Aktuelle Ausgabe lesen - Kehrwieder am Sonntag
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KEHRWIEDER <strong>am</strong> <strong>Sonntag</strong> · 26. Januar 2014 · Seite 13<br />
Anja Keunecke ist für den Karneval gewappnet / AWO Trialog vermittelte Job<br />
Der Kostümverleih<br />
trägt ihre Handschrift<br />
Dielen, Parkett, L<strong>am</strong>inat und Co:<br />
LANDKREIS HILDESHEIM<br />
Auswah g<br />
Beratung Top! “<br />
Emmerke .Industriestr. 3.holzland-koester.de<br />
Anja Keunecke bei der Arbeit im Kostümverleih – von der Tracht bis Eisbär Knut ist alles im Angebot.<br />
Von Lothar Veit<br />
Alfeld/Hildesheim. Mit manchem<br />
wird der Norddeutsche in Verbindung<br />
gebracht, aber eher selten mit Jubel,<br />
Trubel, Heiterkeit. Zu Unrecht! Zumindest<br />
die Gegend um Alfeld und<br />
Duingen darf man getrost als Karnevalshochburg<br />
bezeichnen. Für Anja<br />
Keunecke, die im Alfelder Kostümverleih<br />
arbeitet, eine arbeitsreiche<br />
Zeit. Auf die sie sich freut.<br />
Der Kostümverleih mit dem schönen<br />
N<strong>am</strong>en „Da staunst Du?!“ ist ein<br />
Projekt des gemeinnützigen Vereins<br />
„Perspektive ALF“, der sich der Förderung<br />
der Jugendarbeit widmet.<br />
ALF ist nicht nur das zu neuer Blüte<br />
gelangte Alfelder Autokennzeichen,<br />
sondern steht in diesem Fall für Arbeit,<br />
Leben und Freizeit. Der Kostümfundus<br />
befindet sich in den Räumen<br />
der Jugendhilfestation im Untergeschoss<br />
des Landkreisgebäudes in der<br />
Ständehausstraße 1. Den Job erhielt<br />
Anja Keunecke über das Hildesheimer<br />
Projekt „Miteinander arbeiten“<br />
der AWO Trialog. Die Initiative will<br />
Menschen mit Krankheit, seelischer<br />
oder körperlicher Behinderung helfen,<br />
Praktika oder Jobs zu finden (der<br />
KEHRWIEDER berichtete).<br />
Die 46-jährige Anja Keunecke aus<br />
Wispenstein lebt seit über 30 Jahren<br />
mit Essstörungen. Die gelernte<br />
Einzelhandelskauffrau arbeitete bis<br />
2007 beim Alfelder Papierhersteller<br />
Sappi in der Rekl<strong>am</strong>ationsabteilung.<br />
Zu der Zeit wog sie 42 Kilo, als sie<br />
den Job verlor, nahm sie nochmal<br />
zehn Kilo ab. Seit August 2011 besucht<br />
sie die AWO-Tagesstätte in Alfeld,<br />
bekommt dort unter anderem<br />
Haushaltstraining und Ergotherapie.<br />
Doch bei aller Unterstützung – das<br />
Gefühl, gebraucht zu werden, stellt<br />
sich dabei nicht unbedingt ein. Anders<br />
beim Kostümverleih: „Es macht<br />
mir Spaß, etwas zu tun, was anerkannt<br />
wird. Das stärkt das Selbstwertgefühl“,<br />
sagt Keunecke, die vor<br />
Tatendrang nur so strotzt. „Ich will<br />
dem Jobcenter und der Rentenversicherung<br />
beweisen, dass ich noch<br />
was leisten kann.“<br />
Einem der Ansprechpartner für<br />
den Kostümverleih, dem Sozialpädagogen<br />
Frank Birkholtz, hat sie es<br />
längst bewiesen: „Sie war im vergangenen<br />
Jahr viel zu schnell“, sagt<br />
er beeindruckt. Es galt, die 265 Kostüme<br />
zu sichten, zu inventarisieren<br />
und bei Bedarf zu reparieren. Jetzt<br />
ist der Fundus perfekt sortiert. „Seit<br />
Frau Keunecke da ist, ist wahnsinnige<br />
Ordnung hier“, lobt auch Landkreis-<br />
Mitarbeiter Horst Urbanke. „Außerdem<br />
hat sie eine tolle Schrift.“<br />
Urbanke hatte bei einer Mitgliedervers<strong>am</strong>mlung<br />
des Stadtjugendrings<br />
Alfeld von „Miteinander arbeiten“<br />
erfahren und k<strong>am</strong> mit Projektleiter<br />
Stefan Didszun ins Gespräch.<br />
Für den Kostümverleih, der bis vor<br />
zwei Jahren ein von der Arbeitsagentur<br />
gefördertes Ausbildungsprojekt<br />
für benachteiligte Frauen war, suchte<br />
Urbanke wieder eine Mitarbeiterin.<br />
Weil die Vermittlung der Frauen<br />
in den Ersten Arbeitsmarkt d<strong>am</strong>als<br />
nicht so klappte wie gewünscht, zog<br />
sich die Arbeitsagentur aus der Finanzierung<br />
zurück. Aus jener Zeit,<br />
als eine gelernte Schneiderin den<br />
Kostümverleih betreute, st<strong>am</strong>men<br />
kunstvolle Rock‘n‘Roll-Kostüme oder<br />
Oktoberfest-Outfits.<br />
Anja Keunecke hat sich ihr handarbeitliches<br />
Geschick selbst beigebracht.<br />
„Als erstes habe ich d<strong>am</strong>als<br />
Foto: Veit<br />
meine Barbie-Puppenkleider selbst<br />
geschneidert.“ Und im Teenager-Alter<br />
hat sie dann, weil das Geld knapp<br />
war, alte weiße Bettlaken gefärbt<br />
und sich die Abendgarderobe für die<br />
Disko genäht. Im Kostümverleih arbeitet<br />
sie seit Mai dieses Jahres einmal<br />
die Woche, in Stoßzeiten auch<br />
häufiger. Die anstehende Karnevalssaison<br />
wird also ihre erste sein.<br />
Vor allem Kinder werden sich dann<br />
eindecken wollen, aber nicht nur. Es<br />
gibt auch immer wieder Erwachsene,<br />
die nach dem passenden Dress<br />
für eine 70er-Jahre-Fete oder dem<br />
Junggesellenabschied fragen. Selbst<br />
den Bedarf für die nächste Lack- und<br />
Leder-Party kann man in der Ständehausstraße<br />
decken. Für Kinder gibt es<br />
Ritter, Fledermäuse, Clowns, Indianer<br />
und vieles mehr. Wer als Eisbär Knut<br />
zum Fasching gehen möchte – kein<br />
Problem. Sämtliche Kostüme finden<br />
sich mit Größenangaben im Internet<br />
aufgelistet (siehe Abspann).<br />
So sehr Anja Keunecke in der Aufgabe<br />
aufgeht, sie würde gern mehr<br />
machen: eine Ausbildung als Hauswirtschafterin<br />
vielleicht oder wieder<br />
einen Bürojob. Auch dabei versucht<br />
Stefan Didszun ihr zu helfen. Unter<br />
www.miteinander-arbeiten.de findet<br />
sich ein Stellengesuch. Frühester Einstellungstermin:<br />
Aschermittwoch.<br />
■ Für Fasching bietet der Alfelder<br />
Kostümverleih montags und donnerstags<br />
gesonderte Verleih- und Rückgabetermine<br />
an. Ausleihzeiten: 13.,<br />
17., 20., 24. und 27. Februar; Rückgabe:<br />
6. und 10. März, jeweils von 14<br />
bis 16 Uhr, und nach Vereinbarung.<br />
Alle Kostüme, alphabetisch und nach<br />
Größen sortiert, sind zu finden unter<br />
www.dastaunstdu.de.<br />
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Landgericht Aachen verwirft Berufung des Söhlder Hetzredners Dieter Riefling<br />
Volksverhetzung: Neonazi<br />
scheitert in zweiter Instanz<br />
(lv) Aachen/Söhlde. Der Neonazi<br />
Dieter Riefling aus Söhlde ist <strong>am</strong><br />
Freitag vor dem Landgericht Aachen<br />
in zweiter Instanz unterlegen. Das<br />
Amtsgericht Eschweiler hatte den<br />
45-Jährigen im September wegen<br />
Volksverhetzung zu einer Haftstrafe<br />
von zehn Monaten auf Bewährung<br />
verurteilt. Dagegen hatte der einschlägig<br />
vorbestrafte frühere NPD-<br />
Landtagskandidat Berufung eingelegt.<br />
„Das Gericht hat die Berufung<br />
verworfen“, sagte Gerichtssprecher<br />
Dr. Herbert Voßen dem KEHRWIEDER.<br />
Rieflings Anwalt will die Entscheidung<br />
nun erneut anfechten.<br />
Anlass für die Verurteilung war<br />
laut dem Informationsdienst „Blick<br />
nach Rechts“ eine Rede, die Riefling<br />
im April 2012 bei einem fremdenfeindlichen<br />
Aufmarsch in Stolberg<br />
bei Aachen gehalten hatte. Darin<br />
führte der Söhlder unter anderem<br />
aus, die „westalliierten Kriegshetzer<br />
und Kriegsverbrecher“ hätten<br />
„ein nationales und sozialistisches“<br />
Deutschland in einen „geplanten<br />
Dieter Riefling. Archivfoto: Fuhrhop<br />
Krieg“, nämlich den Zweiten Weltkrieg<br />
„gezwungen“. Die Zuwanderung<br />
„art- und kulturfremder Menschen“<br />
hatte Riefling als Fortsetzung<br />
des verlorenen Kriegs und als „Rassenkrieg“<br />
gegen Deutschland „von<br />
denselben Gestalten und ihresgleichen“<br />
umschrieben. Die USA nannte<br />
derehemalige Kader der verbotenen<br />
Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei<br />
(FAP) im antisemitischen Duktus<br />
„Jew SA“. Teile der in Deutschland<br />
lebenden Migranten seien „Abschaum“<br />
sowie demokratische Politiker<br />
„widerlich“. Migranten würden<br />
dereinst zudem mittels Flugzeugen<br />
und Zügen außer Landes gebracht,<br />
hatte Riefling gedroht.<br />
Der Söhlder, der bundesweit immer<br />
wieder als Redner und Mitorganisator<br />
bei braunen Aufmärschen<br />
auftritt, distanzierte sich <strong>am</strong> Freitag<br />
nicht von seinen Worten. Das Einzige,<br />
was er sich vorzuwerfen habe,<br />
sei, dass er bei historischen Ausführungen<br />
die 9. mit der 12. Armee der<br />
Wehrmacht verwechselt habe.<br />
Zuletzt saß Dieter Riefling Ende<br />
2012 im Gefängnis. Das Amtsgericht<br />
Wuppertal hatte ihn seinerzeit wegen<br />
Landfriedensbruchs bei einem<br />
Neonazi-Aufmarsch in Wuppertal<br />
zu 2.600 Euro Geldstrafe verurteilt,<br />
die er nicht bezahlen konnte.