Leonard Cohen - Waldbühne Berlin
Leonard Cohen - Waldbühne Berlin
Leonard Cohen - Waldbühne Berlin
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Donnerstag, 06. September 2012<br />
<strong>Leonard</strong> <strong>Cohen</strong> in der Waldbühne<br />
Der alte Mann mit der goldenen Stimme<br />
Von Aleksandar Zivanovic<br />
Sänger Leonhard <strong>Cohen</strong>.<br />
Foto: dpa<br />
<strong>Leonard</strong> <strong>Cohen</strong> begeistert in der ausverkauften Waldbühne.<br />
Mit <strong>Leonard</strong> <strong>Cohen</strong> ist man gern an einem Ort. Auch wenn es die im<br />
Nationalsozialismus erbaute und menschenvolle Waldbühne ist und die Gefahr<br />
besteht, dass sich die Kraft seiner Musik verflüchtigen kann. Bei <strong>Cohen</strong> muss man<br />
diese Angst aber nicht haben. Man hört ihm gern zu, wie er mit seiner tiefen,<br />
durchdringenden Stimme über Weltschmerz, Liebe und Leben, Glauben und Zweifel,<br />
das Glück oder die düstere Zukunft („The Future“) singt. Warum ist das so?<br />
Wenn <strong>Cohen</strong> singt, fühlt es sich an, als ob er einem ins Ohr flüstert. <strong>Cohen</strong> hat seine<br />
Stimme schon lange gefunden, sich mit ihr arrangiert. Eine großartige Stimme hat er<br />
nie gehabt, aber eine, die etwas zu sagen hat, eine, die entführen kann ohne mit<br />
ausgefeilter Technik zu blenden. Und sie wird immer tiefer über die letzten Jahre, er<br />
ist „born with this gift of the golden voice“ wie er in „Tower of Song“ singt; er<br />
bezieht das nicht auf seine Stimme, aber seine Hörer können das tun.
Ohne Schnickschnack<br />
Neben der Stimme ist es seine Erscheinung die stilsicher, unaufgeregt, aber nicht<br />
unangenehm selbstsicher rüberkommt. <strong>Cohen</strong> scheint einer zu sein, der nicht an<br />
seinem Alter verzweifelt, auch wenn er nicht versteckt, dass es nicht mehr so ist wie<br />
früher. Das Konzert kommt ganz ohne Schnickschnack und ohne Erklärungen vor<br />
angespielten Stücken, von denen es an diesem Abend 29 gab, aus.<br />
Wir sehen <strong>Cohen</strong>, wie er sich meist langsam und vorsichtig zu den Folk- und Blues-<br />
Liedern auf der Bühne bewegt, die Gitarrensaiten schnarren lässt, wie er sich immer<br />
wieder höflich vor seinen sehr guten Musikern (Roscoe Beck am Bass, Neil Larsen an<br />
der Hammond Orgel, Bob Metzger an der Gitarre, Oud-Spieler Javier Mas, dem<br />
Violinisten Alexandru Bublitchi) nach kurzen Soli verneigt, dabei höflich den Hut vom<br />
Kopf zieht, wie er sich zu den drei hervorragenden Sängerinnen (den Webb Sisters<br />
und Sharon Robinson) wendet, mit ihnen singt. Der Kontrast zwischen seiner Stimme<br />
und den zauberhaften Engelsstimmen spendet bei aller Hoffnungslosigkeit und<br />
Dunkelheit im Text Trost.<br />
Im Publikum wird geknutscht, gekuschelt, geschunkelt. <strong>Cohen</strong>, mit dem Hut halb im<br />
Gesicht und meist zugekniffenen Augen schaut ab und zu herauf, er ist angetan, als<br />
bei „First we take Manhatten“ die Lichter auf das Publikum gerichtet werden und alle<br />
„then we take <strong>Berlin</strong>“ singen. Das wiederum ist auch der absurdeste Moment des<br />
Abends, denn hier ist das Publikum bereit, sich völlig zu ergeben, obwohl man diesen<br />
alten Hit inhaltlich durchaus als Psychogramm eines religiösen Fanatikers<br />
interpretieren könnte, der sich beide Städte unter den Nagel reißen will. Egal, es wird<br />
geklatscht.<br />
Nach dreieinhalb Stunden ist es dann vorbei. <strong>Cohen</strong>s Formel ist: die Verworrenheit<br />
des Lebens textlich zu verarbeiten und in eine einfache Musiksprache zu fassen. Den<br />
Irrungen und Wirrungen des Lebens muss man nicht mit musikalischem Chaos<br />
entgegentreten.<br />
Quelle: http://www.berliner-zeitung.de/kultur/leonard-cohen-in-der-waldbuehne-deralte-mann-mit-der-goldenen-stimme,10809150,17189592.html