidung, die<br />

einen Grundlagenbescheid lediglich bestätigt, keine neue Zwei-Jahres-Frist in Lauf (vgl. BFH-Urteile vom<br />

13.12.2000 – X R 42/96 – BStBl. 2001 II, S. 471 und vom 19.1.2005, a.a.O.).<br />

6.2 Die Aufhebung <strong>de</strong>s Vorbehalts <strong>de</strong>r Nachprüfung eines Grundlagenbescheids steht <strong>de</strong>m Erlass eines<br />

geän<strong>de</strong>rten Grundlagenbescheids gleich. Sie setzt daher die Zwei-Jahres-Frist <strong>de</strong>s § 171 Abs. 10 Satz 1 in<br />

Lauf. Dies gilt auch dann, wenn <strong>de</strong>r Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung hinsichtlich <strong>de</strong>s Grundlagenbescheids<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 137 von 235


aufgehoben wird, ohne dass eine sachliche Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Grundlagenbescheids erfolgt (BFH-Urteil vom<br />

11.4.1995 – III B 74/92 – BFH/NV 1995 S. 943). Soweit ein Folgebescheid <strong>de</strong>n nunmehr endgültigen<br />

Grundlagenbescheid noch nicht berücksichtigt hat, muss er selbst dann nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1<br />

korrigiert wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung <strong>de</strong>s Grundlagenbescheids aufgehoben wur<strong>de</strong>, ohne<br />

dass eine sachliche Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Grundlagenbescheids erfolgt.<br />

6.3 Die Festsetzungsfrist für einen Folgebescheid läuft nach § 171 Abs. 10 Satz 2 nicht ab, solange <strong>de</strong>r Ablauf<br />

<strong>de</strong>r Festsetzungsfrist <strong>de</strong>s von <strong>de</strong>r Bindungswirkung nicht erfassten Teils <strong>de</strong>r Steuer aufgrund einer<br />

Außenprüfung nach § 171 Abs. 4 gehemmt ist. Diese Regelung ermöglicht es, die Anpassung <strong>de</strong>s<br />

Folgebescheids an einen Grundlagenbescheid (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und die Auswertung <strong>de</strong>r Ergebnisse<br />

<strong>de</strong>r Außenprüfung zusammenzufassen.<br />

6.4 Bei <strong>de</strong>r Entscheidung, ob eine geson<strong>de</strong>rte Feststellung durchgeführt o<strong>de</strong>r geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n kann, ist die Frage<br />

<strong>de</strong>r Verjährung <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Feststellung abhängigen Steuern nicht zu prüfen. Ist die Feststellungsfrist bereits<br />

abgelaufen, die Steuerfestsetzung in einem Folgebescheid aber noch zulässig, so gilt § 181 Abs. 5.<br />

6.5 Beispiele <strong>zur</strong> Anwendung <strong>de</strong>s § 171 Abs. 10 Satz 1 1<br />

Beispiel 1:<br />

Bei <strong>de</strong>r im Jahr 03 durchgeführten ESt-Veranlagung 01 (Abgabe <strong>de</strong>r Steuererklärung im Jahr 03) wur<strong>de</strong>n die<br />

Beteiligungseinkünfte in erklärter Höhe berücksichtigt. Ein von <strong>de</strong>n erklärten Werten abweichen<strong>de</strong>r<br />

Grundlagenbescheid wird am 4.4.06 bekannt gegeben.<br />

Lösung:<br />

Obgleich die allgemeine Festsetzungsfrist gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 mit Ablauf <strong>de</strong>s 31.12.07 en<strong>de</strong>t,<br />

kann eine Anpassung <strong>de</strong>s ESt-Bescheids 01 an <strong>de</strong>n Grundlagenbescheid gemäß § 171 Abs. 10 Satz 1 bis zum<br />

Ablauf <strong>de</strong>s 4.4.08 erfolgen, da insoweit die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach<br />

Bekanntgabe <strong>de</strong>s Grundlagenbescheids en<strong>de</strong>t.<br />

Beispiel 2:<br />

Wie Beispiel 1, allerdings wird <strong>de</strong>r Grundlagenbescheid am 4.4.05 bekannt gegeben.<br />

Lösung:<br />

Eine Anpassung <strong>de</strong>s ESt-Bescheids kann bis zum Ablauf <strong>de</strong>r allgemeinen Festsetzungsfrist am 31.12.07<br />

erfolgen. Ohne Be<strong>de</strong>utung ist, dass die Zwei-Jahres-Frist <strong>de</strong>s § 171 Abs. 10 Satz 1 bereits mit Ablauf <strong>de</strong>s<br />

4.4.07 en<strong>de</strong>t.<br />

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Beispiel 3:<br />

Wie Beispiel 1, die Bekanntgabe <strong>de</strong>s Grundlagenbescheids erfolgt in offener Feststellungsfrist, jedoch nach<br />

Ablauf <strong>de</strong>r allgemeinen Festsetzungsfrist, am 4.4.08.<br />

Lösung:<br />

Eine Anpassung <strong>de</strong>s ESt-Bescheids 01 an <strong>de</strong>n Grundlagenbescheid ist gemäß § 171 Abs. 10 Satz 1 bis zum<br />

Ablauf <strong>de</strong>s 4.4.10 möglich, da die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach<br />

Bekanntgabe <strong>de</strong>s Grundlagenbescheids en<strong>de</strong>t.<br />

7. § 171 Abs. 14 verlängert die Festsetzungsfrist bis zum Ablauf <strong>de</strong>r Zahlungsverjährung für die Erstattung von<br />

rechtsgrundlos gezahlten Steuern. Die Finanzbehör<strong>de</strong> kann daher Steuerfestsetzungen, die wegen<br />

Bekanntgabemängeln unwirksam waren o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ren wirksame Bekanntgabe die Finanzbehör<strong>de</strong> nicht<br />

nachweisen kann (vgl. § 122 Abs. 2 Halbsatz 2), noch nach Ablauf <strong>de</strong>r regulären Festsetzungsfrist<br />

nachholen, soweit die Zahlungsverjährungsfrist für die bisher geleisteten Zahlungen noch nicht abgelaufen<br />

ist (vgl. BFH-Urteil vom 13.3.2001 – VIII R 37/00 – BStBl. II, S. 430).<br />

1 Es wird unterstellt, dass kein Fristen<strong>de</strong> auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag o<strong>de</strong>r einen Sonnabend<br />

fällt.<br />

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Vor §§ 172 bis 177 – Bestandskraft:<br />

1. Die §§ 172 ff. regeln die Durchbrechung <strong>de</strong>r materiellen Bestandskraft (Verbindlichkeit einer<br />

Verwaltungsentscheidung). Sie ist von <strong>de</strong>r formellen Bestandskraft (Unanfechtbarkeit) zu unterschei<strong>de</strong>n.<br />

Diese liegt vor, soweit ein Verwaltungsakt nicht o<strong>de</strong>r nicht mehr mit Rechtsbehelfen angefochten wer<strong>de</strong>n<br />

kann. Unanfechtbarkeit be<strong>de</strong>utet nicht Unabän<strong>de</strong>rbarkeit. Dementsprechend können auch<br />

Steuerfestsetzungen unter <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung unanfechtbar wer<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteil vom<br />

19.12.1985 – V R 167/82 – BStBl. 1986 II, S. 429).<br />

2. Die Vorschriften über die materielle Bestandskraft gelten für Steuerfestsetzungen i. S. d. § 155 sowie für alle<br />

Festsetzungen, für die die Vorschriften über das Steuerfestsetzungsverfahren anzuwen<strong>de</strong>n sind. Keine<br />

Anwendung fin<strong>de</strong>n sie bei <strong>de</strong>r Rücknahme eines rechtswidrigen und <strong>de</strong>m Wi<strong>de</strong>rruf eines rechtmäßigen<br />

begünstigen<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r nicht begünstigen<strong>de</strong>n sonstigen Verwaltungsaktes (vgl. zu §§ 130, 131).<br />

3. Die materielle Bestandskraft wird nur durchbrochen, soweit es das Gesetz zulässt. Die Zulässigkeit ergibt<br />

sich nicht nur aus <strong>de</strong>r AO selbst (z. B. §§ 164, 165, 172 bis 175a), son<strong>de</strong>rn auch aus an<strong>de</strong>ren Steuergesetzen<br />

(z. B. § 10d Abs. 1 EStG; § 35b GewStG; §§ 24 und 24a BewG; § 20 GrStG).<br />

4. Steuerfestsetzungen unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung sowie Vorauszahlungsbeschei<strong>de</strong> (§ 164 Abs. 1 Satz 2)<br />

und Steueranmeldungen (§ 150 Abs. 1 Satz 2, § 168), die kraft Gesetzes unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung<br />

stehen, sind unabhängig von <strong>de</strong>r formellen Bestandskraft nach § 164 Abs. 2 <strong>de</strong>m Umfang nach<br />

uneingeschränkt än<strong>de</strong>rbar, solange <strong>de</strong>r Vorbehalt nicht aufgehoben wor<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r entfallen ist; § 176 bleibt<br />

unberührt.<br />

5. Wegen <strong>de</strong>r Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten Hinweis auf § 129.<br />

6. Zeitlich ist die Aufhebung, Än<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Berichtigung einer Steuerfestsetzung nur innerhalb <strong>de</strong>r<br />

Festsetzungsfrist zulässig (§ 169).<br />

7. Bei Än<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Berichtigung von Steuerfestsetzungen sind die Vorschriften <strong>de</strong>r KBV zu beachten.<br />

8. Ein steuerliches Wahlrecht liegt vor, wenn ein Steuergesetz für einen bestimmten Tatbestand –<br />

ausnahmsweise – mehr als eine Rechtsfolge vorsieht und es <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen überlassen bleibt, sich für<br />

eine dieser Rechtsfolgen zu entschei<strong>de</strong>n. Übt <strong>de</strong>r Steuerpflichtige dieses Wahlrecht nicht o<strong>de</strong>r nicht wirksam<br />

aus, tritt die vom Gesetzgeber als Regelfall vorgesehene Rechtsfolge ein.<br />

Die Ausübung <strong>de</strong>s Wahlrechts („Antrag“) ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Soweit im Gesetz<br />

keine beson<strong>de</strong>re Form (z. B. Schriftform o<strong>de</strong>r amtlicher Vordruck; vgl. § 13a Abs. 2 Satz 3 EStG, § 4a<br />

Abs. 1 UStG) vorgeschrieben ist, kann das Wahlrecht auch durch schlüssiges Verhalten ausgeübt wer<strong>de</strong>n<br />

(vgl. BFH-Urteil vom 11.12.1997 – V R 50/94 – BStBl. 1998 II, S. 420).<br />

Setzt die Ausübung <strong>de</strong>s Wahlrechts die Zustimmung <strong>de</strong>s Finanzamtes o<strong>de</strong>r Dritter (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 1<br />

EStG) voraus, treten die Rechtswirkungen <strong>de</strong>r vom Steuerpflichtigen getroffenen Wahl erst mit dieser<br />

Zustimmungserklärung ein. Dies gilt entsprechend, wenn das Wahlrecht von mehreren Steuerpflichtigen<br />

einheitlich ausgeübt wer<strong>de</strong>n muss (vgl. z. B. § 33a Abs. 2 Satz 5, § 33b Abs. 5 Satz 3 EStG).<br />

Soweit das Gesetz im Einzelfall keine bestimmte Frist (vgl. z. B. § 5a Abs. 3 EStG; § 23 Abs. 3 Satz 1<br />

UStG) <strong>zur</strong> Ausübung <strong>de</strong>s Wahlrechts („Antragsfrist“) vorsieht, kann das Wahlrecht grundsätzlich bis zum<br />

Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist ausgeübt wer<strong>de</strong>n. Die Bestandskraft <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s, in <strong>de</strong>m sich das<br />

Wahlrecht auswirkt, schränkt allerdings die Wahlrechtsausübung ein (s.u.).<br />

Umfang und Zeitpunkt <strong>de</strong>s Eintritts <strong>de</strong>r Bindungswirkung <strong>de</strong>r Wahlrechtsausübung richten sich danach, ob<br />

<strong>de</strong>r Gesetzgeber diesbezüglich ausdrückliche Regelungen getroffen hat (vgl. z. B. § 23 Abs. 3 Satz 1 UStG:<br />

Antrag bis <strong>zur</strong> Unanfechtbarkeit <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung; vgl. Nr. 1). Sieht das Gesetz einen unwi<strong>de</strong>rruflichen<br />

Antrag vor (vgl. z. B. § 5a Abs. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG), wird die Willenserklärung bereits mit<br />

ihrem Zugang beim Finanzamt wirksam und kann von diesem Zeitpunkt an nicht mehr <strong>zur</strong>ückgenommen<br />

o<strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rrufen wer<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteil vom 17.1.1995 – IX R 37/91 – BStBl. II, S. 410); Ausnahme:<br />

Anfechtung nach §§ 119 ff. BGB. An<strong>de</strong>renfalls richtet sich die Bindungswirkung <strong>de</strong>r ausgeübten Wahl nach<br />

<strong>de</strong>r Bestandskraft <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes, in <strong>de</strong>m sie sich ausgewirkt hat.<br />

Nach Eintritt <strong>de</strong>r Unanfechtbarkeit <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung können Wahlrechte grundsätzlich nur noch<br />

ausgeübt o<strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rrufen wer<strong>de</strong>n, soweit die Steuerfestsetzung nach §§ 129, 164, 165, 172 ff. o<strong>de</strong>r nach<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Regelungen in <strong>de</strong>n Einzelsteuergesetzen (vgl. Nr. 3) korrigiert wer<strong>de</strong>n kann (vgl. BFH-Urteil<br />

vom 30.8.2001 – IV R 30/99 – BStBl. 2002 II, S. 49 m. w. N.); dabei sind §§ 177 und 351 Abs. 1 zu<br />

beachten. Eine Ausnahme gilt für Wahlrechte, für <strong>de</strong>ren Ausübung das Gesetz keine Frist vorsieht und für<br />

die es grundsätzlich auch keine Bindung an die einmal getroffene Wahl gibt, wenn ihre Ausübung die<br />

Besteuerungsgrundlagen unberührt lässt (z. B. das Veranlagungswahlrecht nach § 26 EStG); diese<br />

Wahlrechte können grundsätzlich bis <strong>zur</strong> Unanfechtbarkeit eines Än<strong>de</strong>rungsbeschei<strong>de</strong>s (erneut) ausgeübt<br />

wer<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteile vom 19.5.1999 – XI R 97/94 – BStBl. II, S. 762 und vom 24.1.2002 – III<br />

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R 49/00 – BStBl. II, S. 408 m. w. N.). Die steuerrechtliche Wirkung von Wahlrechten, die nur bis <strong>zur</strong><br />

Bestandskraft <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung ausgeübt wer<strong>de</strong>n können, kann nach Eintritt dieses Zeitpunktes nicht<br />

nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a beseitigt wer<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteil vom 18.12.1973 – VIII R 101/69 –<br />

BStBl. 1974 II, S. 319). Die Wahlrechtsausübung kann auch nicht durch einen Austausch gegen bisher nicht<br />

berücksichtigte Besteuerungsgrundlagen rückgängig gemacht wer<strong>de</strong>n; infolge <strong>de</strong>r Bestandskraft <strong>de</strong>r<br />

Steuerfestsetzung ist <strong>de</strong>r Steuerpflichtige an seine Wahl gebun<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteil vom 25.2.1992 – VIII<br />

R 101/69 – BStBl. II, S. 621).<br />

Die nachträgliche Ausübung eines Wahlrechts o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rruf eines bereits ausgeübten Wahlrechts ist<br />

auch keine neue Tatsache i. S. d. § 173, son<strong>de</strong>rn Verfahrenshandlung (vgl. BFH-Urteil vom 25.2.1992,<br />

a.a.O.). Sie ist ausnahmsweise rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis i. S. <strong>de</strong>s § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, wenn sie selbst<br />

Merkmal <strong>de</strong>s gesetzlichen Tatbestands ist (vgl. BFH-Urteil vom 12.7.1989 – X R 8/84 – BStBl. II, S. 957,<br />

zum durch die Zustimmungserklärung <strong>de</strong>s Empfängers qualifizierten Antrag nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1<br />

EStG). Zur Än<strong>de</strong>rung von Steuerfestsetzungen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bei nachträglichem Antrag auf<br />

Anwendung <strong>de</strong>s § 33b EStG vgl. BFH-Urteil vom 13.12.1985 – III R 204/81 – BStBl. 1986 II, S. 245) und<br />

H 33b EStH.<br />

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Zu § 172 – Aufhebung und Än<strong>de</strong>rung von Steuerbeschei<strong>de</strong>n:<br />

1. Die Vorschrift gilt nur für Steuerbeschei<strong>de</strong>, nicht für Haftungs-, Duldungs- und Aufteilungsbeschei<strong>de</strong> (vgl.<br />

vor §§ 130, 131).<br />

2. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a lässt die schlichte Än<strong>de</strong>rung eines Steuerbescheids zugunsten <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen unter <strong>de</strong>r Voraussetzung zu, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige vor Ablauf <strong>de</strong>r Einspruchsfrist die<br />

Än<strong>de</strong>rung beantragt o<strong>de</strong>r ihr zugestimmt hat. Der Antrag auf schlichte Än<strong>de</strong>rung bedarf keiner Form.<br />

Anträge, die nicht schriftlich o<strong>de</strong>r elektronisch gestellt wer<strong>de</strong>n, sind aktenkundig zu machen. Nicht<br />

ausdrücklich als Einspruch bezeichnete, vor Ablauf <strong>de</strong>r Einspruchsfrist schriftlich o<strong>de</strong>r elektronisch<br />

vorgetragene Än<strong>de</strong>rungsbegehren <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen können regelmäßig als schlichte Än<strong>de</strong>rungsanträge<br />

behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Antragsteller eine genau bestimmte Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Steuerbescheids beantragt<br />

und das Finanzamt <strong>de</strong>m Begehren entsprechen will. An<strong>de</strong>rnfalls ist ein Einspruch anzunehmen, da <strong>de</strong>r<br />

Einspruch die Rechte <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen umfassen<strong>de</strong>r und wirkungsvoller wahrt als <strong>de</strong>r bloße<br />

Än<strong>de</strong>rungsantrag. Hat <strong>de</strong>r Steuerpflichtige sich für <strong>de</strong>n Rechtsbehelf <strong>de</strong>s Einspruchs entschie<strong>de</strong>n, so<br />

überlagert <strong>de</strong>r förmliche Rechtsbehelf einen etwaigen daneben gestellten Antrag auf schlichte Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s<br />

Steuerbescheids (vgl. BFH-Urteil vom 27.9.1994 – VIII R 36/89 – BStBl. 1995 II, S. 353).<br />

Das Finanzamt darf <strong>de</strong>n Steuerbescheid aufgrund eines schlichten Än<strong>de</strong>rungsantrags nur in <strong>de</strong>m Umfange<br />

zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen än<strong>de</strong>rn, als <strong>de</strong>r Steuerpflichtige vor Ablauf <strong>de</strong>r Einspruchsfrist eine genau<br />

bestimmte Än<strong>de</strong>rung bezogen auf einen konkreten Lebenssachverhalt beantragt hat (vgl. u. a. BFH-Urteil<br />

vom 20.12.2006 – X R 30/05 – BStBl. 2007 II, S. 503 m. w. N.). Es genügt nicht, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige<br />

lediglich die betragsmäßige Auswirkung bzw. <strong>de</strong>n Än<strong>de</strong>rungsrahmen beziffert (z. B. Herabsetzung <strong>de</strong>r<br />

Steuer auf „Null“) o<strong>de</strong>r dass ein auf Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Bescheids lauten<strong>de</strong>r allgemeiner Antrag <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen erst nach Ablauf <strong>de</strong>r Einspruchsfrist hinsichtlich <strong>de</strong>r einzelnen Korrekturpunkte<br />

konkretisiert wird (z. B. durch Nachreichen einer Steuererklärung). Auch eine Erweiterung <strong>de</strong>s<br />

Än<strong>de</strong>rungsbegehrens ist nach Ablauf <strong>de</strong>r Einspruchsfrist nicht mehr möglich (<strong>zur</strong> Erweiterung eines<br />

Einspruchsantrags siehe zu § 367, Nr. 3). Der Antragsteller kann allenfalls nach Ablauf <strong>de</strong>r Einspruchsfrist<br />

Argumente o<strong>de</strong>r Nachweise <strong>zur</strong> Begründung eines rechtzeitig gestellten, hinreichend konkreten<br />

Än<strong>de</strong>rungsantrags nachreichen o<strong>de</strong>r ergänzen, soweit hierdurch <strong>de</strong>r durch <strong>de</strong>n ursprünglichen<br />

Än<strong>de</strong>rungsantrag (Lebenssachverhalt) festgelegte Än<strong>de</strong>rungsrahmen nicht überschritten wird. Eine<br />

Antragserweiterung o<strong>de</strong>r erneute Antragstellung ist nur innerhalb <strong>de</strong>r Einspruchsfrist möglich.<br />

An das (fristgerechte) Vorbringen <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen ist das Finanzamt gebun<strong>de</strong>n. Es kann die<br />

Steuerfestsetzung nicht in vollem Umfang erneut überprüfen und ggf. verbösern. Mit <strong>de</strong>r beantragten<br />

Än<strong>de</strong>rung nicht in sachlichem o<strong>de</strong>r rechtlichem Zusammenhang stehen<strong>de</strong> materielle Fehler <strong>de</strong>r<br />

Steuerfestsetzung können aber ggf. über § 177 berichtigt wer<strong>de</strong>n.<br />

Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung (§ 361) ist aufgrund eines schlichten Än<strong>de</strong>rungsantrags nicht zulässig, allenfalls<br />

ist Stundung (§ 222) möglich.<br />

3. Nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a kann ein Steuerbescheid zu Ungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

aufgehoben o<strong>de</strong>r geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, wenn dieser <strong>de</strong>r Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung zustimmt o<strong>de</strong>r er diese<br />

Korrektur beantragt hat. Die Anzeige eines Steuerpflichtigen nach § 153 stellt noch keine Zustimmung zu<br />

einer Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung zu seinen Ungunsten i. S. d. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a dar;<br />

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ggf. kommt aber eine Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 in Betracht. Empfangsbedürftige Willenserklärungen<br />

unterliegen <strong>de</strong>n Auslegungsregelungen <strong>de</strong>r §§ 133, 157 BGB. Entschei<strong>de</strong>nd ist, wie <strong>de</strong>r<br />

Erklärungsempfänger <strong>de</strong>n objektiven Erklärungswert <strong>de</strong>r Erklärung verstehen musste (vgl. BFH-Urteile vom<br />

8.6.2000 – IV R 37/99 – BStBl. 2001 II, S. 162, und vom 5.10.2000 – VII R 96/99 – BStBl. 2001 II, S. 86).<br />

4. § 172 Abs. 1 Satz 2 bestimmt, dass auch ein durch Einspruchsentscheidung bestätigter o<strong>de</strong>r geän<strong>de</strong>rter<br />

Verwaltungsakt nach <strong>de</strong>n Vorschriften <strong>de</strong>r §§ 129, 164, 165, 172 ff. sowie nach entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Korrekturnormen in <strong>de</strong>n Einzelsteuergesetzen (vgl. vor §§ 172–177, Nr. 3) korrigiert wer<strong>de</strong>n darf. Gleiches<br />

gilt für einen im Einspruchsverfahren ergehen<strong>de</strong>n Abhilfebescheid (z. B. nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2<br />

Buchstabe a). Zum Erlass eines Abhilfebescheids im Klageverfahren nach einer rechtmäßigen Fristsetzung<br />

gemäß § 364b vgl. zu § 364b, Nr. 5.<br />

5. Nach § 172 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 ist eine schlichte Än<strong>de</strong>rung auch dann möglich, wenn <strong>de</strong>r zu än<strong>de</strong>rn<strong>de</strong><br />

Bescheid bereits durch Einspruchsentscheidung bestätigt o<strong>de</strong>r geän<strong>de</strong>rt wor<strong>de</strong>n ist. Der Än<strong>de</strong>rungsantrag<br />

muss vor Ablauf <strong>de</strong>r Klagefrist gestellt wor<strong>de</strong>n sein, nach Ablauf dieser Frist ist er unzulässig. Die<br />

Wirkungen einer nach § 364b Abs. 2 gesetzten Ausschlussfrist dürfen allerdings durch eine schlichte<br />

Än<strong>de</strong>rung nicht unterlaufen wer<strong>de</strong>n (§ 172 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2).<br />

6. Zum Einspruchsverfahren gegen Entscheidungen über die schlichte Än<strong>de</strong>rung vgl. zu § 347, Nr. 2.<br />

Zu § 173 – Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung von Steuerbeschei<strong>de</strong>n wegen neuer Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel:<br />

Inhaltsübersicht<br />

1. Tatsachen und Beweismittel<br />

2. Nachträgliches Bekanntwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel<br />

3. Rechtserheblichkeit <strong>de</strong>r Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel<br />

4. Ermittlungsfehler <strong>de</strong>s Finanzamts<br />

5. Grobes Verschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

6. Unbeachtlichkeit <strong>de</strong>s Verschul<strong>de</strong>ns <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

7. Än<strong>de</strong>rung von Schätzungsveranlagungen<br />

8. Än<strong>de</strong>rungssperre (§ 173 Abs. 2)<br />

9. Umfang <strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung<br />

10. Anwendung <strong>de</strong>s § 173 in Feststellungsfällen<br />

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1. Tatsachen und Beweismittel<br />

1.1 Tatsache i. S. d. § 173 Abs. 1 ist alles, was Merkmal o<strong>de</strong>r Teilstück eines steuergesetzlichen Tatbestan<strong>de</strong>s<br />

sein kann, also Zustän<strong>de</strong>, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller o<strong>de</strong>r immaterieller Art (vgl.<br />

BFH-Urteile vom 1.10.1993 – III R 58/92 – BStBl. 1994 II, S. 346, vom 18.12.1996 – XI R 36/96 – BStBl. 1997<br />

II, S. 264, und vom 14.1.1998 – II R 9/97 – BStBl. II, S. 371). Zu <strong>de</strong>n Tatsachen gehören auch innere Tatsachen<br />

(z. B. die Absicht, Einkünfte bzw. Gewinne zu erzielen), die nur anhand äußerer Merkmale (Hilfstatsachen)<br />

festgestellt wer<strong>de</strong>n können (vgl. BFH-Urteil vom 6.12.1994 – IX R 11/91 – BStBl. 1995 II, S. 192).<br />

1.1.1 Tatsachen i. S. d. § 173 Abs. 1 sind bei einer Schätzung die Schätzungsgrundlagen (nicht die Schätzung<br />

selbst; vgl. im Einzelnen Nr. 7). Tatsachen sind auch vorgreifliche Rechtsverhältnisse aus nichtsteuerlichen<br />

Rechtsgebieten (vgl. BFH-Urteil vom 13.10.1983 – I R 11/79 – BStBl. 1984 II, S. 181). Um Tatsachen und nicht<br />

um juristische Wertungen han<strong>de</strong>lt es sich, wenn ein Steuerpflichtiger z. B. unter <strong>de</strong>r Bezeichnung „Kauf“,<br />

„Vermietung“ o<strong>de</strong>r „Geschäftsführer-Gehalt“ in die Steuererklärung vorgreifliche Rechtsverhältnisse geltend<br />

macht; <strong>de</strong>rartige Begriffe enthalten eine Zusammenfassung von Tatsachen, die eine bestimmte rechtliche<br />

Wertung auslösen (vgl. BFH-Urteil vom 20.12.1988 – VIII R 121/83 – BStBl. 1989 II, S. 585). Folglich kann<br />

ein Steuerbescheid nach § 173 Abs. 1 geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, wenn sich aufgrund nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>ner<br />

Tatsachen die vom Steuerpflichtigen übernommene Wertung als unzutreffend erweist.<br />

1.1.2 Keine Tatsachen i. S. d. § 173 Abs. 1 sind Rechtsnormen und Schlussfolgerungen aller Art, insbeson<strong>de</strong>re<br />

steuerrechtliche Bewertungen (vgl. BFH-Urteil vom 27.10.1992 – VIII R 41/89 – BStBl. 1993 II, S. 569).<br />

Ebenso stellen Entscheidungen <strong>de</strong>s BVerfG <strong>zur</strong> Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm sowie nachträgliche<br />

Gesetzesän<strong>de</strong>rungen keine neuen Tatsachen i. S. v. § 173 Abs. 1 dar (vgl. BFH-Urteile vom 12.5.2009 – IX R<br />

45/ß8 – BStBl. II, S. 891 und vom 11.2.1994 – III R 50/92 – BStBl. II S. 389). Gleiches gilt für die (ggf.<br />

an<strong>de</strong>rweitige) Ausübung steuerlicher Wahlrechte o<strong>de</strong>r die Nachholung eines Antrags (vgl. zu §§ 172 – 177,<br />

Nr. 8). Ein Antrag kann allerdings nachgeholt wer<strong>de</strong>n, soweit die für seine Ausübung relevanten Tatsachen als<br />

solche nachträglich bekannt wer<strong>de</strong>n (vgl. Nr. 3.2).<br />

1.1.3 Bei Sachverhalten, die bei verschie<strong>de</strong>nen Steuerpflichtigen steuerlich eigenständig zu berücksichtigen<br />

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sind, weil die Steuergesetze im Regelfall keine korrespondieren<strong>de</strong> Berücksichtigung vorschreiben, sind die für<br />

die einzelne Steuerfestsetzung relevanten Tatsachen und steuerrechtliche Bewertungen zu unterschei<strong>de</strong>n. So<br />

geben Ergebnismitteilungen <strong>de</strong>s Körperschaftsteuer-Finanzamts an das für die Veranlagung <strong>de</strong>r Anteilseigner<br />

zuständige Finanzamt über eine bei einer GmbH durchgeführte Außenprüfung rechtliche Schlussfolgerungen<br />

und Schätzungsergebnisse wie<strong>de</strong>r, sie stellen für sich jedoch keine Tatsachen dar, die zu einer Än<strong>de</strong>rung nach<br />

§ 173 Abs. 1 berechtigen (BFH-Urteil vom 27.10.1992 – VIII R 41/89 – BStBl. 1993 II, S. 569). Deshalb<br />

müssen <strong>de</strong>n für die Veranlagung <strong>de</strong>r Anteilseigner zuständigen Finanzämtern die entscheidungserheblichen<br />

Tatsachen mitgeteilt wer<strong>de</strong>n; die bloße Mitteilung, es seien ver<strong>de</strong>ckte Gewinnausschüttungen festgestellt<br />

wor<strong>de</strong>n, reicht nicht aus, um eine Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1 zu rechtfertigen. Vgl. aber auch § 32a KStG.<br />

1.2 Beweismittel ist je<strong>de</strong>s Erkenntnismittel, das <strong>zur</strong> Aufklärung eines steuerlich erheblichen Sachverhalts dient,<br />

d. h. geeignet ist, das Vorliegen o<strong>de</strong>r Nichtvorliegen von Tatsachen zu beweisen (BFH-Urteil vom 20.12.1988 –<br />

VIII R 121/83 – BStBl. 1989 II, S. 585). Dazu gehören Urkun<strong>de</strong>n (Verträge, Geschäftspapiere u. a.) und<br />

Auskünfte von Auskunftspersonen (s. § 92). Ein Sachverständigengutachten ist nur Beweismittel, soweit es die<br />

Erkenntnis neuer Tatsachen vermittelt und nicht lediglich Schlussfolgerungen enthält (BFH-Urteil vom<br />

27.10.1992 – VIII R 41/89 – BStBl. 1993 II, S. 569).<br />

1.3 Eine Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1 setzt voraus, dass die Tatsachen bei Erlass <strong>de</strong>s zu än<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Bescheids<br />

bereits vorhan<strong>de</strong>n waren und vom Finanzamt hätten berücksichtigt wer<strong>de</strong>n können (vgl. BFH-Urteil vom<br />

26.7.1984 – IV R 10/83 – BStBl. II, S. 786). Nach <strong>de</strong>m Zeitpunkt <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung entstan<strong>de</strong>ne Tatsachen<br />

können dagegen eine Än<strong>de</strong>rung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 rechtfertigen, wenn insoweit ein rückwirken<strong>de</strong>s<br />

Ereignis vorliegt. Eine nach <strong>de</strong>m Zeitpunkt <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung entstan<strong>de</strong>ne Hilfstatsache, die für diesen<br />

Zeitpunkt zu einer verän<strong>de</strong>rten Würdigung in Bezug auf eine innere Tatsache führt, rechtfertigt jedoch nur dann<br />

eine Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1, wenn sie einen sicheren Schluss auf die (innere) Haupttatsache ermöglicht.<br />

1.4 Bei <strong>de</strong>r Prüfung <strong>de</strong>r Frage, ob die Tatsache zu einer höheren o<strong>de</strong>r niedrigeren Steuer führt, sind<br />

Steueranrechnungsbeträge unbeachtlich; es ist vielmehr auf die festzusetzen<strong>de</strong> Steuer abzustellen. Das BFH-<br />

Urteil vom 16.3.1990 – VI R 90/86 – BStBl. II, S. 610 betrifft <strong>de</strong>n beson<strong>de</strong>rs gelagerten Fall einer<br />

Nettolohnvereinbarung und kann daher nicht verallgemeinert wer<strong>de</strong>n.<br />

2. Nachträgliches Bekanntwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel<br />

2.1 Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel wer<strong>de</strong>n nachträglich bekannt, wenn sie einem für die Steuerfestsetzung<br />

zuständigen Bediensteten (BFH-Urteile vom 9.11.1984 – VI R 157/83 – BStBl. 1985 II, S. 191, und vom<br />

20.6.1985 – IV R 114/82 – BStBl. II, S. 492) bekannt wer<strong>de</strong>n, nach<strong>de</strong>m die Willensbildung über die<br />

Steuerfestsetzung abgeschlossen wor<strong>de</strong>n ist (Abzeichnung <strong>de</strong>r Verfügung; vgl. BFH-Urteil vom 18.3.1987 –<br />

II R 226/84 – BStBl. II, S. 416). Auf <strong>de</strong>n Tag <strong>de</strong>r Absendung <strong>de</strong>s Steuerbescheids o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Tag <strong>de</strong>r Bekanntgabe<br />

kommt es nicht an. Der im Einzelfall maßgebliche Tag ist <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen auf Verlangen mitzuteilen.<br />

2.2 Sofern im automatisierten Verfahren nachträglich – noch vor <strong>de</strong>r Absendung <strong>de</strong>s Steuerbescheids – eine<br />

materiellrechtliche Kontrolle <strong>de</strong>r gesamten Steuerfestsetzung vorgenommen wird, sind alle bis dahin bekannt<br />

gewor<strong>de</strong>nen Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 29.11.1988 –<br />

VIII R 226/83 – BStBl. 1989 II, S. 259). Tatsachen und Beweismittel, die <strong>de</strong>m Finanzamt bis zum Abschluss<br />

einer solchen Kontrolle bekannt gewor<strong>de</strong>n sind, in <strong>de</strong>m zu erlassen<strong>de</strong>n Steuerbescheid aber keine<br />

Berücksichtigung gefun<strong>de</strong>n haben, können zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr Gegenstand einer Än<strong>de</strong>rung<br />

nach § 173 Abs. 1 sein. Um eine materiellrechtliche Kontrolle <strong>de</strong>s Steuerbescheids han<strong>de</strong>lt es sich nicht, wenn<br />

<strong>de</strong>r Steuerbescheid vor seiner Absendung nur einer formellen Prüfung unterzogen wird, die die Feststellung <strong>de</strong>r<br />

ermittelten Tatsachen sowie <strong>de</strong>ren rechtliche Würdigung unberührt lässt (z. B. Prüfung auf zutreffen<strong>de</strong><br />

Adressierung o<strong>de</strong>r richtige Erfassung <strong>de</strong>r Daten).<br />

2.3 Eine Tatsache ist nicht schon dann bekannt, wenn irgen<strong>de</strong>ine Stelle <strong>de</strong>s Finanzamts von ihr Kenntnis hat. Es<br />

kommt vielmehr auf <strong>de</strong>n Kenntnisstand <strong>de</strong>r Personen an, die innerhalb <strong>de</strong>s Finanzamts dazu berufen sind, <strong>de</strong>n<br />

betreffen<strong>de</strong>n Steuerfall zu bearbeiten (BFH-Urteile vom 20.6.1985 – IV R 114/82 – BStBl. II, S. 492, vom<br />

20.4.1988 – X R 40/81 – BStBl. II, S. 804, und vom 19.6.1990 – VIII R 69/87 – BFH/NV 1991 S. 353).<br />

2.3.1 Die Rechtsbehelfsstelle <strong>de</strong>s Finanzamts muss bei <strong>de</strong>r Entscheidung über <strong>de</strong>n Einspruch eines<br />

Steuerpflichtigen grundsätzlich auch Tatsachen verwerten, die <strong>de</strong>r Veranlagungsstelle bekannt sind. Geschieht<br />

dies nicht, so können diese in <strong>de</strong>r Einspruchsentscheidung nicht berücksichtigten Tatsachen nach Abschluss <strong>de</strong>s<br />

Einspruchsverfahrens nicht mehr Gegenstand eines Än<strong>de</strong>rungsbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 sein (BFH-<br />

Urteil vom 23.3.1983 – I R 182/82 – BStBl. II, S. 548).<br />

2.3.2 Nur <strong>de</strong>m Betriebsprüfer bekannt gewor<strong>de</strong>ne Tatsachen sind <strong>de</strong>r Veranlagungsstelle grundsätzlich nicht<br />

zu<strong>zur</strong>echnen (vgl. BFH-Urteile vom 28.4.1987 – IX R 9/83 – BFH/NV 1988 S. 151, vom 29.10.1987 –<br />

IV R 69/85 – BFH/NV 1988 S. 346, und vom 20.4.1988 – X R 40/81 – BStBl. II, S. 804).<br />

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2.3.3 Für die Frage, ob einem Finanzamt Tatsachen, die zu einer erstmaligen Berücksichtigung o<strong>de</strong>r zu einer<br />

höheren Bewertung eines steuerpflichtigen Sachverhalts von Be<strong>de</strong>utung sind, i. S. v. § 173 Abs. 1 Nr. 1<br />

nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>n sind, kommt es grundsätzlich allein auf die Kenntnis dieses Finanzamts an.<br />

Ermittelt aber ein für die Erbschaft-/Schenkungsteuer zuständiges Finanzamt <strong>de</strong>n Wert einer Beteiligung an einer<br />

Personengesellschaft allein dadurch, dass es diesen aus einem von einem an<strong>de</strong>rem Finanzamt erteilten<br />

Feststellungsbescheid über <strong>de</strong>n Wert <strong>de</strong>s Betriebsvermögens <strong>de</strong>r Gesellschaft auf einen vorangegangenen<br />

Bewertungsstichtag ableitet, so macht es sich damit die diesem zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Kenntnisse zu eigen (BFH-<br />

Urteil vom 14.1.1998 – II R 9/97 – BStBl. II, S. 371).<br />

2.3.4 Einmal bekannt gewor<strong>de</strong>ne Tatsachen wer<strong>de</strong>n durch <strong>de</strong>n Wechsel in <strong>de</strong>r Zuständigkeit <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong><br />

o<strong>de</strong>r durch Wechsel <strong>de</strong>s Bearbeiters nicht wie<strong>de</strong>r unbekannt, wenn <strong>de</strong>r zunächst zuständige Bearbeiter die<br />

Tatsachen aktenkundig gemacht hat (vgl. BFH-Urteil vom 15.10.1993 – III R 74/92 – BFH/NV 1994 S. 315).<br />

2.3.5 Dem Finanzamt können auch Tatsachen bekannt sein, die sich aus älteren, bereits archivierten Akten<br />

ergeben. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass <strong>zur</strong> Hinzuziehung solcher Vorgänge nach <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />

Falles, insbeson<strong>de</strong>re nach <strong>de</strong>m Inhalt <strong>de</strong>r zu bearbeiten<strong>de</strong>n Steuererklärungen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r präsenten Akten, eine<br />

beson<strong>de</strong>re Veranlassung bestand (BFH-Urteil vom 11.2.1998 – I R 82/97 – BStBl. II, S. 552).<br />

2.3.6 Im Rahmen <strong>de</strong>s § 173 Abs. 1 Nr. 2 kann eine Tatsache nicht zum Nachteil <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen als bereits<br />

bekannt gelten, wenn <strong>de</strong>r zuständige Bearbeiter sie lediglich hätte kennen können o<strong>de</strong>r kennen müssen; das<br />

Finanzamt kann sich in diesem Fall nicht auf sein eigenes Versäumnis o<strong>de</strong>r Verschul<strong>de</strong>n berufen (vgl. BFH-<br />

Urteil vom 26.11.1996 – IX R 77/95 – BStBl. 1997 II, S. 422).<br />

2.4 Steuerbescheid i. S. v. § 173 Abs. 1 ist auch ein Bescheid, <strong>de</strong>r einen schon ergangenen Steuerbescheid<br />

inhaltlich abän<strong>de</strong>rt. Tatsachen, die zu einer höheren Besteuerung führen, kann das Finanzamt <strong>de</strong>shalb in einem<br />

weiteren Än<strong>de</strong>rungsbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 nur berücksichtigen, wenn sie ihm nach Erlass <strong>de</strong>s<br />

Än<strong>de</strong>rungsbescheids bekannt gewor<strong>de</strong>n sind. Eine Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 ist jedoch dann nicht<br />

ausgeschlossen, wenn das Finanzamt im Hinblick auf einen nachträglich ergangenen Grundlagenbescheid<br />

zunächst lediglich eine Än<strong>de</strong>rung nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 vorgenommen und dabei Tatsachen unberücksichtigt<br />

gelassen hat, die darüber hinaus eine Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 gerechtfertigt hätten (BFH-Urteil vom<br />

12.1.1989 – IV R 8/88 – BStBl. II, S. 438).<br />

2.5 Än<strong>de</strong>rt das Finanzamt einen bestandskräftigen Steuerbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1, so trägt es die<br />

objektive Beweislast dafür, dass die für die Än<strong>de</strong>rung erfor<strong>de</strong>rlichen tatsächlichen Voraussetzungen vorliegen,<br />

insbeson<strong>de</strong>re dafür, dass diese „neu“ sind (BFH-Urteil vom 19.5.1998 – I R 140/97 – BStBl. II, S. 599).<br />

3. Rechtserheblichkeit <strong>de</strong>r Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel<br />

3.1 Neue Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel können die Än<strong>de</strong>rung eines Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 nur<br />

rechtfertigen, wenn sie rechtserheblich sind. Die Rechtserheblichkeit ist zu bejahen, wenn das Finanzamt bei<br />

rechtzeitiger Kenntnis <strong>de</strong>r Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel schon bei <strong>de</strong>r ursprünglichen Veranlagung mit an<br />

Sicherheit grenzen<strong>de</strong>r Wahrscheinlichkeit zu einer höheren o<strong>de</strong>r niedrigeren Steuer gelangt wäre (vgl. BFH-<br />

Beschluss GrS vom 23.11.1987 – GrS 1/86 – BStBl. 1988 II, S. 180). Die Vorschrift <strong>de</strong>s § 173 hat nicht <strong>de</strong>n<br />

Sinn, <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen das Risiko eines Rechtsbehelfsverfahrens dadurch abzunehmen, dass ihm gestattet<br />

wird, sich auf Tatsachen gegenüber <strong>de</strong>m Finanzamt erst dann zu berufen, wenn etwa durch eine spätere<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Rechtsprechung eine Rechtslage eintritt, die eine bisher nicht vorgetragene Tatsache nunmehr als<br />

relevant erscheinen lässt.<br />

Ein Steuerbescheid darf daher wegen nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>ner Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel we<strong>de</strong>r<br />

zugunsten noch zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, wenn das Finanzamt bei ursprünglicher<br />

Kenntnis <strong>de</strong>r Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel nicht an<strong>de</strong>rs entschie<strong>de</strong>n hätte. Bei <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r<br />

Rechtserheblichkeit kommt es nicht darauf an, welche Entscheidung <strong>de</strong>r zuständige Bearbeiter subjektiv bei<br />

Erlass <strong>de</strong>s ursprünglichen Bescheids getroffen hätte. Wie das Finanzamt bei Kenntnis bestimmter Tatsachen o<strong>de</strong>r<br />

Beweismittel einen Sachverhalt in seinem ursprünglichen Bescheid gewürdigt hätte, ist vielmehr im Einzelfall<br />

aufgrund <strong>de</strong>s Gesetzes, wie es nach <strong>de</strong>r damaligen Rechtsprechung <strong>de</strong>s BFH auszulegen war, und <strong>de</strong>r die<br />

Finanzämter bin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Verwaltungsanweisungen zu beurteilen, die im Zeitpunkt <strong>de</strong>s ursprünglichen<br />

Beschei<strong>de</strong>rlasses gegolten haben (vgl. BFH-Urteile vom 11.5.1988 – I R 216/85 – BStBl. II, S. 715, vom<br />

15.1.1991 – IX R 238/87 – BStBl. II, S. 741, und vom 10.3.1999 – II R 99/97 – BStBl. II, S. 433). Subjektive<br />

Fehler <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>n, wie sie sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht <strong>de</strong>nkbar sein mögen,<br />

sind unbeachtlich (BFH-Urteil vom 11.5.1988 – I R 216/85 – BStBl. II, S. 715).<br />

3.2 Die erstmalige Ausübung eines nicht fristgebun<strong>de</strong>nen Wahlrechts nach Bestandskraft <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung<br />

(vgl. vor §§ 172 bis 177, Nr. 8) ist keine neue Tatsache, sie steht einer Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 aber<br />

nicht entgegen, sofern die für die Ausübung <strong>de</strong>s Wahlrechts relevanten Tatsachen nachträglich bekannt<br />

gewor<strong>de</strong>n sind (BFH-Urteile vom 28.9.1984 – VI R 48/82 – BStBl. 1985 II, S. 117, und vom 25.2.1992 –<br />

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IX R 41/91 – BStBl. II, S. 621). Gleiches gilt, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige nach Bestandskraft <strong>de</strong>r<br />

Steuerfestsetzung erstmals einen nicht fristgebun<strong>de</strong>nen Antrag auf Gewährung einer Steuervergünstigung stellt<br />

und hierzu entsprechen<strong>de</strong> (neue) Tatsachen vorträgt (BFH-Urteil vom 21.7.1989 – III R 303/84 – BStBl. II,<br />

S. 960). Eine Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen setzt jedoch auch in diesen<br />

Fällen voraus, dass ihn am nachträglichen Bekanntwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r steuermin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Tatsachen kein grobes<br />

Verschul<strong>de</strong>n trifft (vgl. Nr. 5).<br />

4. Ermittlungsfehler <strong>de</strong>s Finanzamts<br />

4.1 Nach <strong>de</strong>m Grundsatz von Treu und Glauben kann das Finanzamt – auch wenn es von einer<br />

rechtserheblichen Tatsache o<strong>de</strong>r einem rechtserheblichen Beweismittel nachträglich Kenntnis erhält – daran<br />

gehin<strong>de</strong>rt sein, einen Steuerbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen zu än<strong>de</strong>rn<br />

(BFH-Urteil vom 13.11.1985 – II R 208/82 – BStBl. 1986 II, S. 241). Hat <strong>de</strong>r Steuerpflichtige die ihm<br />

obliegen<strong>de</strong>n Mitwirkungspflichten in zumutbarer Weise erfüllt, kommt eine Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1<br />

nicht in Betracht, wenn die spätere Kenntnis <strong>de</strong>r Tatsache o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Beweismittels auf einer Verletzung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m<br />

Finanzamt obliegen<strong>de</strong>n Ermittlungspflicht beruht. Das Finanzamt braucht <strong>de</strong>n Steuerklärungen nicht mit<br />

Misstrauen zu begegnen, son<strong>de</strong>rn darf regelmäßig von <strong>de</strong>ren Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen; veranlagt<br />

es aber trotz bekannter Zweifel an <strong>de</strong>r Richtigkeit <strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen endgültig, so ist eine spätere<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung nach <strong>de</strong>m Grundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil<br />

vom 27.10.1992 – VIII R 41/89 – BStBl. 1993 II, S. 569). Zum Umfang <strong>de</strong>r Ermittlungspflicht <strong>de</strong>s Finanzamts<br />

vgl. auch zu § 88.<br />

4.1.1 Sind sowohl das Finanzamt seiner Ermittlungspflicht als auch <strong>de</strong>r Steuerpflichtige seiner<br />

Mitwirkungspflicht nicht in vollem Umfang nachgekommen, so fällt das nachträgliche Bekanntwer<strong>de</strong>n einer<br />

rechtserheblichen Tatsache o<strong>de</strong>r eines rechtserheblichen Beweismittels in <strong>de</strong>r Regel in <strong>de</strong>n<br />

Verantwortungsbereich <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen mit <strong>de</strong>r Folge, dass eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Steuerbescheids nach § 173<br />

Abs. 1 Nr. 1 zulässig ist (vgl. BFH-Urteil vom 11.11.1987 – I R 108/85 – BStBl. 1988 II, S. 115). Eine<br />

entsprechen<strong>de</strong> Än<strong>de</strong>rung schei<strong>de</strong>t lediglich dann aus, wenn <strong>de</strong>r Verstoß <strong>de</strong>s Finanzamts <strong>de</strong>utlich überwiegt<br />

(BFH-Urteil vom 20.12.1988 – VIII R 121/83 – BStBl. 1989 II, S. 585).<br />

4.1.2 Än<strong>de</strong>rt das Finanzamt einen bestandskräftigen Steuerbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1, trägt <strong>de</strong>r<br />

Steuerpflichtige die objektive Beweislast, wenn er eine Verletzung <strong>de</strong>r Ermittlungspflichten durch das Finanzamt<br />

rügt (BFH-Urteil vom 19.5.1998 – I R 140/97 – BStBl. II, S. 599).<br />

4.2 Auf neue Tatsachen, die nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 eine niedrigere Steuerfestsetzung rechtfertigen, sind die in<br />

Nr. 4.1 dargestellten Grundsätze nicht anzuwen<strong>de</strong>n (BFH-Urteile vom 13.4.1967 – V 57/65 – BStBl. III, S. 519,<br />

und vom 26.11.1996 – IX R 77/95 – BStBl. 1997 II, S. 422; vgl. Nr. 2.2). Hier ist jedoch zu prüfen, ob <strong>de</strong>n<br />

Steuerpflichtigen ein grobes Verschul<strong>de</strong>n am nachträglichen Bekanntwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r neuen Tatsachen trifft (vgl.<br />

Nr. 5).<br />

Im Rahmen <strong>de</strong>s § 173 Abs. 1 Nr. 2 kann eine Tatsache allerdings nicht zum Nachteil <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen als<br />

bereits bekannt gelten, wenn <strong>de</strong>r zuständige Bearbeiter sie lediglich hätte kennen können o<strong>de</strong>r kennen müssen.<br />

Das Finanzamt kann sich in diesem Fall nicht auf sein eigenes Versäumnis o<strong>de</strong>r Verschul<strong>de</strong>n berufen (vgl. BFH-<br />

Urteil vom 26.11.1996 – IX R 77/95 – BStBl. 1997 II, S. 422).<br />

5. Grobes Verschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

5.1 Die Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung eines Steuerbescheids zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen ist grundsätzlich<br />

ausgeschlossen, wenn <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen ein grobes Verschul<strong>de</strong>n daran trifft, dass die Tatsachen o<strong>de</strong>r<br />

Beweismittel <strong>de</strong>m Finanzamt erst nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>n sind. Als grobes Verschul<strong>de</strong>n hat <strong>de</strong>r<br />

Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn er<br />

die ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht<br />

entschuldbarer Weise verletzt (BFH-Urteile vom 3.2.1983 – IV R 153/80 – BStBl. II, S. 324, und vom<br />

18.5.1988 – X R 57/82 – BStBl. II, S. 713). Die objektive Beweislast (Feststellungslast) dafür, dass ihn kein<br />

grobes Verschul<strong>de</strong>n trifft, liegt beim Steuerpflichtigen.<br />

5.1.1 Bei <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r Schwere <strong>de</strong>r Verletzung dieser Sorgfaltspflicht sind die Gegebenheiten <strong>de</strong>s<br />

Einzelfalls und die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten <strong>de</strong>s einzelnen Steuerpflichtigen zu berücksichtigen<br />

(BFH-Urteil vom 29.6.1984 – VI R 181/80 – BStBl. 1984 II, S. 693). So kann die Unkenntnis steuerrechtlicher<br />

Bestimmungen allein <strong>de</strong>n Vorwurf groben Verschul<strong>de</strong>ns nicht begrün<strong>de</strong>n (BFH-Urteile vom 10.8.1988 –<br />

IX R 219/84 – BStBl. 1989 II, S. 131, vom 22.5.1992 – VI R 17/91 – BStBl. 1993 II, S. 80, und vom<br />

21.9.1993 – IX R 63/90 – BFH/NV 1994 S. 100). Offensichtliche Versehen und alltägliche Irrtümer, die sich nie<br />

ganz vermei<strong>de</strong>n lassen, wie z. B. Verwechslungen, Schreib-, Rechen- o<strong>de</strong>r Übertragungsfehler, rechtfertigen<br />

ebenfalls nicht <strong>de</strong>n Vorwurf <strong>de</strong>s groben Verschul<strong>de</strong>ns; es kann aber vorliegen, wenn das Versehen auf einer<br />

vorangegangenen Verletzung steuerlicher Pflichten beruht.<br />

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5.1.2 Ein grobes Verschul<strong>de</strong>n kann im Allgemeinen angenommen wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige trotz<br />

Auffor<strong>de</strong>rung keine Steuererklärung abgegeben hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH-Urteil vom<br />

16.9.2004 – IV R 62/02 – BStBl. 2005 II, S. 75 m. w. N.), allgemeine Grundsätze <strong>de</strong>r Buchführung (§§ 145<br />

bis 147) verletzt o<strong>de</strong>r ausdrückliche Hinweise in ihm zugegangenen Vordrucken, Merkblättern o<strong>de</strong>r sonstigen<br />

Mitteilungen <strong>de</strong>s Finanzamts nicht beachtet.<br />

5.1.3 Ein Steuerpflichtiger han<strong>de</strong>lt regelmäßig grob schuldhaft, wenn er eine im Steuererklärungsformular<br />

ausdrücklich gestellte, auf einen ganz bestimmten Vorgang bezogene Frage nicht beachtet (BFH-Urteile vom<br />

29.6.1984 – VI R 181/80 – BStBl. II, S. 693, und vom 10.8.1988 – IX R 219/84 – BStBl. 1989 II, S. 131).<br />

5.1.4 Das grobe Verschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen am nachträglichen Bekanntwer<strong>de</strong>n steuermin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r<br />

Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Finanzamt seinerseits seinen<br />

Fürsorge- o<strong>de</strong>r Ermittlungspflichten nicht hinreichend nachgekommen ist (BFH-Urteil vom 9.8.1991 –<br />

III R 24/87 – BStBl. 1992 II, S. 65). Im Einzelfall kann jedoch ein grobes Verschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen zu<br />

verneinen sein, wenn die Verletzung <strong>de</strong>r Ermittlungs- und Fürsorgepflichten ursächlich für die verspätete<br />

Geltendmachung <strong>de</strong>r steuermin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel war, z. B. bei irreführen<strong>de</strong>r<br />

Auskunftserteilung.<br />

5.2 Bei einer Zusammenveranlagung muss sich je<strong>de</strong>r Ehegatte das grobe Verschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren Ehegatten<br />

<strong>zur</strong>echnen lassen (vgl. BFH-Urteil vom 24.7.1996 – I R 62/95 – BStBl. 1997 II, S. 115).<br />

5.3 Nimmt <strong>de</strong>r Steuerpflichtige bei <strong>de</strong>r Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten die Hilfe eines Bevollmächtigten<br />

o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rer Hilfspersonen in Anspruch, so muss er sich ein etwaiges grobes Verschul<strong>de</strong>n dieser Personen wie<br />

ein eigenes Verschul<strong>de</strong>n <strong>zur</strong>echnen lassen. So hat <strong>de</strong>r Steuerpflichtige etwa ein grobes Verschul<strong>de</strong>n seines<br />

Buchhalters als eigenes Verschul<strong>de</strong>n zu vertreten (vgl. BFH-Urteil vom 18.5.1988 – X R 57/82 – BStBl. II,<br />

S. 713).<br />

5.4 Der Steuerpflichtige hat ein grobes Verschul<strong>de</strong>n seines steuerlichen Beraters in gleicher Weise zu vertreten<br />

wie das Verschul<strong>de</strong>n eines Bevollmächtigten (BFH-Urteile vom 3.2.1983 – IV R 153/80 – BStBl. II, S. 324,<br />

vom 28.6.1983 – VIII R 37/81 – BStBl. 1984 II, S. 2, vom 25.11.1983 – VI R 8/82 – BStBl. 1984 II, S. 256, und<br />

vom 26.8.1987 – I R 144/86 – BStBl. 1988 II, S. 109). Bei Festlegung <strong>de</strong>r einem steuerlichen Berater<br />

zuzumuten<strong>de</strong>n Sorgfalt ist zu berücksichtigen, dass von einem Angehörigen <strong>de</strong>r steuerberaten<strong>de</strong>n Berufe die<br />

Kenntnis und sachgemäße Anwendung <strong>de</strong>r steuerrechtlichen Vorschriften erwartet wird (BFH-Urteil vom<br />

3.2.1983 – IV R 153/80 – BStBl. II, S. 324). Ein eigenes grobes Verschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen kann darin<br />

liegen, dass er die von seinem steuerlichen Berater gefertigte Steuererklärung unterschreibt, obwohl ihm bei<br />

Durchsicht <strong>de</strong>r Steuererklärung ohne weiteres hätte auffallen müssen, dass steuermin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Tatsachen o<strong>de</strong>r<br />

Beweismittel nicht berücksichtigt wor<strong>de</strong>n sind (BFH-Urteil vom 28.6.1983 – VIII R 37/81 – BStBl. 1984 II,<br />

S. 2).<br />

Der steuerliche Berater hat, wenn er Mitarbeiter <strong>zur</strong> Vorbereitung <strong>de</strong>s Jahresabschlusses und <strong>de</strong>r Steuererklärung<br />

einsetzt, Sorgfaltspflichten hinsichtlich <strong>de</strong>r Auswahl seiner Mitarbeiter, <strong>de</strong>r Organisation <strong>de</strong>r Arbeiten in seinem<br />

Büro und <strong>de</strong>r Kontrolle <strong>de</strong>r Arbeitsergebnisse <strong>de</strong>r Mitarbeiter (BFH-Urteil vom 26.8.1987 – I R 144/86 –<br />

BStBl. 1988 II, S. 109).<br />

5.5 Bei <strong>de</strong>r Frage <strong>de</strong>s groben Verschul<strong>de</strong>ns ist auch <strong>de</strong>r Zeitraum einzubeziehen, in <strong>de</strong>m nach Durchführung <strong>de</strong>r<br />

Steuerveranlagung <strong>de</strong>r Bescheid noch än<strong>de</strong>rbar ist (BFH-Urteil vom 21.2.1991 – V R 25/87 – BStBl. II, S. 496:<br />

Vortrag steuermin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r Tatsachen bis <strong>zur</strong> Bekanntgabe <strong>de</strong>r Einspruchsentscheidung). Ein <strong>de</strong>m<br />

Steuerpflichtigen zu<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong>s grobes Verschul<strong>de</strong>n i. S. d. § 173 Abs. 1 Nr. 2 kann daher auch darin bestehen,<br />

dass er es unterlassen hat, gegen einen Steuerbescheid Einspruch einzulegen, obwohl sich ihm innerhalb <strong>de</strong>r<br />

Einspruchsfrist die Geltendmachung bisher nicht vorgetragener Tatsachen hätte aufdrängen müssen (BFH-<br />

Urteile vom 25.11.1983 – VI R 8/82 – BStBl. 1984 II, S. 256, und vom 4.2.1988 – XI R 47/97 – BFH/NV<br />

S. 682).<br />

5.6 Bei Beantwortung <strong>de</strong>r Frage, ob die Unterlassung bestimmter steuerrelevanter Angaben in <strong>de</strong>r<br />

Steuererklärung auf einem groben Verschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen, einem entschuldbaren mechanischen<br />

Versehen (z. B. Übertragungsfehler) o<strong>de</strong>r einem entschuldbaren Rechtsirrtum infolge mangeln<strong>de</strong>r Kenntnis<br />

steuerrechtlicher Vorschriften beruht, ist nicht zwischen Steuererklärungen auf Papier und elektronisch erstellten<br />

Steuererklärungen zu unterschei<strong>de</strong>n. Wird die Steuererklärung elektronisch zum Beispiel mithilfe <strong>de</strong>s<br />

Programms ElsterFormular erstellt, kann <strong>de</strong>r Steuerpflichtige bei Erfassung <strong>de</strong>r Daten anhand <strong>de</strong>r gewohnten<br />

Formularoberfläche vom kompletten Steuererklärungsvordruck und allen dort gestellten Fragen Kenntnis<br />

nehmen; darüber hinaus wird auch eine Hilfefunktion im Umfang <strong>de</strong>r amtlichen Anleitung geboten. Unerheblich<br />

ist daher, dass in <strong>de</strong>r komprimierten Steuererklärung nur ein Ausdruck <strong>de</strong>r tatsächlich erfassten und<br />

übermittelten Daten erfolgt.<br />

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6. Unbeachtlichkeit <strong>de</strong>s Verschul<strong>de</strong>ns <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

6.1 Das Verschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen ist nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 unbeachtlich, wenn die Tatsachen<br />

o<strong>de</strong>r Beweismittel, die zu einer niedrigeren Steuer führen, in einem unmittelbaren o<strong>de</strong>r mittelbaren<br />

Zusammenhang mit neuen Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismitteln stehen, die zu einer höheren Steuer führen. Stehen die<br />

steuermin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Tatsachen mit steuererhöhen<strong>de</strong>n Tatsachen im Zusammenhang, sind die steuermin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n<br />

Tatsachen nicht nur bis <strong>zur</strong> steuerlichen Auswirkung <strong>de</strong>r steuererhöhen<strong>de</strong>n Tatsachen, son<strong>de</strong>rn uneingeschränkt<br />

zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 2.8.1983 – VIII R 190/80 – BStBl. 1984 II, S. 4). Ein <strong>de</strong>rartiger<br />

Zusammenhang ist gegeben, wenn eine zu einer höheren Besteuerung führen<strong>de</strong> Tatsache die <strong>zur</strong><br />

Steuerermäßigung führen<strong>de</strong> Tatsache ursächlich bedingt, so dass <strong>de</strong>r steuererhöhen<strong>de</strong> Vorgang nicht ohne <strong>de</strong>n<br />

steuermin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Vorgang <strong>de</strong>nkbar ist (BFH-Urteile vom 28.3.1985 – IV R 159/82 – BStBl. 1986 II, S. 120,<br />

vom 5.8.1986 – IX R 13/81– BStBl. 1987 II, S. 297, und vom 8.8.1991 – V R 106/88 – BStBl. 1992 II, S. 12).<br />

Ein rein zeitliches Zusammentreffen von steuererhöhen<strong>de</strong>n und steuermin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Tatsachen reicht nicht aus<br />

(BFH-Urteil vom 28.3.1985, a.a.O.).<br />

6.2 Wird <strong>de</strong>m Finanzamt nachträglich bekannt, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige nicht erklärte Einkünfte einer<br />

bestimmten Einkunftsart erzielt hat, so stellt die Höhe dieser Einkünfte die für die Anwendung <strong>de</strong>s § 173 Abs. 1<br />

Nr. 1 o<strong>de</strong>r Nr. 2 relevante Tatsache dar (BFH-Urteil vom 1.10.1993 – III R 58/92 – BStBl. 1994 II, S. 346). Dies<br />

gilt auch dann, wenn das Finanzamt die Einkünfte zunächst geschätzt hat (BFH-Urteil vom 24.4.1991 –<br />

XI R 28/89 – BStBl. II, S. 606). Eine Aufspaltung dieser Einkünfte in steuererhöhen<strong>de</strong> Einnahmen o<strong>de</strong>r<br />

Vermögensmehrungen einerseits und steuermin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Ausgaben o<strong>de</strong>r Vermögensmin<strong>de</strong>rungen an<strong>de</strong>rerseits im<br />

Hinblick auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ist nicht zulässig.<br />

6.3 Bei <strong>de</strong>r Umsatzsteuer sind Tatsachen, die eine Erhöhung <strong>de</strong>r Umsatzsteuer begrün<strong>de</strong>n, und Tatsachen, die<br />

eine höhere Vorsteuer begrün<strong>de</strong>n, getrennt zu beurteilen. Ein Zusammenhang zwischen nachträglich bekannt<br />

gewor<strong>de</strong>nen Umsätzen und nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>nen Leistungen an <strong>de</strong>n Unternehmer i. S. d. § 173<br />

Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 besteht nur insoweit, als die Eingangsleistungen <strong>zur</strong> Ausführung <strong>de</strong>r nachträglich bekannt<br />

gewor<strong>de</strong>nen Umsätze verwen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n (BFH-Urteile vom 8.8.1991 – V R 106/88 – BStBl. 1992 II, S. 12, und<br />

vom 19.10.1995 – V R 60/92 – BStBl. 1996 II, S. 149). Dies gilt allerdings nur, soweit diese Umsätze zum<br />

Vorsteuerabzug berechtigen; soweit die nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>nen Vorsteuerbeträge hingegen mit<br />

nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>nen steuerfreien o<strong>de</strong>r nichtsteuerbaren Umsätzen in Zusammenhang stehen, sind<br />

die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 nicht erfüllt.<br />

Hat das Finanzamt bei einer Schätzung <strong>de</strong>r Umsatzsteuer davon abgesehen, die Steuer auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s<br />

Ansatzes einer Vielzahl einzelner Umsätze mit jeweils genau bezifferter Bemessungsgrundlage zu ermitteln,<br />

können die nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>nen Vorsteuerbeträge im Schätzungsweg entsprechend <strong>de</strong>m Verhältnis<br />

<strong>de</strong>r nachträglich erklärten und <strong>de</strong>r ursprünglich vom Finanzamt geschätzten steuerpflichtigen Umsätze<br />

berücksichtigt wer<strong>de</strong>n, es sei <strong>de</strong>nn, es liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass weniger o<strong>de</strong>r mehr Vorsteuerbeträge<br />

im Zusammenhang mit <strong>de</strong>n nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>nen Umsätzen stehen als sich nach dieser Aufteilung<br />

ergibt (BFH-Urteil vom 19.10.1995 – V R 60/92 – BStBl. 1996 II, S. 149).<br />

7. Än<strong>de</strong>rung von Schätzungsveranlagungen<br />

7.1 Eine auf einer Schätzung beruhen<strong>de</strong> Veranlagung kann nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 durch eine höhere<br />

Schätzungsveranlagung ersetzt wer<strong>de</strong>n, wenn nachträglich Schätzungsunterlagen festgestellt wer<strong>de</strong>n, bei <strong>de</strong>ren<br />

rechtzeitigem Bekanntsein das Finanzamt die Schätzung in an<strong>de</strong>rer Weise vorgenommen hätte. Die Än<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>r ursprünglichen Schätzungsveranlagung ist dabei nur im Ausmaß <strong>de</strong>r nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>nen<br />

Schätzungsunterlagen zulässig. Das bisherige Schätzungsverfahren ist nach Möglichkeit fortzuführen, ggf. zu<br />

verfeinern. Ein Wechsel <strong>de</strong>r Schätzungsmetho<strong>de</strong> kommt lediglich dann in Betracht, wenn die bisherige Metho<strong>de</strong><br />

angesichts <strong>de</strong>r neuen Schätzungsunterlagen versagt (BFH-Urteil vom 2.3.1982 – III R 225/80 – BStBl. 1984 II,<br />

S. 504).<br />

Die Ersetzung einer Schätzungsveranlagung durch eine höhere Schätzungsveranlagung ist auch zulässig, wenn<br />

aufgrund einer nachträglichen Vermögenszuwachsrechnung ein gegenüber <strong>de</strong>r ursprünglichen Schätzung<br />

wesentlich höherer Gewinn festgestellt wird (BFH-Urteile vom 24.10.1985 – IV R 75/84 – BStBl. 1986 II,<br />

S. 233, und vom 29.10.1987 – IV R 69/85 – BFH/NV 1988 S. 346). Dies gilt auch für <strong>de</strong>n Fall, dass es sich bei<br />

<strong>de</strong>r ursprünglichen Schätzung um eine Schätzung nach Richtsätzen für einen nicht buchführen<strong>de</strong>n, jedoch<br />

buchführungspflichtigen Landwirt han<strong>de</strong>lt (BFH-Urteile vom 3.10.1985 – IV R 197/83 – BFH/NV 1987 S. 477,<br />

und vom 24.10.1985 – IV R 170/84 – BFH/NV 1987 S. 545).<br />

7.2 Nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>ne Tatsachen, die zu einer niedrigeren Steuer führen, liegen nach einer<br />

vorausgegangenen Gewinnschätzung dann vor, wenn sich aus <strong>de</strong>r Gesamtwürdigung <strong>de</strong>r neuen Tatsachen, also<br />

<strong>de</strong>m gemeinsamen Ergebnis von Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben, eine niedrigere Steuer ergibt (BFH-<br />

Urteil vom 28.3.1985 – IV R 159/82 – BStBl. 1986 II, S. 120; vgl. auch Nr. 6.2). Eine Än<strong>de</strong>rung nach § 173<br />

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Abs. 1 Nr. 2 ist in diesen Fällen <strong>de</strong>mzufolge nur zulässig, wenn <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen am nachträglichen<br />

Bekanntwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Tatsachen kein grobes Verschul<strong>de</strong>n trifft (vgl. Nr. 5).<br />

7.3 Hat das Finanzamt <strong>de</strong>n laufen<strong>de</strong>n Gewinn und <strong>de</strong>n Veräußerungsgewinn (§ 16 EStG) geschätzt, so sind die<br />

nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>nen tatsächlichen Gewinnbeträge (laufen<strong>de</strong>r Gewinn und Veräußerungsgewinn) je<br />

eine Tatsache i. S. d. § 173 Abs. 1 (BFH-Urteil vom 30.10.1986 – III R 163/82 – BStBl. 1987 II, S. 161).<br />

7.4 Zur Schätzung <strong>de</strong>r Umsatzsteuer vgl. Nr. 6.3.<br />

8. Än<strong>de</strong>rungssperre (§ 173 Abs. 2)<br />

8.1 Steuerbeschei<strong>de</strong>, die aufgrund einer Außenprüfung ergangen sind, können wegen neuer Tatsachen o<strong>de</strong>r<br />

Beweismittel nach § 173 Abs. 1 nur geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, wenn eine Steuerhinterziehung o<strong>de</strong>r leichtfertige<br />

Steuerverkürzung vorliegt (Än<strong>de</strong>rungssperre nach § 173 Abs. 2). Durch die Regelung in § 173 Abs. 2 Satz 1<br />

wird solchen Steuerbeschei<strong>de</strong>n eine erhöhte Bestandskraft zugemessen, weil durch die Außenprüfung die<br />

steuerlich erheblichen Sachverhalte ausgiebig hätten geprüft wer<strong>de</strong>n können. Die Än<strong>de</strong>rungssperre wirkt auch<br />

dann, wenn nach einer Außenprüfung Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel bekannt wer<strong>de</strong>n, die zu einer niedrigeren<br />

Steuer führen wür<strong>de</strong>n (BFH-Urteile vom 29.1.1987 – IV R 96/85 – BStBl. II, S. 410, und vom 11.12.1997 –<br />

V R 56/94 – BStBl. 1998 II, S. 367). Die Än<strong>de</strong>rungssperre bezieht sich nur auf Än<strong>de</strong>rungen i. S. v. § 173 Abs. 1,<br />

nicht aber auf Än<strong>de</strong>rungen, die aufgrund an<strong>de</strong>rer Vorschriften erfolgen (vgl. BFH-Urteil vom 4.11.1992 –<br />

XI R 32/91 – BStBl. 1993 II, S. 425).<br />

8.2 Der Umfang <strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rungssperre richtet sich nach <strong>de</strong>m Inhalt <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung (BFH-Urteile vom<br />

12.10.1994 – XI R 75/93 – BStBl. 1995 II, S. 289, und vom 11.2.1998 – BStBl. II, S. 552).<br />

8.2.1 Im Fall <strong>de</strong>r Beschränkung <strong>de</strong>r Außenprüfung auf bestimmte Steuerarten, Besteuerungszeiträume o<strong>de</strong>r<br />

Sachverhalte (§ 194 Abs. 1 Satz 2) umfasst die Än<strong>de</strong>rungssperre daher nur <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung<br />

genannten Teil <strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen. Wenn an<strong>de</strong>rerseits das tatsächliche Prüfungsverhalten über die<br />

Prüfungsanordnung hinausgeht, wird hierdurch keine Än<strong>de</strong>rungssperre nach § 173 Abs. 2 ausgelöst (BFH-Urteil<br />

vom 11.2.1998 – I R 82/97 – BStBl. II, S. 552).<br />

8.2.2 Der Eintritt <strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rungssperre ist nicht davon abhängig, ob <strong>de</strong>r Außenprüfer die betreffen<strong>de</strong>n Vorgänge<br />

tatsächlich geprüft hat, ob er sie aus rechtlichen Erwägungen von sich aus nicht aufgegriffen hat o<strong>de</strong>r ob er sie in<br />

Übereinstimmung mit <strong>de</strong>r damaligen Verwaltungsauffassung unbeanstan<strong>de</strong>t gelassen hat (BFH-Urteil vom<br />

4.2.1987 – I R 58/86 – BStBl. 1988 II, S. 215).<br />

8.2.3 Eine Umsatzsteuer-Son<strong>de</strong>rprüfung, durch welche auf <strong>de</strong>r Grundlage eingereichter Umsatzsteuer-<br />

Voranmeldungen „insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r Vorsteuerabzug“ geprüft wird, bewirkt keine Än<strong>de</strong>rungssperre (BFH-Urteil<br />

vom 11.11.1987 – X R 54/82 – BStBl. 1988 II, S. 307).<br />

8.3 Steuerbeschei<strong>de</strong> sind i. S. d. § 173 Abs. 2 auch dann aufgrund einer Außenprüfung ergangen, wenn diese<br />

lediglich die in einer Selbstanzeige gemachten Angaben <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen bestätigt hat (BFH-Urteil vom<br />

4.12.1986 – IV R 312/84 – BFH/NV 1987 S. 214).<br />

8.4 Außenprüfung im Sinne <strong>de</strong>s § 173 Abs. 2 ist je<strong>de</strong> Prüfung nach §§ 193 bis 203.<br />

Eine Außenprüfung kann auch von <strong>de</strong>r Steuerfahndung durchgeführt wer<strong>de</strong>n (§ 208 Abs. 2 Nr. 1). Führt die<br />

Steuerfahndung auf <strong>de</strong>r Grundlage einer Prüfungsanordnung eine Außenprüfung nach <strong>de</strong>n §§ 193 bis 203 durch,<br />

gelten uneingeschränkt die Vorschriften über die Außenprüfung. Eine von <strong>de</strong>r Steuerfahndung durchgeführte<br />

Außenprüfung hat <strong>de</strong>mentsprechend auch im Hinblick auf die Än<strong>de</strong>rungssperre <strong>de</strong>s § 173 Abs. 2 die Wirkung<br />

einer Außenprüfung. Ermittlungshandlungen <strong>de</strong>r Steuerfahndung im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Erforschung von<br />

Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten nach § 208 Abs. 1 Nr. 2 und Maßnahmen <strong>de</strong>r Steuerfahndung<br />

auf <strong>de</strong>r Grundlage von § 208 Abs. 1 Nr. 1 und 3 lassen dagegen die Än<strong>de</strong>rungssperre <strong>de</strong>s § 173 Abs. 2 nicht<br />

eintreten (BFH-Urteil vom 11.12.1997 – V R 56/94 – BStBl. 1998 II, S. 367).<br />

8.5 Die Än<strong>de</strong>rungssperre gilt auch in <strong>de</strong>n Fällen, in <strong>de</strong>nen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 über eine<br />

ergebnislose Prüfung ergangen ist. Eine solche Mitteilung ist jedoch kein Verwaltungsakt, <strong>de</strong>r eine allgemeine<br />

Än<strong>de</strong>rungssperre für die in <strong>de</strong>r vorangegangenen Außenprüfung festgestellten Sachverhalte auslöst. Sie hin<strong>de</strong>rt<br />

unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 173 Abs. 2 nur die Än<strong>de</strong>rung eines Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1. Der<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Bescheids aufgrund einer an<strong>de</strong>ren Vorschrift (z. B. § 164 Abs. 2) steht sie nicht entgegen (BFH-<br />

Urteile vom 29.4.1987 – I R 118/83 – BStBl. 1988 II, S. 168, und vom 14.9.1993 – VIII R 9/93 – BStBl. 1995 II,<br />

S. 2).<br />

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Die Wirkung einer Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 hat auch <strong>de</strong>r Vermerk im Prüfungsbericht, dass für <strong>de</strong>n<br />

betreffen<strong>de</strong>n Besteuerungszeitraum o<strong>de</strong>r die betreffen<strong>de</strong> Steuerart „keine Än<strong>de</strong>rung“ eintritt (BFH-Urteil vom<br />

14.12.1989 – III R 158/85 – BStBl. 1990 II, S. 283), es sei <strong>de</strong>nn, dass sich <strong>de</strong>r Vermerk auf einen<br />

Besteuerungszeitraum bezieht, für <strong>de</strong>n die Steuer unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung festgesetzt ist. In diesem Fall<br />

tritt die Än<strong>de</strong>rungssperre erst dann ein, wenn <strong>de</strong>r Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung nach § 164 Abs. 3 Satz 3 durch<br />

förmlichen Bescheid aufgehoben wird.<br />

8.6 Die Frage, ob die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung (§ 370) o<strong>de</strong>r<br />

leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378) vorliegen und ob damit § 173 Abs. 2 einer Än<strong>de</strong>rung nicht<br />

entgegensteht, ist von <strong>de</strong>r für die Veranlagung zuständigen Stelle im Benehmen mit <strong>de</strong>r für Straf- und<br />

Bußgeldsachen zuständigen Stelle zu entschei<strong>de</strong>n. Voraussetzung für eine Än<strong>de</strong>rung ist nicht, dass eine<br />

Bestrafung o<strong>de</strong>r Ahndung mit Bußgeld erfolgt ist. Eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung ist <strong>de</strong>shalb auch bei<br />

Selbstanzeige (§ 371), Eintritt <strong>de</strong>r Verfolgungsverjährung (§ 384) o<strong>de</strong>r sonstigen Prozesshin<strong>de</strong>rnissen möglich.<br />

Die Än<strong>de</strong>rungssperre wird auch dann durchbrochen, wenn <strong>de</strong>r Adressat <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s selbst nicht <strong>de</strong>r<br />

Täter o<strong>de</strong>r Teilnehmer <strong>de</strong>r Steuerhinterziehung o<strong>de</strong>r leichtfertigen Verkürzung ist (vgl. BFH-Urteil vom<br />

14.12.1994 – XI R 80/92 – BStBl. 1995 II, S. 293).<br />

9. Umfang <strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung<br />

Eine Än<strong>de</strong>rung nach § 173 ist nur insoweit zulässig, wie sich die neuen Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel auswirken<br />

(punktuelle Än<strong>de</strong>rung). Sonstige Fehler können nur im Rahmen <strong>de</strong>s § 177 berücksichtigt wer<strong>de</strong>n (vgl. zu § 177).<br />

10. Anwendung <strong>de</strong>s § 173 in Feststellungsfällen<br />

10.1 Nach § 181 Abs. 1 Satz 1 gilt § 173 für die geson<strong>de</strong>rte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen<br />

sinngemäß. Bei einem Feststellungsbescheid kommt es <strong>de</strong>mzufolge für die Frage <strong>de</strong>r Zulässigkeit einer<br />

Än<strong>de</strong>rung nach § 173 Abs. 1 darauf an, ob die neuen Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel sich zu Gunsten o<strong>de</strong>r zu<br />

Ungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen auswirken, <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Gegenstand <strong>de</strong>r Feststellung zu<strong>zur</strong>echnen ist. Dabei kommt<br />

es nur auf die Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r festgestellten Besteuerungsgrundlagen selbst an, nicht auf die steuerlichen<br />

Auswirkungen in <strong>de</strong>n Folgebeschei<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteil vom 24.6.2009 – IV R 55/06 – BStBl. 2009 II, S. 950).<br />

10.2.1 Lautet eine geson<strong>de</strong>rte Feststellung auf einen in Euro bemessenen Betrag (Wert, Einkünfte etc.), ist bei<br />

Anwendung <strong>de</strong>s § 173 Abs. 1 auf die Än<strong>de</strong>rungen dieses Betrags abzustellen. Erfolgt eine geson<strong>de</strong>rte<br />

Feststellung auch einheitlich (§ 179 Abs. 2 Satz 2), ist hierbei nicht auf die Verhältnisse <strong>de</strong>r<br />

Gesellschaft/Gemeinschaft insgesamt, son<strong>de</strong>rn auf die Verhältnisse je<strong>de</strong>s einzelnen Feststellungsbeteiligten<br />

individuell abzustellen.<br />

Bei einer nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>nen, steuerrechtlich beachtlichen Gewinnverteilungsabre<strong>de</strong> sind die<br />

Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 173 Abs. 1 Nr. 1 erfüllt, soweit sich die Gewinnanteile erhöhen. Der Bescheid ist nach<br />

§ 173 Abs. 1 Nr. 2 zu än<strong>de</strong>rn, soweit sich die Gewinnanteile verringern. Auf ein grobes Verschul<strong>de</strong>n am<br />

nachträglichen Bekanntwer<strong>de</strong>n einer Gewinnverteilungsabre<strong>de</strong> kommt es dabei nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2<br />

nicht an, weil die nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>ne Gewinnverteilungsabre<strong>de</strong> zugleich bei <strong>de</strong>m<br />

Feststellungsbeteiligten, <strong>de</strong>ssen Gewinnanteil sich erhöht, eine Tatsache i. S. <strong>de</strong>s § 173 Abs. 1 Nr. 1 ist (BFH-<br />

Urteil vom 24.6.2009 – IV R 55/06 – BStBl. 2009 II, S. 950).<br />

10.2.2 Wer<strong>de</strong>n zu einer Feststellung, die nicht betragsmäßige Besteuerungsgrundlagen, son<strong>de</strong>rn eine<br />

Eigenschaft o<strong>de</strong>r rechtliche Bewertung zum Gegenstand hat (z. B. Art <strong>de</strong>r Einkünfte, Grundstücksart,<br />

Zurechnung <strong>de</strong>s Grundstücks), neue Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel bekannt, fin<strong>de</strong>t § 173 Abs. 1 Nr. 2<br />

Anwendung, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige die Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Feststellungsbescheids begehrt. In diesem Fall ist die<br />

Än<strong>de</strong>rung daher nur zulässig, wenn <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen kein grobes Verschul<strong>de</strong>n am nachträglichen<br />

Bekanntwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Tatsachen o<strong>de</strong>r Beweismittel trifft; § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 bleibt unberührt. § 173 Abs. 1<br />

Nr. 1 kommt dagegen <strong>zur</strong> Anwendung, wenn das Finanzamt von Amts wegen tätig wird (vgl. das <strong>zur</strong> Frage <strong>de</strong>r<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Artfeststellung für ein Grundstück ergangene BFH-Urteil vom 16.9.1987 – II R 178/85 –<br />

BStBl. 1988 II, S. 174).<br />

Zu § 174 – Wi<strong>de</strong>rstreiten<strong>de</strong> Steuerfestsetzungen:<br />

1. Die Vorschrift eröffnet die Möglichkeit, Vorteile und Nachteile auszugleichen, die sich durch<br />

Steuerfestsetzungen ergeben haben, die inhaltlich einan<strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rsprechen. Sie bietet insoweit die gesetzliche<br />

Grundlage für die Än<strong>de</strong>rung einer Festsetzung o<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>r Festsetzungen (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2<br />

Buchstabe d).<br />

2. Nach § 174 Abs. 1 ist ein Steuerbescheid aufzuheben o<strong>de</strong>r zu än<strong>de</strong>rn, wenn ein bestimmter Sachverhalt<br />

mehrfach zu Ungunsten eines o<strong>de</strong>r mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt wor<strong>de</strong>n ist, obwohl er nur<br />

einmal hätte berücksichtigt wer<strong>de</strong>n dürfen. Hierbei kann es sich um Fälle han<strong>de</strong>ln, in <strong>de</strong>nen z. B. dieselbe<br />

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Einnahme irrtümlich verschie<strong>de</strong>nen Steuerpflichtigen, verschie<strong>de</strong>nen Steuern o<strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen<br />

Besteuerungszeiträumen zugeordnet wor<strong>de</strong>n ist. Auch die Fälle, in <strong>de</strong>nen mehrere Finanzämter gegen<br />

<strong>de</strong>nselben Steuerpflichtigen für dieselbe Steuer und <strong>de</strong>nselben Besteuerungszeitraum Steuerbeschei<strong>de</strong><br />

erlassen haben, fallen hierunter.<br />

Der fehlerhafte Steuerbescheid ist in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>n § 174 Abs. 1 nur auf Antrag aufzuheben o<strong>de</strong>r zu än<strong>de</strong>rn.<br />

Hat <strong>de</strong>r Steuerpflichtige fälschlich nur einen Antrag auf Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s rechtmäßigen Steuerbeschei<strong>de</strong>s<br />

gestellt, ist <strong>de</strong>r Antrag allgemein als Antrag auf Beseitigung <strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rstreiten<strong>de</strong>n Festsetzung zu behan<strong>de</strong>ln.<br />

Die Antragsfrist (§ 174 Abs. 1 Satz 2) ist eine gesetzliche Frist i. S. d. § 110. Über <strong>de</strong>n fristgerecht gestellten<br />

Antrag kann auch noch nach Ablauf <strong>de</strong>r Jahresfrist entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />

3. § 174 Abs. 2 regelt in entsprechen<strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>s § 174 Abs. 1 die Fälle, dass ein bestimmter<br />

Sachverhalt mehrfach zu Gunsten eines o<strong>de</strong>r mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt wor<strong>de</strong>n ist. Die<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s fehlerhaften Steuerbeschei<strong>de</strong>s ist von Amts wegen vorzunehmen. Eine Än<strong>de</strong>rung nach § 174<br />

Abs. 2 ist nicht auf <strong>de</strong>n Fall <strong>de</strong>r irrtümlichen Doppelberücksichtigung eines bestimmten Sachverhaltes<br />

beschränkt, sie kommt auch bei bewusst herbeigeführten wi<strong>de</strong>rstreiten<strong>de</strong>n Steuerfestsetzungen in Betracht<br />

(vgl. BFH-Urteil vom 6.9.1995 – XI R 37/95 – BStBl. 1996 II, S. 148).<br />

Unter <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s Antrages o<strong>de</strong>r einer Erklärung <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen i. S. d. Vorschrift fallen auch<br />

formlose Mitteilungen und Auskünfte außerhalb <strong>de</strong>s Steuererklärungsvordrucks (vgl. BFH-Urteil vom<br />

13.11.1996 – XI R 61/96 – BStBl. 1997 II, S. 170) sowie für <strong>de</strong>n Beteiligten von Dritten abgegebene<br />

Erklärungen (z. B. im Rahmen <strong>de</strong>s § 80 Abs. 1 und 4, § 200 Abs. 1).<br />

4. § 174 Abs. 3 erfasst die Fälle, in <strong>de</strong>nen bei einer Steuerfestsetzung ein bestimmter Sachverhalt in <strong>de</strong>r<br />

erkennbaren Annahme nicht berücksichtigt wor<strong>de</strong>n ist, dass <strong>de</strong>r Sachverhalt nur Be<strong>de</strong>utung für eine an<strong>de</strong>re<br />

Steuer, einen an<strong>de</strong>ren Besteuerungszeitraum o<strong>de</strong>r einen an<strong>de</strong>ren Steuerpflichtigen habe. Dieser an<strong>de</strong>re<br />

Bescheid muss nicht notwendigerweise schon erlassen wor<strong>de</strong>n sein o<strong>de</strong>r später erlassen wer<strong>de</strong>n (vgl. BFH-<br />

Urteil vom 29.5.2001 – VIII R 19/00 – BStBl. II, S. 743). Der Anwendung <strong>de</strong>s § 174 Abs. 3 steht auch nicht<br />

entgegen, dass die Finanzbehör<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r (erkennbaren) Annahme, ein bestimmter Sachverhalt sei in einem<br />

an<strong>de</strong>ren Steuerbescheid zu berücksichtigen, zunächst überhaupt keinen Steuerbescheid erlässt (BFH-Urteil<br />

vom 23.5.1996 – IV R 49/95 – BFH/NV 1997 S. 89).<br />

Die Annahme, <strong>de</strong>r bestimmte Sachverhalt sei in einem an<strong>de</strong>ren Steuerbescheid zu erfassen, muss für <strong>de</strong>n<br />

Steuerpflichtigen erkennbar und für die Nichtberücksichtigung kausal gewor<strong>de</strong>n sein. Die Erkennbarkeit ist<br />

gegeben, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige die (später als fehlerhaft erkannte) Annahme <strong>de</strong>s Finanzamts auch ohne<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Hinweis aus <strong>de</strong>m gesamten Sachverhaltsablauf allein aufgrund verständiger Würdigung <strong>de</strong>s<br />

fehlerhaften Bescheids erkennen konnte (BFH-Urteil vom 21.12.1984 – III R 75/81 – BStBl. 1985 II, S. 283,<br />

und BFH-Beschluss vom 15. Oktober 1998, BFH/NV 1999 S. 449). An <strong>de</strong>r Kausalität fehlt es dagegen,<br />

wenn die Nichtberücksichtigung darauf beruht, dass das Finanzamt von <strong>de</strong>m bestimmten Sachverhalt gar<br />

keine Kenntnis hatte o<strong>de</strong>r annahm, dieser Sachverhalt sei – jetzt und auch später – ohne steuerliche<br />

Be<strong>de</strong>utung (BFH-Urteil vom 29.5.2001, a.a.O.).<br />

Beispiel:<br />

Die Finanzbehör<strong>de</strong> hat bei <strong>de</strong>r Festsetzung <strong>de</strong>r Einkommensteuer am 31. Dezember entstan<strong>de</strong>ne<br />

Aufwendungen nicht zum Abzug als Son<strong>de</strong>rausgaben zugelassen, weil sie <strong>de</strong>r Auffassung war, dass die<br />

Son<strong>de</strong>rausgaben erst im nächsten Veranlagungszeitraum abzugsfähig seien (§ 11 Abs. 1 Satz 2 EStG). Stellt<br />

sich die Annahme später als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei <strong>de</strong>r die Berücksichtigung<br />

<strong>de</strong>s Sachverhaltes unterblieben ist, insoweit, trotz etwa eingetretener Bestandskraft noch geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n,<br />

zeitlich jedoch nur bis zum Ablauf <strong>de</strong>r für die an<strong>de</strong>re Steuerfestsetzung laufen<strong>de</strong>n Festsetzungsfrist.<br />

Die irrige Annahme, <strong>de</strong>r Sachverhalt sei in einem an<strong>de</strong>ren Steuerbescheid zu berücksichtigen, muss von <strong>de</strong>m<br />

für die Steuerfestsetzung zuständigen Amtsträger gemacht wor<strong>de</strong>n sein (vgl. BFH-Urteil vom 29.5.2001,<br />

a.a.O.).<br />

5. § 174 Abs. 4 ergänzt die Regelung <strong>de</strong>s § 174 Abs. 3 um die Fälle, in <strong>de</strong>nen eine Steuerfestsetzung auf Antrag<br />

o<strong>de</strong>r im Rechtsbehelfsverfahren zu Gunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen geän<strong>de</strong>rt wor<strong>de</strong>n ist. Der Än<strong>de</strong>rung nach<br />

§ 174 Abs. 4 steht nicht entgegen, dass <strong>de</strong>r gleiche Sachverhalt sowohl in <strong>de</strong>m zu Gunsten <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen geän<strong>de</strong>rten Steuerbescheid als auch in <strong>de</strong>m zu än<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Bescheid steuerlich zu<br />

berücksichtigen ist (vgl. BFH-Urteil vom 18.2.1997 – VIII R 54/95 – BStBl. II, S. 647). Bei <strong>de</strong>r Anwendung<br />

<strong>de</strong>r Vorschrift ist zu berücksichtigen, dass § 174 Abs. 4 <strong>de</strong>n Ausgleich einer zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

eingetretenen Än<strong>de</strong>rung bezweckt. Derjenige, <strong>de</strong>r erfolgreich für seine Rechtsansicht gestritten hat, muss<br />

auch die damit verbun<strong>de</strong>nen Nachteile hinnehmen. Die Vorschrift lässt es hingegen nicht zu, dass die<br />

zugunsten erwirkte Än<strong>de</strong>rung auf bestandskräftige an<strong>de</strong>re Beschei<strong>de</strong> übertragen wird (vgl. BFH-Urteil vom<br />

10.3.1999 – XI R 28/98 – BStBl. II, S. 475).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 149 von 235


Beispiele:<br />

a) Die Finanzbehör<strong>de</strong> hat einen Veräußerungsgewinn bei <strong>de</strong>r Festsetzung <strong>de</strong>r Einkommensteuer erfasst. Der<br />

Steuerpflichtige macht im Rechtsbehelfsverfahren mit Erfolg geltend, dass <strong>de</strong>r Veräußerungsgewinn erst<br />

im folgen<strong>de</strong>n Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen sei. Unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 174 Abs. 4<br />

kann die Erfassung <strong>de</strong>s Veräußerungsgewinns in <strong>de</strong>m folgen<strong>de</strong>n Veranlagungszeitraum nachgeholt<br />

wer<strong>de</strong>n, auch wenn die hierfür maßgebliche Steuerfestsetzung bereits unanfechtbar gewor<strong>de</strong>n ist o<strong>de</strong>r die<br />

Festsetzungsfrist bereits abgelaufen war.<br />

b) Der Steuerpflichtige erreicht wegen eines in einem Veranlagungszeitraum erzielten<br />

Einnahmeüberschusses eine geän<strong>de</strong>rte Beurteilung <strong>de</strong>r Einkünfteerzielungsabsicht und damit die<br />

Berücksichtigung <strong>de</strong>s Werbungskostenüberschusses in <strong>de</strong>n angefochtenen Steuerbeschei<strong>de</strong>n. Das<br />

Finanzamt kann <strong>de</strong>n bisher unberücksichtigt gebliebenen Einnahmeüberschuss nachträglich durch<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s für diesen Veranlagungszeitraum bestandskräftig gewor<strong>de</strong>nen Steuerbeschei<strong>de</strong>s nach<br />

§ 174 Abs. 4 erfassen (vgl. BFH-Urteil vom 18.2.1997, a.a.O.).<br />

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6. Nach § 174 Abs. 4 i. V. m. Abs. 5 können <strong>zur</strong> Richtigstellung einer irrigen Beurteilung eines bestimmten<br />

Sachverhaltes steuerrechtliche Folgerungen auch zu Lasten eines bereits bestandskräftig beschie<strong>de</strong>nen<br />

Dritten gezogen wer<strong>de</strong>n. Dritter ist, wer im ursprünglichen Bescheid nicht als Inhaltsadressat angegeben war<br />

(vgl. BFH-Urteil vom 8.2.1995 – I R 127/93 – BStBl. II, S. 764 und Nr. 1.3.1 zu § 122). Inhaltsadressat eines<br />

Feststellungsbeschei<strong>de</strong>s – und damit nicht Dritter i. S. d. § 174 Abs. 5 – ist <strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Gegenstand<br />

<strong>de</strong>r Feststellung zu<strong>zur</strong>echnen ist. Gesellschafter einer Personengesellschaft sind daher im<br />

Gewinnfeststellungsverfahren nicht Dritte i. S. d. § 174 Abs. 5 (BFH-Urteil vom 15.6.2004 – VII R 7/02 –<br />

BStBl. II, S. 914).<br />

Der Erlass o<strong>de</strong>r die Än<strong>de</strong>rung eines Steuerbescheids gegenüber <strong>de</strong>m Dritten setzt voraus, dass dieser vor<br />

Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist für <strong>de</strong>n gegen ihn gerichteten Steueranspruch zu <strong>de</strong>m Verfahren, das <strong>zur</strong><br />

Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, hinzugezogen o<strong>de</strong>r beigela<strong>de</strong>n<br />

wor<strong>de</strong>n ist (BFH-Urteil vom 13.4.2000 – V R 25/99 – BFH/NV 2001 S. 137). Die Finanzbehör<strong>de</strong> muss daher<br />

die Hinzuziehung eines in Betracht kommen<strong>de</strong>n Dritten rechtzeitig vornehmen o<strong>de</strong>r im finanzgerichtlichen<br />

Verfahren <strong>de</strong>ssen Beiladung durch rechtzeitige Antragstellung veranlassen (zum Antrag auf Beiladung vgl.<br />

BFH-Beschluss vom 22.12.1988 – VIII B 131/87 – BStBl. 1989 II, S. 314). § 174 Abs. 5 Satz 2 ist selbst<br />

Rechtsgrundlage für die Beteiligung <strong>de</strong>s Dritten, ohne dass die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 360 Abs. 3 und <strong>de</strong>s<br />

§ 60 FGO vorliegen müssen (vgl. BFH-Beschluss vom 17.5.1994, BFH/NV 1995 S. 87). Schon die<br />

Möglichkeit, dass ein Steuerbescheid wegen irrtümlicher Beurteilung eines Sachverhalts aufzuheben o<strong>de</strong>r zu<br />

än<strong>de</strong>rn ist und hieraus Folgen für einen Dritten zu ziehen sind, rechtfertigt die Hinzuziehung <strong>de</strong>s Dritten<br />

(BFH-Beschlüsse vom 4.1.1996 – X B 149/95 – BFH/NV 1996 S. 453, vom 30.1.1996 – VIII B 20/95 –<br />

BFH/NV 1996 S. 524 und vom 27.8.1998 – III B 41/98 – BFH/NV 1999 S. 156).<br />

Eine Hinzuziehung o<strong>de</strong>r Beiladung kommt grundsätzlich nicht mehr in Betracht, wenn gegenüber <strong>de</strong>m<br />

Dritten im Zeitpunkt <strong>de</strong>r beabsichtigten Hinzuziehung o<strong>de</strong>r Beiladung die Festsetzungsfrist für <strong>de</strong>n gegen ihn<br />

gerichteten Steueranspruch bereits abgelaufen ist (vgl. BFH-Urteil vom 5.5.1993 – X R 111/91 – BStBl. II,<br />

S. 817). Hat <strong>de</strong>r Dritte aber durch eigene verfahrensrechtliche Initiativen auf die Än<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r die<br />

Aufhebung <strong>de</strong>s fehlerhaften Beschei<strong>de</strong>s hingewirkt, kann er auch noch nach Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist<br />

hinzugezogen o<strong>de</strong>r beigela<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteil vom 10.11.1993 – I R 20/93 – BStBl. 1994 II,<br />

S. 327); es reicht aber nicht aus, dass <strong>de</strong>r Dritte <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rstreit von Steuerfestsetzungen lediglich kennt.<br />

Weil sich die Frage, welches die „richtigen steuerlichen Folgerungen“ sind, verbindlich im<br />

Ausgangsverfahren entschei<strong>de</strong>t (vgl. BFH-Urteile vom 24.11.1987 – IX R 158/83 – BStBl. 1988 II, S. 404<br />

und vom 3.8.1988 – I R 115/84 – BFH/NV 1989 S. 482) und <strong>de</strong>r Dritte durch die Ausgangsentscheidung<br />

beschwert ist (vgl. BFH-Urteil vom 22.7.1980 – VIII R 114/78 – BStBl. 1981 II, S. 101), muss ihm die<br />

Möglichkeit eröffnet sein, sich im Ausgangsverfahren rechtliches Gehör zu verschaffen und auf das<br />

Verfahren dort Einfluss zu nehmen. Korrekturbeschei<strong>de</strong> und abschließen<strong>de</strong> Entscheidungen müssen auch<br />

<strong>de</strong>m Dritten bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n, damit auch dieser die Möglichkeit hat, hiergegen Rechtsbehelf<br />

einzulegen (BFH-Urteile vom 11.4.1991 – V R 40/86 – BStBl. II, S. 605, und vom 26.7.1995 – X R 45/92 –<br />

BFH/NV 1996 S. 195). Eine Entscheidung durch Abhilfebescheid (§ 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a), durch<br />

die es einer Einspruchsentscheidung nicht mehr bedarf, wahrt die Rechte <strong>de</strong>s Hinzugezogenen nur, wenn sie<br />

seinem Antrag <strong>de</strong>r Sache nach entspricht o<strong>de</strong>r wenn er ihr zustimmt (BFH-Urteile vom 11.4.1991, a.a.O.,<br />

vom 20.5.1992 – III R 176/90 – BFH/NV 1993 S. 74, und vom 5.5.1993 – X R 111/91 – BStBl. II, S. 817).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 150 von 235


Eine Hinzuziehung o<strong>de</strong>r Beiladung <strong>de</strong>s Dritten ist nur dann entbehrlich, wenn er Verfahrensbeteiligter i. S. d.<br />

§ 359 AO o<strong>de</strong>r § 57 FGO war o<strong>de</strong>r durch eigene verfahrensrechtliche Initiativen auf die Än<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r<br />

Aufhebung <strong>de</strong>s fehlerhaften Steuerbeschei<strong>de</strong>s hingewirkt hat (BFH-Urteile vom 8.2.1995, a.a.O., und vom<br />

27.3.1996 – I R 100/94 – BFH/NV 1996 S. 798).<br />

7. § 174 Abs. 4 und 5 ist nicht auf die Fälle einer alternativen Erfassung bestimmter Sachverhalte entwe<strong>de</strong>r<br />

beim Steuerpflichtigen o<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>m Dritten beschränkt. „Bestimmter Sachverhalt“ ist ein einheitlicher,<br />

<strong>de</strong>ckungsgleicher Lebensvorgang, aus <strong>de</strong>m steuerrechtliche Folgen sowohl bei <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen als<br />

auch bei <strong>de</strong>m Dritten zu ziehen sind. Die steuerrechtlichen Folgen brauchen bei bei<strong>de</strong>n nicht die gleichen zu<br />

sein. Aufgrund ein und <strong>de</strong>sselben Sachverhalts kann beim Steuerpflichtigen eine abziehbare Ausgabe und<br />

beim Dritten eine Einnahme in Betracht kommen (BFH-Urteil vom 24.11.1987 – IX R 158/83 – BStBl. 1988<br />

II, S. 404, und BFH-Beschluss vom 2.12.1999 – II B 17/99 – BFH/NV 2000 S. 679).<br />

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Zu § 175 – Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung von Steuerbeschei<strong>de</strong>n in sonstigen Fällen:<br />

1. Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung von Folgebeschei<strong>de</strong>n nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1<br />

1.1 Grundlagenbeschei<strong>de</strong> i. S. d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 sind Feststellungsbeschei<strong>de</strong>, Steuermessbeschei<strong>de</strong><br />

o<strong>de</strong>r sonstige für eine Steuerfestsetzung bin<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Verwaltungsakte (§ 171 Abs. 10). Auch Verwaltungsakte<br />

an<strong>de</strong>rer Behör<strong>de</strong>n, die keine Finanzbehör<strong>de</strong>n sind, können Grundlagenbeschei<strong>de</strong> sein (z. B. Verwaltungsakte <strong>de</strong>r<br />

zuständigen Behör<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>n Grad einer Behin<strong>de</strong>rung i. S. d. § 33b EStG feststellen). Diese außersteuerlichen<br />

Grundlagenbeschei<strong>de</strong> sind auch dann bin<strong>de</strong>nd, wenn sie aufgrund <strong>de</strong>r für sie maßgeben<strong>de</strong>n<br />

Verfahrensvorschriften nach Ablauf <strong>de</strong>r für steuerliche Grundlagenbeschei<strong>de</strong> gelten<strong>de</strong>n Festsetzungsfrist<br />

(§§ 169 ff.) ergehen.<br />

1.2 Die Anpassung <strong>de</strong>s Folgebescheids an einen Grundlagenbescheid steht nicht im Ermessen <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> (BFH-Urteil vom 10.6.1999 – IV R 25/98 – BStBl. II, S. 545). Der vom Grundlagenbescheid<br />

ausgehen<strong>de</strong>n Bindungswirkung (§ 182 Abs. 1) ist durch Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Folgebeschei<strong>de</strong>s nach § 175 Abs. 1 Satz 1<br />

Nr. 1 Rechnung zu tragen, wenn <strong>de</strong>r Folgebescheid die mit <strong>de</strong>m Grundlagenbescheid getroffene Feststellung<br />

nicht o<strong>de</strong>r nicht zutreffend berücksichtigt. Eine Anpassung <strong>de</strong>s Folgebeschei<strong>de</strong>s an <strong>de</strong>n Grundlagenbescheid<br />

nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ist auch dann vorzunehmen, wenn <strong>de</strong>r Grundlagenbescheid<br />

– erst nach Erlass <strong>de</strong>s Folgebeschei<strong>de</strong>s ergangen ist (siehe §§ 155 Abs. 2 und 162 Abs. 5),<br />

– bei Erlass <strong>de</strong>s Folgebeschei<strong>de</strong>s übersehen wur<strong>de</strong> (BFH-Urteile vom 9.8.1983, BStBl. 1984 II, S. 86, und vom<br />

6.11.1985 – II R 255/83 – BStBl. II 1986, S. 168; vgl. auch BFH-Urteil vom 16.7.2003 – X R 37/99 –<br />

BStBl. II, S. 867, <strong>zur</strong> Anwendbarkeit <strong>de</strong>s § 129, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> die Auswertung <strong>de</strong>s<br />

Grundlagenbescheids nicht bewusst unterlassen hat),<br />

– bei Erlass <strong>de</strong>s Folgebeschei<strong>de</strong>s bereits vorlag, die im Grundlagenbescheid getroffenen Feststellungen aber<br />

fehlerhaft berücksichtigt wor<strong>de</strong>n sind (BFH-Urteile vom 14.4.1988 – IV R 219/85 – BStBl. II, S. 711, vom<br />

4.9.1996 – XI R 50/96 – BStBl. II, 1997 S. 261, und vom 10.6.1999 – IV R 25/98 – a.a.O.).<br />

1.3 Wird ein Grundlagenbescheid ersatzlos aufgehoben, so eröffnet dies <strong>de</strong>m für <strong>de</strong>n Erlass <strong>de</strong>s Folgebeschei<strong>de</strong>s<br />

zuständigen Finanzamt die Möglichkeit, <strong>de</strong>n Sachverhalt, <strong>de</strong>r bisher Gegenstand <strong>de</strong>s Feststellungsverfahrens<br />

war, selbstständig zu beurteilen und <strong>de</strong>n Folgebescheid insoweit nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 zu än<strong>de</strong>rn (BFH-<br />

Urteile vom 25.6.1991 – IX R 57/88 – BStBl. II, S. 821, und vom 24.3.1998 – I R 83/97 – BStBl. II, S. 601). Das<br />

Gleiche gilt, wenn ein zunächst eingeleitetes Feststellungsverfahren zu einem sog. negativen<br />

Feststellungsbescheid führt (BFH-Urteil vom 11.5.1993 – IX R 27/90 – BStBl. II, S. 820) o<strong>de</strong>r wenn einzelne<br />

Besteuerungsgrundlagen nachträglich aus <strong>de</strong>m Feststellungsverfahren ausgeschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteile vom<br />

11.4.1990 – I R 82/86 – BFH/NV 1991 S. 143, vom 25.6.1991 – IX R 57/88 – a.a.O., vom 14.7.1993 –<br />

X R 34/90 – BStBl. 1994 II, S. 77, und vom 7.12.1993 – IX R 134/92 – BFH/NV 1994 S. 547, sowie BFH-<br />

Beschluss vom 8.9.1998 – IX B 71/98 – BFH/NV 1999 S. 157).<br />

1.4 Sind die Voraussetzungen für eine Steuervergünstigung durch einen außersteuerlichen Grundlagenbescheid<br />

nachzuweisen, so steht <strong>de</strong>r Anpassung <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s (Folgebescheid) an <strong>de</strong>n Grundlagenbescheid nach<br />

§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 nicht entgegen, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige <strong>de</strong>n für die Steuervergünstigung<br />

erfor<strong>de</strong>rlichen, aber nicht fristgebun<strong>de</strong>nen Antrag erst nach Unanfechtbarkeit <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s gestellt hat<br />

(BFH-Urteil vom 13.12.1985 – III R 204/81 – BStBl. 1986 II, S. 245).<br />

2. Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung von Steuerbeschei<strong>de</strong>n wegen Eintritt eines rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisses<br />

(§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2)<br />

2.1 Die Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung eines Steuerbeschei<strong>de</strong>s nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 setzt voraus, dass<br />

nachträglich ein Ereignis eingetreten ist, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat. Hierzu rechnen alle<br />

rechtlich be<strong>de</strong>utsamen Vorgänge, aber auch tatsächlichen Lebensvorgänge, die steuerlich – ungeachtet <strong>de</strong>r<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 151 von 235


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zivilrechtlichen Wirkungen – in <strong>de</strong>r Weise Rückwirkung entfalten, dass nunmehr <strong>de</strong>r verän<strong>de</strong>rte anstelle <strong>de</strong>s<br />

zuvor verwirklichten Sachverhalts <strong>de</strong>r Besteuerung zugrun<strong>de</strong> zu legen ist (BFH-Beschluss GrS vom 19.7.1993 –<br />

GrS 2/92 – BStBl. II, S. 897, m. w. N.).<br />

2.2 Ob einer nachträglichen Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Sachverhaltes rückwirken<strong>de</strong> steuerliche Be<strong>de</strong>utung zukommt,<br />

bestimmt sich allein nach <strong>de</strong>m jeweils einschlägigen materiellen Steuerrecht. Nach diesem ist zu beurteilen, ob<br />

zum einen eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s ursprünglich gegebenen Sachverhalts <strong>de</strong>n Steuertatbestand überhaupt betrifft und<br />

ob sich darüber hinaus <strong>de</strong>r bereits entstan<strong>de</strong>ne materielle Steueranspruch mit steuerlicher Rückwirkung än<strong>de</strong>rt<br />

(BFH-Beschluss GrS vom 19.7.1993, a.a.O.).<br />

Der Fall eines rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisses liegt vor allem dann vor, wenn die Besteuerung nach <strong>de</strong>m<br />

maßgeblichen Einzelsteuergesetz nicht an Lebensvorgänge, son<strong>de</strong>rn unmittelbar o<strong>de</strong>r mittelbar an<br />

Rechtsgeschäfte, Rechtsverhältnisse o<strong>de</strong>r Verwaltungsakte anknüpft und diese Umstän<strong>de</strong> nachträglich mit<br />

Wirkung für die Vergangenheit gestaltet wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 21.4.1988 – IV R 215/85 – BStBl. II, S. 863).<br />

Nach § 175 Abs. 2 Satz 2 gilt die nachträgliche Erteilung o<strong>de</strong>r Vorlage einer Bescheinigung o<strong>de</strong>r Bestätigung<br />

nicht als rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis. § 175 Abs. 2 Satz 2 ist nicht auf die Bescheinigung <strong>de</strong>r anrechenbaren<br />

Körperschaftsteuer bei ver<strong>de</strong>ckten Gewinnausschüttungen anzuwen<strong>de</strong>n (siehe hierzu und zum<br />

Anwendungszeitraum <strong>de</strong>r Vorschrift Art. 97 § 9 Abs. 3 EGAO). Beweismittel, die ausschließlich dazu dienen,<br />

eine steuerrechtlich relevante Tatsache zu belegen und die als solche keinen Eingang in eine materielle<br />

Steuerrechtsnorm gefun<strong>de</strong>n haben, sind auch dann kein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2,<br />

wenn sie erst nach Bestandskraft eines Bescheids beschafft wer<strong>de</strong>n können; ggf. kommt hier aber § 173 <strong>zur</strong><br />

Anwendung.<br />

Eine rückwirken<strong>de</strong> Än<strong>de</strong>rung steuerrechtlicher Normen ist kein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1<br />

Satz 1 Nr. 2 (BFH-Urteil vom 9.8.1990 – X R 5/88 – BStBl. 1991 II, S. 55).<br />

Auch eine Entscheidung <strong>de</strong>s BVerfG stellt kein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis i. S. v. § 175 Abs. 1 Nr. 2 dar (vgl. u. a.<br />

BFH-Urteil vom 12.5.2009 – IV R 45/08 – BStBl. II, S. 891).<br />

2.3 Die Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ist nur zulässig, wenn das rückwirken<strong>de</strong><br />

Ereignis nachträglich, d. h. nach Entstehung <strong>de</strong>s Steueranspruchs und nach <strong>de</strong>m Erlass <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s<br />

(ggf. <strong>de</strong>s zuletzt erlassenen Än<strong>de</strong>rungsbeschei<strong>de</strong>s), eingetreten ist. Die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 175 Abs. 1 Satz 1<br />

Nr. 2 AO liegen nicht vor, wenn das Finanzamt – wie im Fall <strong>de</strong>s § 173 Abs. 1 – lediglich nachträglich Kenntnis<br />

von einem bereits gegebenen Sachverhalt erlangt (vgl. BFH-Urteil vom 6.3.2003 – XI R 13/02 – BStBl. II,<br />

S. 554).<br />

Ist im Einzelfall die Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ausgeschlossen, kann in<br />

Fällen, in <strong>de</strong>nen das Ereignis zwar schon vor Erlass <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s eingetreten, <strong>de</strong>m Finanzamt jedoch erst<br />

nachträglich bekannt gewor<strong>de</strong>n ist, die Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Steuerbeschei<strong>de</strong>s nach § 173 Abs. 1 in Betracht kommen<br />

(vgl. BFH-Urteil vom 17.3.1994 – V R 123/91 – BFH/NV 1995 S. 274).<br />

2.4 Beispiele für rückwirken<strong>de</strong> Ereignisse:<br />

Einkommensteuer<br />

– § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG<br />

Wird ein für das Betriebsvermögen am Schluss <strong>de</strong>s Wirtschaftsjahres maßgeben<strong>de</strong>r Wertansatz korrigiert, <strong>de</strong>r<br />

sich auf die Höhe <strong>de</strong>s Gewinns <strong>de</strong>r Folgejahre auswirkt, so stellt dies ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung<br />

hinsichtlich <strong>de</strong>r Veranlagung für die Folgejahre dar (BFH-Urteil vom 30.6.2005 – IV R 11/04 – BStBl. II,<br />

S. 809). Zu <strong>de</strong>n Auswirkungen auf die Verzinsung nach § 233a vgl. zu § 233a, Nr. 10.3.2.<br />

– § 6 Abs. 1a EStG<br />

Wird nachträglich die 15-v. H.-Grenze i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG überschritten, so stellt dies ein<br />

rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis dar.<br />

– § 6b EStG<br />

Die Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG kann vom Steuerpflichtigen rückwirkend aufgestockt wer<strong>de</strong>n, wenn sich<br />

<strong>de</strong>r Veräußerungspreis in einem späteren Veranlagungszeitraum erhöht (vgl. BFH-Urteil vom 13.9.2000 –<br />

X R 148/97 – BStBl. 2001 II, S. 641).<br />

– § 10 EStG (Folgen <strong>de</strong>r Erstattung von Son<strong>de</strong>rausgaben in einem späteren Veranlagungszeitraum)<br />

Wer<strong>de</strong>n gezahlte Son<strong>de</strong>rausgaben in einem späteren Veranlagungszeitraum an <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen erstattet, ist<br />

<strong>de</strong>r Erstattungsbetrag aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Praktikabilität im Erstattungsjahr mit gleichartigen Son<strong>de</strong>rausgaben zu<br />

verrechnen. Ist im Jahr <strong>de</strong>r Erstattung <strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rausgaben an <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen ein Ausgleich mit<br />

gleichartigen Aufwendungen nicht o<strong>de</strong>r nicht in voller Höhe möglich, so ist <strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rausgabenabzug <strong>de</strong>s Jahres<br />

<strong>de</strong>r Verausgabung rückwirkend zu min<strong>de</strong>rn (BFH-Urteil vom 7.7.2004 – XI R 10/04 – BStBl. II, S. 1058).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 152 von 235


© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

– § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG<br />

Wird nach Eintritt <strong>de</strong>r Bestandskraft sowohl die Zustimmung <strong>zur</strong> Anwendung <strong>de</strong>s Realsplittings erteilt, als auch<br />

<strong>de</strong>r Antrag nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG gestellt, liegen die Voraussetzungen für eine Än<strong>de</strong>rung nach § 175<br />

Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 vor (BFH-Urteil vom 12.7.1989 – X R 8/84 – BStBl. II, S. 957). Auch die nachträgliche<br />

betragsmäßige Erweiterung eines bereits vorliegen<strong>de</strong>n Antrags stellt i. V. m. <strong>de</strong>r erweiterten<br />

Zustimmungserklärung ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis dar (BFH-Urteil vom 28.6.2006 – XI R 32/05 – BStBl. 2007<br />

II, S. 6).<br />

– § 14a Abs. 4 EStG<br />

Die Steuerbegünstigung <strong>de</strong>r vorgezogenen Abfindung steht unter <strong>de</strong>m Gesetzesvorbehalt, dass <strong>de</strong>r Abgefun<strong>de</strong>ne<br />

nicht doch noch <strong>de</strong>n Betrieb übernimmt o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Betrieb nicht vorher verkauft wur<strong>de</strong> (vgl. BFH-Urteil vom<br />

4.3.1993 – IV R 110/92 – BStBl. 1993 II, S. 788). Entsprechen<strong>de</strong> für die Begünstigung schädliche Handlungen<br />

sind als rückwirken<strong>de</strong> Ereignisse anzusehen (vgl. BFH-Urteil vom 23.11.2000 – IV R 85/99 – BStBl. 2001 II,<br />

S. 122).<br />

– § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG<br />

Wird die gestun<strong>de</strong>te Kaufpreisfor<strong>de</strong>rung für die Veräußerung eines Gewerbebetriebs in einem späteren VZ ganz<br />

o<strong>de</strong>r teilweise uneinbringlich, so stellt dies ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung auf <strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>r<br />

Veräußerung dar (BFH-Urteil vom 19.7.1993 – GrS 2/92 – BStBl. II, S. 897).<br />

Die Zahlung von Scha<strong>de</strong>nsersatzleistungen für betriebliche Schä<strong>de</strong>n nach Betriebsaufgabe beeinflusst die Höhe<br />

<strong>de</strong>s Aufgabegewinns, weil sie ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis auf <strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>r Betriebsaufgabe darstellt (BFH-<br />

Urteil vom 10.2.1994 – IV R 37/92 – BStBl. II, S. 564).<br />

– § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG<br />

Die spätere vergleichsweise Festlegung eines strittigen Veräußerungspreises ist auf <strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>r<br />

Realisierung <strong>de</strong>s Veräußerungsgewinns <strong>zur</strong>ückzubeziehen (BFH-Urteil vom 26.7.1984 – IV R 10/83 – BStBl. II,<br />

S. 786).<br />

Schei<strong>de</strong>t ein Kommanditist aus einer KG aus und bleibt sein bisheriges Gesellschafterdarlehen bestehen, so ist,<br />

wenn diese For<strong>de</strong>rung später wertlos wird, sein Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn mit steuerlicher Wirkung<br />

für die Vergangenheit gemin<strong>de</strong>rt (BFH-Urteil vom 14.12.1994 – X R 128/92 – BStBl. 1995 II, S. 465).<br />

– § 17 EStG<br />

Fallen nach Auflösung einer Kapitalgesellschaft nachträgliche Anschaffungskosten für eine Beteiligung i. S. d.<br />

§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG an, können diese bei <strong>de</strong>r Ermittlung <strong>de</strong>s Auflösungsgewinns als rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis<br />

berücksichtigt wer<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteil vom 2.10.1984 – VIII R 20/84 – BStBl. 1985 II, S. 428).<br />

Wird <strong>de</strong>r Verkauf eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft (wesentliche Beteiligung i. S. v. § 17 EStG) nach<br />

Übertragung <strong>de</strong>s Anteils und vollständiger Bezahlung <strong>de</strong>s Kaufpreises durch <strong>de</strong>n Abschluss eines<br />

außergerichtlichen Vergleiches, mit <strong>de</strong>m die Vertragsparteien <strong>de</strong>n Rechtsstreit über <strong>de</strong>n Eintritt einer im<br />

Kaufvertrag vereinbarten auflösen<strong>de</strong>n Bedingung beilegen, rückgängig gemacht, so ist dies ein Ereignis mit<br />

steuerlicher Rückwirkung auf <strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>r Veräußerung (BFH-Urteil vom 19.8.2003 – VIII R 67/02 –<br />

BStBl. 2004 II, S. 107).<br />

– § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG<br />

Wird eine Rente rückwirkend zugebilligt und fällt dadurch rückwirkend ganz o<strong>de</strong>r teilweise <strong>de</strong>r Anspruch auf<br />

Sozialleistungen (z. B. Kranken- o<strong>de</strong>r Arbeitslosengeld) weg, sind die bisher im Rahmen <strong>de</strong>s<br />

Progressionsvorbehalts berücksichtigten Leistungen als Rentenzahlung anzusehen und nach § 22 Nr. 1 Satz 3<br />

Buchstabe a EStG <strong>de</strong>r Besteuerung zu unterwerfen (vgl. R 32b Abs. 4 EStR 2005).<br />

– § 22 Nr. 3 EStG<br />

Fallen Werbungskosten für einmalige (sonstige) Leistungen (§ 22 Nr. 3 EStG) nachträglich an und war ihre<br />

Entstehung im Jahr <strong>de</strong>s Zuflusses <strong>de</strong>r Einnahme nicht vorhersehbar, ist die Veranlagung <strong>de</strong>s Zuflussjahres nach<br />

§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zu än<strong>de</strong>rn (BFH-Urteil vom 3.6.1992 – X R 91/90 – BStBl. II, S. 1017).<br />

Wird ein nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbares Entgelt für ein Vorkaufsrecht auf <strong>de</strong>n Kaufpreis eines später zustan<strong>de</strong><br />

kommen<strong>de</strong>n Kaufvertrags angerechnet, führt dies zum rückwirken<strong>de</strong>n Wegfall <strong>de</strong>s zunächst angenommenen<br />

Tatbestands <strong>de</strong>r „Einkünfte aus Leistungen“ (BFH-Urteil vom 10.8.1994 – X R 42/91 – BStBl. 1995 II, S. 57).<br />

– §§ 26 bis 26b EStG<br />

Wählt ein Ehegatte vor Bestandskraft <strong>de</strong>s ihm gegenüber ergangenen Beschei<strong>de</strong>s die getrennte Veranlagung,<br />

sind die Ehegatten auch dann getrennt zu veranlagen, wenn <strong>de</strong>r gegenüber <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren Ehegatten ergangene<br />

Zusammenveranlagungsbescheid bereits bestandskräftig gewor<strong>de</strong>n ist. Der Antrag auf getrennte Veranlagung<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 153 von 235


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stellt hinsichtlich <strong>de</strong>s Zusammenveranlagungsbeschei<strong>de</strong>s <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren Ehegatten ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis mit<br />

<strong>de</strong>r Folge dar, dass dieser nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zu än<strong>de</strong>rn ist und die Festsetzungsfrist ihm gegenüber<br />

mit Ablauf <strong>de</strong>s Kalen<strong>de</strong>rjahres beginnt, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Antrag auf getrennte Veranlagung gestellt wird (BFH-Urteile<br />

vom 3.3.2005 – III R 22/02 – BStBl. II, S. 690 und vom 28.7.2005 – III R 48/03 – BStBl. II, S. 865).<br />

Wi<strong>de</strong>rruft ein Ehegatte im Zuge <strong>de</strong>r Veranlagung seinen Antrag auf getrennte Veranlagung, ist die<br />

bestandskräftige Veranlagung <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren Ehegatten nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 aufzuheben (vgl. R 26<br />

Abs. 3 Sätze 1 bis 3 EStR 2005). Zur Verzinsung siehe Nr. 10.2.1 zu § 233a.<br />

– § 32 Abs. 6 Satz 7 EStG<br />

Der Antrag <strong>zur</strong> Übertragung <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>rfreibetrags/Betreuungsfreibetrags nach Eintritt <strong>de</strong>r Bestandskraft stellt<br />

ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis dar (vgl. R 32.13 Abs. 4 EStR 2005).<br />

Doppelbesteuerungsabkommen:<br />

Soweit in einem DBA eine sog. Rückfallklausel enthalten ist, sind Einkünfte, für die nach <strong>de</strong>m DBA <strong>de</strong>m<br />

ausländischen Staat das Besteuerungsrecht zugewiesen wor<strong>de</strong>n ist, aber dort <strong>de</strong>shalb nicht versteuert wer<strong>de</strong>n,<br />

weil <strong>de</strong>r Stpfl. keine Steuererklärung abgegeben hat, nicht unter Progressionsvorbehalt freizustellen, son<strong>de</strong>rn im<br />

Inland voll zu besteuern. Sollte nachträglich eine Besteuerung im Ausland erfolgen, so liegt ein Ereignis vor, das<br />

gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 <strong>zur</strong>ückwirkt und eine Korrektur <strong>de</strong>s im Inland bestandskräftigen Steuerbescheids<br />

rechtfertigt (vgl. BFH-Urteil vom 11.6.1996 – I R 8/96 – BStBl. 1997 II, S. 117).<br />

Gewerbesteuer<br />

Die Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Hin<strong>zur</strong>echnung <strong>de</strong>r Pachtzinsen nach § 8 Nr. 7 GewStG o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r nachträgliche erstmalige<br />

Ansatz <strong>de</strong>r Pachtzinsen als Hin<strong>zur</strong>echnungsbetrag ist beim Vermieter o<strong>de</strong>r Verpächter als rückwirken<strong>de</strong>s<br />

Ereignis hinsichtlich <strong>de</strong>s Kürzungsbetrages nach § 9 Nr. 4 GewStG anzusehen (vgl. BFH-Urteil vom<br />

7.11.2000 – III R 81/97 – BFH/NV 2001 S. 814).<br />

Umsatzsteuer<br />

– § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG<br />

Weist ein Unternehmer in einer Rechnung Umsatzsteuer geson<strong>de</strong>rt erst zu einem Zeitpunkt aus, in <strong>de</strong>m die<br />

ursprünglich entstan<strong>de</strong>ne Steuer für seine Leistung wegen Ablaufs <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist nicht mehr erhoben<br />

wer<strong>de</strong>n kann, so schul<strong>de</strong>t er die ausgewiesene Steuer nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG. In diesem Fall liegt ein<br />

rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 vor (BFH-Urteil vom 13.11.2003 – V R 79/01 –<br />

BStBl. 2004 II, S. 375).<br />

– §§ 9, 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG<br />

Macht <strong>de</strong>r leisten<strong>de</strong> Unternehmer <strong>de</strong>n Verzicht auf die Steuerbefreiung rückgängig, wird <strong>de</strong>r Umsatz<br />

rückwirkend wie<strong>de</strong>r steuerfrei, so dass eine Steuer für <strong>de</strong>n berechneten Umsatz nicht mehr geschul<strong>de</strong>t wird. Der<br />

Leistungsempfänger verliert <strong>de</strong>n Vorsteuerabzug rückwirkend im Jahr <strong>de</strong>s Leistungsbezugs unabhängig davon,<br />

dass <strong>de</strong>r leisten<strong>de</strong> Unternehmer die geson<strong>de</strong>rt ausgewiesene Umsatzsteuer bis <strong>zur</strong> Rechnungsberichtigung gem.<br />

§ 14c Abs. 1 UStG schul<strong>de</strong>t (BFH-Urteil vom 1.2.2001 – V R 23/00 – BStBl. 2003 II, S. 673).<br />

Investitionszulage<br />

Ein Investitionszulagebescheid ist nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zu korrigieren, wenn nachträglich gegen die<br />

Kumulationsverbote nach § 3 Abs. 1 Satz 2, § 3a Abs. 1 Sätze 4 und 5 InvZulG 1999 verstoßen wur<strong>de</strong> (vgl.<br />

BMF-Schreiben vom 28.2.2003, BStBl. I, S. 218, Tz. 11 und 12).<br />

Erbschaftsteuer<br />

– § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG<br />

Nach Steuerfestsetzung entstehen<strong>de</strong> Kosten <strong>de</strong>r Nachlassregulierung (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG) können als<br />

rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis <strong>zur</strong> Korrektur <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung führen.<br />

– § 13 Abs. 1 Nr. 2 und 3 ErbStG<br />

Die Steuerbefreiungen fallen mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn die Gegenstän<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r Grundbesitz<br />

o<strong>de</strong>r Teile <strong>de</strong>s Grundbesitzes innerhalb von zehn Jahren nach <strong>de</strong>m Erwerb veräußert wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r die<br />

Voraussetzungen für die Steuerbefreiung innerhalb dieses Zeitraums entfallen. Die Steuerfestsetzung ist nach<br />

§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 vorzunehmen.<br />

– §§ 13a, 19a ErbStG<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 154 von 235


Freibetrag o<strong>de</strong>r Freibetragsanteil, vermin<strong>de</strong>rter Wertansatz und Entlastungsbetrag fallen mit Wirkung für die<br />

Vergangenheit weg, soweit innerhalb von fünf Jahren nach <strong>de</strong>m Zeitpunkt <strong>de</strong>r Steuerentstehung gegen eine <strong>de</strong>r<br />

Behaltensregelungen verstoßen wird. Der Steuerbescheid ist nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zu korrigieren (vgl.<br />

R 62 Abs. 1 und R 80 Abs. 1 ErbStR 2003).<br />

– § 29 Abs. 1 ErbStG<br />

Auch <strong>de</strong>r Eintritt eines Ereignisses gemäß § 29 Abs. 1 ErbStG, z. B. die Herausgabe eines Geschenks, stellt ein<br />

rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis dar.<br />

Grun<strong>de</strong>rwerbsteuer<br />

– § 5 Abs. 3 GrEStG<br />

Die Steuerbegünstigung beim Übergang eines Grundstücks von mehreren Miteigentümern o<strong>de</strong>r einem<br />

Alleineigentümer auf eine Gesamthand in <strong>de</strong>m Umfang, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Anteil <strong>de</strong>r Beteiligung <strong>de</strong>s Veräußerers am<br />

Vermögen <strong>de</strong>r Gesamthand entspricht, steht unter <strong>de</strong>m Gesetzesvorbehalt einer min<strong>de</strong>stens fünf Jahre<br />

fortwähren<strong>de</strong>n Beteiligung. Die Min<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Vermögensanteils innerhalb dieses Zeitraums stellt ein Ereignis<br />

mit steuerlicher Rückwirkung auf <strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>s Grundstücksübergangs dar. Die Steuerfestsetzung ist gemäß<br />

§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zu korrigieren o<strong>de</strong>r erstmals vorzunehmen.<br />

– § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG<br />

Die Steuerbegünstigung beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine an<strong>de</strong>re Gesamthand<br />

in <strong>de</strong>m Umfang, in <strong>de</strong>m ein Gesellschafter sowohl am Vermögen <strong>de</strong>r veräußern<strong>de</strong>n als auch <strong>de</strong>r erwerben<strong>de</strong>n<br />

Gesamthand beteiligt ist, steht unter <strong>de</strong>m Gesetzesvorbehalt einer min<strong>de</strong>stens fünf Jahre fortwähren<strong>de</strong>n<br />

Beteiligung an <strong>de</strong>r erwerben<strong>de</strong>n Gesamthand. Die Min<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Vermögensanteils innerhalb dieses Zeitraums<br />

stellt ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung auf <strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>s Grundstücksübergangs dar. Die<br />

Steuerfestsetzung ist gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zu korrigieren o<strong>de</strong>r erstmals vorzunehmen.<br />

Bewertung<br />

Wird <strong>de</strong>r einem Wertfortschreibungsbescheid vorangegangene Einheitswertbescheid nachträglich geän<strong>de</strong>rt und<br />

wer<strong>de</strong>n hierdurch die für die Wertfortschreibung auf einen späteren Stichtag nach § 22 BewG erfor<strong>de</strong>rlichen<br />

Wertgrenzen nicht mehr erreicht, ist <strong>de</strong>r Wertfortschreibungsbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 aufzuheben<br />

(BFH-Urteil vom 9.11.1994 – II R 37/91 – BStBl. 1995 II, S. 93).<br />

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Zu § 175a – Umsetzung von Verständigungsvereinbarungen:<br />

Die Vorschrift ist Rechtsgrundlage für die Umsetzung einer Verständigungsvereinbarung o<strong>de</strong>r eines<br />

Schiedsspruchs nach einer völkerrechtlichen Vereinbarung i. S. d. § 2. Zum internationalen<br />

Verständigungsverfahren und Schiedsverfahren in Steuersachen vgl. Merkblatt vom 13.7.2006, BStBl. I, S. 461.<br />

Zum Teil-Einspruchsverzicht siehe § 354 Abs. 1a, <strong>zur</strong> Teil-Rücknahme eines Einspruchs siehe § 362 Abs. 1a.<br />

Zu § 176 – Vertrauensschutz bei <strong>de</strong>r Aufhebung und Än<strong>de</strong>rung von Steuerbeschei<strong>de</strong>n:<br />

1. Die Vorschrift schützt das Vertrauen <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen in die Gültigkeit einer Rechtsnorm, <strong>de</strong>r<br />

Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift (z. B.<br />

EStR). Unter Aufhebung und Än<strong>de</strong>rung ist je<strong>de</strong> Korrektur einer Steuerfestsetzung nach §§ 164, 165, 172 ff.<br />

o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>n Einzelsteuergesetzen zu verstehen (vgl. vor §§ 172 bis 177, Nr. 3), aber nicht die Berichtigung<br />

nach § 129.<br />

2. Bei Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung ist so vorzugehen, als hätte die frühere für <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen<br />

günstige Rechtsauffassung nach wie vor Gültigkeit. Ist z. B. eine Steuer unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung<br />

festgesetzt wor<strong>de</strong>n (§ 164), so muss eine <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen günstige Rechtsprechung <strong>de</strong>s BFH, die bei<br />

<strong>de</strong>r Vorbehaltsfestsetzung berücksichtigt wor<strong>de</strong>n war, auch dann weiter angewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r BFH<br />

seine Rechtsprechung zum Nachteil <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen geän<strong>de</strong>rt hat.<br />

3. Hat <strong>de</strong>r Steuerpflichtige die bisherige Rechtsprechung seinen Steuererklärungen stillschweigend und für das<br />

Finanzamt nicht erkennbar zugrun<strong>de</strong> gelegt, gilt <strong>de</strong>r Vertrauensschutz nur, wenn davon ausgegangen wer<strong>de</strong>n<br />

kann, dass die Finanzbehör<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>r Rechtsprechung einverstan<strong>de</strong>n gewesen wäre. Das<br />

Einverständnis ist immer dann zu unterstellen, wenn die Entscheidung im Bun<strong>de</strong>ssteuerblatt veröffentlicht<br />

wor<strong>de</strong>n war und keine Verwaltungsanweisung vorlag, die Rechtsprechung <strong>de</strong>s BFH über <strong>de</strong>n entschie<strong>de</strong>nen<br />

Einzelfall hinaus nicht anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

4. Es verstößt gegen Treu und Glauben, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige aufgrund einer Rechtsprechungsän<strong>de</strong>rung die<br />

Aufhebung eines ihn belasten<strong>de</strong>n Beschei<strong>de</strong>s for<strong>de</strong>rt und erreicht und später geltend macht, er habe auf die<br />

Anwendung <strong>de</strong>r früheren Rechtsprechung vertraut und sei nicht bereit, die für ihn negativen Folgen <strong>de</strong>r<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 155 von 235


Rechtsprechungsän<strong>de</strong>rung hinzunehmen. Dies gilt zumin<strong>de</strong>st insoweit, als <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Rechtsprechungsän<strong>de</strong>rung<br />

Rechnung tragen<strong>de</strong> Än<strong>de</strong>rungsbescheid im Ergebnis zu keiner höheren Belastung <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen führt<br />

(vgl. BFH-Urteil vom 8.2.1995 – I R 127/93 – BStBl. II, S. 764).<br />

5. Wegen <strong>de</strong>r sinngemäßen, eingeschränkten Anwendung <strong>de</strong>s § 176 auf Neuveranlagungen <strong>de</strong>r Vermögensteuer<br />

siehe § 16 Abs. 2 Sätze 2 und 3 VStG, auf Neuveranlagungen <strong>de</strong>r Grundsteuermessbeträge siehe § 17 Abs. 2<br />

Nr. 2 GrStG sowie auf Fortschreibungen <strong>de</strong>r Einheitswerte siehe § 22 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BewG.<br />

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Zu § 177 – Berichtigung von materiellen Fehlern:<br />

1. Materieller Fehler ist je<strong>de</strong> objektive Unrichtigkeit eines Steuerbescheids. Materiell fehlerhaft ist ein Bescheid<br />

nicht nur, wenn bei Erlass <strong>de</strong>s Steuerbescheids gelten<strong>de</strong>s Recht unrichtig angewen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn auch<br />

dann, wenn <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung ein Sachverhalt zugrun<strong>de</strong> gelegt wor<strong>de</strong>n ist, <strong>de</strong>r sich nachträglich als<br />

unrichtig erweist. Bei <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung nicht berücksichtigte Tatsachen sind <strong>de</strong>shalb, sofern sie zu<br />

keiner Än<strong>de</strong>rung nach § 173 führen, nach § 177 zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 5.8.1986 –<br />

IX R 13/81 – BStBl. 1987 II, S. 297, 299). Auf ein Verschul<strong>de</strong>n kommt es ebenso wenig an wie darauf, dass<br />

<strong>de</strong>r Steueranspruch insoweit verjährt ist (BFH-Urteil vom 18.12.1991 – X R 38/90 – BStBl. 1992 II, S. 504).<br />

Eine Berichtigung eines materiellen Fehlers nach § 177 ist <strong>de</strong>shalb auch dann zulässig und geboten, wenn<br />

eine isolierte Än<strong>de</strong>rung dieses Fehlers o<strong>de</strong>r seine Berichtigung nach § 129 wegen Ablaufs <strong>de</strong>r<br />

Festsetzungsfrist nicht möglich wäre.<br />

2. Die Möglichkeit <strong>de</strong>r Berichtigung materieller Fehler ist bei je<strong>de</strong>r Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung eines<br />

Steuerbescheids zu prüfen. Materielle Fehler sind zu berichtigen, soweit die Voraussetzungen für die<br />

Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung eines Steuerbescheids zuungunsten (§ 177 Abs. 1) o<strong>de</strong>r zugunsten <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen (§ 177 Abs. 2) vorliegen; die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 177 Abs. 1 und 2 können auch<br />

nebeneinan<strong>de</strong>r vorliegen. Materielle Fehler dürfen nur innerhalb <strong>de</strong>s Än<strong>de</strong>rungsrahmens berichtigt, d. h.<br />

gegengerechnet wer<strong>de</strong>n. Liegen sowohl die Voraussetzungen für Än<strong>de</strong>rungen zugunsten <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen als auch solche zu <strong>de</strong>ssen Ungunsten vor, sind die oberen und unteren Grenzen <strong>de</strong>r<br />

Fehlerberichtigung jeweils getrennt voneinan<strong>de</strong>r zu ermitteln (BFH-Urteile vom 9.6.1993 – I R 90/92 –<br />

BStBl. II, S. 822, und vom 14.7.1993 – X R 34/90 – BStBl. 1994 II, S. 77). Eine Saldierung <strong>de</strong>r<br />

Än<strong>de</strong>rungstatbestän<strong>de</strong> zuungunsten und zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen ist <strong>de</strong>shalb nicht zulässig<br />

(Saldierungsverbot).<br />

3. Än<strong>de</strong>rungsobergrenze ist <strong>de</strong>r Steuerbetrag, <strong>de</strong>r sich als Summe <strong>de</strong>r bisherigen Steuerfestsetzung und <strong>de</strong>r<br />

steuerlichen Auswirkung aller selbstständigen steuererhöhen<strong>de</strong>n Än<strong>de</strong>rungstatbestän<strong>de</strong> ergibt.<br />

Än<strong>de</strong>rungsuntergrenze ist <strong>de</strong>r Steuerbetrag, <strong>de</strong>r sich nach Abzug <strong>de</strong>r steuerlichen Auswirkung aller<br />

selbstständigen steuermin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Än<strong>de</strong>rungstatbestän<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r bisherigen Steuerfestsetzung ergibt.<br />

4. Die Auswirkungen materieller Fehler sind zu saldieren und dann, soweit <strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rungsrahmen reicht, zu<br />

berücksichtigen (Saldierungsgebot); vgl. BFH-Urteil vom 9.6.1993 – I R 90/92 – BStBl. II, S. 822. Bei<br />

Än<strong>de</strong>rungen zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen kann ein negativer (steuermin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r) Fehler-Saldo nur bis<br />

<strong>zur</strong> Än<strong>de</strong>rungsuntergrenze berücksichtigt wer<strong>de</strong>n (§ 177 Abs. 1). Bei Än<strong>de</strong>rungen zugunsten <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen kann ein positiver (steuererhöhen<strong>de</strong>r) Fehler-Saldo nur bis <strong>zur</strong> Än<strong>de</strong>rungsobergrenze<br />

berücksichtigt wer<strong>de</strong>n (§ 177 Abs. 2).<br />

Beispiele:<br />

a) Es wer<strong>de</strong>n nachträglich Tatsachen bekannt, die zu einer um 5 000 € höheren Steuer führen. Zugleich<br />

wer<strong>de</strong>n materielle Fehler, die sich bei <strong>de</strong>r früheren Festsetzung in Höhe von 6 000 € zugunsten <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen ausgewirkt haben, und materielle Fehler, die sich bei <strong>de</strong>r früheren Festsetzung in Höhe<br />

von 8 500 € zum Nachteil <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen ausgewirkt haben, festgestellt.<br />

Der Saldo <strong>de</strong>r materiellen Fehler führt in Höhe von 2 500 € zu einer Min<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Nachfor<strong>de</strong>rung.<br />

b) Es wer<strong>de</strong>n nachträglich Tatsachen bekannt, die zu einer um 5 000 € höheren Steuer führen. Außer<strong>de</strong>m ist<br />

ein geän<strong>de</strong>rter Grundlagenbescheid zu berücksichtigen, <strong>de</strong>r zu einer um 5 500 € niedrigeren Steuer führt.<br />

Zugleich wer<strong>de</strong>n materielle Fehler festgestellt, die sich in Höhe von 8 500 € zugunsten und i. H. v.<br />

6 000 € zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen ausgewirkt haben.<br />

Der Saldo <strong>de</strong>r materiellen Fehler (2 500 € zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen) min<strong>de</strong>rt die Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Steuerfestsetzung zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen aufgrund <strong>de</strong>s geän<strong>de</strong>rten Grundlagenbescheids<br />

(5 500 €). Die Differenz von 3 000 € ist mit <strong>de</strong>r Nachfor<strong>de</strong>rung von 5 000 € wegen nachträglich bekannt<br />

gewor<strong>de</strong>ner Tatsachen zu verrechnen, so dass im Ergebnis eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Steuerbescheids i. H. v.<br />

2 000 € zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen vorzunehmen ist.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 156 von 235


5. Soweit ein Ausgleich materieller Fehler nach § 177 nicht möglich ist, bleibt <strong>de</strong>r Steuerbescheid fehlerhaft.<br />

Hierin liegt keine sachliche Unbilligkeit, da die Folge vom Gesetzgeber gewollt ist.<br />

6. Zur Berichtigung materieller Fehler bei einer Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten nach § 129 vgl. zu<br />

§ 129, Nr. 5; <strong>zur</strong> Berichtigung materieller Fehler bei <strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach<br />

§ 165 Abs. 2 Satz 2 vgl. zu § 165, Nr. 9.<br />

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Zu § 179 – Feststellung von Besteuerungsgrundlagen:<br />

1. Abweichend von <strong>de</strong>m Grundsatz, dass die Besteuerungsgrundlagen einen unselbstständigen Teil <strong>de</strong>s<br />

Steuerbeschei<strong>de</strong>s bil<strong>de</strong>n (§ 157 Abs. 2), sehen die §§ 179 ff. bzw. entsprechen<strong>de</strong> Vorschriften <strong>de</strong>r<br />

Einzelsteuergesetze (z. B. §§ 2a, 10b Abs. 1, § 10d Abs. 3, § 15a Abs. 4, § 39a Abs. 4 EStG; §§ 27, 28<br />

und 38 KStG, § 151 BewG, § 17 GrEStG) in bestimmten Fällen eine geson<strong>de</strong>rte Feststellung <strong>de</strong>r<br />

Besteuerungsgrundlagen vor. Die geson<strong>de</strong>rte Feststellung ist zugleich einheitlich vorzunehmen, wenn die<br />

AO o<strong>de</strong>r ein Einzelsteuergesetz (z. B. § 15a Abs. 4 Satz 6 EStG) dies beson<strong>de</strong>rs vorschreiben o<strong>de</strong>r wenn <strong>de</strong>r<br />

Gegenstand <strong>de</strong>r Feststellung bei <strong>de</strong>r Besteuerung mehreren Personen zu<strong>zur</strong>echnen ist (§ 179 Abs. 2 Satz 2<br />

2. Alternative). Für das Feststellungsverfahren sind die Vorschriften über die Durchführung <strong>de</strong>r Besteuerung<br />

sinngemäß anzuwen<strong>de</strong>n (§ 181 Abs. 1).<br />

2. Voraussetzung für <strong>de</strong>n Erlass eines Ergänzungsbescheids nach § 179 Abs. 3 ist, dass <strong>de</strong>r vorangegangene<br />

Feststellungsbescheid wirksam, aber unvollständig bzw. lückenhaft ist. In einem Ergänzungsbescheid sind<br />

nur solche Feststellungen nachholbar, die in <strong>de</strong>m vorangegangenen Feststellungsbescheid „unterblieben“<br />

sind. Eine Feststellung ist unterblieben, wenn sie im Feststellungsbescheid hätte getroffen wer<strong>de</strong>n müssen,<br />

tatsächlich aber – aus welchen Grün<strong>de</strong>n auch immer – nicht getroffen wor<strong>de</strong>n ist. Die Vorschrift <strong>de</strong>s § 179<br />

Abs. 3 durchbricht nicht die Bestandskraft wirksam ergangener Feststellungsbeschei<strong>de</strong>. Inhaltliche Fehler in<br />

rechtlicher o<strong>de</strong>r tatsächlicher Hinsicht können daher nicht in einem Ergänzungsbescheid korrigiert wer<strong>de</strong>n<br />

(BFH-Urteil vom 15.6.1994 – II R 120/91 – BStBl. II, S. 819; BFH-Urteil vom 11.5.1999 – IX R 72/96 –<br />

BFH/NV 1999 S. 1446).<br />

Ein Ergänzungsbescheid ist beispielsweise zulässig <strong>zur</strong> Nachholung:<br />

– <strong>de</strong>r Feststellung, ob und in welcher Höhe ein Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG zu gewähren ist;<br />

– <strong>de</strong>r Feststellung, wie <strong>de</strong>r Gewinn zu verteilen ist (vgl. BFH-Urteil vom 13.12.1983 – VIII R 90/81 –<br />

BStBl. 1984 II, S. 474);<br />

– <strong>de</strong>s Hinweises über die Reichweite <strong>de</strong>r Bekanntgabe gemäß § 183 Abs. 1 Satz 5 (BFH-Urteil vom<br />

13.7.1994 – XI R 21/93 – BStBl. II, S. 885);<br />

– <strong>de</strong>r Feststellung und <strong>de</strong>r Verteilung <strong>de</strong>s Betrags <strong>de</strong>r einbehaltenen Kapitalertragsteuer und <strong>de</strong>r<br />

anrechenbaren Körperschaftsteuer (§ 180 Abs. 5 Nr. 2);<br />

– <strong>de</strong>r Feststellung über das Ausschei<strong>de</strong>n eines Gesellschafters während eines abweichen<strong>de</strong>n<br />

Wirtschaftsjahres (BFH-Beschluss vom 22.9.1997 – IV B 113/96 – BFH/NV 1998 S. 454).<br />

Eine Feststellung ist nicht unterblieben und kann daher auch nicht nachgeholt wer<strong>de</strong>n, wenn sie im<br />

Feststellungsbescheid ausdrücklich abgelehnt wor<strong>de</strong>n ist. Deshalb kann durch <strong>de</strong>n Erlass eines<br />

Ergänzungsbescheids nicht nachgeholt wer<strong>de</strong>n:<br />

– die im Feststellungsverfahren unterbliebene Entscheidung, ob ein steuerbegünstigter Gewinn vorliegt,<br />

wenn das Finanzamt <strong>de</strong>n Gewinn bisher insgesamt als laufen<strong>de</strong>n Gewinn festgestellt hat (BFH-Urteile<br />

vom 26.11.1975 – I R 44/74 – BStBl. 1976 II, S. 304, und vom 24.7.1984 – VIII R 304/81 – BStBl. II,<br />

S. 785);<br />

– die bei einer Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a zu Unrecht unterbliebene<br />

Berücksichtigung von Son<strong>de</strong>rbetriebseinnahmen o<strong>de</strong>r -ausgaben;<br />

– ein fehlen<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r unklarer Hinweis i. S. v. § 181 Abs. 5 Satz 2 (BFH-Urteil vom 18.3.1998 –<br />

II R 45/96 – BStBl. II, S. 426; BFH-Urteil vom 24.6.1998 – II R 17/95 – BFH/NV 1999 S. 282).<br />

Der Erlass eines Ergänzungsbescheids steht nicht im Ermessen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>.<br />

3. Wegen <strong>de</strong>r Anpassung <strong>de</strong>r Folgebeschei<strong>de</strong> an <strong>de</strong>n Feststellungsbescheid wird auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1<br />

hingewiesen, wegen <strong>de</strong>r Einspruchsbefugnis bei Feststellungsbeschei<strong>de</strong>n auf § 351 Abs. 2 und §§ 352, 353.<br />

4. In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>r atypischen stillen Unterbeteiligung am Anteil <strong>de</strong>s Gesellschafters einer<br />

Personengesellschaft kann eine beson<strong>de</strong>re geson<strong>de</strong>rte und einheitliche Feststellung vorgenommen wer<strong>de</strong>n<br />

(§ 179 Abs. 2 letzter Satz). Von dieser Möglichkeit ist wegen <strong>de</strong>s Geheimhaltungsbedürfnisses <strong>de</strong>r<br />

Betroffenen regelmäßig Gebrauch zu machen.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 157 von 235


Die Berücksichtigung <strong>de</strong>r Unterbeteiligung im Feststellungsverfahren für die Hauptgesellschaft ist nur mit<br />

Einverständnis aller Beteiligten – Hauptgesellschaft und <strong>de</strong>ren Gesellschafter sowie <strong>de</strong>r Unterbeteiligten –<br />

zulässig. Das Einverständnis <strong>de</strong>r Beteiligten gilt als erteilt, wenn die Unterbeteiligung in <strong>de</strong>r<br />

Feststellungserklärung für die Hauptgesellschaft geltend gemacht wird.<br />

Die Regelung gilt für Treuhandverhältnisse, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Treugeber über <strong>de</strong>n Treuhän<strong>de</strong>r<br />

Hauptgesellschafter <strong>de</strong>r Personengesellschaft ist, entsprechend.<br />

Die örtliche Zuständigkeit für die beson<strong>de</strong>re geson<strong>de</strong>rte Feststellung richtet sich i. d. R. nach <strong>de</strong>r<br />

Zuständigkeit für die Hauptgesellschaft.<br />

5. Die Gewinnanteile <strong>de</strong>s Unterbeteiligten bei einer typischen stillen Unterbeteiligung sind als<br />

Son<strong>de</strong>rbetriebsausgaben <strong>de</strong>s Hauptbeteiligten im Feststellungsverfahren zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom<br />

9.11.1988 – I R 191/84 – BStBl. 1989 II, S. 343). Eine Nachholung <strong>de</strong>s Son<strong>de</strong>rbetriebsausgabenabzugs im<br />

Veranlagungsverfahren <strong>de</strong>s Hauptbeteiligten ist nicht zulässig.<br />

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Zu § 180 – Geson<strong>de</strong>rte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen:<br />

1. Die geson<strong>de</strong>rte Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a umfasst in erster Linie die von <strong>de</strong>n<br />

Feststellungsbeteiligten gemeinschaftlich erzielten Einkünfte. Sie umfasst auch die bei Ermittlung dieser<br />

Einkünfte zu berücksichtigen<strong>de</strong>n Son<strong>de</strong>rbetriebseinnahmen und -ausgaben o<strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rwerbungskosten eines<br />

o<strong>de</strong>r mehrerer Feststellungsbeteiligten.<br />

Darüber hinaus sind solche Besteuerungsgrundlagen geson<strong>de</strong>rt festzustellen, die in einem rechtlichem,<br />

wirtschaftlichem o<strong>de</strong>r tatsächlichem Zusammenhang mit <strong>de</strong>n gemeinschaftlich erzielten Einkünften stehen,<br />

aber bei Ermittlung <strong>de</strong>r gemeinschaftlich erzielten Einkünfte nicht zu berücksichtigen sind. Hiernach sind<br />

z. B. solche Aufwendungen geson<strong>de</strong>rt festzustellen, die aus Mitteln <strong>de</strong>r Gesellschaft o<strong>de</strong>r Gemeinschaft<br />

geleistet wer<strong>de</strong>n und für die Besteuerung <strong>de</strong>r Feststellungsbeteiligten, z. B. als Son<strong>de</strong>rausgaben, von<br />

Be<strong>de</strong>utung sind. Soweit <strong>de</strong>rartige Besteuerungsgrundlagen bei Erlass <strong>de</strong>s Feststellungsbescheids nicht<br />

berücksichtigt wor<strong>de</strong>n sind, ist ihre geson<strong>de</strong>rte Feststellung durch Ergänzungsbescheid (§ 179 Abs. 3)<br />

nachzuholen.<br />

Zum Verfahren bei <strong>de</strong>r Geltendmachung von negativen Einkünften aus <strong>de</strong>r Beteiligung an<br />

Verlustzuweisungsgesellschaften und vergleichbaren Mo<strong>de</strong>llen vgl. BMF-Schreiben vom 13.7.1992, BStBl. I<br />

S. 404, und vom 28.6.1994, BStBl. I, S. 420.<br />

2. Fallen <strong>de</strong>r Wohnort und <strong>de</strong>r Betriebs- bzw. Tätigkeitsort auseinan<strong>de</strong>r und liegen diese Orte im Bereich<br />

verschie<strong>de</strong>ner Finanzämter, sind die Einkünfte <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen aus Land- und Forstwirtschaft,<br />

Gewerbebetrieb o<strong>de</strong>r freiberuflicher Tätigkeit geson<strong>de</strong>rt festzustellen (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b).<br />

2.1 Maßgebend sind die Verhältnisse zum Schluss <strong>de</strong>s Gewinnermittlungszeitraums. Spätere Än<strong>de</strong>rungen dieser<br />

Verhältnisse sind unbeachtlich. Bei einem vom Kalen<strong>de</strong>rjahr abweichen<strong>de</strong>n Wirtschaftsjahr o<strong>de</strong>r einem<br />

Rumpfwirtschaftsjahr sind die Verhältnisse zum Schluss dieses Zeitraums maßgebend.<br />

2.2 Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit i. S. d. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b sind nur die Einkünfte nach<br />

§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, nicht die übrigen Einkünfte aus selbstständiger Arbeit.<br />

2.3 Übt ein Steuerpflichtiger seine freiberufliche Tätigkeit in mehreren Gemein<strong>de</strong>n aus, so ist für die dadurch<br />

erzielten Einkünfte nur eine geson<strong>de</strong>rte Feststellung durchzuführen (BFH-Urteil vom 10.6.1999 –<br />

IV R 69/98 – BStBl. II, S. 691). Bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft o<strong>de</strong>r aus Gewerbebetrieb gilt<br />

dies für <strong>de</strong>n Betrieb <strong>de</strong>r Land- und Forstwirtschaft o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Gewerbebetrieb entsprechend.<br />

2.4 Die örtliche Zuständigkeit für geson<strong>de</strong>rte Feststellungen im Sinne <strong>de</strong>s § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b richtet<br />

sich nach § 18. Zur Zuständigkeit, wenn Wohnung und Betrieb in einer Gemein<strong>de</strong> (Großstadt) mit mehreren<br />

Finanzämtern liegen, vgl. zu § 19, Nrn. 2 und 3.<br />

3. Wegen <strong>de</strong>r in § 180 Abs. 2 vorgesehenen Feststellungen wird auf die V zu § 180 Abs. 2 AO verwiesen. Auf<br />

Feststellungen nach § 180 Abs. 1 fin<strong>de</strong>t die V zu § 180 Abs. 2 AO keine Anwendung. Zur geson<strong>de</strong>rten<br />

Feststellung bei gleichen Sachverhalten nach <strong>de</strong>r V zu § 180 Abs. 2 AO vgl. BMF-Schreiben vom 2.5.2001,<br />

BStBl. I, S. 256. Zum Verfahren bei <strong>de</strong>r Geltendmachung von Vorsteuerbeträgen aus <strong>de</strong>r Beteiligung an<br />

Gesamtobjekten vgl. BMF-Schreiben vom 24.4.1992, BStBl. I, S. 291. Zur geson<strong>de</strong>rten Feststellung <strong>de</strong>r<br />

Steuerpflicht von Zinsen aus einer Lebensversicherung nach § 9 <strong>de</strong>r V zu § 180 Abs. 2 AO vgl. BMF-<br />

Schreiben vom 16.7.2012, BStBl. I, S. 686.<br />

4. Fälle von geringer Be<strong>de</strong>utung, in <strong>de</strong>nen eine geson<strong>de</strong>rte Feststellung entfällt (§ 180 Abs. 3 Nr. 2), sind<br />

beispielsweise bei Mieteinkünften von zusammenveranlagten Eheleuten (BFH-Urteil vom 20.1.1976 –<br />

VIII R 253/71 – BStBl. II, S. 305) und bei <strong>de</strong>m gemeinschaftlich erzielten Gewinn von Landwirts-Eheleuten<br />

(BFH-Urteil vom 4.7.1985 – IV R 136/83 – BStBl. II, S. 576) gegeben, wenn die Einkünfte verhältnismäßig<br />

einfach zu ermitteln sind und die Aufteilung feststeht.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 158 von 235


Auch bei geson<strong>de</strong>rten Feststellungen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b und Nr. 3 kann in Fällen von<br />

geringer Be<strong>de</strong>utung auf die Durchführung eines geson<strong>de</strong>rten Gewinnfeststellungsverfahrens verzichtet<br />

wer<strong>de</strong>n (§ 180 Abs. 3 Satz 2). Ein Fall von geringer Be<strong>de</strong>utung ist dabei insbeson<strong>de</strong>re anzunehmen, wenn<br />

dasselbe Finanzamt für die Einkommensteuer-Veranlagung zuständig gewor<strong>de</strong>n ist (z. B. bei Verlegung <strong>de</strong>s<br />

Wohnsitzes nach Ablauf <strong>de</strong>s Feststellungszeitraumes in <strong>de</strong>n Bezirk <strong>de</strong>s Betriebsfinanzamtes).<br />

5. Eine Feststellung ist auch zum Zweck <strong>de</strong>r Ermittlung <strong>de</strong>s anzuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Steuersatzes im Falle eines bei <strong>de</strong>r<br />

Steuerfestsetzung zu beachten<strong>de</strong>n Progressionsvorbehaltes und in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 2a EStG vorzunehmen<br />

(§ 180 Abs. 5 Nr. 1).<br />

6. Soweit Einkünfte o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 AO o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>r V zu<br />

§ 180 Abs. 2 AO festzustellen sind, sind auch damit in Zusammenhang stehen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge und<br />

Körperschaftsteuer, die auf die Steuer <strong>de</strong>r Feststellungsbeteiligten an<strong>zur</strong>echnen sind, geson<strong>de</strong>rt festzustellen<br />

(§ 180 Abs. 5 Nr. 2). Steuerbescheinigungen sind <strong>de</strong>shalb nur <strong>de</strong>m für die geson<strong>de</strong>rte Feststellung<br />

zuständigen Finanzamt vorzulegen.<br />

7. Zur Bindungswirkung <strong>de</strong>r Feststellung nach § 180 Abs. 5 Nr. 2 und <strong>zur</strong> Korrektur <strong>de</strong>r Folgebeschei<strong>de</strong> vgl.<br />

§ 182 Abs. 1 Satz 2.<br />

Zu § 181 – Verfahrensvorschriften für die geson<strong>de</strong>rte Feststellung, Feststellungsfrist, Erklärungspflicht:<br />

1. Eine geson<strong>de</strong>rte und einheitliche Feststellung ist nach § 181 Abs. 5 Satz 1 grundsätzlich auch dann<br />

vorzunehmen, wenn bei einzelnen Feststellungsbeteiligten bereits die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (vgl.<br />

BFH-Urteil vom 27.8.1997 – XI R 72/96 – BStBl. II, S. 750). In diesem Fall ist im Feststellungsbescheid auf<br />

seine eingeschränkte Wirkung hinzuweisen. Der Hinweis soll <strong>de</strong>m für <strong>de</strong>n Erlass <strong>de</strong>s Folgebeschei<strong>de</strong>s<br />

zuständigen Finanzamt und <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen <strong>de</strong>utlich machen, dass es sich um einen<br />

Feststellungsbescheid han<strong>de</strong>lt, <strong>de</strong>r nach Ablauf <strong>de</strong>r Feststellungsfrist ergangen und <strong>de</strong>shalb nur noch für<br />

solche Steuerfestsetzungen be<strong>de</strong>utsam ist, bei <strong>de</strong>nen die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist (vgl.<br />

BFH-Urteil vom 17.8.1989 – IX R 76/88 – BStBl. 1990 II, S. 411).<br />

2. Die Anlaufhemmung <strong>de</strong>r Feststellungsfrist für die geson<strong>de</strong>rte Feststellung von Einheitswerten nach § 181<br />

Abs. 3 Satz 3 ist auch dann maßgeblich, wenn zugleich die Voraussetzungen <strong>de</strong>r Anlaufhemmung nach<br />

§ 181 Abs. 3 Satz 2 erfüllt sind.<br />

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Zu § 182 – Wirkung <strong>de</strong>r geson<strong>de</strong>rten Feststellung:<br />

1. Ein Feststellungsbescheid über einen Einheitswert ist nur dann an <strong>de</strong>n Rechtsnachfolger bekannt zu geben,<br />

wenn die Rechtsnachfolge eintritt, bevor <strong>de</strong>r Bescheid <strong>de</strong>m Rechtsvorgänger bekannt gegeben wor<strong>de</strong>n ist.<br />

War <strong>de</strong>r Bescheid bereits im Zeitpunkt <strong>de</strong>r Rechtsnachfolge bekannt gegeben, wirkt <strong>de</strong>r Bescheid auch<br />

gegenüber <strong>de</strong>m Rechtsnachfolger (dingliche Wirkung, § 182 Abs. 2). Der Rechtsnachfolger kann ihn in<br />

diesem Fall nach § 353 nur innerhalb <strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Rechtsvorgänger maßgeben<strong>de</strong>n Einspruchsfrist anfechten.<br />

2. § 182 Abs. 2 gilt nicht für Gewerbesteuermessbeschei<strong>de</strong> (§ 184 Abs. 1), wohl aber für<br />

Grundsteuermessbeschei<strong>de</strong>.<br />

3. Eine Bindung <strong>de</strong>s Haftungsschuldners an <strong>de</strong>n Einheitswertbescheid ist nicht gegeben.<br />

4. Die wegen Rechtsnachfolge fehlerhafte Bezeichnung eines Beteiligten kann nach § 182 Abs. 3 durch einen<br />

beson<strong>de</strong>ren Bescheid richtiggestellt wer<strong>de</strong>n (Richtigstellungsbescheid). Der Regelungsgehalt <strong>de</strong>s<br />

ursprünglichen Beschei<strong>de</strong>s bleibt im Übrigen unberührt. § 182 Abs. 3 gilt nicht für Feststellungen nach § 180<br />

Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b (vgl. BFH-Urteil vom 12.5.1993 – XI R 66/92 – BStBl. 1994 II, S. 5).<br />

Zu § 183 – Empfangsbevollmächtigte bei <strong>de</strong>r einheitlichen Feststellung:<br />

1. Richtet die Finanzbehör<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Feststellungsbescheid an <strong>de</strong>n gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten, ist<br />

eine Begründung <strong>de</strong>s Bescheids nicht erfor<strong>de</strong>rlich, soweit die Finanzbehör<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Feststellungserklärung<br />

gefolgt ist und <strong>de</strong>r Empfangsbevollmächtigte die Feststellungserklärung selbst abgegeben o<strong>de</strong>r an ihrer<br />

Erstellung mitgewirkt hat (§ 121 Abs. 2 Nr. 1; vgl. zu § 121, Nr. 2).<br />

2. In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>r Einzelbekanntgabe nach § 183 Abs. 2 Satz 1 ist regelmäßig davon auszugehen, dass <strong>de</strong>r<br />

betroffene Feststellungsbeteiligte an <strong>de</strong>r Erstellung <strong>de</strong>r Feststellungserklärung nicht mitgewirkt hat. Bei <strong>de</strong>r<br />

Bekanntgabe <strong>de</strong>s Feststellungsbeschei<strong>de</strong>s sind ihm <strong>de</strong>shalb die zum Verständnis <strong>de</strong>s Beschei<strong>de</strong>s<br />

erfor<strong>de</strong>rlichen Grundlagen <strong>de</strong>r geson<strong>de</strong>rten Feststellung, d. h. insbeson<strong>de</strong>re die Wertermittlung und die<br />

Aufteilungsgrundlagen, mitzuteilen (§ 121 Abs. 1).<br />

3. Wegen <strong>de</strong>r Bekanntgabe in Fällen <strong>de</strong>s § 183 vgl. zu § 122, Nrn. 2.5, 3.3.3 und 4.7. Zur Einspruchsbefugnis<br />

<strong>de</strong>s gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten vgl. zu § 352.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 159 von 235


Zu § 184 – Festsetzung von Steuermessbeträgen:<br />

Gemein<strong>de</strong>n sind nicht befugt, Steuermessbeschei<strong>de</strong> anzufechten (vgl. zu § 40 Abs. 3 FGO); eine<br />

Rechtsbehelfsbefugnis <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>n besteht nur im Zerlegungsverfahren (§ 186 Nr. 2). Die Finanzämter sollen<br />

aber die steuerberechtigten Gemein<strong>de</strong>n über anhängige Einspruchsverfahren gegen Realsteuermessbeschei<strong>de</strong> von<br />

größerer Be<strong>de</strong>utung unterrichten.<br />

Zu § 188 – Zerlegungsbescheid:<br />

Dem Steuerpflichtigen ist <strong>de</strong>r vollständige Zerlegungsbescheid bekannt zu geben, während die einzelnen<br />

beteiligten Gemein<strong>de</strong>n nur einen kurz gefassten Bescheid mit <strong>de</strong>n sie betreffen<strong>de</strong>n Daten erhalten müssen.<br />

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Zu § 191 – Haftungsbeschei<strong>de</strong>, Duldungsbeschei<strong>de</strong>:<br />

1. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für <strong>de</strong>n Erlass eines Haftungs- o<strong>de</strong>r Duldungsbeschei<strong>de</strong>s ergeben<br />

sich aus <strong>de</strong>n §§ 69 bis 77, <strong>de</strong>n Einzelsteuergesetzen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n zivilrechtlichen Vorschriften (z. B. §§ 25, 128<br />

HGB). §§ 93, 227 Abs. 2 InsO schließen eine Haftungsinanspruchnahme nach §§ 69 ff. nicht aus (BFH-<br />

Urteil vom 2.11.2001 – VII B 155/01 – BStBl. 2002 II, S. 73). Der Gesellschafter einer Außen-GbR haftet<br />

für Ansprüche aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis, hinsichtlich <strong>de</strong>ren die GbR Schuldnerin ist, in entsprechen<strong>de</strong>r<br />

Anwendung <strong>de</strong>s § 128 HGB (vgl. BGH-Urteil vom 29.1.2001, NJW S. 1056); dies gilt auch für Ansprüche,<br />

die bei seinem Eintritt in die GbR bereits bestan<strong>de</strong>n (entsprechen<strong>de</strong> Anwendung <strong>de</strong>s § 130 HGB; BGH-<br />

Urteil vom 7.4.2003, NJW 2003 S. 1803). Nach Ausschei<strong>de</strong>n haftet <strong>de</strong>r Gesellschafter für die Altschul<strong>de</strong>n in<br />

analoger Anwendung <strong>de</strong>s § 160 HGB. Bei Auflösung <strong>de</strong>r Gesellschaft ist § 159 HGB entsprechend<br />

anzuwen<strong>de</strong>n (vgl. § 736 Abs. 2 BGB; BFH-Urteil vom 26.8.1997 – VII R 63/97 – BStBl. II, S. 745). Für<br />

Gesellschafter aller Formen <strong>de</strong>r Außen-GbR, die vor <strong>de</strong>m 1.7.2003 in die Gesellschaft eingetreten sind,<br />

kommt aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s allgemeinen Vertrauensschutzes eine Haftung nur für solche Ansprüche aus <strong>de</strong>m<br />

Steuerschuldverhältnis in Betracht, die nach ihrem Eintritt in die Gesellschaft entstan<strong>de</strong>n sind. Zum Erlass<br />

von Haftungsbeschei<strong>de</strong>n in Spaltungsfällen vgl. zu § 122, Nr. 2.15.<br />

2. Die Befugnis zum Erlass eines Haftungs- o<strong>de</strong>r Duldungsbeschei<strong>de</strong>s besteht auch, soweit die Haftung und<br />

Duldung sich auf steuerliche Nebenleistungen erstreckt.<br />

3. Auf <strong>de</strong>n (erstmaligen) Erlass eines Haftungsbeschei<strong>de</strong>s sind die Vorschriften über die Festsetzungsfrist<br />

(§§ 169 bis 171) entsprechend anzuwen<strong>de</strong>n. Eine Korrektur zugunsten <strong>de</strong>s Haftungsschuldners kann dagegen<br />

auch noch nach Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist erfolgen (BFH-Urteil vom 12.8.1997 – VII R 107/96 – BStBl.<br />

1998 II, S. 131).<br />

4. Für die Korrektur von Haftungsbeschei<strong>de</strong>n gelten nicht die für Steuerbeschei<strong>de</strong> maßgeblichen<br />

Korrekturvorschriften (§§ 172 ff.), son<strong>de</strong>rn die allgemeinen Vorschriften über die Berichtigung, die<br />

Rücknahme und <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rruf von Verwaltungsakten (§§ 129 bis 131). Die Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>s<br />

Haftungsbeschei<strong>de</strong>s richtet sich nach <strong>de</strong>n Verhältnissen im Zeitpunkt seines Erlasses bzw. <strong>de</strong>r<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Einspruchsentscheidung. An<strong>de</strong>rs als bei <strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung (BFH-Urteil<br />

vom 12.8.1997 – VII R 107/96 – BStBl. 1998 II, S. 131) berühren Min<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Haftungsbescheid<br />

zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Steuerschuld durch Zahlungen <strong>de</strong>s Steuerschuldners nach Ergehen einer<br />

Einspruchsentscheidung die Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>s Haftungsbeschei<strong>de</strong>s nicht. Ein rechtmäßiger<br />

Haftungsbescheid ist aber zugunsten <strong>de</strong>s Haftungsschuldners zu wi<strong>de</strong>rrufen, soweit die ihm zugrun<strong>de</strong><br />

liegen<strong>de</strong> Steuerschuld später gemin<strong>de</strong>rt wor<strong>de</strong>n ist.<br />

5. Von <strong>de</strong>r Korrektur eines Haftungsbeschei<strong>de</strong>s ist <strong>de</strong>r Erlass eines ergänzen<strong>de</strong>n Haftungsbeschei<strong>de</strong>s zu<br />

unterschei<strong>de</strong>n.<br />

5.1 Für die Zulässigkeit eines neben einem bereits bestehen<strong>de</strong>n Haftungsbescheid gegenüber einem bestimmten<br />

Haftungsschuldner treten<strong>de</strong>n weiteren Haftungsbescheids ist grundsätzlich entschei<strong>de</strong>nd, ob dieser <strong>de</strong>n<br />

gleichen Gegenstand regelt wie <strong>de</strong>r bereits ergangene Haftungsbescheid o<strong>de</strong>r ob die<br />

Haftungsinanspruchnahme für verschie<strong>de</strong>ne Sachverhalte o<strong>de</strong>r zu verschie<strong>de</strong>nen Zeiten entstan<strong>de</strong>ne<br />

Haftungstatbestän<strong>de</strong> erfolgen soll.<br />

Stets zulässig ist es, wegen eines eigenständigen Steueranspruchs (betreffend einen an<strong>de</strong>ren<br />

Besteuerungszeitraum o<strong>de</strong>r eine an<strong>de</strong>re Steuerart) einen weiteren Haftungsbescheid zu erlassen, selbst wenn<br />

<strong>de</strong>r Steueranspruch bereits im Zeitpunkt <strong>de</strong>r ersten Inanspruchnahme durch Haftungsbescheid entstan<strong>de</strong>n<br />

war.<br />

5.2 Die „Sperrwirkung“ eines bestandskräftigen Haftungsbescheids gegenüber einer erneuten Inanspruchnahme<br />

<strong>de</strong>s Haftungsschuldners besteht nur, soweit es um ein und <strong>de</strong>nselben Sachverhalt geht; sie ist in diesem Sinne<br />

nicht zeitraum-, son<strong>de</strong>rn sachverhaltsbezogen (BFH-Beschluss vom 7.4.2005 – I B 140/04 – BStBl. 2006 II,<br />

S. 530). Der Erlass eines ergänzen<strong>de</strong>n Haftungsbescheids für <strong>de</strong>nselben Sachverhalt ist unzulässig, wenn die<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 160 von 235


zu niedrige Inanspruchnahme auf einer rechtsirrtümlichen Beurteilung <strong>de</strong>s Sachverhalts o<strong>de</strong>r auf einer<br />

fehlerhaften Ermessensentscheidung beruhte (vgl. BFH-Urteil vom 25.5.2004 – VII R 29/02 – BStBl. 2005<br />

II, S. 3).<br />

Der Erlass eines ergänzen<strong>de</strong>n Haftungsbescheids ist aber zulässig, wenn die Erhöhung <strong>de</strong>r Steuerschuld auf<br />

neuen Tatsachen beruht, die das Finanzamt mangels Kenntnis im ersten Haftungsbescheid nicht<br />

berücksichtigen konnte (BFH-Urteil vom 15.2.2011 – VII R 66/10 – BStBl. II, S. 534).<br />

6. Für Duldungsbeschei<strong>de</strong> gelten die Nrn. 3 bis 5 entsprechend. Die Inanspruchnahme <strong>de</strong>s Duldungspflichtigen<br />

wird durch § 191 Abs. 3 zeitlich we<strong>de</strong>r begrenzt noch ausge<strong>de</strong>hnt.<br />

7. Zur Zahlungsauffor<strong>de</strong>rung bei Haftungsbeschei<strong>de</strong>n vgl. zu § 219.<br />

8. In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 191 Abs. 2 soll die Frist für die Abgabe einer Stellungnahme <strong>de</strong>r zuständigen<br />

Berufskammer im Allgemeinen zwei Monate betragen. Die Stellungnahme kann in dringen<strong>de</strong>n Fällen auch<br />

fernmündlich eingeholt wer<strong>de</strong>n. Eine versehentlich unterlassene Anhörung kann nachgeholt wer<strong>de</strong>n. Wird<br />

innerhalb <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> zu setzen<strong>de</strong>n Frist keine Stellungnahme abgegeben, kann gleichwohl<br />

ein Haftungsbescheid ergehen.<br />

9. Ein erstmaliger Haftungsbescheid kann wegen Akzessorietät <strong>de</strong>r Haftungsschuld <strong>zur</strong> Steuerschuld<br />

grundsätzlich nicht mehr ergehen, wenn <strong>de</strong>r zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong> Steueranspruch wegen<br />

Festsetzungsverjährung gegenüber <strong>de</strong>m Steuerschuldner nicht mehr festgesetzt wer<strong>de</strong>n darf o<strong>de</strong>r wenn <strong>de</strong>r<br />

gegenüber <strong>de</strong>m Steuerschuldner festgesetzte Steueranspruch durch Zahlungsverjährung o<strong>de</strong>r Erlass erloschen<br />

ist (§ 191 Abs. 5 Satz 1). Maßgeblich ist dabei <strong>de</strong>r Steueranspruch, auf <strong>de</strong>n sich die Haftung konkret bezieht.<br />

Daher ist bei <strong>de</strong>r Haftung eines Arbeitgebers für zu Unrecht nicht angemel<strong>de</strong>te und abgeführte Lohnsteuer<br />

(§ 42d EStG) auf die vom Arbeitnehmer nach § 38 Abs. 2 EStG geschul<strong>de</strong>te Lohnsteuer und nicht auf die<br />

Einkommensteuer <strong>de</strong>s Arbeitnehmers (§ 25 EStG) abzustellen. Dabei ist für die Berechnung <strong>de</strong>r die<br />

Lohnsteuer betreffen<strong>de</strong>n Festsetzungsfrist die Lohnsteuer-Anmeldung <strong>de</strong>s Arbeitgebers und nicht die<br />

Einkommensteuererklärung <strong>de</strong>r betroffenen Arbeitnehmer maßgebend (vgl. BFH-Urteil vom 6.3.2008 – VI<br />

R 5/05 – BStBl. II, S. 597). Bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>r für die Lohnsteuer maßgeben<strong>de</strong>n Festsetzungsfrist sind<br />

Anlauf- und Ablaufhemmungen nach §§ 170, 171 zu berücksichtigen, soweit sie gegenüber <strong>de</strong>m Arbeitgeber<br />

wirken.<br />

Zu § 192 – Vertragliche Haftung:<br />

Aufgrund vertraglicher Haftung (vgl. zu § 48) ist eine Inanspruchnahme durch Haftungsbescheid nicht zulässig.<br />

Eine Verpflichtung <strong>zur</strong> Inanspruchnahme <strong>de</strong>s vertraglich Haften<strong>de</strong>n besteht nicht; das Finanzamt entschei<strong>de</strong>t<br />

nach Ermessen.<br />

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Zu § 193 – Zulässigkeit einer Außenprüfung:<br />

1. Eine Außenprüfung ist unabhängig davon zulässig, ob eine Steuer bereits festgesetzt, ob <strong>de</strong>r Steuerbescheid<br />

endgültig, vorläufig o<strong>de</strong>r unter <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung ergangen ist (BFH-Urteil vom 28.3.1985 –<br />

IV R 224/83 – BStBl. II, S. 700). Eine Außenprüfung nach § 193 kann <strong>zur</strong> Ermittlung <strong>de</strong>r Steuerschuld<br />

sowohl <strong>de</strong>m Grun<strong>de</strong> als auch <strong>de</strong>r Höhe nach durchgeführt wer<strong>de</strong>n. Der gesamte für die Entstehung und<br />

Ausgestaltung eines Steueranspruchs erhebliche Sachverhalt kann Prüfungsgegenstand sein (BFH-Urteil<br />

vom 11.12.1991 – I R 66/90 – BStBl. 1992 II, S. 595). Dies gilt auch, wenn <strong>de</strong>r Steueranspruch<br />

möglicherweise verjährt ist o<strong>de</strong>r aus an<strong>de</strong>ren Grün<strong>de</strong>n nicht mehr durchgesetzt wer<strong>de</strong>n kann (BFH-Urteil<br />

vom 23.7.1985 – VIII R 102/85 – BStBl. 1986 II, S. 433).<br />

2. Die Voraussetzungen für eine Außenprüfung sind auch gegeben, soweit ausschließlich festgestellt wer<strong>de</strong>n<br />

soll, ob und inwieweit Steuerbeträge hinterzogen o<strong>de</strong>r leichtfertig verkürzt wor<strong>de</strong>n sind. Eine sich insoweit<br />

gegenseitig ausschließen<strong>de</strong> Zuständigkeit von Außenprüfung und Steuerfahndung besteht nicht (BFH-Urteile<br />

vom 4.11.1987 – II R 102/85 – BStBl. 1988 II, S. 113, vom 19.9.2001 – XI B 6/01 – BStBl. 2002 II, S. 4 und<br />

vom 4.10.2006 – VIII R 53/04 – BStBl. 2007 II, S. 227). Die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens hin<strong>de</strong>rt<br />

nicht weitere Ermittlungen durch die Außenprüfung unter Erweiterung <strong>de</strong>s Prüfungszeitraums. Dies gilt auch<br />

dann, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige erklärt, von seinem Recht auf Verweigerung <strong>de</strong>r Mitwirkung Gebrauch zu<br />

machen (BFH-Urteil vom 19.8.1998 – XI R 37/97 – BStBl. 1999 II, S. 7). Sollte die Belehrung gem. § 393<br />

Abs. 1 unterblieben sein, führt dies nicht zu einem steuerlichen Verwertungsverbot (BFH-Urteil vom<br />

23.1.2002 – XI R 10, 11/01 – BStBl. II, S. 328).<br />

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3. Eine Außenprüfung ausschließlich <strong>zur</strong> Erledigung eines zwischenstaatlichen Amtshilfeersuchens (§ 117)<br />

durch Auskunftsaustausch in Steuersachen ist nicht zulässig. Zur Erledigung eines solchen<br />

Amtshilfeersuchens kann eine Außenprüfung unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 193 nur bei einem am<br />

ausländischen Besteuerungsverfahren Beteiligten durchgeführt wer<strong>de</strong>n (z. B. <strong>de</strong>r Wohnsitzstaat ersucht um<br />

Prüfung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Betriebsstätte eines ausländischen Steuerpflichtigen).<br />

4. Eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 ist zulässig <strong>zur</strong> Klärung <strong>de</strong>r Frage, ob <strong>de</strong>r Steuerpflichtige tatsächlich<br />

einen Gewerbebetrieb unterhält, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Steuerpflicht bestehen, d. h. es darf<br />

nicht ausgeschlossen sein, dass eine gewerbliche Tätigkeit vorliegt (BFH-Urteile vom 23.10.1990 –<br />

VIII R 45/88 – BStBl. 1991 II, S. 278 und vom 11.8.1994 – IV R 126/91 – BStBl. II, S. 936). Eine<br />

Außenprüfung ist solange zulässig, als noch Ansprüche aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis bestehen (z. B.<br />

han<strong>de</strong>lsrechtlich voll beendigte KG: BFH-Urteil vom 1.10.1992 – IV R 60/91 – BStBl. 1993 II, S. 82; voll<br />

beendigte GbR: BFH-Urteil vom 1.3.1994 – VIII R 35/92 – BStBl. 1995 II, S. 241). Zur Begründung <strong>de</strong>r<br />

Anordnung einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 genügt <strong>de</strong>r Hinweis auf diese Rechtsgrundlage. Eine<br />

Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 ist bei Steuerpflichtigen i. S. d. § 147a für das Jahr, in <strong>de</strong>m die in § 147a<br />

Satz 1 bestimmte Grenze von 500 000 € überschritten ist und für die fünf darauf folgen<strong>de</strong>n Jahre <strong>de</strong>r<br />

Aufbewahrungspflicht zulässig. Hat nur ein Ehegatte die Grenze von 500 000 € überschritten, ist nur bei<br />

diesem eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 zulässig. Beim an<strong>de</strong>ren Ehegatten kann ggf. eine<br />

Außenprüfung auf § 193 Abs. 2 Nr. 2 gestützt wer<strong>de</strong>n.<br />

5. § 193 Abs. 2 Nr. 1 enthält die Rechtsgrundlage für die Prüfung <strong>de</strong>r Lohnsteuer bei Steuerpflichtigen, die<br />

nicht unter § 193 Abs. 1 fallen (z. B. Prüfung <strong>de</strong>r Lohnsteuer bei Privatpersonen, die Arbeitnehmer<br />

beschäftigt haben).<br />

Eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 ist bereits dann zulässig, wenn Anhaltspunkte vorliegen, die es<br />

nach <strong>de</strong>n Erfahrungen <strong>de</strong>r Finanzverwaltung als möglich erscheinen lassen, dass ein Besteuerungstatbestand<br />

erfüllt ist (BFH-Urteil vom 17.11.1992 – VIII R 25/89 – BStBl. 1993 II, S. 146). § 193 Abs. 2 Nr. 2 kann<br />

insbeson<strong>de</strong>re bei Steuerpflichtigen mit umfangreichen und vielgestaltigen Überschusseinkünften <strong>zur</strong><br />

Anwendung kommen (sofern nicht bereits ein Fall <strong>de</strong>s § 193 Abs. 1 vorliegt). Sofern keine konkreten<br />

Anhaltspunkte für einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb o<strong>de</strong>r Zweckbetrieb vorliegen, fällt unter § 193<br />

Abs. 2 Nr. 2 auch die Prüfung einer gemeinnützigen Körperschaft zum Zwecke <strong>de</strong>r Anerkennung, Versagung<br />

o<strong>de</strong>r Entziehung <strong>de</strong>r Gemeinnützigkeit. Eine auf § 193 Abs. 2 Nr. 2 gestützte Prüfungsanordnung muss<br />

beson<strong>de</strong>rs begrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Die Begründung muss ergeben, dass die gewünschte Aufklärung durch<br />

Einzelermittlung an Amtsstelle nicht erreicht wer<strong>de</strong>n kann (BFH-Urteil vom 7.11.1985 – IV R 6/85 –<br />

BStBl. 1986 II, S. 435 und vom 9.11.1994 – XI R 16/94 – BFH/NV 1995 S. 578).<br />

6. Von <strong>de</strong>r Außenprüfung zu unterschei<strong>de</strong>n sind Einzelermittlungen eines Außenprüfers nach § 88, auch wenn<br />

sie am Ort <strong>de</strong>s Betriebs durchgeführt wer<strong>de</strong>n. In diesen Fällen hat er <strong>de</strong>utlich zu machen, dass verlangte<br />

Auskünfte o<strong>de</strong>r sonstige Maßnahmen nicht im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Außenprüfung stehen (BFH-Urteile<br />

vom 5.4.1984 – IV R 244/83 – BStBl. II, S. 790, vom 2.2.1994 – I R 57/93 – BStBl. II, S. 377 und vom<br />

25.11.1997 – VIII R 4/94 – BStBl. 1998 II, S. 461). Zur betriebsnahen Veranlagung vgl. zu § 85, Nr. 2<br />

und 3. Eine Umsatzsteuer-Nachschau gemäß § 27b UStG stellt keine Außenprüfung i. S. d. § 193 dar. Zum<br />

Übergang von einer Umsatzsteuer-Nachschau zu einer Außenprüfung siehe Abschnitt 27b.1 Abs. 9 UStAE.<br />

Zu § 194 – Sachlicher Umfang einer Außenprüfung:<br />

1. Im Rahmen einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 können, ohne dass die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 193 Abs. 2<br />

Nr. 2 vorliegen müssen, auch Besteuerungsmerkmale überprüft wer<strong>de</strong>n, die mit <strong>de</strong>n betrieblichen<br />

Verhältnissen <strong>de</strong>r Steuerpflichtigen in keinem Zusammenhang stehen (BFH-Urteil vom 28.11.1985 –<br />

IV R 323/84 – BStBl. 1986 II, S. 437).<br />

2. § 194 Abs. 1 Satz 3 erlaubt die Prüfung <strong>de</strong>r Verhältnisse <strong>de</strong>r Gesellschafter ohne geson<strong>de</strong>rte<br />

Prüfungsanordnung nur insoweit, als sie mit <strong>de</strong>r Personengesellschaft zusammenhängen und für die<br />

Feststellungsbeschei<strong>de</strong> von Be<strong>de</strong>utung sind. Die Einbeziehung <strong>de</strong>r steuerlichen Verhältnisse <strong>de</strong>r in § 194<br />

Abs. 2 bezeichneten Personen in die Außenprüfung bei einer Gesellschaft setzt die Zulässigkeit (§ 193) und<br />

eine eigene Prüfungsanordnung (§ 196) voraus (BFH-Urteil vom 16.12.1986 – VIII R 123/86 – BStBl. 1987<br />

II, S. 248).<br />

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3. Eine Außenprüfung kann <strong>zur</strong> Erledigung eines zwischenstaatlichen Rechts- und Amtshilfeersuchens (§ 117)<br />

unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 193 nur bei einem in einem ausländischen Besteuerungsverfahren<br />

Steuerpflichtigen, nicht aber <strong>zur</strong> Feststellung <strong>de</strong>r steuerlichen Verhältnisse bei einer an<strong>de</strong>ren Person,<br />

durchgeführt wer<strong>de</strong>n (z. B. eines Ersuchens um Prüfung einer im Bun<strong>de</strong>sgebiet belegenen Firma, die im<br />

ersuchen<strong>de</strong>n Staat als Zollbeteiligter auftritt, o<strong>de</strong>r einer <strong>de</strong>utschen Betriebsstätte eines ausländischen<br />

Steuerpflichtigen). Ermittlungen sind in Verbindung mit einer Außenprüfung möglich, die aus an<strong>de</strong>ren<br />

Grün<strong>de</strong>n durchgeführt wird.<br />

4. Soll <strong>de</strong>r Prüfungszeitraum in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 4 Abs. 3 BpO mehr als drei zusammenhängen<strong>de</strong><br />

Besteuerungszeiträume umfassen o<strong>de</strong>r nachträglich erweitert wer<strong>de</strong>n, muss die Begründung <strong>de</strong>r<br />

Prüfungsanordnung die vom Finanzamt angestellten Ermessenserwägungen erkennen lassen (BFH-Urteil<br />

vom 4.2.1988 – V R 57/83 – BStBl. II, S. 413). Der Prüfungszeitraum darf <strong>zur</strong> Überprüfung vortragsfähiger<br />

Verluste auch dann auf die Verlustentstehungsjahre ausge<strong>de</strong>hnt wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r aus diesen Zeiträumen<br />

verbleiben<strong>de</strong> Verlustabzug gemäß § 10d Abs. 3 EStG (heute: Abs. 4) festgestellt wor<strong>de</strong>n ist (BFH-Beschluss<br />

vom 5.4.1995 – I B 126/94 – BStBl. II, S. 496). Bei einer Betriebsaufgabe schließt <strong>de</strong>r Prüfungszeitraum mit<br />

<strong>de</strong>m Jahr <strong>de</strong>r Betriebseinstellung ab (BFH-Urteil vom 24.8.1989 – IV R 65/88 – BStBl. 1990 II, S. 2). Bei<br />

einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 ist § 4 Abs. 3 BpO nicht anwendbar. Für je<strong>de</strong>n<br />

Besteuerungszeitraum, <strong>de</strong>r in die Außenprüfung einbezogen wer<strong>de</strong>n soll, müssen die beson<strong>de</strong>ren<br />

Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 193 Abs. 2 Nr. 2 vorliegen (BFH-Urteil vom 18.10.1994 – IX R 128/92 –<br />

BStBl. 1995 II, S. 291).<br />

5. Eine Außenprüfung darf nicht allein zu <strong>de</strong>m Zwecke durchgeführt wer<strong>de</strong>n, die steuerlichen Verhältnisse<br />

dritter Personen zu erforschen (BFH-Urteil vom 18.2.1997 – VIII R 33/95 – BStBl. II, S. 499).<br />

6. § 30a Abs. 3 hin<strong>de</strong>rt nicht die Fertigung und Auswertung von Kontrollmitteilungen anlässlich einer<br />

Außenprüfung bei Kreditinstituten, wenn hierfür ein hinreichend begrün<strong>de</strong>ter Anlass besteht. Dieser ist<br />

gegeben, wenn <strong>de</strong>r Außenprüfer infolge Vorliegens konkreter Umstän<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r einer aufgrund allgemeiner<br />

Erfahrungen getroffenen Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung zum<br />

Ergebnis kommt, dass Kontrollmitteilungen <strong>zur</strong> Auf<strong>de</strong>ckung steuererheblicher Tatsachen führen könnten<br />

(BFH-Urteile vom 18.2.1997 – VIII R 33/95 – BStBl. II, S. 499, und vom 15.12.1998 – VIII R 6/98 –<br />

BStBl. 1999 II, S. 138) o<strong>de</strong>r wenn das zu prüfen<strong>de</strong> Bankgeschäft Auffälligkeiten aufweist, die es aus <strong>de</strong>m<br />

Kreis <strong>de</strong>r alltäglichen und banküblichen Geschäfte hervorheben o<strong>de</strong>r eine für Steuerhinterziehung beson<strong>de</strong>rs<br />

anfällige Art <strong>de</strong>r Geschäftsabwicklung erkennen lassen, wenn also eine erhöhte Wahrscheinlichkeit <strong>de</strong>r<br />

Ent<strong>de</strong>ckung unbekannter Steuerfälle besteht (BFH-Urteil vom 9.12.2008 – VII R 47/07 – BStBl. 2009 II,<br />

S. 509). Vgl. Ausführungen zu § 30a, Nr. 1. Die Finanzverwaltung darf sämtliche nicht<br />

legitimationsgeprüften Konten prüfen, selbst wenn diese Kenntnisse über nicht anonymisierte<br />

Gegenbuchungen zu Geschäftsvorfällen auf legitimationsgeprüften Kun<strong>de</strong>nkonten i. S. <strong>de</strong>s § 154 Abs. 2<br />

vermitteln (BFH-Beschlüsse vom 27.9.2010 – II B 164/09 – BFH/NV 2011 S. 193–194 und vom 4.4.2005 –<br />

VII B 305/04 – BFH/NV S. 1226–1228).<br />

7. Die Finanzbehör<strong>de</strong>n können Kontrollmitteilungen ins Ausland insbeson<strong>de</strong>re dann versen<strong>de</strong>n, wenn dies ohne<br />

beson<strong>de</strong>ren Aufwand möglich ist und höhere Interessen <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen nicht berührt wer<strong>de</strong>n (BFH-<br />

Beschluss vom 8.2.1995 – I B 92/94 – BStBl. II, S. 358). Zu Auskünften <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>n an<br />

ausländische Staaten ohne Ersuchen (Spontanauskünfte) wird auf Tz. 4 <strong>de</strong>s Merkblatts über die<br />

zwischenstaatliche Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen (BMF-Schreiben vom 25.5.2012,<br />

BStBl. I, S. 599) hingewiesen. Zu Amtshilfeersuchen ausländischer Staaten vgl. zu § 193, Nr. 3.<br />

8. Wird beabsichtigt, im Rahmen <strong>de</strong>r Außenprüfung eines Berufsgeheimnisträgers Kontrollmitteilungen (§ 194<br />

Abs. 3) zu fertigen, ist <strong>de</strong>r Steuerpflichtige hierüber rechtzeitig vorher zu informieren (BFH-Urteil vom<br />

8.4.2008 – VIII R 61/06 – BStBl. 2009 II, S. 579).<br />

Zu § 195 – Zuständigkeit:<br />

Bei Beauftragung nach § 195 Satz 2 kann die beauftragen<strong>de</strong> Finanzbehör<strong>de</strong> die Prüfungsanordnung selbst<br />

erlassen o<strong>de</strong>r eine an<strong>de</strong>re Finanzbehör<strong>de</strong> zum Erlass <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung ermächtigen. Mit <strong>de</strong>r Ermächtigung<br />

bestimmt die beauftragen<strong>de</strong> Finanzbehör<strong>de</strong> <strong>de</strong>n sachlichen Umfang (§ 194 Abs. 1) <strong>de</strong>r Außenprüfung,<br />

insbeson<strong>de</strong>re sind die zu prüfen<strong>de</strong>n Steuerarten und <strong>de</strong>r Prüfungszeitraum anzugeben. Aus <strong>de</strong>r<br />

Prüfungsanordnung müssen sich die Grün<strong>de</strong> für die Beauftragung ergeben (BFH-Urteile vom 10.12.1987 –<br />

IV R 77/86 – BStBl. 1988 II, S. 322 und vom 21.4.1993 – X R 112/91 – BStBl. II, S. 649). Zur Erteilung einer<br />

verbindlichen Zusage im Anschluss an eine Auftragsprüfung vgl. zu § 204, Nr. 2. Än<strong>de</strong>rt sich die Zuständigkeit<br />

nach Bekanntgabe <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung ist die Außenprüfung auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r bereits ergangenen<br />

Prüfungsanordnung vom neu zuständigen Finanzamt fortzuführen. Die Prüfungsanordnung ist nicht aufzuheben,<br />

son<strong>de</strong>rn durch Benennung <strong>de</strong>s Namens <strong>de</strong>s neuen Betriebsprüfers zu ergänzen. Unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 163 von 235


§ 26 kann die Außenprüfung von <strong>de</strong>m bisher zuständigen Finanzamt fortgeführt wer<strong>de</strong>n. Die nach § 195 Satz 2<br />

beauftragte Behör<strong>de</strong> hat über <strong>de</strong>n Einspruch gegen eine von ihr erlassene Prüfungsanordnung zu entschei<strong>de</strong>n<br />

(BFH-Urteil vom 18.11.2008 – VIII R 16/07 – BStBl. 2009 II, S. 507).<br />

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Zu § 196 – Prüfungsanordnung:<br />

1. Zur Begründung einer Anordnung einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 genügt <strong>de</strong>r Hinweis auf diese<br />

Rechtsgrundlage. Die Prüfungsanordnung (§ 5 Abs. 2 Satz 1 BpO), die Festlegung <strong>de</strong>s Prüfungsbeginns<br />

(BFH-Urteil vom 18.12.1986 – I R 49/83 – BStBl. 1987 II, S. 408) und <strong>de</strong>s Prüfungsorts (BFH-Urteil vom<br />

24.2.1989 – III R 36/88 – BStBl. II, S. 445) sind selbstständig anfechtbare Verwaltungsakte i. S. d. § 118<br />

(BFH-Urteil vom 25.1.1989 – X R 158/87 – BStBl. II, S. 483). Gegen die Bestimmung <strong>de</strong>s Betriebsprüfers<br />

ist grundsätzlich kein Rechtsbehelf gegeben (BFH-Beschluss vom 15.5.2009 – IV B 3/09 – BFH/NV<br />

S. 1401–1402). Darüber hinaus können mit <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung weitere nicht selbstständig anfechtbare<br />

prüfungsleiten<strong>de</strong> Bestimmungen (§ 5 Abs. 3 BpO) verbun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Ein Einspruch gegen die<br />

Prüfungsanordnung hat keine aufschieben<strong>de</strong> Wirkung (§ 361 Abs. 1 Satz 1), vorläufiger Rechtsschutz kann<br />

erst durch Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung nach § 361, § 69 FGO gewährt wer<strong>de</strong>n (BFH-Beschluss vom<br />

17.9.1974 – VII B 122/73 – BStBl. II, S. 197). Über Anträge auf Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung ist<br />

unverzüglich zu entschei<strong>de</strong>n; vgl. zu § 361, Nr. 3 gilt sinngemäß.<br />

2. Rechtswidrig erlangte Außenprüfungsergebnisse dürfen nur dann nicht verwertet wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r<br />

Steuerpflichtige erfolgreich gegen die Prüfungsanordnung <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n Prüfungsmaßnahme vorgegangen<br />

ist (BFH-Urteil vom 27.7.1983 – I R 210/79 – BStBl. 1984 II, S. 285). Wenn die Prüfungsfeststellungen<br />

bereits Eingang in Steuerbeschei<strong>de</strong> gefun<strong>de</strong>n haben, muss <strong>de</strong>r Steuerpflichtige auch diese Beschei<strong>de</strong><br />

anfechten, um ein steuerliches Verwertungsverbot zu erlangen (BFH-Urteil vom 16.12.1986 –<br />

VIII R 123/86 – BStBl. 1987 II, S. 248). Feststellungen, <strong>de</strong>ren Anordnung rechtskräftig für rechtswidrig<br />

erklärt wur<strong>de</strong>n, unterliegen einem Verwertungsverbot (BFH-Urteil vom 14.8.1985 – I R 188/82 –<br />

BStBl. 1986 II, S. 2). Dies gilt nicht, wenn die bei <strong>de</strong>r Prüfung ermittelten Tatsachen bei einer erstmaligen<br />

o<strong>de</strong>r einer unter <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung stehen<strong>de</strong>n Steuerfestsetzung verwertet wur<strong>de</strong>n und<br />

lediglich formelle Rechtsfehler vorliegen (BFH-Urteile vom 10.5.1991 – V R 51/90 – BStBl. II, S. 825 und<br />

vom 25.11.1997 – VIII R 4/94 – BStBl. 1998 II, S. 461).<br />

3. Ist eine Prüfungsanordnung aus formellen Grün<strong>de</strong>n durch das Gericht o<strong>de</strong>r die Finanzbehör<strong>de</strong> aufgehoben<br />

o<strong>de</strong>r für nichtig erklärt wor<strong>de</strong>n, so kann eine erneute Prüfungsanordnung (Wie<strong>de</strong>rholungsprüfung) unter<br />

Vermeidung <strong>de</strong>s Verfahrensfehlers erlassen wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteile vom 20.10.1988 – IV R 104/86 –<br />

BStBl. 1989 II, S. 180 und vom 24.8.1989 – IV R 65/88 – BStBl. 1990 II, S. 2). Für die Durchführung <strong>de</strong>r<br />

Wie<strong>de</strong>rholungsprüfung ist es regelmäßig geboten, einen an<strong>de</strong>ren Prüfer mit <strong>de</strong>r Prüfung zu beauftragen, <strong>de</strong>r<br />

in eigener Verantwortung bei Durchführung <strong>de</strong>r Prüfung ein selbstständiges Urteil über die Erfüllung <strong>de</strong>r<br />

steuerlichen Pflichten durch <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen gewinnt (BFH-Urteil vom 20.10.1988 – IV R 104/86 –<br />

BStBl. 1989 II, S. 180).<br />

4. Die Anordnung einer Außenprüfung für einen bereits geprüften Zeitraum (Zweitprüfung) ist grundsätzlich<br />

zulässig (BFH-Urteil vom 24.1.1989 – VII R 35/86 – BStBl. II, S. 440).<br />

5. Der Umfang <strong>de</strong>r Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 und <strong>de</strong>r Sperrwirkung nach § 173 Abs. 2 bestimmt sich<br />

nach <strong>de</strong>m in <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung festgelegten Prüfungsumfang (BFH-Urteile vom 18.7.1991 –<br />

V R 54/87 – BStBl. II, S. 824 und vom 25.1.1996 – V R 42/95 – BStBl. II, S. 338). Es bedarf keiner neuen<br />

Prüfungsanordnung, wenn die Prüfung unmittelbar nach Beginn für mehr als sechs Monate unterbrochen und<br />

vor Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist zügig been<strong>de</strong>t wird (BFH-Urteil vom 13.2.2003 – IV R 31/01 – BStBl. II,<br />

S. 552).<br />

6. Nehmen Außenprüfer an steuerstraf- o<strong>de</strong>r bußgeldrechtlichen Ermittlungen <strong>de</strong>r Steuerfahndung teil, ist<br />

insoweit keine Prüfungsanordnung nach § 196 zu erlassen (vgl. Nr. 125 AStBV (St)).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 164 von 235


Zu § 197 – Bekanntgabe <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung:<br />

Inhaltsübersicht<br />

1. Allgemeines<br />

2. Bekanntgabe von Prüfungsanordnungen<br />

3. Bekanntgabe von Prüfungsanordnungen an Ehegatten<br />

4. Bekanntgabe an gesetzliche Vertreter natürlicher Personen<br />

5. Personengesellschaften (Gemeinschaften)<br />

6. Juristische Personen<br />

7. Insolvenzfälle<br />

8. Gesamtrechtsnachfolge in Erbfällen<br />

9. Umwandlungen<br />

1. Allgemeines<br />

Nach <strong>de</strong>n Regelungen zu § 122, Nr. 1.2 gelten die Grundsätze über die Bekanntgabe von Steuerbeschei<strong>de</strong>n für<br />

Prüfungsanordnungen entsprechend, soweit nicht nachfolgend abweichen<strong>de</strong> Regelungen getroffen sind.<br />

2. Bekanntgabe von Prüfungsanordnungen<br />

Beim Erlass einer Prüfungsanordnung sind festzulegen:<br />

– An wen sie sich richtet (Nr. 2.1 – Inhaltsadressat),<br />

– wem sie bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n soll (Nr. 2.2 – Bekanntgabeadressat),<br />

– welcher Person sie zu übermitteln ist (Nr. 2.3 – Empfänger).<br />

2.1 Inhaltsadressat/Prüfungssubjekt<br />

Das ist <strong>de</strong>rjenige, an <strong>de</strong>n sich die Prüfungsanordnung richtet und <strong>de</strong>m aufgegeben wird, die Außenprüfung in<br />

<strong>de</strong>m in <strong>de</strong>r Anordnung näher beschriebenen Umfang zu dul<strong>de</strong>n und bei ihr mitzuwirken: „Prüfung bei . . .“.<br />

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2.2 Bekanntgabeadressat<br />

Das ist die Person/Personengruppe, <strong>de</strong>r die Prüfungsanordnung bekannt zu geben ist. Der Bekanntgabeadressat<br />

ist regelmäßig mit <strong>de</strong>m Prüfungssubjekt i<strong>de</strong>ntisch; soweit die Bekanntgabe an das Prüfungssubjekt nicht möglich<br />

o<strong>de</strong>r nicht zulässig ist, kommen Dritte als Bekanntgabeadressaten in Betracht (z. B. Eltern eines min<strong>de</strong>rjährigen<br />

Kin<strong>de</strong>s, Geschäftsführer einer nicht rechtsfähigen Personenvereinigung, Liquidator).<br />

In allen Fällen, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Bekanntgabeadressat nicht personeni<strong>de</strong>ntisch ist mit <strong>de</strong>m Prüfungssubjekt, ist ein<br />

erläutern<strong>de</strong>r Zusatz in die Prüfungsanordnung aufzunehmen, aus <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Grund für die Anordnung beim<br />

Bekanntgabeadressaten erkennbar wird.<br />

Beispiel:<br />

Die Prüfungsanordnung ergeht an Sie als<br />

„Alleinerbin und Gesamtrechtsnachfolgerin nach Ihrem verstorbenen Ehemann“ (bei Erbfall; vgl. Nr. 8)<br />

„Nachfolgerin <strong>de</strong>r Fritz KG“ (bei gesellschaftsrechtlicher Umwandlung; vgl. Nr. 9)<br />

2.3 Empfänger<br />

Das ist <strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>m die Prüfungsanordnung tatsächlich zugehen soll, damit sie durch Bekanntgabe wirksam<br />

wird. I.d.R. ist dies <strong>de</strong>r Bekanntgabeadressat. Es kann jedoch auch eine an<strong>de</strong>re Person sein (vgl. zu § 122,<br />

Nrn. 1.5.2 und 1.7). Der Empfänger ist im Anschriftenfeld <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung mit seinem Namen und <strong>de</strong>r<br />

postalischen Anschrift zu bezeichnen. Ist <strong>de</strong>r Empfänger nicht i<strong>de</strong>ntisch mit <strong>de</strong>m Prüfungssubjekt, muss in einem<br />

ergänzen<strong>de</strong>n Zusatz im Text <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung darauf hingewiesen wer<strong>de</strong>n, „bei wem“ die Prüfung<br />

stattfin<strong>de</strong>n soll (d. h. namentliche Benennung <strong>de</strong>s Prüfungssubjekts).<br />

2.4 Übermittlung an Bevollmächtigte (§§ 80 Abs. 1, 122 Abs. 1 Satz 3)<br />

Zur Bekanntgabe an einen Bevollmächtigten vgl. zu § 122, Nr. 1.7.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 165 von 235


Beispiel:<br />

Anschrift:<br />

Herr Steuerberater Klaus Schulz, . . .<br />

Text:<br />

„. . . ordne ich an, dass bei Ihrem Mandanten Anton Huber, . . . eine Prüfung durchgeführt wird.“<br />

3. Bekanntgabe von Prüfungsanordnungen an Ehegatten<br />

Prüfungsanordnungen gegen bei<strong>de</strong> Ehegatten können ggf. in einer Verfügung zusammengefasst wer<strong>de</strong>n. Auf die<br />

Regelung zu § 122, Nr. 2.1 wird verwiesen. In einem Zusatz muss dann jedoch erläutert wer<strong>de</strong>n, für welche<br />

Steuerarten bei welchem Prüfungssubjekt die Außenprüfung vorgesehen ist.<br />

Aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Klarheit und Übersichtlichkeit sollten getrennte Prüfungsanordnungen an Ehegatten bevorzugt<br />

wer<strong>de</strong>n. Generell müssen die Prüfungen getrennt angeordnet wer<strong>de</strong>n, wenn bei<strong>de</strong> Ehegatten unternehmerisch<br />

(jedoch nicht gemeinschaftlich) tätig sind.<br />

4. Bekanntgabe an gesetzliche Vertreter natürlicher Personen<br />

Vgl. zu § 122, Nr. 2.2.<br />

Beispiel:<br />

Anschrift:<br />

Herrn Steuerberater Klaus Schulz<br />

Text:<br />

„ . . . ordne ich an, dass bei Ihrem Mandanten Benjamin Müller . . .“<br />

Zusatz:<br />

„. . . ergeht an Sie für Frau Felicitas Müller und Herrn Felix Müller, ggf. Anschrift, als gesetzliche Vertreter ihres<br />

min<strong>de</strong>rjährigen Sohnes Benjamin Müller, ggf. Anschrift.“<br />

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5. Personengesellschaften (Gemeinschaften)<br />

Bei Prüfungsanordnungen an Personengesellschaften und Gemeinschaften sind Unterscheidungen nach <strong>de</strong>r<br />

Rechtsform, nach <strong>de</strong>r zu prüfen<strong>de</strong>n Steuerart und ggf. nach <strong>de</strong>r Einkunftsart vorzunehmen. Wegen <strong>de</strong>r<br />

Unterscheidung zwischen Personenhan<strong>de</strong>lsgesellschaften und sonstigen nicht rechtsfähigen<br />

Personenvereinigungen wird auf die Ausführungen zu § 122, Nr. 2.4.1.2 verwiesen.<br />

5.1 Personenhan<strong>de</strong>lsgesellschaften<br />

Vgl. zu § 122, Nr. 2.4.1.1. Dies gilt auch für die Bekanntgabe von Prüfungsanordnungen an<br />

Personenhan<strong>de</strong>lsgesellschaften bei geson<strong>de</strong>rter und einheitlicher Feststellung <strong>de</strong>r Einkünfte aus Gewerbebetrieb.<br />

Es ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich, <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung eine Anlage beizufügen, in <strong>de</strong>r die Feststellungsbeteiligten<br />

aufgeführt sind.<br />

5.2 Sonstige nicht rechtsfähige Personenvereinigungen<br />

Als Steuerpflichtige i. S. d. § 193 Abs. 1, bei <strong>de</strong>r eine Außenprüfung zulässig ist, kommt auch eine nicht<br />

rechtsfähige Personenvereinigung in Betracht (BFH-Urteil vom 16.11.1989 – IV R 29/89 – BStBl. 1990 II,<br />

S. 272).<br />

Die Personenvereinigung hat i. d. R. formal keinen eigenen Namen und muss als Prüfungssubjekt durch die<br />

Angabe aller Gesellschafter charakterisiert wer<strong>de</strong>n. Ist die Bezeichnung <strong>de</strong>r Gesellschafter durch die Aufzählung<br />

aller Namen im Vordrucktext <strong>de</strong>r Anordnung aus technischen Grün<strong>de</strong>n nicht möglich, können neben einer<br />

Kurzbezeichnung im Text <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung in einer Anlage die einzelnen Gesellschafter (ggf. mit<br />

Anschrift) aufgeführt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Prüfungsanordnung muss aber nicht nur für die nicht rechtsfähige Personenvereinigung bestimmt und an sie<br />

adressiert sein, sie muss ihr auch bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n. Die Bekanntgabe hat an die vertretungsberechtigten<br />

Gesellschafter zu erfolgen. Grundsätzlich sind das alle Gesellschafter (z. B. bei einer GbR nach §§ 709, 714<br />

BGB), es sei <strong>de</strong>nn, es liegt eine abweichen<strong>de</strong> gesellschaftsvertragliche Regelung vor. Nach § 6 Abs. 3 VwZG ist<br />

es jedoch zulässig, die Prüfungsanordnung nur einem <strong>de</strong>r Gesellschafter bekannt zu geben (BFH-Urteil vom<br />

18.10.1994 – IX R 128/92 – BStBl. 1995 II, S. 291). Das gilt selbst in <strong>de</strong>n Fällen, in <strong>de</strong>nen auf Grund<br />

gesellschaftsvertraglicher Regelungen mehrere Personen <strong>zur</strong> Geschäftsführung bestellt sind.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 166 von 235


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5.2.1 Nicht rechtsfähige Personenvereinigungen mit Gewinneinkünften<br />

Wird die Prüfung <strong>de</strong>r Feststellung <strong>de</strong>r Einkünfte (Gewinneinkünfte) angeordnet, ist die Prüfungsanordnung an<br />

die Personenvereinigung als Prüfungssubjekt zu richten und nicht gegen <strong>de</strong>ren Gesellschafter (BFH-Urteil vom<br />

16.11.1989 – IV R 29/89 – BStBl. 1990 II, S. 272).<br />

Führt eine nicht rechtsfähige Personenvereinigung ausnahmsweise einen geschäftsüblichen Namen unter <strong>de</strong>m sie<br />

am Rechtsverkehr teilnimmt, gelten die Ausführungen zu § 122, Nr. 2.4.1.2 auch hinsichtlich <strong>de</strong>r<br />

Prüfungsanordnung <strong>zur</strong> geson<strong>de</strong>rten und einheitlichen Gewinnfeststellung entsprechend.<br />

Wur<strong>de</strong> ein gemeinsamer Empfangsbevollmächtigter bestellt, kann auch ihm die Anordnung <strong>zur</strong> Prüfung <strong>de</strong>r<br />

Gewinneinkünfte bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n. Bei Bekanntgabe <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung an nur einen <strong>zur</strong><br />

Vertretung aller übrigen Beteiligten vertretungsberechtigten Gesellschafter o<strong>de</strong>r an einen<br />

Empfangsbevollmächtigten ist auf <strong>de</strong>ssen Funktion als Bekanntgabeempfänger mit Wirkung für alle Beteiligten<br />

hinzuweisen.<br />

5.2.2 Nicht rechtsfähige Personenvereinigungen mit Überschusseinkünften<br />

Wird die Prüfung <strong>de</strong>r Feststellung <strong>de</strong>r Einkünfte (z. B. aus Vermietung und Verpachtung), <strong>de</strong>s Vermögens und<br />

<strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>n bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts o<strong>de</strong>r bei einer Gemeinschaft (z. B.<br />

Grundstücksgemeinschaft) angeordnet, ist die nicht rechtsfähige Personenvereinigung als<br />

Grundstücksgesellschaft o<strong>de</strong>r Bauherrengemeinschaft insoweit nicht selbst Prüfungssubjekt (BFH-Urteile vom<br />

25.9.1990 – IX R 84/88 – BStBl. 1991 II, S. 120, und vom 18.10.1994 – IX R 128/92 – BStBl. 1995 II, S. 291).<br />

Vielmehr ist <strong>de</strong>r einzelne Gesellschafter <strong>de</strong>r Träger <strong>de</strong>r steuerlichen Rechte und Pflichten (§ 33 Abs. 2). Eine<br />

Prüfungsanordnung für die geson<strong>de</strong>rte und einheitliche Feststellung <strong>de</strong>r Einkünfte aus Vermietung und<br />

Verpachtung bzw. die Feststellung <strong>de</strong>s Vermögens und <strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>n ist an je<strong>de</strong>n Gesellschafter zu richten und<br />

auch diesem bekannt zu geben (für Gemeinschaften: BFH-Urteil vom 10.11.1987 – VIII R 94/87 – BFH/NV<br />

1988 S. 214).<br />

Eine Personenvereinigung unterliegt <strong>de</strong>r Außenprüfung und ist Prüfungssubjekt nur insoweit, als sie – wie z. B.<br />

bei <strong>de</strong>r Umsatzsteuer – selbst Steuerschuldnerin ist (BFH-Urteil vom 18.10.1994 – IX R 128/92 – BStBl. 1995<br />

II, S. 291). In <strong>de</strong>n Fällen, in <strong>de</strong>nen bei einer nicht rechtsfähigen Personenvereinigung mit Überschusseinkünften<br />

neben <strong>de</strong>r Feststellung <strong>de</strong>r Einkünfte und <strong>de</strong>r Feststellung <strong>de</strong>s Vermögens und <strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>n auch die<br />

Umsatzsteuer Prüfungsgegenstand ist, sind daher zwei Prüfungsanordnungen zu erlassen:<br />

– an die Gemeinschaft/Gesellschaft hinsichtlich <strong>de</strong>r Umsatzsteuer;<br />

– an die Gemeinschafter/Gesellschafter hinsichtlich <strong>de</strong>r Feststellung <strong>de</strong>r Einkünfte und <strong>de</strong>r Feststellung <strong>de</strong>s<br />

Vermögens und <strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>n.<br />

5.2.3 Nichtrechtsfähige Personenvereinigungen mit Überschusseinkünften i. Z. m. geson<strong>de</strong>rten<br />

Feststellungen für Zwecke <strong>de</strong>r Erbschaft- und Schenkungsteuer nach § 151 BewG<br />

Bei geson<strong>de</strong>rten Feststellungen für Zwecke <strong>de</strong>r Erbschaft- und Schenkungsteuer kann auch die nichtrechtsfähige<br />

Personenvereinigung mit Überschusseinkünften selbst Inhaltsadressat <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung sein.<br />

Zur Ermittlung <strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen ist nach § 156 BewG eine Außenprüfung bei <strong>de</strong>n Beteiligten im<br />

Sinne <strong>de</strong>s § 154 Abs. 1 BewG zulässig. Die Beteiligtenstellung einer Personenvereinigung kann daraus folgen,<br />

dass sie <strong>zur</strong> Abgabe einer Feststellungserklärung aufgefor<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong> (§ 154 Abs. 1 Nr. 2 BewG). Der Anteil am<br />

Wert <strong>de</strong>r in § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BewG genannten Vermögensgegenstän<strong>de</strong> und Schul<strong>de</strong>n, die mehreren<br />

Personen zustehen, ist geson<strong>de</strong>rt festzustellen. Die Auffor<strong>de</strong>rung <strong>zur</strong> Abgabe einer Feststellungserklärung richtet<br />

sich gemäß § 153 Abs. 2 BewG an die Personenvereinigung selbst, die dadurch Beteiligte wird. Sie ist dann als<br />

Prüfungssubjekt auch Inhaltsadressat <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n Prüfungsanordnung.<br />

Eine Prüfung <strong>zur</strong> geson<strong>de</strong>rten Feststellung nach § 156 BewG kann auch in Kombination mit einer auf § 193<br />

gestützten Prüfung erfolgen. Eine ausschließlich auf § 156 BewG gestützte Außenprüfung darf sich jedoch nur<br />

auf die Feststellungen erstrecken, die für die Erbschaft-/Schenkungsteuer o<strong>de</strong>r eine an<strong>de</strong>re Feststellung im Sinne<br />

<strong>de</strong>s § 151 Abs. 1 BewG maßgeblich sind. Das hat <strong>zur</strong> Folge, dass im Rahmen <strong>de</strong>r Betriebsprüfung nur die<br />

sachliche Richtigkeit und Vollständigkeit <strong>de</strong>r festgestellten Besteuerungsgrundlagen ermittelt bzw. überprüft<br />

wer<strong>de</strong>n dürfen.<br />

5.3 Son<strong>de</strong>rfälle<br />

Dient die Außenprüfung u. a. <strong>de</strong>r Feststellung, welche Art von Einkünften die Gesellschafter einer nicht<br />

rechtsfähigen Personenvereinigung erzielen, kann die Prüfungsanordnung nach Maßgabe sämtlicher in Betracht<br />

kommen<strong>de</strong>n Einkunftsarten ausgerichtet wer<strong>de</strong>n. Kommen danach Gewinneinkünfte ernsthaft in Betracht, ist die<br />

Personenvereinigung – gestützt auf die Rechtsgrundlage <strong>de</strong>s § 193 Abs. 1 – Prüfungssubjekt.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 167 von 235


Dies gilt aber nur für existieren<strong>de</strong> Personenvereinigungen mit streitiger Qualifizierung <strong>de</strong>r Einkünfte. Ist die<br />

Existenz <strong>de</strong>r nicht rechtsfähigen Personenvereinigung selbst im Streit, muss sich die Prüfungsanordnung gegen<br />

die mutmaßlichen Gesellschafter richten (BFH-Urteil vom 8.3.1988 – VIII R 220/85 – BFH/NV S. 758). Sie ist<br />

je<strong>de</strong>m Beteiligten <strong>de</strong>r mutmaßlichen Personenvereinigung geson<strong>de</strong>rt bekannt zu geben.<br />

Liegen konkrete Anhaltspunkte vor, dass die vermutete Gemeinschaft/Gesellschaft tatsächlich einen<br />

gewerblichen o<strong>de</strong>r land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten hat bzw. freiberuflich tätig gewor<strong>de</strong>n ist,<br />

genügt in <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung ein Hinweis auf § 193 Abs. 1 (BFH-Urteil vom 23.10.1990 – VIII R 45/88 –<br />

BStBl. 1991 II, S. 278). Ansonsten ist die Prüfungsanordnung auf § 193 Abs. 2 Nr. 2 zu stützen und beson<strong>de</strong>rs<br />

zu begrün<strong>de</strong>n.<br />

5.4 Arbeitsgemeinschaften<br />

Ist eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) als Prüfungssubjekt zu prüfen, ist die Prüfungsanordnung an das in <strong>de</strong>r<br />

ARGE geschäftsführen<strong>de</strong> Unternehmen als Bevollmächtigtem postalisch bekannt zu geben (vgl. zu § 122,<br />

Nummer 2.4.1.2).<br />

5.5 Atypisch stille Gesellschaften<br />

Da die atypisch stille Gesellschaft nicht selbst Steuerschuldnerin ist, ist eine Prüfungsanordnung an <strong>de</strong>n Inhaber<br />

<strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>lsgeschäfts zu richten (vgl. zu § 122, Nr. 2.4.1). Hinsichtlich <strong>de</strong>r geson<strong>de</strong>rten und einheitlichen<br />

Gewinnfeststellung ist eine Prüfungsanordnung ihrem Inhalt nach im Regelfall ebenfalls nicht an die atypisch<br />

stille Gesellschaft, son<strong>de</strong>rn regelmäßig an je<strong>de</strong>n Gesellschafter (Prüfungssubjekt) zu richten und diesem auch<br />

bekannt zu geben.<br />

Beispiel:<br />

Anschrift:<br />

a) Bauunternehmung Müller GmbH Geschäftsinhaber<br />

b) Herrn Josef Meier atyp. stiller Gesellschafter<br />

(zwei getrennte Prüfungsanordnungen)<br />

Text:<br />

„. . . ordne ich an, dass bei Ihnen bezüglich <strong>de</strong>r steuerlichen Verhältnisse <strong>de</strong>r atypisch stillen Gesellschaft<br />

Bauunternehmung Müller GmbH und Josef Meier (ggf. Anschrift) eine Außenprüfung durchgeführt wird.“<br />

© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

Abweichend davon reicht es in Fällen <strong>de</strong>r atypisch stillen Beteiligung an einer Personenhan<strong>de</strong>lsgesellschaft aus,<br />

die Prüfungsanordnung hinsichtlich <strong>de</strong>r geson<strong>de</strong>rten und einheitlichen Gewinnfeststellung an die<br />

Personenhan<strong>de</strong>lsgesellschaft (= Geschäftsinhaber) als Prüfungssubjekt zu richten und bekannt zu geben, da die<br />

Außenprüfung bei einer Personengesellschaft auch die steuerlichen Verhältnisse <strong>de</strong>r Gesellschafter (auch <strong>de</strong>r<br />

atypisch stille Beteiligte ist Mitunternehmer) insoweit umfasst, als diese für die zu überprüfen<strong>de</strong> Feststellung<br />

von Be<strong>de</strong>utung sind (§ 194 Abs. 1). Einer geson<strong>de</strong>rten – an <strong>de</strong>n atypisch stillen Gesellschafter gerichteten –<br />

Prüfungsanordnung bedarf es in diesem Fall nicht.<br />

5.6 Personengesellschaften und nicht rechtsfähige Personengemeinschaften in Liquidation<br />

Wegen <strong>de</strong>r Unterscheidung zwischen <strong>de</strong>r gesellschaftsrechtlichen und <strong>de</strong>r steuerrechtlichen Liquidation vgl. zu<br />

§ 122, Nr. 2.7.1. Die Anweisungen zu § 122, Nr. 2.7.2 <strong>zur</strong> Bekanntgabe von Steuerbeschei<strong>de</strong>n gelten für<br />

Prüfungsanordnungen sinngemäß.<br />

Auch die Verpflichtung, nach §§ 193 ff. eine Außenprüfung zu dul<strong>de</strong>n, führt dazu, eine Personengesellschaft<br />

bzw. nicht rechtsfähige Personenvereinigung noch nicht als vollbeen<strong>de</strong>t anzusehen. Nach Beendigung <strong>de</strong>r<br />

gesellschaftsrechtlichen Liquidation (z. B. Prüfung bei „<strong>de</strong>m gesellschaftsrechtlich been<strong>de</strong>ten Autohaus Heinrich<br />

Schmitz Nachf. GbR“) bleibt die Personengesellschaft bzw. nicht rechtsfähige Personenvereinigung weiterhin<br />

Prüfungssubjekt; die Prüfungsanordnung ist <strong>de</strong>shalb an sie zu richten (vgl. BFH-Urteil vom 1.3.1994 – VIII R<br />

35/92 – BStBl. 1995 II, S. 241). Zu empfehlen ist die Bekanntgabe <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung an alle ehemaligen<br />

Gesellschafter als Liquidatoren (mit Hinweis auf die rechtliche Stellung als Liquidator).<br />

5.7 Eintritt, Ausschei<strong>de</strong>n und Wechsel von Gesellschaftern einer Personengesellschaft o<strong>de</strong>r einer nicht<br />

rechtsfähigen Personengemeinschaft<br />

5.7.1 Wird das Han<strong>de</strong>lsgeschäft eines Einzelunternehmers in eine Personen- o<strong>de</strong>r Kapitalgesellschaft<br />

eingebracht, ist zu unterschei<strong>de</strong>n, ob <strong>de</strong>r Zeitraum vor o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>r Übertragung geprüft wird. Die<br />

Prüfungsanordnung muss an <strong>de</strong>n jeweiligen Inhaltsadressaten für die Zeit seiner Inhaberschaft gerichtet und<br />

bekannt gegeben wer<strong>de</strong>n. Für <strong>de</strong>n Prüfungszeitraum bis <strong>zur</strong> Einbringung ergeht die Prüfungsanordnung an <strong>de</strong>n<br />

ehemaligen Einzelunternehmer als Inhaltsadressat (Prüfungssubjekt) („bei Ihnen“). In einem Zusatz ist zu<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 168 von 235


erläutern, dass Prüfungsgegenstand bestimmte Besteuerungszeiträume vor <strong>de</strong>r Einbringung in die namentlich<br />

benannte aufnehmen<strong>de</strong> Gesellschaft sind.<br />

5.7.2 Tritt in eine bestehen<strong>de</strong> Personenhan<strong>de</strong>lsgesellschaft o<strong>de</strong>r nicht rechtsfähige Personenvereinigung mit<br />

geschäftsüblichem Namen ein Gesellschafter ein o<strong>de</strong>r schei<strong>de</strong>t ein Gesellschafter aus unter Fortführung <strong>de</strong>r<br />

Gesellschaft durch die verbliebenen Gesellschafter o<strong>de</strong>r ergibt sich durch abgestimmten Ein- und Austritt ein<br />

Gesellschafterwechsel, än<strong>de</strong>rt sich die I<strong>de</strong>ntität <strong>de</strong>r Gesellschaft nicht. Daher ist die Prüfungsanordnung auch für<br />

die Zeit vor <strong>de</strong>m Eintritt, Ausschei<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Wechsel an die Personengesellschaft als Inhaltsadressaten zu richten.<br />

An <strong>de</strong>n ausgeschie<strong>de</strong>nen Gesellschafter ergeht keine geson<strong>de</strong>rte Prüfungsanordnung. Ihm ist jedoch <strong>zur</strong><br />

Wahrung <strong>de</strong>s rechtlichen Gehörs eine Kopie <strong>de</strong>r an die Gesellschaft gerichteten Prüfungsanordnung zu<br />

übersen<strong>de</strong>n. Dabei ist er auf <strong>de</strong>n Sinn und Zweck dieser Benachrichtigung hinzuweisen.<br />

5.7.3 Schei<strong>de</strong>t aus einer zweigliedrigen Personengesellschaft o<strong>de</strong>r nicht rechtsfähigen Personengemeinschaft <strong>de</strong>r<br />

vorletzte Gesellschafter aus und wird <strong>de</strong>r Betrieb durch <strong>de</strong>n verbliebenen Gesellschafter ohne Liquidation<br />

fortgeführt (= vollbeen<strong>de</strong>te Gesellschaft; BFH-Urteil vom 18.9.1980 – V R 175/74 – BStBl. 1981 II, S. 293), ist<br />

<strong>de</strong>r jetzige Alleininhaber Gesamtrechtsnachfolger gemäß § 45 Satz 1 für die Betriebssteuern. Die<br />

Prüfungsanordnung für die Betriebssteuern ist daher auch für die Zeit <strong>de</strong>s Bestehens <strong>de</strong>r<br />

Gesellschaft/Gemeinschaft an <strong>de</strong>n jetzigen Alleininhaber zu richten und diesem bekannt zu geben. Er ist auf<br />

seine Stellung als Gesamtrechtsnachfolger hinzuweisen. In einem Zusatz ist <strong>de</strong>utlich zu machen, dass die<br />

Prüfung die steuerlichen Verhältnisse <strong>de</strong>r vollbeen<strong>de</strong>ten Gesellschaft/Gemeinschaft betrifft.<br />

Für die geson<strong>de</strong>rte und einheitliche Gewinnfeststellung geht die Pflicht, die Prüfung zu dul<strong>de</strong>n (vgl. Nrn. 2.1 und<br />

5.2.1), ebenfalls von <strong>de</strong>r Gesellschaft/Gemeinschaft auf <strong>de</strong>n jetzigen Alleininhaber als Gesamtrechtsnachfolger<br />

i. S. v. § 45 Abs. 1 Satz 1 über (BFH-Urteil vom 25.4.2006 – VIII R 46/02 – BFH/NV S. 2037) Die<br />

Prüfungsanordnung <strong>zur</strong> geson<strong>de</strong>rten und einheitlichen Gewinnfeststellung für die Zeit <strong>de</strong>s Bestehens <strong>de</strong>r<br />

Gesellschaft ist daher ebenfalls an <strong>de</strong>n jetzigen Alleininhaber zu richten und diesem bekannt zu geben. Auf die<br />

Stellung als Gesamtrechtsnachfolger ist hinzuweisen. In einem Zusatz ist <strong>de</strong>utlich zu machen, dass die Prüfung<br />

die steuerlichen Verhältnisse <strong>de</strong>r vollbeen<strong>de</strong>ten Gesellschaft/Gemeinschaft betrifft.<br />

Erzielt die Personengesellschaft/Gemeinschaft ausschließlich Überschusseinkünfte (z. B. aus Vermietung und<br />

Verpachtung), ist sie als solche kein Prüfungssubjekt hinsichtlich <strong>de</strong>r geson<strong>de</strong>rten und einheitlichen Feststellung<br />

<strong>de</strong>r Überschusseinkünfte (vgl. Nr. 5.2.2). Die Duldungspflicht <strong>de</strong>r Prüfung kann daher auch nicht im Wege <strong>de</strong>r<br />

Gesamtrechtsnachfolge auf <strong>de</strong>n jetzigen Alleingesellschafter übergehen. Die Prüfungsanordnung ist in diesem<br />

Fall an je<strong>de</strong>n ehemaligen Gesellschafter zu richten und bekannt zu geben.<br />

© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

6. Juristische Personen<br />

Vgl. zu § 122, Nr. 2.8.<br />

7. Soweit die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf einen Insolvenzverwalter o<strong>de</strong>r einen vorläufigen<br />

Insolvenzverwalter übergegangen ist (siehe zu § 251, Nrn. 3.1 und 4.2), ist dieser Bekanntgabeadressat (Nr. 2.2).<br />

8. Gesamtrechtsnachfolge in Erbfällen<br />

8.1 Geht ein Einzelunternehmen durch Erbfall im Wege <strong>de</strong>r Gesamtrechtsnachfolge auf eine o<strong>de</strong>r mehrere<br />

Person(en) über, ist die Prüfungsanordnung an <strong>de</strong>n/die Erben als Prüfungssubjekt zu richten. Bei ihm/ihnen kann<br />

eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 auch für Zeiträume stattfin<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Erblasser unternehmerisch<br />

tätig war (BFH-Urteil vom 24.8.1989 – IV R 65/88 – BStBl. 1990 II, S. 2). Auf <strong>de</strong>n/die Erben gehen als<br />

Gesamtrechtsnachfolger alle Verpflichtungen aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis über (§ 45 Abs. 1); hierzu gehört<br />

auch die Duldung <strong>de</strong>r Betriebsprüfung (BFH-Urteil vom 9.5.1978 – VII R 96/75 – BStBl. II, S. 501).<br />

Beispiele:<br />

a) Anschrift:<br />

Frau Antonia Huber<br />

Text:<br />

„. . . ordne ich an, dass bei Ihnen bezüglich <strong>de</strong>r steuerlichen Verhältnisse Ihres verstorbenen Ehemannes Anton<br />

Huber eine Außenprüfung durchgeführt wird.“<br />

Zusatz:<br />

„. . . ergeht an Sie als Alleinerbin und Gesamtrechtsnachfolgerin nach Ihrem Ehemann.“<br />

b) Anschrift:<br />

Herrn Steuerberater Klaus Schulz<br />

Text:<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 169 von 235


„. . . ordne ich an, dass bei Ihrer Mandantin Antonia Huber bezüglich <strong>de</strong>r steuerlichen Verhältnisse ihres<br />

verstorbenen Ehemanns Anton Huber eine Außenprüfung durchgeführt wird.“<br />

Zusatz:<br />

„. . . ergeht an Sie für Frau Antonia Huber als Alleinerbin und Gesamtrechtsnachfolgerin nach Anton Huber.“<br />

c) Anschrift:<br />

Herrn Steuerberater Klaus Schulz<br />

Text:<br />

„. . . ordne ich an, dass bei Ihren Mandanten Emilia Müller, Fritz Müller (usw., alle Erben namentlich<br />

aufzuzählen) bezüglich <strong>de</strong>r steuerlichen Verhältnisse <strong>de</strong>s verstorbenen Emil Müller eine Außenprüfung<br />

durchgeführt wird.“<br />

Zusatz:<br />

„. . . ergeht an Sie für Frau Emilia Müller, Herrn Fritz Müller usw. als Erben und Gesamtrechtsnachfolger <strong>de</strong>s<br />

verstorbenen Emil Müller.“<br />

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8.2 Hat die Erbengemeinschaft keinen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten, ist je<strong>de</strong>m Miterben eine<br />

Prüfungsanordnung bekannt zu geben. Im Anschriftenfeld ist sie jeweils an <strong>de</strong>n einzelnen Miterben zu<br />

adressieren. Im Übrigen ist sie inhaltsgleich allen Miterben bekannt zu geben. Die Prüfung ist „bei <strong>de</strong>m“<br />

jeweiligen Miterben vorzusehen. Außer<strong>de</strong>m ist in <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung in einem Zusatz darzustellen, welche<br />

weiteren Miterben <strong>zur</strong> Erbengemeinschaft gehören (Darstellung mit vollständigen Namen und ggf. Anschriften).<br />

8.3 Ist ein Miterbe gemeinsamer Empfangsbevollmächtigter aller Miterben, so ist die Prüfungsanordnung nur<br />

diesem Miterben wie folgt bekannt zu geben:<br />

Anschrift:<br />

Anna Müller, Anschrift<br />

Text:<br />

„. . . ordne ich an, dass bei Ihnen bezüglich <strong>de</strong>r steuerlichen Verhältnisse Ihres verstorbenen Ehemanns Herbert<br />

Müller eine Außenprüfung durchgeführt wird.“<br />

Zusatz:<br />

„Die Prüfungsanordnung ergeht an Sie mit Wirkung für alle Miterben und Gesamtrechtsnachfolger nach Herbert<br />

Müller: Frau Anna Müller, Frau Eva Müller, . . . (alle weiteren Miterben namentlich, ggf. mit Anschrift,<br />

nennen).“<br />

Zweckmäßigerweise sollten getrennte Prüfungsanordnungen für folgen<strong>de</strong> gleichzeitig vorliegen<strong>de</strong> und zu<br />

prüfen<strong>de</strong> Fallgestaltungen ergehen:<br />

– Prüfungszeitraum <strong>de</strong>s Erblassers als Einzelunternehmer (s. o.),<br />

– Prüfungszeitraum <strong>de</strong>r Fortführung <strong>de</strong>s Unternehmens durch die Erbengemeinschaft (Prüfung „bei <strong>de</strong>r<br />

Erbengemeinschaft, Anna Müller, ggf. Anschrift, sowie Eva Müller, ggf. Anschrift, und Thomas Müller, ggf.<br />

Anschrift etc. Alle Beteiligten sind Erben und Gesamtsrechtsnachfolger nach Herbert Müller.“),<br />

– Prüfung eines eigenen Betriebs eines Miterben (z. B. <strong>de</strong>r Ehefrau <strong>de</strong>s Erblassers).<br />

9. Umwandlungen<br />

9.1 In <strong>de</strong>n übrigen Fällen einer Gesamtrechtsnachfolge i. S. d. § 45 Abs. 1 (vgl. zu § 45) gelten grundsätzlich die<br />

Anweisungen zu § 122, Nrn. 2.12.1 und 2.12.2.<br />

9.2 Nach einer Verschmelzung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, §§ 2 ff. UmwG) ist sowohl hinsichtlich <strong>de</strong>r Betriebssteuern als<br />

auch hinsichtlich <strong>de</strong>r geson<strong>de</strong>rten und einheitlichen Feststellungen Nr. 5.7.3 sinngemäß anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

9.3 In Fällen einer Abspaltung o<strong>de</strong>r Ausglie<strong>de</strong>rung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, §§ 123 ff. UmwG) sowie einer<br />

Vermögensübertragung im Wege <strong>de</strong>r Teilübertragung (§ 1 Abs. 1 Nr. 3, § 174 Abs. 2, §§ 175, 177, 179, 184 ff.,<br />

189 UmwG) liegt keine Gesamtrechtsnachfolge i. S. d. § 45 Abs. 1 vor (vgl. zu § 45, Nr. 2). Eine<br />

Prüfungsanordnung, die sich auf Zeiträume bis <strong>zur</strong> Abspaltung, Ausglie<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Vermögensübertragung<br />

bezieht, ist daher stets an <strong>de</strong>n abspalten<strong>de</strong>n, ausglie<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n bzw. an <strong>de</strong>n das Vermögen übertragen<strong>de</strong>n<br />

Rechtsträger zu richten.<br />

9.4 In <strong>de</strong>n Fällen einer Aufspaltung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 123 Abs. 1 UmwG) ist jedoch § 45 Abs. 1 sinngemäß<br />

anzuwen<strong>de</strong>n. Eine Prüfungsanordnung, die sich auf Zeiträume bis <strong>zur</strong> Aufspaltung bezieht, ist an alle<br />

spaltungsgeborenen Gesellschaften zu richten. Dies gilt nicht in Bezug auf die geson<strong>de</strong>rte und einheitliche<br />

Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (vgl. zu § 45, Nr. 2).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 170 von 235


9.5 Bei einer formwechseln<strong>de</strong>n Umwandlung (§ 1 Abs. 1 Nr. 4, §§ 190 ff. UmwG) han<strong>de</strong>lt es sich lediglich um<br />

<strong>de</strong>n Wechsel <strong>de</strong>r Rechtsform. Das Prüfungssubjekt bleibt i<strong>de</strong>ntisch; es än<strong>de</strong>rt sich lediglich <strong>de</strong>ssen Bezeichnung.<br />

Die Prüfungsanordnung ist an die Gesellschaft unter ihrer neuen Bezeichnung zu richten. Dies gilt auch, wenn<br />

sich – wie z. B. in Fällen <strong>de</strong>r Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft – das Steuersubjekt än<strong>de</strong>rt und daher eine<br />

steuerliche Gesamtrechtsnachfolge vorliegt (vgl. zu § 45, Nr. 3). Wur<strong>de</strong> eine Personengesellschaft, die<br />

Gewinneinkünfte erzielt hat, in eine Kapitalgesellschaft umgewan<strong>de</strong>lt, ist eine Prüfungsanordnung, die sich auf<br />

die geson<strong>de</strong>rte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen <strong>de</strong>r Personengesellschaft erstreckt,<br />

nach <strong>de</strong>n Grundsätzen <strong>de</strong>r Nr. 5.2.1 an die Kapitalgesellschaft zu richten. Hat die umgewan<strong>de</strong>lte<br />

Personengesellschaft Überschusseinkünfte erzielt, ist die Prüfungsanordnung für die geson<strong>de</strong>rte und einheitliche<br />

Feststellung <strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen nach <strong>de</strong>n Grundsätzen von Nr. 5.2.2 an die Gesellschafter <strong>de</strong>r<br />

ehemaligen Personengesellschaft zu richten.<br />

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Zu § 198 – Ausweispflicht, Beginn <strong>de</strong>r Außenprüfung:<br />

1. Die Außenprüfung beginnt grundsätzlich in <strong>de</strong>m Zeitpunkt, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Außenprüfer nach Bekanntgabe <strong>de</strong>r<br />

Prüfungsanordnung konkrete Ermittlungshandlungen vornimmt. Bei einer Datenträgerüberlassung beginnt<br />

die Außenprüfung spätestens mit <strong>de</strong>r Auswertung <strong>de</strong>r Daten. Die Handlungen brauchen für <strong>de</strong>n Betroffenen<br />

nicht erkennbar zu sein; es genügt vielmehr, dass <strong>de</strong>r Außenprüfer nach Bekanntgabe <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung<br />

mit <strong>de</strong>m Studium <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Steuerfall betreffen<strong>de</strong>n Akten beginnt (BFH-Urteile vom 7.8.1980 – II R 119/77 –<br />

BStBl. 1981 II, S. 409, vom 11.10.1983 – VIII R 11/82 – BStBl. 1984 II, S. 125 und vom 18.12.1986 – I<br />

R 49/83 – BStBl. 1987 II, S. 408). Als Beginn <strong>de</strong>r Außenprüfung ist auch ein Auskunfts- und<br />

Vorlageersuchen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> anzusehen, mit <strong>de</strong>m unter Hinweis auf die Außenprüfung um<br />

Beantwortung verschie<strong>de</strong>ner Fragen und Vorlage bestimmter Unterlagen gebeten wird (BFH-Urteil vom<br />

2.2.1994 – I R 57/93 – und BFH-Beschluss vom 3.3.2009 – IV S 12/08 – BFH/NV S. 958–961). Ein<br />

Aktenstudium, das vor <strong>de</strong>m in <strong>de</strong>r Betriebsprüfungsanordnung genannten Termin <strong>de</strong>s Beginns <strong>de</strong>r Prüfung<br />

durchgeführt wird, gehört hingegen noch zu <strong>de</strong>n Prüfungsvorbereitungen (BFH-Urteil vom 8.7.2009 – XI R<br />

64/07 – BStBl. 2010 II, S. 4).<br />

2. Bei <strong>de</strong>r Außenprüfung von Konzernen und sonstigen zusammenhängen<strong>de</strong>n Unternehmen i. S. d. §§ 13 bis 19<br />

BpO gelten keine Beson<strong>de</strong>rheiten. Da es sich um rechtlich selbstständige Unternehmen han<strong>de</strong>lt, fällt <strong>de</strong>r<br />

Beginn <strong>de</strong>r Außenprüfung grundsätzlich auf <strong>de</strong>n Tag, an <strong>de</strong>m mit <strong>de</strong>r Prüfung <strong>de</strong>s jeweiligen Unternehmens<br />

begonnen wird. Wer<strong>de</strong>n mehrere konzernzugehörige Unternehmen von einer Finanzbehör<strong>de</strong> geprüft und hat<br />

sie sich mit allen von ihr zu prüfen<strong>de</strong>n Betrieben befasst, um sich einen Überblick über die<br />

prüfungsrelevanten Sachverhalte zu verschaffen, sowie die wirtschaftlichen, bilanziellen und<br />

liquiditätsmäßigen Verflechtungen zwischen <strong>de</strong>n Unternehmen aus <strong>de</strong>n unterschiedlichen Perspektiven<br />

untersucht, ist damit bereits ein einheitlicher Prüfungsbeginn gegeben.<br />

Wenn dagegen ein konzernzugehöriges Unternehmen von einer an<strong>de</strong>ren Finanzbehör<strong>de</strong> geprüft wird, beginnt<br />

die Außenprüfung erst dann, wenn konkrete Prüfungshandlungen in diesem Einzelfall vorgenommen wor<strong>de</strong>n<br />

sind. Der Zeitpunkt <strong>de</strong>s Beginns <strong>de</strong>r Außenprüfung ist in <strong>de</strong>n Prüfungsbericht aufzunehmen.<br />

3. Zur Ablaufhemmung vgl. zu § 171, Nr. 3.<br />

Zu § 200 – Mitwirkungspflichten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen:<br />

1. Die Bestimmung <strong>de</strong>s Umfangs <strong>de</strong>r Mitwirkung <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen liegt im pflichtgemäßen Ermessen <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>. Auf Anfor<strong>de</strong>rung hat <strong>de</strong>r Steuerpflichtige vorhan<strong>de</strong>ne Aufzeichnungen und Unterlagen<br />

vorzulegen, die nach Einschätzung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> für eine ordnungsgemäße und effiziente Abwicklung<br />

<strong>de</strong>r Außenprüfung erfor<strong>de</strong>rlich sind, ohne dass es ihm gegenüber einer zusätzlichen Begründung hinsichtlich<br />

<strong>de</strong>r steuerlichen Be<strong>de</strong>utung bedarf.<br />

Konzernunternehmen haben auf Anfor<strong>de</strong>rung insbeson<strong>de</strong>re vorzulegen:<br />

– <strong>de</strong>n Prüfungsbericht <strong>de</strong>s Wirtschaftsprüfers über die Konzernabschlüsse <strong>de</strong>r Konzernmuttergesellschaft,<br />

– die Richtlinie <strong>de</strong>r Konzernmuttergesellschaft <strong>zur</strong> Erstellung <strong>de</strong>s Konzernabschlusses,<br />

– die konsolidierungsfähigen Einzelabschlüsse (sog. Han<strong>de</strong>lsbilanzen II) <strong>de</strong>r Konzernmuttergesellschaft,<br />

– Einzelabschlüsse und konsolidierungsfähige Einzelabschlüsse (sog. Han<strong>de</strong>lsbilanzen II) von in- und<br />

ausländischen Konzernunternehmen.<br />

Bei Auslandssachverhalten trägt <strong>de</strong>r Steuerpflichtige eine erhöhte Mitwirkungspflicht (BFH-Beschluss vom<br />

9.7.1986 – I B 36/86 – BStBl. 1987 II, S. 487). Im Falle von Verzögerungen durch <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r von ihm benannten Auskunftspersonen soll nach <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Einzelfalls von <strong>de</strong>r<br />

Möglichkeit <strong>de</strong>r Androhung und Festsetzung von Zwangsmitteln (§ 328), <strong>de</strong>r Festsetzung von<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 171 von 235


Verzögerungsgeld (§ 146 Abs. 2b) o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Schätzung (§ 162) Gebrauch gemacht wer<strong>de</strong>n. Im Rahmen von<br />

Geschäftsbeziehungen zwischen nahe stehen<strong>de</strong>n Personen sind die Regelungen <strong>de</strong>r<br />

Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung und <strong>de</strong>r Verwaltungsgrundsätze-Verfahren (BMF-Schreiben<br />

vom 12.4.2005, BStBl. I, S. 570) zu beachten. Kreditinstitute sind verpflichtet, <strong>de</strong>m Außenprüfer Angaben<br />

<strong>zur</strong> I<strong>de</strong>ntität <strong>de</strong>r Bankkun<strong>de</strong>n zu machen. Das bankseitige Ausblen<strong>de</strong>n ein<strong>de</strong>utiger Ordnungsmerkmale <strong>de</strong>r<br />

Bankkun<strong>de</strong>n im Hinblick auf § 30a ist nicht zulässig.<br />

2. Eine Außenprüfung in <strong>de</strong>n Geschäftsräumen <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen verstößt nicht gegen Art. 13 GG (BFH-<br />

Urteil vom 20.10.1988 – IV R 104/86 – BStBl. 1989 II, S. 180). Ist ein geeigneter Geschäftsraum vorhan<strong>de</strong>n,<br />

so muss die Außenprüfung dort stattfin<strong>de</strong>n. Ob ein geeigneter Geschäftsraum vorhan<strong>de</strong>n ist, richtet sich nach<br />

<strong>de</strong>r objektiven Beschaffenheit <strong>de</strong>r Räume, <strong>de</strong>n betriebsüblichen Verhältnissen sowie arbeitsrechtlichen<br />

Grundsätzen. Der Vorrang <strong>de</strong>r Geschäftsräume vor allen an<strong>de</strong>ren Orten ergibt sich aus <strong>de</strong>m Wortlaut <strong>de</strong>s<br />

§ 200 Abs. 2 und aus <strong>de</strong>m Sinn und Zweck <strong>de</strong>r Außenprüfung. Sind keine geeigneten Geschäftsräume<br />

vorhan<strong>de</strong>n, ist in <strong>de</strong>n Wohnräumen o<strong>de</strong>r an Amtsstelle zu prüfen. Nur im Ausnahmefall und nur auf Antrag<br />

kommen an<strong>de</strong>re Prüfungsorte in Betracht, wenn schützenswerte Interessen <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen von<br />

beson<strong>de</strong>rs großem Gewicht die Interessen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>n an einem effizienten Prüfungsablauf in <strong>de</strong>n<br />

Geschäftsräumen verdrängen.<br />

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Zu § 201 – Schlussbesprechung:<br />

1. Rechtsirrtümer, die die Finanzbehör<strong>de</strong> nach <strong>de</strong>r Schlussbesprechung erkennt, können bei <strong>de</strong>r Auswertung <strong>de</strong>r<br />

Prüfungsfeststellungen auch dann richtiggestellt wer<strong>de</strong>n, wenn an <strong>de</strong>r Schlussbesprechung <strong>de</strong>r für die<br />

Steuerfestsetzung zuständige Beamte teilgenommen hat (BFH-Urteile vom 6.11.1962 – I 298/614 –<br />

BStBl. 1963 III, S. 104 und vom 1.3.1963 – VI 119/61 U – BStBl. III, S. 212). Zusagen im Rahmen einer<br />

Schlussbesprechung, die im Betriebsprüfungsbericht nicht aufrechterhalten wer<strong>de</strong>n, erzeugen schon aus<br />

diesem Grund keine Bindung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> nach Treu und Glauben (BFH-Urteil vom 27.4.1977 –<br />

I R 211/74 – BStBl. II, S. 623).<br />

2. Die Außenprüfung ist abgeschlossen, wenn die prüfen<strong>de</strong> Behör<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Abschluss ausdrücklich o<strong>de</strong>r<br />

konklu<strong>de</strong>nt erklärt. I. d. R. kann die Außenprüfung mit <strong>de</strong>r Zusendung <strong>de</strong>s Prüfungsberichts (§ 202 Abs. 1)<br />

als abgeschlossen angesehen wen<strong>de</strong>n (BFH-Urteile vom 17.7.1985 – I R 214/82 – BStBl. 1986 II, S. 21 und<br />

vom 4.2.1988 – V R 57/83 – BStBl. II, S. 413). Reicht <strong>de</strong>r Steuerpflichtige nach Zusendung <strong>de</strong>s<br />

Betriebsprüfungsberichts eine – ausdrücklich vorbehaltene – Stellungnahme und Unterlagen ein, die zu<br />

einem Wie<strong>de</strong>reintritt in Ermittlungshandlungen führen, erfolgt dies noch im Rahmen <strong>de</strong>r Außenprüfung<br />

(BFH-Urteil vom 8.7.2009 – XI R 64/07 – BStBl. 2010 II, S. 4).<br />

3. Der Steuerpflichtige kann <strong>de</strong>n Verzicht nach § 201 Abs. 1 Satz 1 auf die Abhaltung einer<br />

Schlussbesprechung formlos erklären. Die Finanzbehör<strong>de</strong> vereinbart mit <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen einen Termin<br />

<strong>zur</strong> Abhaltung <strong>de</strong>r Schlussbesprechung, <strong>de</strong>r innerhalb eines Monats seit Beendigung <strong>de</strong>r<br />

Ermittlungshandlungen liegt. Kommt eine Terminabsprache nicht zustan<strong>de</strong>, lädt die Finanzbehör<strong>de</strong> <strong>de</strong>n<br />

Steuerpflichtigen schriftlich <strong>zur</strong> Schlussbesprechung an Amtsstelle und weist gleichzeitig darauf hin, dass die<br />

Nichtwahrnehmung <strong>de</strong>s Termins ohne Angabe von Grün<strong>de</strong>n als Verzicht i. S. d. § 201 Abs. 1 Satz 1 zu<br />

werten ist.<br />

4. Die Verwertung von Prüfungsfeststellungen hängt nicht davon ab, ob eine Schlussbesprechung abgehalten<br />

wor<strong>de</strong>n ist. Das Unterlassen einer Schlussbesprechung führt nicht „ohne weiteres“ zu einer Fehlerhaftigkeit<br />

<strong>de</strong>r aufgrund <strong>de</strong>s Berichts über die Außenprüfung ergangenen Steuerbeschei<strong>de</strong> (BFH-Beschluss vom<br />

15.12.1997 – X B 182/96 – BFH/NV 1998 S. 811).<br />

5. Zu <strong>de</strong>r Zulässigkeit und <strong>de</strong>n Rechtsfolgen einer tatsächlichen Verständigung siehe BMF-Schreiben vom<br />

30.7.2008, BStBl. I, S. 831.<br />

6. Der Hinweis nach § 201 Abs. 2 ist zu erteilen, wenn es nach <strong>de</strong>m Erkenntnisstand zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r<br />

Schlussbesprechung möglich erscheint, dass ein Straf- o<strong>de</strong>r Bußgeldverfahren durchgeführt wer<strong>de</strong>n muss.<br />

Wegen weiterer Einzelheiten vgl. Nr. 131 Abs. 2 AStBV (St). Durch <strong>de</strong>n Hinweis nach § 201 Abs. 2 wird<br />

noch nicht das Straf- und Bußgeldverfahren i. S. d. §§ 397, 410 Abs. 1 Nr. 6 eröffnet, weil das Aussprechen<br />

eines strafrechtlichen Vorbehalts i. S. d. § 201 Abs. 2 noch im Rahmen <strong>de</strong>r Außenprüfung bei Durchführung<br />

<strong>de</strong>r Besteuerung geschieht. Der Hinweis nach § 201 Abs. 2 ist kein Verwaltungsakt.<br />

Zu § 202 – Inhalt und Bekanntgabe <strong>de</strong>s Prüfungsberichts:<br />

Der Prüfungsbericht und die Mitteilung über die ergebnislose Prüfung (§ 202 Abs. 1 Satz 3) sind keine<br />

Verwaltungsakte und können <strong>de</strong>shalb nicht mit <strong>de</strong>m Einspruch angefochten wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteile vom<br />

17.7.1985 – I R 214/82 – BStBl. 1986 II, S. 21 und vom 29.4.1987 – I R 118/83 – BStBl. 1988 II, S. 168). In <strong>de</strong>r<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 172 von 235


Übersendung <strong>de</strong>s Prüfungsberichts, <strong>de</strong>r keinen ausdrücklichen Hinweis darauf enthält, dass die Außenprüfung<br />

nicht zu einer Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen geführt hat, kann keine konklu<strong>de</strong>nte Mitteilung i. S. d.<br />

§ 202 Abs. 1 Satz 3 gesehen wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 14.12.1989 – III R 158/85 – BStBl. 1990 II, S. 283).<br />

Für <strong>de</strong>n Innendienst bestimmte o<strong>de</strong>r spätere Besteuerungszeiträume betreffen<strong>de</strong> Mitteilungen <strong>de</strong>s Außenprüfers<br />

sind in <strong>de</strong>n Prüfungsbericht nicht aufzunehmen (BFH-Urteil vom 27.3.1961 – I 276/60 U – BStBl. III, S. 290).<br />

Zu § 203 – Abgekürzte Außenprüfung:<br />

1. Die Vorschrift <strong>de</strong>s § 203 soll auch eine im Interesse <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen liegen<strong>de</strong> rasche Durchführung<br />

einer Außenprüfung ermöglichen (BFH-Urteil vom 25.11.1989 – V R 158/87 – BStBl. II, S. 483).<br />

2. Bei einer abgekürzten Außenprüfung fin<strong>de</strong>n die Vorschriften über die Außenprüfung (§§ 193 ff.)<br />

Anwendung, mit Ausnahme <strong>de</strong>r §§ 201 Abs. 1 und 202 Abs. 2. Sie ist bei allen unter § 193 fallen<strong>de</strong>n<br />

Steuerpflichtigen zulässig.<br />

Eine Beschränkung <strong>de</strong>r in Frage kommen<strong>de</strong>n Fälle nach <strong>de</strong>r Einordnung <strong>de</strong>r Betriebe in Größenklassen<br />

besteht nicht. Die abgekürzte Außenprüfung unterschei<strong>de</strong>t sich von einer im Prüfungsstoff schon<br />

eingeschränkten Außenprüfung, in<strong>de</strong>m sie darüber hinaus auf die Prüfung einzelner Besteuerungsgrundlagen<br />

eines Besteuerungszeitraums o<strong>de</strong>r mehrerer Besteuerungszeiträume beschränkt wird (§ 4 Abs. 5 Satz 2 BpO).<br />

3. In <strong>de</strong>r Prüfungsanordnung ist die Außenprüfung als abgekürzte Außenprüfung i. S. d. §§ 193, 203<br />

ausdrücklich zu bezeichnen. Ein Wechsel von <strong>de</strong>r abgekürzten <strong>zur</strong> nicht abgekürzten Außenprüfung und<br />

umgekehrt ist zulässig. Hierzu bedarf es einer ergänzen<strong>de</strong>n Prüfungsanordnung.<br />

4. Die Vorschrift <strong>de</strong>s § 203 Abs. 2 entbin<strong>de</strong>t nicht von <strong>de</strong>r Verpflichtung <strong>zur</strong> Fertigung eines Prüfungsberichts.<br />

5. Die abgekürzte Außenprüfung löst dieselben Rechtsfolgen wie eine nicht abgekürzte Außenprüfung aus.<br />

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Zu § 204 – Voraussetzung <strong>de</strong>r verbindlichen Zusage:<br />

1. Von <strong>de</strong>r verbindlichen Zusage nach § 204 sind zu unterschei<strong>de</strong>n:<br />

– die tatsächliche Verständigung über <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Sachverhalt (vgl.<br />

BMF-Schreiben vom 30.7.2008, BStBl. I, S. 831),<br />

– die verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 und<br />

– die Lohnsteueranrufungsauskunft (§ 42e EStG).<br />

2. Über <strong>de</strong>n Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Zusage entschei<strong>de</strong>t die für die Auswertung <strong>de</strong>r<br />

Prüfungsfeststellungen zuständige Finanzbehör<strong>de</strong>. Im Fall einer Auftragsprüfung nach § 195 kann die<br />

beauftragte Finanzbehör<strong>de</strong> nur im Einvernehmen mit <strong>de</strong>r für die Besteuerung zuständigen Finanzbehör<strong>de</strong><br />

eine verbindliche Zusage erteilen.<br />

3. Der Anwendungsbereich <strong>de</strong>r Vorschrift erstreckt sich auf für die Vergangenheit geprüfte (verwirklichte)<br />

Sachverhalte mit Wirkung in die Zukunft (z. B. Gesellschaftsverträge, Erwerb von Grundstücken). Zwischen<br />

<strong>de</strong>r Außenprüfung und <strong>de</strong>m Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Zusage muss <strong>de</strong>r zeitliche<br />

Zusammenhang gewahrt bleiben (BFH-Urteil vom 13.12.1995 – XI R 43–45/89 – BStBl. 1996 II, S. 232).<br />

Bei einem nach <strong>de</strong>r Schlussbesprechung gestellten Antrag ist i. d. R. keine verbindliche Zusage mehr zu<br />

erteilen, wenn hierzu umfangreiche Prüfungshandlungen erfor<strong>de</strong>rlich sind. Der Antrag auf Erteilung einer<br />

verbindlichen Zusage soll schriftlich bzw. elektronisch gestellt wer<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteil vom 4.8.1961 –<br />

VI 269/60 S – BStBl. III, S. 562). Unklarheiten gehen zu Lasten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen (BFH-Urteil vom<br />

13.12.1989 – X R 208/87 – BStBl. 1990 II, S. 274).<br />

4. Die Beurteilung eines Sachverhalts im Prüfungsbericht o<strong>de</strong>r in einem aufgrund einer Außenprüfung<br />

ergangenen Steuerbescheid steht einer verbindlichen Zusage nicht gleich (BFH-Urteil vom 23.9.1992 –<br />

X R 129/90 – BFH/NV 1993 S. 294). Auch die Tatsache, dass eine bestimmte Gestaltung von<br />

vorangegangenen Außenprüfungen nicht beanstan<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>, schafft keine Bindungswirkung nach Treu und<br />

Glauben (BFH-Urteil vom 29.1.1997 – XI R 27/95 – BFH/NV 1997 S. 816).<br />

5. Der Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Zusage kann ausnahmsweise abgelehnt wer<strong>de</strong>n, insbeson<strong>de</strong>re,<br />

wenn sich <strong>de</strong>r Sachverhalt nicht für eine verbindliche Zusage eignet (z. B. zukünftige Angemessenheit von<br />

Verrechnungspreisen bei unübersichtlichen Marktverhältnissen) o<strong>de</strong>r wenn zu <strong>de</strong>m betreffen<strong>de</strong>n Sachverhalt<br />

die Herausgabe von allgemeinen Verwaltungsvorschriften o<strong>de</strong>r eine Grundsatzentscheidung <strong>de</strong>s BFH nahe<br />

bevorsteht.<br />

Zu § 205 – Form <strong>de</strong>r verbindlichen Zusage:<br />

Vorbehalte in <strong>de</strong>r erteilten verbindlichen Zusage (z. B. „vorbehaltlich <strong>de</strong>s Ergebnisses einer Besprechung mit<br />

<strong>de</strong>n obersten Finanzbehör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>r“) schließen die Bindung aus (BFH-Urteil vom 4.8.1961 –<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 173 von 235


VI 269/60 S – BStBl. III, S. 562). Die verbindliche Zusage hat im Hinblick auf die Regelung in § 207 Abs. 1 die<br />

Rechtsvorschriften zu enthalten, auf die die Entscheidung gestützt wird (BFH-Urteil vom 3.7.1986 –<br />

IV R 66/84 – BFH/NV 1987 S. 89).<br />

Zu § 206 – Bindungswirkung:<br />

Entspricht <strong>de</strong>r nach Erteilung <strong>de</strong>r verbindlichen Zusage festgestellte und steuerlich zu beurteilen<strong>de</strong> Sachverhalt<br />

nicht <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r verbindlichen Zusage zugrun<strong>de</strong> gelegten Sachverhalt, so ist die Finanzbehör<strong>de</strong> an die erteilte<br />

Zusage auch ohne beson<strong>de</strong>ren Wi<strong>de</strong>rruf nicht gebun<strong>de</strong>n (§ 206 Abs. 1). Trifft die Finanzbehör<strong>de</strong> in einer<br />

Steuerfestsetzung eine an<strong>de</strong>re Entscheidung als bei <strong>de</strong>r Erteilung <strong>de</strong>r verbindlichen Zusage, so kann <strong>de</strong>r<br />

Steuerpflichtige im Rechtsbehelfsverfahren gegen <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n Bescheid die Bindungswirkung geltend<br />

machen. Der Steuerpflichtige an<strong>de</strong>rerseits ist nicht gebun<strong>de</strong>n, wenn die verbindliche Zusage zu seinen<br />

Ungunsten <strong>de</strong>m gelten<strong>de</strong>n Recht wi<strong>de</strong>rspricht (§ 206 Abs. 2). Er kann also <strong>de</strong>n Steuerbescheid, <strong>de</strong>m eine<br />

verbindliche Zusage zugrun<strong>de</strong> liegt, anfechten, um eine günstigere Regelung zu erreichen. Hierbei ist es<br />

unerheblich, ob die Fehlerhaftigkeit <strong>de</strong>r Zusage bereits bei ihrer Erteilung erkennbar war o<strong>de</strong>r erst später (z. B.<br />

durch eine Rechtsprechung zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen) erkennbar gewor<strong>de</strong>n ist.<br />

Zu § 207 – Außerkrafttreten, Aufhebung und Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r verbindlichen Zusage:<br />

1. Unter Rechtsvorschriften i. S. d. § 207 Abs. 1 sind nur Rechtsnormen zu verstehen, nicht jedoch<br />

Verwaltungsanweisungen o<strong>de</strong>r eine geän<strong>de</strong>rte Rechtsprechung.<br />

2. Die Finanzbehör<strong>de</strong> kann die verbindliche Zusage mit Wirkung für die Zukunft wi<strong>de</strong>rrufen o<strong>de</strong>r än<strong>de</strong>rn<br />

(§ 207 Abs. 2), z. B. wenn sich die steuerrechtliche Beurteilung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>r verbindlichen Zusage zugrun<strong>de</strong><br />

gelegten Sachverhalts durch die Rechtsprechung o<strong>de</strong>r Verwaltung zum Nachteil <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen än<strong>de</strong>rt.<br />

Im Einzelfall kann es aus Billigkeitsgrün<strong>de</strong>n gerechtfertigt sein, von einem Wi<strong>de</strong>rruf <strong>de</strong>r verbindlichen<br />

Zusage abzusehen o<strong>de</strong>r die Wirkung <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rrufs zu einem späteren Zeitpunkt eintreten zu lassen. Eine<br />

solche Billigkeitsmaßnahme wird in <strong>de</strong>r Regel jedoch nur dann geboten sein, wenn sich <strong>de</strong>r Steuerpflichtige<br />

nicht mehr ohne erheblichen Aufwand bzw. unter beträchtlichen Schwierigkeiten von <strong>de</strong>n im Vertrauen auf<br />

die Zusage getroffenen Dispositionen o<strong>de</strong>r eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen zu lösen vermag.<br />

Der Steuerpflichtige ist vor einer Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung zu hören (§ 91 Abs. 1).<br />

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Zu § 208 – Steuerfahndung, Zollfahndung:<br />

1. Der Steuerfahndung weist das Gesetz folgen<strong>de</strong> Aufgaben zu:<br />

a) Vorfel<strong>de</strong>rmittlungen <strong>zur</strong> Verhin<strong>de</strong>rung von Steuerverkürzungen (§ 85 Satz 2), die auf die Auf<strong>de</strong>ckung<br />

und Ermittlung unbekannter Steuerfälle gerichtet sind (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3);<br />

b) die Verfolgung bekannt gewor<strong>de</strong>ner Steuerstraftaten gem. § 386 Abs. 1 Satz 1 und<br />

Steuerordnungswidrigkeiten einschließlich <strong>de</strong>r Ermittlung <strong>de</strong>s steuerlich erheblichen Sachverhalts und<br />

<strong>de</strong>ssen rechtlicher Würdigung (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2). § 208 Abs. 1 Sätze 2 und 3 bestimmen,<br />

welche Vorschriften für das Verfahren <strong>zur</strong> Durchführung von Steuerfahndungsmaßnahmen maßgebend<br />

sind.<br />

2. Die Steuerfahndung übt die Rechte und Pflichten aus,<br />

a) die <strong>de</strong>n Finanzämtern im Besteuerungsverfahren zustehen (§§ 85 ff.);<br />

b) die sich aus § 404 Satz 2 ergeben: erster Zugriff; Durchsuchung; Beschlagnahme; Durchsicht von<br />

Papieren sowie sonstige Maßnahmen nach <strong>de</strong>n für die Ermittlungspersonen <strong>de</strong>r Staatsanwaltschaft<br />

gelten<strong>de</strong>n Vorschriften.<br />

3. Zu Maßnahmen im Besteuerungsverfahren ist die Steuerfahndung auch berechtigt, wenn bereits ein<br />

Steuerstrafverfahren eingeleitet wor<strong>de</strong>n ist (vgl. BFH-Beschluss vom 29.10.1986 – I B 28/86 – BStBl. 1987<br />

II, S. 440). Für Einwendungen gegen ihre Maßnahmen im Besteuerungsverfahren ist <strong>de</strong>r Finanzrechtsweg,<br />

für Einwendungen gegen Maßnahmen im Strafverfahren wegen Steuerstraftaten <strong>de</strong>r or<strong>de</strong>ntliche Rechtsweg<br />

gegeben.<br />

4. Für die Steuerfahndung gelten bei <strong>de</strong>r Ermittlung <strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen und bei Vorfel<strong>de</strong>rmittlungen<br />

folgen<strong>de</strong> Einschränkungen aus Vorschriften über das Besteuerungsverfahren nicht (§ 208 Abs. 1 Satz 3):<br />

a) An<strong>de</strong>re Personen als die Beteiligten können sofort um Auskunft angehalten wer<strong>de</strong>n (§ 93 Abs. 1 Satz 3).<br />

b) Das Auskunftsersuchen bedarf entgegen § 93 Abs. 2 Satz 2 nicht <strong>de</strong>r Schriftform.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 174 von 235


c) Die Vorlage von Urkun<strong>de</strong>n kann ohne vorherige Befragung <strong>de</strong>s Vorlagepflichtigen verlangt und die<br />

Einsichtnahme in diese Urkun<strong>de</strong>n unabhängig von <strong>de</strong>ssen Einverständnis erwirkt wer<strong>de</strong>n (§ 97 Abs. 2<br />

und 3).<br />

In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>r Buchstaben a) und c) ist § 30a Abs. 5 zu beachten.<br />

5. Mitwirkungspflichten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen, die sich aus <strong>de</strong>n Vorschriften über die Außenprüfung ergeben,<br />

bleiben bestehen (§ 208 Abs. 1 Satz 3). Die Mitwirkungspflicht kann allerdings nicht erzwungen wer<strong>de</strong>n,<br />

wenn sich <strong>de</strong>r Steuerpflichtige dadurch <strong>de</strong>r Gefahr aussetzen wür<strong>de</strong>, sich selbst wegen einer von ihm<br />

begangenen Steuerstraftat o<strong>de</strong>r Steuerordnungswidrigkeit belasten zu müssen o<strong>de</strong>r wenn gegen ihn bereits<br />

ein Steuerstraf- o<strong>de</strong>r Bußgeldverfahren eingeleitet wor<strong>de</strong>n ist. Über diese Rechtslage muss <strong>de</strong>r<br />

Steuerpflichtige belehrt wer<strong>de</strong>n.<br />

6. Beamte <strong>de</strong>r Steuerfahndung können mit sonstigen Aufgaben betraut wer<strong>de</strong>n (§ 208 Abs. 2).<br />

Zu § 218 – Verwirklichung von Ansprüchen aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis:<br />

1. Ansprüche aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis (§ 37) wer<strong>de</strong>n durch Verwaltungsakt konkretisiert. Der – ggf.<br />

materiellrechtliche unrichtige – Verwaltungsakt beeinflusst zwar nicht die materielle Höhe <strong>de</strong>s Anspruchs<br />

aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis, solange er jedoch besteht, legt er fest, ob und in welcher Höhe ein Anspruch<br />

durchgesetzt wer<strong>de</strong>n kann. Maßgebend ist allein <strong>de</strong>r letzte Verwaltungsakt (z. B. <strong>de</strong>r letzte<br />

Än<strong>de</strong>rungsbescheid o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r letzte Abrechnungsbescheid). Der einheitliche Anspruch aus <strong>de</strong>m<br />

Steuerschuldverhältnis kann <strong>de</strong>shalb bei – ggf. mehrfacher – Än<strong>de</strong>rung einer Festsetzung nicht in<br />

unterschiedliche Zahlungs- und Erstattungsansprüche aufgespalten wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 6.2.1996 –<br />

VII R 50/95 – BStBl. 1997 II, S. 112).<br />

Der Verwaltungsakt wirkt konstitutiv, wenn es sich um steuerliche Nebenleistungen han<strong>de</strong>lt, <strong>de</strong>ren<br />

Festsetzung in das Ermessen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> gestellt ist, z. B. beim Verspätungszuschlag (§ 152).<br />

2. Bei Säumniszuschlägen bedarf es keines Leistungsgebotes, wenn sie zusammen mit <strong>de</strong>r Steuer beigetrieben<br />

wer<strong>de</strong>n (§ 254 Abs. 2).<br />

3. Über Streitigkeiten, die die Verwirklichung von Ansprüchen aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis betreffen,<br />

entschei<strong>de</strong>n die Finanzbehör<strong>de</strong>n durch Abrechnungsbescheid. Als Rechtsbehelf ist <strong>de</strong>r Einspruch gegeben.<br />

Die Korrekturmöglichkeiten richten sich nach <strong>de</strong>n §§ 129 bis 131.<br />

Eine Verfügung über die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen, Steuervorauszahlungen und anrechenbarer<br />

Körperschaftsteuer (Anrechnungsverfügung) ist ein Verwaltungsakt mit Bindungswirkung. Diese<br />

Bindungswirkung muss auch beim Erlass eines Abrechnungsbescheids nach § 218 Abs. 2 beachtet wer<strong>de</strong>n.<br />

Deshalb kann im Rahmen eines Abrechnungsbeschei<strong>de</strong>s die Steueranrechnung zugunsten o<strong>de</strong>r zuungunsten<br />

<strong>de</strong>s Steuerpflichtigen nur dann korrigiert wer<strong>de</strong>n, wenn eine <strong>de</strong>r Voraussetzungen <strong>de</strong>r §§ 129 bis 131<br />

gegeben ist (vgl. BFH-Urteil vom 15.4.1997 – VII R 100/96 – BStBl. II, S. 787).<br />

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Zu § 219 – Zahlungsauffor<strong>de</strong>rung bei Haftungsbeschei<strong>de</strong>n:<br />

1. Es ist zu unterschei<strong>de</strong>n zwischen <strong>de</strong>r gesetzlichen Entstehung <strong>de</strong>r Haftungsschuld, <strong>de</strong>m Erlass <strong>de</strong>s<br />

Haftungsbeschei<strong>de</strong>s (§ 191) und <strong>de</strong>r Inanspruchnahme <strong>de</strong>s Haftungsschuldners durch Zahlungsauffor<strong>de</strong>rung<br />

(Leistungsgebot). § 219 regelt nur die Zahlungsauffor<strong>de</strong>rung. Der Erlass <strong>de</strong>s Haftungsbeschei<strong>de</strong>s selbst wird<br />

durch die Einschränkung in <strong>de</strong>r Vorschrift nicht gehin<strong>de</strong>rt. Die Zahlungsauffor<strong>de</strong>rung darf jedoch mit <strong>de</strong>m<br />

Haftungsbescheid nur verbun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, wenn die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 219 vorliegen. Ist ein<br />

Haftungsbescheid ohne Leistungsgebot ergangen, beginnt die Zahlungsverjährung mit Ablauf <strong>de</strong>s<br />

Kalen<strong>de</strong>rjahres, in <strong>de</strong>m dieser Bescheid wirksam gewor<strong>de</strong>n ist (§ 229 Abs. 2).<br />

2. § 219 ist Ausdruck <strong>de</strong>s Grundsatzes, dass <strong>de</strong>r Haftungsschuldner nur nach <strong>de</strong>m Steuerschuldner (subsidiär)<br />

für die Steuerschuld einzustehen hat. Auch in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 219 Satz 2, in <strong>de</strong>nen das Gesetz eine<br />

unmittelbare Inanspruchnahme <strong>de</strong>s Haftungsschuldners erlaubt, kann es <strong>de</strong>r Ausübung pflichtgemäßen<br />

Ermessens entsprechen, sich zunächst an <strong>de</strong>n Steuerschuldner zu halten.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 175 von 235


Zu § 220 – Fälligkeit:<br />

1. Die angemel<strong>de</strong>te Steuervergütung bzw. das angemel<strong>de</strong>te Min<strong>de</strong>rsoll ist erst fällig, sobald <strong>de</strong>m<br />

Steuerpflichtigen die Zustimmung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> bekannt wird (§ 220 Abs. 2 Satz 2). Wird <strong>de</strong>r<br />

Steuerpflichtige schriftlich bzw. elektronisch über die Zustimmung unterrichtet (z. B. zusammen mit einer<br />

Abrechnungsmitteilung), ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ihm die Zustimmung erst am dritten Tag<br />

nach Aufgabe <strong>zur</strong> Post bzw. nach <strong>de</strong>r Absendung bekannt gewor<strong>de</strong>n ist. Ergeht keine Mitteilung, wird die<br />

Zustimmung <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen grundsätzlich mit <strong>de</strong>r Zahlung (§ 224 Abs. 3) <strong>de</strong>r Steuervergütung bzw.<br />

<strong>de</strong>s Min<strong>de</strong>rsolls bekannt.<br />

2. Zur Fälligkeit von Insolvenzfor<strong>de</strong>rungen siehe zu § 251, Nr. 5.1.<br />

Zu § 224 – Leistungsort, Tag <strong>de</strong>r Zahlung:<br />

1. § 224 Abs. 2 Nr. 3 stellt sicher, dass Verzögerungen bei <strong>de</strong>r Einziehung aufgrund einer Einzugsermächtigung<br />

nicht zu Lasten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen gehen.<br />

2. Die Regelungen zum Tag <strong>de</strong>r Zahlung (§ 224 Abs. 2 und 3) gelten nur bei wirksam geleisteten Zahlungen,<br />

d. h. wenn <strong>de</strong>r geleistete Betrag <strong>de</strong>n Empfänger erreicht hat.<br />

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Zu § 226 – Aufrechnung:<br />

1. Für die Aufrechnung gelten die Vorschriften <strong>de</strong>s Bürgerlichen Gesetzbuches (§§ 387 bis 396 BGB)<br />

sinngemäß. Eine Aufrechnung kann danach erst erklärt wer<strong>de</strong>n, wenn die Aufrechnungslage gegeben ist; dies<br />

be<strong>de</strong>utet Erfüllbarkeit (d. h. abstrakte Entstehung) <strong>de</strong>r Verpflichtung <strong>de</strong>s Aufrechnen<strong>de</strong>n (Hauptfor<strong>de</strong>rung)<br />

und gleichzeitige Fälligkeit seiner For<strong>de</strong>rung (Gegenfor<strong>de</strong>rung). Das Finanzamt ist allerdings an <strong>de</strong>r<br />

Aufrechnung gehin<strong>de</strong>rt, wenn die Durchsetzbarkeit <strong>de</strong>r Gegenfor<strong>de</strong>rung durch Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung<br />

o<strong>de</strong>r Stundung ausgeschlossen ist (vgl. BFH-Urteil vom 31.8.1995 – VII R 58/94 – BStBl. 1996 II, S. 55).<br />

Die Aufrechnungslage wird durch eine nachträgliche rückwirken<strong>de</strong> Stundung nicht beseitigt (BFH-Urteil<br />

vom 8.7.2004 – VII R 55/03 – BStBl. 2005 II, S. 7).<br />

§ 215 erste Alternative BGB wird durch § 226 Abs. 2 AO ausgeschlossen. Die Gegenseitigkeit von<br />

For<strong>de</strong>rungen aus <strong>de</strong>m Schuldverhältnis ist gewahrt, wenn die Abgabe <strong>de</strong>rselben Körperschaft zusteht (§ 226<br />

Abs. 1) o<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>rselben Körperschaft verwaltet wird (§ 226 Abs. 4). Das Finanzamt kann daher von<br />

einem Steuerpflichtigen gefor<strong>de</strong>rte Erbschaftsteuer (<strong>de</strong>m Land allein zustehen<strong>de</strong> Abgabe) gegen an diesen<br />

Steuerpflichtigen zu erstatten<strong>de</strong>n Solidaritätszuschlag (<strong>de</strong>m Bund allein zustehen<strong>de</strong> Abgabe) aufrechnen. Bei<br />

<strong>de</strong>r Aufrechnung durch <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen fin<strong>de</strong>t § 395 BGB keine Anwendung (BFH-Urteil vom<br />

25.4.1989 – VII R 105/87 – BStBl. II, S. 949).<br />

2. Eine Aufrechnung bewirkt nach § 226 Abs. 1 AO i. V. m. § 389 BGB, dass die For<strong>de</strong>rungen, soweit sie sich<br />

<strong>de</strong>cken, als in <strong>de</strong>m Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie <strong>zur</strong> Aufrechnung geeignet einan<strong>de</strong>r<br />

gegenüberstehen. Dabei ist nicht auf die Festsetzung o<strong>de</strong>r die Fälligkeit eines Steueranspruchs bzw. eines<br />

Steuererstattungsanspruchs abzustellen, son<strong>de</strong>rn auf <strong>de</strong>ssen abstrakte materiellrechtliche Entstehung (vgl.<br />

BFH-Urteil vom 3.5.1991 – V R 105/86 – BFH/NV 1992 S. 77). Materiellrechtlich entstehen Ansprüche aus<br />

<strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis bereits mit Verwirklichung <strong>de</strong>s gesetzlichen Tatbestan<strong>de</strong>s, d. h. z. B. die<br />

veranlagte Einkommensteuer bereits mit Ablauf <strong>de</strong>s Veranlagungszeitraumes; auf die Kenntnis <strong>de</strong>s<br />

Finanzamts o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen über Grund und Höhe <strong>de</strong>r abstrakt entstan<strong>de</strong>nen Ansprüche kommt es<br />

nicht an.<br />

Das Steuererhebungsverfahren knüpft aber – an<strong>de</strong>rs als das Zivilrecht – nicht an die abstrakte Entstehung,<br />

son<strong>de</strong>rn an die Konkretisierung <strong>de</strong>s Steueranspruchs bzw. Steuererstattungsanspruchs durch <strong>de</strong>ssen<br />

Festsetzung im Steuerbescheid und seine hieran anschließen<strong>de</strong> Fälligkeit an (vgl. § 218 Abs. 1). Deshalb<br />

geht die Rückwirkung einer Aufrechnung bei <strong>de</strong>r Berechnung von Zinsen und Säumniszuschlägen nicht über<br />

<strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>r Fälligkeit <strong>de</strong>r Schuld <strong>de</strong>s Aufrechnen<strong>de</strong>n hinaus (vgl. § 238 Abs. 1 Satz 3 und § 240<br />

Abs. 1 Satz 5). Rechnet das Finanzamt mit einer Steuerfor<strong>de</strong>rung gegen eine später als die Steuerfor<strong>de</strong>rung<br />

fällig gewor<strong>de</strong>ne Erstattungsfor<strong>de</strong>rung auf, bleiben <strong>de</strong>shalb Säumniszuschläge hinsichtlich <strong>de</strong>r <strong>zur</strong><br />

Aufrechnung gestellten Steuerfor<strong>de</strong>rung für die Zeit vor <strong>de</strong>r Fälligkeit <strong>de</strong>r Erstattungsfor<strong>de</strong>rung bestehen.<br />

Bei <strong>de</strong>r Umbuchung von Steuererstattungs- o<strong>de</strong>r Steuervergütungsansprüchen, die sich aus<br />

Steueranmeldungen ergeben, gilt die Erstattung/Vergütung aus Billigkeitsgrün<strong>de</strong>n als am Tag <strong>de</strong>s Eingangs<br />

<strong>de</strong>r Steueranmeldung, frühestens jedoch als am ersten Tag <strong>de</strong>s auf <strong>de</strong>n Anmeldungszeitraum folgen<strong>de</strong>n<br />

Monats geleistet (Wertstellung). Dies gilt entsprechend, wenn die Steuererstattung o<strong>de</strong>r Steuervergütung<br />

abweichend von <strong>de</strong>r Steueranmeldung festgesetzt wird.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 176 von 235


3. Soweit sich die Aufrechnungslage we<strong>de</strong>r aus § 226 Abs. 1 aufgrund <strong>de</strong>r Ertragsberechtigung noch aus § 226<br />

Abs. 4 aufgrund <strong>de</strong>r Verwaltungshoheit ergibt, kann in geeigneten Fällen die erfor<strong>de</strong>rliche Gegenseitigkeit<br />

seitens <strong>de</strong>r Finanzverwaltung dadurch hergestellt wer<strong>de</strong>n, dass zwecks Einziehung <strong>de</strong>r zu erheben<strong>de</strong> (ggf.<br />

anteilige) Anspruch an die Körperschaft, die <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Anspruch zu erfüllen hat, abgetreten und damit die<br />

Gläubiger-/Schuldneri<strong>de</strong>ntität i. S. d. § 226 Abs. 1 herbeigeführt wird (BFH-Urteil vom 5.9.1989 –<br />

VII R 33/87 – BStBl. II, S. 1004).<br />

4. Für die Erklärung <strong>de</strong>r Aufrechnung ist grundsätzlich die Behör<strong>de</strong> zuständig, die <strong>de</strong>n Anspruch, gegen <strong>de</strong>n<br />

aufgerechnet wer<strong>de</strong>n soll, zu erfüllen hat.<br />

5. Liegen die Voraussetzungen für eine Aufrechnung nicht vor, bleibt die Möglichkeit einer vertraglichen<br />

Verrechnung <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rungen. Ein solcher Verrechnungsvertrag kommt z. B. dadurch zustan<strong>de</strong>, dass <strong>de</strong>r<br />

Unternehmer (eine Personengesellschaft) gleichzeitig mit <strong>de</strong>r Umsatzsteuer-Voranmeldung <strong>de</strong>m Finanzamt<br />

die Verrechnung seines Umsatzsteuer-Erstattungsanspruchs mit <strong>de</strong>r Einkommensteuer-For<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s<br />

Finanzamts an einen <strong>de</strong>r Gesellschafter anbietet und das Finanzamt dieses Angebot ausdrücklich o<strong>de</strong>r<br />

stillschweigend annimmt. Die Rechtswirksamkeit eines Verrechnungsvertrags ist nach <strong>de</strong>n allgemeinen<br />

Rechtsgrundsätzen über <strong>de</strong>n Abschluss von Verträgen zu beurteilen (BFH-Urteile vom 13.10.1972 –<br />

III R 11/72 – BStBl. 1973 II, S. 66, vom 21.3.1978 – VIII R 60/73 – BStBl. II, S. 606, und vom 30.10.1984 –<br />

VII R 70/81 – BStBl. 1985 II, S. 114).<br />

Zu § 228 – Gegenstand <strong>de</strong>r Verjährung, Verjährungsfrist:<br />

1. Die Zahlungsverjährung erstreckt sich auch auf Ansprüche <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen. Der einheitliche Anspruch<br />

aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis (z. B. für die Steuer eines Veranlagungszeitraums) kann bei – ggf.<br />

mehrfach – geän<strong>de</strong>rter Festsetzung nicht in unterschiedliche Zahlungs- und Erstattungsansprüche<br />

aufgespalten wer<strong>de</strong>n, die bezogen auf die jeweils ergangenen Verwaltungsakte unterschiedlichen<br />

Verjährungsfristen unterliegen (BFH-Urteil vom 6.2.1996 – VII R 50/95 – BStBl. 1997 II, S. 112).<br />

2. Fällt das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Verjährungsfrist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag o<strong>de</strong>r einen Sonnabend, so<br />

en<strong>de</strong>t die Verjährungsfrist erst mit <strong>de</strong>m Ablauf <strong>de</strong>s nächstfolgen<strong>de</strong>n Werktages (§ 108 Abs. 3).<br />

3. Die Zahlungsverjährung führt zum Erlöschen <strong>de</strong>s Anspruchs (§§ 47, 232).<br />

Zu § 229 – Beginn <strong>de</strong>r Verjährung:<br />

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Die Zahlungsverjährung beginnt grundsätzlich mit Ablauf <strong>de</strong>s Kalen<strong>de</strong>rjahres, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Anspruch erstmals<br />

fällig gewor<strong>de</strong>n ist. Wird durch eine Steueranmeldung o<strong>de</strong>r Steuerfestsetzung erst die Voraussetzung für die<br />

Durchsetzung <strong>de</strong>s Anspruchs geschaffen, so beginnt die Verjährung auch bei früherer Fälligkeit <strong>de</strong>s Anspruchs<br />

(z. B. bei <strong>de</strong>n sog. Fälligkeitssteuern) nicht vor Ablauf <strong>de</strong>s Kalen<strong>de</strong>rjahres, in <strong>de</strong>m die Steueranmeldung o<strong>de</strong>r die<br />

Festsetzung, die Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Festsetzung eines Anspruchs wirksam gewor<strong>de</strong>n ist. Dies gilt<br />

unabhängig davon, ob <strong>de</strong>r Bescheid angefochten wird o<strong>de</strong>r nicht.<br />

Zu § 231 – Unterbrechung <strong>de</strong>r Verjährung:<br />

1. Zu <strong>de</strong>n Unterbrechungstatbestän<strong>de</strong>n gehört auch die schriftliche bzw. elektronische Geltendmachung eines<br />

Zahlungsanspruchs durch <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen.<br />

2. Eine <strong>de</strong>m Zahlungspflichtigen von <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> bekannt gegebene Maßnahme i. S. d. § 231 Abs. 1<br />

unterbricht die Zahlungsverjährung auch dann, wenn es sich bei dieser Maßnahme um einen Verwaltungsakt<br />

han<strong>de</strong>lt, <strong>de</strong>r rechtswidrig o<strong>de</strong>r nichtig o<strong>de</strong>r rückwirkend aufgehoben wor<strong>de</strong>n ist (vgl. BFH-Beschluss vom<br />

21.6.2010 – VII R 27/08 – BStBl. 2011 II, S. 331).<br />

Zu § 233a – Verzinsung von Steuernachfor<strong>de</strong>rungen und Steuererstattungen:<br />

Inhaltsübersicht<br />

1. Allgemeines<br />

2. Sachlicher und zeitlicher Geltungsbereich<br />

3. Zinsschuldner/-gläubiger<br />

4.–9. Zinslauf<br />

10. Zinslaufbeginn bei rückwirken<strong>de</strong>n Ereignissen und Verlustrückträgen<br />

11.–13. Grundsätze <strong>de</strong>r Zinsberechnung<br />

14.–40. Zinsberechnung bei <strong>de</strong>r erstmaligen Steuerfestsetzung<br />

41.–59. Zinsberechnung bei einer Korrektur <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Anrechnung von Steuerbeträgen<br />

60. Zinsberechnung bei sog. NV-Fällen<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 177 von 235


61.–62. Zinsberechnung bei <strong>de</strong>r Vermögensteuer<br />

63.–68. Verhältnis zu an<strong>de</strong>ren steuerlichen Nebenleistungen<br />

69.–70. Billigkeitsmaßnahmen<br />

71.–73. Rechtsbehelfe<br />

74. Berücksichtigung rückwirken<strong>de</strong>r Ereignisse in Grundlagenbeschei<strong>de</strong>n<br />

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Allgemeines<br />

1. Die Verzinsung nach § 233a (Vollverzinsung) soll im Interesse <strong>de</strong>r Gleichmäßigkeit <strong>de</strong>r Besteuerung und <strong>zur</strong><br />

Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Steuern trotz gleichen<br />

gesetzlichen Entstehungszeitpunkts aus welchen Grün<strong>de</strong>n auch immer, zu unterschiedlichen Zeitpunkten<br />

festgesetzt und erhoben wer<strong>de</strong>n. Die Verzinsung ist gesetzlich vorgeschrieben; die Zinsfestsetzung steht<br />

nicht im Ermessen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>. Die Zinsen wer<strong>de</strong>n grundsätzlich im automatisierten Verfahren<br />

berechnet, festgesetzt und zum Soll gestellt. Die Zinsfestsetzung wird regelmäßig mit <strong>de</strong>m Steuerbescheid<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Abrechnungsmitteilung verbun<strong>de</strong>n.<br />

Sachlicher und zeitlicher Geltungsbereich<br />

2. Die Verzinsung nach § 233a ist beschränkt auf die Festsetzung <strong>de</strong>r Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-,<br />

Umsatz- und Gewerbesteuer (§ 233a Abs. 1 Satz 1). Zu verzinsen ist auch <strong>de</strong>r Steuervergütungsanspruch<br />

nach § 18 Abs. 9 UStG i. V. m. §§ 59 ff. UStDV (BFH-Urteil vom 17.4.2008 – V R 41/06 – BStBl. 2009 II,<br />

S. 2); <strong>zur</strong> Zinsberechnung vgl. auch Nr. 62. Von <strong>de</strong>r Verzinsung ausgenommen sind die übrigen Steuern und<br />

Abgaben sowie Steuervorauszahlungen und Steuerabzugsbeträge (§ 233a Abs. 1 Satz 2); vgl. auch BFH-<br />

Beschluss vom 18.9.2007 – I R 15/05 – BStBl. 2008 II, S. 332, und BVerfG-Beschluss vom 3.9.2009 – 1<br />

BvR 1098/08 – BFH/NV S. 2115. Auch bei <strong>de</strong>r Nachfor<strong>de</strong>rung von Abzugsteuern gegenüber <strong>de</strong>m<br />

Arbeitnehmer (vgl. BFH-Urteil vom 17.11.2010 – I R 68/10 – BFH/NV 2011 S. 737), <strong>de</strong>r Festsetzung <strong>de</strong>r<br />

vom Arbeitgeber übernommenen Lohnsteuer so- wie <strong>de</strong>r Festsetzung <strong>de</strong>r Umsatzsteuer im Abzugsverfahren<br />

erfolgt keine Verzinsung nach § 233a. Kirchensteuern wer<strong>de</strong>n nur verzinst, soweit die<br />

Lan<strong>de</strong>skirchensteuergesetze dies vorsehen. Als Einfuhrabgabe unterliegt die Einfuhrumsatzsteuer <strong>de</strong>n<br />

sinngemäß gelten<strong>de</strong>n Vorschriften für Zölle, weshalb ein sich bei <strong>de</strong>r Festsetzung von Einfuhrumsatzsteuer<br />

ergeben<strong>de</strong>r Unterschiedsbetrag nicht nach § 233a zu verzinsen ist (BFH-Urteil vom 23.9.2009 – VII R<br />

44/08 – BStBl. 2010 II, S. 334). Der AO lässt sich im Übrigen kein allgemeiner Grundsatz <strong>de</strong>s Inhalts<br />

entnehmen, dass Ansprüche <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis auch ohne<br />

einzelgesetzliche Grundlage stets zu verzinsen sind (vgl. BFH-Urteil vom 16.12.2009 – I R 48/09 – BFH/NV<br />

2010 S. 827).<br />

Zinsschuldner/-gläubiger<br />

3. Bei <strong>de</strong>r Verzinsung von Steuernachzahlungen ist <strong>de</strong>r Steuerschuldner auch Zinsschuldner. Schul<strong>de</strong>n mehrere<br />

Personen die Steuer als Gesamtschuldner, sind sie auch Gesamtschuldner <strong>de</strong>r Zinsen. Bei <strong>de</strong>r Verzinsung<br />

von Erstattungsansprüchen ist grundsätzlich <strong>de</strong>r Gläubiger <strong>de</strong>s Erstattungsanspruchs Zinsgläubiger. Die<br />

Aufteilung <strong>de</strong>r Zinsen nach §§ 268 ff. hat für die Zinsberechnung keine Be<strong>de</strong>utung. Zur Abtretung eines<br />

Anspruchs auf Erstattungszinsen vgl. zu § 46, Nr. 1.<br />

Zinslauf<br />

4. Der Zinslauf beginnt im Regelfall 15 Monate nach Ablauf <strong>de</strong>s Kalen<strong>de</strong>rjahres, in <strong>de</strong>m die Steuer<br />

entstan<strong>de</strong>n ist (Karenzzeit nach § 233a Abs. 2 Satz 1). Er en<strong>de</strong>t mit Ablauf <strong>de</strong>s Tages, an <strong>de</strong>m die<br />

Steuerfestsetzung wirksam wird (§ 233a Abs. 2 Satz 3). Sind Steuern zu verzinsen, die vor <strong>de</strong>m 1.1.1994<br />

entstan<strong>de</strong>n sind, en<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Zinslauf spätestens vier Jahre nach seinem Beginn (Art. 97 § 15 Abs. 8<br />

EGAO). Der Zeitpunkt <strong>de</strong>r Zahlung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Fälligkeit <strong>de</strong>r Steuernachfor<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Steuererstattung ist grundsätzlich unbeachtlich.<br />

5. Bei Steuerfestsetzungen durch Steuerbescheid en<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Zinslauf am Tag <strong>de</strong>r Bekanntgabe <strong>de</strong>s<br />

Steuerbescheids (§ 124 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 122). Bei Umsatzsteuererklärungen mit einem<br />

Unterschiedsbetrag zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen en<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Zinslauf grundsätzlich am Tag <strong>de</strong>s<br />

Eingangs <strong>de</strong>r Steueranmeldung (§ 168 Satz 1). Bei zustimmungsbedürftigen Umsatzsteuererklärungen<br />

mit einem Unterschiedsbetrag zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen en<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Zinslauf grundsätzlich mit<br />

Ablauf <strong>de</strong>s Tages, an <strong>de</strong>m <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen die Zustimmung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> bekannt wird (vgl.<br />

zu § 168, Nrn. 3 und 4). Dies gilt auch in <strong>de</strong>n Fällen, in <strong>de</strong>nen die Zustimmung allgemein erteilt wird<br />

(vgl. zu § 168, Nr. 9).<br />

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6. Ein voller Zinsmonat (§ 238 Abs. 1 Satz 2) ist erreicht, wenn <strong>de</strong>r Tag, an <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Zinslauf en<strong>de</strong>t,<br />

hinsichtlich seiner Zahl <strong>de</strong>m Tag entspricht, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Tag vorhergeht, an <strong>de</strong>m die Frist begann (BFH-<br />

Urteil vom 24.7.1996 – X R 119/92 – BStBl. 1997 II, S. 6). Begann <strong>de</strong>r Zinslauf z. B. am 1.4. und wur<strong>de</strong><br />

die Steuerfestsetzung am 30.4. bekannt gegeben, ist bereits ein voller Zinsmonat gegeben.<br />

7. Behauptet <strong>de</strong>r Steuerpflichtige, ihm sei <strong>de</strong>r Steuerbescheid bzw. die erweiterte Abrechnungsmitteilung<br />

später als nach <strong>de</strong>r Zugangsvermutung <strong>de</strong>s § 122 Abs. 2 zugegangen, bleibt <strong>de</strong>r ursprüngliche<br />

Bekanntgabetag für die Zinsberechnung maßgebend, wenn das Guthaben bereits erstattet wur<strong>de</strong>. Gleiches<br />

gilt, wenn <strong>de</strong>r Steuerbescheid bzw. die Abrechnungsmitteilung nach einem erfolglosen<br />

Bekanntgabeversuch erneut abgesandt wird und das Guthaben bereits erstattet wur<strong>de</strong>. Wur<strong>de</strong> bei einer<br />

Än<strong>de</strong>rung/Berichtigung einer Steuerfestsetzung vor ihrer Bekanntgabe ein Guthaben bereits erstattet, ist<br />

allerdings die Zinsfestsetzung im bekannt gegebenen Bescheid so durchzuführen, als ob das Guthaben<br />

noch nicht erstattet wor<strong>de</strong>n wäre.<br />

8. Für die Einkommen- und Körperschaftsteuer beträgt die Karenzzeit 23 Monate (bei Steuern, die vor <strong>de</strong>m<br />

1.1.2010 entstehen, 21 Monate; vgl. Art. 97 § 15 Abs. 11 EGAO), wenn die Einkünfte aus Land- und<br />

Forstwirtschaft bei <strong>de</strong>r erstmaligen Steuerfestsetzung für das jeweilige Jahr überwiegen (§ 233a Abs. 2<br />

Satz 2); vgl. dazu auch das BFH-Urteil vom 13.7.2006 – IV R 5/05 – BStBl. II, S. 881. Unter dieser<br />

Voraussetzung beginnt <strong>de</strong>r Zinslauf für die Einkommen- und Körperschaftsteuer 2010 daher nicht bereits<br />

am 1.4.2012, son<strong>de</strong>rn am 1.12.2012. Eine über die Karenzzeit hinaus gewährte Frist <strong>zur</strong> Abgabe <strong>de</strong>r<br />

Steuererklärung ist für die Verzinsung unbeachtlich.<br />

9. Stellt sich später heraus, dass die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft die an<strong>de</strong>ren Einkünfte nicht<br />

überwiegen, bleibt es gleichwohl bei <strong>de</strong>r Karenzzeit von 23 Monaten. Umgekehrt bleibt es bei <strong>de</strong>r<br />

Karenzzeit von 15 Monaten, wenn sich später herausstellt, dass entgegen <strong>de</strong>n Verhältnissen bei <strong>de</strong>r<br />

erstmaligen Steuerfestsetzung die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft die übrigen Einkünfte<br />

überwiegen. Sind die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft negativ, überwiegen die an<strong>de</strong>ren<br />

Einkünfte, wenn diese positiv o<strong>de</strong>r in geringerem Maße negativ sind.<br />

10. Zinslaufbeginn bei rückwirken<strong>de</strong>n Ereignissen und Verlustrückträgen<br />

10.1 Soweit die Steuerfestsetzung auf <strong>de</strong>r erstmaligen Berücksichtigung eines rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisses o<strong>de</strong>r<br />

eines Verlustrücktrags beruht, beginnt <strong>de</strong>r Zinslauf nach § 233a Abs. 2a erst 15 Monate nach Ablauf <strong>de</strong>s<br />

Kalen<strong>de</strong>rjahres, in <strong>de</strong>m das rückwirken<strong>de</strong> Ereignis eingetreten o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Verlust entstan<strong>de</strong>n ist. Die<br />

steuerlichen Auswirkungen eines Verlustrücktrags bzw. eines rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisses wer<strong>de</strong>n daher<br />

bei <strong>de</strong>r Berechnung von Zinsen nach § 233a erst ab einem vom Regelfall abweichen<strong>de</strong>n späteren<br />

Zinslaufbeginn berücksichtigt. Soweit § 10d Abs. 1 EStG entsprechend gilt bzw. Verluste nach Maßgabe<br />

<strong>de</strong>s § 10d Abs. 1 EStG rücktragsfähig sind, ist § 233a Abs. 2a entsprechend anzuwen<strong>de</strong>n (vgl. z. B. § 10b<br />

Abs. 1 Sätze 4 und 5 und § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG).<br />

10.2 Ob ein Ereignis steuerliche Rückwirkung hat, beurteilt sich nach <strong>de</strong>m jeweils anzuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Steuergesetz (BFH-Urteil vom 26.7.1984 – IV R 10/83 – BStBl. II, S. 786). Beispiele siehe Nr. 2.4 zu<br />

§ 175.<br />

§ 233a Abs. 2a ist auch dann anzuwen<strong>de</strong>n, wenn ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis bereits bei <strong>de</strong>r erstmaligen<br />

Steuerfestsetzung berücksichtigt wird.<br />

10.2.1 Bei einem zulässigen Wechsel <strong>de</strong>r Veranlagungsart (Zusammenveranlagung nach bereits erfolgter<br />

getrennter Veranlagung; getrennte Veranlagung nach bereits erfolgter Zusammenveranlagung) beruhen<br />

sowohl die Aufhebung <strong>de</strong>s/<strong>de</strong>r ursprünglichen Beschei<strong>de</strong>(s) als auch <strong>de</strong>r Erlass <strong>de</strong>r/<strong>de</strong>s neuen<br />

Beschei<strong>de</strong>(s) auf einem rückwirken<strong>de</strong>n Ereignis. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um <strong>de</strong>n<br />

antragstellen<strong>de</strong>n Ehegatten o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Ehegatten han<strong>de</strong>lt. Dass die verfahrensrechtliche<br />

Umsetzung <strong>de</strong>s Wechsels <strong>de</strong>r Veranlagungsart beim antragstellen<strong>de</strong>n Ehegatten nicht nach § 175 Abs. 1<br />

Satz 1 Nr. 2 erfolgt, steht <strong>de</strong>m nicht entgegen. § 233a Abs. 2a fin<strong>de</strong>t sowohl bei <strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>r<br />

ursprünglichen Veranlagung(en) als auch beim Erlass <strong>de</strong>r/<strong>de</strong>s neuen Steuerbeschei<strong>de</strong>(s) für bei<strong>de</strong><br />

Ehegatten Anwendung.<br />

10.3 Ausnahmen<br />

10.3.1 Durch <strong>de</strong>n erstmaligen Beschluss über eine offene Gewinnausschüttung für ein abgelaufenes<br />

Wirtschaftsjahr wur<strong>de</strong> – im Rahmen <strong>de</strong>s Anrechnungsverfahrens (§ 34 Abs. 12 Nr. 1 KStG) – kein<br />

abweichen<strong>de</strong>r Zinslauf gemäß § 233a Abs. 2a ausgelöst. Dies gilt auch dann, wenn dieser Beschluss erst<br />

nach Ablauf <strong>de</strong>s folgen<strong>de</strong>n Wirtschaftsjahres gefasst wur<strong>de</strong> (BFH-Urteil vom 29.11.2000 – I R 45/00 –<br />

BStBl. 2001 II, S. 326). Um einen erstmaligen Gewinnverteilungsbeschluss in diesem Sinne han<strong>de</strong>lt es<br />

sich jedoch nicht, wenn <strong>de</strong>r Beschluss einen vorangegangenen Beschluss <strong>de</strong>r Gesellschaft ersetzte, durch<br />

<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Gewinn <strong>de</strong>s betreffen<strong>de</strong>n Wirtschaftsjahres thesauriert wor<strong>de</strong>n war (BFH-Urteil vom<br />

22.10.2003 – I R 15/03 – BStBl. 2004 II, S. 398).<br />

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10.3.2 Die Korrektur eines für das Betriebsvermögen am Schluss <strong>de</strong>s Wirtschaftsjahres maßgeben<strong>de</strong>n<br />

Wertansatzes, <strong>de</strong>r sich auf die Höhe <strong>de</strong>s Gewinns <strong>de</strong>r Folgejahre auswirkt, löst keinen abweichen<strong>de</strong>n<br />

Zinslauf gemäß § 233a Abs. 2a aus. Zur Anwendung <strong>de</strong>s § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 vgl. zu § 175 Nr. 2.4.<br />

10.4 Bei ver<strong>de</strong>ckten Gewinnausschüttungen unter Geltung <strong>de</strong>s Anrechnungsverfahrens stellt die nachträgliche<br />

Vorlage einer Bescheinigung gemäß §§ 44 bis 46 KStG über anrechenbare Körperschaftsteuer, aufgrund<br />

<strong>de</strong>rer Einnahmen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu erfassen sind, ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis dar (vgl.<br />

BFH-Urteil vom 18.4.2000 – VIII R 75/98 – BStBl. II, S. 423; siehe auch Art. 97 § 9 Abs. 3 EGAO). Der<br />

beson<strong>de</strong>re Zinslauf ist dabei sowohl auf die Steuerfestsetzung als auch auf die Anrechnung anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

10.5 Der beson<strong>de</strong>re Zinslauf nach § 233a Abs. 2a en<strong>de</strong>t mit Ablauf <strong>de</strong>s Tages, an <strong>de</strong>m die Steuerfestsetzung<br />

wirksam wird (§ 233a Abs. 2 Satz 3). Sind Steuern zu verzinsen, die vor <strong>de</strong>m 1.1.1994 entstan<strong>de</strong>n sind,<br />

en<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>re Zinslauf spätestens vier Jahre nach seinem Beginn (Art. 97 § 15 Abs. 9 EGAO).<br />

§ 233a Abs. 2a ist erstmals anzuwen<strong>de</strong>n, soweit die Verluste o<strong>de</strong>r rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisse nach <strong>de</strong>m<br />

31.12.1995 entstan<strong>de</strong>n bzw. eingetreten sind (Art. 97 § 15 Abs. 8 EGAO).<br />

Grundsätze <strong>de</strong>r Zinsberechnung<br />

11. Die Zinsen betragen für je<strong>de</strong>n vollen Monat <strong>de</strong>s Zinslaufs einhalb vom Hun<strong>de</strong>rt (§ 238 Abs. 1 Satz 1). Für<br />

ihre Berechnung wird <strong>de</strong>r zu verzinsen<strong>de</strong> Betrag je<strong>de</strong>r Steuerart auf <strong>de</strong>n nächsten durch fünfzig Euro<br />

teilbaren Betrag abgerun<strong>de</strong>t (§ 238 Abs. 2). Dabei sind die zu verzinsen<strong>de</strong>n Ansprüche zu trennen, wenn<br />

Steuerart, Zeitraum o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>s Beginns <strong>de</strong>s Zinslaufs voneinan<strong>de</strong>r abweichen (vgl. zu § 238, Nr. 2).<br />

Zinsen sind auf volle Euro zum Vorteil <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen gerun<strong>de</strong>t festzusetzen (§ 239 Abs. 2 Satz 1); sie<br />

wer<strong>de</strong>n nur dann festgesetzt, wenn sie min<strong>de</strong>stens zehn Euro betragen (§ 239 Abs. 2 Satz 2). Die durch das<br />

StEuglG geän<strong>de</strong>rten Regelungen in §§ 238 Abs. 2 und 239 Abs. 2 gelten in allen Fällen, in <strong>de</strong>nen Zinsen<br />

nach <strong>de</strong>m 31.12.2001 festgesetzt wer<strong>de</strong>n (Art. 97 § 15 Abs. 10 EGAO); entschei<strong>de</strong>nd ist damit, wann die<br />

Zinsfestsetzung bekannt gegeben wird, und nicht, wann <strong>de</strong>r Zinslauf begonnen o<strong>de</strong>r geen<strong>de</strong>t hat.<br />

12. Für die Zinsberechnung gelten die Grundsätze <strong>de</strong>r sog. Sollverzinsung. Berechnungsgrundlage ist <strong>de</strong>r<br />

Unterschied zwischen <strong>de</strong>m festgesetzten Soll und <strong>de</strong>m vorher festgesetzten Soll (Vorsoll). Bei <strong>de</strong>r<br />

Berechnung von Erstattungszinsen gelten allerdings Beson<strong>de</strong>rheiten, wenn Steuerbeträge nicht o<strong>de</strong>r nicht<br />

fristgerecht gezahlt wur<strong>de</strong>n (§ 233a Abs. 3 Satz 3).<br />

13. Es ist grundsätzlich unerheblich, ob das Vorsoll bei Fälligkeit getilgt wor<strong>de</strong>n ist. Ggf. treten insoweit<br />

beson<strong>de</strong>re Zins- und Säumnisfolgen (z. B. Stundungszinsen, Säumniszuschläge) ein. Nachzahlungszinsen<br />

nach § 233a sind an<strong>de</strong>rerseits auch dann festzusetzen, wenn das Finanzamt vor Festsetzung <strong>de</strong>r Steuer<br />

freiwillige Leistungen auf die Steuerschuld angenommen hat und hierdurch die festgesetzte Steuerschuld<br />

insgesamt erfüllt wird. Voraussetzung für die Verzinsung ist lediglich, dass die Steuerfestsetzung zu einem<br />

Unterschiedsbetrag nach § 233a Abs. 3 führt (§ 233a Abs. 1 Satz 1). Wegen <strong>de</strong>s zeitanteiligen Erlasses von<br />

Nachzahlungszinsen in diesen Fällen vgl. Nr. 70.<br />

Zinsberechnung bei <strong>de</strong>r erstmaligen Steuerfestsetzung<br />

14. Bei <strong>de</strong>r erstmaligen Steuerfestsetzung (endgültige Steuerfestsetzung, vorläufige Steuerfestsetzung,<br />

Steuerfestsetzung unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung) ist Berechnungsgrundlage <strong>de</strong>r Unterschied zwischen<br />

<strong>de</strong>m dabei festgesetzten Soll (festgesetzte Steuer abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong>r Steuerabzugsbeträge und<br />

an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong>r Körperschaftsteuer) und <strong>de</strong>m Vorauszahlungssoll. Maßgebend sind die bis zum Beginn <strong>de</strong>s<br />

Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen (§ 233a Abs. 3 Satz 1). Einbehaltene und an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

Steuerabzugsbeträge sind unabhängig vom Zeitpunkt <strong>de</strong>r Zahlung durch <strong>de</strong>n Abzugsverpflichteten zu<br />

berücksichtigen.<br />

15. Vorauszahlungen können innerhalb <strong>de</strong>r gesetzlichen Fristen (z. B. § 37 Abs. 3 Satz 3 EStG) von Amts wegen<br />

o<strong>de</strong>r auf Antrag <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen angepasst wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 10.7.2002 – X R 65/96 –<br />

BFH/NV 2002 S. 1567). Leistet <strong>de</strong>r Steuerpflichtige vor Ablauf <strong>de</strong>r Karenzzeit eine freiwillige Zahlung, ist<br />

dies als Antrag auf Anpassung <strong>de</strong>r bisher festgesetzten Vorauszahlungen anzusehen. Zahlungen <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen, die ohne wirksame Festsetzung <strong>de</strong>r Vorauszahlungen erfolgen, sind als freiwillige<br />

Zahlungen i. S. d. Nr. 70.1 zu behan<strong>de</strong>ln. Eine nachträgliche Erhöhung <strong>de</strong>r Vorauszahlungen <strong>zur</strong><br />

Einkommen- o<strong>de</strong>r Körperschaftsteuer erfolgt nur dann, wenn <strong>de</strong>r Erhöhungsbetrag min<strong>de</strong>stens 5 000 €<br />

beträgt (§ 37 Abs. 5 Satz 2 EStG, § 31 Abs. 1 KStG; vgl. auch BFH-Urteil vom 5.6.1996 – X R 234/93 –<br />

BStBl. II, S. 503).<br />

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16. Bei <strong>de</strong>r Umsatzsteuer kann <strong>de</strong>r Steuerpflichtige eine Anpassung <strong>de</strong>r Vorauszahlungen durch die Abgabe<br />

einer berichtigten Voranmeldung (§ 153 Abs. 1) herbeiführen. Die berichtigte Voranmeldung steht einer<br />

geän<strong>de</strong>rten Steuerfestsetzung unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung gleich und bedarf keiner Zustimmung <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong>, wenn sie zu einer Erhöhung <strong>de</strong>r bisher zu entrichten<strong>de</strong>n Steuer o<strong>de</strong>r einem geringeren<br />

Erstattungsbetrag führt (vgl. zu § 168, Nr. 12). Eine nach Ablauf <strong>de</strong>r Karenzzeit abgegebene (erstmalige o<strong>de</strong>r<br />

berichtigte) Voranmeldung ist bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>s Unterschiedsbetrages nach § 233a Abs. 3 Satz 1 nicht<br />

zu berücksichtigen. In diesem Fall soll aber unverzüglich eine Festsetzung <strong>de</strong>r Jahressteuer unter Vorbehalt<br />

<strong>de</strong>r Nachprüfung erfolgen.<br />

17. Leistet <strong>de</strong>r Steuerpflichtige nach Ablauf <strong>de</strong>r Karenzzeit eine freiwillige Zahlung, soll bei Vorliegen <strong>de</strong>r<br />

Steuererklärung unverzüglich eine Steuerfestsetzung erfolgen. Diese Steuerfestsetzung kann <strong>zur</strong><br />

Beschleunigung auch durch eine personelle Festsetzung unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung erfolgen. In<br />

diesem Fall kann sich die Steuerfestsetzung auf die bisher festgesetzten Vorauszahlungen zuzüglich <strong>de</strong>r<br />

freiwillig geleisteten Zahlung beschränken. Auf die Angabe <strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen kann dabei<br />

verzichtet wer<strong>de</strong>n.<br />

18. Bei <strong>de</strong>r freiwilligen Zahlung kann grundsätzlich unterstellt wer<strong>de</strong>n, dass die Zahlung ausschließlich auf die<br />

Hauptsteuer (Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer) entfällt. Die Folgesteuern sind ggf. daneben<br />

festzusetzen und zu erheben.<br />

19. Ergibt sich bei <strong>de</strong>r ersten Steuerfestsetzung ein Unterschiedsbetrag zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

(Mehrsoll), wer<strong>de</strong>n Nachzahlungszinsen für die Zeit ab Beginn <strong>de</strong>s Zinslaufs bis <strong>zur</strong> Wirksamkeit <strong>de</strong>r<br />

Steuerfestsetzung berechnet (§ 233a Abs. 2 Satz 3).<br />

Beispiel 1:<br />

Einkommensteuer 2004<br />

Steuerfestsetzung vom 8.12.2006,<br />

21 000 €<br />

bekannt gegeben am 11.12.2006:<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 1 000 €<br />

Soll: 20 000 €<br />

abzüglich festgesetzte Vorauszahlungen: ./. 13 000 €<br />

Unterschiedsbetrag (Mehrsoll): 7 000 €<br />

Zu verzinsen sind 7 000 € zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen für die Zeit vom 1.4.2006<br />

bis 11.12.2006<br />

(8 volle Monate × 0,5 v. H. = 4 v. H.).<br />

Festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen (Nachzahlungszinsen): 280 €<br />

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21. Ergibt sich ein Unterschiedsbetrag zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen (Min<strong>de</strong>rsoll), ist dieser ebenfalls<br />

Grundlage <strong>de</strong>r Zinsberechnung. Um Erstattungszinsen auf festgesetzte, aber nicht entrichtete<br />

Vorauszahlungen zu verhin<strong>de</strong>rn, ist nur <strong>de</strong>r tatsächlich zu erstatten<strong>de</strong> Betrag – und zwar für <strong>de</strong>n Zeitraum<br />

zwischen <strong>de</strong>r Zahlung <strong>de</strong>r zu erstatten<strong>de</strong>n Beträge und <strong>de</strong>r Wirksamkeit <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung – zu verzinsen<br />

(§ 233a Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 3).<br />

Beispiel 2:<br />

Einkommensteuer 2004<br />

Steuerfestsetzung vom 8.12.2006,<br />

1 000 €<br />

bekannt gegeben am 11.12.2006:<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 1 000 €<br />

Soll: 0 €<br />

abzüglich festgesetzte Vorauszahlungen: ./. 13 000 €<br />

Unterschiedsbetrag (Min<strong>de</strong>rsoll): ./. 13 000 €<br />

Da <strong>de</strong>r Steuerpflichtige am 8.6.2006 5 000 € gezahlt hat und darüber hinaus keine weiteren Zahlungen erfolgt sind,<br />

sind lediglich 5 000 € zu erstatten.<br />

Zu verzinsen sind 5 000 € zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen für die Zeit vom 8.6.2006<br />

bis 11.12.2006<br />

(6 volle Monate × 0,5 v. H. = 3 v. H.).<br />

Festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen (Erstattungszinsen): ./. 150 €<br />

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23. Besteht <strong>de</strong>r zu erstatten<strong>de</strong> Betrag aus mehreren Einzahlungen, richtet sich <strong>de</strong>r Zinsberechnungszeitraum nach<br />

<strong>de</strong>r Einzahlung <strong>de</strong>s jeweiligen Teilbetrags, wobei unterstellt wird, dass die Erstattung zuerst aus <strong>de</strong>m zuletzt<br />

gezahlten Betrag erfolgt.<br />

24. Der Erstattungsbetrag ist für die Zinsberechnung auf <strong>de</strong>n nächsten durch fünfzig Euro teilbaren Betrag<br />

ab<strong>zur</strong>un<strong>de</strong>n (z. B. ist ein Erstattungsbetrag von 375 € auf 350 € ab<strong>zur</strong>un<strong>de</strong>n). Ist mehr als ein Betrag<br />

(mehrere Einzahlungen) zu verzinsen, so ist <strong>de</strong>r durch die Rundung auf volle fünfzig Euro sich ergeben<strong>de</strong><br />

Spitzenbetrag vom Teilbetrag mit <strong>de</strong>m ältesten Wertstellungstag abzuziehen.<br />

25. Die Verzinsung <strong>de</strong>s zu erstatten<strong>de</strong>n Betrages erfolgt nur bis <strong>zur</strong> Höhe <strong>de</strong>s Min<strong>de</strong>rsolls. Freiwillig geleistete<br />

Zahlungen sollen zum Anlass genommen wer<strong>de</strong>n, die bisher festgesetzten Vorauszahlungen anzupassen (vgl.<br />

Nrn. 15 und 16) o<strong>de</strong>r die Jahressteuer unverzüglich festzusetzen (vgl. Nr. 17). Bis <strong>zur</strong> Festsetzung <strong>de</strong>r<br />

Vorauszahlung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Jahressteuer sind sie aber <strong>zur</strong> Vermeidung von Missbräuchen von <strong>de</strong>r Verzinsung<br />

ausgeschlossen.<br />

Beispiel 3:<br />

Einkommensteuer 2004<br />

Steuerfestsetzung vom 19.7.2006,<br />

14 000 €<br />

bekannt gegeben am 24.7.2006:<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 2 000 €<br />

Soll: 12 000 €<br />

abzüglich festgesetzter Vorauszahlungen: ./. 13 000 €<br />

Unterschiedsbetrag (Min<strong>de</strong>rsoll): ./. 1 000 €<br />

Der Steuerpflichtige hat die Vorauszahlungen jeweils bei Fälligkeit entrichtet; am 20.6.2006 zahlte er zusätzlich<br />

freiwillig 7 000 €. Zu erstatten sind daher insgesamt 8 000 €.<br />

Zu verzinsen sind 1 000 € zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen für<br />

die Zeit vom 1.4.2006 bis 24.7.2006<br />

(3 volle Monate × 0,5 v. H. = 1,5 v. H.).<br />

festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen (Erstattungszinsen): ./. 15 €<br />

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27. Bei <strong>de</strong>r Ermittlung freiwilliger (Über-)Zahlungen <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen, die bei <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>r<br />

Erstattungszinsen außer Ansatz bleiben, sind die zuletzt eingegangenen, das Vorauszahlungssoll<br />

übersteigen<strong>de</strong>n Zahlungen als freiwillig anzusehen.<br />

28. Wenn bei <strong>de</strong>r erstmaligen Steuerfestsetzung ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis o<strong>de</strong>r ein Verlustrücktrag<br />

berücksichtigt wur<strong>de</strong>, beginnt <strong>de</strong>r Zinslauf insoweit erst 15 Monate nach Ablauf <strong>de</strong>s Kalen<strong>de</strong>rjahres, in <strong>de</strong>m<br />

dieses rückwirken<strong>de</strong> Ereignis eingetreten o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Verlust entstan<strong>de</strong>n ist (§ 233a Abs. 2a). Der<br />

Unterschiedsbetrag nach § 233a Abs. 3 Satz 1 ist <strong>de</strong>shalb in Teil-Unterschiedsbeträge aufzuteilen, soweit<br />

diese einen unterschiedlichen Zinslaufbeginn nach § 233a Abs. 2 und Abs. 2a haben (§ 233a Abs. 7 Satz 1<br />

1. Halbsatz). Innerhalb dieser Teil-Unterschiedsbeträge sind Sollmin<strong>de</strong>rungen und Sollerhöhungen mit<br />

gleichem Zinslaufbeginn zu saldieren.<br />

29. Die Teil-Unterschiedsbeträge sind in ihrer zeitlichen Reihenfolge, beginnend mit <strong>de</strong>m ältesten<br />

Zinslaufbeginn, zu ermitteln (§ 233a Abs. 7 Satz 1 2. Halbsatz). Dabei ist unerheblich, ob sich <strong>de</strong>r einzelne<br />

Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten o<strong>de</strong>r zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen auswirkt.<br />

Zunächst ist die fiktive Steuer zu ermitteln, die sich ohne Berücksichtigung rückwirken<strong>de</strong>r Ereignisse und<br />

Verlustrückträge ergeben wür<strong>de</strong>. Die Differenz zwischen dieser fiktiven Steuer, vermin<strong>de</strong>rt um<br />

an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge und an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Körperschaftsteuer, und <strong>de</strong>n festgesetzten<br />

Vorauszahlungen ist <strong>de</strong>r erste für die Zinsberechnung maßgebliche Teil-Unterschiedsbetrag.<br />

Im nächsten Schritt ist auf <strong>de</strong>r Grundlage dieser fiktiven Steuerermittlung die fiktive Steuer zu berechnen,<br />

die sich unter Berücksichtigung <strong>de</strong>r rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisse o<strong>de</strong>r Verlustrückträge mit <strong>de</strong>m ältesten<br />

Zinslaufbeginn ergeben wür<strong>de</strong>. Die Differenz zwischen dieser und <strong>de</strong>r zuvor ermittelten fiktiven Steuer,<br />

jeweils vermin<strong>de</strong>rt um an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge und an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Körperschaftsteuer, ist <strong>de</strong>r<br />

für die Zinsberechnung maßgebliche zweite Teil-Unterschiedsbetrag. Dies gilt entsprechend für weitere Teil-<br />

Unterschiedsbeträge mit späterem Zinslaufbeginn.<br />

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Beispiel 4:<br />

Einkommensteuer 2004<br />

(z.v.E.) 2 Steuer<br />

erstmalige Steuerfestsetzung: 50 000 € 14 801 €<br />

dabei wur<strong>de</strong>n berücksichtigt:<br />

30. – Verlustrücktrag aus 2005: ./. 7 500 €<br />

– rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis aus 2006: 2 500 €<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 0 €<br />

Soll: 14 801 €<br />

abzüglich festgesetzte Vorauszahlungen: ./. 10 550 €<br />

Unterschiedsbetrag (Mehrsoll): + 4 251 €<br />

Ermittlung <strong>de</strong>r Teil-Unterschiedsbeträge:<br />

– Vorsoll (festgesetzte<br />

Vorauszahlungen):<br />

z.v.E. Steuer<br />

10 550 €<br />

– 1. Schattenveranlagung<br />

55 000 € 17 200 €<br />

(Steuerfestsetzung ohne<br />

Berücksichtigung <strong>de</strong>s Verlustrücktrags und <strong>de</strong>s<br />

rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisses):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 0 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

fiktives Soll: 17 200 €<br />

Erster Teil-Unterschiedsbetrag = + 6 650 €<br />

– 2. Schattenveranlagung<br />

47 500 € 13 634 €<br />

(1. Schattenveranlagung +<br />

Verlustrücktrag aus 2005):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 0 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

fiktives Soll: 13 634 €<br />

Zweiter Teil-Unterschiedsbetrag = ./. 3 566 €<br />

– 3. Schattenveranlagung<br />

50 000 € 14 801 €<br />

(2. Schattenveranlagung +<br />

rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis aus 2006):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 0 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

fiktives Soll: 14 801 €<br />

Dritter Teil-Unterschiedsbetrag = + 1 167 €<br />

Summe <strong>de</strong>r Teil-Unterschiedsbeträge: + 4 251 €<br />

31. Alle Teil-Unterschiedsbeträge sind jeweils geson<strong>de</strong>rt auf <strong>de</strong>n nächsten durch fünfzig Euro teilbaren Betrag<br />

ab<strong>zur</strong>un<strong>de</strong>n, da <strong>de</strong>r Zinslauf für die zu verzinsen<strong>de</strong>n Beträge zu jeweils abweichen<strong>de</strong>n Zeitpunkten beginnt<br />

(§ 238 Abs. 2).<br />

32. Die auf die einzelnen Teil-Unterschiedsbeträge entfallen<strong>de</strong>n Zinsen sind eigenständig und in ihrer zeitlichen<br />

Reihenfolge zu berechnen, beginnend mit <strong>de</strong>n Zinsen auf <strong>de</strong>n Teil-Unterschiedsbetrag mit <strong>de</strong>m ältesten<br />

Zinslaufbeginn (§ 233a Abs. 7 Satz 1 2. Halbsatz). Dabei ist für je<strong>de</strong>n Zinslauf bzw.<br />

Zinsberechnungszeitraum eigenständig zu prüfen, inwieweit jeweils volle Zinsmonate vorliegen.<br />

2 z.v.E. = zu versteuern<strong>de</strong>s Einkommen.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 183 von 235


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Beispiel 5:<br />

Einkommensteuer 2004<br />

z.v.E. Steuer<br />

Steuerfestsetzung vom 11.12.2006, bekannt 60 723 € 19 306 €<br />

gegeben am 14.12.2006:<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 1 000 €<br />

Soll: 18 306 €<br />

abzüglich festgesetzte Vorauszahlungen: ./. 12 000 €<br />

Unterschiedsbetrag (Mehrsoll): + 6 306 €<br />

Bei dieser Steuerfestsetzung wur<strong>de</strong> ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis aus 2005 (Erhöhung <strong>de</strong>s z.v.E. um 2 492 €)<br />

berücksichtigt.<br />

Ermittlung <strong>de</strong>r Teil-Unterschiedsbeträge:<br />

z.v.E. Steuer<br />

33. – Vorsoll<br />

12 000 €<br />

(festgesetzte Vorauszahlungen):<br />

– 1. Schattenveranlagung<br />

58 231 € 18 135 €<br />

(Steuerfestsetzung ohne Berücksichtigung <strong>de</strong>s<br />

rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisses):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 1 000 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

fiktives Soll: 17 135 €<br />

Erster Teil-Unterschiedsbetrag = + 5 135 €<br />

– 2. Schattenveranlagung<br />

60 723 € 19 306 €<br />

(1. Schattenveranlagung +<br />

rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis aus 2005):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 1 000 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

fiktives Soll: 18 306 €<br />

Zweiter Teil-Unterschiedsbetrag = + 1 171 €<br />

Summe <strong>de</strong>r Teil-Unterschiedsbeträge: + 6 306 €<br />

Zinsberechnung:<br />

Teil-Unterschiedsbetrag mit Zinslaufbeginn 1.4.2006:<br />

Teil-Unterschiedsbetrag mit Zinslaufbeginn 1.4.2007:<br />

5 135 €<br />

1 171 €<br />

Verzinsung <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags mit Zinslaufbeginn 1.4.2006:<br />

Zu verzinsen sind 5 100 € zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen für die Zeit vom 1.4.2006 204 €<br />

bis 14.12.2006<br />

(8 volle Monate × 0,5 v. H. = 4 v. H.).<br />

Nachzahlungszinsen =<br />

Abrundung gem. § 238 Abs. 2: 35 €<br />

Verzinsung <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags mit Zinslaufbeginn 1.4.2007:<br />

Hinsichtlich <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags von 1 171 € sind keine Nachzahlungszinsen zu<br />

berechnen, da die für ihn maßgebliche Karenzzeit im Zeitpunkt <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung noch<br />

nicht abgelaufen ist.<br />

0 €<br />

Insgesamt festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen (Nachzahlungszinsen): 204 €<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 184 von 235


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Beispiel 6:<br />

Einkommensteuer 2004<br />

z.v.E. Steuer<br />

Steuerfestsetzung vom 10.12.2007, bekannt 57 781 € 17 924 €<br />

gegeben am 13.12.2007:<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 1 000 €<br />

Soll: 16 924 €<br />

abzüglich festgesetzte Vorauszahlungen: ./. 12 000 €<br />

Unterschiedsbetrag (Mehrsoll): + 4 924 €<br />

Bei dieser Steuerfestsetzung wur<strong>de</strong> ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis aus 2005 (Erhöhung <strong>de</strong>s z.v.E. um 2 571 €)<br />

berücksichtigt.<br />

Ermittlung <strong>de</strong>r Teil-Unterschiedsbeträge:<br />

z.v.E. Steuer<br />

34. – Vorsoll<br />

12 000 €<br />

(festgesetzte Vorauszahlungen)<br />

– 1. Schattenveranlagung<br />

55 210 € 16 715 €<br />

(Steuerfestsetzung ohne Berücksichtigung <strong>de</strong>s<br />

rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisses):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 1 000 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

fiktives Soll: 15 715 €<br />

Erster Teil-Unterschiedsbetrag = + 3 715 €<br />

– 2. Schattenveranlagung<br />

57 781 € 17 924 €<br />

(1. Schattenveranlagung +<br />

rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis aus 2005):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 1 000 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

fiktives Soll: 16 924 €<br />

Zweiter Teil-Unterschiedsbetrag = + 1 209 €<br />

Summe <strong>de</strong>r Teil-Unterschiedsbeträge: + 4 924 €<br />

Zinsberechnung:<br />

Teil-Unterschiedsbetrag mit Zinslaufbeginn 1.4.2006: + 3 715 €<br />

Teil-Unterschiedsbetrag mit Zinslaufbeginn 1.4.2007: + 1 209 €<br />

Verzinsung <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags mit Zinslaufbeginn 1.4.2006:<br />

Zu verzinsen sind 3 700 € zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen für die Zeit vom 1.4.2006 370 €<br />

bis 13.12.2007<br />

(20 volle Monate × 0,5 v. H. = 10 v. H.).<br />

Nachzahlungszinsen:<br />

Abrundung gem. § 238 Abs. 2: 15 €<br />

Verzinsung <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags mit Zinslaufbeginn 1.4.2007:<br />

Zu verzinsen sind 1 200 € zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen für die Zeit vom 1.4.2007 48 €<br />

bis 13.12.2007<br />

(8 volle Monate × 0,5 v. H. = 4 v. H.).<br />

Nachzahlungszinsen:<br />

Abrundung gem. § 238 Abs. 2: 9 €<br />

Insgesamt festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen: 418 €<br />

35. Bei Teil-Unterschiedsbeträgen zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen ist die Berechnung von Erstattungszinsen auf<br />

<strong>de</strong>n fiktiv zu erstatten<strong>de</strong>n Betrag begrenzt. Dazu sind alle maßgeblichen Zahlungen und <strong>de</strong>r jeweilige Tag<br />

<strong>de</strong>r Zahlung zu ermitteln. Durch Gegenüberstellung dieser Zahlungen und <strong>de</strong>r nach Nr. 29 ermittelten<br />

fiktiven Steuer, vermin<strong>de</strong>rt um an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge und an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Körperschaftsteuer,<br />

ergibt sich <strong>de</strong>r fiktive Erstattungsbetrag.<br />

Die Verzinsung <strong>de</strong>r einzelnen Teil-Unterschiedsbeträge beginnt frühestens mit <strong>de</strong>m Tag <strong>de</strong>r Zahlung. Besteht<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 185 von 235


<strong>de</strong>r zu erstatten<strong>de</strong> Betrag aus mehreren Einzahlungen, richtet sich <strong>de</strong>r Zinsberechnungszeitraum nach <strong>de</strong>r<br />

Einzahlung <strong>de</strong>s jeweiligen Teilbetrags, wobei unterstellt wird, dass die Erstattung zuerst aus <strong>de</strong>m zuletzt<br />

gezahlten Betrag erfolgt. Bei weiteren Teil-Unterschiedsbeträgen zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen bleiben die<br />

bereits bei einer vorangegangenen Zinsberechnung berücksichtigten Zahlungen außer Betracht.<br />

Ist bei einem Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen mehr als ein Betrag (mehrere<br />

Einzahlungen) zu verzinsen, so ist <strong>de</strong>r durch die Rundung auf <strong>de</strong>n nächsten durch fünfzig Euro teilbaren sich<br />

ergeben<strong>de</strong> Spitzenbetrag jeweils vom Teilbetrag mit <strong>de</strong>m ältesten Wertstellungstag abzuziehen.<br />

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Beispiel 7:<br />

Einkommensteuer 2004<br />

z.v.E. Steuer<br />

Steuerfestsetzung vom 11.12.2006, bekannt 10 113 € 509 €<br />

gegeben am 14.12.2006:<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 250 €<br />

Soll: 259 €<br />

abzüglich festgesetzte Vorauszahlungen: ./. 12 750 €<br />

Unterschiedsbetrag (Min<strong>de</strong>rsoll): ./. 12 491 €<br />

Alle Vorauszahlungen wur<strong>de</strong>n bereits in 2004 entrichtet, so dass 12 491 € zu erstatten sind.<br />

Bei <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung wur<strong>de</strong> ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis aus 2005<br />

(Min<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s z.v.E. um 7 587 €) berücksichtigt.<br />

Ermittlung <strong>de</strong>r Teil-Unterschiedsbeträge:<br />

z.v.E. Steuer<br />

36. – Vorsoll<br />

12 750 €<br />

(festgesetzte Vorauszahlungen):<br />

– 1. Schattenveranlagung<br />

17 700 € 2 419 €<br />

(Steuerfestsetzung ohne Berücksichtigung <strong>de</strong>s<br />

rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisses):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 250 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

fiktives Soll: 2 169 €<br />

Erster Teil-Unterschiedsbetrag = ./. 10 581 €<br />

– 2. Schattenveranlagung<br />

10 113 € 509 €<br />

(1. Schattenveranlagung + rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis<br />

aus 2005):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 250 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

fiktives Soll: 259 €<br />

Zweiter Teil-Unterschiedsbetrag = ./. 1 910 €<br />

Summe <strong>de</strong>r Teil-Unterschiedsbeträge: ./. 12 491 €<br />

Zinsberechnung:<br />

Teil-Unterschiedsbetrag mit Zinslaufbeginn 1.4.2006: ./. 10 581 €<br />

Teil-Unterschiedsbetrag mit Zinslaufbeginn 1.4.2007: ./. 1 910 €<br />

Verzinsung <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags mit Zinslaufbeginn 1.4.2006:<br />

Gegenüberstellung <strong>de</strong>r maßgeblichen Zahlungen und <strong>de</strong>s fiktiven Solls<br />

Zahlung Tag <strong>de</strong>r Zahlung fiktives Soll fiktive Erstattung unverzinster<br />

Zahlungsrest<br />

3 250 € 10.12.1996 3 250 € 0 €<br />

3 250 € 10.09.1996 3 250 € 0 €<br />

3 250 € 10.06.1996 3 250 € 0 €<br />

3 000 € 10.03.1996 831 € 2 169 €<br />

12 750 € 2 169 € 10 581 € 2 169 €<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 186 von 235


Zu verzinsen sind 10 550 € zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen für die Zeit vom 1.4.2006<br />

bis 14.12.2006<br />

(8 volle Monate × 0,5 v. H. = 4 v. H.).<br />

Zinsen: ./. 422 €<br />

Abrundung gem. § 238 Abs. 2: 31 €<br />

Verzinsung <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags mit Zinslaufbeginn 1.4.2007:<br />

Hinsichtlich <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags von 1 910 € sind keine Erstattungszinsen zu<br />

berechnen, da die für ihn maßgebliche Karenzzeit im Zeitpunkt <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung noch<br />

nicht abgelaufen ist.<br />

0 €<br />

Insgesamt festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen (Erstattungszinsen): ./. 422 €<br />

© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

Beispiel 8:<br />

Einkommensteuer 2004<br />

z.v.E. Steuer<br />

Steuerfestsetzung vom 10.12.2007, bekannt 10 660 € 626 €<br />

gegeben am 13.12.2007:<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 350 €<br />

Soll: 276 €<br />

abzüglich festgesetzte Vorauszahlungen: ./. 12 650 €<br />

Unterschiedsbetrag (Min<strong>de</strong>rsoll): ./. 12 374 €<br />

Der Steuerpflichtige hat bis zum 30.3.2006 insgesamt 7 500 € sowie am 3.9.2007 zusätzlich 5 000 € entrichtet. Zu<br />

erstatten sind <strong>de</strong>shalb nur 12 224 €.<br />

Bei <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung wur<strong>de</strong> ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis aus 2005 (Min<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s z.v.E. um 8 088 €)<br />

berücksichtigt.<br />

Ermittlung <strong>de</strong>r Teil-Unterschiedsbeträge:<br />

z.v.E. Steuer<br />

37. – Vorsoll<br />

12 650 €<br />

(festgesetzte Vorauszahlungen)<br />

– 1. Schattenveranlagung<br />

18 748 € 2 713 €<br />

(Steuerfestsetzung ohne Berücksichtigung <strong>de</strong>s<br />

rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisses):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 350 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

fiktives Soll: 2 363 €<br />

Erster Teil-Unterschiedsbetrag = ./. 10 287 €<br />

– 2. Schattenveranlagung<br />

10 660 € 626 €<br />

(1. Schattenveranlagung + rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis<br />

aus 2005):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 350 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

fiktives Soll: 276 €<br />

Zweiter Teil-Unterschiedsbetrag = ./. 2 087 €<br />

Summe <strong>de</strong>r Teil-Unterschiedsbeträge: ./. 12 374 €<br />

Zinsberechnung:<br />

Teil-Unterschiedsbetrag mit Zinslaufbeginn 1.4.2006: ./. 10 287 €<br />

Teil-Unterschiedsbetrag mit Zinslaufbeginn 1.4.2007: ./. 2 087 €<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 187 von 235


Verzinsung <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags mit Zinslaufbeginn 1.4.2006:<br />

Gegenüberstellung <strong>de</strong>r maßgeblichen Zahlungen und <strong>de</strong>s fiktiven Solls<br />

Zahlung Tag <strong>de</strong>r Zahlung fiktives Soll fiktive Erstattung unverzinster<br />

Zahlungsrest<br />

5 000 € 03.09.2007 5 000 € 0 €<br />

2 500 € 10.12.2004 2 500 € 0 €<br />

2 500 € 10.09.2004 2 500 € 0 €<br />

1 250 € 10.06.2004 137 € 1 113 €<br />

1 250 € 10.03.2004 0 € 1 250 €<br />

12 500 € 2 363 € 10 137 € 2 363 €<br />

Zu verzinsen sind 5 000 € zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen für die Zeit vom 3.9.2007<br />

bis 13.12.2007<br />

(3 volle Monate × 0,5 v. H. = 1,5 v. H.).<br />

Zinsen (Erstattungszinsen): ./. 75 €<br />

Zu verzinsen sind 5 100 € zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen für die Zeit vom 1.4.2006<br />

bis 13.12.2007<br />

(20 volle Monate × 0,5 v. H. = 10 v. H.).<br />

Zinsen (Erstattungszinsen): ./. 510 €<br />

Abrundung nach § 238 Abs. 2: 37 €<br />

© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

Verzinsung <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags mit Zinslaufbeginn 1.4.2007:<br />

Gegenüberstellung <strong>de</strong>r maßgeblichen Zahlungen und <strong>de</strong>s fiktiven Solls<br />

Zahlung Tag <strong>de</strong>r Zahlung fiktives Soll fiktive Erstattung unverzinster<br />

Zahlungsrest<br />

0 € 03.09.2007 0 € 0 €<br />

0 € 10.12.2004 0 € 0 €<br />

0 € 10.09.2004 0 € 0 €<br />

1 113 € 10.06.2004 1 113 € 0 €<br />

1 250 € 10.03.2004 974 € 276 €<br />

2 363 € 276 € 2 087 € 276 €<br />

Zu verzinsen sind 2 050 € zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen für die Zeit vom 1.4.2007<br />

bis 13.12.2007<br />

(8 volle Monate × 0,5 v. H. = 4 v. H.).<br />

Zinsen (Erstattungszinsen): ./. 82 €<br />

Abrundung nach § 238 Abs. 2: 37 €<br />

Insgesamt festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen (Erstattungszinsen): ./. 667 €<br />

38. Bei Teil-Unterschiedsbeträgen zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen sind neben <strong>de</strong>r Berechnung von<br />

Erstattungszinsen die zuvor auf <strong>de</strong>n Herabsetzungsbetrag ggf. berechneten Nachzahlungszinsen zu min<strong>de</strong>rn.<br />

Nachzahlungszinsen entfallen dabei allerdings frühestens ab <strong>de</strong>m Zeitpunkt, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Zinslauf <strong>de</strong>s Teil-<br />

Unterschiedsbetrags zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen beginnt; Nachzahlungszinsen für <strong>de</strong>n Zeitraum bis zum<br />

Beginn <strong>de</strong>s Zinslaufs <strong>de</strong>s Teilunterschiedsbetrags zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen bleiben endgültig bestehen<br />

(§ 233a Abs. 7 Satz 2 AO). Nachzahlungszinsen mit unterschiedlichem Zinslaufbeginn sind in ihrer<br />

zeitlichen Reihenfolge, beginnend mit <strong>de</strong>n Nachzahlungszinsen mit <strong>de</strong>m ältesten Zinslaufbeginn, zu<br />

min<strong>de</strong>rn.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 188 von 235


© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

Beispiel 9:<br />

Einkommensteuer 2004<br />

z.v.E. Steuer<br />

Steuerfestsetzung vom 9.12.2008, bekannt gegeben 35 867 € 8 376 €<br />

am 12.12.2008:<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 1 000 €<br />

Soll: 7 376 €<br />

abzüglich festgesetzte Vorauszahlungen: ./. 9 550 €<br />

Unterschiedsbetrag (Min<strong>de</strong>rsoll): ./. 2 174 €<br />

Der Steuerpflichtige hat bis zum 31.3.2006 insgesamt 7 000 € sowie am 2.6.2007 weitere 2 550 € gezahlt.<br />

Bei dieser Steuerfestsetzung wur<strong>de</strong>n ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis aus 2005 (Erhöhung <strong>de</strong>s z.v.E. um 2 500 €) sowie<br />

ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis aus 2006 (Min<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s z.v.E. um 17 500 €) berücksichtigt.<br />

Ermittlung <strong>de</strong>r Teil-Unterschiedsbeträge:<br />

z.v.E. Steuer<br />

39. – Vorsoll<br />

9 550 €<br />

(festgesetzte Vorauszahlungen):<br />

– 1. Schattenveranlagung<br />

50 867 € 14 679 €<br />

(Steuerfestsetzung ohne Berücksichtigung <strong>de</strong>r<br />

rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisse aus 2005 und 2006):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 1 000 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

fiktives Soll: 13 679 €<br />

Erster Teil-Unterschiedsbetrag = + 4 129 €<br />

– 2. Schattenveranlagung<br />

53 367 € 15 850 €<br />

(1. Schattenveranlagung + rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis<br />

aus 2005):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 1 000 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

fiktives Soll: 14 850 €<br />

Zweiter Teil-Unterschiedsbetrag = + 1 171 €<br />

– 3. Schattenveranlagung<br />

35 867 € 8 376 €<br />

(2. Schattenveranlagung + rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis<br />

aus 2006):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 1 000 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

fiktives Soll: 7 376 €<br />

Dritter Teil-Unterschiedsbetrag = ./. 7 474 €<br />

Summe <strong>de</strong>r Teil-Unterschiedsbeträge: ./. 2 174 €<br />

Zinsberechnung:<br />

Teil-Unterschiedsbetrag mit Zinslaufbeginn 1.4.2006: + 4 129 €<br />

Teil-Unterschiedsbetrag mit Zinslaufbeginn 1.4.2007: + 1 171 €<br />

Teil-Unterschiedsbetrag mit Zinslaufbeginn 1.4.2008: ./. 7 474 €<br />

Verzinsung <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags mit Zinslaufbeginn 1.4.2006:<br />

Zu verzinsen sind 4 100 € zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen für die Zeit vom 1.4.2006<br />

bis 12.12.2008<br />

(32 volle Monate × 0,5 v. H. = 16 v. H.)<br />

Zinsen (Nachzahlungszinsen):<br />

Abrundung nach § 238 Abs. 2: 29 €<br />

656 €<br />

Verzinsung <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags mit Zinslaufbeginn 1.4.2007:<br />

Zu verzinsen sind 1 150 € zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen für die Zeit vom 1.4.2007<br />

bis 12.12.2008<br />

(20 volle Monate × 0,5 v. H. = 10 v. H.)<br />

Zinsen (Nachzahlungszinsen): 115 €<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 189 von 235


Abrundung nach § 238 Abs. 2: 21 €<br />

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Verzinsung <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags mit Zinslaufbeginn 1.4.2008:<br />

Gegenüberstellung <strong>de</strong>r maßgeblichen Zahlungen und <strong>de</strong>s fiktiven Solls<br />

Zahlung Tag <strong>de</strong>r Zahlung fiktives Soll fiktive Erstattung unverzinster<br />

Zahlungsrest<br />

2 550 € 02.06.2007 2 174 € 376 €<br />

2 000 € 10.12.2004 0 € 2 000 €<br />

2 000 € 10.09.2004 0 € 2 000 €<br />

2 000 € 10.06.2004 0 € 2 000 €<br />

1 000 € 10.03.2004 0 € 1 000 €<br />

9 550 € 7 376 € 2 174 € 7 376 €<br />

Zu verzinsen ist höchstens <strong>de</strong>r fiktiv zu erstatten<strong>de</strong> Betrag von 2 150 € für die Zeit vom<br />

1.4.2008 bis zum 12.12.2008<br />

(8 volle Monate × 0,5 v. H. = 4 v. H.).<br />

Zinsen (Erstattungszinsen):<br />

Abrundung nach § 238 Abs. 2: 24 €<br />

./. 86 €<br />

Min<strong>de</strong>rung zuvor berechneter Nachzahlungszinsen:<br />

4 129 € abgerun<strong>de</strong>t: 4 100 €<br />

./. 7 474 €<br />

./. 3 345 € maximal: ./. 0 €<br />

4 100 €<br />

4 100 € vom 1.4.2008 bis zum 12.12.2008<br />

./. 164 €<br />

(8 volle Monate × 0,5 v. H. = 4 v. H.):<br />

1 171 € abgerun<strong>de</strong>t: 1 150 €<br />

./. 3 345 €<br />

./. 2 174 € maximal: ./. 0 €<br />

1 150 €<br />

1 150 € vom 1.4.2008 bis zum 12.12.2008<br />

./. 46 €<br />

(8 volle Monate × 0,5 v. H. = 4 v. H.):<br />

./. 210 €<br />

./. 210 €<br />

Insgesamt festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen: 475 €<br />

Anmerkung:<br />

Ergibt sich ein Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen, entfallen auf diesen Betrag zuvor<br />

berechnete Zinsen nach § 233a Abs. 7 Satz 2 1. Halbsatz frühestens ab Beginn <strong>de</strong>s für diesen<br />

Teilunterschiedsbetrag maßgeben<strong>de</strong>n Zinslaufs. Zinsen für <strong>de</strong>n Zeitraum bis zum Beginn <strong>de</strong>s Zinslaufs<br />

dieses Teilunterschiedsbetrags bleiben nach § 233a Abs. 7 Satz 2 2. Halbsatz endgültig bestehen. Deshalb<br />

können die für <strong>de</strong>n Zeitraum bis zum 31.3.2008 verbliebenen Nachzahlungszinsen auch in späteren<br />

Zinsfestsetzungen nicht mehr gemin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n.<br />

40. Wenn bei <strong>de</strong>r Zinsberechnung mehrere Teil-Unterschiedsbeträge zu berücksichtigen sind, sind Zinsen nur<br />

dann festzusetzen, wenn die Summe <strong>de</strong>r auf die einzelnen Teil-Unterschiedsbeträge berechneten Zinsen<br />

min<strong>de</strong>stens zehn Euro beträgt (§ 239 Abs. 2 Satz 2). Nach § 239 Abs. 2 Satz 1 sind Zinsen auf volle Euro<br />

zum Vorteil <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen ab<strong>zur</strong>un<strong>de</strong>n. Maßgebend sind die festzusetzen<strong>de</strong>n Zinsen, d. h. die Summe<br />

<strong>de</strong>r auf die einzelnen Teilunterschiedsbeträge berechneten Zinsen.<br />

Sofern die Summe aller fiktiven Erstattungen größer ist als die tatsächliche Erstattung, ist <strong>de</strong>r<br />

Differenzbetrag für spätere Zinsberechnungen als fiktive Zahlung zu berücksichtigen. Als Zahlungstag dieser<br />

fiktiven Zahlung ist <strong>de</strong>r Tag zu berücksichtigen, an <strong>de</strong>m die Steuerfestsetzung bzw. die Steueranmeldung<br />

wirksam gewor<strong>de</strong>n ist.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 190 von 235


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Zinsberechnung bei einer Korrektur <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Anrechnung von Steuerbeträgen<br />

41. Falls anlässlich einer Steuerfestsetzung Zinsen festgesetzt wur<strong>de</strong>n, löst die Aufhebung, Än<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r<br />

Berichtigung dieser Steuerfestsetzung eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r bisherigen Zinsfestsetzung aus (§ 233a Abs. 5<br />

Satz 1 1. Halbsatz). Dabei ist es gleichgültig, worauf die Aufhebung, Än<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Berichtigung beruht<br />

(z. B. auch Än<strong>de</strong>rung durch Einspruchsentscheidung o<strong>de</strong>r durch o<strong>de</strong>r aufgrund <strong>de</strong>r Entscheidung eines<br />

Finanzgerichts).<br />

42. Soweit die Korrektur <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung auf <strong>de</strong>r erstmaligen Berücksichtigung eines rückwirken<strong>de</strong>n<br />

Ereignisses o<strong>de</strong>r eines Verlustrücktrags beruht, beginnt <strong>de</strong>r Zinslauf nach § 233a Abs. 2a erst 15 Monate<br />

nach Ablauf <strong>de</strong>s Kalen<strong>de</strong>rjahres, in <strong>de</strong>m das rückwirken<strong>de</strong> Ereignis eingetreten o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Verlust entstan<strong>de</strong>n<br />

ist. Gleiches gilt, wenn ein bereits bei <strong>de</strong>r vorangegangenen Steuerfestsetzung berücksichtigter<br />

Verlustrücktrag bzw. ein bereits bei <strong>de</strong>r vorangegangen Steuerfestsetzung berücksichtigtes rückwirken<strong>de</strong>s<br />

Ereignis unmittelbar Än<strong>de</strong>rungen erfährt und <strong>de</strong>r Steuerbescheid <strong>de</strong>shalb geän<strong>de</strong>rt wird.<br />

Aufgrund <strong>de</strong>r Anknüpfung <strong>de</strong>r Verzinsung an die Soll-Differenz (vgl. Nr. 46) ist keine beson<strong>de</strong>re<br />

Zinsberechnung i. S. d. § 233a Abs. 2a i. V. m. Abs. 7 vorzunehmen, wenn ein Steuerbescheid, in <strong>de</strong>m<br />

erstmals ein Verlustrücktrag bzw. ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis berücksichtigt wor<strong>de</strong>n ist, später aus an<strong>de</strong>ren<br />

Grün<strong>de</strong>n (z. B. <strong>zur</strong> Berücksichtigung neuer Tatsachen i. S. d. § 173) geän<strong>de</strong>rt wird. Dabei ist es für die<br />

Verzinsung auch unerheblich, wenn sich die steuerlichen Auswirkungen <strong>de</strong>s bereits in <strong>de</strong>r vorherigen<br />

Steuerfestsetzung berücksichtigten Verlustrücktrags bzw. rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisses aufgrund <strong>de</strong>r<br />

erstmaligen o<strong>de</strong>r abweichen<strong>de</strong>n Berücksichtigung regulär zu verzinsen<strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen<br />

rechnerisch verän<strong>de</strong>rn sollte. Auch <strong>de</strong>rartige materiellrechtliche Folgeän<strong>de</strong>rungen sind bei <strong>de</strong>r Verzinsung<br />

<strong>de</strong>m maßgeblichen Än<strong>de</strong>rungsgrund (z. B. <strong>de</strong>n neuen Tatsachen i. S. d. § 173) zuzuordnen.<br />

43. Materielle Fehler i. S. d. § 177 wer<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>m Än<strong>de</strong>rungstatbestand berichtigt, <strong>de</strong>ssen Anwendung die<br />

saldieren<strong>de</strong> Berücksichtigung <strong>de</strong>s materiellen Fehlers ermöglicht. Deshalb ist <strong>de</strong>r Saldierungsbetrag bei <strong>de</strong>r<br />

Ermittlung <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags zu berücksichtigen, <strong>de</strong>r diesem Än<strong>de</strong>rungstatbestand zugrun<strong>de</strong> liegt.<br />

Beruht die Saldierung nach § 177 auf mehreren Än<strong>de</strong>rungstatbestän<strong>de</strong>n, die einen unterschiedlichen<br />

Zinslaufbeginn aufweisen, ist <strong>de</strong>r Saldierungsbetrag <strong>de</strong>n Än<strong>de</strong>rungstatbestän<strong>de</strong>n in chronologischer<br />

Reihenfolge zuzuordnen, beginnend mit <strong>de</strong>m Än<strong>de</strong>rungstatbestand mit <strong>de</strong>m ältesten Zinslaufbeginn.<br />

44. Ist bei <strong>de</strong>r vorangegangenen Steuerfestsetzung eine Zinsfestsetzung unterblieben, weil z. B. bei Wirksamkeit<br />

<strong>de</strong>r Steuerfestsetzung die Karenzzeit noch nicht abgelaufen war o<strong>de</strong>r die Zinsen weniger als zehn Euro<br />

betragen haben, ist bei <strong>de</strong>r erstmaligen Zinsfestsetzung aus Anlass <strong>de</strong>r Aufhebung, Än<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r<br />

Berichtigung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung für die Berechnung <strong>de</strong>r Zinsen ebenfalls <strong>de</strong>r Unterschied zwischen <strong>de</strong>m<br />

neuen und <strong>de</strong>m früheren Soll maßgebend.<br />

45. Den Fällen <strong>de</strong>r Aufhebung, Än<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Berichtigung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung sind die Fälle <strong>de</strong>r Korrektur<br />

<strong>de</strong>r Anrechnung von Steuerbeträgen (Steuerabzugsbeträge, an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Körperschaftsteuer) gleichgestellt<br />

(§ 233a Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz). Die Zinsfestsetzung ist auch dann anzupassen, wenn die Anrechnung von<br />

Steuerabzugsbeträgen o<strong>de</strong>r von Körperschaftsteuer in einem Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 Satz 1<br />

von <strong>de</strong>r vorangegangenen Anrechnung abweicht. Ist <strong>de</strong>m bisherigen Zinsbescheid ein unrichtiges<br />

Vorauszahlungssoll o<strong>de</strong>r ein unrichtiger Wertstellungstag zugrun<strong>de</strong> gelegt wor<strong>de</strong>n, kann <strong>de</strong>mgegenüber eine<br />

Korrektur <strong>de</strong>s Zinsbeschei<strong>de</strong>s nicht nach § 233a Abs. 5, son<strong>de</strong>rn nur nach <strong>de</strong>n allgemeinen Vorschriften<br />

erfolgen (z. B. §§ 129, 172 ff.).<br />

46. Grundlage für die Zinsberechnung ist <strong>de</strong>r Unterschied zwischen <strong>de</strong>m neuen und <strong>de</strong>m früheren Soll<br />

(Unterschiedsbetrag nach § 233a Abs. 5 Satz 2). Dieser Unterschiedsbetrag ist in Teil-Unterschiedsbeträge<br />

aufzuteilen, soweit diese einen unterschiedlichen Zinslaufbeginn nach § 233a Abs. 2 und Abs. 2a haben<br />

(§ 233a Abs. 7 Satz 1 1. Halbsatz). Innerhalb dieser Teil-Unterschiedsbeträge sind Sollmin<strong>de</strong>rungen und<br />

Sollerhöhungen mit gleichem Zinslaufbeginn zu saldieren.<br />

47. Die Teil-Unterschiedsbeträge sind in ihrer zeitlichen Reihenfolge, beginnend mit <strong>de</strong>m ältesten<br />

Zinslaufbeginn, zu ermitteln (§ 233a Abs. 7 Satz 1 2. Halbsatz). Dabei ist unerheblich, ob sich <strong>de</strong>r einzelne<br />

Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten o<strong>de</strong>r zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen auswirkt.<br />

Zunächst ist die fiktive Steuer zu ermitteln, die sich ohne Berücksichtigung rückwirken<strong>de</strong>r Ereignisse und<br />

Verlustrückträge ergeben wür<strong>de</strong>. Die Differenz zwischen dieser fiktiven Steuer und <strong>de</strong>r bisher festgesetzten<br />

Steuer, jeweils vermin<strong>de</strong>rt um an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge und an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Körperschaftsteuer,<br />

ist <strong>de</strong>r erste für die Zinsberechnung maßgebliche Teil-Unterschiedsbetrag.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 191 von 235


Im nächsten Schritt ist auf <strong>de</strong>r Grundlage dieser fiktiven Steuerermittlung die fiktive Steuer zu berechnen,<br />

die sich unter Berücksichtigung <strong>de</strong>r rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisse o<strong>de</strong>r Verlustrückträge mit <strong>de</strong>m ältesten<br />

Zinslaufbeginn ergeben wür<strong>de</strong>. Die Differenz zwischen dieser und <strong>de</strong>r zuvor ermittelten fiktiven Steuer,<br />

jeweils vermin<strong>de</strong>rt um an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge und an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Körperschaftsteuer, ist <strong>de</strong>r<br />

für die Zinsberechnung maßgebliche zweite Teil-Unterschiedsbetrag. Dies gilt entsprechend für weitere Teil-<br />

Unterschiedsbeträge mit späterem Zinslaufbeginn.<br />

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Beispiel 10:<br />

Einkommensteuer 2004:<br />

z.v.E. Steuer<br />

bisherige Steuerfestsetzung: 50 000 € 14 801 €<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 500 €<br />

Soll: 14 301 €<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung:<br />

48. (1) neue Tatsache: ./. 1 500 €<br />

(2) Verlustrücktrag aus 2005: ./. 10 000 €<br />

(3) rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis aus 2006: + 2 500 €<br />

Neue Steuerfestsetzung: 41 000 € 10 771 €<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 500 €<br />

neues Soll: 10 271 €<br />

Unterschiedsbetrag (Min<strong>de</strong>rsoll): ./. 4 030 €<br />

Ermittlung <strong>de</strong>r Teil-Unterschiedsbeträge:<br />

z.v.E. Steuer<br />

– bisherige Festsetzung: 50 000 € 14 801 €<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 500 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

Soll: 14 301 €<br />

– 1. Schattenveranlagung<br />

48 500 € 14 097 €<br />

(bisherige Festsetzung + neue Tatsache):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 500 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

Soll: 13 597 €<br />

Erster Teil-Unterschiedsbetrag = ./. 704 €<br />

– 2. Schattenveranlagung<br />

38 500 € 9 736 €<br />

(1. Schattenveranlagung + Verlustrücktrag aus<br />

2005):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 500 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

Soll: 9 236 €<br />

Zweiter Teil-Unterschiedsbetrag = ./. 4 361 €<br />

– 3. Schattenveranlagung<br />

41 000 € 10 771 €<br />

(2. Schattenveranlagung + rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis<br />

aus 2006):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong><br />

./. 500 €<br />

Steuerabzugsbeträge:<br />

Soll: 10 271 €<br />

Dritter Teil-Unterschiedsbetrag = + 1 035 €<br />

Summe <strong>de</strong>r Teil-Unterschiedsbeträge: ./. 4 030 €<br />

49. Alle Teil-Unterschiedsbeträge sind jeweils geson<strong>de</strong>rt auf <strong>de</strong>n nächsten durch fünfzig Euro teilbaren Betrag<br />

ab<strong>zur</strong>un<strong>de</strong>n, da <strong>de</strong>r Zinslauf für die zu verzinsen<strong>de</strong>n Beträge zu jeweils abweichen<strong>de</strong>n Zeitpunkten beginnt<br />

(§ 238 Abs. 2).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 192 von 235


50. Die auf die einzelnen Teil-Unterschiedsbeträge entfallen<strong>de</strong>n Zinsen sind eigenständig und in ihrer zeitlichen<br />

Reihenfolge zu berechnen, beginnend mit <strong>de</strong>n Zinsen auf <strong>de</strong>n Teil-Unterschiedsbetrag mit <strong>de</strong>m ältesten<br />

Zinslaufbeginn (§ 233a Abs. 7 Satz 1 2. Halbsatz). Dabei ist für je<strong>de</strong>n Zinslauf bzw.<br />

Zinsberechnungszeitraum eigenständig zu prüfen, inwieweit jeweils volle Zinsmonate vorliegen.<br />

51. Ergibt sich bei <strong>de</strong>r Aufhebung, Än<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Berichtigung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Rücknahme, <strong>de</strong>m<br />

Wi<strong>de</strong>rruf o<strong>de</strong>r Berichtigung <strong>de</strong>r Anrechnung von Steuerbeträgen ein Mehrsoll, fallen hierauf Zinsen an, die<br />

zu <strong>de</strong>n bisher berechneten Zinsen hinzutreten.<br />

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Beispiel 11:<br />

Einkommensteuer 2004<br />

a) Erstmalige Steuerfestsetzung vom 11.12.2006,<br />

22 500 €<br />

bekannt gegeben am 14.12.2006:<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 2 500 €<br />

Soll: 20 000 €<br />

abzüglich festgesetzte Vorauszahlungen: ./. 13 000 €<br />

Unterschiedsbetrag (Mehrsoll): 7 000 €<br />

Zu verzinsen sind 7 000 € zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen für die<br />

Zeit<br />

vom 1.4.2006 bis 14.12.2006<br />

(8 volle Monate × 0,5 v. H. = 4 v. H.).<br />

Festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen (Nachzahlungszinsen): 280 €<br />

b) Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung nach § 173 (Bescheid vom 23 500 €<br />

1.10.2007,<br />

bekannt gegeben am 4.10.2007):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 2 500 €<br />

Soll: 21 000 €<br />

abzüglich bisher festgesetzte Steuer (Soll): ./. 20 000 €<br />

Unterschiedsbetrag (Mehrsoll): 1 000 €<br />

Zu verzinsen sind 1 000 € zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen für die<br />

Zeit<br />

vom 1.4.2006 bis 4.10.2007<br />

(18 volle Monate × 0,5 v. H. = 9 v. H.).<br />

Nachzahlungszinsen: 90 €<br />

dazu bisher festgesetzte Zinsen: 280 €<br />

Insgesamt festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen: 370 €<br />

53. Ergibt sich zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen ein Min<strong>de</strong>rsoll, wird bis <strong>zur</strong> Höhe dieses Min<strong>de</strong>rsolls nur <strong>de</strong>r<br />

tatsächlich zu erstatten<strong>de</strong> Betrag verzinst, und zwar ab <strong>de</strong>m Zeitpunkt <strong>de</strong>r Zahlung bis <strong>zur</strong> Wirksamkeit <strong>de</strong>r<br />

Steuerfestsetzung (§ 233a Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 3). Zur Berücksichtigung bei vorangegangenen<br />

Zinsfestsetzungen ermittelter fiktiver Zahlungen vgl. Nr. 40. Steht die Zahlung noch aus, wer<strong>de</strong>n keine<br />

Erstattungszinsen festgesetzt. Besteht <strong>de</strong>r zu erstatten<strong>de</strong> Betrag aus mehreren Einzahlungen, richtet sich <strong>de</strong>r<br />

Zinsberechnungszeitraum nach <strong>de</strong>r Einzahlung <strong>de</strong>s jeweiligen Teilbetrags, wobei unterstellt wird, dass die<br />

Erstattung zuerst aus <strong>de</strong>m zuletzt gezahlten Betrag erfolgt.<br />

54. Neben <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>r Erstattungszinsen sind die bisher auf <strong>de</strong>n Herabsetzungsbetrag ggf. berechneten<br />

Nachzahlungszinsen für die Zeit ab Beginn <strong>de</strong>s Zinslaufs zu min<strong>de</strong>rn. Dabei darf jedoch höchstens auf <strong>de</strong>n<br />

Unterschiedsbetrag <strong>de</strong>r bei Beginn <strong>de</strong>s Zinslaufs festgesetzten Steuer <strong>zur</strong>ückgegangen wer<strong>de</strong>n, um zu<br />

vermei<strong>de</strong>n, dass eine Korrektur für einen Zeitraum erfolgt, für <strong>de</strong>n keine Nachzahlungszinsen berechnet<br />

wor<strong>de</strong>n sind.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 193 von 235


© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

Beispiel 12:<br />

Einkommensteuer 2004<br />

a) Steuerfestsetzung vom 12.12.2006,<br />

22 500 €<br />

bekannt gegeben am 15.12.2006:<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 2 500 €<br />

Soll: 20 000 €<br />

abzüglich festgesetzte Vorauszahlungen: ./. 13 000 €<br />

Unterschiedsbetrag (Mehrsoll): 7 000 €<br />

Der Steuerpflichtige hat innerhalb <strong>de</strong>r Karenzzeit die<br />

Vorauszahlungen i. H. v. 13 000 € sowie am 15.6.2006 die<br />

Abschlusszahlung i. H. v. 7 000 € gezahlt.<br />

Zu verzinsen sind 7 000 € zuungunsten <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen für die Zeit<br />

vom 1.4.2006 bis 15.12.2006<br />

(8 volle Monate × 0,5 v. H. = 4 v. H.).<br />

Festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen (Nachzahlungszinsen): 280 €<br />

b) Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung nach § 173 (Bescheid vom 17 500 €<br />

12.10.2007,<br />

bekannt gegeben am 15.10.2007):<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 2 500 €<br />

Soll: 15 000 €<br />

abzüglich bisher festgesetzte Steuer (Soll): ./. 20 000 €<br />

Unterschiedsbetrag (Min<strong>de</strong>rsoll): ./. 5 000 €<br />

Zu erstatten sind 5 000 €<br />

Zu verzinsen sind 5 000 € zugunsten <strong>de</strong>s<br />

./. 100 €<br />

Steuerpflichtigen für die Zeit<br />

vom 15.6.2007 bis 15.10.2007<br />

(4 volle Monate × 0,5 v. H. = 2 v. H.).<br />

Festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen (Erstattungszinsen):<br />

Bisher festgesetzte Zinsen + 280 €<br />

Min<strong>de</strong>rung zuvor festgesetzter Nachzahlungszinsen:<br />

7 000 € abgerun<strong>de</strong>t: 7 000 €<br />

./. 5 000 €<br />

./. 2 000 € maximal: ./. 2 000 €<br />

5 000 €<br />

5 000 € vom 1.4.2006 bis zum 15.12.2006<br />

./. 200 €<br />

(8 volle Monate × 0,5 v. H. = 4 v. H.)<br />

+ 80 € + 80 €<br />

Insgesamt festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen: ./. 20 €<br />

56. Bei Teil-Unterschiedsbeträgen zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen ist die Berechnung von Erstattungszinsen auf<br />

<strong>de</strong>n fiktiv zu erstatten<strong>de</strong>n Betrag begrenzt. Dazu sind alle maßgeblichen Zahlungen (einschließlich fiktiver<br />

Zahlungen i. S. d. Nr. 40) und <strong>de</strong>r jeweilige Tag <strong>de</strong>r Zahlung zu ermitteln. Durch Gegenüberstellung dieser<br />

Zahlungen und <strong>de</strong>r nach Nr. 47 fiktiv ermittelten Steuer, vermin<strong>de</strong>rt um an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge<br />

und an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Körperschaftsteuer, ergibt sich <strong>de</strong>r fiktive Erstattungsbetrag.<br />

Die Verzinsung <strong>de</strong>r einzelnen Teil-Unterschiedsbeträge beginnt frühestens mit <strong>de</strong>m Tag <strong>de</strong>r Zahlung. Besteht<br />

<strong>de</strong>r zu erstatten<strong>de</strong> Betrag aus mehreren Einzahlungen, richtet sich <strong>de</strong>r Zinsberechnungszeitraum nach <strong>de</strong>r<br />

Einzahlung <strong>de</strong>s jeweiligen Teilbetrags, wobei unterstellt wird, dass die Erstattung zuerst aus <strong>de</strong>m zuletzt<br />

gezahlten Betrag erfolgt. Bei weiteren Teil-Unterschiedsbeträgen zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen bleiben die<br />

bereits bei einer vorangegangenen Zinsberechnung berücksichtigten Zahlungen außer Betracht.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 194 von 235


Ist bei einem Teil-Unterschiedsbetrag zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen mehr als ein Betrag (mehrere<br />

Einzahlungen) zu verzinsen, so ist <strong>de</strong>r durch die Rundung auf <strong>de</strong>n nächsten durch fünfzig Euro teilbaren<br />

Betrag sich ergeben<strong>de</strong> Spitzenbetrag jeweils vom Teilbetrag mit <strong>de</strong>m ältesten Wertstellungstag abzuziehen.<br />

57. Bei Teil-Unterschiedsbeträgen zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen sind neben <strong>de</strong>r Berechnung von<br />

Erstattungszinsen die zuvor auf <strong>de</strong>n Herabsetzungsbetrag ggf. berechneten Nachzahlungszinsen zu min<strong>de</strong>rn.<br />

Nachzahlungszinsen entfallen dabei allerdings frühestens ab <strong>de</strong>m Zeitpunkt, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Zinslauf <strong>de</strong>s Teil-<br />

Unterschiedsbetrags zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen beginnt; Nachzahlungszinsen für <strong>de</strong>n Zeitraum bis zum<br />

Beginn <strong>de</strong>s Zinslaufs <strong>de</strong>s Teil-Unterschiedsbetrags zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen bleiben endgültig<br />

bestehen (§ 233a Abs. 7 Satz 2). Nachzahlungszinsen mit unterschiedlichem Zinslaufbeginn sind in ihrer<br />

zeitlichen Reihenfolge, beginnend mit <strong>de</strong>n Nachzahlungszinsen mit <strong>de</strong>m ältesten Zinslaufbeginn, innerhalb<br />

dieser Gruppen beginnend mit <strong>de</strong>n Nachzahlungszinsen mit <strong>de</strong>m jüngsten Zinslaufen<strong>de</strong>, zu min<strong>de</strong>rn.<br />

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Beispiel 13<br />

58. (Fortsetzung von Beispiel 9):<br />

Einkommensteuer 2004<br />

Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 geän<strong>de</strong>rte Steuerfestsetzung vom<br />

26.3.2010,<br />

bekannt gegeben am 29.3.2010:<br />

z.v.E.<br />

Steuer<br />

27 175 € 5 297 €<br />

abzüglich an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge: ./. 1 000 €<br />

Soll: 4 297 €<br />

abzüglich bisher festgesetzte Steuer (Soll): ./. 7 376 €<br />

Unterschiedsbetrag (Min<strong>de</strong>rsoll): ./. 3 079 €<br />

Der Steuerpflichtige hat bis zum 31.3.2006 insgesamt 7 000 € sowie am 2.6.2007 weitere 2 550 € gezahlt.<br />

Aufgrund <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung vom 9.12.2008 sind ihm bereits 2 174 € erstattet wor<strong>de</strong>n.<br />

Bei <strong>de</strong>r geän<strong>de</strong>rten Steuerfestsetzung vom 26.3.2010 wur<strong>de</strong> ein rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis aus 2005 (Min<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s<br />

z.v.E. um 8 692 €) erstmals berücksichtigt.<br />

Zinsberechnung:<br />

Verzinsung <strong>de</strong>s Unterschiedsbetrags mit Zinslaufbeginn 1.4.2007:<br />

Gegenüberstellung <strong>de</strong>r maßgeblichen Zahlungen und <strong>de</strong>s Solls<br />

Zahlung Tag <strong>de</strong>r Zahlung Soll fiktive Erstattung unverzinster<br />

Zahlungsrest<br />

376 € 02.06.2007 376 € 0 €<br />

2 000 € 10.12.2004 2 000 € 0 €<br />

2 000 € 10.09.2004 703 € 1 297 €<br />

2 000 € 10.06.2004 0 € 2 000 €<br />

1 000 € 10.03.2004 0 € 1 000 €<br />

7 376 € 4 297 € 3 079 € 4 297 €<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 195 von 235


Zu verzinsen ist höchstens <strong>de</strong>r abgerun<strong>de</strong>te zu erstatten<strong>de</strong> Betrag von<br />

3 050 €:<br />

376 € für die Zeit vom 2.6.2007 bis zum 29.3.2010<br />

(33 volle Monate × 0,5 v. H. = 16,5 v. H.):<br />

2 674 € für die Zeit vom 1.4.2007 bis zum 29.3.2010<br />

(35 volle Monate × 0,5 v. H. = 17,5 v. H.):<br />

62,04 €<br />

467,95 €<br />

529,99 €<br />

Zinsen (Erstattungszinsen): ./. 529,99 €<br />

Abrundung nach § 238 Abs. 2: 29 €<br />

Bisher festgesetzte Zinsen: 475,00 €<br />

Min<strong>de</strong>rung zuvor berechneter Nachzahlungszinsen: 3 0,00 €<br />

475,00 € 475,00 €<br />

./. 54,99 €<br />

Insgesamt festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen: 4 ./. 55,00 €<br />

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59. Zinsen wer<strong>de</strong>n nur festgesetzt, wenn sie min<strong>de</strong>stens zehn Euro betragen (§ 239 Abs. 2 Satz 2). Dabei ist<br />

jeweils auf die sich insgesamt ergeben<strong>de</strong>n Zinsen abzustellen, nicht nur auf <strong>de</strong>n Betrag, <strong>de</strong>r sich durch die<br />

Verzinsung <strong>de</strong>s letzten Unterschiedsbetrags bzw. Teil-Unterschiedsbetrags o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s letzten<br />

Erstattungsbetrags ergibt. Wären insgesamt weniger als zehn Euro festzusetzen, ist <strong>de</strong>r bisherige<br />

Zinsbescheid zu än<strong>de</strong>rn.<br />

Nach § 239 Abs. 2 Satz 1 sind Zinsen auf volle Euro zum Vorteil <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen zu run<strong>de</strong>n.<br />

Maßgebend sind die festzusetzen<strong>de</strong>n Zinsen, d. h. die Summe <strong>de</strong>r auf die einzelnen Teil-Unterschiedsbeträge<br />

berechneten Zinsen.<br />

Sofern die Summe aller fiktiven Erstattungen größer ist als die tatsächliche Erstattung, ist <strong>de</strong>r<br />

Differenzbetrag für spätere Zinsberechnungen als fiktive Zahlung zu berücksichtigen. Als Zahlungstag dieser<br />

fiktiven Zahlung ist <strong>de</strong>r Tag zu berücksichtigen, an <strong>de</strong>m die Steuerfestsetzung bzw. die Steueranmeldung<br />

wirksam gewor<strong>de</strong>n ist.<br />

Zinsberechnung bei sog. NV-Fällen<br />

60. Ist eine Veranlagung <strong>zur</strong> Einkommensteuer nicht durchzuführen, weil die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 46 EStG<br />

nicht erfüllt sind, sind festgesetzte und geleistete Vorauszahlungen zu erstatten. Die Erstattungszinsen sind so<br />

zu berechnen, als sei eine Steuerfestsetzung über Null Euro erfolgt. Wird eine Einkommensteuerfestsetzung,<br />

die zu einer Erstattung geführt hat, aufgehoben und die Abrechnung geän<strong>de</strong>rt, so dass die bisher<br />

angerechneten Steuerabzugsbeträge <strong>zur</strong>ückgefor<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, ist diese Steuernachfor<strong>de</strong>rung zu verzinsen.<br />

Eine bisher durchgeführte Zinsfestsetzung (Erstattungszinsen) ist nach § 233a Abs. 5 Satz 1 zu än<strong>de</strong>rn.<br />

Zinsberechnung bei <strong>de</strong>r Vermögensteuer<br />

61.1 Bei <strong>de</strong>r Verzinsung <strong>de</strong>r Vermögensteuer ist die für je<strong>de</strong>s Jahr festgesetzte Steuer getrennt zu behan<strong>de</strong>ln.<br />

Dies gilt auch für die Kleinbetragsgrenze <strong>de</strong>s § 239 Abs. 2. Obwohl die Vermögensteuer mit Beginn <strong>de</strong>s<br />

Kalen<strong>de</strong>rjahres, für das sie festzusetzen ist, entsteht (§ 5 Abs. 2 VStG), beginnt die 15-monatige<br />

Karenzzeit erst mit Ablauf <strong>de</strong>s jeweiligen Kalen<strong>de</strong>rjahres.<br />

61.2 Den Beson<strong>de</strong>rheiten <strong>de</strong>r Zinsberechnung bei <strong>de</strong>r Haupt- und Nachveranlagung sowie bei <strong>de</strong>r<br />

Neuveranlagung <strong>de</strong>r Vermögensteuer und <strong>de</strong>r Aufhebung einer Vermögensteuer-Veranlagung wird durch<br />

§ 233a Abs. 3 Satz 2 Rechnung getragen. Danach ist bei <strong>de</strong>r Zinsberechnung jeweils <strong>de</strong>r Unterschied<br />

entwe<strong>de</strong>r zwischen <strong>de</strong>r festgesetzten Jahressteuer und <strong>de</strong>n festgesetzten Vorauszahlungen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

festgesetzten Jahressteuer und <strong>de</strong>r bisher festgesetzten Jahressteuer maßgebend. Wer<strong>de</strong>n nach Beginn <strong>de</strong>s<br />

Zinslaufs gleichzeitig eine (befristete) Hauptveranlagung und eine Neuveranlagung durchgeführt, so ist<br />

bei <strong>de</strong>r Ermittlung <strong>de</strong>r Unterschiedsbeträge jeweils vom Vorauszahlungssoll auszugehen. Wird die<br />

Neuveranlagung dagegen in zeitlichem Abstand nach <strong>de</strong>r Hauptveranlagung durchgeführt, so ist für die<br />

3 Anmerkung:<br />

Die in <strong>de</strong>r vorangegangenen Zinsfestsetzung (Beispiel 9) für <strong>de</strong>n Zeitraum bis zum Beginn <strong>de</strong>s Zinslaufs <strong>de</strong>s<br />

3. Teil-Unterschiedsbetrags (d. h. für <strong>de</strong>n Zeitraum bis zum 31.3.2008) berechneten Nachzahlungszinsen<br />

bleiben nach § 233a Abs. 7 Satz 2 2. Halbsatz endgültig bestehen und können <strong>de</strong>shalb in dieser Zinsfestsetzung<br />

nicht mehr gemin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n.<br />

4 Anmerkung:<br />

Die Zinsen wur<strong>de</strong>n zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen gerun<strong>de</strong>t (§ 239 Abs. 2 Satz 1).<br />

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Zinsberechnung <strong>de</strong>r Unterschiedsbetrag zum Hauptveranlagungssoll maßgebend. Anlässlich einer Neuo<strong>de</strong>r<br />

Nachveranlagung o<strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>r Veranlagung <strong>zur</strong> Vermögensteuer ist eine bisherige<br />

Zinsfestsetzung entsprechend § 233a Abs. 5 zu än<strong>de</strong>rn.<br />

Zinsberechnung bei Vorsteuer-Vergütungsansprüchen<br />

62. Beträgt <strong>de</strong>r Vergütungszeitraum weniger als ein Kalen<strong>de</strong>rjahr (§ 60 UStDV), sind <strong>zur</strong> Berechnung <strong>de</strong>s<br />

Unterschiedsbetrags alle für ein Kalen<strong>de</strong>rjahr festgesetzten Vergütungen zusammenzufassen. Der Zinslauf<br />

beginnt grundsätzlich 15 Monate nach Ablauf <strong>de</strong>s Kalen<strong>de</strong>rjahres, für das die Vergütung(en) festgesetzt<br />

wor<strong>de</strong>n sind (§ 233a Abs. 2 Satz 1). Er en<strong>de</strong>t mit Ablauf <strong>de</strong>s Tages, an <strong>de</strong>m die Festsetzung <strong>de</strong>r Vergütung<br />

wirksam gewor<strong>de</strong>n ist (§ 233a Abs. 2 Satz 3). Zur Festsetzungsverjährung <strong>de</strong>s Zinsanspruchs vgl. § 239<br />

Abs. 1.<br />

Verhältnis zu an<strong>de</strong>ren steuerlichen Nebenleistungen<br />

63. Zur Berücksichtigung <strong>de</strong>r Verzinsung nach § 233a bei <strong>de</strong>r Bemessung <strong>de</strong>s Verspätungszuschlags vgl. zu<br />

§ 152, Nr. 8.<br />

64. Die Erhebung von Säumniszuschlägen (§ 240) bleibt durch § 233a unberührt, da die Vollverzinsung nur <strong>de</strong>n<br />

Zeitraum bis <strong>zur</strong> Festsetzung <strong>de</strong>r Steuer betrifft. Sollten sich in Fällen, in <strong>de</strong>nen die Steuerfestsetzung<br />

zunächst zugunsten und sodann wie<strong>de</strong>r zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen geän<strong>de</strong>rt wird, Überschneidungen<br />

ergeben, sind insoweit die Säumniszuschläge <strong>zur</strong> Hälfte zu erlassen.<br />

65. Überschneidungen von Stundungszinsen und Nachzahlungszinsen nach § 233a können sich ergeben, wenn<br />

die Steuerfestsetzung nach Ablauf <strong>de</strong>r Stundung zunächst zugunsten und später wie<strong>de</strong>r zuungunsten <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen geän<strong>de</strong>rt wird (siehe § 234 Abs. 1 Satz 2). Zur Vermeidung einer Doppelverzinsung<br />

wer<strong>de</strong>n Nachzahlungszinsen, die für <strong>de</strong>nselben Zeitraum festgesetzt wur<strong>de</strong>n, im Rahmen <strong>de</strong>r Zinsfestsetzung<br />

auf Stundungszinsen angerechnet (§ 234 Abs. 3). Erfolgt die Zinsfestsetzung nach § 233a aber erst nach<br />

Festsetzung <strong>de</strong>r Stundungszinsen, sind Nachzahlungszinsen insoweit nach § 227 zu erlassen, als sie für<br />

<strong>de</strong>nselben Zeitraum wie die bereits erhobenen Stundungszinsen festgesetzt wur<strong>de</strong>n.<br />

66. Überschneidungen mit Hinterziehungszinsen (§ 235) sind möglich, etwa weil <strong>de</strong>r Zinslauf mit Eintritt <strong>de</strong>r<br />

Verkürzung und damit vor Festsetzung <strong>de</strong>r Steuer beginnt. Zinsen nach § 233a, die für <strong>de</strong>nselben Zeitraum<br />

festgesetzt wur<strong>de</strong>n, sind im Rahmen <strong>de</strong>r Zinsfestsetzung auf die Hinterziehungszinsen an<strong>zur</strong>echnen (§ 235<br />

Abs. 4) Dies gilt ungeachtet <strong>de</strong>r unterschiedlichen ertragsteuerlichen Behandlung bei<strong>de</strong>r Zinsarten. Zur<br />

Berechnung vgl. zu § 235, Nr. 4.<br />

67. Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge (§ 236) wer<strong>de</strong>n ab Rechtshängigkeit bzw. ab <strong>de</strong>m Zahlungstag<br />

berechnet. Überschneidungen mit Erstattungszinsen nach § 233a sind daher möglich. Zur Vermeidung einer<br />

Doppelverzinsung wer<strong>de</strong>n Zinsen nach § 233a, die für <strong>de</strong>nselben Zeitraum festgesetzt wur<strong>de</strong>n, im Rahmen<br />

<strong>de</strong>r Zinsfestsetzung auf die Prozesszinsen angerechnet (§ 236 Abs. 4).<br />

68. Überschneidungen mit Aussetzungszinsen (§ 237) sind im Regelfall nicht möglich, da Zinsen nach § 233a<br />

Abs 1 bis 3 nur für <strong>de</strong>n Zeitraum bis <strong>zur</strong> Festsetzung <strong>de</strong>r Steuer, Aussetzungszinsen jedoch frühestens ab <strong>de</strong>r<br />

Fälligkeit <strong>de</strong>r Steuernachfor<strong>de</strong>rung entstehen können (vgl. zu § 237, Nr. 6). Überschneidungen können sich<br />

aber ergeben, wenn Aussetzungszinsen erhoben wur<strong>de</strong>n, weil die Anfechtung einer Steuerfestsetzung<br />

erfolglos blieb, und die Steuerfestsetzung nach Abschluss <strong>de</strong>s Rechtsbehelfsverfahrens (siehe § 237 Abs. 5)<br />

zunächst zugunsten und sodann zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen geän<strong>de</strong>rt wird. Zur Vermeidung einer<br />

Doppelverzinsung wer<strong>de</strong>n Nachzahlungszinsen, die für <strong>de</strong>nselben Zeitraum festgesetzt wur<strong>de</strong>n, im Rahmen<br />

<strong>de</strong>r Zinsfestsetzung auf Aussetzungszinsen angerechnet (§ 237 Abs. 4 i. V. m. § 234 Abs. 3). Erfolgt die<br />

Zinsfestsetzung nach § 233a aber erst nach Festsetzung <strong>de</strong>r Aussetzungszinsen, sind Nachzahlungszinsen<br />

insoweit nach § 227 zu erlassen, als sie für <strong>de</strong>nselben Zeitraum wie die bereits erhobenen Aussetzungszinsen<br />

festgesetzt wur<strong>de</strong>n.<br />

Billigkeitsmaßnahmen<br />

69. Allgemeines<br />

69.1 Billigkeitsmaßnahmen hinsichtlich <strong>de</strong>r Zinsen kommen in Betracht, wenn solche auch hinsichtlich <strong>de</strong>r<br />

zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Steuer zu treffen sind.<br />

69.2 Daneben sind auch zinsspezifische Billigkeitsmaßnahmen möglich (BFH-Urteil vom 24.7.1996 –<br />

X R 23/94 – BFH/NV 1997 S. 92). Beim Erlass von Zinsen nach § 233a aus sachlichen<br />

Billigkeitsgrün<strong>de</strong>n i. S. d. §§ 163, 227 ist zu berücksichtigen, dass die Entstehung <strong>de</strong>s Zinsanspruchs <strong>de</strong>m<br />

Grun<strong>de</strong> und <strong>de</strong>r Höhe nach gemäß Wortsinn, Zusammenhang und Zweck <strong>de</strong>s Gesetzes, <strong>de</strong>n<br />

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Liquiditätsvorteil <strong>de</strong>s Steuerschuldners und <strong>de</strong>n Liquiditätsnachteil <strong>de</strong>s Steuergläubigers auszugleichen,<br />

ein<strong>de</strong>utig unabhängig von <strong>de</strong>r konkreten Einzelfallsituation geregelt ist und, rein objektiv,<br />

ergebnisbezogen allein vom Eintritt bestimmter Ereignisse (Fristablauf i. S. d. § 233a Abs. 2 o<strong>de</strong>r 2a,<br />

Unterschiedsbetrag i. S. d. § 233a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 233a Abs. 3 o<strong>de</strong>r 5) abhängt.<br />

Nach <strong>de</strong>m Willen <strong>de</strong>s Gesetzgebers soll die Verzinsung nach § 233a einen Ausgleich dafür schaffen, dass<br />

die Steuern bei <strong>de</strong>n einzelnen Steuerpflichtigen „aus welchen Grün<strong>de</strong>n auch immer“ zu unterschiedlichen<br />

Zeitpunkten festgesetzt und fällig wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteile vom 20.9.1995 – X R 86/94 – BStBl. 1996 II,<br />

S. 53, vom 5.6.1996 – X R 234/93 – BStBl. II, S. 503, und vom 12.4.2000 – XI R 21/97 – BFH/NV 2000<br />

S. 1178). Für die Anwendung <strong>de</strong>r Vorschrift sind daher die Ursachen und Begleitumstän<strong>de</strong> im Einzelfall<br />

unbeachtlich. Die reine Möglichkeit <strong>de</strong>r Kapitalnutzung (vgl. BFH-Urteil vom 25.11.1997 –<br />

IX R 28/96 – BStBl. 1998 II, S. 550) bzw. die bloße Verfügbarkeit eines bestimmten Kapitalbetrages<br />

(BFH-Urteil vom 12.4.2000 – XI R 21/97 – BFH/NV 2000 S. 1178) reicht aus. Rechtfertigung für die<br />

Entstehung <strong>de</strong>r Zinsen nach § 233a ist nicht nur ein abstrakter Zinsvorteil <strong>de</strong>s Steuerschuldners, son<strong>de</strong>rn<br />

auch ein ebensolcher Nachteil <strong>de</strong>s Steuergläubigers (BFH-Urteil vom 19.3.1997 – I R 63/97 – BStBl. II,<br />

S. 446). Ein Verschul<strong>de</strong>n ist prinzipiell irrelevant, und zwar auf bei<strong>de</strong>n Seiten <strong>de</strong>s<br />

Steuerschuldverhältnisses (vgl. BFH-Entscheidungen vom 4.11.1996 – I B 67/96 – BFH/NV 1997<br />

S. 458, vom 15.4.1999 – V R 63/97 – BFH/NV 1999 S. 1392, vom 3.5.2000 – II B 124/99 – BFH/NV<br />

2000 S. 1441, und vom 30.11.2000 – I B 169/00 – BFH/NV 2001 S. 656).<br />

Zinsen nach § 233a sind we<strong>de</strong>r Sanktions- noch Druckmittel o<strong>de</strong>r Strafe, son<strong>de</strong>rn laufzeitabhängige<br />

Gegenleistung für eine mögliche Kapitalnutzung. Vor diesem gesetzlichen Hintergrund ist es<br />

unerheblich, ob <strong>de</strong>r – typisierend vom Gesetz unterstellte – Zinsvorteil <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen auf einer<br />

verzögerten Einreichung <strong>de</strong>r Steuererklärung durch <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen o<strong>de</strong>r einer verzögerten<br />

Bearbeitung durch das Finanzamt beruht (vgl. z. B. BFH-Beschlüsse vom 3.5.2000 – II B 124/99 –<br />

BFH/NV 2000 S. 1441 und vom 2.2.2001 – XI B 91/00 – BFH/NV 2001 S. 1003). Bei <strong>de</strong>r Verzinsung<br />

nach § 233a kommt es auch nicht auf eine konkrete Berechnung <strong>de</strong>r tatsächlich eingetretenen Zinsvorund<br />

-nachteile an (BFH-Urteil vom 19.3.1997 – I R 7/96 –, BStBl. II, S. 446).<br />

Die Erhebung von Zinsen auf einen Nachfor<strong>de</strong>rungsbetrag, <strong>de</strong>r sich nach <strong>de</strong>r Korrektur einer<br />

Steuerfestsetzung ergibt, entspricht (vom Anwendungsbereich <strong>de</strong>s § 233a Abs. 2a und Abs. 7 abgesehen)<br />

<strong>de</strong>n Wertungen <strong>de</strong>s § 233a und ist nicht sachlich unbillig (siehe dazu § 233a Abs. 5; vgl. auch BFH-<br />

Entscheidungen vom 12.4.2000 – XI R 21/97 – BFH/NV 2000 S. 1178, und vom 30.11.2000 –<br />

V B 169/00 – BFH/NV 2001 S. 656).<br />

An<strong>de</strong>rerseits ist für einen Ausgleich in Form einer Verzinsung <strong>de</strong>r Steuernachfor<strong>de</strong>rung dann kein Raum,<br />

wenn zweifelsfrei feststeht, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige durch die verspätete Steuerfestsetzung keinen<br />

Vorteil erlangt hatte (vgl. BFH-Urteile vom 11.7.1996 – V R 18/95 – BStBl. 1997 II, S. 259, und vom<br />

12.4.2000 – XI R 21/97 – BFH/NV 2000 S. 1178). Festgesetzte Nachzahlungszinsen sind in diesem Fall<br />

wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen (vgl. Nr. 70).<br />

69.3 Eine gegenüber <strong>de</strong>r Regelung in § 233a höhere Festsetzung von Erstattungszinsen aus Billigkeitsgrün<strong>de</strong>n<br />

ist nicht zulässig.<br />

70. Einzelfragen<br />

70.1 Leistungen vor Festsetzung <strong>de</strong>r zu verzinsen<strong>de</strong>n Steuer<br />

70.1.1 Zinsen nach § 233a sind auch dann festzusetzen, wenn vor Festsetzung <strong>de</strong>r Steuer freiwillige Leistungen<br />

erbracht wer<strong>de</strong>n. Nachzahlungszinsen sind aber aus sachlichen Billigkeitsgrün<strong>de</strong>n zu erlassen, soweit <strong>de</strong>r<br />

Steuerpflichtige auf die sich aus <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung ergeben<strong>de</strong> Steuerzahlungsfor<strong>de</strong>rung bereits vor<br />

Wirksamkeit <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung freiwillige Leistungen erbracht und das Finanzamt diese Leistungen<br />

angenommen und behalten hat.<br />

70.1.2 Nachzahlungszinsen sind daher nur für <strong>de</strong>n Zeitraum bis zum Eingang <strong>de</strong>r freiwilligen Leistung zu<br />

erheben. Wur<strong>de</strong> die freiwillige Leistung erst nach Beginn <strong>de</strong>s Zinslaufs erbracht o<strong>de</strong>r war sie geringer als<br />

<strong>de</strong>r zu verzinsen<strong>de</strong> Unterschiedsbetrag, sind Nachzahlungszinsen aus Vereinfachungsgrün<strong>de</strong>n insoweit<br />

zu erlassen, wie die auf volle fünfzig Euro abgerun<strong>de</strong>te freiwillige Leistung für jeweils volle Monate vor<br />

Wirksamkeit <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung erbracht wor<strong>de</strong>n ist (fiktive Erstattungszinsen). Ein Zinserlass<br />

schei<strong>de</strong>t dabei aus, wenn <strong>de</strong>r zu erlassen<strong>de</strong> Betrag weniger als zehn Euro beträgt (§ 239 Abs. 2 Satz 2).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 198 von 235


Beispiel 14<br />

(Fortsetzung von Beispiel 1):<br />

Der Steuerpflichtige hat am 26.4.2006 eine freiwillige Leistung i. H. v. 4 025 € erbracht. Die zu erlassen<strong>de</strong>n<br />

Nachzahlungszinsen berechnen sich wie folgt:<br />

abgerun<strong>de</strong>te freiwillige Leistung: 4 000 €<br />

Beginn <strong>de</strong>s fiktiven Zinslaufs: 27.4.2006<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s fiktiven Zinslaufs (= Wirksamkeit <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung): 11.12.2006<br />

Zu erlassen<strong>de</strong> Nachzahlungszinsen:<br />

4 000 € × 7 volle Monate × 0,5 v. H. = 140 €<br />

Sofern sich bei <strong>de</strong>r Abrechnung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung unter Berücksichtigung <strong>de</strong>r freiwilligen Leistungen<br />

eine Rückzahlung ergibt, sind hierfür keine Erstattungszinsen festzusetzen. Leistungen, die <strong>de</strong>n<br />

Unterschiedsbetrag übersteigen, sind bei <strong>de</strong>m Erlass von Nachzahlungszinsen nicht zu berücksichtigen.<br />

Beispiel 15<br />

(Fortsetzung von Beispiel 1):<br />

Der zu verzinsen<strong>de</strong> Unterschiedsbetrag beträgt 7 000 €. Der Steuerpflichtige hat am 26.4.2006 eine Zahlung i. H. v.<br />

8 025 € geleistet. Die zu erlassen<strong>de</strong>n Nachzahlungszinsen berechnen sich wie folgt:<br />

– auf die sich aus <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung ergeben<strong>de</strong> Steuerzahlungsfor<strong>de</strong>rung erbrachte – 7 000 €<br />

(abgerun<strong>de</strong>te) freiwillige Leistung:<br />

Beginn <strong>de</strong>s fiktiven Zinslaufs: 27.4.2006<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s fiktiven Zinslaufs (= Wirksamkeit <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung): 11.12.2006<br />

Zu erlassen<strong>de</strong> Nachzahlungszinsen:<br />

7 000 € × 7 volle Monate × 0,5 v. H. = 245 €<br />

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70.1.3 Wenn das Finanzamt <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen fälschlicherweise Vorauszahlungen <strong>zur</strong>ückgezahlt hat, sind<br />

Nachzahlungszinsen nur zu erlassen, soweit <strong>de</strong>r Steuerpflichtige nicht nur das Finanzamt auf diesen<br />

Fehler aufmerksam gemacht, son<strong>de</strong>rn auch die materiell ungerechtfertigte Steuererstattung unverzüglich<br />

an das Finanzamt <strong>zur</strong>ücküberwiesen hat. Die Grundsätze <strong>de</strong>s BFH-Urteils vom 25.11.1997 –<br />

IX R 28/96 – BStBl. 1998 II, S. 550, sind nicht über <strong>de</strong>n entschie<strong>de</strong>nen Einzelfall hinaus anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

70.2 Billigkeitsmaßnahmen bei <strong>de</strong>r Verzinsung von Umsatzsteuer<br />

70.2.1 Die Verzinsung nachträglich festgesetzter Umsatzsteuer beim leisten<strong>de</strong>n Unternehmer ist nicht sachlich<br />

unbillig, wenn sich per Saldo ein Ausgleich <strong>de</strong>r Steuerfor<strong>de</strong>rung mit <strong>de</strong>n vom Leistungsempfänger<br />

abgezogenen Vorsteuerbeträgen ergibt (vgl. BFH-Urteile vom 20.1.1997 – V R 28/95 – BStBl. II, S. 716,<br />

und vom 15.4.1999 – V R 63/97 – BFH/NV S. 1392).<br />

70.2.2 Eine Billigkeitsmaßnahme kommt daher auch dann nicht in Betracht, wenn Leisten<strong>de</strong>r und<br />

Leistungsempfänger einen umsatzsteuerlich relevanten Sachverhalt nicht bereits in <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Voranmeldungen, son<strong>de</strong>rn jeweils erst in <strong>de</strong>n Jahresanmeldungen angeben, etwa wenn bei <strong>de</strong>r<br />

steuerpflichtigen Übertragung eines Sozietätsanteils das Veräußerungsgeschäft sowohl vom Veräußerer<br />

als auch vom Erwerber erst in <strong>de</strong>r Umsatzsteuer-Jahreserklärung und nicht bereits in <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Umsatzsteuer-Voranmeldung erfasst wird. Der Erwerber tritt bei einer solchen Fallgestaltung oftmals<br />

seinen Vorsteuererstattungsanspruch in voller Höhe an <strong>de</strong>n Veräußerer ab. Der Veräußerer hat seine<br />

Verpflichtung, <strong>de</strong>n Umsatz aus <strong>de</strong>r Teilbetriebsveräußerung im zutreffen<strong>de</strong>n Voranmeldungszeitraum zu<br />

berücksichtigen, verletzt, weshalb die nachträgliche Erfassung in <strong>de</strong>r Jahressteuerfestsetzung eine<br />

entsprechen<strong>de</strong> Nachfor<strong>de</strong>rung und <strong>de</strong>mentsprechend Nachfor<strong>de</strong>rungszinsen auslöst. Die Verzinsung<br />

nachträglich festgesetzter Umsatzsteuer beim Leisten<strong>de</strong>n ist auch <strong>de</strong>shalb nicht unbillig, weil die zu<br />

verzinsen<strong>de</strong> Umsatzsteuer für steuerbare und steuerpflichtige Leistungen unabhängig davon entsteht, ob<br />

<strong>de</strong>r leisten<strong>de</strong> Unternehmer sie in einer Rechnung geson<strong>de</strong>rt ausweist o<strong>de</strong>r beim Finanzamt voranmel<strong>de</strong>t<br />

(vgl. BFH-Urteil vom 20.1.1997 – V R 28/95 – BStBl. II, S. 716). Unbeachtlich bleibt, dass auch <strong>de</strong>r<br />

Erwerber bereits im Rahmen <strong>de</strong>s Voranmeldungsverfahrens eine entsprechen<strong>de</strong> Vorsteuervergütung hätte<br />

erlangen können. Unabhängig von <strong>de</strong>r Abtretung <strong>de</strong>s Erstattungsanspruchs an <strong>de</strong>n Veräußerer kann <strong>de</strong>r<br />

Erwerber gleichwohl in <strong>de</strong>n Genuss von Erstattungszinsen nach § 233a gelangen.<br />

70.2.3 Wer<strong>de</strong>n in einer Endrechnung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r zugehörigen Zusammenstellung die vor <strong>de</strong>r Leistung<br />

vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallen<strong>de</strong>n Umsatzsteuerbeträge nicht abgesetzt o<strong>de</strong>r<br />

angegeben, so hat <strong>de</strong>r Unternehmer <strong>de</strong>n gesamten in <strong>de</strong>r Endrechnung ausgewiesenen Steuerbetrag an<br />

das Finanzamt abzuführen. Der Unternehmer schul<strong>de</strong>t die in <strong>de</strong>r Endrechnung ausgewiesene Steuer, die<br />

auf die vor Ausführung <strong>de</strong>r Leistung vereinnahmten Teilentgelte entfällt, nach § 14c Abs. 1 UStG. Erteilt<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 199 von 235


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<strong>de</strong>r Unternehmer <strong>de</strong>m Leistungsempfänger nachträglich eine berichtigte Endrechnung, die <strong>de</strong>n<br />

Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s § 14 Abs. 5 Satz 2 UStG genügt, so kann er die von ihm geschul<strong>de</strong>te Steuer in <strong>de</strong>m<br />

Besteuerungszeitraum berichtigen, in <strong>de</strong>m die berichtigte Endrechnung erteilt wird (vgl. Abschn. 187<br />

Abs. 10 Satz 5 und 223 Abs. 9 UStR 2008). Hat <strong>de</strong>r Unternehmer die aufgrund <strong>de</strong>r fehlerhaften<br />

Endrechnung nach § 14c Abs. 1 UStG geschul<strong>de</strong>te Steuer nicht in seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung<br />

berücksichtigt, kann die Nachfor<strong>de</strong>rung dieser Steuer im Rahmen <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung für das<br />

Kalen<strong>de</strong>rjahr <strong>zur</strong> Festsetzung von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a führen, wenn <strong>de</strong>r Unternehmer die<br />

Endrechnung erst in einem auf das Kalen<strong>de</strong>rjahr <strong>de</strong>r ursprünglichen Rechnungserteilung folgen<strong>de</strong>n<br />

Kalen<strong>de</strong>rjahr berichtigt hat.<br />

Die Erhebung von Nachzahlungszinsen ist in <strong>de</strong>rartigen Fällen nicht sachlich unbillig (BFH-Urteil vom<br />

19.3.2009 – V R 48/07 – BStBl. 2009 II, S. ...). Aus Vertrauensschutzgrün<strong>de</strong>n können in <strong>de</strong>rartigen<br />

Fällen die festgesetzten Nachzahlungszinsen aber erlassen wer<strong>de</strong>n, wenn fehlerhafte Endrechnungen bis<br />

zum 22. Dezember 2009 gestellt wur<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>r Unternehmer nach Auf<strong>de</strong>ckung seines Fehlers sogleich<br />

eine berichtigte Endrechnung erteilt hat.<br />

70.2.4 Bei einer von <strong>de</strong>n ursprünglichen Steuerfestsetzungen abweichen<strong>de</strong>n zeitlichen Zuordnung eines<br />

Umsatzes durch das Finanzamt, die gleichzeitig zu einer Steuernachfor<strong>de</strong>rung und zu einer<br />

Steuererstattung führt, kann es sachlich unbillig sein, (in Wirklichkeit nicht vorhan<strong>de</strong>ne) Zinsvorteile<br />

abzuschöpfen (BFH-Urteil vom 11.7.1996 – V R 18/95 – BStBl. 1997 II, S. 259). Soweit zweifelsfrei<br />

feststeht, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige durch die verspätete Steuerfestsetzung keinen Vorteil o<strong>de</strong>r Nachteil<br />

hatte, kann durch die Verzinsung nach § 233a <strong>de</strong>r sich aus <strong>de</strong>r verspäteten Steuerfestsetzung ergeben<strong>de</strong>n<br />

Steuernachfor<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Steuererstattung kein Vorteil o<strong>de</strong>r Nachteil ausgeglichen wer<strong>de</strong>n.<br />

70.2.5 Im Fall einer vom Steuerpflichtigen fälschlicherweise angenommenen umsatzsteuerlichen Organschaft,<br />

bei <strong>de</strong>r er als vermeintlicher Organträger Voranmeldungen abgegeben hat und die gesamte Umsatzsteuer<br />

von „Organträger“ und „Organgesellschaft“ an das Finanzamt gezahlt hat, kommen<br />

Billigkeitsmaßnahmen nur in beson<strong>de</strong>rs gelagerten Ausnahmefällen in Betracht. Stellt das Finanzamt im<br />

Veranlagungsverfahren fest, dass keine umsatzsteuerliche Organschaft vorliegt und daher für die<br />

„Organgesellschaft“ eine eigenständige Steuerfestsetzung durchzuführen ist, führt dies bei <strong>de</strong>r<br />

„Organgesellschaft“ – wegen unterbliebener Voranmeldungen und Vorauszahlungen – <strong>zur</strong> Nachzahlung<br />

<strong>de</strong>r kompletten Umsatzsteuer für das entsprechen<strong>de</strong> Jahr; bei <strong>de</strong>m „Organträger“ i. d. R. aber zu einer<br />

Umsatzsteuererstattung. Die „Organgesellschaft“ muss daher Nachzahlungszinsen entrichten, während<br />

<strong>de</strong>r „Organträger“ Erstattungszinsen erhält. Da die Verzinsung nach § 233a <strong>de</strong>n Liquiditätsvorteil <strong>de</strong>s<br />

Steuerschuldners und <strong>de</strong>n Nachteil <strong>de</strong>s Steuergläubigers <strong>de</strong>r individuellen Steuerfor<strong>de</strong>rung ausgleichen<br />

soll, kann eine Billigkeitsmaßnahme in Betracht kommen, wenn und soweit dieser Schuldner keine<br />

Zinsvorteile hatte o<strong>de</strong>r haben konnte.<br />

70.2.6 Wird umgekehrt festgestellt, dass entgegen <strong>de</strong>r ursprünglichen Annahme eine umsatzsteuerliche<br />

Organschaft vorliegt, so sind die zunächst bei <strong>de</strong>r Organgesellschaft versteuerten Umsätze nunmehr in<br />

vollem Umfang <strong>de</strong>m Organträger zu<strong>zur</strong>echnen. Die USt-Festsetzung gegenüber <strong>de</strong>r GmbH<br />

(Organgesellschaft) ist aufzuheben, so dass i. d. R. Erstattungszinsen festgesetzt wer<strong>de</strong>n. Sämtliche<br />

Umsätze sind <strong>de</strong>m Organträger zu<strong>zur</strong>echnen, so dass diesem gegenüber i. d. R. Nachzahlungszinsen<br />

festgesetzt wer<strong>de</strong>n. Entstehen auf Grund <strong>de</strong>r Entscheidung, dass eine umsatzsteuerliche Organschaft<br />

vorliegt, insgesamt höhere Nachzahlungszinsen als Erstattungszinsen, können die übersteigen<strong>de</strong>n<br />

Nachzahlungszinsen insoweit aus sachlichen Billigkeitsgrün<strong>de</strong>n erlassen wer<strong>de</strong>n, wenn und soweit <strong>de</strong>r<br />

Schuldner keine Zinsvorteile hatte o<strong>de</strong>r haben konnte.<br />

70.3 Gewinnverlagerungen<br />

Die allgemeinen Regelungen <strong>de</strong>s § 233a sind auch bei <strong>de</strong>r Verzinsung solcher Steuernachfor<strong>de</strong>rungen<br />

und Steuererstattungen zu beachten, die in engem sachlichen Zusammenhang zueinan<strong>de</strong>r stehen (z. B. bei<br />

Gewinnverlagerungen im Rahmen einer Außenprüfung). Führt eine Außenprüfung sowohl zu einer<br />

Steuernachfor<strong>de</strong>rung als auch zu einer Steuererstattung, so ist <strong>de</strong>shalb hinsichtlich <strong>de</strong>r Verzinsung nach<br />

§ 233a grundsätzlich auf die Steueransprüche <strong>de</strong>r einzelnen Jahre abzustellen, ohne auf<br />

Wechselwirkungen mit <strong>de</strong>n jeweiligen an<strong>de</strong>ren Besteuerungszeiträumen einzugehen. Ein Erlass von<br />

Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgrün<strong>de</strong>n kommt bei nachträglicher Zuordnung von<br />

Einkünften zu einem an<strong>de</strong>ren Veranlagungszeitraum nicht in Betracht (BFH-Urteil vom 16.11.2005 –<br />

X R 3/04 – BStBl. 2006 II, S. 155). Gewinnverlagerungen und Umsatzverlagerungen (vgl. Nr. 70.2.4)<br />

sind bei <strong>de</strong>r Verzinsung nach § 233a nicht vergleichbar (vgl. BFH-Urteil vom 11.7.1996 – V R 18/95 –<br />

BStBl. 1997 II, S. 259). Das BFH-Urteil vom 15.10.1998 – IV R 69/97 – HFR 1999 S. 81, betrifft nur<br />

<strong>de</strong>n Son<strong>de</strong>rfall <strong>de</strong>r Verschiebung von Besteuerungsgrundlagen von einem zu verzinsen<strong>de</strong>n<br />

Besteuerungszeitraum in einen noch nicht <strong>de</strong>r Verzinsung nach § 233a unterliegen<strong>de</strong>n<br />

Besteuerungszeitraum.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 200 von 235


Rechtsbehelfe<br />

71. Gegen die Zinsfestsetzung ist <strong>de</strong>r Einspruch gegeben. Einwendungen gegen die zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong><br />

Steuerfestsetzung o<strong>de</strong>r Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und Körperschaftsteuer können jedoch nicht<br />

mit <strong>de</strong>m Einspruch gegen <strong>de</strong>n Zinsbescheid geltend gemacht wer<strong>de</strong>n. Wird die Steuerfestsetzung o<strong>de</strong>r die<br />

Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und Körperschaftsteuer geän<strong>de</strong>rt, sind etwaige Folgerungen für die<br />

Zinsfestsetzung nach § 233a Abs. 5 zu ziehen.<br />

72. Gegen die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme ist ein geson<strong>de</strong>rter Einspruch gegeben, und zwar<br />

auch dann, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> die Billigkeitsentscheidung im Rahmen <strong>de</strong>r Zinsfestsetzung getroffen<br />

hat (vgl. zu § 347, Nr. 4).<br />

73. Wird <strong>de</strong>r Zinsbescheid als solcher angefochten, kommt unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 361 bzw. <strong>de</strong>s § 69<br />

FGO die Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung in Betracht. Wird mit <strong>de</strong>m Rechtsbehelf eine erstmalige o<strong>de</strong>r eine<br />

höhere Festsetzung von Erstattungszinsen begehrt, ist mangels eines vollziehbaren Verwaltungsaktes eine<br />

Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung nicht möglich. Soweit die Vollziehung <strong>de</strong>s zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n<br />

Steuerbeschei<strong>de</strong>s ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung <strong>de</strong>s Zinsbeschei<strong>de</strong>s auszusetzen.<br />

Berücksichtigung rückwirken<strong>de</strong>r Ereignisse in Grundlagenbeschei<strong>de</strong>n<br />

74. § 233a Abs. 2a ist auch dann anzuwen<strong>de</strong>n, wenn das rückwirken<strong>de</strong> Ereignis in einem für <strong>de</strong>n Steuerbescheid<br />

verbindlichen Grundlagenbescheid berücksichtigt wur<strong>de</strong>. Im Grundlagenbescheid sind <strong>de</strong>shalb auch<br />

entsprechen<strong>de</strong> Feststellungen über die Auswirkungen eines erstmals berücksichtigten rückwirken<strong>de</strong>n<br />

Ereignisses auf die festgestellten Besteuerungsgrundlagen und <strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>s Eintritts <strong>de</strong>s rückwirken<strong>de</strong>n<br />

Ereignisses zu treffen (vgl. BFH-Urteil vom 19.3.2009 – IV R 20/08 – BStBl. 2010 II, S. 528). Gleiches gilt,<br />

wenn ein bereits bei <strong>de</strong>r vorangegangenen Feststellung berücksichtigtes rückwirken<strong>de</strong>s Ereignis unmittelbar<br />

Än<strong>de</strong>rungen erfährt und <strong>de</strong>r Feststellungsbescheid <strong>de</strong>shalb geän<strong>de</strong>rt wird. Wird ein Feststellungsbescheid<br />

dagegen aus an<strong>de</strong>ren Grün<strong>de</strong>n (z. B. <strong>zur</strong> Berücksichtigung neuer Tatsachen i. S. d. § 173) geän<strong>de</strong>rt, sind auch<br />

dann keine Feststellungen zum früher bereits berücksichtigten rückwirken<strong>de</strong>n Ereignis zu treffen, wenn sich<br />

die steuerlichen Auswirkungen dieses rückwirken<strong>de</strong>n Ereignisses aufgrund <strong>de</strong>r erstmaligen o<strong>de</strong>r<br />

abweichen<strong>de</strong>n Berücksichtigung normal zu verzinsen<strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen rechnerisch verän<strong>de</strong>rt.<br />

Dies gilt im Verhältnis zwischen Gewerbesteuermessbescheid und Gewerbesteuerbescheid sowie in <strong>de</strong>n<br />

Fällen <strong>de</strong>s § 35b GewStG entsprechend.<br />

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Zu § 234 – Stundungszinsen:<br />

1. Stundungszinsen wer<strong>de</strong>n für die Dauer <strong>de</strong>r gewährten Stundung erhoben. Ihre Höhe än<strong>de</strong>rt sich nicht, wenn<br />

<strong>de</strong>r Steuerpflichtige vor o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m Zahlungstermin zahlt, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Stundungsverfügung festgelegt ist<br />

(Sollverzinsung).<br />

Eine vorzeitige Tilgung führt nicht automatisch zu einer Ermäßigung <strong>de</strong>r Stundungszinsen. Soweit <strong>de</strong>r<br />

gestun<strong>de</strong>te Anspruch allerdings mehr als ein Monat vor Fälligkeit getilgt wird, kann auf bereits festgesetzte<br />

Stundungszinsen für <strong>de</strong>n Zeitraum ab Eingang <strong>de</strong>r Leistung auf Antrag verzichtet wer<strong>de</strong>n (§ 234 Abs. 2).<br />

Eine verspätete Zahlung löst zusätzlich Säumniszuschläge aus.<br />

2. Wird die gestun<strong>de</strong>te Steuerfor<strong>de</strong>rung vor Ablauf <strong>de</strong>s Stundungszeitraums herabgesetzt, ist <strong>de</strong>r Zinsbescheid<br />

nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 entsprechend zu än<strong>de</strong>rn. Eine Aufhebung, Än<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Berichtigung <strong>de</strong>r<br />

Steuerfestsetzung nach Ablauf <strong>de</strong>r Stundung hat keine Auswirkungen auf die Stundungszinsen (§ 234 Abs. 1<br />

Satz 2). Wer<strong>de</strong>n Vorauszahlungen gestun<strong>de</strong>t, sind Stundungszinsen nur im Hinblick auf eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Vorauszahlungsfestsetzung, nicht aber im Hinblick auf die Festsetzung <strong>de</strong>r Jahressteuer herabzusetzen.<br />

3. Die Stundungszinsen wer<strong>de</strong>n regelmäßig zusammen mit <strong>de</strong>r Stundungsverfügung durch Zinsbescheid<br />

festgesetzt. Die Formvorschriften für Steuerbeschei<strong>de</strong> (§ 157 Abs. 1, ggf. § 87a Abs. 4) gelten entsprechend.<br />

Sofern nicht beson<strong>de</strong>re Umstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Einzelfalls eine an<strong>de</strong>re Regelung erfor<strong>de</strong>rn, sind die Stundungszinsen<br />

zusammen mit <strong>de</strong>r letzten Rate zu erheben. Bei einer Aufhebung <strong>de</strong>r Stundungsverfügung (Rücknahme o<strong>de</strong>r<br />

Wi<strong>de</strong>rruf) sind auch die auf ihr beruhen<strong>de</strong>n Zinsbeschei<strong>de</strong> aufzuheben o<strong>de</strong>r zu än<strong>de</strong>rn; §§ 175 Abs. 1 Satz 1<br />

Nr. 1, 171 Abs. 10 gelten gem. § 239 Abs. 1 Satz 1 entsprechend.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 201 von 235


Beispiel:<br />

Das Finanzamt hat am 10.3.2004 eine am 25.2.2004 fällige Einkommensteuerfor<strong>de</strong>rung von 3 600 € ab<br />

Fälligkeit gestun<strong>de</strong>t. Der Betrag ist in 12 gleichen Monatsraten von 300 €, beginnend am 1.4.2004 zu zahlen.<br />

Die Zinsen von 117 € sind zusammen mit <strong>de</strong>r letzten Rate am 1.3.2005 zu erheben.<br />

Das Finanzamt erfährt im August 2004, dass eine wesentliche Verbesserung <strong>de</strong>r Vermögensverhältnisse <strong>de</strong>s<br />

Schuldners eingetreten ist. Es wi<strong>de</strong>rruft <strong>de</strong>shalb die Stundung nach § 131 Abs. 2 Nr. 3 und stellt <strong>de</strong>n<br />

gesamten Restbetrag von 2 100 € zum 1.9.2004 fällig.<br />

Der Zinsbescheid ist nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 zu än<strong>de</strong>rn. Die Zinsen in Höhe von insgesamt 85 €<br />

(gerun<strong>de</strong>t nach § 239 Abs. 2 Satz 1) sind zum 1.9.2004 zu erheben.<br />

4. Der Zinslauf beginnt bei <strong>de</strong>n Stundungszinsen an <strong>de</strong>m ersten Tag, für <strong>de</strong>n die Stundung wirksam wird (§ 238<br />

Abs. 1 Satz 2 i. V. mit § 234 Abs. 1 Satz 1). Bei einer Stundung ab Fälligkeit beginnt <strong>de</strong>r Zinslauf am Tag<br />

nach Ablauf <strong>de</strong>r ggf. nach § 108 Abs. 3 verlängerten Zahlungsfrist.<br />

Beispiele:<br />

1. Fälligkeitstag ist <strong>de</strong>r 12.3.2004 (Freitag). Der Zinslauf beginnt am 13.3.2004 (Sonnabend).<br />

2. Fälligkeitstag ist <strong>de</strong>r 13.3.2004 (Sonnabend). Die Zahlungsfrist en<strong>de</strong>t nach § 108 Abs. 3 erst am<br />

15.3.2004 (Montag). Der Zinslauf beginnt am 16.3.2004 (Dienstag).<br />

Wegen <strong>de</strong>r Fälligkeit <strong>de</strong>r Anmeldungssteuern vgl. zu § 240, Nr. 1 Satz 2.<br />

5. Der Zinslauf en<strong>de</strong>t mit Ablauf <strong>de</strong>s letzten Tages, für <strong>de</strong>n die Stundung ausgesprochen wor<strong>de</strong>n ist. Ist dieser<br />

Tag ein Sonnabend, ein Sonntag o<strong>de</strong>r ein gesetzlicher Feiertag, en<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Zinslauf erst am nächstfolgen<strong>de</strong>m<br />

Werktag. Wegen <strong>de</strong>r Berechnung vgl. zu § 238, Nr. 1.<br />

Beispiele:<br />

1. Die Steuer ist bis zum 26.3.2004 (Freitag) gestun<strong>de</strong>t. Der Zinslauf en<strong>de</strong>t am 26.3.2004.<br />

2. Die Steuer ist bis zum 27.3.2004 (Sonnabend) gestun<strong>de</strong>t. Der Zinslauf en<strong>de</strong>t nach § 108 Abs. 3 am<br />

29.3.2004 (Montag).<br />

In Insolvenzverfahren en<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Zinslauf spätestens mit Eröffnung <strong>de</strong>s Insolvenzverfahrens, da zu diesem<br />

Zeitpunkt die gestun<strong>de</strong>te Steuerfor<strong>de</strong>rung fällig wird (§ 41 Abs. 1 InsO). Eine bereits erfolgte Festsetzung<br />

von Stundungszinsen ist ggf. zu korrigieren.<br />

6. Stundungszinsen sind nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz (§ 238<br />

Abs. 1 Satz 2); vgl. zu § 238, Nr. 1.<br />

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Beispiele:<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

ursprünglichen<br />

Zahlungsfrist<br />

13.5.2004<br />

(Do)<br />

13.5.2004<br />

(Do)<br />

31.1.2005<br />

(Mo)<br />

Beginn <strong>de</strong>s Zinslaufs<br />

14.5.2004<br />

(Fr)<br />

14.5.2004<br />

(Fr)<br />

1.2.2005<br />

(Di)<br />

Ablauf <strong>de</strong>r Stundung<br />

nach<br />

Stundungsverfügung<br />

13.6.2004<br />

(So)<br />

11.6.2004<br />

(Fr)<br />

28.2.2005<br />

(Mo)<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zinslaufs<br />

14.6.2004<br />

(Mo)<br />

11.6.2004<br />

(Fr)<br />

28.2.2005<br />

(Mo)<br />

Voller Monat<br />

7. Zu verzinsen ist <strong>de</strong>r jeweils gestun<strong>de</strong>te Anspruch aus <strong>de</strong>m Steuerschuldverhältnis (§ 37) mit Ausnahme <strong>de</strong>r<br />

Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen (§ 233 Satz 2). Die Zinsen sind für je<strong>de</strong>n Anspruch<br />

(Einzelfor<strong>de</strong>rung) beson<strong>de</strong>rs zu berechnen. Bei <strong>de</strong>r Zinsberechnung sind die Ansprüche zu trennen, wenn<br />

Steuerart, Zeitraum (Teilzeitraum) o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>s Beginns <strong>de</strong>s Zinslaufs voneinan<strong>de</strong>r abweichen.<br />

ja<br />

nein<br />

ja<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 202 von 235


Beispiele für geson<strong>de</strong>rt zu verzinsen<strong>de</strong> Ansprüche:<br />

1. Einkommensteuervorauszahlungen I/04 und II/04;<br />

2. die erstmalige Festsetzung <strong>de</strong>r Einkommensteuer 2004 durch Bescheid vom 3.5.2006 führt zu einer<br />

Abschlusszahlung i. H. v. 4 290 €; nach Berichtigung einer offenbaren Unrichtigkeit (§ 129) durch<br />

Steuerbescheid vom 1.6.2006 for<strong>de</strong>rt das Finanzamt weitere 850 €.<br />

8. Die Kleinbetragsregelung <strong>de</strong>s § 239 Abs. 2 Satz 2 (Zinsen unter 10 Euro wer<strong>de</strong>n nicht festgesetzt) ist auf die<br />

für eine Einzelfor<strong>de</strong>rung berechneten Zinsen anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

Beispiel:<br />

Es wer<strong>de</strong>n ab Fälligkeit jeweils für einen Monat folgen<strong>de</strong><br />

Einzelfor<strong>de</strong>rungen gestun<strong>de</strong>t<br />

Zinsen<br />

Einkommensteuervorauszahlung 1 950,00 € 9,75 € 9,00 €<br />

Solidaritätszuschlag 200,00 € 1,00 € 1,00 €<br />

Umsatzsteuerabschlusszahlung 600,00 € 3,00 € 3,00 €<br />

Zinsen wer<strong>de</strong>n nicht festgesetzt, da sie für keine <strong>de</strong>r Einzelfor<strong>de</strong>rungen 10 Euro erreichen.<br />

abgerun<strong>de</strong>t<br />

(§ 239 Abs. 2<br />

Satz 1)<br />

9. Bei Gewährung von Ratenzahlungen sind Stundungszinsen nach § 238 Abs. 2 wie folgt zu berechnen:<br />

Der zu verzinsen<strong>de</strong> Betrag je<strong>de</strong>r Steuerart ist auf <strong>de</strong>n nächsten durch fünfzig Euro teilbaren Betrag<br />

ab<strong>zur</strong>un<strong>de</strong>n. Ein sich durch die Abrundung ergeben<strong>de</strong>r Spitzenbetrag (Abrundungsrest) ist für Zwecke <strong>de</strong>r<br />

Zinsberechnung bei <strong>de</strong>r letzten Rate abzuziehen. Bei höheren Beträgen soll die Stundung i. d. R. so<br />

ausgesprochen wer<strong>de</strong>n, dass die Raten mit Ausnahme <strong>de</strong>r letzten Rate auf durch fünfzig Euro ohne Rest<br />

teilbare Beträge festgesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Beispiel:<br />

1. Variante:<br />

Ein Anspruch i. H. v. 4 215 € wird in drei Monatsraten zu 1 400 €, 1 400 € und 1 415 € gestun<strong>de</strong>t.<br />

© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

Raten:<br />

Zinsen:<br />

1. Rate 1 400 € 7 €<br />

2. Rate 1 400 € 14 €<br />

3. Rate 1 415 €*) 21 €<br />

festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen 42 €<br />

*) Die Zinsberechnung erfolgt von 1 415 € ./. 15 € = 1 400 €<br />

2. Variante:<br />

Ein Anspruch i. H. v. 4 215 € wird in drei gleichen Monatsraten zu jeweils 1 405 € gestun<strong>de</strong>t.<br />

Raten:<br />

Zinsen:<br />

1. Rate 1 405 € 7,02 €<br />

2. Rate 1 405 € 14,05 €<br />

3. Rate 1 405 €*) 20,85 €<br />

Summe 41,92 €<br />

festzusetzen<strong>de</strong> Zinsen (abgerun<strong>de</strong>t nach § 239 Abs. 2 S. 1) 41,00 €<br />

*) Die Zinsberechnung erfolgt von 1 405 € ./. 15 € = 1 390 €<br />

10. Sollen mehrere Ansprüche in Raten gestun<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, so ist bei <strong>de</strong>r Festlegung <strong>de</strong>r Raten möglichst zunächst<br />

die Tilgung <strong>de</strong>r Ansprüche anzuordnen, für die keine Stundungszinsen erhoben wer<strong>de</strong>n. Sodann sind die<br />

For<strong>de</strong>rungen in <strong>de</strong>r Reihenfolge ihrer Fälligkeit zu ordnen; bei gleichzeitig fällig gewor<strong>de</strong>nen For<strong>de</strong>rungen<br />

soll die niedrigere For<strong>de</strong>rung zuerst getilgt wer<strong>de</strong>n. Dies gilt nicht, wenn die Sicherung <strong>de</strong>r Ansprüche eine<br />

an<strong>de</strong>re Tilgungsfolge erfor<strong>de</strong>rt.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 203 von 235


Beispiel:<br />

Das Finanzamt stun<strong>de</strong>t die Einkommensteuervorauszahlung IV/04 i. H. v. 850 € (erstmals fällig am<br />

10.12.2004), die Einkommensteuervorauszahlung I/05 i. H. v. 300 € (erstmals fällig am 10.3.2005), die<br />

Einkommensteuer-Abschlusszahlung für 2003 i. H. v. 11 150 € (erstmals fällig 20.5.2005), die<br />

Umsatzsteuer-Abschlusszahlung für 2003 i. H. v. 7 800 € (erstmals fällig am 20.5.2005) sowie<br />

Verspätungszuschläge i. H. v. 650 € (erstmals fällig am 10.6.2005) in insgesamt drei Raten.<br />

gestun<strong>de</strong>ter erstmals Betrag 1. Rate in € Rest 2. Rate in € Rest 3. Rate in € Rest<br />

Anspruch fällig am in € (14.07.2005) in € (14.08.2005) in € (14.09.2005) in €<br />

ESt IV/04 10.12.2004 850 850 0 – – – –<br />

ESt I/05 10.03.2005 300 300 0 – – – –<br />

ESt 2003 18.05.2005 11 150 0 11 150 0 11 150 11 150 0<br />

USt 2003 18.05.2005 7 800 800 7 000 3 000 4 000 4 000 0<br />

Verspätungszusc 10.06.2005 650 650 0 – – – –<br />

hlag<br />

Summen 20 750 2 600 18 150 3 000 15 150 15 150 0<br />

Zinsberechnung:<br />

gestun<strong>de</strong>ter Fällig am Zahlungstermin Betrag in Zinsmon v. H. Zinsen in € festzusetzen<strong>de</strong><br />

Anspruch<br />

€ ate<br />

Zinsen in €<br />

ESt IV/04 10.12.2004 14.07.2005 850 7 3,5 29,75 29,00 1 )<br />

ESt I/05 10.03.2005 14.07.2005 300 4 2,0 6,00 0,00 2 )<br />

ESt 2003 18.05.2005 14.09.2005 11 150 3 1,5 167,25 167,00 1 )<br />

USt 2003 18.05.2005 14.07.2005 800 1 0,5 4,00 94,00<br />

USt 2003 18.05.2005 14.08.2005 3 000 2 1,0 30,00<br />

USt 2003 18.05.2005 14.09.2005 4 000 3 1,5 60,00<br />

Verspätungszusc<br />

hlag<br />

10.06.2005 14.07.2005 650 – – – – 3 )<br />

1) 29,75 € wer<strong>de</strong>n auf 29,00 € und 167,25 € wer<strong>de</strong>n auf 167,00 € zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen gerun<strong>de</strong>t (§ 239<br />

Abs. 2 Satz 1).<br />

2) Kleinbetrag unter 10 € (§ 239 Abs. 2 Satz 2).<br />

3) Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen wer<strong>de</strong>n nicht verzinst (§ 233 Satz 2).<br />

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11. Auf die Erhebung von Stundungszinsen kann gemäß § 234 Abs. 2 im Einzelfall aus Billigkeitsgrün<strong>de</strong>n<br />

verzichtet wer<strong>de</strong>n. Ein solcher Verzicht kann z. B. in Betracht kommen bei Katastrophenfällen, bei länger<br />

dauern<strong>de</strong>r Arbeitslosigkeit <strong>de</strong>s Steuerschuldners, bei Liquiditätsschwierigkeiten allein infolge nachweislicher<br />

For<strong>de</strong>rungsausfälle im Konkurs-/Insolvenzverfahren und in ähnlichen Fällen, im Rahmen einer Sanierung,<br />

sofern allgemein ein Zinsmoratorium gewährt wird, sowie im Hinblick auf belegbare, <strong>de</strong>mnächst fällig<br />

wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Ansprüche <strong>de</strong>s Steuerschuldners aus einem Steuerschuldverhältnis, soweit hierfür innerhalb <strong>de</strong>s<br />

Stundungszeitraums keine Erstattungszinsen gemäß § 233a anfallen. Auch wird eine Stundung i. d. R. dann<br />

zinslos bewilligt wer<strong>de</strong>n können, wenn sie einem Steuerpflichtigen gewährt wird, <strong>de</strong>r bisher seinen<br />

steuerlichen Pflichten, insbeson<strong>de</strong>re seinen Zahlungspflichten, pünktlich nachgekommen ist und <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r<br />

Vergangenheit nicht wie<strong>de</strong>rholt Stundungen in Anspruch genommen hat; in diesen Fällen kommt ein<br />

Verzicht auf Stundungszinsen i. d. R. nur in Betracht, wenn für einen Zeitraum von nicht mehr als drei<br />

Monaten gestun<strong>de</strong>t wird und <strong>de</strong>r insgesamt zu stun<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Betrag 5 000 € nicht übersteigt. Zum<br />

Rechtsbehelfsverfahren gegen die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme vgl. zu § 347, Nr. 4.<br />

12. Wird ein Anspruch auf Rückfor<strong>de</strong>rung von Arbeitnehmer-Sparzulage, Eigenheimzulage, Investitionszulage,<br />

Wohnungsbau-Prämie o<strong>de</strong>r Bergmanns-Prämie gestun<strong>de</strong>t, so sind – da die Vorschriften über die<br />

Steuervergütung entsprechend gelten – Stundungszinsen zu erheben (§ 234 i. V. m. § 37 Abs. 1).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 204 von 235


Zu § 235 – Verzinsung von hinterzogenen Steuern:<br />

Inhaltsübersicht<br />

1. Zweck und Voraussetzungen <strong>de</strong>r Verzinsung<br />

2. Gegenstand <strong>de</strong>r Verzinsung<br />

3. Zinsschuldner<br />

4. Zinslauf<br />

4.1 Beginn <strong>de</strong>s Zinslaufs<br />

4.2 En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zinslaufs<br />

5. Höhe <strong>de</strong>r Hinterziehungszinsen<br />

6. Verfahren<br />

7. Verjährung<br />

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1. Zweck und Voraussetzungen <strong>de</strong>r Verzinsung<br />

1.1 Hinterzogene Steuern sind nach § 235 zu verzinsen, um <strong>de</strong>m Nutznießer einer Steuerhinterziehung <strong>de</strong>n<br />

steuerlichen Vorteil <strong>de</strong>r verspäteten Zahlung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Gewährung o<strong>de</strong>r Belassung von Steuervorteilen zu<br />

nehmen (BFH-Urteile vom 19.4.1989 – X R 3/86 – BStBl. II, S. 596, und vom 27.9.1991 – VI R 159/89 –<br />

BStBl. 1992 II, S. 163).<br />

1.2 Die Zinspflicht tritt nur ein, wenn <strong>de</strong>r objektive und subjektive Tatbestand <strong>de</strong>s § 370 Abs. 1 o<strong>de</strong>r § 370a<br />

erfüllt und die Tat i. S. d. § 370 Abs. 4 vollen<strong>de</strong>t ist. Entsprechen<strong>de</strong>s gilt, wenn <strong>de</strong>r Tatbestand <strong>de</strong>r §§ 263,<br />

264 StGB erfüllt ist, soweit sich die Tat auf Prämien und Zulagen bezieht, für die die für Steuervergütungen<br />

gelten<strong>de</strong>n Vorschriften <strong>de</strong>r AO entsprechend anzuwen<strong>de</strong>n sind. Der Versuch einer Steuerhinterziehung (§ 370<br />

Abs. 2, § 370a i. V. m. § 23 StGB) reicht <strong>zur</strong> Begründung einer Zinspflicht ebenso wenig aus wie die<br />

leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378) o<strong>de</strong>r die übrigen Steuerordnungswidrigkeiten (§§ 379 ff.).<br />

Kommen Steuerpflichtige ihren Erklärungspflichten nicht o<strong>de</strong>r nicht fristgerecht nach, kommt<br />

Steuerhinterziehung und damit die Festsetzung von Hinterziehungszinsen nur insoweit in Betracht, als<br />

nachgewiesen wer<strong>de</strong>n kann, dass durch das pflichtwidrige Verhalten die Steuern zu niedrig o<strong>de</strong>r verspätet<br />

festgesetzt wor<strong>de</strong>n sind. Steuern, die aufgrund geschätzter Besteuerungsgrundlagen (§ 162) festgesetzt wur<strong>de</strong>n,<br />

können nicht ohne weiteres als verkürzt angesehen wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 14.8.1991 – X R 86/88 –<br />

BStBl. 1992 II, S. 128).<br />

1.3 Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen setzt keine strafrechtliche Verurteilung wegen<br />

Steuerhinterziehung voraus (BFH-Urteil vom 27.8.1991 – VIII R 84/89 – BStBl. 1992 II, S. 9). Die Zinspflicht<br />

ist unabhängig von einem Steuerstrafverfahren im Rahmen <strong>de</strong>s Besteuerungsverfahrens zu prüfen.<br />

Hinterziehungszinsen sind <strong>de</strong>mnach auch festzusetzen, wenn<br />

– wirksam Selbstanzeige nach § 371 erstattet wor<strong>de</strong>n ist (z. B. durch Nachmeldung hinterzogener<br />

Umsatzsteuer in <strong>de</strong>r Umsatzsteuer-Jahreserklärung),<br />

– <strong>de</strong>r Strafverfolgung Verfahrenshin<strong>de</strong>rnisse entgegenstehen (z. B. Tod <strong>de</strong>s Täters o<strong>de</strong>r<br />

Strafverfolgungsverjährung),<br />

– das Strafverfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt wor<strong>de</strong>n ist (z. B. nach §§ 153, 153a StPO; § 398) o<strong>de</strong>r<br />

– in an<strong>de</strong>ren Fällen die Strafverfolgung beschränkt o<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Strafverfolgung abgesehen wird (z. B. nach<br />

§§ 154, 154a StPO).<br />

An Entscheidungen im strafgerichtlichen Verfahren ist die Finanzbehör<strong>de</strong> nicht gebun<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom<br />

10.10.1972 – VII R 117/69 – BStBl. 1973 II, S. 68). Im Allgemeinen kann sich das Finanzamt die tatsächlichen<br />

Feststellungen, Beweiswürdigungen und rechtlichen Beurteilungen <strong>de</strong>s Strafverfahrens zu eigen machen, wenn<br />

und soweit es zu <strong>de</strong>r Überzeugung gelangt ist, dass diese zutreffend sind, und keine substantiierten<br />

Einwendungen gegen die Feststellungen im Strafurteil erhoben wer<strong>de</strong>n (vgl. BFH-Urteil vom 13.7.1994 –<br />

I R 112/93 – BStBl. 1995 II, S. 198).<br />

2. Gegenstand <strong>de</strong>r Verzinsung<br />

2.1 Hinterziehungszinsen sind festzusetzen für<br />

– verkürzte Steuern; darunter fallen auch keine o<strong>de</strong>r zu geringe Steuervorauszahlungen und <strong>de</strong>r<br />

Solidaritätszuschlag. Lan<strong>de</strong>sgesetzlich geregelte Steuern sind nur zu verzinsen, wenn dies im Gesetz<br />

angeordnet ist,<br />

– ungerechtfertigt erlangte Steuervorteile (z. B. zu Unrecht erlangte Steuervergütungen),<br />

– zu Unrecht erlangte Steuervergünstigungen (z. B. Steuerbefreiungen und Steuerermäßigungen),<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 205 von 235


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– ungerechtfertigt erlangte Prämien und Zulagen, auf die die Vorschriften <strong>de</strong>r AO über Steuervergütungen<br />

entsprechend anzuwen<strong>de</strong>n sind (z. B. Investitionszulagen, Eigenheimzulagen, Wohnungsbauprämien,<br />

Arbeitnehmer-Sparzulagen und Zulagen nach § 83 EStG).<br />

2.2 Bei Steuern mit progressivem Tarif o<strong>de</strong>r Stufentarif ist <strong>zur</strong> Berechnung <strong>de</strong>s zu verzinsen<strong>de</strong>n Teilbetrages die<br />

Steuer lt. ursprünglicher Festsetzung mit <strong>de</strong>r Steuer zu vergleichen, die sich bei Einbeziehung <strong>de</strong>r vorsätzlich<br />

verschwiegenen Besteuerungsmerkmale ergeben wür<strong>de</strong>. Sonstige Abweichungen von <strong>de</strong>n Erklärungen <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen bleiben außer Ansatz.<br />

2.3 Hinterziehungszinsen sind für je<strong>de</strong>n Besteuerungszeitraum (Veranlagungszeitraum,<br />

Voranmeldungszeitraum) o<strong>de</strong>r Besteuerungszeitpunkt geson<strong>de</strong>rt zu berechnen. Einzelne, aufeinan<strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong><br />

Steuerhinterziehungen sind nicht als eine Tat zu würdigen, son<strong>de</strong>rn als selbstständige Taten zu behan<strong>de</strong>ln. Das<br />

gilt auch, wenn das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 geschätzt hat.<br />

2.4 Wenn die Steuerhinterziehung zu keiner Nachfor<strong>de</strong>rung führt, erfolgt keine Zinsfestsetzung. Soweit infolge<br />

Kompensation <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r Steuerhinterziehung zusammenhängen<strong>de</strong>n Besteuerungsgrundlagen mit an<strong>de</strong>ren<br />

steuermin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Besteuerungsgrundlagen (z. B. nach § 177) kein Zahlungsanspruch entstan<strong>de</strong>n ist, unterbleibt<br />

daher eine Zinsfestsetzung. Das strafrechtliche Kompensationsverbot <strong>de</strong>s § 370 Abs. 4 Satz 3 gilt nicht bei <strong>de</strong>r<br />

Verzinsung nach § 235.<br />

3. Zinsschuldner<br />

3.1 Nach § 235 Abs. 1 Satz 2 ist <strong>de</strong>rjenige Zinsschuldner, zu <strong>de</strong>ssen Vorteil die Steuern hinterzogen wor<strong>de</strong>n<br />

sind. Durch die Vorschrift soll ausschließlich <strong>de</strong>r steuerliche Vorteil <strong>de</strong>s Steuerschuldners abgeschöpft wer<strong>de</strong>n.<br />

Der steuerliche Vorteil liegt darin, dass die geschul<strong>de</strong>te Steuer erst verspätet gezahlt wird. Allein <strong>de</strong>r<br />

Steuerschuldner kann daher Zinsschuldner für hinterzogene Steuern i. S. d. § 235 Abs. 1 Sätze 1 und 2 sein, und<br />

zwar unabhängig davon, ob er an <strong>de</strong>r Steuerhinterziehung beteiligt war (vgl. BFH-Urteile vom 27.6.1991 –<br />

V R 9/86 – BStBl. II, S. 822, vom 18.7.1991 – V R 72/87 – BStBl. II, S. 781, und vom 27.9.1991 –<br />

VII R 159/89 – BStBl. 1992 II, S. 163).<br />

Sind Steuerschuldner Gesamtschuldner (§ 44) ist je<strong>de</strong>r Gesamtschuldner auch Zinsschuldner. Dies gilt auch<br />

dann, wenn bei zusammenveranlagten Ehegatten <strong>de</strong>r Tatbestand <strong>de</strong>r Steuerhinterziehung nur in <strong>de</strong>r Person eines<br />

<strong>de</strong>r Ehegatten erfüllt ist. Da in diesem Fall bei<strong>de</strong> Ehegatten Schuldner <strong>de</strong>r Hinterziehungszinsen sind, kann nach<br />

§ 239 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 155 Abs. 3 ein zusammengefasster Zinsbescheid an die Ehegatten ergehen (vgl.<br />

BFH-Urteil vom 13.10.1994 – IV R 100/93 – BStBl. 1995 II, S. 484).<br />

3.2 § 235 Abs. 1 Satz 3 regelt in Ergänzung <strong>de</strong>s § 235 Abs. 1 Satz 2 nur die Fälle, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Steuerschuldner<br />

nicht Zinsschuldner ist, weil die Steuern nicht zu seinem Vorteil hinterzogen wor<strong>de</strong>n sind. In diesen Fällen ist<br />

<strong>de</strong>r Entrichtungspflichtige Zinsschuldner. Hinsichtlich hinterzogener Steuerabzugsbeträge ist daher nicht <strong>de</strong>r<br />

Steuerschuldner, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Entrichtungspflichtige Zinsschuldner, wenn dieser die Steuer zwar einbehalten,<br />

aber nicht an das Finanzamt abgeführt hat. Dagegen ist <strong>de</strong>r Steuerschuldner nach § 235 Abs. 1 Satz 2<br />

Zinsschuldner, wenn <strong>de</strong>r Entrichtungspflichtige die hinterzogene Abzugsteuer (zum Vorteil <strong>de</strong>s<br />

Steuerschuldners) nicht einbehalten hat (BFH-Urteile vom 5.11.1993 – VI R 16/93 – BStBl. 1994 II, S. 557, und<br />

vom 16.2.1996 – I R 73/95 – BStBl. II, S. 592).<br />

3.3 Die in §§ 34, 35 bezeichneten Vertreter, Vermögensverwalter und Verfügungsberechtigten sind nicht<br />

Entrichtungspflichtige und nicht Schuldner <strong>de</strong>r Hinterziehungszinsen (vgl. BFH-Urteile vom 18.7.1991 und vom<br />

27.9.1991, a.a.O.). Dieser Personenkreis kann aber sowohl für hinterzogene Steuern als auch für<br />

Hinterziehungszinsen haften.<br />

4. Zinslauf<br />

4.1 Beginn <strong>de</strong>s Zinslaufs<br />

4.1.1 Der Zinslauf beginnt mit <strong>de</strong>m Eintritt <strong>de</strong>r Verkürzung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Erlangung <strong>de</strong>s Steuervorteils (§ 235 Abs. 2<br />

Satz 1), d. h. sobald die Tat im strafrechtlichen Sinn vollen<strong>de</strong>t ist. Wären die hinterzogenen Beträge ohne die<br />

Steuerhinterziehung erst später fällig gewor<strong>de</strong>n, z. B. bei einer Abschlusszahlung, beginnt die Verzinsung erst<br />

mit Ablauf <strong>de</strong>s Fälligkeitstages (§ 235 Abs. 2 Satz 2).<br />

4.1.2 Bei Fälligkeitssteuern (z. B. Umsatzsteuer-Vorauszahlungen, Lohnsteuer) tritt die Verkürzung im<br />

Zeitpunkt <strong>de</strong>r gesetzlichen Fälligkeit ein. Dies gilt auch dann, wenn keine (Vor-)Anmeldung abgegeben wur<strong>de</strong>.<br />

Bei Abgabe einer unrichtigen zustimmungsbedürftigen Steueranmeldung tritt die Verkürzung erst dann ein,<br />

wenn die Zustimmung nach § 168 Satz 2 <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen bekannt gewor<strong>de</strong>n ist (z. B. Auszahlung o<strong>de</strong>r<br />

Umbuchung <strong>de</strong>s Guthabens o<strong>de</strong>r Erklärung <strong>de</strong>r Aufrechnung; vgl. zu § 168, Nr. 3).<br />

Lässt sich nicht ohne weiteres feststellen, welchem Voranmeldungszeitraum hinterzogene Beträge zeitlich<br />

zuzuordnen sind, ist zugunsten <strong>de</strong>s Zinsschuldners von einem Beginn <strong>de</strong>s Zinslaufs mit <strong>de</strong>m letzten gesetzlichen<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 206 von 235


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Fälligkeitszeitpunkt für das betroffene Jahr auszugehen (bei Unternehmern ohne Dauerfristverlängerung ist dies<br />

<strong>de</strong>r 10.1. <strong>de</strong>s jeweiligen Folgejahres).<br />

4.1.3 Bei Veranlagungssteuern tritt die Verkürzung im Fall <strong>de</strong>r Abgabe einer unrichtigen o<strong>de</strong>r unvollständigen<br />

Steuererklärung mit <strong>de</strong>m Tag <strong>de</strong>r Bekanntgabe <strong>de</strong>s auf dieser Erklärung beruhen<strong>de</strong>n Steuerbeschei<strong>de</strong>s (§§ 122,<br />

124) ein; <strong>de</strong>r Beginn <strong>de</strong>s Zinslaufs verschiebt sich dabei i. d. R. auf <strong>de</strong>n Ablauf <strong>de</strong>s Fälligkeitstages (vgl.<br />

Nr. 4.1.1 Satz 2).<br />

Hat <strong>de</strong>r Steuerpflichtige keine Steuererklärung abgegeben und ist aus diesem Grun<strong>de</strong> die Steuerfestsetzung<br />

unterblieben, so ist die Steuer zu <strong>de</strong>m Zeitpunkt verkürzt, zu <strong>de</strong>m die Veranlagungsarbeiten für das betreffen<strong>de</strong><br />

Kalen<strong>de</strong>rjahr im Wesentlichen abgeschlossen waren. Dieser Zeitpunkt ist zugleich Zinslaufbeginn. Hat das<br />

Finanzamt die Steuer aber wegen Nichtabgabe <strong>de</strong>r Steuererklärung aufgrund geschätzter<br />

Besteuerungsgrundlagen (§ 162) festgesetzt, tritt die Verkürzung mit Bekanntgabe dieses Steuerbescheids bzw.<br />

<strong>de</strong>r Fälligkeit <strong>de</strong>r sich hieraus ergeben<strong>de</strong>n Abschlusszahlung ein.<br />

4.2 En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zinslaufs<br />

4.2.1 Der Zinslauf en<strong>de</strong>t mit <strong>de</strong>r Zahlung <strong>de</strong>r hinterzogenen Steuer (§ 235 Abs. 3 Satz 1). Erlischt <strong>de</strong>r zu<br />

verzinsen<strong>de</strong> Anspruch durch Aufrechnung, gilt <strong>de</strong>r Tag, an <strong>de</strong>m die Schuld <strong>de</strong>s Aufrechnen<strong>de</strong>n fällig wird, als<br />

Tag <strong>de</strong>r Zahlung (§ 238 Abs. 1 Satz 3).<br />

4.2.2 Hinterziehungszinsen wer<strong>de</strong>n nicht für Zeiten festgesetzt, für die ein Säumniszuschlag entsteht, die<br />

Zahlung gestun<strong>de</strong>t o<strong>de</strong>r die Vollziehung ausgesetzt ist (§ 235 Abs. 3 Satz 2), ohne dass es dabei auf die<br />

tatsächliche Erhebung von Säumniszuschlägen o<strong>de</strong>r die Zahlung von Stundungs- und/o<strong>de</strong>r Aussetzungszinsen<br />

ankommt. Der Zinslauf en<strong>de</strong>t daher spätestens mit Ablauf <strong>de</strong>s Fälligkeitstages.<br />

4.2.3 Wird <strong>de</strong>r Steuerbescheid nach En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zinslaufs aufgehoben, geän<strong>de</strong>rt o<strong>de</strong>r nach § 129 berichtigt, so<br />

bleiben die bis dahin entstan<strong>de</strong>nen Zinsen unberührt (§ 235 Abs. 3 Satz 3).<br />

5. Höhe <strong>de</strong>r Hinterziehungszinsen<br />

5.1 Die Hinterziehungszinsen betragen für je<strong>de</strong>n vollen Monat <strong>de</strong>s Zinslaufs 0,5 v. H. (§ 238 Abs. 1 Satz 1<br />

und 2). Für die Berechnung <strong>de</strong>r Zinsen wird <strong>de</strong>r zu verzinsen<strong>de</strong> Betrag auf <strong>de</strong>n nächsten durch 50 € teilbaren<br />

Betrag abgerun<strong>de</strong>t (§ 238 Abs. 2). Ab<strong>zur</strong>un<strong>de</strong>n ist jeweils <strong>de</strong>r Gesamtbetrag einer Steuerart, soweit <strong>de</strong>r<br />

Besteuerungszeitraum und Beginn <strong>de</strong>s Zinslaufs übereinstimmen (vgl. zu § 238, Nr. 2).<br />

5.2 Zur Vermeidung einer Doppelverzinsung im Hinterziehungsfall sind Zinsen nach § 233a, die für <strong>de</strong>nselben<br />

Zeitraum festgesetzt wur<strong>de</strong>n, an<strong>zur</strong>echnen (§ 235 Abs. 4). Ein Investitionszulage-Rückfor<strong>de</strong>rungsanspruch ist<br />

zugleich nach § 12 InvZulG 2010 zu verzinsen; § 235 Abs. 4 gilt in diesem Fall aus sachlichen<br />

Billigkeitsgrün<strong>de</strong>n entsprechend.<br />

6. Verfahren<br />

6.1 Sind Steuern zum Vorteil <strong>de</strong>r Gesellschafter einer Personengesellschaft hinterzogen wor<strong>de</strong>n, so hat das<br />

Betriebsfinanzamt in einem Verfahren <strong>de</strong>r geson<strong>de</strong>rten und einheitlichen Feststellung darüber zu entschei<strong>de</strong>n, ob<br />

und in welchem Umfang <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n Gesellschaftern erlangte Vorteil i. S. d. § 235 Abs. 1 auf einer<br />

Hinterziehung beruht (BFH-Urteil vom 19.4.1989 – X R 3/86 – BStBl. II, S. 596).<br />

6.2 Die Zinsen für hinterzogene Realsteuern (insbes. Gewerbesteuer) sind von <strong>de</strong>r hebeberechtigten Gemein<strong>de</strong><br />

zu berechnen, festzusetzen und zu erheben. Die Berechnungsgrundlagen wer<strong>de</strong>n vom Finanzamt in<br />

entsprechen<strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>s § 184 Abs. 1 festgestellt. Dieser Messbescheid ist Grundlagenbescheid für <strong>de</strong>n<br />

von <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> zu erlassen<strong>de</strong>n Zinsbescheid.<br />

Die Geltendmachung <strong>de</strong>r Haftung für Hinterziehungszinsen <strong>zur</strong> Gewerbesteuer durch Haftungsbescheid setzt<br />

nicht voraus, dass zuvor gegenüber <strong>de</strong>m Zinsschuldner o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Haftungsschuldner Tatbestand und Umfang <strong>de</strong>r<br />

Steuerhinterziehung geson<strong>de</strong>rt festgestellt wor<strong>de</strong>n sind (Beschluss <strong>de</strong>s BVerwG vom 16.9.1997, BStBl. II,<br />

S. 782).<br />

7. Verjährung<br />

Die Festsetzungsfrist für Hinterziehungszinsen beträgt 1 Jahr (§ 239 Abs. 1 Satz 1). Sie beginnt mit Ablauf <strong>de</strong>s<br />

Kalen<strong>de</strong>rjahres, in <strong>de</strong>m die Festsetzung <strong>de</strong>r hinterzogenen Steuern unanfechtbar gewor<strong>de</strong>n ist, jedoch nicht vor<br />

Ablauf <strong>de</strong>s Kalen<strong>de</strong>rjahres, in <strong>de</strong>m die Festsetzung <strong>de</strong>r hinterzogenen Steuern unanfechtbar gewor<strong>de</strong>n ist, jedoch<br />

nicht vor Ablauf <strong>de</strong>s Kalen<strong>de</strong>rjahres, in <strong>de</strong>m ein eingeleitetes Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen wor<strong>de</strong>n<br />

ist (§ 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3).<br />

Ein Strafverfahren hat nur dann Einfluss auf die für die Hinterziehungszinsen gelten<strong>de</strong> Festsetzungsfrist, wenn es<br />

bis zum Ablauf <strong>de</strong>s Jahres eingeleitet wird, in <strong>de</strong>m die hinterzogenen Steuern unanfechtbar festgesetzt wur<strong>de</strong>n<br />

(BFH-Urteil vom 24.8.2001 – VI R 42/94 – BStBl. II, S. 782).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 207 von 235


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Zu § 236 – Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge:<br />

1. Voraussetzung für die Zahlung von Erstattungszinsen an <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen ist, dass eine festgesetzte<br />

Steuer herabgesetzt o<strong>de</strong>r eine Steuervergütung gewährt – o<strong>de</strong>r erhöht – wird. Die Steuerherabsetzung o<strong>de</strong>r<br />

die Gewährung (Erhöhung) <strong>de</strong>r Steuervergütung muss erfolgt sein:<br />

a) durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung;<br />

b) aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung, z. B. in <strong>de</strong>n Fällen, in <strong>de</strong>nen das Gericht nach<br />

§ 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Sätze 2 und 3 o<strong>de</strong>r Abs. 3 FGO <strong>de</strong>n angefochtenen Verwaltungsakt aufhebt<br />

und das Finanzamt die Steuer niedriger festsetzt o<strong>de</strong>r eine (höhere) Steuervergütung gewährt;<br />

c) durch Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s angefochtenen Verwaltungsaktes sowie durch Erlass <strong>de</strong>s<br />

beantragten Verwaltungsaktes, wenn sich <strong>de</strong>r Rechtsstreit bei Gericht dadurch rechtskräftig erledigt;<br />

d) durch einen sog. Folgebescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO o<strong>de</strong>r § 35b GewStG in <strong>de</strong>n Fällen, in<br />

<strong>de</strong>nen sich <strong>de</strong>r Rechtsstreit bei Gericht gegen <strong>de</strong>n Grundlagenbescheid (z. B. Feststellungsbescheid,<br />

Steuermessbescheid) durch o<strong>de</strong>r aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung (Buchstaben a und b) bzw.<br />

durch einen Verwaltungsakt (Buchstabe c) rechtskräftig erledigt; <strong>de</strong>r Steuerpflichtige, <strong>de</strong>m gegenüber <strong>de</strong>r<br />

Folgebescheid ergangen ist, muss nicht Kläger im Verfahren gegen <strong>de</strong>n Grundlagenbescheid gewesen<br />

sein (BFH-Urteil vom 17.1.2007 – X R 19/06 – BStBl. II, S. 506).<br />

Ohne Be<strong>de</strong>utung ist, aus welchen Grün<strong>de</strong>n die Steuerherabsetzung o<strong>de</strong>r die Gewährung (Erhöhung) <strong>de</strong>r<br />

Steuervergütung erfolgt ist. Das abgeschlossene gerichtliche Verfahren muss aber hierfür ursächlich gewesen<br />

sein (BFH-Urteil vom 15.10.2003 – X R 48/01 – BStBl. 2004 II, S. 169).<br />

Wird ein än<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r ersetzen<strong>de</strong>r Verwaltungsakt nach § 68 FGO Gegenstand <strong>de</strong>s Klageverfahrens, ist für<br />

die Verzinsung das Ergebnis <strong>de</strong>s gegen <strong>de</strong>n neuen Verwaltungsakt fortgeführten Klageverfahrens<br />

maßgebend. Dies gilt auch, wenn ein angefochtener Vorauszahlungsbescheid durch die<br />

Jahressteuerfestsetzung ersetzt wird (vgl. zu § 365, Nr. 2). Durch die Überleitung auf <strong>de</strong>n neuen<br />

Verfahrensgegenstand tritt noch keine Rechtsstreiterledigung i. S. d. § 236 Abs. 1 Satz 1 ein (BFH-Urteil<br />

vom 14.7.1993 – I R 33/93 – BFH/NV 1994 S. 438).<br />

2. Zu verzinsen ist nur <strong>de</strong>r zu viel entrichtete Steuerbetrag o<strong>de</strong>r die zu wenig gewährte Steuervergütung. Sofern<br />

also <strong>de</strong>r Rechtsbehelf zwar zu einer Herabsetzung <strong>de</strong>r Steuer o<strong>de</strong>r zu einer Gewährung (Erhöhung) <strong>de</strong>r<br />

Steuervergütung führt, nicht aber o<strong>de</strong>r nicht in gleichem Umfang zu einer Steuererstattung o<strong>de</strong>r Auszahlung<br />

einer Steuervergütung, kommt insoweit eine Verzinsung nicht in Betracht.<br />

3. Der zu verzinsen<strong>de</strong> Betrag ist auf <strong>de</strong>n nächsten durch fünfzig Euro teilbaren Betrag nach unten ab<strong>zur</strong>un<strong>de</strong>n.<br />

Hat <strong>de</strong>r Steuerpflichtige die zu erstatten<strong>de</strong> Steuerschuld in Raten entrichtet, wird die Abrundung nur einmal<br />

bei <strong>de</strong>r Rate mit <strong>de</strong>r kürzesten Laufzeit vorgenommen.<br />

4. Der Anspruch auf Erstattungszinsen entsteht mit <strong>de</strong>r Rechtskraft <strong>de</strong>r gerichtlichen Entscheidung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Unanfechtbarkeit <strong>de</strong>s geän<strong>de</strong>rten Verwaltungsaktes. Ein Gerichtsbescheid (§ 90a FGO) wirkt als Urteil. Er<br />

gilt aber als nicht ergangen, wenn gegen ihn die Revision nicht zugelassen wur<strong>de</strong> und rechtzeitig mündliche<br />

Verhandlung beantragt wor<strong>de</strong>n ist.<br />

5. Erstattungszinsen sind für die Zeit vom Tag <strong>de</strong>r Rechtshängigkeit, frühestens jedoch vom Tag <strong>de</strong>r Zahlung<br />

<strong>de</strong>s Steuerbetrages an bis zum Tag <strong>de</strong>r Auszahlung <strong>de</strong>s zu verzinsen<strong>de</strong>n Steuer- o<strong>de</strong>r<br />

Steuervergütungsbetrages zu berechnen und zu zahlen. Rechtshängig ist die Streitsache erst mit <strong>de</strong>m Tag, an<br />

<strong>de</strong>m die Klage bei Gericht erhoben wird (§ 66 Abs. 1 i. V. mit § 64 Abs. 1 FGO). Wird die Klage <strong>zur</strong><br />

Fristwahrung beim Finanzamt angebracht (§ 47 Abs. 2 FGO), ist die Streitsache mit <strong>de</strong>m Tag <strong>de</strong>r<br />

Anbringung zwar anhängig, nicht aber rechtshängig. Auch in diesem Fall wird die Streitsache erst mit <strong>de</strong>m<br />

Eingang <strong>de</strong>r Klage beim Gericht rechtshängig. Das Gleiche gilt bei einer Sprungklage (§ 45 FGO). Stimmt<br />

die Behör<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Sprungklage nicht zu o<strong>de</strong>r gibt das Gericht die Klage an die Behör<strong>de</strong> ab, ist die Sprungklage<br />

als außergerichtlicher Rechtsbehelf zu behan<strong>de</strong>ln; die Rechtshängigkeit entfällt somit rückwirkend. Wird ein<br />

än<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r ersetzen<strong>de</strong>r Verwaltungsakt nach § 68 FGO Gegenstand <strong>de</strong>s Klageverfahrens, berührt dies<br />

nicht <strong>de</strong>n Tag <strong>de</strong>r Rechtshängigkeit <strong>de</strong>r Streitsache.<br />

6. Erstattungszinsen sind vom Amts wegen zu zahlen. Es ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige einen<br />

Antrag stellt.<br />

7. Die Zahlung von Erstattungszinsen entfällt, soweit durch Entscheidung <strong>de</strong>s Gerichts einem Steuerpflichtigen<br />

die Kosten <strong>de</strong>s Verfahrens nach § 137 Satz 1 FGO auferlegt wor<strong>de</strong>n sind, weil die Herabsetzung <strong>de</strong>r Steuer<br />

o<strong>de</strong>r die Gewährung (Erhöhung) <strong>de</strong>r Steuervergütung auf Tatsachen beruhte, die dieser früher hätte geltend<br />

machen o<strong>de</strong>r beweisen können und müssen (§ 236 Abs. 3).<br />

8. Bei <strong>de</strong>n Realsteuern obliegt die Festsetzung und Zahlung von Erstattungszinsen <strong>de</strong>n Gemein<strong>de</strong>n. Diesen sind<br />

<strong>de</strong>shalb – soweit erfor<strong>de</strong>rlich – die <strong>zur</strong> Berechnung und Festsetzung <strong>de</strong>r Zinsen notwendigen Daten<br />

mitzuteilen.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 208 von 235


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Zu § 237 – Zinsen bei Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung:<br />

1. Die Zinsregelung gilt sowohl für das außergerichtliche als auch für das gerichtliche Rechtsbehelfsverfahren.<br />

2. Voraussetzung für die Erhebung von Aussetzungszinsen beim Steuerpflichtigen ist, dass die Vollziehung<br />

eines Steuerbeschei<strong>de</strong>s, eines Beschei<strong>de</strong>s über die Rückfor<strong>de</strong>rung einer Steuervergütung o<strong>de</strong>r – nach<br />

Aussetzung eines Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- o<strong>de</strong>r Feststellungsbeschei<strong>de</strong>s – eines<br />

Gewerbesteuermessbeschei<strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r Gewerbesteuerbeschei<strong>de</strong>s ausgesetzt wor<strong>de</strong>n ist. Die Verzinsung tritt<br />

auch dann ein, wenn nach Anfechtung eines Grundlagenbeschei<strong>de</strong>s die Vollziehung eines Folgebeschei<strong>de</strong>s<br />

ausgesetzt wird. Auch wenn ein Grundlagenbescheid nicht auf <strong>de</strong>n Vorschriften <strong>de</strong>r §§ 179 ff. beruht o<strong>de</strong>r<br />

wenn die Anfechtung <strong>de</strong>s Grundlagenbeschei<strong>de</strong>s die Vollziehungsaussetzung eines an<strong>de</strong>ren<br />

Grundlagenbeschei<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>r hierauf beruhen<strong>de</strong>n Folgebeschei<strong>de</strong> gem. § 361 Abs. 3 Satz 1 AO o<strong>de</strong>r § 69<br />

Abs. 2 Satz 4 FGO auslöst, tritt die Verzinsung ein.<br />

3. Bei teilweiser Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes bezieht sich die<br />

Zinspflicht nur auf <strong>de</strong>n ausgesetzten Steuerbetrag.<br />

4. Aussetzungszinsen sind zu erheben, soweit ein Einspruch o<strong>de</strong>r eine Anfechtungsklage endgültig erfolglos<br />

geblieben ist. Ohne Be<strong>de</strong>utung ist, aus welchen Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Rechtsbehelf im Ergebnis erfolglos war (BFH-<br />

Urteil vom 27.11.1991 – X R 103/89 – BStBl. 1992 II, S. 319). Aussetzungszinsen sind <strong>de</strong>mnach zu erheben,<br />

a) wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige aufgrund einer bestandskräftigen Einspruchsentscheidung o<strong>de</strong>r aufgrund eines<br />

rechtskräftigen gerichtlichen Urteils ganz o<strong>de</strong>r teilweise unterlegen ist,<br />

b) wenn das Einspruchsverfahren o<strong>de</strong>r gerichtliche Verfahren nach <strong>de</strong>r Rücknahme <strong>de</strong>s Einspruchs, <strong>de</strong>r<br />

Klage o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Revision rechtskräftig abgeschlossen wird,<br />

c) wenn <strong>de</strong>r angefochtene Verwaltungsakt – ohne <strong>de</strong>m Rechtsbehelfsantrag voll zu entsprechen – geän<strong>de</strong>rt<br />

wird und sich <strong>de</strong>r Rechtsstreit endgültig erledigt,<br />

d) soweit <strong>de</strong>r Rechtsbehelf aufgrund einer unanfechtbar gewor<strong>de</strong>nen Teil-Einspruchsentscheidung (§ 367<br />

Abs. 2a) o<strong>de</strong>r Allgemeinverfügung (§ 367 Abs. 2b) o<strong>de</strong>r aufgrund eines unanfechtbar gewor<strong>de</strong>nen<br />

Teilurteils (§ 98 FGO) endgültig keinen Erfolg hatte, unabhängig davon, inwieweit das<br />

Rechtsbehelfsverfahren im Übrigen wegen weiterer Streitpunkte anhängig bleibt.<br />

Wird ein än<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r ersetzen<strong>de</strong>r Verwaltungsakt nach § 365 Abs. 3 AO o<strong>de</strong>r nach § 68 FGO<br />

Gegenstand <strong>de</strong>s Rechtsbehelfsverfahrens, ist für die Verzinsung das Ergebnis <strong>de</strong>s gegen <strong>de</strong>n neuen<br />

Verwaltungsakt fortgeführten Einspruchs- bzw. Klageverfahrens maßgebend. Dies gilt auch, wenn ein<br />

angefochtener Vorauszahlungsbescheid durch die Jahressteuerfestsetzung ersetzt wird (vgl. zu § 365,<br />

Nr. 2).<br />

Für die Entscheidung, wann <strong>de</strong>r Einspruch o<strong>de</strong>r die Anfechtungsklage endgültig ohne Erfolg geblieben ist<br />

und somit die einjährige Frist für die Festsetzung von Aussetzungszinsen (§ 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5) in Lauf<br />

gesetzt wur<strong>de</strong>, ist auch dann auf <strong>de</strong>n Zeitpunkt <strong>de</strong>s Abschlusses <strong>de</strong>s Einspruchsverfahrens o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s<br />

Verfahrens vor <strong>de</strong>m Finanzgericht o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m BFH abzustellen, wenn sich hieran ein<br />

Verfassungsbeschwer<strong>de</strong>verfahren anschließt (BFH-Urteil vom 11.2.1987 – II R 176/84 – BStBl. II, S. 320;<br />

BFH-Beschluss vom 14.6.2007 – VII B 185/06 – BFH/NV S. 2055; siehe auch zu § 361, Nr. 1.3).<br />

5. Aussetzungszinsen sind nicht zu erheben, wenn die Fälligkeit <strong>de</strong>s streitigen Steueranspruchs, z. B. aufgrund<br />

einer Stundung (§ 222), hinausgeschoben war o<strong>de</strong>r Vollstreckungsaufschub (§ 258) gewährt wur<strong>de</strong>.<br />

6. Aussetzungszinsen sind vom Tag <strong>de</strong>s Eingangs <strong>de</strong>s außergerichtlichen Rechtsbehelfs, frühestens vom Tag<br />

<strong>de</strong>r Fälligkeit an, o<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Rechtshängigkeit an bis zu <strong>de</strong>m Tag zu erheben, an <strong>de</strong>m die nach § 361 AO<br />

o<strong>de</strong>r nach § 69 FGO gewährte Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung en<strong>de</strong>t. Wird die Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung erst<br />

später gewährt, wer<strong>de</strong>n Zinsen erst vom Tag <strong>de</strong>s Beginns <strong>de</strong>r Vollziehungsaussetzung erhoben.<br />

7. Bei <strong>de</strong>n Realsteuern obliegt die Festsetzung und Erhebung <strong>de</strong>r Aussetzungszinsen <strong>de</strong>n Gemein<strong>de</strong>n. Diesen<br />

sind <strong>de</strong>shalb – soweit erfor<strong>de</strong>rlich – die für die Berechnung und Festsetzung <strong>de</strong>r Zinsen notwendigen Daten<br />

mitzuteilen.<br />

8. Wegen <strong>de</strong>r einjährigen Frist für die Festsetzung von Aussetzungszinsen wird auf Nr. 4 (letzter Absatz) und<br />

auf § 239 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 5 verwiesen. Soweit <strong>de</strong>r Rechtsbehelf durch eine Teil-<br />

Einspruchsentscheidung (§ 367 Abs. 2a), eine Allgemeinverfügung (§ 367 Abs. 2b) o<strong>de</strong>r ein Teilurteil (§ 98<br />

FGO) <strong>zur</strong>ückgewiesen wur<strong>de</strong> (vgl. Nr. 4 erster Absatz Buchstabe d), beginnt die Festsetzungsfrist bereits mit<br />

<strong>de</strong>m Eintritt <strong>de</strong>r Unanfechtbarkeit dieser Entscheidung.<br />

Zu § 238 – Höhe und Berechnung <strong>de</strong>r Zinsen:<br />

1. Ein voller Zinsmonat (§ 238 Abs. 1 Satz 2) ist erreicht, wenn <strong>de</strong>r Tag, an <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Zinslauf (ggf. unter<br />

Berücksichtigung <strong>de</strong>s § 108 Abs. 3) en<strong>de</strong>t, hinsichtlich seiner Zahl <strong>de</strong>m Tag entspricht, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Tag<br />

vorhergeht, an <strong>de</strong>m die Frist begann (BFH-Urteil vom 24.7.1996 – X R 119/92 – BStBl. 1997 II, S. 6).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 209 von 235


2. Ab<strong>zur</strong>un<strong>de</strong>n ist jeweils <strong>de</strong>r einzelne zu verzinsen<strong>de</strong> Anspruch. Bei <strong>de</strong>r Zinsberechnung sind die Ansprüche<br />

zu trennen, wenn Steuerart, Zeitraum (Teilzeitraum) o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>s Beginns <strong>de</strong>s Zinslaufs voneinan<strong>de</strong>r<br />

abweichen.<br />

Zu § 239 – Festsetzung <strong>de</strong>r Zinsen:<br />

1. Zinsen wer<strong>de</strong>n durch Zinsbescheid festgesetzt; die Formvorschriften für Steuerbeschei<strong>de</strong> (§ 157 Abs. 1, ggf.<br />

§ 87a Abs. 4) gelten entsprechend. Der Min<strong>de</strong>stinhalt <strong>de</strong>s Zinsbescheids richtet sich nach § 157 Abs. 1<br />

Sätze 2 und 3, § 119 Abs. 3 und 4. Der Bescheid kann nach § 129 berichtigt o<strong>de</strong>r nach §§ 172 ff. aufgehoben<br />

o<strong>de</strong>r geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Als Rechtsbehelf gegen <strong>de</strong>n Zinsbescheid sowie gegen die Ablehnung,<br />

Erstattungszinsen nach §§ 233a, 236 zu zahlen, ist <strong>de</strong>r Einspruch gegeben. Zum Rechtsbehelfsverfahren<br />

gegen die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme vgl. zu § 347, Nr. 4.<br />

2. Nach Ablauf <strong>de</strong>r Festsetzungsfrist von einem Jahr können Zinsen nicht mehr festgesetzt wer<strong>de</strong>n. Wegen <strong>de</strong>r<br />

Frist für die Festsetzung von Aussetzungszinsen siehe zu § 237, Nr. 4 (letzter Absatz). Der Anspruch auf<br />

festgesetzte Zinsen erlischt durch Zahlungsverjährung (§§ 228 ff.), ggf. aber auch schon früher mit <strong>de</strong>m<br />

Erlöschen <strong>de</strong>s Hauptanspruchs (§ 232).<br />

3. Bei <strong>de</strong>r Zinsfestsetzung ist die Rundung zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen zu beachten (§ 239 Abs. 2 Satz 1).<br />

Die Kleinbetragsregelung <strong>de</strong>s § 239 Abs. 2 Satz 2 (Zinsen unter zehn Euro wer<strong>de</strong>n nicht festgesetzt) ist auf<br />

die für eine Einzelfor<strong>de</strong>rung berechneten Zinsen anzuwen<strong>de</strong>n (vgl. zu § 238, Nr. 2).<br />

4. Zur Anrechnung von Erstattungs- und Nachzahlungszinsen nach § 233a bei <strong>de</strong>r Festsetzung von Stundungs-,<br />

Hinterziehungs-, Prozess- und Aussetzungszinsen vgl. zu § 233a, Nr. 65 ff. und zu § 235, Nr. 5.2.<br />

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Zu § 240 – Säumniszuschläge:<br />

1. Säumnis tritt ein, wenn die Steuer o<strong>de</strong>r die <strong>zur</strong>ückzuzahlen<strong>de</strong> Steuervergütung nicht bis zum Ablauf <strong>de</strong>s<br />

Fälligkeitstages entrichtet wird. Sofern – wie bei <strong>de</strong>n Fälligkeitssteuern – die Steuer ohne Rücksicht auf die<br />

erfor<strong>de</strong>rliche Steuerfestsetzung o<strong>de</strong>r Steueranmeldung fällig wird, tritt die Säumnis nicht ein, bevor die<br />

Steuer festgesetzt o<strong>de</strong>r die Steueranmeldung abgegeben wor<strong>de</strong>n ist. Bei Fälligkeitssteuern ist daher wie folgt<br />

zu verfahren:<br />

a) Gibt <strong>de</strong>r Steuerpflichtige seine Voranmeldung o<strong>de</strong>r Anmeldung erst nach Ablauf <strong>de</strong>s Fälligkeitstages ab,<br />

so sind Säumniszuschläge bei verspätet geleisteter Zahlung nicht vom Ablauf <strong>de</strong>s im Einzelsteuergesetz<br />

bestimmten Fälligkeitstages an, son<strong>de</strong>rn erst von <strong>de</strong>m auf <strong>de</strong>n Tag <strong>de</strong>s Eingangs <strong>de</strong>r Voranmeldung o<strong>de</strong>r<br />

Anmeldung folgen<strong>de</strong>n Tag an (ggf. unter Gewährung <strong>de</strong>r Zahlungs-Schonfrist nach § 240 Abs. 3) zu<br />

berechnen. Entsprechen<strong>de</strong>s gilt für <strong>de</strong>n Mehrbetrag, <strong>de</strong>r sich ergibt, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige seine<br />

Voranmeldung o<strong>de</strong>r Anmeldung nachträglich berichtigt und sich dadurch die Steuer erhöht.<br />

b) Setzt das Finanzamt eine Steuer wegen Nichtabgabe <strong>de</strong>r Voranmeldung o<strong>de</strong>r Anmeldung fest, so sind<br />

Säumniszuschläge für verspätet geleistete Zahlung nicht vom Ablauf <strong>de</strong>s im Einzelsteuergesetz<br />

bestimmten Fälligkeitstages an, son<strong>de</strong>rn erst von <strong>de</strong>m Tag an (ggf. unter Gewährung <strong>de</strong>r Zahlungs-<br />

Schonfrist nach § 240 Abs. 3) zu erheben, <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n letzten Tag <strong>de</strong>r vom Finanzamt gesetzten<br />

Zahlungsfrist folgt. Dieser Tag bleibt für die Berechnung <strong>de</strong>r Säumniszuschläge auch dann maßgebend,<br />

wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige nach Ablauf <strong>de</strong>r vom Finanzamt gesetzten Zahlungsfrist seine Voranmeldung<br />

o<strong>de</strong>r Anmeldung abgibt. Entsprechen<strong>de</strong>s gilt, wenn das Finanzamt eine auf einer Voranmeldung o<strong>de</strong>r<br />

Anmeldung beruhen<strong>de</strong> Steuerschuld höher festsetzt, als sie sich aus <strong>de</strong>r Voranmeldung o<strong>de</strong>r Anmeldung<br />

ergibt, o<strong>de</strong>r eine von ihm festgesetzte Steuer durch Korrektur <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung erhöht.<br />

2. Im Falle <strong>de</strong>r Aufhebung o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung o<strong>de</strong>r ihrer Berichtigung nach § 129 bleiben die<br />

bis dahin verwirkten Säumniszuschläge bestehen (§ 240 Abs. 1 Satz 4). Das gilt auch, wenn die<br />

ursprüngliche, für die Bemessung <strong>de</strong>r Säumniszuschläge maßgeben<strong>de</strong> Steuer in einem<br />

Rechtsbehelfsverfahren herabgesetzt wird. Säumniszuschläge sind nicht zu entrichten, soweit sie sich auf<br />

Steuerbeträge beziehen, die durch (nachträgliche) Anrechnung von Lohn-, Kapitalertrag- o<strong>de</strong>r<br />

Körperschaftsteuer entfallen sind, weil insoweit zu keiner Zeit eine rückständige Steuer i. S. d. § 240 Abs. 1<br />

Satz 4 vorgelegen hat (BFH-Urteil vom 24.3.1992 – VII R 39/91 – BStBl. II, S. 956).<br />

3. Der Säumniszuschlag ist von <strong>de</strong>n Gesamtschuldnern nur in <strong>de</strong>r Höhe anzufor<strong>de</strong>rn, in <strong>de</strong>r er entstan<strong>de</strong>n wäre,<br />

wenn die Säumnis nur bei einem Gesamtschuldner eingetreten wäre; <strong>de</strong>r Ausgleich fin<strong>de</strong>t zwischen <strong>de</strong>n<br />

Gesamtschuldnern nach bürgerlichen Recht statt.<br />

4. Säumniszuschläge sind nicht zu entrichten, wenn Verspätungszuschläge, Zinsen, Säumniszuschläge,<br />

Zwangsgel<strong>de</strong>r und Kosten (steuerliche Nebenleistungen) nicht rechtzeitig gezahlt wer<strong>de</strong>n.<br />

5. Säumniszuschläge entstehen kraft Gesetzes allein durch Zeitablauf ohne Rücksicht auf ein Verschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen (BFH-Urteil vom 17.7.1985 – I R 172/79 – BStBl. 1986 II, S. 122). Sie stellen in erster<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 210 von 235


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Linie ein Druckmittel <strong>zur</strong> Durchsetzung fälliger Steuerfor<strong>de</strong>rungen dar, sind aber auch eine Gegenleistung<br />

für das Hinausschieben <strong>de</strong>r Zahlung und ein Ausgleich für <strong>de</strong>n angefallenen Verwaltungsaufwand (BFH-<br />

Urteil vom 29.8.1991 – V R 78/86 – BStBl. II, S. 906). Soweit diese Zielsetzung durch die verwirkten<br />

Säumniszuschläge nicht mehr erreicht wer<strong>de</strong>n kann, ist ihre Erhebung sachlich unbillig, so dass sie nach<br />

§ 227 ganz o<strong>de</strong>r teilweise erlassen wer<strong>de</strong>n können.<br />

Im Einzelnen kommt ein Erlass in Betracht:<br />

a) bei plötzlicher Erkrankung <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen, wenn er selbst dadurch an <strong>de</strong>r pünktlichen Zahlung<br />

gehin<strong>de</strong>rt war und es <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen seit seiner Erkrankung bis zum Ablauf <strong>de</strong>r Zahlungsfrist<br />

nicht möglich war, einen Vertreter mit <strong>de</strong>r Zahlung zu beauftragen;<br />

b) bei einem bisher pünktlichen Steuerzahler, <strong>de</strong>m ein offenbares Versehen unterlaufen ist. Wer seine<br />

Steuern laufend unter Ausnutzung <strong>de</strong>r Schonfrist <strong>de</strong>s § 240 Abs. 3 zahlt, ist kein pünktlicher Steuerzahler<br />

(BFH-Urteil vom 15.5.1990 – VII R 7/88 – BStBl. II, S. 1007);<br />

c) wenn einem Steuerpflichtigen die rechtzeitige Zahlung <strong>de</strong>r Steuern wegen Zahlungsunfähigkeit und<br />

Überschuldung nicht mehr möglich ist (BFH-Urteil vom 8.3.1984 – I R 44/80 – BStBl. II, S. 415). Zu<br />

erlassen ist regelmäßig die Hälfte <strong>de</strong>r verwirkten Säumniszuschläge (BFH-Urteil vom 16.7.1997 –<br />

XI R 32/96 – BStBl. 1998 II, S. 7);<br />

d) bei einem Steuerpflichtigen, <strong>de</strong>ssen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch nach § 258 bewilligte o<strong>de</strong>r<br />

sonst hingenommene Ratenzahlungen unstreitig bis an die äußerste Grenze ausgeschöpft wor<strong>de</strong>n ist. Zu<br />

erlassen ist regelmäßig die Hälfte <strong>de</strong>r verwirkten Säumniszuschläge (BFH-Urteil vom 22.6.1990 –<br />

III R 150/85 – BStBl. 1991 II, S. 864);<br />

e) wenn die Voraussetzungen für einen Erlass <strong>de</strong>r Hauptschuld nach § 227 o<strong>de</strong>r für eine zinslose Stundung<br />

<strong>de</strong>r Steuerfor<strong>de</strong>rung nach § 222 im Säumniszeitraum vorliegen (BFH-Urteil vom 23.5.1985 –<br />

V R 124/79 – BStBl. II, S. 489). Lagen nur die Voraussetzungen für eine verzinsliche Stundung <strong>de</strong>r<br />

Hauptfor<strong>de</strong>rung vor, ist die Hälfte <strong>de</strong>r verwirkten Säumniszuschläge zu erlassen;<br />

f) in sonstigen Fällen sachlicher Unbilligkeit.<br />

Die Möglichkeit eines weitergehen<strong>de</strong>n Erlasses aus persönlichen Billigkeitsgrün<strong>de</strong>n bleibt unberührt. Zum<br />

Erlass von Säumniszuschlägen bei einer Überschneidung mit Nachzahlungszinsen vgl. zu § 233a, Nr. 64.<br />

6. In Stundungs- und Aussetzungsfällen sowie bei <strong>de</strong>r Herabsetzung von Vorauszahlungen gilt Folgen<strong>de</strong>s:<br />

a) Stundung<br />

Wird eine Stundung vor Fälligkeit beantragt, aber erst nach Fälligkeit bewilligt, so ist die Stundung mit<br />

Wirkung vom Fälligkeitstag an auszusprechen. Die Schonfrist (§ 240 Abs. 3) ist vom neuen<br />

Fälligkeitstag an zu gewähren.<br />

Wird eine Stundung beantragt, aber erst nach Fälligkeit abgelehnt, so kann im Allgemeinen eine Frist <strong>zur</strong><br />

Zahlung <strong>de</strong>r rückständigen Steuern bewilligt wer<strong>de</strong>n. Diese Zahlungsfrist soll eine Woche grundsätzlich<br />

nicht überschreiten. Die Schonfrist (§ 240 Abs. 3) ist vom En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Zahlungsfrist an zu gewähren. Bei<br />

Zahlung bis zum Ablauf <strong>de</strong>r Schonfrist sind keine Säumniszuschläge zu erheben.<br />

Wird eine Stundung nach Fälligkeit beantragt und bewilligt, so ist die Stundung vom Eingangstag <strong>de</strong>s<br />

Antrags an auszusprechen, sofern nicht beson<strong>de</strong>re Grün<strong>de</strong> eine Stundung schon vom Fälligkeitstag an<br />

rechtfertigen. Bereits entstan<strong>de</strong>ne Säumniszuschläge sind in die Stundungsverfügung einzubeziehen. Die<br />

Schonfrist (§ 240 Abs. 3) ist zu gewähren.<br />

Wird eine Stundung nach Fälligkeit beantragt und abgelehnt, so verbleibt es bei <strong>de</strong>m ursprünglichen<br />

Fälligkeitstag, sofern nicht beson<strong>de</strong>re Grün<strong>de</strong> eine Frist <strong>zur</strong> Zahlung <strong>de</strong>r rückständigen Steuern<br />

rechtfertigen. Die Zahlungsfrist soll eine Woche grundsätzlich nicht überschreiten. Die Schonfrist (§ 240<br />

Abs. 3) ist vom En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Zahlungsfrist an zu gewähren. Bei Zahlung bis zum Ablauf <strong>de</strong>r Schonfrist sind<br />

keine Säumniszuschläge zu erheben.<br />

Wird bei Bewilligung einer Stundung erst nach Ablauf <strong>de</strong>r Schonfrist (§ 240 Abs. 3) gezahlt, sind<br />

Säumniszuschläge vom Ablauf <strong>de</strong>s neuen Fälligkeitstages an zu berechnen. Wird im Falle <strong>de</strong>r Ablehnung<br />

einer Stundung die eingeräumte Zahlungsfrist (zuzüglich <strong>de</strong>r Schonfrist nach § 240 Abs. 3) nicht<br />

eingehalten, sind Säumniszuschläge vom Ablauf <strong>de</strong>s ursprünglichen Fälligkeitstages an zu berechnen.<br />

b) Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung<br />

Wird ein rechtzeitig gestellter Antrag auf Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung nach Fälligkeit abgelehnt, so kann<br />

im Allgemeinen eine Frist <strong>zur</strong> Zahlung <strong>de</strong>r rückständigen Steuern bewilligt wer<strong>de</strong>n. Die Zahlungsfrist<br />

soll eine Woche grundsätzlich nicht überschreiten. Die Schonfrist (§ 240 Abs. 3) ist vom En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Zahlungsfrist an zu gewähren. Bei Zahlung bis zum Ablauf <strong>de</strong>r Schonfrist sind keine Säumniszuschläge<br />

zu erheben.<br />

c) Herabsetzung von Vorauszahlungen<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 211 von 235


Wird einem rechtzeitig gestellten Antrag auf Herabsetzung von Vorauszahlungen erst nach Fälligkeit<br />

entsprochen, sind Säumniszuschläge auf <strong>de</strong>n Herabsetzungsbetrag nicht zu erheben.<br />

Wird ein rechtzeitig gestellter Antrag auf Herabsetzung von Vorauszahlungen nach Fälligkeit abgelehnt,<br />

so kann im Allgemeinen eine Frist <strong>zur</strong> Zahlung <strong>de</strong>r rückständigen Steuern bewilligt wer<strong>de</strong>n. Die<br />

Zahlungsfrist soll eine Woche grundsätzlich nicht überschreiten. Die Schonfrist (§ 240 Abs. 3) ist vom<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Zahlungsfrist an zu gewähren. Bei Zahlung bis zum Ablauf <strong>de</strong>r Schonfrist sind keine<br />

Säumniszuschläge zu erheben.<br />

Wird einer <strong>de</strong>r vorbezeichneten Anträge mit <strong>de</strong>m Ziel gestellt, sich <strong>de</strong>r rechtzeitigen Zahlung <strong>de</strong>r Steuer zu<br />

entziehen (Missbrauchsfälle), ist keine Zahlungsfrist zu bewilligen.<br />

7. Mit einem Verwaltungsakt nach § 258 verzichtet die Vollstreckungsbehör<strong>de</strong> auf Vollstreckungsmaßnahmen;<br />

an <strong>de</strong>r Fälligkeit <strong>de</strong>r Steuerschuld än<strong>de</strong>rt sich dadurch jedoch nichts (s. auch BFH-Urteil vom 15.3.1979 –<br />

IV R 174/78 – BStBl. II, S. 429). Für die Dauer eines bekannt gegebenen Vollstreckungsaufschubs sind<br />

daher grundsätzlich Säumniszuschläge zu erheben; auf diese Rechtslage ist <strong>de</strong>r Steuerpflichtige bei<br />

Bekanntgabe <strong>de</strong>s Vollstreckungsaufschubs hinzuweisen (siehe Abschn. 7 Abs. 3 VollStrA). Die Möglichkeit,<br />

von <strong>de</strong>r Erhebung von Säumniszuschlägen aus Billigkeitsgrün<strong>de</strong>n nach § 227 ganz o<strong>de</strong>r teilweise abzusehen,<br />

bleibt unberührt (vgl. Nr. 5 Abs. 2).<br />

8. Macht <strong>de</strong>r Steuerpflichtige geltend, die Säumniszuschläge seien nicht o<strong>de</strong>r nicht in <strong>de</strong>r angefor<strong>de</strong>rten Höhe<br />

entstan<strong>de</strong>n, so ist sein Vorbringen – auch wenn es bspw. als „Erlassantrag“ bezeichnet ist – als Antrag auf<br />

Erteilung eines Beschei<strong>de</strong>s nach § 218 Abs. 2 anzusehen, da nur in diesem Verfahren entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n<br />

kann, ob und inwieweit Säumniszuschläge entstan<strong>de</strong>n sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH-Urteil<br />

vom 12.8.1999 – VII R 92/98 – BStBl. II, S. 751). Bestreitet <strong>de</strong>r Steuerpflichtige nicht die Entstehung <strong>de</strong>r<br />

Säumniszuschläge <strong>de</strong>m Grund und <strong>de</strong>r Höhe nach, son<strong>de</strong>rn wen<strong>de</strong>t er sich gegen <strong>de</strong>ren Anfor<strong>de</strong>rung im<br />

engeren Sinne (Leistungsgebot, § 254), ist sein Vorbringen als Einspruch (§ 347) anzusehen. Das Vorbringen<br />

<strong>de</strong>s Steuerpflichtigen ist als Erlassantrag zu werten, wenn sachliche o<strong>de</strong>r persönliche Billigkeitsgrün<strong>de</strong><br />

geltend gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />

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Zu §§ 241 bis 248 – Sicherheitsleistung:<br />

1. Die Vorschriften regeln nur die Art und das Verfahren <strong>de</strong>r Sicherheitsleistung. Wann und ggf. in welcher<br />

Höhe Sicherheiten zu leisten sind, ergibt sich aus an<strong>de</strong>ren Vorschriften <strong>de</strong>r <strong>Abgabenordnung</strong> (vgl. z. B. § 109<br />

Abs. 2, § 165 Abs. 1, §§ 221, 222, 223, 361 Abs. 2) o<strong>de</strong>r aus Einzelsteuergesetzen (§ 18f UStG). Die<br />

Erzwingung von Sicherheiten richtet sich nach § 336, ihre Verwertung nach § 327. Die Kosten <strong>de</strong>r<br />

Sicherheitsleistung treffen <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen.<br />

2. Die für die Bun<strong>de</strong>sfinanzverwaltung bekannt gegebenen Bestimmungen über Formen <strong>de</strong>r Sicherheitsleistung<br />

im Bereich <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Zollverwaltung verwalteten Steuern und Abgaben – SiLDV –<br />

(Vorschriftensammlung Bun<strong>de</strong>sfinanzverwaltung E – VSF – Kennungen S 1450 und Z 0915) sind – soweit<br />

sie Formen <strong>de</strong>r Sicherheitsleistung in Verbrauchsteuerverfahren betreffen – für <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r Besitz- und<br />

Verkehrsteuern entsprechend anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

Vor § 347 – Außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren:<br />

1. Das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren nach <strong>de</strong>r AO (Einspruchsverfahren) ist abzugrenzen<br />

– von <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r AO nicht geregelten, nichtförmlichen Rechtsbehelfen (Gegenvorstellung,<br />

Sachaufsichtsbeschwer<strong>de</strong>, Dienstaufsichtsbeschwer<strong>de</strong>),<br />

– von <strong>de</strong>m Antrag, einen Verwaltungsakt zu berichtigen, <strong>zur</strong>ückzunehmen, zu wi<strong>de</strong>rrufen, aufzuheben o<strong>de</strong>r<br />

zu än<strong>de</strong>rn (Korrekturantrag; §§ 129 bis 132, 172 bis 177).<br />

Der förmliche Rechtsbehelf (Einspruch) unterschei<strong>de</strong>t sich von <strong>de</strong>n Korrekturanträgen in folgen<strong>de</strong>n Punkten:<br />

– Er hin<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>n Eintritt <strong>de</strong>r formellen und materiellen Bestandskraft (zum Begriff <strong>de</strong>r Bestandskraft vgl.<br />

vor §§ 172 bis 177, Nr. 1);<br />

– er kann <strong>zur</strong> Verböserung führen (§ 367 Abs. 2 Satz 2); <strong>de</strong>r Verböserungsgefahr kann <strong>de</strong>r Steuerpflichtige<br />

aber durch rechtzeitige Rücknahme <strong>de</strong>s Einspruchs entgehen;<br />

– er ermöglicht die Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung.<br />

In Zweifelsfällen ist ein Einspruch anzunehmen, da er die Rechte <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen umfassen<strong>de</strong>r wahrt<br />

als ein Korrekturantrag.<br />

2. Das Einspruchsverfahren ist nicht kostenpflichtig. Steuerpflichtige und Finanzbehör<strong>de</strong>n haben jeweils ihre<br />

eigenen Aufwendungen zu tragen. Auf die Kostenerstattung nach § 139 FGO, auch für das außergerichtliche<br />

Vorverfahren, wird hingewiesen.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 212 von 235


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Zu § 347 – Statthaftigkeit <strong>de</strong>s Einspruchs:<br />

1. Das Einspruchsverfahren ist nur eröffnet, wenn ein Verwaltungsakt (auch ein nichtiger Verwaltungsakt o<strong>de</strong>r<br />

ein Scheinverwaltungsakt) angegriffen wird o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Einspruchsführer sich gegen <strong>de</strong>n Nichterlass eines<br />

Verwaltungsaktes wen<strong>de</strong>t. Verwaltungsakt ist z. B. auch die Ablehnung eines Realakts (vgl. zu § 364) o<strong>de</strong>r<br />

die Ablehnung <strong>de</strong>r Erteilung einer verbindlichen Auskunft.<br />

2. Der Einspruch ist auch gegeben, wenn ein Verwaltungsakt aufgehoben, geän<strong>de</strong>rt, <strong>zur</strong>ückgenommen o<strong>de</strong>r<br />

wi<strong>de</strong>rrufen o<strong>de</strong>r ein Antrag auf Erlass eines Verwaltungsaktes abgelehnt wird. Gleiches gilt, wenn die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> einen Verwaltungsakt wegen einer offenbaren Unrichtigkeit gem. § 129 berichtigt o<strong>de</strong>r es<br />

ablehnt, die beantragte Berichtigung eines Verwaltungsaktes durchzuführen (BFH-Urteil vom 13.12.1983 –<br />

VIII R 67/81 – BStBl. 1984 II, S. 511). Gegen Entscheidungen über die schlichte Än<strong>de</strong>rung (§ 172 Abs. 1<br />

Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a) ist ebenfalls <strong>de</strong>r Einspruch gegeben (BFH-Urteil vom 27.10.1993 – XI R 17/93 –<br />

BStBl. 1994 II, S. 439); dies gilt nicht, soweit <strong>de</strong>r Antrag auf schlichte Än<strong>de</strong>rung durch eine<br />

Allgemeinverfügung nach § 172 Abs. 3 <strong>zur</strong>ückgewiesen wur<strong>de</strong> (§ 348 Nr. 6).<br />

3. Beantragt <strong>de</strong>r Steuerpflichtige bei einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung (§ 164) o<strong>de</strong>r bei<br />

einer vorläufigen Steuerfestsetzung (§ 165) die Aufhebung dieser Nebenbestimmungen, ist gegen <strong>de</strong>n<br />

ablehnen<strong>de</strong>n Bescheid <strong>de</strong>r Einspruch gegeben. Wird <strong>de</strong>r Vorbehalt nach § 164 aufgehoben, kann <strong>de</strong>r<br />

Steuerpflichtige gegen die dann als Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung wirken<strong>de</strong><br />

Steuerfestsetzung uneingeschränkt Einspruch einlegen. Soweit eine vorläufige Steuerfestsetzung endgültig<br />

durchgeführt o<strong>de</strong>r für endgültig erklärt wird, gilt dies nur, soweit die Vorläufigkeit reichte.<br />

Gegen die Aufhebung <strong>de</strong>s Nachprüfungsvorbehalts in <strong>de</strong>r Einspruchsentscheidung ist die Klage, nicht ein<br />

erneuter Einspruch gegeben (BFH-Urteil vom 4.8.1983 – IV R 216/82 – BStBl. 1984 II, S. 85). Das gilt<br />

entsprechend, wenn in einer Einspruchsentscheidung die bisher vorläufige Steuerfestsetzung für endgültig<br />

erklärt wird.<br />

4. Ist eine Steuerfestsetzung mit einer Billigkeitsmaßnahme verbun<strong>de</strong>n (§ 163 Satz 3), ist gegen die<br />

Ermessensentscheidung über die Billigkeitsmaßnahme ein geson<strong>de</strong>rter Einspruch gegeben. Entsprechen<strong>de</strong>s<br />

gilt für die mit einer Zinsfestsetzung verbun<strong>de</strong>ne Billigkeitsentscheidung nach § 234 Abs. 2 o<strong>de</strong>r § 237<br />

Abs. 4.<br />

5. § 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 beschränkt i. V. m. § 348 Nr. 3 und 4 in Steuerberatungsangelegenheiten das<br />

Einspruchsverfahren auf Streitigkeiten über<br />

– die Ausübung (insbeson<strong>de</strong>re die Zulässigkeit) <strong>de</strong>r Hilfe in Steuersachen einschließlich <strong>de</strong>r<br />

Rechtsverhältnisse <strong>de</strong>r Lohnsteuerhilfevereine,<br />

– die Voraussetzungen für die Berufsausübung <strong>de</strong>r Steuerberater und Steuerbevollmächtigten (mit<br />

Ausnahme <strong>de</strong>r Entscheidungen <strong>de</strong>r Zulassungs- und <strong>de</strong>r Prüfungsausschüsse),<br />

– die Vollstreckung wegen Handlungen und Unterlassungen.<br />

6. In an<strong>de</strong>ren Angelegenheiten (§ 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4) sind die Vorschriften über das Einspruchsverfahren<br />

z. B. für anwendbar erklärt wor<strong>de</strong>n durch:<br />

– Lan<strong>de</strong>sgesetze, die Steuern betreffen, die <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sgesetzgebung unterliegen und durch<br />

Lan<strong>de</strong>sfinanzbehör<strong>de</strong>n verwaltet wer<strong>de</strong>n,<br />

– Gesetze <strong>zur</strong> Durchführung <strong>de</strong>r Verordnungen <strong>de</strong>s Rates <strong>de</strong>r Europäischen Gemeinschaft,<br />

soweit diese Gesetze die Anwendbarkeit <strong>de</strong>r AO-Vorschriften vorsehen.<br />

Soweit Gesetze die für Steuervergütungen gelten<strong>de</strong>n Vorschriften für entsprechend anwendbar erklären, ist<br />

das Einspruchsverfahren bereits nach § 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 eröffnet (z. B. EigZulG, InvZulG, WoPG und<br />

5. VermBG).<br />

Zu § 350 – Beschwer:<br />

1. Eine Beschwer ist nicht nur dann schlüssig geltend gemacht, wenn eine Rechtsverletzung o<strong>de</strong>r<br />

Ermessenswidrigkeit gerügt wird, son<strong>de</strong>rn auch dann, wenn <strong>de</strong>r Einspruchsführer eine günstigere<br />

Ermessensentscheidung begehrt. Aus nicht geson<strong>de</strong>rt festgestellten Besteuerungsgrundlagen (§ 157 Abs. 2)<br />

ergibt sich keine Beschwer.<br />

2. Bei einer zu niedrigen Festsetzung kann eine Beschwer dann bestehen, wenn eine höhere Festsetzung, z. B.<br />

aufgrund <strong>de</strong>s Bilanzenzusammenhangs, sich in Folgejahren günstiger auswirkt (BFH-Urteil vom 27.5.1981 –<br />

I R 123/77 – BStBl. 1982 II, S. 211) o<strong>de</strong>r wenn durch die begehrte höhere Steuerfestsetzung die Anrechnung<br />

von Steuerabzugsbeträgen ermöglicht wird und aufgrund <strong>de</strong>ssen ein geringerer Betrag als bisher entrichtet<br />

wer<strong>de</strong>n muss (BFH-Urteil vom 8.11.1985 – VI R 238/80 – BStBl. 1986 II, S. 186 und BFH-Beschluss vom<br />

3.2.1993 – I B 90/92 – BStBl. II, S. 426).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 213 von 235


3. Bei einer Nullfestsetzung besteht grundsätzlich keine Beschwer (BFH-Urteil vom 24.1.1975 – VI R 148/72 –<br />

BStBl. II, S. 382). Etwas an<strong>de</strong>res gilt, wenn eine Vergütung o<strong>de</strong>r eine Steuerbefreiung wegen<br />

Gemeinnützigkeit (BFH-Urteil vom 13.7.1994 – I R 5/93 – BStBl. 1995 II, S. 134) begehrt wird o<strong>de</strong>r wenn<br />

die <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Besteuerungsgrundlagen außersteuerliche Bindungswirkung<br />

haben (BFH-Urteil vom 20.12.1994 – IX R 80/92 – BStBl. 1995 II, S. 537).<br />

4. Wird durch Einspruch die Än<strong>de</strong>rung eines Grundlagenbescheids begehrt, kommt es für die schlüssige<br />

Geltendmachung <strong>de</strong>r Beschwer nicht auf die Auswirkungen in <strong>de</strong>n Folgebeschei<strong>de</strong>n an.<br />

5. Beschwert sein kann nicht nur <strong>de</strong>rjenige, für <strong>de</strong>n ein Verwaltungsakt bestimmt ist, son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>rjenige,<br />

<strong>de</strong>r von ihm betroffen ist.<br />

6. Eine weitere, in <strong>de</strong>r AO nicht ausdrücklich genannte Zulässigkeitsvoraussetzung ist das Vorliegen eines<br />

Rechtsschutzbedürfnisses, d. h. eines schutzwürdigen, berücksichtigungswerten Interesses an <strong>de</strong>r begehrten<br />

Entscheidung im Einspruchsverfahren.<br />

Die Möglichkeit, einen Antrag auf schlichte Än<strong>de</strong>rung (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a) zu stellen,<br />

beseitigt nicht das Rechtsschutzbedürfnis für einen Einspruch, da dieser die Rechte <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

umfassen<strong>de</strong>r wahrt (vgl. vor § 347, Nr. 1). Wen<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>r Steuerpflichtige gegen <strong>de</strong>nselben Verwaltungsakt<br />

sowohl mit einem Einspruch als auch mit einem Antrag auf schlichte Än<strong>de</strong>rung, ist nur das<br />

Einspruchsverfahren durchzuführen (BFH-Urteil vom 27.9.1994 – VIII R 36/89 – BStBl. 1995 II, S. 353).<br />

Wird mit <strong>de</strong>m Einspruch ausschließlich die angebliche Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm gerügt, fehlt<br />

grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> <strong>de</strong>n angefochtenen Verwaltungsakt<br />

spätestens im Einspruchsverfahren hinsichtlich <strong>de</strong>s strittigen Punktes für vorläufig erklärt hat (BFH-<br />

Beschlüsse vom 10.11.1993 – X B 83/93 – BStBl. 1994 II, S. 119, und vom 22.3.1996 – III B 173/95 –<br />

BStBl. II, S. 506). Trotz vorläufiger Steuerfestsetzung kann aber ein Rechtsschutzbedürfnis anzunehmen<br />

sein, wenn <strong>de</strong>r Einspruchsführer beson<strong>de</strong>re Grün<strong>de</strong> materiell-rechtlicher o<strong>de</strong>r verfahrensrechtlicher Art<br />

substantiiert geltend macht o<strong>de</strong>r Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung begehrt (BFH-Urteil vom 30.9.2010 –<br />

III R 39/08 – BStBl. 2011 II, S. 11; <strong>zur</strong> Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung wegen verfassungsrechtlicher Zweifel<br />

vgl. zu § 361, Nr. 2.5.4).<br />

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Zu § 351 – Bindungswirkung an<strong>de</strong>rer Verwaltungakte:<br />

1. Wird ein Bescheid angegriffen, <strong>de</strong>r einen unanfechtbaren Bescheid geän<strong>de</strong>rt hat, ist die Sache nach § 367<br />

Abs. 2 Satz 1 in vollem Umfang erneut zu prüfen. Geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n kann aber aufgrund <strong>de</strong>r Anfechtung <strong>de</strong>r<br />

Än<strong>de</strong>rungsbescheid nur in <strong>de</strong>m Umfang, in <strong>de</strong>m er vom ursprünglichen Bescheid abweicht; diese<br />

Beschränkung bezieht sich z. B. beim Steuerbescheid auf <strong>de</strong>n festgesetzten Steuerbetrag. Einwendungen, die<br />

bereits gegen die ursprüngliche Steuerfestsetzung vorgebracht wer<strong>de</strong>n konnten, können auch gegen <strong>de</strong>n<br />

Än<strong>de</strong>rungsbescheid vorgetragen wer<strong>de</strong>n. Ist z. B. im Än<strong>de</strong>rungsbescheid eine höhere Steuer festgesetzt<br />

wor<strong>de</strong>n, kann die ursprünglich festgesetzte Steuer nicht unterschritten wer<strong>de</strong>n; ist dagegen im<br />

Än<strong>de</strong>rungsbescheid eine niedrigere Steuer festgesetzt wor<strong>de</strong>n, kann <strong>de</strong>r Steuerpflichtige nicht eine weitere<br />

Herabsetzung erreichen.<br />

2. Etwas an<strong>de</strong>res gilt, soweit sich aus <strong>de</strong>n Vorschriften über die Aufhebung o<strong>de</strong>r die Än<strong>de</strong>rung von<br />

Verwaltungsakten, z. B. wegen neuer Tatsachen, ein Rechtsanspruch auf Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s unanfechtbaren<br />

Bescheids ergibt.<br />

Beispiele:<br />

a) Ein Steuerbescheid wird nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 zuungunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen geän<strong>de</strong>rt. Der<br />

Steuerpflichtige kann mit <strong>de</strong>m Einspruch geltend machen, dass Tatsachen i. S. d. § 173 Abs. 1 Nr. 2<br />

unberücksichtigt geblieben sind, die die Mehrsteuern im Ergebnis nicht nur ausgleichen, son<strong>de</strong>rn sogar<br />

zu einer Erstattung führen.<br />

b) Ein Steuerbescheid wird nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 zugunsten <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen geän<strong>de</strong>rt. Der<br />

Steuerpflichtige kann mit <strong>de</strong>m Einspruch geltend machen, dass Tatsachen i. S. d. Vorschrift, die zu einer<br />

weitergehen<strong>de</strong>n Erstattung führen, unberücksichtigt geblieben sind.<br />

3. § 351 Abs. 1 gilt nach seinem Wortlaut nur für än<strong>de</strong>rbare Beschei<strong>de</strong>, nicht hingegen für die sonstigen<br />

Verwaltungsakte, die <strong>de</strong>n Vorschriften über die Rücknahme (§ 130) und <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rruf (§ 131) unterliegen<br />

(BFH-Urteil vom 24.7.1984 – VII R 122/80 – BStBl. II, S. 791). § 351 Abs. 1 bleibt aber zu beachten, wenn<br />

ein än<strong>de</strong>rbarer Verwaltungsakt nach § 129 berichtigt wor<strong>de</strong>n ist (vgl. zu § 129, Nr. 5).<br />

4. Ein Einspruch gegen einen Folgebescheid, mit welchem nur Einwendungen gegen <strong>de</strong>n Grundlagenbescheid<br />

geltend gemacht wer<strong>de</strong>n, ist unbegrün<strong>de</strong>t, nicht unzulässig (BFH-Urteil vom 2.9.1987 – I R 162/84 –<br />

BStBl. 1988 II, S. 142).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 214 von 235


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Zu § 352 – Einspruchsbefugnis bei <strong>de</strong>r einheitlichen Feststellung:<br />

1. Die Regelungen <strong>de</strong>s § 352 <strong>zur</strong> Einspruchsbefugnis bei einheitlichen Feststellungsbeschei<strong>de</strong>n gelten<br />

unabhängig von <strong>de</strong>r Art <strong>de</strong>r in die Feststellung einbezogenen Besteuerungsgrundlagen.<br />

2. Nach Absatz 1 Nr. 1 erste Alternative können gegen einheitliche Feststellungsbeschei<strong>de</strong> die <strong>zur</strong> Vertretung<br />

berufenen Geschäftsführer Einspruch einlegen.<br />

3. Betrifft die einheitliche Feststellung eine Personengruppe, die keinen Geschäftsführer hat (z. B. eine<br />

Erbengemeinschaft), so gilt – soweit kein Fall i. S. d. Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 vorliegt – nach Absatz 1 Nr. 1<br />

zweite Alternative i. V. m. Absatz 2 Folgen<strong>de</strong>s:<br />

a) Haben die Feststellungsbeteiligten gem. § 183 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 6 Abs. 1 Satz 1 <strong>de</strong>r V zu § 180<br />

Abs. 2 AO einen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten bestellt, so ist nach Absatz 2 Satz 1<br />

ausschließlich dieser einspruchsbefugt, soweit das Finanzamt <strong>de</strong>m Belehrungsgebot nach Absatz 2 Satz 3<br />

nachgekommen ist.<br />

b) Haben die Feststellungsbeteiligten keinen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten bestellt o<strong>de</strong>r ist ein<br />

solcher (z. B. wegen Wi<strong>de</strong>rrufs <strong>de</strong>r Vollmacht) nicht mehr vorhan<strong>de</strong>n, steht die Einspruchsbefugnis <strong>de</strong>m<br />

nach § 183 Abs. 1 Satz 2 gesetzlich fingierten Empfangsbevollmächtigten (Vertretungs- bzw.<br />

Verwaltungsberechtigter) zu (Absatz 2 Satz 2 erster Halbsatz erste Alternative). Dies gilt nicht, wenn <strong>de</strong>r<br />

gesetzlich fingierte Empfangsbevollmächtigte Geschäftsführer ist; in diesem Fall richtet sich die<br />

Einspruchsbefugnis nach Absatz 1 Nr. 1 erste Alternative.<br />

c) Ist auch ein gesetzlich fingierter Empfangsbevollmächtigter nicht vorhan<strong>de</strong>n, steht die<br />

Einspruchsbefugnis <strong>de</strong>m nach § 183 Abs. 1 Satz 3 bis 5 bzw. § 6 Abs. 1 Satz 3 bis 5 <strong>de</strong>r V zu § 180<br />

Abs. 2 AO von <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> bestimmten Empfangsbevollmächtigten zu (Absatz 2 Satz 2 erster<br />

Halbsatz zweite Alternative). Benennen die Feststellungsbeteiligten nach einer Auffor<strong>de</strong>rung i. S. d.<br />

§ 183 Abs. 1 Satz 3 bis 5 bzw. <strong>de</strong>s § 6 Abs. 1 Satz 3 bis 5 <strong>de</strong>r V zu § 180 Abs. 2 AO eine an<strong>de</strong>re als die<br />

von <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> vorgeschlagene Person als Empfangsbevollmächtigten, richtet sich die<br />

Einspruchsbefugnis nach Absatz 2 Satz 1.<br />

d) Ist we<strong>de</strong>r ein von <strong>de</strong>n Feststellungsbeteiligten bestellter noch ein gesetzlich fingierter o<strong>de</strong>r ein von <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> bestimmter Empfangsbevollmächtigter vorhan<strong>de</strong>n, ist je<strong>de</strong>r Feststellungsbeteiligte<br />

einspruchsbefugt (Absatz 1 Nr. 2).<br />

e) Die grundsätzliche Beschränkung <strong>de</strong>r Einspruchsbefugnis auf <strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n Feststellungsbeteiligten<br />

bestellten, <strong>de</strong>n gesetzlich fingierten bzw. <strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> bestimmten<br />

Empfangsbevollmächtigten greift nur ein, wenn die Beteiligten in <strong>de</strong>r Feststellungserklärung <strong>de</strong>s<br />

betreffen<strong>de</strong>n Jahres o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Auffor<strong>de</strong>rung <strong>zur</strong> Benennung eines Empfangsbevollmächtigten (§ 183<br />

Abs. 1 Satz 3 und 4, § 6 Abs. 1 Satz 3 und 4 <strong>de</strong>r V zu § 180 Abs. 2 AO) über die Einspruchsbefugnis <strong>de</strong>s<br />

Empfangsbevollmächtigten belehrt wor<strong>de</strong>n sind (Absatz 2 Satz 3).<br />

f) Ferner hat je<strong>de</strong>r Feststellungsbeteiligte das Recht, für seine Person <strong>de</strong>r Einspruchsbefugnis <strong>de</strong>s gesetzlich<br />

fingierten bzw. <strong>de</strong>s von <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> bestimmten – nicht aber <strong>de</strong>r Einspruchsbefugnis <strong>de</strong>s von <strong>de</strong>n<br />

Feststellungsbeteiligten bestellten – Empfangsbevollmächtigten zu wi<strong>de</strong>rsprechen (Absatz 2 Satz 2<br />

zweiter Halbsatz). Der wi<strong>de</strong>rsprechen<strong>de</strong> Feststellungsbeteiligte ist dann selbst einspruchsbefugt (Absatz 1<br />

Nr. 2). Der Wi<strong>de</strong>rspruch ist gegenüber <strong>de</strong>r das Feststellungsverfahren durchführen<strong>de</strong>n Finanzbehör<strong>de</strong><br />

spätestens bis zum Ablauf <strong>de</strong>r Einspruchsfrist zu erheben. Ein nicht schriftlich bzw. elektronisch erklärter<br />

Wi<strong>de</strong>rspruch ist unter Datumsangabe aktenkundig zu machen.<br />

Zu § 353 – Einspruchsbefugnis <strong>de</strong>s Rechtsnachfolgers:<br />

Die Rechtsnachfolge tritt ein,<br />

1. bevor einer <strong>de</strong>r in § 353 genannten Beschei<strong>de</strong> ergangen ist:<br />

Nach § 182 Abs. 2 Satz 2, § 184 Abs. 1 Satz 4, §§ 185 und 190 wirkt <strong>de</strong>r Bescheid gegen <strong>de</strong>n<br />

Rechtsnachfolger nur dann, wenn er ihm bekannt gegeben wird;<br />

2. nach <strong>de</strong>r Bekanntgabe eines in § 353 genannten Beschei<strong>de</strong>s, aber noch innerhalb <strong>de</strong>r Einspruchsfrist:<br />

Der Rechtsnachfolger kann innerhalb <strong>de</strong>r – schon laufen<strong>de</strong>n – Frist Einspruch einlegen (§ 353);<br />

3. nach Ablauf <strong>de</strong>r Einspruchsfrist für einen in § 353 genannten Bescheid:<br />

Der Bescheid wirkt gegenüber <strong>de</strong>m Rechtsnachfolger, ohne dass dieser die Möglichkeit <strong>de</strong>s Einspruchs hat<br />

(§ 182 Abs. 2 Satz 1, § 184 Abs. 1 Satz 4, §§ 185 und 190);<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 215 von 235


4. während eines Einspruchsverfahrens gegen einen in § 353 genannten Bescheid:<br />

Der Gesamtrechtsnachfolger tritt in <strong>de</strong>r Rechtsstellung <strong>de</strong>s Rechtsvorgängers als Verfahrensbeteiligter ein;<br />

seiner Hinzuziehung bedarf es nicht. Beim Einzelrechtsnachfolger hat die Finanzbehör<strong>de</strong> seine Hinzuziehung<br />

zum Verfahren zu prüfen (§§ 359, 360);<br />

5. während die Frist <strong>zur</strong> Erhebung <strong>de</strong>r Klage läuft:<br />

Da auch in diesem Fall <strong>de</strong>r Bescheid gegen <strong>de</strong>n Rechtsnachfolger wirkt (§ 353), kann dieser nur innerhalb<br />

<strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Rechtsvorgänger maßgeben<strong>de</strong>n Frist gem. § 40 Abs. 2 FGO Klage erheben;<br />

6. während eines finanzgerichtlichen Verfahrens:<br />

Bei Gesamtrechtsnachfolge (z. B. bei Erbfolge o<strong>de</strong>r bei Verschmelzung von Gesellschaften) wird das<br />

Verfahren bis <strong>zur</strong> Aufnahme durch <strong>de</strong>n Rechtsnachfolger unterbrochen (§ 155 FGO; § 239 ZPO), es sei<br />

<strong>de</strong>nn, <strong>de</strong>r Rechtsvorgänger war durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten (§ 155 FGO; §§ 239, 246<br />

ZPO). Bei Einzelrechtsnachfolge (z. B. bei Kauf) hat das Finanzgericht zu prüfen, ob <strong>de</strong>r Rechtsnachfolger<br />

beizula<strong>de</strong>n ist (§§ 57, 60 FGO).<br />

Zu § 355 – Einspruchsfrist:<br />

1. Die Einspruchsfrist beträgt einen Monat. Sie beginnt im Fall <strong>de</strong>s § 355 Abs. 1 Satz 1 mit Bekanntgabe<br />

(§ 122), im Fall <strong>de</strong>s § 355 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz mit Eingang <strong>de</strong>r Steueranmeldung bei <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> und im Fall <strong>de</strong>s § 355 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz mit Bekanntwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r formfreien<br />

Zustimmung <strong>de</strong>s Finanzamts zu laufen. Wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Steuerpflichtige schriftlich bzw. elektronisch über die<br />

Zustimmung unterrichtet (z. B. zusammen mit einer Abrechnungsmitteilung), ist grundsätzlich davon<br />

auszugehen, dass ihm die Zustimmung am dritten Tag nach Aufgabe <strong>zur</strong> Post bzw. nach <strong>de</strong>r Absendung<br />

bekannt gewor<strong>de</strong>n ist; zu diesem Zeitpunkt beginnt <strong>de</strong>mnach auch erst die Einspruchsfrist zu laufen. Ist keine<br />

Mitteilung ergangen, ist regelmäßig davon auszugehen, dass <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen die Zustimmung<br />

frühestens mit <strong>de</strong>r Zahlung (§ 224 Abs. 3) <strong>de</strong>r Steuervergütung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Min<strong>de</strong>rsolls bekannt gewor<strong>de</strong>n ist.<br />

2. Zur Wie<strong>de</strong>reinsetzung in <strong>de</strong>n vorigen Stand nach unterlassener Anhörung eines Beteiligten bzw. wegen<br />

fehlen<strong>de</strong>r Begründung <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes (§ 126 Abs. 3 i. V. m. § 110) vgl. zu § 91, Nr. 3 und zu § 121,<br />

Nr. 3.<br />

3. Zur Unterbrechung <strong>de</strong>r Einspruchsfrist durch Eröffnung <strong>de</strong>s Insolvenzverfahrens siehe zu § 251, Nr. 4.1.2<br />

und Nr. 5.3.1.2.1.<br />

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Zu § 357 – Einlegung <strong>de</strong>s Einspruchs:<br />

1. Die Schriftform für einen Einspruch (Absatz 1 Satz 1) ist auch bei einer Einlegung durch Telefax gewahrt<br />

(vgl. BFH-Beschluss vom 26.3.1991 – VIII B 83/90 – BStBl. II, S. 463 <strong>zur</strong> Klageerhebung). Der Einspruch<br />

kann unter <strong>de</strong>r Voraussetzung <strong>de</strong>r Zugangseröffnung (vgl. zu § 87a, Nr. 1) auch elektronisch eingelegt<br />

wer<strong>de</strong>n; eine qualifizierte elektronische Signatur nach <strong>de</strong>m Signaturgesetz ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich.<br />

2. Nach § 357 Abs. 2 Satz 4 genügt die Einlegung <strong>de</strong>s Einspruchs bei einer unzuständigen Behör<strong>de</strong>, sofern <strong>de</strong>r<br />

Einspruch innerhalb <strong>de</strong>r Einspruchsfrist einer <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong>n übermittelt wird, bei <strong>de</strong>r er nach § 357 Abs. 2<br />

Sätze 1 bis 3 angebracht wer<strong>de</strong>n kann; <strong>de</strong>r Steuerpflichtige trägt jedoch das Risiko <strong>de</strong>r rechtzeitigen<br />

Übermittlung. Kann eine Behör<strong>de</strong> leicht und einwandfrei erkennen, dass sie für einen bei ihr eingegangenen<br />

Einspruch nicht und welche Finanzbehör<strong>de</strong> zuständig ist, hat sie diesen Einspruch unverzüglich an die<br />

zuständige Finanzbehör<strong>de</strong> weiterzuleiten. Geschieht dies nicht und wird dadurch die Einspruchsfrist<br />

versäumt, kommt Wie<strong>de</strong>reinsetzung in <strong>de</strong>n vorigen Stand (§ 110) in Betracht (BVerfG-Beschluss vom<br />

2.9.2002 – 1 BvR 476/01 – BStBl. II, S. 835).<br />

3. Wird ein Einspruch bei einem Wechsel <strong>de</strong>r örtlichen Zuständigkeit nach Erlass eines Verwaltungsaktes<br />

entgegen § 357 Abs. 2 Satz 1 bereits bei <strong>de</strong>r nach § 367 Abs. 1 Satz 2 <strong>zur</strong> Entscheidung berufenen an<strong>de</strong>ren<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> eingelegt, gilt auch in diesem Fall § 357 Abs. 2 Satz 4. Der Einspruch muss <strong>de</strong>r alten Behör<strong>de</strong><br />

innerhalb <strong>de</strong>r Einspruchsfrist übermittelt wer<strong>de</strong>n, damit diese die Anwendung <strong>de</strong>s § 26 Satz 2 prüfen kann;<br />

wird <strong>de</strong>r Einspruch nicht rechtzeitig übermittelt, können die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 110 gegeben sein.<br />

Zu § 360 – Hinzuziehung zum Verfahren:<br />

1. Entsprechend <strong>de</strong>r Regelung in § 60 FGO über die Beiladung wird zwischen notwendiger (§ 360 Abs. 3) und<br />

einfacher Hinzuziehung (§ 360 Abs. 1) unterschie<strong>de</strong>n.<br />

2. § 360 Abs. 1 Satz 2 ist entsprechend auf § 360 Abs. 3 anzuwen<strong>de</strong>n; <strong>de</strong>r Einspruchsführer erhält damit die<br />

Möglichkeit, durch Rücknahme seines Einspruchs die Hinzuziehung zu vermei<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 216 von 235


3. Bei Zusammenveranlagung (z. B. von Ehegatten bei <strong>de</strong>r Einkommensteuer) wird es sich regelmäßig<br />

empfehlen, von <strong>de</strong>r Möglichkeit <strong>de</strong>r einfachen Hinzuziehung (§ 360 Abs. 1) Gebrauch zu machen. Das gilt<br />

auch dann, wenn <strong>de</strong>r hinzuzuziehen<strong>de</strong> Ehegatte nicht über eigene Einkünfte verfügt.<br />

4. Will das Finanzamt <strong>de</strong>n angefochtenen Verwaltungsakt gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a än<strong>de</strong>rn,<br />

ohne <strong>de</strong>m Antrag <strong>de</strong>s Einspruchsführers <strong>de</strong>r Sache nach zu entsprechen, ist auch die Zustimmung <strong>de</strong>s<br />

notwendig Hinzugezogenen einzuholen; Gleiches empfiehlt sich bei einfacher Hinzuziehung.<br />

Zu § 361 – Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung:<br />

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Inhaltsübersicht:<br />

1. Anwendungsbereich <strong>de</strong>s § 361 und <strong>de</strong>s § 69 Abs. 2 FGO/Abgrenzung <strong>zur</strong> gerichtlichen<br />

Vollziehungsaussetzung und <strong>zur</strong> Stundung<br />

2. Voraussetzungen für eine Vollziehungsaussetzung<br />

3. Summarisches Verfahren/Vollstreckung bei anhängigem Vollziehungsaussetzungsantrag/Zuständigkeit<br />

4. Berechnung <strong>de</strong>r auszusetzen<strong>de</strong>n Steuer<br />

4.1 Die streitbefangene Steuer ist kleiner als die Abschlusszahlung<br />

4.2 Die streitbefangene Steuer ist kleiner als die Abschlusszahlung einschließlich nicht geleisteter<br />

Vorauszahlungen<br />

4.3 Die streitbefangene Steuer ist größer als die Abschlusszahlung<br />

4.4 Die streitbefangene Steuer ist größer als die Abschlusszahlung einschließlich nicht geleisteter<br />

Vorauszahlungen<br />

4.5 Die Steuerfestsetzung führt zu einer Erstattung<br />

4.6 Son<strong>de</strong>rfälle<br />

4.7 Außersteuerliche Verwaltungsakte<br />

5. Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung von Grundlagenbeschei<strong>de</strong>n<br />

6. Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung von Folgebeschei<strong>de</strong>n<br />

7. Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung durch das Finanzamt<br />

8. Dauer <strong>de</strong>r Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung<br />

8.1 Beginn <strong>de</strong>r Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung<br />

8.2 En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung<br />

9. Nebenbestimmungen <strong>zur</strong> Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung<br />

9.1 Wi<strong>de</strong>rrufsvorbehalt<br />

9.2 Sicherheitsleistung<br />

10. Ablehnung <strong>de</strong>r Vollziehungsaussetzung<br />

11. Rechtsbehelfe<br />

12. Aussetzungszinsen<br />

1. Anwendungsbereich <strong>de</strong>s § 361 und <strong>de</strong>s § 69 Abs. 2 FGO/Abgrenzung <strong>zur</strong> gerichtlichen<br />

Vollziehungsaussetzung und <strong>zur</strong> Stundung<br />

1.1 § 361 regelt die Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung durch die Finanzbehör<strong>de</strong> während eines Einspruchsverfahrens.<br />

§ 69 Abs. 2 FGO erlaubt es <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>, während eines Klageverfahrens die Vollziehung auszusetzen.<br />

1.2 Die Rechtsgrundlagen für eine Vollziehungsaussetzung durch das Finanzgericht ergeben sich aus § 69<br />

Abs. 3, 4, 6 und 7 FGO. Das Finanzgericht kann die Vollziehung – unter <strong>de</strong>n einschränken<strong>de</strong>n Voraussetzungen<br />

<strong>de</strong>s § 69 Abs. 4 FGO – auch schon vor Erhebung <strong>de</strong>r Anfechtungsklage aussetzen (vgl. Nr. 11).<br />

1.3 Demjenigen, <strong>de</strong>r eine Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> erhoben hat, kann für diesen Verfahrensabschnitt keine<br />

Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung gewährt wer<strong>de</strong>n (§ 32 BVerfGG; siehe BFH-Urteil vom 11.2.1987 – II R 176/84 –<br />

BStBl. II, S. 320).<br />

1.4 Liegen nebeneinan<strong>de</strong>r die gesetzlichen Voraussetzungen sowohl für eine Stundung als auch für eine<br />

Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung vor, wird im Regelfall auszusetzen sein.<br />

1.5. Zu <strong>de</strong>n Auswirkungen <strong>de</strong>r Eröffnung <strong>de</strong>s Insolvenzverfahrens auf das Verfahren <strong>de</strong>r Aussetzung <strong>de</strong>r<br />

Vollziehung siehe zu § 251, Nr. 4.1.3.<br />

2. Voraussetzungen für eine Vollziehungsaussetzung<br />

2.1 Die zuständige Finanzbehör<strong>de</strong> (vgl. Nr. 3.3) soll auf Antrag die Vollziehung aussetzen, wenn ernstliche<br />

Zweifel an <strong>de</strong>r Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>s angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen o<strong>de</strong>r wenn die Vollziehung für<br />

<strong>de</strong>n Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegen<strong>de</strong> öffentliche Interessen gebotene Härte <strong>zur</strong> Folge hätte<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 217 von 235


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(§ 361 Abs. 2 Satz 2; § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO). Die Finanzbehör<strong>de</strong> kann auch ohne Antrag die Vollziehung<br />

aussetzen (§ 361 Abs. 2 Satz 1; § 69 Abs. 2 Satz 1 FGO). Von dieser Möglichkeit ist insbeson<strong>de</strong>re dann<br />

Gebrauch zu machen, wenn <strong>de</strong>r Rechtsbehelf offensichtlich begrün<strong>de</strong>t ist, <strong>de</strong>r Abhilfebescheid aber<br />

voraussichtlich nicht mehr vor Fälligkeit <strong>de</strong>r gefor<strong>de</strong>rten Steuer ergehen kann.<br />

2.2 Eine Vollziehungsaussetzung ist nur möglich, wenn <strong>de</strong>r Verwaltungsakt, <strong>de</strong>ssen Vollziehung ausgesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n soll, angefochten und das Rechtsbehelfsverfahren noch nicht abgeschlossen ist (Ausnahme:<br />

Folgebeschei<strong>de</strong> i. S. d. § 361 Abs. 3 Satz 1 und <strong>de</strong>s § 69 Abs. 2 Satz 4 FGO; vgl. Nr. 6). Eine<br />

Vollziehungsaussetzung kommt daher nicht in Betracht, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige statt eines Rechtsbehelfs<br />

einen Än<strong>de</strong>rungsantrag, z. B. nach § 164 Abs. 2 Satz 2 o<strong>de</strong>r nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a, bei <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> einreicht.<br />

2.3 Die Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung setzt Vollziehbarkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes voraus.<br />

2.3.1 Vollziehbar sind insbeson<strong>de</strong>re<br />

– die eine (positive) Steuer festsetzen<strong>de</strong>n Steuerbeschei<strong>de</strong> (vgl. Nr. 4),<br />

– Steuerbeschei<strong>de</strong> über 0 €, die einen vorhergehen<strong>de</strong>n Steuerbescheid über einen negativen Betrag än<strong>de</strong>rn<br />

(BFH-Beschluss vom 8.11.1974 – V B 52/73 – BStBl. 1975 II, S. 239),<br />

– Vorauszahlungsbeschei<strong>de</strong> bis zum Erlass <strong>de</strong>s Jahressteuerbescheids (BFH-Beschluss vom 4.6.1981 –<br />

VIII B 31/80 – BStBl. II, S. 767; vgl. Nr. 8.2.2),<br />

– Beschei<strong>de</strong>, mit <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung aufgehoben wird (BFH-Beschluss vom 1.6.1983 –<br />

III B 40/82 – BStBl. II, S. 622),<br />

– Verwaltungsakte nach § 218 Abs. 2, die eine Zahlungsschuld feststellen (BFH-Beschluss vom 10.11.1987 –<br />

VII B 137/87 – BStBl. 1988 II, S. 43),<br />

– Mitteilungen nach § 141 Abs. 2 über die Verpflichtung <strong>zur</strong> Buchführung (BFH-Beschluss vom 6.12.1979 –<br />

IV B 32/79 – BStBl. 1980 II, S. 427),<br />

– Leistungsgebote (BFH-Beschluss vom 31.10.1975 – VIII B 14/74 – BStBl. 1976 II, S. 258),<br />

– <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rruf einer Stundung (BFH-Beschluss vom 8.6.1982 – VIII B 29/82 – BStBl. II, S. 608),<br />

– die völlige o<strong>de</strong>r teilweise Ablehnung eines Antrags auf Eintragung eines Freibetrags auf <strong>de</strong>r Lohnsteuerkarte<br />

(BFH-Beschlüsse vom 29.4.1992 – VI B 152/91 – BStBl. II, S. 752, und vom 17.3.1994 – VI B 154/93 –<br />

BStBl. II, S. 567),<br />

– Außenprüfungsanordnungen (vgl. zu § 196, Nr. 1).<br />

2.3.2 Nicht vollziehbar sind insbeson<strong>de</strong>re<br />

– erstmalige Steuerbeschei<strong>de</strong> über 0 €, auch wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige die Festsetzung einer negativen Steuer<br />

begehrt (BFH-Urteil vom 17.12.1981 – V R 81/81 – BStBl. 1982 II, S. 149, BVerfG-Beschluss vom<br />

23.6.1982 – 1 BvR 254/82 – StRK FGO § 69 R 244),<br />

– auf eine negative Steuerschuld lauten<strong>de</strong> Steuerbeschei<strong>de</strong>, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige eine Erhöhung <strong>de</strong>s<br />

negativen Betrags begehrt (BFH-Beschluss vom 28.11.1974 – V B 44/74 – BStBl. 1975 II, S. 240),<br />

– Verwaltungsakte, die <strong>de</strong>n Erlass o<strong>de</strong>r die Korrektur eines Verwaltungsaktes ablehnen, z. B. Ablehnung eines<br />

Än<strong>de</strong>rungsbescheids (BFH-Beschlüsse vom 24.11.1970 – II B 42/70 – BStBl. 1971 II, S. 110, und vom<br />

25.3.1971 – II B 47/69 – BStBl. II, S. 334), Ablehnung <strong>de</strong>r Herabsetzung bestandskräftig festgesetzter<br />

Vorauszahlungen (BFH-Beschluss vom 27.3.1991 – I B 187/90 – BStBl. II, S. 643), Ablehnung einer<br />

Stundung (BFH-Beschluss vom 8.6.1982 – VIII B 29/82 – BStBl. II, S. 608) o<strong>de</strong>r eines Erlasses (BFH-<br />

Beschluss vom 24.9.1970 – II B 28/70 – BStBl. II, S. 813),<br />

– die Ablehnung einer Billigkeitsmaßnahme i. S. d. § 163,<br />

– die Ablehnung <strong>de</strong>r Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 44a Abs. 5 EStG (BFH-Beschluss vom<br />

27.7.1994 – I B 246/93 – BStBl. II, S. 899) o<strong>de</strong>r einer Freistellung vom Quellensteuerabzug nach § 50a<br />

Abs. 4 EStG (BFH-Beschluss vom 13.4.1994 – I B 212/93 – BStBl. II, S. 835),<br />

– Verbindliche Auskünfte (§ 89 Abs. 2; § 2 StAuskV), verbindliche Zusagen (§§ 204 bis 207) und<br />

Lohnsteueranrufungsauskünfte (§ 42e EStG), unabhängig davon, ob sie <strong>de</strong>r Rechtsauffassung <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen entsprechen o<strong>de</strong>r nicht, sowie die Ablehnung, eine verbindliche Auskunft, eine<br />

verbindliche Zusage o<strong>de</strong>r eine Lohnsteueranrufungsauskunft zu erteilen.<br />

2.3.3 Zur Vollziehbarkeit von Feststellungsbeschei<strong>de</strong>n vgl. Nr. 5.1.<br />

2.3.4 Vorläufiger Rechtsschutz gegen einen nicht vollziehbaren Verwaltungsakt kann nur durch eine<br />

einstweilige Anordnung nach § 114 FGO gewährt wer<strong>de</strong>n.<br />

2.4 Bei <strong>de</strong>r Entscheidung über Anträge auf Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung ist <strong>de</strong>r gesetzliche Ermessensspielraum<br />

im Interesse <strong>de</strong>r Steuerpflichtigen stets voll auszuschöpfen.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 218 von 235


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2.5 Zur Aussetzung berechtigen<strong>de</strong> ernstliche Zweifel an <strong>de</strong>r Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>s angefochtenen<br />

Verwaltungsaktes bestehen, wenn eine summarische Prüfung (vgl. Nr. 3.4) ergibt, dass neben <strong>de</strong>n für die<br />

Rechtmäßigkeit sprechen<strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechen<strong>de</strong> Grün<strong>de</strong> zutage treten,<br />

die Unentschie<strong>de</strong>nheit o<strong>de</strong>r Unsicherheit in <strong>de</strong>r Beurteilung <strong>de</strong>r Rechtsfragen o<strong>de</strong>r Unklarheit in <strong>de</strong>r Beurteilung<br />

<strong>de</strong>r Tatfragen bewirken. Dabei brauchen die für die Unrechtmäßigkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes sprechen<strong>de</strong>n<br />

Be<strong>de</strong>nken nicht zu überwiegen, d. h. ein Erfolg <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen muss nicht wahrscheinlicher sein als ein<br />

Misserfolg (BFH-Beschlüsse vom 10.2.1967 – III B 9/66 – BStBl. III, S. 182, und vom 28.11.1974 –<br />

V B 52/73 – BStBl. 1975 II, S. 239).<br />

2.5.1 Bei <strong>de</strong>r Abschätzung <strong>de</strong>r Erfolgsaussichten sind nicht nur die BFH-Rechtsprechung und die einschlägigen<br />

Verwaltungsanweisungen, son<strong>de</strong>rn auch die Entscheidungen <strong>de</strong>s zuständigen Finanzgerichts zu beachten.<br />

2.5.2 Ernstliche Zweifel an <strong>de</strong>r Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes wer<strong>de</strong>n im Allgemeinen zu bejahen sein,<br />

– wenn die Behör<strong>de</strong> bewusst o<strong>de</strong>r unbewusst von einer für <strong>de</strong>n Antragsteller günstigen Rechtsprechung <strong>de</strong>s<br />

BFH abgewichen ist (BFH-Beschluss vom 15.2.1967 – VI S 2/66 – BStBl. III, S. 256),<br />

– wenn <strong>de</strong>r BFH noch nicht zu <strong>de</strong>r Rechtsfrage Stellung genommen hat und die Finanzgerichte<br />

unterschiedliche Rechtsauffassungen vertreten (BFH-Beschluss vom 10.5.1968 – III B 55/67 – BStBl. II,<br />

S. 610),<br />

– wenn die Gesetzeslage unklar ist, die streitige Rechtsfrage vom BFH noch nicht entschie<strong>de</strong>n ist, im<br />

Schrifttum Be<strong>de</strong>nken gegen die Rechtsauslegung <strong>de</strong>s Finanzamtes erhoben wer<strong>de</strong>n und die<br />

Finanzverwaltung die Zweifelsfrage in <strong>de</strong>r Vergangenheit nicht einheitlich beurteilt hat (BFH-Beschlüsse<br />

vom 22.9.1967 – VI B 59/67 – BStBl. 1968 II, S. 37, und vom 19.8.1987 – V B 56/85 – BStBl. II, S. 830),<br />

– wenn eine Rechtsfrage von zwei obersten Bun<strong>de</strong>sgerichten o<strong>de</strong>r zwei Senaten <strong>de</strong>s BFH unterschiedlich<br />

entschie<strong>de</strong>n wor<strong>de</strong>n ist (BFH-Beschlüsse vom 22.11.1968 – VI B 87/68 – BStBl. 1969 II, S. 145, und vom<br />

21.11.1974 – IV B 39/74 – BStBl. 1975 II, S. 175) o<strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rsprüchliche Urteile <strong>de</strong>sselben BFH-Senats<br />

vorliegen (BFH-Beschluss vom 5.2.1986 – I B 39/85 – BStBl. II, S. 490).<br />

2.5.3 Dagegen wer<strong>de</strong>n ernstliche Zweifel im Allgemeinen zu verneinen sein,<br />

– wenn <strong>de</strong>r Verwaltungsakt <strong>de</strong>r höchstrichterlichen Rechtsprechung entspricht (BFH-Beschlüsse vom<br />

24.2.1967 – VI B 15/66 – BStBl. III, S. 341, und vom 11.3.1970 – I B 50/68 – BStBl. II, S. 569), und zwar<br />

auch dann, wenn einzelne Finanzgerichte eine von <strong>de</strong>r höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichen<strong>de</strong><br />

Auffassung vertreten,<br />

– wenn <strong>de</strong>r Rechtsbehelf unzulässig ist (BFH-Beschlüsse vom 24.11.1970 – II B 42/70 – BStBl. 1971 II,<br />

S. 110, und vom 25.3.1971 – II B 47/69 – BStBl. II, S. 334).<br />

2.5.4 An die Zweifel hinsichtlich <strong>de</strong>r Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>s angefochtenen Verwaltungsaktes sind, wenn die<br />

Verfassungswidrigkeit einer angewandten Rechtsnorm geltend gemacht wird, keine strengeren Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

zu stellen als im Falle <strong>de</strong>r Geltendmachung fehlerhafter Rechtsanwendung. Die Begrün<strong>de</strong>theit <strong>de</strong>s<br />

Aussetzungsantrags ist nicht nach <strong>de</strong>n Grundsätzen zu beurteilen, die für eine einstweilige Anordnung durch das<br />

BVerfG nach § 32 BVerfGG gelten (BFH-Beschluss vom 10.2.1984 – III B 40/83 – BStBl. II, S. 454).<br />

Im Hinblick auf <strong>de</strong>n Geltungsanspruch je<strong>de</strong>s formell verfassungsgemäß zustan<strong>de</strong> gekommenen Gesetzes muss<br />

aber <strong>de</strong>r Antragsteller zusätzlich ein beson<strong>de</strong>res berechtigtes Interesse an <strong>de</strong>r Gewährung vorläufigen<br />

Rechtsschutzes haben.<br />

Geboten ist eine Interessenabwägung zwischen <strong>de</strong>r einer Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung entgegenstehen<strong>de</strong>n<br />

Gefährdung <strong>de</strong>r öffentlichen Haushaltsführung und <strong>de</strong>n für eine Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung sprechen<strong>de</strong>n<br />

individuellen Interessen <strong>de</strong>s Antragstellers an <strong>de</strong>r Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (BFH-Beschlüsse vom<br />

6.11.1987 – III B 101/86 – BStBl. 1988 II, S. 134, vom 1.4.2010 – II B 168/09 – BStBl. II, S. 558, und vom<br />

9.3.2012 – VII B 171/11 – BStBl. II, S. 418). Als Ergebnis dieser Interessenabwägung kann somit trotz<br />

ernstlicher Zweifel an <strong>de</strong>r Verfassungsmäßigkeit einer angewandten Vorschrift eine Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung<br />

abzulehnen sein.<br />

Diese Grundsätze gelten nicht nur, wenn zweifelhaft ist, ob eine Norm materiell verfassungsgemäß ist, son<strong>de</strong>rn<br />

auch dann, wenn Zweifel an <strong>de</strong>r formellen Verfassungsmäßigkeit einer Norm bestehen (BFH-Beschluss vom<br />

9.3.2012, a.a.O.). Wür<strong>de</strong> eine Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung im Ergebnis <strong>zur</strong> vorläufigen Nichtanwendung eines<br />

ganzen Gesetzes führen, hat das Interesse an einer geordneten Haushaltsführung Vorrang, wenn <strong>de</strong>r durch die<br />

Vollziehung <strong>de</strong>s angefochtenen Verwaltungsakts eintreten<strong>de</strong> Eingriff beim Steuerpflichtigen als eher gering<br />

einzustufen ist und dieser Eingriff keine dauerhaften nachteiligen Wirkungen hat; ob ernstliche Zweifel an <strong>de</strong>r<br />

Verfassungsmäßigkeit <strong>de</strong>s Gesetzes bestehen, muss dann i. d. R. nicht geprüft wer<strong>de</strong>n (BFH-Beschlüsse vom<br />

1.4.2010 und vom 9.3.2012, jeweils a.a.O.).“<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 219 von 235


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2.5.5 Die Gefährdung <strong>de</strong>s Steueranspruchs ist – wenn ernstliche Zweifel an <strong>de</strong>r Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>s<br />

Verwaltungsaktes bestehen – für sich allein kein Grund, die Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung abzulehnen.<br />

Steuerausfälle können dadurch vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, dass die Aussetzung von einer Sicherheitsleistung abhängig<br />

gemacht wird (vgl. Nr. 9.2).<br />

2.6 Eine Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung wegen unbilliger Härte kommt in Betracht, wenn bei sofortiger<br />

Vollziehung <strong>de</strong>m Betroffenen Nachteile drohen wür<strong>de</strong>n, die über die eigentliche Realisierung <strong>de</strong>s<br />

Verwaltungsaktes hinausgehen, in<strong>de</strong>m sie vom Betroffenen ein Tun, Dul<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Unterlassen for<strong>de</strong>rn, <strong>de</strong>ssen<br />

nachteilige Folgen nicht mehr o<strong>de</strong>r nur schwer rückgängig gemacht wer<strong>de</strong>n können o<strong>de</strong>r existenzbedrohend<br />

sind. Eine Vollziehungsaussetzung wegen unbilliger Härte ist zu versagen, wenn <strong>de</strong>r Rechtsbehelf offensichtlich<br />

keine Aussicht auf Erfolg hat (BFH-Beschlüsse vom 21.12.1967 – V B 26/67 – BStBl. 1968 II, S. 84, und vom<br />

19.4.1968 – IV B 3/66 – BStBl. II, S. 538).<br />

2.7 Durch Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung darf die Entscheidung in <strong>de</strong>r Hauptsache nicht vorweggenommen<br />

wer<strong>de</strong>n (BFH-Beschluss vom 22.7.1980 – VII B 3/80 – BStBl. II, S. 592).<br />

3. Summarisches Verfahren/Vollstreckung bei anhängigem<br />

Vollziehungsaussetzungsantrag/Zuständigkeit<br />

3.1 Über Anträge auf Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung ist unverzüglich zu entschei<strong>de</strong>n. Solange über einen<br />

entsprechen<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> gestellten Antrag noch nicht entschie<strong>de</strong>n ist, sollen<br />

Vollstreckungsmaßnahmen unterbleiben, es sei <strong>de</strong>nn, <strong>de</strong>r Antrag ist aussichtslos, bezweckt offensichtlich nur ein<br />

Hinausschieben <strong>de</strong>r Vollstreckung o<strong>de</strong>r es besteht Gefahr im Verzug.<br />

3.2 Stellt <strong>de</strong>r Steuerpflichtige einen Antrag auf Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO beim<br />

Finanzgericht, ist die Vollstreckungsstelle darüber zu unterrichten. Die Vollstreckungsstelle entschei<strong>de</strong>t, ob im<br />

Einzelfall von Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen ist. Vor Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen ist mit<br />

<strong>de</strong>m Finanzgericht Verbindung aufzunehmen (siehe Abschn. 5 Abs. 4 Satz 3 VollstrA). Die Verpflichtung <strong>de</strong>s<br />

Finanzamts, unverzüglich selbst zu prüfen, ob eine Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung in Betracht kommt, und ggf. die<br />

Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung selbst auszusprechen, bleibt unberührt.<br />

3.3 Für die Entscheidung über die Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung ist ohne Rücksicht auf die Steuerart und die<br />

Höhe <strong>de</strong>s Steuerbetrages das Finanzamt zuständig, das <strong>de</strong>n angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat. Ein<br />

zwischenzeitlich eingetretener Zuständigkeitswechsel betrifft grundsätzlich auch das Aussetzungsverfahren<br />

(§ 367 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 26 Satz 2).<br />

3.4 Die Entscheidung über die Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung ergeht in einem summarischen Verfahren. Die<br />

Begrün<strong>de</strong>theit <strong>de</strong>s Rechtsbehelfs ist im Rahmen dieses Verfahrens nur in einem begrenzten Umfang zu prüfen.<br />

Bei <strong>de</strong>r Prüfung sind nicht präsente Beweismittel ausgeschlossen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 23.7.1968 –<br />

II B 17/68 – BStBl. II, S. 589, und vom 19.5.1987 – VIII B 104/85 – BStBl. 1988 II, S. 5). Die<br />

Sachentscheidungsvoraussetzungen für die Vollziehungsaussetzung (z. B. Anhängigkeit eines förmlichen<br />

Rechtsbehelfs, Zuständigkeit) sind eingehend und nicht nur summarisch zu prüfen (vgl. BFH-Beschluss vom<br />

21.4.1971 – VII B 106/99 – BStBl. II, S. 702).<br />

4. Berechnung <strong>de</strong>r auszusetzen<strong>de</strong>n Steuer<br />

Die Höhe <strong>de</strong>r auszusetzen<strong>de</strong>n Steuer ist in je<strong>de</strong>m Fall zu berechnen; eine pauschale Bestimmung (z. B.<br />

ausgesetzte Steuer = Abschlusszahlung) ist nicht vorzunehmen.<br />

Bei Steuerbeschei<strong>de</strong>n sind die Aussetzung und die Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung auf die festgesetzte Steuer,<br />

vermin<strong>de</strong>rt um die an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong>n Steuerabzugsbeträge, um die an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Körperschaftsteuer und um die<br />

festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung o<strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>r<br />

Vollziehung <strong>zur</strong> Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 361 Abs. 2 Satz 4; § 69 Abs. 2 Satz 8 und<br />

Absatz 3 Satz 4 FGO). Diese Regelung ist verfassungsgemäß (BFH-Beschlüsse vom 2.11.1999 – I B 49/99 –<br />

BStBl. 2000 II, S. 57, und vom 24.1.2000 – X B 99/99 – BStBl. II, S. 559). Zum Begriff „wesentliche Nachteile“<br />

vgl. Nr. 4.6.1).<br />

Vorauszahlungen sind auch dann „festgesetzt“ i. S. d. § 361 Abs. 2 Satz 4, § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO, wenn <strong>de</strong>r<br />

Vorauszahlungsbescheid in <strong>de</strong>r Vollziehung ausgesetzt war (BFH-Beschluss vom 24.1.2000 – X B 99/99 –<br />

BStBl. II, S. 559; vgl. Nrn. 4.2, 4.4 und 8.2.2).<br />

Steuerabzugsbeträge sind bei <strong>de</strong>r Ermittlung <strong>de</strong>r auszusetzen<strong>de</strong>n Steuer auch dann zu berücksichtigen, wenn sie<br />

erst im Rechtsbehelfsverfahren geltend gemacht wer<strong>de</strong>n und die Abrechnung <strong>de</strong>s angefochtenen<br />

Steuerbeschei<strong>de</strong>s zu korrigieren ist.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 220 von 235


Wird ein Steuerbescheid zum Nachteil <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen geän<strong>de</strong>rt o<strong>de</strong>r gemäß § 129 berichtigt, kann<br />

hinsichtlich <strong>de</strong>s sich ergeben<strong>de</strong>n Mehrbetrags die Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung unabhängig von <strong>de</strong>n<br />

Beschränkungen <strong>de</strong>s § 361 Abs. 2 Satz 4 AO bzw. <strong>de</strong>s § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO gewährt wer<strong>de</strong>n.<br />

Es sind folgen<strong>de</strong> Fälle zu unterschei<strong>de</strong>n (in <strong>de</strong>n Beispielsfällen 4.1 bis 4.5 wird jeweils davon ausgegangen, dass<br />

ein Betrag von 5 000 € streitbefangen ist und in dieser Höhe auch ernstliche Zweifel an <strong>de</strong>r Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>r<br />

angefochtenen Steuerfestsetzung bestehen sowie kein Ausnahmefall <strong>de</strong>s Vorliegens wesentlicher Nachteile –<br />

vgl. Nr. 4.6.1 – gegeben ist):<br />

4.1 Die streitbefangene Steuer ist kleiner als die Abschlusszahlung<br />

Beispiel 1:<br />

festgesetzte Steuer 15 000 €<br />

festgesetzte und entrichtete Vorauszahlungen 8 000 €<br />

Abschlusszahlung 7 000 €<br />

streitbefangene Steuer 5 000 €<br />

Die Vollziehung ist i. H. v. 5 000 € auszusetzen. Der Restbetrag i. H. v. 2 000 € ist am Fälligkeitstag zu<br />

entrichten.<br />

Beispiel 2:<br />

festgesetzte Umsatzsteuer 0 €<br />

Summe <strong>de</strong>r festgesetzten Umsatzsteuer-Vorauszahlungen ./. 7 000 €<br />

Abschlusszahlung 7 000 €<br />

streitbefangene Steuer 5 000 €<br />

Die Vollziehung ist i. H. v. 5 000 € auszusetzen. Der Restbetrag in Höhe von 2 000 € ist am Fälligkeitstag zu<br />

entrichten.<br />

4.2 Die streitbefangene Steuer ist kleiner als die Abschlusszahlung einschließlich nicht geleisteter<br />

Vorauszahlungen<br />

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Beispiel 1:<br />

festgesetzte Steuer 15 000 €<br />

festgesetzte Vorauszahlungen 8 000 €<br />

entrichtete Vorauszahlungen 5 000 €<br />

rückständige Vorauszahlungen 3 000 €<br />

an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge 4 000 €<br />

Abschlusszahlung (einschließlich <strong>de</strong>r rückständigen Vorauszahlungsbeträge, da nach § 36 6 000 €<br />

Abs. 2 Nr. 1 EStG nur die entrichteten Vorauszahlungen an<strong>zur</strong>echnen sind)<br />

streitbefangene Steuer 5 000 €<br />

Die Vollziehung ist nur i. H. v. 3 000 € auszusetzen (15 000 € – festgesetzte Steuer – ./. 8 000 € – festgesetzte<br />

Vorauszahlungen – ./. 4 000 € – an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge –). Die rückständigen Vorauszahlungen<br />

i. H. v. 3 000 € sind sofort zu entrichten.<br />

Beispiel 2:<br />

festgesetzte Steuer 15 000 €<br />

festgesetzte Vorauszahlungen 8 000 €<br />

Vollziehungsaussetzung <strong>de</strong>s Vorauszahlungsbescheids i. H. v. 3 000 €<br />

entrichtete Vorauszahlungen 5 000 €<br />

an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge 4 000 €<br />

Abschlusszahlung (einschließlich <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Vollziehung ausgesetzten Vorauszahlungen) 6 000 €<br />

streitbefangene Steuer 5 000 €<br />

Die Vollziehung ist nur i. H. v. 3 000 € auszusetzen (15 000 € – festgesetzte Steuer – ./. 8 000 € – festgesetzte<br />

Vorauszahlungen – ./. 4 000 € – an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge –). Die in <strong>de</strong>r Vollziehung ausgesetzten<br />

Vorauszahlungen in Höhe von 3 000 € sind innerhalb <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> zu setzen<strong>de</strong>n Frist (vgl.<br />

Nr. 8.2.2) zu entrichten. Der Restbetrag <strong>de</strong>r Abschlusszahlung (3 000 €) muss nicht geleistet wer<strong>de</strong>n, solange die<br />

Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung wirksam ist.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 221 von 235


4.3 Die streitbefangene Steuer ist größer als die Abschlusszahlung<br />

Beispiel:<br />

festgesetzte Steuer 15 000 €<br />

festgesetzte und entrichtete Vorauszahlungen 8 000 €<br />

an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge 4 000 €<br />

Abschlusszahlung 3 000 €<br />

streitbefangene Steuer 5 000 €<br />

Die Vollziehung ist nur i. H. v. 3 000 € auszusetzen (15 000 € – festgesetzte Steuer – ./. 8 000 € – festgesetzte<br />

Vorauszahlungen – ./. 4 000 € – an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge –). Die Abschlusszahlung muss nicht<br />

geleistet wer<strong>de</strong>n, solange die Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung wirksam ist.<br />

4.4 Die streitbefangene Steuer ist größer als die Abschlusszahlung einschließlich nicht geleisteter<br />

Vorauszahlungen<br />

Beispiel 1:<br />

festgesetzte Steuer 15 000 €<br />

festgesetzte Vorauszahlungen 8 000 €<br />

entrichtete Vorauszahlungen 5 000 €<br />

rückständige Vorauszahlungen 3 000 €<br />

an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge 6 000 €<br />

Abschlusszahlung (einschließlich <strong>de</strong>r rückständigen Vorauszahlungen) 4 000 €<br />

streitbefangene Steuer 5 000 €<br />

Die Vollziehung ist nur i. H. v. 1 000 € auszusetzen (15 000 € – festgesetzte Steuer – ./. 8 000 € – festgesetzte<br />

Vorauszahlungen – ./. 6 000 € – an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge –). Die rückständigen Vorauszahlungen<br />

i. H. v. 3 000 € sind sofort zu entrichten.<br />

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Beispiel 2:<br />

festgesetzte Steuer 15 000 €<br />

festgesetzte Vorauszahlungen 8 000 €<br />

Vollziehungsaussetzung <strong>de</strong>s Vorauszahlungsbescheids i. H. v. 3 000 €<br />

entrichtete Vorauszahlungen 5 000 €<br />

an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge 6 000 €<br />

Abschlusszahlung (einschließlich <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Vollziehung ausgesetzten Vorauszahlungen) 4 000 €<br />

streitbefangene Steuer 5 000 €<br />

Die Vollziehung ist nur i. H. v. 1 000 € auszusetzen (15 000 € – festgesetzte Steuer – ./. 8 000 € – festgesetzte<br />

Vorauszahlungen – ./. 6 000 € – an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge –). Die in <strong>de</strong>r Vollziehung ausgesetzten<br />

Vorauszahlungen i. H. v. 3 000 € sind innerhalb <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> zu setzen<strong>de</strong>n Frist (vgl. Nr. 8.2.2) zu<br />

entrichten. Der Restbetrag <strong>de</strong>r Abschlusszahlung (1 000 €) muss nicht geleistet wer<strong>de</strong>n, solange die Aussetzung<br />

<strong>de</strong>r Vollziehung wirksam ist.<br />

4.5 Die Steuerfestsetzung führt zu einer Erstattung<br />

Beispiel 1:<br />

festgesetzte Steuer 15 000 €<br />

festgesetzte und entrichtete Vorauszahlungen 12 000 €<br />

an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge 5 000 €<br />

Erstattungsbetrag 2 000 €<br />

streitbefangene Steuer 5 000 €<br />

Eine Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung ist nicht möglich (15 000 € – festgesetzte Steuer – ./. 12 000 € – festgesetzte<br />

Vorauszahlungen –./. 5 000 € – an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge –).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 222 von 235


Beispiel 2:<br />

Nach einem Erstbescheid gemäß Beispiel 1 ergeht ein Än<strong>de</strong>rungsbescheid:<br />

festgesetzte Steuer nunmehr 16 000 €<br />

festgesetzte und entrichtete Vorauszahlungen 12 000 €<br />

an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge 5 000 €<br />

neuer Erstattungsbetrag 1 000 €<br />

Rückfor<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m Erstbescheid geleisteten Erstattung (Leistungsgebot) i. H. v. 1 000 €<br />

streitbefangene Steuer 5 000 €<br />

Der Än<strong>de</strong>rungsbescheid kann i. H. v. 1 000 € in <strong>de</strong>r Vollziehung ausgesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Beispiel 3:<br />

Nach einem Erstbescheid gemäß Beispiel 1 ergeht ein Än<strong>de</strong>rungsbescheid:<br />

festgesetzte Steuer nunmehr 18 000 €<br />

festgesetzte und entrichtete Vorauszahlungen 12 000 €<br />

an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge 5 000 €<br />

Abschlusszahlung neu 1 000 €<br />

Leistungsgebot über (Abschlusszahlung – 1 000 € – zuzüglich <strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m Erstbescheid 3 000 €<br />

geleisteten Erstattung – 2 000 € –)<br />

streitbefangene Steuer 5 000 €<br />

Der Än<strong>de</strong>rungsbescheid kann i. H. v. 3 000 € in <strong>de</strong>r Vollziehung ausgesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />

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4.6 Son<strong>de</strong>rfälle<br />

4.6.1 Die Beschränkung <strong>de</strong>r Aussetzung bzw. Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung von Steuerbeschei<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>n<br />

Unterschiedsbetrag zwischen festgesetzter Steuer und Vorleistungen (festgesetzte Vorauszahlungen,<br />

an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge, an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Körperschaftsteuer) gilt nicht, wenn die Aussetzung o<strong>de</strong>r<br />

Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung <strong>zur</strong> Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (vgl. Nr. 4 zweiter Absatz).<br />

Für die Beurteilung, wann „wesentliche Nachteile“ vorliegen, sind die von <strong>de</strong>r BFH-Rechtsprechung <strong>zur</strong><br />

einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO entwickelten Grundsätze heranzuziehen (BFH-Beschluss vom<br />

22.12.2003 – IX B 177/02 – BStBl. 2004 II, S. 367). „Wesentliche Nachteile“ liegen <strong>de</strong>mnach vor, wenn durch<br />

die Versagung <strong>de</strong>r Vollziehungsaussetzung bzw. Vollziehungsaufhebung unmittelbar und ausschließlich die<br />

wirtschaftliche o<strong>de</strong>r persönliche Existenz <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen bedroht sein wür<strong>de</strong> (BFH-Beschluss vom<br />

22.12.2003, a.a.O.).<br />

Keine „wesentlichen Nachteile“ sind – für sich allein gesehen – allgemeine Folgen, die mit <strong>de</strong>r Steuerzahlung<br />

verbun<strong>de</strong>n sind, beispielsweise<br />

– ein Zinsverlust (vgl. BFH-Beschluss vom 27.7.1994 – I B 246/93 – BStBl. II, S. 899),<br />

– eine <strong>zur</strong> Bezahlung <strong>de</strong>r Steuern notwendige Kreditaufnahme (BFH-Beschlüsse vom 12.4.1984 –<br />

VIII B 115/82 – BStBl. II, S. 492, und vom 2.11.1999 – I B 49/99 – BStBl. 2000 II, S. 57),<br />

– ein Zurückstellen betrieblicher Investitionen o<strong>de</strong>r eine Einschränkung <strong>de</strong>s gewohnten Lebensstandards<br />

(BFH-Beschluss vom 12.4.1984 – VIII B 115/82 – BStBl. II, S. 492).<br />

„Wesentliche Nachteile“ liegen auch vor, wenn <strong>de</strong>r BFH o<strong>de</strong>r ein Finanzgericht von <strong>de</strong>r Verfassungswidrigkeit<br />

einer streitentschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Vorschrift überzeugt ist und <strong>de</strong>shalb diese Norm gem. Art. 100 Abs. 1 GG <strong>de</strong>m<br />

BVerfG <strong>zur</strong> Prüfung vorgelegt hat (BFH-Beschluss vom 22.12.2003 – IX B 177/02 – BStBl. 2004 II, S. 367).<br />

Wur<strong>de</strong> ein Grundlagenbescheid angefochten, sind erst bei <strong>de</strong>r Vollziehungsaussetzung <strong>de</strong>s Folgebeschei<strong>de</strong>s die<br />

Regelungen <strong>de</strong>s § 361 Abs. 2 Satz 4 bzw. <strong>de</strong>s § 69 Abs. 2 Satz 8 und Abs. 3 Satz 4 FGO zu beachten (vgl. Nr. 4<br />

zweiter Absatz, Nr. 5.1 letzter Absatz und Nr. 6 letzter Absatz). Folglich ist auch erst in diesem Verfahren zu<br />

prüfen, ob „wesentliche Nachteile“ vorliegen.<br />

4.6.2 In Fällen, in <strong>de</strong>nen die Vollziehung <strong>de</strong>s angefochtenen Steuerbescheids auszusetzen ist, bei Erfolg <strong>de</strong>s<br />

Rechtsbehelfs aber an<strong>de</strong>re Steuerbeschei<strong>de</strong> zuungunsten <strong>de</strong>s Rechtsbehelfsführers zu än<strong>de</strong>rn sind, kann die<br />

Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung <strong>de</strong>s angefochtenen Steuerbescheids nicht auf <strong>de</strong>n Unterschiedsbetrag <strong>de</strong>r<br />

steuerlichen Auswirkungen begrenzt wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 10.11.1994 – IV R 44/94 – BStBl. 1995 II,<br />

S. 814).<br />

4.7 Außersteuerliche Verwaltungsakte<br />

Die vorstehen<strong>de</strong>n Ausführungen gelten sinngemäß für außersteuerliche Verwaltungsakte, auf die die<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 223 von 235


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Vorschriften <strong>de</strong>s § 361 und <strong>de</strong>s § 69 FGO entsprechend anzuwen<strong>de</strong>n sind (z. B. Beschei<strong>de</strong> für<br />

Investitionszulagen, Eigenheimzulagen, Wohnungsbauprämien, Bergmannsprämien, Arbeitnehmer-<br />

Sparzulagen). Die Vollziehung eines Beschei<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r beispielsweise eine Investitionszulage nach Auffassung <strong>de</strong>s<br />

Antragstellers zu niedrig festsetzt, kann daher nicht ausgesetzt wer<strong>de</strong>n. Ein Bescheid, <strong>de</strong>r eine gewährte<br />

Investitionszulage <strong>zur</strong>ückfor<strong>de</strong>rt, ist dagegen ein vollziehbarer und aussetzungsfähiger Verwaltungsakt.<br />

5. Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung von Grundlagenbeschei<strong>de</strong>n<br />

5.1 Auch die Vollziehung von Grundlagenbeschei<strong>de</strong>n (insbeson<strong>de</strong>re Feststellungs- und Steuermessbeschei<strong>de</strong>n)<br />

kann unter <strong>de</strong>n allgemeinen Voraussetzungen – Anhängigkeit eines Rechtsbehelfs (vgl. Nr. 2.2), vollziehbarer<br />

Verwaltungsakt (vgl. Nr. 2.3), ernstliche Zweifel (vgl. Nr. 2.5) o<strong>de</strong>r unbillige Härte (vgl. Nr. 2.6) – ausgesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Eine Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung ist daher insbeson<strong>de</strong>re möglich bei<br />

– Beschei<strong>de</strong>n über die geson<strong>de</strong>rte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2,<br />

– Feststellungsbeschei<strong>de</strong>n nach <strong>de</strong>r V zu § 180 Abs. 2 AO,<br />

– Beschei<strong>de</strong>n nach § 180 Abs. 1 Nr. 3,<br />

– Feststellungsbeschei<strong>de</strong> nach §§ 27, 28 und 38 KStG,<br />

– Gewerbesteuermessbeschei<strong>de</strong>n,<br />

– Grundsteuermessbeschei<strong>de</strong>n,<br />

– Einheitswertbeschei<strong>de</strong>n (§ 180 Abs. 1 Nr. 1 AO i. V. m. § 19 BewG),<br />

– Beschei<strong>de</strong>n über die Feststellung von Grundbesitzwerten (§ 151 BewG),<br />

– Feststellungsbeschei<strong>de</strong>n nach § 17 Abs. 2 und 3 GrEStG.<br />

Nach <strong>de</strong>r Rechtsprechung <strong>de</strong>s BFH kommt eine Vollziehungsaussetzung auch in Betracht bei<br />

– Verlustfeststellungsbeschei<strong>de</strong>n, soweit die Feststellung eines höheren Verlustes begehrt wird (BFH-<br />

Beschlüsse vom 10.7.1979 – VIII B 84/78 – BStBl. II, S. 567, und vom 25.10.1979 – IV B 68/79 –<br />

BStBl. 1980 II, S. 66),<br />

– Feststellungsbeschei<strong>de</strong>n, die Anteile einzelner Gesellschafter auf 0 € feststellen und angefochten wer<strong>de</strong>n,<br />

weil diese Gesellschafter <strong>de</strong>n Ansatz von Verlustanteilen begehren (BFH-Beschluss vom 22.10.1980 – I<br />

S 1/80 – BStBl. 1981 II, S. 99),<br />

– Feststellungsbeschei<strong>de</strong>n, die eine Mitunternehmerschaft einzelner Beteiligter verneinen (BFH-Beschluss<br />

vom 10.7.1980 – IV B 77/79 – BStBl. II, S. 697),<br />

– negativen Gewinn-/Verlustfeststellungsbeschei<strong>de</strong>n, d. h. Beschei<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>n Erlass eines Gewinn(Verlust-<br />

)feststellungsbescheids ablehnen (Beschluss <strong>de</strong>s Großen Senats <strong>de</strong>s BFH vom 14.4.1987 – GrS 2/85 –<br />

BStBl. II, S. 637),<br />

– Beschei<strong>de</strong>n nach § 15a Abs. 4 EStG über die Feststellung eines verrechenbaren Verlustes (BFH-Beschluss<br />

vom 2.3.1988 – IV B 95/87 – BStBl. II, S. 617).<br />

Soweit in einem Grundlagenbescheid Feststellungen enthalten sind, die Gegenstand eines an<strong>de</strong>ren<br />

Feststellungsverfahrens waren, ist die Vollziehung <strong>de</strong>s Grundlagenbeschei<strong>de</strong>s nach § 361 Abs. 3 Satz 1 bzw.<br />

§ 69 Abs. 2 Satz 4 FGO auszusetzen (vgl. Nr. 6).<br />

Die Beschränkungen <strong>de</strong>s § 361 Abs. 2 Satz 4 bzw. <strong>de</strong>s § 69 Abs. 2 Satz 8 und Abs. 3 Satz 4 FGO (vgl. Nr. 4<br />

zweiter Absatz) sind erst bei <strong>de</strong>r Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung <strong>de</strong>s Folgebeschei<strong>de</strong>s zu beachten (vgl. Nr. 6 letzter<br />

Absatz).<br />

5.2 Die Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung eines Feststellungsbeschei<strong>de</strong>s kann auf Gewinnanteile einzelner<br />

Gesellschafter beschränkt wer<strong>de</strong>n, auch wenn <strong>de</strong>r Rechtsstreit die Gewinnanteile aller Gesellschafter berührt<br />

(BFH-Beschluss vom 7.11.1968 – IV B 47/68 – BStBl. 1969 II, S. 85). Wird vorläufiger Rechtsschutz nicht von<br />

<strong>de</strong>r Gesellschaft, son<strong>de</strong>rn nur von einzelnen Gesellschaftern beantragt, sind nur diese am Verfahren <strong>de</strong>r<br />

Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung beteiligt; eine Hinzuziehung <strong>de</strong>r übrigen Gesellschafter zum Verfahren ist nicht<br />

notwendig (BFH-Beschlüsse vom 22.10.1980 – I S 1/80 – BStBl. 1981 II, S. 99, und vom 5.5.1981 –<br />

VIII B 26/80 – BStBl. II, S. 574).<br />

5.3 Im Verwaltungsakt über die Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung eines Feststellungsbeschei<strong>de</strong>s müssen im Falle <strong>de</strong>r<br />

geson<strong>de</strong>rten und einheitlichen Feststellung die ausgesetzten Besteuerungsgrundlagen auf die einzelnen<br />

Beteiligten aufgeteilt wer<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m sollte ggf. darauf hingewiesen wer<strong>de</strong>n, dass eine Erstattung von<br />

geleisteten Vorauszahlungen, Steuerabzugsbeträgen und an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong>r Körperschaftsteuer im Rahmen <strong>de</strong>r<br />

Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung <strong>de</strong>s Folgebeschei<strong>de</strong>s grundsätzlich nicht erfolgt (vgl. Nr. 4 zweiter Absatz und Nr. 6<br />

letzter Absatz). Die Vollziehung eines negativen Feststellungsbescheids (vgl. Nr. 5.1, vorletzter Beispielsfall) ist<br />

mit <strong>de</strong>r Maßgabe auszusetzen, dass bis <strong>zur</strong> bestandskräftigen/rechtskräftigen Entscheidung im Hauptverfahren<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 224 von 235


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von einem Verlust von x € auszugehen sei, <strong>de</strong>r sich auf die Beteiligten wie folgt verteile: . . . (Beschluss <strong>de</strong>s<br />

Großen Senats <strong>de</strong>s BFH vom 14.4.1987 – GrS 2/85 – BStBl. II, S. 637).<br />

5.4 Unterrichtungspflicht<br />

5.4.1 Ist die Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung eines Grundlagenbescheids beantragt wor<strong>de</strong>n, kann über <strong>de</strong>n Antrag<br />

aber nicht kurzfristig entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, sollen die für die Erteilung <strong>de</strong>r Folgebeschei<strong>de</strong> zuständigen<br />

Finanzämter, ggf. Gemein<strong>de</strong>n, unterrichtet wer<strong>de</strong>n.<br />

Wegen <strong>de</strong>r Unterrichtung <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>n über anhängige Einspruchsverfahren gegen Realsteuermessbeschei<strong>de</strong><br />

vgl. zu § 184.<br />

5.4.2 Die Wohnsitzfinanzämter <strong>de</strong>r Beteiligten sind von <strong>de</strong>r Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung eines<br />

Feststellungsbeschei<strong>de</strong>s zu unterrichten. In diese Mitteilungen ist ggf. <strong>de</strong>r Hinweis über die grundsätzliche<br />

Nichterstattung von Steuerbeträgen (vgl. Nr. 4 zweiter Absatz, Nr. 5.1 letzter Absatz und Nr. 6 letzter Absatz)<br />

aufzunehmen. Entsprechen<strong>de</strong>s gilt für <strong>de</strong>n Beginn und das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung (vgl. Nr. 8.1.3<br />

und 8.2.1).<br />

5.4.3 Wird die Vollziehung eines Realsteuermessbeschei<strong>de</strong>s ausgesetzt, ist die Gemein<strong>de</strong> hierüber zu<br />

unterrichten.<br />

6. Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung von Folgebeschei<strong>de</strong>n<br />

Nach <strong>de</strong>r Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung eines Grundlagenbescheids ist die Vollziehung <strong>de</strong>r darauf beruhen<strong>de</strong>n<br />

Folgebeschei<strong>de</strong> von Amts wegen auszusetzen, und zwar auch dann, wenn die Folgebeschei<strong>de</strong> nicht angefochten<br />

wur<strong>de</strong>n (§ 361 Abs. 3 Satz 1; § 69 Abs. 2 Satz 4 FGO). Entsprechen<strong>de</strong>s gilt, wenn bei Rechtsbehelfen gegen<br />

außersteuerliche Grundlagenbeschei<strong>de</strong> die aufschieben<strong>de</strong> Wirkung eintritt, angeordnet o<strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>rhergestellt<br />

o<strong>de</strong>r die Vollziehung ausgesetzt wird.<br />

Ist <strong>de</strong>r Folgebescheid vor Erlass <strong>de</strong>s Grundlagenbescheids ergangen und berücksichtigt er nach Auffassung <strong>de</strong>s<br />

Steuerpflichtigen die noch geson<strong>de</strong>rt festzustellen<strong>de</strong>n Besteuerungsgrundlagen nicht o<strong>de</strong>r – bei einer Schätzung<br />

nach § 162 Abs. 5 – in unzutreffen<strong>de</strong>r Höhe, kann unter <strong>de</strong>n allgemeinen Voraussetzungen die Vollziehung<br />

ausgesetzt wer<strong>de</strong>n. Dies gilt entsprechend, wenn Einwendungen gegen die Wirksamkeit <strong>de</strong>r Bekanntgabe eines<br />

ergangenen Grundlagenbeschei<strong>de</strong>s erhoben wer<strong>de</strong>n (BFH-Beschluss vom 25.3.1986 – III B 6/85 – BStBl. II,<br />

S. 477, und BFH-Urteil vom 15.4.1988 – III R 26/85 – BStBl. II, S. 660).<br />

Ein Antrag auf Vollziehungsaussetzung eines Einkommensteuerbeschei<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r mit Zweifeln an <strong>de</strong>r<br />

Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>r Entscheidungen in einem wirksam ergangenen positiven o<strong>de</strong>r negativen<br />

Gewinnfeststellungsbescheid begrün<strong>de</strong>t wird, ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig (BFH-Urteil vom<br />

29.10.1987 – VIII R 413/83 – BStBl. 1988 II, S. 240). Zulässig ist dagegen ein Antrag auf<br />

Vollziehungsaussetzung eines Folgebeschei<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r mit ernstlichen Zweifeln an <strong>de</strong>r wirksamen Bekanntgabe<br />

eines Grundlagenbeschei<strong>de</strong>s begrün<strong>de</strong>t wird (BFH-Beschluss vom 15.4.1988 – III R 26/85 – BStBl. II, S. 660).<br />

Bei <strong>de</strong>r Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung <strong>de</strong>s Folgebeschei<strong>de</strong>s sind ggf. die Beschränkungen <strong>de</strong>s § 361 Abs. 2 Satz 4<br />

bzw. <strong>de</strong>s § 69 Abs. 2 Satz 8 und Abs. 3 Satz 4 FGO (vgl. Nr. 4 zweiter Absatz) zu beachten. Erst in diesem<br />

Verfahren ist ggf. auch zu prüfen, ob „wesentliche Nachteile“ (vgl. Nr. 4.6.1) vorliegen.<br />

7. Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung durch das Finanzamt<br />

7.1 Die Finanzbehör<strong>de</strong>n sind befugt, im Rahmen eines Verfahrens nach § 361 o<strong>de</strong>r nach § 69 Abs. 2 FGO auch<br />

die Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung anzuordnen (§ 361 Abs. 2 Satz 3; § 69 Abs. 2 Satz 7 FGO. Die Ausführungen in<br />

<strong>de</strong>n Nrn. 2.1 bis 4.6 gelten entsprechend.<br />

7.2 Die Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung bewirkt die Rückgängigmachung bereits durchgeführter<br />

Vollziehungsmaßnahmen. Dies gilt auch, soweit eine Steuer „freiwillig“, d. h. abgesehen vom Leistungsgebot<br />

ohne beson<strong>de</strong>re Einwirkungen <strong>de</strong>s Finanzamts (wie Mahnung, Postnachnahme, Beitreibungsmaßnahmen),<br />

entrichtet wor<strong>de</strong>n ist (BFH-Beschluss vom 22.7.1977 – III B 34/74 – BStBl. II, S. 838). Durch die Aufhebung<br />

<strong>de</strong>r Vollziehung erhält <strong>de</strong>r Rechtsbehelfsführer einen Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2) in Höhe <strong>de</strong>s<br />

Aufhebungsbetrags, da <strong>de</strong>r rechtliche Grund für die Zahlung nachträglich weggefallen ist. Durch Aufhebung <strong>de</strong>r<br />

Vollziehung kann aber grundsätzlich nicht die Erstattung von geleisteten Vorauszahlungsbeträgen,<br />

Steuerabzugsbeträgen o<strong>de</strong>r anrechenbarer Körperschaftsteuer erreicht wer<strong>de</strong>n (vgl. Nr. 4 zweiter Absatz).<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 225 von 235


Beispiel:<br />

festgesetzte Steuer 15 000 €<br />

festgesetzte und entrichtete Vorauszahlungen 5 000 €<br />

an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge 7 000 €<br />

entrichtete Abschlusszahlung 3 000 €<br />

An <strong>de</strong>r Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>r Steuerfestsetzung bestehen i. H. v. 5 000 € ernstliche Zweifel; <strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rfall <strong>de</strong>s<br />

Vorliegens „wesentlicher Nachteile“ ist nicht gegeben. Nach Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung ist ein Betrag i. H. v.<br />

3 000 € zu erstatten (15 000 € – festgesetzte Steuer – ./. 5 000 € – festgesetzte Vorauszahlungen – ./. 7 000 € –<br />

an<strong>zur</strong>echnen<strong>de</strong> Steuerabzugsbeträge –).<br />

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7.3 Wird die Vollziehung einer Steueranmeldung aufgehoben, dürfen die entrichteten Steuerbeträge nur an <strong>de</strong>n<br />

Anmel<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n erstattet wer<strong>de</strong>n. Dies gilt auch, wenn – wie z. B. in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s Lohnsteuerabzugs nach § 38<br />

EStG o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Steuerabzugs nach § 50a Abs. 4 EStG – <strong>de</strong>r Anmel<strong>de</strong>n<strong>de</strong> lediglich Entrichtungspflichtiger, nicht<br />

aber Steuerschuldner ist (BFH-Beschluss vom 13.8.1997 – I B 30/97 – BStBl. II, S. 700).<br />

7.4 Bei <strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung ist zu bestimmen, ob die Aufhebung rückwirken soll o<strong>de</strong>r nicht. Für die<br />

Beurteilung dieser Frage ist maßgeblich, ab welchem Zeitpunkt ernstliche Zweifel an <strong>de</strong>r Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>s<br />

Verwaltungsaktes erkennbar vorlagen (BFH-Beschluss vom 10.12.1986 – I B 121/86 – BStBl. 1987 II, S. 389;<br />

vgl. auch Nr. 8.1.1). Durch rückwirken<strong>de</strong> Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung entfallen bereits entstan<strong>de</strong>ne<br />

Säumniszuschläge (BFH-Beschluss vom 10.12.1986 a.a.O.). Vollstreckungsmaßnahmen bleiben bestehen,<br />

soweit nicht ihre Aufhebung ausdrücklich angeordnet (§ 257 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 3) o<strong>de</strong>r die<br />

Rückwirkung <strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung verfügt wor<strong>de</strong>n ist.<br />

8. Dauer <strong>de</strong>r Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung<br />

8.1 Beginn <strong>de</strong>r Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung<br />

8.1.1 Wird <strong>de</strong>r Antrag auf Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung vor Fälligkeit <strong>de</strong>r strittigen Steuerfor<strong>de</strong>rung<br />

bei <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> eingereicht und begrün<strong>de</strong>t, ist die Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung im Regelfall<br />

ab Fälligkeitstag <strong>de</strong>r strittigen Steuerbeträge auszusprechen; vgl. auch Nr. 7.4. Ein späterer Zeitpunkt kommt in<br />

Betracht, wenn <strong>de</strong>r Steuerpflichtige – z. B. in Schätzungsfällen – die Begründung <strong>de</strong>s Rechtsbehelfs o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s<br />

Aussetzungsantrags unangemessen hinausgezögert hat und die Finanzbehör<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb vorher keine ernstlichen<br />

Zweifel an <strong>de</strong>r Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>s angefochtenen Verwaltungsaktes zu haben brauchte (vgl. BFH-Beschluss<br />

vom 10.12.1986 – I B 121/86 – BStBl. 1987 II, S. 389).<br />

8.1.2 Wird die Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung nach Fälligkeit <strong>de</strong>r strittigen Steuerfor<strong>de</strong>rung beantragt<br />

und begrün<strong>de</strong>t, gilt Nr. 8.1.1 Satz 2 entsprechend.<br />

8.1.3 Bei <strong>de</strong>r Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung von Grundlagenbeschei<strong>de</strong>n (Nr. 5) ist als Beginn <strong>de</strong>r<br />

Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>r Bekanntgabe <strong>de</strong>s Grundlagenbescheids zu bestimmen,<br />

wenn <strong>de</strong>r Rechtsbehelf o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Antrag auf Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung vor Ablauf <strong>de</strong>r<br />

Einspruchsfrist begrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>. Bei später eingehen<strong>de</strong>r Begründung gilt Nr. 8.1.1 Satz 2 entsprechend.<br />

8.1.4 Trifft die Finanzbehör<strong>de</strong> keine Aussage über <strong>de</strong>n Beginn <strong>de</strong>r Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung,<br />

wirkt die Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung ab Bekanntgabe <strong>de</strong>r<br />

Aussetzungsverfügung/Aufhebungsverfügung (§ 124 Abs. 1 Satz 1).<br />

8.1.5 Der Beginn <strong>de</strong>r Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung eines Folgebescheids (vgl. Nrn. 6 und 8.1.3)<br />

richtet sich nach <strong>de</strong>m Beginn <strong>de</strong>r Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung <strong>de</strong>s Grundlagenbescheids (vgl. BFH-<br />

Beschluss vom 10.12.1986 – I B 121/86 – BStBl. 1987 II, S. 389).<br />

8.2 En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung<br />

8.2.1 Die Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung ist grundsätzlich nur für eine Rechtsbehelfsstufe zu<br />

bewilligen (BFH-Beschluss vom 3.1.1978 – VII S 13/77 – BStBl. II, S. 157). Das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung ist in <strong>de</strong>r Verfügung zu bestimmen. Soweit nicht eine datumsmäßige<br />

Befristung angebracht ist, sollte das En<strong>de</strong> bei Entscheidungen über die Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung<br />

während <strong>de</strong>s außergerichtlichen o<strong>de</strong>r gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens auf einen Monat nach Bekanntgabe<br />

<strong>de</strong>r Einspruchsentscheidung bzw. nach Verkündung o<strong>de</strong>r Zustellung <strong>de</strong>s Urteils o<strong>de</strong>r einen Monat nach <strong>de</strong>m<br />

Eingang einer Erklärung über die Rücknahme <strong>de</strong>s Rechtsbehelfs festgelegt wer<strong>de</strong>n. Einer Aufhebung <strong>de</strong>r<br />

Aussetzungs-/Aufhebungsverfügung bedarf es in einem solchen Fall nicht. Die Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r<br />

Vollziehung eines Folgebescheids ist bis <strong>zur</strong> Beendigung <strong>de</strong>r Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung <strong>de</strong>s<br />

Grundlagenbescheids und für <strong>de</strong>n Fall, dass <strong>de</strong>r Rechtsbehelf gegen <strong>de</strong>n Grundlagenbescheid zu einer Än<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>s Folgebescheids führt, bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe <strong>de</strong>s geän<strong>de</strong>rten Folgebescheids zu<br />

befristen.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 226 von 235


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8.2.2 Wird <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Vollziehung ausgesetzte Verwaltungsakt geän<strong>de</strong>rt o<strong>de</strong>r ersetzt, erledigt sich die bisher<br />

gewährte Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung, ohne dass es einer Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehungsaussetzungs(-<br />

aufhebungs)verfügung bedarf. Für eine eventuelle Nachzahlung <strong>de</strong>r bisher in <strong>de</strong>r Vollziehung ausgesetzten<br />

Beträge kann <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen i. d. R. eine einmonatige Zahlungsfrist eingeräumt wer<strong>de</strong>n.<br />

In <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>s § 365 Abs. 3 bzw. § 68 FGO ist auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s neuen Verwaltungsaktes erneut über die<br />

Aussetzung bzw. Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung zu entschei<strong>de</strong>n. Dies gilt auch, wenn ein in <strong>de</strong>r Vollziehung<br />

ausgesetzter Vorauszahlungsbescheid durch die Jahressteuerfestsetzung ersetzt wird (vgl. zu § 365, Nr. 2).<br />

9. Nebenbestimmungen <strong>zur</strong> Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung<br />

9.1 Wi<strong>de</strong>rrufsvorbehalt<br />

Der Verwaltungsakt über die Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung ist grundsätzlich mit <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong>de</strong>s<br />

Wi<strong>de</strong>rrufs zu versehen.<br />

9.2 Sicherheitsleistung<br />

9.2.1 Die Finanzbehör<strong>de</strong> kann die Aussetzung o<strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung von einer Sicherheitsleistung<br />

abhängig machen (§ 361 Abs. 2 Satz 5; § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO). Die Entscheidung hierüber ist nach<br />

pflichtgemäßem Ermessen zu treffen.<br />

9.2.2 Die Anordnung <strong>de</strong>r Sicherheitsleistung muss vom Grundsatz <strong>de</strong>r Verhältnismäßigkeit bestimmt sein<br />

(BVerfG-Beschluss vom 24.10.1975 – 1 BvR 266/75 – StRK FGO § 69 R 171). Sie ist geboten, wenn die<br />

wirtschaftliche Lage <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen die Steuerfor<strong>de</strong>rung als gefähr<strong>de</strong>t erscheinen lässt (BFH-Beschlüsse<br />

vom 8.3.1967 – VI B 50/66 – BStBl. III, S. 294, und vom 22.6.1967, BStBl. III S. 512). Die Anordnung einer<br />

Sicherheitsleistung ist zum Beispiel gerechtfertigt, wenn <strong>de</strong>r Steuerbescheid nach erfolglosem Rechtsbehelf im<br />

Ausland vollstreckt wer<strong>de</strong>n müsste (BFH-Urteil vom 27.8.1970 – V R 102/67 – BStBl. 1971 II, S. 1). Dies gilt<br />

auch, wenn in einem Mitgliedstaat <strong>de</strong>r EG zu vollstrecken wäre, es sei <strong>de</strong>nn, mit diesem Staat besteht ein<br />

Abkommen, welches eine Vollstreckung unter gleichen Bedingungen wie im Inland gewährleistet (BFH-<br />

Beschluss vom 3.2.1977 – V B 6/76 – BStBl. II, S. 351; <strong>zur</strong> zwischenstaatlichen Vollstreckungshilfe s. BMF-<br />

Merkblatt vom 19.1.2004, BStBl. I, S. 66). Eine Sicherheitsleistung ist unzumutbar, wenn die Zweifel an <strong>de</strong>r<br />

Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>s Verwaltungsaktes so be<strong>de</strong>utsam sind, dass mit großer Wahrscheinlichkeit seine Aufhebung<br />

zu erwarten ist (BFH-Beschluss vom 22.12.1969 – V B 115/69 – BStBl. 1970 II, S. 127).<br />

9.2.3 Kann ein Steuerpflichtiger trotz zumutbarer Anstrengung eine Sicherheit nicht leisten, darf eine<br />

Sicherheitsleistung bei Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung wegen ernstlicher Zweifel an <strong>de</strong>r<br />

Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>s angefochtenen Verwaltungsaktes nicht verlangt wer<strong>de</strong>n; Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r<br />

Vollziehung wegen unbilliger Härte darf jedoch bei Gefährdung <strong>de</strong>s Steueranspruchs nur gegen<br />

Sicherheitsleistung bewilligt wer<strong>de</strong>n (BFH-Beschluss vom 9.4.1968 – I B 73/67 – BStBl. II, S. 456).<br />

9.2.4 Zur Sicherheitsleistung bei <strong>de</strong>r Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung von Grundlagenbeschei<strong>de</strong>n s. § 361 Abs. 3<br />

Satz 3 und § 69 Abs. 2 Satz 6 FGO. Hiernach entschei<strong>de</strong>n über die Sicherheitsleistung die für <strong>de</strong>n Erlass <strong>de</strong>r<br />

Folgebeschei<strong>de</strong> zuständigen Finanzämter bzw. Gemein<strong>de</strong>n. Das für <strong>de</strong>n Erlass <strong>de</strong>s Grundlagenbescheids<br />

zuständige Finanzamt darf jedoch anordnen, dass die Aussetzung <strong>de</strong>r Vollziehung von keiner Sicherheitsleistung<br />

abhängig zu machen ist. Das kann z. B. <strong>de</strong>r Fall sein, wenn <strong>de</strong>r Rechtsbehelf wahrscheinlich erfolgreich sein<br />

wird.<br />

9.2.5 Zu <strong>de</strong>n möglichen Arten <strong>de</strong>r Sicherheitsleistung s. § 241.<br />

9.2.6 Die Anordnung einer Sicherheitsleistung ist eine unselbstständige Nebenbestimmung in Form einer<br />

aufschieben<strong>de</strong>n Bedingung; sie kann daher nicht selbstständig, son<strong>de</strong>rn nur zusammen mit <strong>de</strong>r Entscheidung<br />

über die Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung angefochten wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom 31.10.1973 –<br />

I R 249/72 – BStBl. 1974 II, S. 118, und BFH-Beschluss vom 20.6.1979 – IV B 20/79 – BStBl. II, S. 666). Eine<br />

Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung gegen Sicherheitsleistung wird erst wirksam, wenn sie geleistet wor<strong>de</strong>n<br />

ist. In <strong>de</strong>m Verwaltungsakt über die Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung ist <strong>de</strong>shalb eine Frist für die<br />

Sicherheitsleistung zu setzen. Wird die Sicherheit innerhalb <strong>de</strong>r Frist nicht erbracht, ist <strong>de</strong>r Steuerpflichtige auf<br />

die Rechtsfolgen hinzuweisen und <strong>zur</strong> Zahlung aufzufor<strong>de</strong>rn.<br />

10. Ablehnung <strong>de</strong>r Vollziehungsaussetzung<br />

Zur Erhebung von Säumniszuschlägen nach Ablehnung eines Antrags auf Vollziehungsaussetzung vgl. zu § 240,<br />

Nr. 6 Buchstabe b.<br />

Hat das Finanzamt einen Aussetzungsantrag abgelehnt, ist i. d. R. unter Beachtung <strong>de</strong>r Grundsätze <strong>de</strong>s § 258<br />

(siehe Abschn. 7 VollstrA) zu vollstrecken, auch wenn die Entscheidung <strong>de</strong>s Finanzamts vom Steuerpflichtigen<br />

angefochten wor<strong>de</strong>n ist. Über die Ablehnung <strong>de</strong>s Aussetzungsbegehrens ist die Vollstreckungsstelle zu<br />

unterrichten.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 227 von 235


11. Rechtsbehelfe<br />

Gegen die Entscheidung <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong> über die Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung ist <strong>de</strong>r Einspruch<br />

gegeben. Das Gericht kann nur nach § 69 Abs. 3 FGO angerufen wer<strong>de</strong>n; eine Klagemöglichkeit ist insoweit<br />

nicht gegeben (§ 361 Abs. 5; § 69 Abs. 7 FGO).<br />

Der Antrag auf Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung durch das Gericht ist nur zulässig, wenn die<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> einen Antrag auf Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung ganz o<strong>de</strong>r zum Teil abgelehnt hat. Dies<br />

gilt nicht, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> über <strong>de</strong>n Antrag ohne Mitteilung eines <strong>zur</strong>eichen<strong>de</strong>n Grun<strong>de</strong>s in<br />

angemessener Frist sachlich nicht entschie<strong>de</strong>n hat o<strong>de</strong>r eine Vollstreckung droht (§ 69 Abs. 4 FGO). Eine<br />

teilweise Antragsablehnung i. S. d. § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO liegt auch vor, wenn die Finanzbehör<strong>de</strong> die<br />

Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht hat (vgl. Nr. 9.2), nicht<br />

aber, wenn eine im Übrigen antragsgemäße Aussetzung/Aufhebung <strong>de</strong>r Vollziehung unter Wi<strong>de</strong>rrufsvorbehalt<br />

(vgl. Nr. 9.1) gewährt wur<strong>de</strong> (BFH-Beschluss vom 12.5.2000 – VI B 266/98 – BStBl. II, S. 536).<br />

12. Aussetzungszinsen<br />

Wegen <strong>de</strong>r Festsetzung von Aussetzungszinsen siehe § 237, wegen <strong>de</strong>r nur einjährigen Festsetzungsfrist vgl. zu<br />

§ 237, Nr. 4 und 8.<br />

Zu § 362 – Rücknahme <strong>de</strong>s Einspruchs:<br />

1. Für die Rücknahme ist zum Schutze <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen die Schriftform vorgeschrieben. Die Rücknahme<br />

führt nur zum Verlust <strong>de</strong>s eingelegten Einspruchs, nicht <strong>de</strong>r Einspruchsmöglichkeit schlechthin. Der<br />

Einspruch kann innerhalb <strong>de</strong>r Einspruchsfrist erneut erhoben wer<strong>de</strong>n.<br />

2. Wird die Unwirksamkeit <strong>de</strong>r Rücknahme innerhalb eines Jahres bei <strong>de</strong>r für die Einlegung <strong>de</strong>s Einspruchs<br />

zuständigen Finanzbehör<strong>de</strong> (§ 362 Abs. 1 Satz 2, § 357 Abs. 2) geltend gemacht (§ 362 Abs. 2 Satz 2, § 110<br />

Abs. 3), wird das ursprüngliche Einspruchsverfahren wie<strong>de</strong>r aufgenommen. Es ist in <strong>de</strong>r Sache zu<br />

entschei<strong>de</strong>n. Erachtet die Behör<strong>de</strong> die vorgetragenen Grün<strong>de</strong> für die Unwirksamkeit <strong>de</strong>r<br />

Einspruchsrücknahme nicht für stichhaltig, wird <strong>de</strong>r Einspruch als unzulässig verworfen.<br />

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Zu § 363 – Aussetzung und Ruhen <strong>de</strong>s Verfahrens:<br />

1. Die nach § 363 Abs. 2 Satz 1 erfor<strong>de</strong>rliche Zustimmung <strong>de</strong>s Einspruchsführers <strong>zur</strong> Verfahrensruhe aus<br />

Zweckmäßigkeitsgrün<strong>de</strong>n sollte aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Klarheit immer schriftlich o<strong>de</strong>r elektronisch erteilt wer<strong>de</strong>n.<br />

2. Voraussetzung für eine Verfahrensruhe nach § 363 Abs. 2 Satz 2 ist, dass <strong>de</strong>r Einspruchsführer in <strong>de</strong>r<br />

Begründung seines Einspruchs die strittige, auch für seinen Steuerfall entscheidungserhebliche Rechtsfrage<br />

darlegt und sich hierzu konkret auf ein beim EuGH, beim BVerfG o<strong>de</strong>r bei einem obersten Bun<strong>de</strong>sgericht<br />

anhängiges Verfahren beruft (BFH-Urteile vom 26.9.2006 – X R 39/05 – BStBl. 2007 II, S. 222, und vom<br />

30.9.2010 – III R 39/08 – BStBl. 2011 II, S. 11). Eine nach § 363 Abs. 2 Satz 2 eingetretene Verfahrensruhe<br />

en<strong>de</strong>t, wenn das Gerichtsverfahren, auf das sich <strong>de</strong>r Einspruchsführer berufen hat, abgeschlossen ist. Dies<br />

gilt auch, wenn gegen diese Gerichtsentscheidung Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> erhoben wird und <strong>de</strong>r<br />

Einspruchsführer sich nicht auf dieses neue Verfahren beruft (BFH-Urteil vom 30.9.2010, a.a.O.). En<strong>de</strong>t<br />

<strong>de</strong>mnach die Verfahrensruhe, bedarf es insoweit keiner Fortsetzungsmitteilung nach § 363 Abs. 2 Satz 4 und<br />

somit grundsätzlich auch keiner Ermessensentscheidung (BFH-Urteil vom 26.9.2006, a.a.O.), soweit nicht<br />

im Einzelfall eine Verfahrensruhe aus Zweckmäßigkeitsgrün<strong>de</strong>n nach § 363 Abs. 2 Satz 1 angemessen<br />

erscheint.<br />

3. Sind die Voraussetzungen für eine Verfahrensaussetzung o<strong>de</strong>r Verfahrensruhe erfüllt, kann über <strong>de</strong>n<br />

Einspruch insoweit nicht entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, und zwar we<strong>de</strong>r durch eine Einspruchsentscheidung noch<br />

durch <strong>de</strong>n Erlass eines Än<strong>de</strong>rungsbescheids. Über Fragen, die nicht Anlass <strong>de</strong>r Verfahrensaussetzung o<strong>de</strong>r<br />

Verfahrensruhe sind, kann dagegen durch Erlass einer Teil-Einspruchsentscheidung (§ 367 Abs. 2a) o<strong>de</strong>r<br />

eines Teilabhilfebescheids entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Dabei wird i. d. R. <strong>zur</strong> Herbeiführung <strong>de</strong>r Bestandskraft eine<br />

Teil-Einspruchsentscheidung zweckmäßig sein (vgl. zu § 367, Nr. 6). Auch <strong>de</strong>r Erlass von<br />

Än<strong>de</strong>rungsbeschei<strong>de</strong>n aus außerhalb <strong>de</strong>s Einspruchsverfahrens liegen<strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n (z. B. Folgeän<strong>de</strong>rung<br />

gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) bleibt zulässig. Än<strong>de</strong>rungsbeschei<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n gem. § 365 Abs. 3 Gegenstand<br />

<strong>de</strong>s anhängigen Verfahrens.<br />

4. Eine Fortsetzungsmitteilung gem. § 363 Abs. 2 Satz 4 kann in sämtlichen Fällen <strong>de</strong>s § 363 Abs. 2 ergehen.<br />

Über ihren Erlass ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entschei<strong>de</strong>n; die Ermessenserwägungen sind <strong>de</strong>m<br />

Einspruchsführer mitzuteilen (BFH-Urteil vom 26.9.2006 – X R 39/05 – BStBl. 2007 II, S. 222). Ein<br />

<strong>zur</strong>eichen<strong>de</strong>r Grund für <strong>de</strong>n Erlass einer Fortsetzungsmitteilung liegt insbeson<strong>de</strong>re dann vor, wenn ein<br />

weiteres gerichtliches Musterverfahren herbeigeführt wer<strong>de</strong>n soll, wenn bereits eine Entscheidung <strong>de</strong>s<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 228 von 235


EuGH, <strong>de</strong>s BVerfG o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s obersten Bun<strong>de</strong>sgerichts in einem Parallelverfahren ergangen ist o<strong>de</strong>r wenn das<br />

Begehren <strong>de</strong>s Einspruchsführers letztlich darauf abzielt, seinen Steuerfall „offenzuhalten“, um von künftigen<br />

Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r höchstrichterlichen Rechtsprechung zu <strong>de</strong>rzeit nicht strittigen Fragen zu „profitieren“ (BFH-<br />

Urteil vom 26.9.2006, a.a.O.).<br />

Teilt die Finanzbehör<strong>de</strong> nach § 363 Abs. 2 Satz 4 die Fortsetzung <strong>de</strong>s bisher ruhen<strong>de</strong>n Einspruchsverfahrens<br />

mit, soll sie vor Erlass einer Einspruchsentscheidung <strong>de</strong>n Beteiligten Gelegenheit geben, sich erneut zu<br />

äußern.<br />

5. Zur Unterbrechung eines Einspruchsverfahrens durch eine Insolvenzeröffnung siehe zu § 251, Nr. 4.1; <strong>zur</strong><br />

Aufnahme eines unterbrochenen Einspruchsverfahrens siehe zu § 251, Nrn. 5.3.1.2.2 und 5.3.2; <strong>zur</strong><br />

Erledigung eines Einspruchsverfahrens siehe zu § 251, Nr. 5.3.4.<br />

Zu § 364 – Mitteilung <strong>de</strong>r Besteuerungsunterlagen:<br />

Den Beteiligten sind die Besteuerungsunterlagen mitzuteilen, wenn sie dies beantragt haben o<strong>de</strong>r wenn die<br />

Einspruchsbegründung dazu Anlass gibt. Darüber hinaus kann ein Anspruch auf Auskunft und insbeson<strong>de</strong>re auf<br />

Akteneinsicht bestehen; vgl. dazu im Einzelnen das BMF-Schreiben vom 17.12.2008 – IV A 3 – S<br />

0030/08/10001 – BStBl. 2009 I, S. 6. Hierbei ist sicherzustellen, dass Verhältnisse eines an<strong>de</strong>ren nicht unbefugt<br />

offenbart wer<strong>de</strong>n. Die Ablehnung eines Antrags auf Akteneinsicht ist mit <strong>de</strong>m Einspruch anfechtbar. Für das<br />

finanzgerichtliche Verfahren gilt § 78 FGO.<br />

Zu § 364a – Erörterung <strong>de</strong>s Sach- und Rechtsstands:<br />

1. § 364a soll eine einvernehmliche Erledigung <strong>de</strong>r Einspruchsverfahren för<strong>de</strong>rn und Streitfälle von <strong>de</strong>n<br />

Finanzgerichten fern halten. Ziel einer mündlichen Erörterung kann auch eine „tatsächliche Verständigung“<br />

(vgl. BMF-Schreiben vom 30.7.2008, BStBl. I S. 831) sein.<br />

2. Einem Antrag auf mündliche Erörterung soll grundsätzlich entsprochen wer<strong>de</strong>n. Dies gilt nicht, wenn bei<br />

mehr als 10 Beteiligten kein gemeinsamer Vertreter nach Absatz 2 bestellt wird o<strong>de</strong>r wenn die beantragte<br />

Erörterung offensichtlich nur <strong>de</strong>r Verfahrensverschleppung dient.<br />

3. Antragsbefugt sind nur Einspruchsführer, nicht aber hinzugezogene Personen. Hinzugezogene können aber<br />

von Amts wegen zu einer mündlichen Erörterung gela<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n (s. § 364a Absatz 1 Satz 2 und 3).<br />

4. Keine Verpflichtung <strong>zur</strong> mündlichen Erörterung besteht, wenn das Finanzamt <strong>de</strong>m Einspruch abhelfen will<br />

o<strong>de</strong>r solange das Einspruchsverfahren nach § 363 ausgesetzt ist o<strong>de</strong>r ruht.<br />

5. Die mündliche Erörterung kann in geeigneten Fällen auch telefonisch durchgeführt wer<strong>de</strong>n. Im Hinblick auf<br />

die Pflicht <strong>zur</strong> Wahrung <strong>de</strong>s Steuergeheimnisses (§ 30) muss sich das Finanzamt dann aber über die I<strong>de</strong>ntität<br />

<strong>de</strong>s Gesprächspartners vergewissern.<br />

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Zu § 364b – Fristsetzung:<br />

1. § 364b soll <strong>de</strong>m Missbrauch <strong>de</strong>s Einspruchsverfahrens zu rechtsbehelfsfrem<strong>de</strong>n Zwecken entgegenwirken.<br />

Von <strong>de</strong>r Möglichkeit <strong>de</strong>r Fristsetzung nach § 364b sollte daher insbeson<strong>de</strong>re in Einspruchsverfahren, die<br />

einen Schätzungsbescheid nach Nichtabgabe <strong>de</strong>r Steuererklärung betreffen, Gebrauch gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />

2. Eine Fristsetzung nach § 364b kann nur gegenüber einem Einspruchsführer, nicht gegenüber einem<br />

Hinzugezogenen (§ 360) ergehen. Die Frist soll min<strong>de</strong>stens einen Monat betragen. Ein eventueller<br />

Nachprüfungsvorbehalt (§ 164) ist spätestens mit <strong>de</strong>r Fristsetzung aufzuheben.<br />

3. Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf <strong>de</strong>r vom Finanzamt – insbeson<strong>de</strong>re unter Beachtung <strong>de</strong>s<br />

Belehrungsgebots (§ 364b Abs. 3) – wirksam gesetzten Frist vorgebracht wer<strong>de</strong>n, können im<br />

Einspruchsverfahren allenfalls im Rahmen einer Verböserung nach § 367 Abs. 2 Satz 2 berücksichtigt<br />

wer<strong>de</strong>n. Außerhalb <strong>de</strong>s Einspruchsverfahrens bestehen<strong>de</strong> Korrekturvorschriften (z. B. § 173) bleiben zwar<br />

unberührt, wer<strong>de</strong>n aber i. d. R. nicht einschlägig sein.<br />

4. Geht ein Antrag auf Fristverlängerung vor Fristablauf beim Finanzamt ein, kann die Frist gemäß § 109<br />

verlängert wer<strong>de</strong>n. Geht <strong>de</strong>r Antrag nach Ablauf <strong>de</strong>r Frist beim Finanzamt ein, kann nur nach § 110<br />

Wie<strong>de</strong>reinsetzung in <strong>de</strong>n vorigen Stand gewährt wer<strong>de</strong>n. Über Einwendungen gegen die Fristsetzung ist –<br />

soweit nicht abgeholfen wird – im Rahmen <strong>de</strong>r Entscheidung über <strong>de</strong>n Einspruch gegen <strong>de</strong>n Steuerbescheid<br />

zu entschei<strong>de</strong>n.<br />

5. Zu <strong>de</strong>n Wirkungen einer nach § 364b gesetzten Ausschlussfrist für ein nachfolgen<strong>de</strong>s Klageverfahren s. § 76<br />

Abs. 3 FGO. Die Finanzbehör<strong>de</strong> kann trotz einer rechtmäßigen Fristsetzung in einem nachfolgen<strong>de</strong>n<br />

Klageverfahren einen Abhilfebescheid gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a erlassen.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 229 von 235


Zu § 365 – Anwendung von Verfahrensvorschriften:<br />

1. Die Aufklärungspflicht <strong>de</strong>r Einspruchsbehör<strong>de</strong> wird von <strong>de</strong>r Zumutbarkeit begrenzt (vgl. zu § 88, Nr. 1).<br />

Nach <strong>de</strong>m BFH-Urteil vom 11.12.1984 – VIII R 131/76 – BStBl. 1985 II, S. 354 können im Hinblick auf die<br />

Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit <strong>de</strong>r Besteuerung keine Vergleiche über Steueransprüche<br />

abgeschlossen wer<strong>de</strong>n. Eine „tatsächliche Verständigung“ über schwierig zu ermitteln<strong>de</strong> tatsächliche<br />

Umstän<strong>de</strong> ist aber zulässig und bin<strong>de</strong>nd (vgl. BMF-Schreiben vom 30.7.2008, BStBl. I S. 831).<br />

2. Wird während <strong>de</strong>s Einspruchsverfahrens <strong>de</strong>r angefochtene Verwaltungsakt geän<strong>de</strong>rt o<strong>de</strong>r ersetzt, wird <strong>de</strong>r<br />

neue Verwaltungsakt Gegenstand <strong>de</strong>s Einspruchsverfahrens (§ 365 Abs. 3 Satz 1); <strong>de</strong>r Einspruch muss aber<br />

zulässig sein (BFH-Urteil vom 13.4.2000 – V R 56/99 – BStBl. II, S. 490). Dies gilt entsprechend, wenn ein<br />

Verwaltungsakt wegen einer offenbaren Unrichtigkeit gem. § 129 berichtigt wird o<strong>de</strong>r wenn ein<br />

Verwaltungsakt an die Stelle eines angefochtenen – z. B. wegen eines Bekanntgabemangels – unwirksamen<br />

Verwaltungsaktes tritt (§ 365 Abs. 3 Satz 2). Wegen <strong>de</strong>s Erlasses eines Än<strong>de</strong>rungsbescheids vor o<strong>de</strong>r nach<br />

Ergehen einer Teil-Einspruchsentscheidung vgl. zu § 367, Nr. 6.4.<br />

Bei einem Teilwi<strong>de</strong>rruf o<strong>de</strong>r einer Teilrücknahme bleibt <strong>de</strong>r Verwaltungsakt – wenn auch eingeschränkt –<br />

bestehen und <strong>de</strong>r Einspruch damit ebenfalls anhängig (vgl. BFH-Urteil vom 28.1.1982 – V R 100/80 –<br />

BStBl. II, S. 292).<br />

Eine Ersetzung i. S. d. § 365 Abs. 3 liegt auch vor, wenn sich ein mit <strong>de</strong>m Einspruch angefochtener<br />

Vorauszahlungsbescheid mit Wirksamwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Jahressteuerfestsetzung erledigt (BFH-Urteil vom<br />

4.11.1999 – V R 35/98 – BStBl. 2000 II, S. 454).<br />

Die Regelungen <strong>de</strong>s § 365 Abs. 3 gelten nur für das Einspruchsverfahren; insbeson<strong>de</strong>re bleiben<br />

Beitreibungsmaßnahmen nur auf <strong>de</strong>r Grundlage eines wirksamen Verwaltungsaktes zulässig.<br />

Wegen <strong>de</strong>s Erlasses eines Än<strong>de</strong>rungsbescheids vor o<strong>de</strong>r nach Ergehen einer Teil-Einspruchsentscheidung<br />

vgl. zu § 367, Nr. 6.4.<br />

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Zu § 366 – Form, Inhalt und Bekanntgabe <strong>de</strong>r Einspruchsentscheidung:<br />

1. Für die Bekanntgabe <strong>de</strong>r Einspruchsentscheidung gilt § 122. Wegen <strong>de</strong>r Bekanntgabe an Bevollmächtigte<br />

vgl. zu § 122, Nr. 1.7.<br />

2. Eine förmliche Zustellung <strong>de</strong>r Einspruchsentscheidung ist nur erfor<strong>de</strong>rlich, wenn sie ausdrücklich angeordnet<br />

wird (§ 122 Abs. 5 Satz 1). Sie sollte insbeson<strong>de</strong>re dann angeordnet wer<strong>de</strong>n, wenn ein ein<strong>de</strong>utiger Nachweis<br />

<strong>de</strong>s Zugangs für erfor<strong>de</strong>rlich gehalten wird. Zum Zustellungsverfahren vgl. zu § 122, Nrn. 3 und 4.5.<br />

3. In <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Einspruchsentscheidung sollen Wie<strong>de</strong>rgabe <strong>de</strong>s Tatbestan<strong>de</strong>s und Darlegung <strong>de</strong>r<br />

rechtlichen Erwägungen <strong>de</strong>r entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong> getrennt sein. Auf Zulässigkeitsfragen ist nur<br />

einzugehen, wenn hierzu begrün<strong>de</strong>ter Anlass besteht, etwa in <strong>de</strong>n Fällen <strong>de</strong>r §§ 354 Abs. 2, 362 Abs. 2 o<strong>de</strong>r<br />

bei ernsthaften Zweifeln am Vorliegen einzelner Zulässigkeitsvoraussetzungen. Hinweis auf § 358.<br />

Enthält die Einspruchsentscheidung entgegen § 366 Satz 1 keine o<strong>de</strong>r eine unrichtige<br />

Rechtsbehelfsbelehrung, beträgt die Klagefrist nach § 55 Abs. 2 FGO ein Jahr statt eines Monats.<br />

Zu § 367 – Entscheidung über <strong>de</strong>n Einspruch:<br />

1. Je<strong>de</strong>r nach Erlass eines Verwaltungsaktes eintreten<strong>de</strong> Zuständigkeitswechsel bewirkt auch eine<br />

Zuständigkeitsän<strong>de</strong>rung im Einspruchsverfahren. Die Einspruchsvorgänge sind daher mit <strong>de</strong>n übrigen Akten<br />

abzugeben. Die zunächst zuständige Behör<strong>de</strong> kann jedoch unter Wahrung <strong>de</strong>r Interessen <strong>de</strong>r Beteiligten aus<br />

Zweckmäßigkeitsgrün<strong>de</strong>n das Einspruchsverfahren fortführen, wenn das neu zuständige Finanzamt<br />

zustimmt. Zu <strong>de</strong>n Auswirkungen eines Zuständigkeitswechsels auf das Einspruchsverfahren siehe auch<br />

BMF-Schreiben vom 10.10.1995 (BStBl. I, S. 664).<br />

2. Gem. § 132 gelten die Vorschriften über Rücknahme, Wi<strong>de</strong>rruf, Aufhebung und Än<strong>de</strong>rung von<br />

Verwaltungsakten auch während <strong>de</strong>s Einspruchsverfahrens. Das Finanzamt kann daher einen angefochtenen<br />

Verwaltungsakt auch während <strong>de</strong>s Einspruchsverfahrens nach <strong>de</strong>n Korrekturvorschriften <strong>zur</strong>ücknehmen,<br />

wi<strong>de</strong>rrufen, aufheben, än<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r ersetzen, und zwar auch zum Nachteil <strong>de</strong>s Einspruchsführers. Unabhängig<br />

davon, ob die Voraussetzungen <strong>de</strong>r Korrekturvorschriften gegeben sind, darf eine Verböserung nur erfolgen,<br />

wenn <strong>de</strong>m Steuerpflichtigen zuvor Gelegenheit <strong>zur</strong> Äußerung gegeben wor<strong>de</strong>n ist.<br />

Nimmt <strong>de</strong>r Steuerpflichtige seinen Einspruch <strong>zur</strong>ück, ist eine Än<strong>de</strong>rung zum Nachteil <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen<br />

nur noch möglich, wenn dies nach <strong>de</strong>n Vorschriften über Aufhebung, Än<strong>de</strong>rung, Rücknahme o<strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rruf<br />

von Verwaltungsakten zulässig ist.<br />

3. Zu <strong>de</strong>n Auswirkungen einer Teilabhilfe auf das Einspruchsverfahren vgl. zu § 365, Nr. 2.<br />

Stellt ein Steuerpflichtiger nach Einspruchseinlegung einen Antrag bezüglich eines bisher nicht geltend<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 230 von 235


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gemachten Streitpunkts, ist dieser Antrag als Erweiterung <strong>de</strong>s Einspruchsantrags, verbun<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r<br />

Anregung, <strong>de</strong>m Einspruch insoweit durch Erlass eines Teilabhilfebescheids stattzugeben, auszulegen. Ist <strong>de</strong>r<br />

Antrag begrün<strong>de</strong>t, kann während <strong>de</strong>s Einspruchsverfahrens ein geän<strong>de</strong>rter Verwaltungsakt erlassen wer<strong>de</strong>n.<br />

Dieser wird dann gemäß § 365 Abs. 3 Gegenstand <strong>de</strong>s Einspruchsverfahrens. Ist <strong>de</strong>r Antrag unbegrün<strong>de</strong>t, ist<br />

über ihn in <strong>de</strong>r Einspruchsentscheidung zu befin<strong>de</strong>n; die Ablehnung durch geson<strong>de</strong>rten Verwaltungsakt ist<br />

während eines anhängigen Einspruchsverfahrens nicht zulässig.<br />

4. Zur Möglichkeit <strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung eines im Einspruchsverfahren bestätigten o<strong>de</strong>r geän<strong>de</strong>rten Verwaltungsaktes<br />

vgl. zu § 172, Nrn. 3 und 4.<br />

5. Es ist zulässig, <strong>de</strong>n Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung (§ 164) auch in <strong>de</strong>r Entscheidung über <strong>de</strong>n Einspruch<br />

aufrechtzuerhalten (BFH-Urteil vom 12.6.1980 – IV R 23/79 – BStBl. II, S. 527). In diesen Fällen braucht<br />

die Angelegenheit nicht umfassen<strong>de</strong>r geprüft zu wer<strong>de</strong>n als in <strong>de</strong>m Verfahren, das <strong>de</strong>m Erlass <strong>de</strong>r<br />

angefochtenen Vorbehaltsfestsetzung vorangegangen ist.<br />

Der Vorbehalt <strong>de</strong>r Nachprüfung ist jedoch aufzuheben, wenn im Einspruchsverfahren eine abschließen<strong>de</strong><br />

Prüfung i. S. d. § 164 Abs. 1 durchgeführt wird. Die Aufhebung <strong>de</strong>s Vorbehalts bedarf regelmäßig keiner<br />

beson<strong>de</strong>ren Begründung. Insbeson<strong>de</strong>re kann insoweit auch ein Hinweis nach § 367 Abs. 2<br />

Satz 2 unterbleiben (BFH-Urteil vom 10.7.1996 – I R 5/96 – BStBl. 1997 II, S. 5).<br />

Es ist auch statthaft, nach Hinweis auf die Verböserungsmöglichkeit einen Verwaltungsakt erstmalig in <strong>de</strong>r<br />

Einspruchsentscheidung mit einer Nebenbestimmung zu versehen (BFH-Urteil vom 12.6.1980, a.a.O.). Ist<br />

ein Bescheid, <strong>de</strong>r auf einer Schätzung beruht, ohne Nachprüfungsvorbehalt ergangen und wird nach<br />

Klageerhebung die Steuererklärung eingereicht, kann <strong>de</strong>r daraufhin ergehen<strong>de</strong> Än<strong>de</strong>rungsbescheid nur mit<br />

Zustimmung <strong>de</strong>s Steuerpflichtigen unter Nachprüfungsvorbehalt gestellt wer<strong>de</strong>n (BFH-Urteil vom<br />

30.10.1980 – IV R 168–170/79 – BStBl. 1981 II, S. 150).<br />

6. Teil-Einspruchsentscheidung<br />

6.1 Der Erlass einer Teil-Einspruchsentscheidung (§ 367 Abs. 2a) steht im Ermessen <strong>de</strong>r Finanzbehör<strong>de</strong>,<br />

muss aber sachdienlich sein. Dies ist <strong>de</strong>r Fall, wenn ein Teil <strong>de</strong>s Einspruchs entscheidungsreif ist,<br />

während über einen an<strong>de</strong>ren Teil <strong>de</strong>s Einspruchs zunächst nicht entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n kann, weil z. B.<br />

insoweit die Voraussetzungen für eine Verfahrensruhe nach § 363 Abs. 2 Satz 2 vorliegen o<strong>de</strong>r<br />

hinsichtlich <strong>de</strong>s nicht entscheidungsreifen Teils <strong>de</strong>s Einspruchs noch Ermittlungen <strong>zur</strong> Sach- o<strong>de</strong>r<br />

Rechtslage erfor<strong>de</strong>rlich sind. Zu unbenannten Streitpunkten besteht grundsätzlich Entscheidungsreife, es<br />

sei <strong>de</strong>nn, die umfassen<strong>de</strong> Prüfung <strong>de</strong>s Steuerfalls (§ 367 Abs. 2 Satz 1) ergibt Aufklärungsbedarf (BFH-<br />

Urteil vom 14.3.2012 – X R 50/09 – BStBl. II, S. 536).<br />

Eine Teil-Einspruchsentscheidung wird somit insbeson<strong>de</strong>re dann sachdienlich sein, wenn<br />

– <strong>de</strong>r Einspruchsführer strittige Rechtsfragen aufwirft, die Gegenstand eines beim EuGH, beim<br />

BVerfG o<strong>de</strong>r bei einem obersten Bun<strong>de</strong>sgericht anhängigen Verfahrens sind,<br />

– <strong>de</strong>r Einspruchsführer sich auf dieses Verfahren beruft,<br />

– <strong>de</strong>r Erlass einer Fortsetzungsmitteilung gemäß § 363 Abs. 2 Satz 4 (vgl. zu § 363, Nr. 4) nicht in<br />

Betracht kommt und<br />

– <strong>de</strong>r Einspruch im Übrigen entscheidungsreif ist.<br />

6.2 Eine Teil-Einspruchsentscheidung ist auch dann sachdienlich, wenn sie <strong>de</strong>m Interesse <strong>de</strong>r<br />

Finanzverwaltung an einer zeitnahen Entscheidung über <strong>de</strong>n entscheidungsreifen Teil eines Einspruchs<br />

dient, <strong>de</strong>r ersichtlich nur zu <strong>de</strong>m Zweck eingelegt wur<strong>de</strong>, die Steuerfestsetzung nicht bestandskräftig<br />

wer<strong>de</strong>n zu lassen (BFH-Urteile vom 30.9.2010 – III R 39/08 – BStBl. 2011 II, S. 11, und vom<br />

14.3.2012 – X R 50/09 – BStBl. II, S. 536). Um neuen Masseneinsprüchen entgegenzuwirken, soll in<br />

Fällen, in <strong>de</strong>nen mit <strong>de</strong>m Einspruch ausschließlich das Ziel verfolgt wird, im Hinblick auf anhängige<br />

Gerichtsverfahren mit Breitenwirkung <strong>de</strong>n angefochtenen Verwaltungsakt nicht bestandskräftig wer<strong>de</strong>n<br />

zu lassen, möglichst zeitnah eine Teil-Einspruchsentscheidung erlassen wer<strong>de</strong>n, wenn und soweit <strong>de</strong>r<br />

Einspruch nicht durch die Beifügung eines Vorläufigkeitsvermerks gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3<br />

o<strong>de</strong>r 4 erledigt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

6.3 Es besteht keine über § 367 Abs. 2 Satz 2 („Verböserungshinweis“) hinausgehen<strong>de</strong> Verpflichtung, <strong>de</strong>m<br />

Einspruchsführer vor Erlass einer Teil-Einspruchsentscheidung rechtliches Gehör zu gewähren, damit<br />

dieser prüfen kann, ob er noch Einwendungen vorträgt. Die Finanzbehör<strong>de</strong> ist auch nicht verpflichtet,<br />

<strong>de</strong>m Einspruchsführer vor Erlass einer Teil-Einspruchsentscheidung eine Frist nach § 364b Abs. 1 Nr. 1<br />

zu setzen (BFH-Urteil vom 14.3.2012 – X R 50/09 – BStBl. II, S. 536).<br />

6.4 In <strong>de</strong>r Teil-Einspruchsentscheidung ist genau zu bestimmen, hinsichtlich welcher Teile <strong>de</strong>s<br />

Verwaltungsakts Bestandskraft nicht eintreten soll, um die Reichweite <strong>de</strong>r Teil-Einspruchsentscheidung<br />

zu <strong>de</strong>finieren. Durch Angabe <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n Besteuerungsgrundlage(n) wird hinreichend bestimmt,<br />

hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll; es ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich und i. d. R. auch<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 231 von 235


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nicht möglich, <strong>de</strong>n Teil <strong>de</strong>r Steuer zu beziffern, <strong>de</strong>ssen Festsetzung nicht bestandskräftig wer<strong>de</strong>n soll<br />

(BFH-Urteile vom 30.9.2010 – III R 39/08 –, BStBl. 2011 II, S. 11, und vom 14.3.2012 – X R 50/09 –<br />

BStBl. II, S. 536). Die Bestimmung, hinsichtlich welcher Teile <strong>de</strong>s Verwaltungsakts Bestandskraft nicht<br />

eintreten soll, ist Teil <strong>de</strong>s Tenors <strong>de</strong>r Teil-Einspruchsentscheidung und we<strong>de</strong>r Nebenbestimmung noch<br />

Grundlagenbescheid. Sie kann daher nur durch Klage gegen die Teil-Einspruchsentscheidung angegriffen<br />

wer<strong>de</strong>n. Soweit anhängige Verfahren vor <strong>de</strong>m EuGH, <strong>de</strong>m BVerfG o<strong>de</strong>r einem obersten Bun<strong>de</strong>sgericht<br />

Anlass für eine Teil-Einspruchsentscheidung/Verfahrensruhe sind (vgl. Nr. 6.1 zweiter Absatz), sind<br />

diese nicht im Tenor, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r Begründung <strong>de</strong>r Teil-Einspruchsentscheidung zu benennen.<br />

Ist <strong>de</strong>r Erlass einer Teil-Einspruchsentscheidung sachdienlich (vgl. Nrn. 6.1 und 6.2), ist das <strong>de</strong>r<br />

Finanzbehör<strong>de</strong> eingeräumte Entschließungsermessen in einer Weise vorgeprägt, dass es keiner über die<br />

Darlegung <strong>de</strong>r Sachdienlichkeit hinausgehen<strong>de</strong>n Begründung bedarf, warum eine Teil-<br />

Einspruchsentscheidung erlassen wird (BFH-Urteile vom 30.9.2010 und vom 14.3.2012, jeweils a.a.O.).<br />

6.5 Ergeht vor Erlass <strong>de</strong>r Teil-Einspruchsentscheidung ein Än<strong>de</strong>rungsbescheid, wird dieser neue Bescheid<br />

Gegenstand <strong>de</strong>s Einspruchsverfahrens (§ 365 Abs. 3) und somit auch Gegenstand <strong>de</strong>r Teil-<br />

Einspruchsentscheidung. Bei <strong>de</strong>r Bestimmung, inwieweit Bestandskraft nicht eintreten soll, ist vom<br />

Inhalt <strong>de</strong>s neuen Bescheids auszugehen. Soll nach Ergehen <strong>de</strong>r Teil-Einspruchsentscheidung ein<br />

Än<strong>de</strong>rungsbescheid erlassen wer<strong>de</strong>n, ist zuvor zu prüfen, inwieweit <strong>de</strong>m Än<strong>de</strong>rungsbescheid die<br />

Bindungswirkung <strong>de</strong>r Teil-Einspruchsentscheidung entgegensteht.<br />

6.6 Die Teil-Einspruchsentscheidung hat nicht <strong>zur</strong> Folge, dass stets noch eine förmliche „End-<br />

Einspruchsentscheidung“ ergehen muss. Das Einspruchsverfahren kann beispielsweise auch dadurch<br />

abgeschlossen wer<strong>de</strong>n, dass die Finanzbehör<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Einspruch hinsichtlich <strong>de</strong>r zunächst „offen“<br />

gebliebenen Frage abhilft, <strong>de</strong>r Steuerpflichtige seinen Einspruch <strong>zur</strong>ücknimmt o<strong>de</strong>r eine<br />

Allgemeinverfügung nach § 367 Abs. 2b ergeht. Wird die wirksam ergangene Teil-<br />

Einspruchsentscheidung bestandskräftig, kann im weiteren Verfahren über <strong>de</strong>n „noch offenen“ Teil <strong>de</strong>r<br />

angefochtenen Steuerfestsetzung nicht mit Erfolg geltend gemacht wer<strong>de</strong>n, die in <strong>de</strong>r Teil-<br />

Einspruchsentscheidung vertretene Rechtsauffassung entspreche nicht <strong>de</strong>m Gesetz. Dies ist auch in<br />

einem eventuellen Klageverfahren gegen eine „End-Einspruchsentscheidung“ zu beachten.<br />

7. Allgemeinverfügung<br />

7.1 Wegen <strong>de</strong>r Erledigung von Masseneinsprüchen und Massenanträgen durch eine Allgemeinverfügung vgl.<br />

§ 367 Abs. 2b sowie § 172 Abs. 3.<br />

7.2 Ergeht eine Allgemeinverfügung nach § 367 Abs. 2b, bleibt das Einspruchsverfahren im Übrigen<br />

anhängig. Gegenstand <strong>de</strong>s Einspruchsverfahrens ist <strong>de</strong>r angefochtene Verwaltungsakt und nicht ein Teil<br />

<strong>de</strong>r Besteuerungsgrundlagen o<strong>de</strong>r ein einzelner Streitpunkt. Auch wenn sich die Allgemeinverfügung auf<br />

sämtliche vom Einspruchsführer vorgebrachte Einwendungen erstreckt, ist <strong>de</strong>shalb das<br />

Einspruchsverfahren im Übrigen fortzuführen. Dies gilt nicht, soweit bereits eine Teil-<br />

Einspruchsentscheidung (§ 367 Abs. 2a) ergangen ist, die <strong>de</strong>n „noch offenbleiben<strong>de</strong>n“ Teil <strong>de</strong>s<br />

Einspruchs auf <strong>de</strong>n Umfang beschränkt hat, <strong>de</strong>r Gegenstand <strong>de</strong>r Allgemeinverfügung ist. Über die<br />

Rechtsfrage, die Gegenstand <strong>de</strong>r Allgemeinverfügung war, kann aber in einer eventuell notwendig<br />

wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Einspruchsentscheidung (§ 366, § 367 Abs. 1) nicht erneut entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Zu<br />

berücksichtigen ist dann, dass für eine Klage nach einer Zurückweisung <strong>de</strong>s Einspruchs durch<br />

Allgemeinverfügung und für eine Klage nach Erlass einer Einspruchsentscheidung durch die örtlich<br />

zuständige Finanzbehör<strong>de</strong> unterschiedliche Fristen gelten.<br />

7.3 Unzulässige Einsprüche wer<strong>de</strong>n von einer nach § 367 Abs. 2b ergehen<strong>de</strong>n Allgemeinverfügung<br />

grundsätzlich nicht erfasst, da <strong>de</strong>r Ausgang <strong>de</strong>s Verfahrens, das bei einem <strong>de</strong>r in § 367 Abs. 2b Satz 1<br />

angeführten Gerichte anhängig war, für diese Einsprüche i. d. R. nicht entscheidungserheblich ist. Wenn<br />

dagegen die Frage <strong>de</strong>r Zulässigkeit eines Einspruchs Gegenstand <strong>de</strong>s Verfahrens bei einem <strong>de</strong>r in § 367<br />

Abs. 2b Satz 1 angeführten Gerichte war, kann eine Allgemeinverfügung insoweit auch unzulässige<br />

Einsprüche erfassen. Ansonsten sind unzulässige Einsprüche möglichst zeitnah durch<br />

Einspruchsentscheidung zu verwerfen, falls sie vom Einspruchsführer nicht <strong>zur</strong>ückgenommen wer<strong>de</strong>n.<br />

8. Insolvenzverfahren<br />

Zur Verfahrensweise in Insolvenzfällen siehe zu § 251, Nrn. 5.3 ff. und Nr. 14.<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 232 von 235


Anlage zum <strong>AEAO</strong> zu § 46<br />

ACHTUNG<br />

Eingangsstempel<br />

Beachten Sie unbedingt die Hinweise in Abschnitt V. <strong>de</strong>s Formulars!<br />

Zutreffen<strong>de</strong>s bitte ankreuzen bzw. leserlich<br />

ausfüllen!<br />

Finanzamt<br />

Raum für Bearbeitungsvermerke<br />

Abtretungsanzeige<br />

Verpfändungsanzeige<br />

I. Abtreten<strong>de</strong>(r)/Verpfän<strong>de</strong>r(in)<br />

Familienname bzw. Firma (bei Gesellschaften) Vorname Geburtsdatum<br />

Steuernummer<br />

Ehegatte: Familienname Vorname Geburtsdatum<br />

Anschrift(en)<br />

II.<br />

Abtretungsempfänger(in)/Pfandgläubiger(in)<br />

Name/Firma und Anschrift<br />

© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

III.<br />

Anzeige<br />

Folgen<strong>de</strong>r Erstattungs- bzw. Vergütungsanspruch ist abgetreten/verpfän<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n:<br />

1. Bezeichnung <strong>de</strong>s Anspruchs:<br />

Kalen<strong>de</strong>rjahr Kalen<strong>de</strong>rjahr<br />

<br />

für<br />

<br />

für<br />

Einkommensteue<br />

Umsatzsteuerfestse<br />

r-Veranlagung<br />

tzung<br />

Zeitraum Monat bzw.<br />

Quartal/Jahr<br />

für <br />

für<br />

Umsatzsteuervoran<br />

meldung<br />

Kalen<strong>de</strong>rjahr<br />

<br />

für<br />

<br />

2. Umfang <strong>de</strong>r Abtretung bzw. Verpfändung:<br />

€<br />

VOLL-Abtretung/Verpfändung voraussichtliche Höhe<br />

€<br />

TEIL-Abtretung/Verpfändung in Höhe von<br />

3. Grund <strong>de</strong>r Abtretung/Verpfändung:<br />

(kurze stichwortartige Kennzeichnung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Abtretung zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n schuldrechtlichen<br />

Lebenssachverhaltes)<br />

4. a) Es han<strong>de</strong>lt sich um eine Sicherungsabtretung o<strong>de</strong>r Verpfändung als Sicherheit:<br />

Ja Nein<br />

b) Die Abtretung/Verpfändung erfolgte geschäftsmäßig:<br />

Ja Nein<br />

5. Der Abtretungsempfänger/Pfandgläubiger ist ein Unternehmen, <strong>de</strong>m das Betreiben von<br />

Bankgeschäften erlaubt ist:<br />

Ja Nein<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 233 von 235


IV.<br />

Überweisung/Verrechnung<br />

Der abgetretene/verpfän<strong>de</strong>te Betrag soll ausgezahlt wer<strong>de</strong>n durch:<br />

Überweisung auf Konto-Nr. Bankleitzahl<br />

Geldinstitut (Zweigstelle) und Ort<br />

Kontoinhaber(in), wenn abweichend von Abschnitt II.<br />

<br />

Verrechnung mit Steuerschul<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s/<strong>de</strong>r Abtretungsempfängers(in)/<br />

Pfandgläubigers(in)<br />

beim Finanzamt<br />

Steuernummer<br />

Steuerart<br />

Zeitraum<br />

(für genauere Anweisungen bitte einen geson<strong>de</strong>rten Verrechnungsantrag beifügen!)<br />

© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

V. Wichtige Hinweise<br />

Unterschreiben Sie bitte kein Formular, das nicht ausgefüllt ist o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ssen Inhalt Sie nicht verstehen!<br />

Prüfen Sie bitte sorgfältig, ob sich eine Abtretung für Sie überhaupt lohnt! Denn das Finanzamt bemüht sich,<br />

Erstattungs- und Vergütungsansprüche schnell zu bearbeiten.<br />

Vergleichen Sie nach Erhalt <strong>de</strong>s Steuerbescheids <strong>de</strong>n Erstattungsbetrag mit <strong>de</strong>m Betrag, <strong>de</strong>n Sie gegebenenfalls im<br />

Wege <strong>de</strong>r Vorfinanzierung erhalten haben.<br />

Denken sie daran, dass die Abtretung aus unterschiedlichen Grün<strong>de</strong>n unwirksam sein kann, dass das Finanzamt<br />

dies aber nicht zu prüfen braucht! Der geschäftsmäßige Erwerb von Steuererstattungsansprüchen ist nur<br />

Kreditinstituten (Banken und Sparkassen) im Rahmen von Sicherungsabtretungen gestattet. Die Abtretung an<br />

an<strong>de</strong>re Unternehmen und Privatpersonen ist nur zulässig, wenn diese nicht geschäftsmäßig han<strong>de</strong>ln. Haben Sie<br />

z. B. Ihren Anspruch an eine Privatperson abgetreten, die <strong>de</strong>n Erwerb von Steuererstattungsansprüchen<br />

geschäftsmäßig betreibt, dann ist die Abtretung unwirksam. Hat aber das Finanzamt <strong>de</strong>n Erstattungsbetrag bereits<br />

an <strong>de</strong>n/die von Ihnen angegebenen neuen Gläubiger ausgezahlt, dann kann es nicht mehr in Anspruch genommen<br />

wer<strong>de</strong>n, das heißt: Sie haben selbst dann keinen Anspruch mehr gegen das Finanzamt auf <strong>de</strong>n Erstattungsanspruch,<br />

wenn die Abtretung nicht wirksam ist.<br />

Abtretungen/Verpfändungen können gem. § 46 Abs. 2 <strong>de</strong>r <strong>Abgabenordnung</strong> <strong>de</strong>m Finanzamt erst dann wirksam<br />

angezeigt wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r abgetretene/verpfän<strong>de</strong>te Erstattungsanspruch entstan<strong>de</strong>n ist. Der Erstattungsanspruch<br />

entsteht nicht vor Ablauf <strong>de</strong>s Besteuerungszeitraums (bei <strong>de</strong>r Einkommensteuer/Lohnsteuer: grundsätzlich<br />

Kalen<strong>de</strong>rjahr; bei <strong>de</strong>r Umsatzsteuer: Monat, Kalen<strong>de</strong>rvierteljahr bzw. Kalen<strong>de</strong>rjahr).<br />

Die Anzeige ist an das für die Besteuerung <strong>de</strong>s/<strong>de</strong>r Abtreten<strong>de</strong>n/Verpfän<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n zuständige Finanzamt zu richten.<br />

So ist z. B. für <strong>de</strong>n Erstattungsanspruch aus <strong>de</strong>r Einkommensteuer-Veranlagung das Finanzamt zuständig, in <strong>de</strong>ssen<br />

Bereich <strong>de</strong>r/die Abtreten<strong>de</strong>/Verpfän<strong>de</strong>n<strong>de</strong> seinen/ihren Wohnsitz hat.<br />

Bitte beachten Sie, dass neben <strong>de</strong>n beteiligten Personen bzw. Gesellschaften auch <strong>de</strong>r abgetretene/verpfän<strong>de</strong>te<br />

Erstattungsanspruch für die Finanzbehör<strong>de</strong> zweifelsfrei erkennbar sein muss. Die Angaben in Abschnitt III. <strong>de</strong>r<br />

Anzeige dienen dazu, die gewünschte Abtretung/Verpfändung schnell und problemlos ohne weitere Rückfragen<br />

erledigen zu können!<br />

Die Abtretungs-/Verpfändungsanzeige ist sowohl von <strong>de</strong>m/<strong>de</strong>r Abtreten<strong>de</strong>n/Verpfän<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n als auch von <strong>de</strong>m/<strong>de</strong>r<br />

Abtretungsempfänger(in)/Pfändungsgläubiger(in) zu unterschreiben. Dies gilt z. B. auch, wenn <strong>de</strong>r/die<br />

zeichnungsberechtigte Vertreter(in) einer abtreten<strong>de</strong>n juristischen Person (z. B. GmbH) o<strong>de</strong>r sonstigen Gesellschaft<br />

und <strong>de</strong>r/die Abtretungsempfänger(in)/Pfandgläubiger(in) personengleich sind (2 Unterschriften).<br />

VI. Unterschriften<br />

1. Abtreten<strong>de</strong>(r)/Verpfän<strong>de</strong>r(in)/lt. Abschnitt I. – Persönliche Unterschrift<br />

Ort, Datum<br />

(Wer<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r Einkommensteuer-Zusammenveranlagung die Ansprüche bei<strong>de</strong>r Ehegatten abgetreten,<br />

ist unbedingt erfor<strong>de</strong>rlich, dass bei<strong>de</strong> Ehegatten persönlich unterschreiben.)<br />

2. Abtretungsempfänger(in)/Pfandgläubiger(in) lt. Abschnitt II. – Unterschrift unbedingt erfor<strong>de</strong>rlich –<br />

Ort, Datum<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 234 von 235


Anlage zu Nr. 5 zu § 60<br />

Muster einer Erklärung <strong>de</strong>r Or<strong>de</strong>nsgemeinschaften<br />

1. Der – Die ..................................................................................................................................................................<br />

(Bezeichnung <strong>de</strong>r Or<strong>de</strong>nsgemeinschaft)<br />

mit <strong>de</strong>m Sitz in .........................................................................................................................................................<br />

ist eine anerkannte Or<strong>de</strong>nsgemeinschaft <strong>de</strong>r Katholischen Kirche.<br />

2. Der – Die ..................................................................................................................................................................<br />

verfolgt ausschließlich und unmittelbar kirchliche, gemeinnützige o<strong>de</strong>r mildtätige Zwecke, und<br />

zwar insbeson<strong>de</strong>re durch<br />

3. Überschüsse aus <strong>de</strong>r Tätigkeit <strong>de</strong>r Or<strong>de</strong>nsgemeinschaft wer<strong>de</strong>n nur für die satzungsmäßigen Zwecke<br />

verwen<strong>de</strong>t. Den Mitglie<strong>de</strong>rn stehen keine Anteile an <strong>de</strong>n Überschüssen zu. Ferner erhalten die Mitglie<strong>de</strong>r<br />

we<strong>de</strong>r während <strong>de</strong>r Zeit ihrer Zugehörigkeit zu <strong>de</strong>r Or<strong>de</strong>nsgemeinschaft noch im Fall ihres Ausschei<strong>de</strong>ns<br />

noch bei Auflösung o<strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>r Or<strong>de</strong>nsgemeinschaft irgendwelche Zuwendungen o<strong>de</strong>r<br />

Vermögensvorteile aus <strong>de</strong>ren Mitteln. Es darf keine Person durch Ausgaben, die <strong>de</strong>n Zwecken <strong>de</strong>r<br />

Or<strong>de</strong>nsgemeinschaft fremd sind, o<strong>de</strong>r durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt wer<strong>de</strong>n.<br />

4. Der – Die ..................................................................................................................................................................<br />

wird vertreten durch .................................................................................................................................................<br />

(Ort)<br />

(Datum)<br />

(Unterschrift <strong>de</strong>s Or<strong>de</strong>nsobern)<br />

© Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, Postfach, 80289 München, Telefon (089) 2183-7620<br />

<strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (<strong>AEAO</strong>) – Rechtsstand: 31.01.2013 Seite 235 von 235

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