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Gratisschutzimpfungen

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impfen<br />

Foto: Raimo Rumpler<br />

MR Dr. Dietmar<br />

Baumgartner<br />

<strong>Gratisschutzimpfungen</strong><br />

Als Leiter des Impfreferates der Ärztekammer<br />

für Niederösterreich werde<br />

ich mehrmals pro Jahr über die aktuelle<br />

Inanspruchnahme der <strong>Gratisschutzimpfungen</strong><br />

im Rahmen des Kinderimpfkonzepts<br />

informiert.<br />

Leider weist gerade unser Bundesland<br />

eine teilweise erschreckend niedrige Beteiligung<br />

an diesem Gratisimpfkonzept auf.<br />

Die Geburtenkohorte liegt für Niederösterreich<br />

bei ca. 14.100 Neugeborenen. Die<br />

Inanspruchnahme des Sechsfachimpfstoffs<br />

Infanrix Hexa® zeigt eine Inanspruchnahme<br />

von nicht gerade berauschenden<br />

75 %. Absolut unverständlich<br />

aber ist eine Beteiligung von lediglich<br />

49 % beim Gratisimpfstoff gegen Pneumokokken<br />

Synflorix®. (Beide Werte<br />

basieren auf dem Abruf der Impfstoffe<br />

durch die impfenden ÄrztInnen). Dass<br />

wir damit im bundesweiten Vergleich<br />

ein unrühmliches Schlusslicht darstellen,<br />

muss an dieser Stelle nicht extra erwähnt<br />

werden.<br />

Impfungen und vor allem deren Durchführung<br />

stellen sicherlich mit eine der<br />

wichtigsten Maßnahmen im Bereich der<br />

Prävention dar. Durch rechtzeitige Immunisierung<br />

gegen mitunter lebensbedrohliche<br />

Infektionserkrankungen können Millionen<br />

von Menschen vor Schmerz und<br />

bleibenden Schäden bewahrt werden.<br />

Wer einmal ein gehörgeschädigtes oder<br />

noch schlimmer geschädigtes Kind nach<br />

einer Pneumokokkenmeningitis betreuen<br />

musste, kann nicht verstehen, warum<br />

auf diese so heilbringende Impfung in so<br />

einem großen Ausmaß verzichtet wird.<br />

Es ist unsere Aufgabe als verantwortungsvolle<br />

ÄrztInnen, unentschlossene<br />

und vielleicht auch impfkritische Eltern<br />

soweit aufzuklären und positiv zu motivieren,<br />

dass sie ihre Kinder vor impfpräventablen<br />

Erkrankungen schützen lassen.<br />

Die Kindeseltern sind es letztlich, die die<br />

Verantwortung für die Gesundheit ihrer<br />

Kinder tragen. Vermitteln wir ihnen dieses<br />

Gefühl vielleicht mehr noch als bisher.<br />

Setzen wir uns gemeinsam für die Umsetzung<br />

des öffentlichen Schutzimpfungsprogramms<br />

ein. Sorgen wir miteinander für<br />

einen ausreichenden und rechtzeitigen<br />

Impfschutz für unsere Kleinsten. Dies<br />

muss einerseits den Schutz des einzelnen<br />

Individuums betreffen. Andererseits ist<br />

es natürlich auch immens wichtig, durch<br />

entsprechend hohe Durchimpfungsraten<br />

auf lange Sicht gesehen eine Herdenimmunität<br />

wachsen zu lassen und vielleicht<br />

auch – wenn dies möglich ist – gefürchtete<br />

Infektionserkrankungen zu eradizieren.<br />

Unten abgebildete Tabelle zeigt eine Auflistung<br />

der im Rahmen der öffentlichen<br />

Impfung von Säuglingen und Kleinkindern<br />

abgerufenen Dosen der Impfstoffe<br />

Infanrix Hexa® (Di,aPert, Tet, HiB, HBV,<br />

Polio) und Synflorix® (10fach Konjugatimpfstoff<br />

gegen Pneumokokken) vom<br />

Februar bis zum September 2013. Deutlich<br />

erkennbar ist, dass das Bundesland<br />

Niederösterreich leider bei beiden Impfstoffen<br />

eindeutig das Schlusslicht bildet.<br />

Sowohl bei Infanrix Hexa® als auch bei<br />

Synflorix® sind wir meilenweit von einer<br />

zufriedenstellenden Durchimpfungsrate<br />

entfernt. Dass aber gerade die Pneumokokkenimpfung<br />

in nicht einmal 50 % der<br />

Kohortenzahl abgerufen wird, ist besonders<br />

erschreckend.<br />

Um an die Auswirkungen einer Pneumokokkeninfektion<br />

und -erkrankung auf das<br />

unreife Immunsystem von Säuglingen<br />

und Kleinkindern zu erinnern, sollte man<br />

sich folgende Zahlen vor Augen halten:<br />

Auf eine Menigitis kommen etwa 100<br />

Pneumonien bzw. 1.000 Otitiden. Es<br />

gilt daher nicht allein vor einer gefürchteten<br />

purulenten Meningitis zu schützen.<br />

Rechnet man die Zahlen hoch dann ist<br />

bei 35 im Jahre 2008 in Österreich erfassten<br />

Meningitiden mit 35.000 Otitiden<br />

Statistik der abgerufenen Impfdosen von Februar bis September 2013<br />

Kohorte Säugl./Mon. Soll/II-IX 2013 Ist/II-IX Abrufe Ist/II-IX Abrufe<br />

Synflorix® Synflorix® % Infanrix Hexa® Infanrix Hexa® %<br />

Burgenland 2.187 182 4.374 3.450 79% 4.097 94%<br />

Kärnten 4.612 384 9.224 6.515 71% 7.385 80%<br />

NÖ 14.124 1.177 28.248 13.837 49% 21.322 75%<br />

OÖ 13.505 1.125 27.010 14.700 54% 23.325 86%<br />

Salzburg 5.022 419 19.044 7.700 77% 9.000 90%<br />

Steiermark 10.279 857 20.558 16.650 81% 18.230 89%<br />

Tirol 6.803 567 13.606 9.165 67% 12.215 90%<br />

Vorarlberg 2.906 326 7.812 6.750 86% 7.550 97%<br />

Wien 17.822 1.285 35.644 20.510 58% 31.590 89%<br />

Österreich 78.260 6.522 156.520 99.277 63% 134.714 86%<br />

CONSILIUM 11/13<br />

27


impfen<br />

Dr. Josef Glasl<br />

Gemeindeärztliche Tätigkeit – Impfungen<br />

Durch den „Rückzug“ der Amtsärzte in Sachen Impfungen<br />

wurde für mich als Gemeindearzt (nach altem<br />

Modell) in der Volksschule meines Ortes ein Tätigkeitsbereich<br />

aktuell, den ich gerne im öffentlichen<br />

Interesse wahrnehme und entsprechend dem offiziellen<br />

Österreichischen Impfplan durchführe. In diesem<br />

Sinne möchte ich kurz über die Pflichtimpfungen und<br />

deren Inanspruchnahme in meiner überschaubaren<br />

Landgemeinde berichten.<br />

In dieser Volksschule sind insgesamt 91 Kinder, deren<br />

Impfpässe ich kontrolliert habe, um eventuelle Impflücken<br />

zu erfassen. Das Ergebnis ist interessant, zeigt<br />

dies doch die Streubreite der Durchimpfung und deren<br />

Dokumentation:<br />

Von diesen 91 Kindern bzw. von deren Eltern<br />

• wollten zwei keine Impfberatung und haben den<br />

Impfpass nicht abgegeben. Eine Begründung wurde<br />

nicht gegeben, die diesbezügliche Absicht aber<br />

eindeutig schriftlich deponiert. (?)<br />

• konnten acht Kinder wegen Verlust keine Impfdokumente<br />

beibringen - also keine Dokumentation über<br />

ihren Impfstatus.<br />

• hatten zwei Kinder die im Volksschulalter empfohlene<br />

Auffrischung mit Repevax bereits erhalten<br />

(durch ihren Haus- oder Kinderarzt) und sind somit<br />

nicht neuerlich zu impfen.<br />

• hatte ein Kind überhaupt keine MMR-Impfung erhalten.<br />

(Die Mutter befürchtete Nebenwirkungen,<br />

konnte aber durch Beratung motiviert werden.)<br />

• hatten zwei Kinder nur eine MMR-Impfung erhalten<br />

und waren somit aufzufrischen.<br />

Als Gemeinde-, Schul- und tlw. auch Hausarzt der<br />

Kinder war es mir möglich, mit Ausnahme der erstgenannten<br />

zwei Kinder, die Eltern zu kontaktieren.<br />

Ich habe die Impfungen mit Einverständnis der Eltern<br />

durchgeführt. Ebenso konnte ich die Eltern motivieren,<br />

die Impfdokumente in Zusammenarbeit mit Haus- und<br />

Kinderfacharzt ergänzen zu lassen. Diesbezüglich ein<br />

Hinweis: Jede BH hat alle Impfdaten und meine zugeordnete<br />

BH in Hollabrunn ist bereit, die erfassten<br />

Impfdaten den Eltern auszuhändigen, damit ein neues<br />

Impfdokument angelegt werden kann.<br />

Dr. Josef Glasl<br />

zu rechnen. Allein diese Zahl müsste<br />

zur Impfung aufrufen – gelingt es doch<br />

damit einen Großteil dieser äußerst<br />

schmerzhaften Mittelohrentzündungen<br />

zu verhindern.<br />

Bei näherer Betrachtung der Pneumokokkenmeningitis<br />

kann man unschwer<br />

die Gefährlichkeit dieser Erkrankung<br />

erkennen. Laut internationalen Studien<br />

beträgt die Mortalitätsrate zwischen<br />

8 und 9 %. Mindestens so erschreckend<br />

ist aber die Tatsache, dass nach durchgemachter<br />

Erkrankung in 21 bis 25 %<br />

Defektheilungen hingenommen werden<br />

müssen. Persistierende neurologische<br />

Auffälligkeiten werden genauso beobachtet<br />

wie Taubheit. In einer retrospektiven<br />

Studie wurden in Österreich<br />

folgende Diagnosen im Rahmen von<br />

Pneumokokkenmeningitiden bei unter<br />

fünfjährigen erfasst:<br />

• Infarkt<br />

• Subdurale Effusionen<br />

• Hydrozephalus<br />

• Hirnödem<br />

• Gehirnatrophie<br />

• Empyem<br />

• Abszedierung<br />

Folgende chirurgische Eingriffe waren<br />

erforderlich:<br />

• Craniotomie<br />

• Trepanation mit ext. Ventrikeldrainage<br />

• Ventrikuloperitonealer Shunt bei<br />

Hydrocephalus<br />

• Cochleaimplantat<br />

• Passagere Tracheostomie/PEG<br />

Für jemanden wie mich, der während<br />

seiner Krankenhauszeit mehrere an<br />

Pneumokokkenmeningitis erkrankte<br />

Säuglinge und Kleinkinder betreuen<br />

musste, ist es absolut unverständlich,<br />

dass eine dermaßen wertvolle Schutzimpfung<br />

nicht in dem vom epidemiologischen<br />

Standpunkt aus betrachtet<br />

notwendigen Ausmaß angenommen<br />

wird. Wie die Erfahrungen aus der eigenen<br />

Ordination zeigen, kann dies nicht<br />

durch eine impfkritische und ablehnende<br />

Haltung der Bevölkerung erklärt<br />

werden. Es lehnen nämlich nur ganz<br />

wenige Eltern diese Impfung ab. Bei<br />

entsprechender Aufklärung vor allem<br />

über die möglichen schlimmen Folgen<br />

bei Nichtdurchführung derselben kann<br />

man die Teilnahmefrequenz durchaus<br />

noch erhöhen.<br />

Seitens des Impfreferats appelliere ich<br />

an dieser Stelle noch einmal eindringlich<br />

an alle Beteiligten – ÄrztInnen für<br />

Allgemeinmedizin und FachärztInnen<br />

für Kinder- und Jugendheilkunde – die<br />

Impfempfehlungen des Bundesministeriums,<br />

die im alljährlich adaptierten<br />

Österreichischen Impfplan angeführt<br />

sind, zu befolgen. Es gilt mit zufriedenstellenden<br />

Durchimpfungsraten nicht<br />

nur den Individualschutz des einzelnen<br />

Menschen zu sichern, sondern auf<br />

lange Sicht gesehen durch Schaffung<br />

einer Herdenimmunität zu, Hebung der<br />

Volksgesundheit beizutragen. Vordringlich<br />

allerdings erscheint mir vor allem,<br />

unsere Kleinsten vor Schmerzen insgesamt<br />

aber im speziellen vor potentiell<br />

lebensbedrohlichen Erkrankungen zu<br />

schützen.<br />

VP MR Dr. Dietmar Baumgartner<br />

Referat für Schulärzte, Vorsorge,<br />

Impfwesen und Sportmedizin<br />

28<br />

CONSILIUM 11/13

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