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Arbeitsblatt aktuell - Aulis

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<strong>Arbeitsblatt</strong> <strong>aktuell</strong><br />

Weltweite Überfischung<br />

▼M1: Die Zentren von Fischfang und Aquakultur liegen in Asien. Quelle: Le Monde diplomatique (Hrsg.), Atlas der Globalisierung spezial. Klima,<br />

Berlin (taz Verlag), 2008, S. 53<br />

Island<br />

Norwegen<br />

Nordpolarmeer<br />

Färöer Inseln<br />

Großbritannien<br />

Dänemark<br />

Russland<br />

Kanada<br />

Frankreich<br />

Spanien<br />

Marokko<br />

Senegal<br />

Ghana<br />

Nigeria<br />

Türkei<br />

Pakistan<br />

Indien<br />

China<br />

Bangladesch<br />

Birma<br />

Thailand<br />

Südkorea<br />

Taiwan<br />

Vietnam<br />

Philippinen<br />

Malaysia<br />

Japan<br />

Pazifischer Ozean<br />

Mexiko<br />

USA<br />

Atlantischer<br />

Ozean<br />

Venezuela<br />

Indischer Ozean<br />

Indonesien<br />

Peru<br />

Brasilien<br />

Atlantischer Ozean<br />

Südafrika<br />

Fischereiertrag<br />

in Tonnen pro km 2 und Jahr<br />

0,05 0,2 1 3 5 10<br />

Fischfang<br />

Aquakultur<br />

Fischereiproduktion<br />

Millionen Tonnen<br />

30<br />

17<br />

5<br />

3<br />

1 0,4<br />

Chile<br />

Argentinien<br />

Geographie <strong>aktuell</strong> 6/2013<br />

M2: Drama der weltweiten<br />

Überfischung<br />

… Die internationale Überfischung<br />

der Meere ist ein moralisches Problem.<br />

Die Welternährungsorganisation<br />

(FAO) warnt, dass besonders<br />

die Bestände vor den Küsten von<br />

Entwicklungsländern schnell zurückgehen,<br />

also ausgerechnet dort, wo<br />

Hunger am größten ist.<br />

Fischfarmen haben zwar geholfen,<br />

die weltweite Nachfrage zu bedienen.<br />

Derzeit liegt sie bei durchschnittlich<br />

18,8 Kilo Fisch pro Kopf und Jahr und<br />

wächst pro Jahr um 4,2 Prozent. Die<br />

rasch wachsende Fischzucht durch<br />

Aquakultur habe den Druck auf überfischte<br />

Lebensräume aber nicht vermindert,<br />

schreibt die FAO. Zwar kämen<br />

bereits 42 Prozent der weltweit<br />

gekauften Speisefische aus Aquakulturen.<br />

Ihnen steht aber eine noch<br />

schneller wachsende Weltbevölkerung<br />

gegenüber.<br />

In Europa steigt der Fischverbrauch.<br />

Wer als Käufer in Deutschland wegen<br />

Überfischung ein schlechtes Gewissen<br />

hat, wird durch Informationskampagnen<br />

über nicht bedrohte Fischarten<br />

und Herkunftsbezeichnungen auf der<br />

Verpackung beruhigt. Deutsche Verbraucher<br />

decken nur fünf Prozent ihres<br />

Eiweißbedarfes durch Fisch. Doch<br />

der Trend geht wie in vielen Industrieländern<br />

nach oben. Schnellrestaurants<br />

und Sushi Bars setzen ebenfalls immer<br />

öfter Fisch auf die Karte. Westliche<br />

Gesundheitsexperten raten ihren<br />

Landsleuten sogar, zweimal pro Woche<br />

Fisch zu essen. Folgte die gesamte<br />

Weltbevölkerung diesem Ratschlag,<br />

müsste sich das weltweite Fischaufkommen<br />

verdoppeln.<br />

Eigentlich wäre mehr Fisch auf den<br />

Tellern der Industrieländer ernährungsphysiologisch<br />

gar nicht nötig:<br />

Mitteleuropäer essen im Schnitt sowieso<br />

zu viel Fleisch und bräuchten<br />

nicht zusätzlich noch gesunde Fischproteine.<br />

Sie können es sich aber zum<br />

Großteil leisten – im Gegensatz zu immer<br />

weniger Verbrauchern armer Länder.<br />

Nahrungsmittelindustrie, Handel<br />

und Verbraucher in Industrieländern<br />

bewegt die weltweite Überfischung<br />

aber nur insofern, als die Fischpreise<br />

steigen.<br />

In vielen Entwicklungsländern ist<br />

Fisch kein Luxus, sondern eines der<br />

Grundnahrungsmittel. Frischer Fisch<br />

enthält 18 bis 20 Prozent Protein, alle<br />

acht essenziellen Aminosäuren und<br />

wichtige Vitamine. Für 2,6 Mil liarden<br />

Menschen deckt Fisch mindestens 20<br />

Prozent des tierischen Protein bedarfs.<br />

Für manche Küstenbewohner Asiens<br />

und Afrikas, zum Beispiel auf<br />

den Philippinen und Indonesien, im<br />

Senegal oder in Ghana, ist Fisch sogar<br />

die Basis ihrer lebenswichtigen<br />

Eiweißzufuhr.<br />

In zwei weiteren Hinsichten ist Fischerei<br />

für Entwicklungsländer wichtig:<br />

erstens als Einkommensquelle<br />

für Fischer und ihr wirtschaftliches<br />

Umfeld, zweitens als Chance zur regionalen<br />

Wertschöpfung. Gäbe es<br />

keine ausländischen Industrieflotten,<br />

die heimischen Konkurrenten Fischbestände<br />

wegfangen, um lukrative<br />

internationale Märkte zu bedienen,<br />

könnte diese Wertschöpfung viel größer<br />

sein.<br />

In Afrika sinkt der Fischkonsum zurzeit.<br />

Steigende Weltmarktpreise bedeuten,<br />

dass arme Verbraucher nicht<br />

mehr zum Zuge kommen.<br />

In Asien steigt der Verbrauch hingegen.<br />

Besonders stark wächst der<br />

Fischkonsum in China, wo sich angesichts<br />

wachsenden Wohlstands immer<br />

mehr Menschen teurere Lebensmittel<br />

leisten können. Angesichts der wach­<br />

17


<strong>Arbeitsblatt</strong> <strong>aktuell</strong><br />

Weltweite Überfischung<br />

senden Nachfrage – und überfischter<br />

natürlicher Bestände – setzen viele<br />

Unternehmen in Asien auf Fischzucht.<br />

Das nützt nicht nur dem Export,<br />

sondern auch lokalen Verbrauchern<br />

– aber es reicht nicht, um die<br />

Über fischung zu stoppen.<br />

Verlierer sind die ärmsten Länder in<br />

Afrika. Der Rückgang von Wildfisch<br />

trifft ihre Bewohner besonders hart:<br />

Um Menschen mit Fleisch zu versorgen,<br />

hätte in der Vergangenheit<br />

mehr Geld in kommerzielle Tierhaltung<br />

gesteckt werden müssen. Sie war<br />

ein Stiefkind in Agrarprogrammen<br />

afrikanischer Regierungen und internationaler<br />

Geber. Die Folge ist, dass<br />

billiges Fleisch aus Industrie- und<br />

Schwellenländern heute viele afrikanische<br />

Kleinbauern aus dem Markt<br />

drängt.<br />

Moralische Fragen wirft auch die Verwendung<br />

von Fischmehl für Zuchtfarmen<br />

auf: Fischmehl ist das billigste<br />

aller proteinhaltigen Futtermittel.<br />

Immer mehr Heringe, Makrelen und<br />

Anchoven, die in Entwicklungsländern<br />

ein erschwingliches Essen sind,<br />

landen als Fischöl und Fischmehl in<br />

Aquakulturen. Gleichzeitig gehen<br />

wertvolle Edelfischarten wie Barsche,<br />

Hechte, Seezungen und Thunfisch in<br />

den Export oder werden für städtische<br />

Mittel- und Oberschichten zubereitet.<br />

Fischfutter konkurriert mit Billigfisch<br />

für die Armen.<br />

Um der Nachfrage nach Fischmehl in<br />

reichen Städten und Industrieländern<br />

nachzukommen, jagen große Trawler<br />

nach den fettreichen Fischarten. Das<br />

geschah in den vergangenen drei Jahren<br />

im Senegal: Dort verscherbelte<br />

die inzwischen abgewählte Regierung<br />

den ganzen Fang einer Saison<br />

von 40 000 Tonnen zu einem Billigpreis<br />

von 35 Dollar pro Tonne an 20<br />

russische und baltische Trawler, die<br />

daraus Fischmehl produzierten.<br />

Der Preis dieser kurzfristigen Profitorientierung<br />

ist nicht nur ernährungspolitisch<br />

hoch. Sie schadet<br />

auch der gewerblichen Kleinfischerei.<br />

Diese beschäftigt über 100 Millionen<br />

Menschen direkt plus weitere<br />

400 Millionen im Handel und in der<br />

Fischverarbeitung. Im Gegensatz zu<br />

„handwerklichen“ Methoden zielt industriell<br />

betriebener Fang vor allem<br />

auf lukrative Weltmärkte.<br />

Handwerkliche Fischerei bietet wirklich<br />

die Chance, Menschen nachhaltig<br />

mit Fisch zu ernähren. Fangtechniken,<br />

Bootsgrößen und die Anzahl der<br />

Arbeitsplätze unterscheiden sich sehr<br />

von denen der industriellen Fischerei,<br />

die zunehmend selbst in Zonen vordringt,<br />

die eigentlich Kleinfischern<br />

vorbehalten sind.<br />

Illegale Trawler kollidieren immer<br />

häufiger mit Pirogen von Klein fischern<br />

und zerreißen fremde Netze. Überwachungsbehörden<br />

in armen Ländern<br />

sind aber zu schlecht ausgerüstet, um<br />

diese Verstöße zu ahnden …<br />

Wie überall auf See und in Binnengewässern<br />

gibt es aber auch in der<br />

Kleinfischerei Überkapazitäten oder<br />

illegales Fanggerät. Immer mehr<br />

selbst organisierten Kleinfischern und<br />

ihren Organisationen ist indessen bewusst,<br />

dass sie selbst dafür zuständig<br />

sind, ihre Ressource auf lange Sicht<br />

zu retten.<br />

Das Verständnis wächst für Fangquoten,<br />

Schonzeiten, verbrauchsärmere<br />

Motoren und Netze mit größeren Maschen,<br />

durch die Nachwuchs durchschlüpft.<br />

Allerdings kämpfen viele<br />

Fischerfamilien um das tägliche<br />

Überleben.<br />

Große europäische Fischtrawler, zum<br />

Beispiel vor Mauretanien, frieren derweil<br />

Fisch unter Deck ein und verkaufen<br />

ihn zu Dumpingpreisen in Kamerun<br />

oder Nigeria. Damit ruinieren sie<br />

den lokalen Markt und drücken kleinere<br />

Wettbewerber in die Armut. Bedroht<br />

ist auf diese Weise die Lebensgrundlage<br />

von Millionen von Frauen,<br />

die Fisch an Land ver arbeiten – ihn<br />

räuchern, salzen oder trocknen. Geschätzte<br />

50 Millionen Frauen verarbeiten<br />

weltweit den täglichen Fang.<br />

Europäische Regierungen könnten<br />

dazu beitragen, solche Konflikte<br />

zu verringern. Die EU hat erkannt,<br />

dass sie verpflichtet ist, die Fischerei<br />

jenseits ihrer Hoheitsgewässer<br />

ökologisch und wirtschaftlich nachhaltig<br />

zu regeln. Ansonsten verlieren<br />

Millionen Menschen in armen Küstenregionen,<br />

die vom Klimawandel<br />

und vom Anstieg der Meeresspiegel<br />

besonders betroffen sind, ihre Lebensgrundlage<br />

und erschwingliche<br />

Nahrungsquellen.<br />

Die industriell betriebene Fischerei<br />

gräbt ihr eigenes Grab. Laut FAO-<br />

Prognose wird kommerzieller Fischfang<br />

2048 unmöglich. Niemand sollte<br />

darauf hoffen, dass Entwicklungsländer<br />

dann verlorene Arbeitsplätze und<br />

eiweißreiche Nahrung durch Fischfarmen<br />

ersetzen können. Beim Ausbau<br />

der Aquakultur in Asien sind<br />

außerdem ökologische und soziale<br />

Pro bleme sichtbar geworden, die<br />

gegen flächendeckende Einführung<br />

sprechen.<br />

Dass deutsche Politiker und Verbraucher<br />

entwicklungspolitische Folgen<br />

der Überfischung erkannt haben, ermutigt<br />

nichtstaatliche Entwicklungsorganisationen<br />

wie Brot für die Welt.<br />

Sie sehen eine wichtige Aufgabe darin,<br />

die Selbstorganisation der Kleinfischer,<br />

Verarbeiterinnen und Händler<br />

zu fördern. Denn ihnen fehlt noch<br />

immer in internationalen Gremien die<br />

Macht, um durchzusetzen, dass Fischereipolitik<br />

arme Menschen und<br />

ihre Wirtschaft nicht ausblendet.<br />

Quelle: Francisco J. Marí: Das Drama der weltweiten<br />

Überfischung. In: E+Z Entwicklung und<br />

Zusammenarbeit, Heft Nr. 11 (2012), S. 423<br />

Aufgaben<br />

1. Stellen Sie das Problem<br />

der globalen<br />

Überfischung aus mo-<br />

ralischer, ökonomischer und ökologischer<br />

Sicht dar. Berücksichtigen<br />

Sie hierbei insbesondere<br />

die Rolle der Aquakulturen, die<br />

unterschiedlichen Argumentationsmuster<br />

in Industrie- und Entwicklungsländern<br />

sowie die Rolle<br />

internationaler Fischtrawler.<br />

2. Zeigen Sie Lösungswege auf, die<br />

das Problem der weltweiten Überfischung<br />

entschärfen können.<br />

18 Geographie <strong>aktuell</strong> 6/2013

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