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Ingenieure IV - Süddeutsche Zeitung

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Samstag/Sonntag, 12./13. Oktober 2013, Nr. 236 EINE BEILAGE DER SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG INGENIEURBERUFE V3/3<br />

Portal nach<br />

ganz oben<br />

Wirtschaft und Technik ist<br />

eine gefragte Kombination<br />

Punktgenau studieren?<br />

Experten raten eher<br />

zu einer breit angelegten<br />

Basis. FOTO: GETTY<br />

Florian Bankoley ist ein Pendler zwischen<br />

Old Economy und New Economy. Der Geschäftsführer<br />

der Bosch-Tochter Mobility<br />

Media hat das Autowerkstatt-Portal Drivelog<br />

entwickelt und kennt sich sowohl mit<br />

Kfz-Ersatzteilen als auch mit dem Internet<br />

aus. Der 33-Jährige hat eine schnelle Karriere<br />

hingelegt.<br />

Hightech-Produkte übten auf Florian<br />

Bankoley schon früh eine magische Anziehungskraft<br />

aus. Trotzdem studierte er zunächst<br />

BWL. „Als ich an der Uni aber Mitarbeiter<br />

von Bosch traf, war ich sofort Feuer<br />

und Flamme für deren Ideen“, erinnert<br />

sich Bankoley. Dass der Konzern Produktionsstätten<br />

rund um den Globus hat, fand<br />

er ebensospannend wie die Forschungsprojekte:<br />

„Bosch ist auf dem Weg ins digitale<br />

Industriezeitalter.“ Bankoley bewarb sich<br />

für ein Trainee-Programm in Stuttgart. Die<br />

Zusage kam schnell. Sein Lebenslauf passte:<br />

Studium, Master in European Management<br />

an der ESCP European School of Management<br />

in Berlin und Paris, Praktika bei<br />

einem internationalen Handelsunternehmen,einer<br />

Investmentbank und einer Beratungsgesellschaft.<br />

Bankoley startete 2005<br />

bei Bosch als Trainee im technischen Vertrieb.<br />

Schon ein halbes Jahr später entwickelte<br />

er neue Verkaufsstrategien für die<br />

Märkte in Mexiko und China. Katrin Mingels,<br />

Expertin für den Bereich Automotive<br />

beimStaufenbiel Institut in Köln, kennt solche<br />

beruflichen Blitzstarts: „Kandidaten,<br />

die in unterschiedlichen Bereichen zu Hause<br />

sind,haben in der Automobilbranche gute<br />

Chancen.“ Multitalente würden vor allem<br />

für die Vernetzung der Kommunikationstechnik<br />

in den Pkw und Lkw und für<br />

den Vertrieb im Internet gesucht: „Ein Betriebswirtschaftler<br />

mit Maschinenbauverständnisoder<br />

ein Ingenieurmit Informatikwissensind<br />

perfekte Kandidaten.“Zulieferbetriebe<br />

böten dabei oft schnellere Aufstiegsmöglichkeiten<br />

als die Autohersteller:<br />

„Viele kleinere, inhabergeführte Firmen locken<br />

Nachwuchsmanager mit sehr guten<br />

Aus- und Weiterbildungsprogrammen.“<br />

Der Generalist<br />

trifft immer<br />

Das beste Rezept für den erfolgreichen<br />

Karrierestart ist ein solides Grundlagenwissen.<br />

Danach kann der Weg ebenso in<br />

Praxis führen wie in die Forschung<br />

„Das Auto der Zukunft<br />

denkt selbständig.“<br />

So war es auch bei Florian Bankoley:<br />

Nach Zwischenstopps in Schweden und in<br />

der Zentrale in Stuttgart schickte ihndieGeschäftsleitung<br />

nach Berlin in eines der Zukunftslabors<br />

des Konzerns. Ein Ritterschlag<br />

für den jungen Mann. Seine Aufgabe:<br />

Ein Autofahrer-Portal aus der Taufe zu<br />

heben. Sechs Monate feilten er und sein<br />

Team an einem Konzept. 2012 startete Drivelog.de<br />

als Portal und App – und Bankoley<br />

als Geschäftsführer des Start-ups.<br />

Drivelog.de bietet Werkstattsuche und<br />

-bewertung, aktuelle ortsgebundene<br />

Tankstellen-Preisvergleiche und kostenlos<br />

viele Lösungen rund um das Fahrzeug<br />

und die Mobilität. Mit einem digitalen<br />

Serviceheft lassen sich beispielsweise<br />

Werkstatt-Termine, -Berichte und -Kosten<br />

einfach dokumentieren und übersichtlich<br />

archivieren. Es gibt eine Terminverwaltung<br />

und individuelle Erinnerungsfunktionen<br />

für Hauptuntersuchung, Inspektion<br />

und Reifen-Wechsel. Er hat eine<br />

Kooperation mit dem ADAC aufgebaut<br />

und denkt über die Zusammenarbeit mit<br />

Autoherstellern nach. Seine Vision: Über<br />

Schnittstellen im Wagen können Autofahrer<br />

blitzschnell Informationen über Ölstand<br />

oder Wartungstermine abfragen.<br />

Diese werden an Werkstätten weitergeleitet,<br />

um dort einen Termin zu bekommen.<br />

Bankoley: „Das Auto von morgen kommuniziert<br />

selbständig.“ JÜRGEN HOFFMANN<br />

VON CHRISTINE DEMMER<br />

In der Ferienzeit ist Hochsaison für Einbrecher.<br />

Abschreckend wirken einbruchhemmende<br />

Türen, und eine solche<br />

hat Maschinenbauer Alexander Gürkan<br />

für Garagen konstruiert. Dass er sich<br />

einmal mit Stahlverbindungen und Sicherheitsscharnieren<br />

beschäftigen würde, hatte<br />

der jüngste Entwicklungsingenieur<br />

beimHerstellerTeckentrup in Verl nicht geplant.<br />

Er war offen für alles in das Studium<br />

eingestiegen und hatte erst durch seine Diplomarbeit<br />

Spaß an der Gefahrenabwehr<br />

gefunden. „Maschinenbau ist ein technisch<br />

ziemlich allgemeinbildendes Fach“,<br />

sagt der 28-Jährige und beginnt, seine Unterrichtsfächer<br />

aufzuzählen : „Mathe, Physik,<br />

Werkstoffkunde, Programmierung“,<br />

fasst dann aber zusammen: „Man kriegt<br />

von vielem vieles mit. Das geht einmal<br />

quer durch die Technikpalette.“<br />

Kollege Philipp Lückerath stimmt zu:<br />

„Mit diesem Studium hat man die Chance,<br />

später in so ziemlich jeder Industrie zu arbeiten.<br />

“ Der 26-Jährige arbeitet bei Linde<br />

Engineering in Pullach beim München.<br />

Am Anfang seines Studiums wusste er<br />

noch nicht, welches Fachgebiet ihn am<br />

meisten interessiert, und war froh, sich<br />

noch nicht festlegen zu müssen. Später hatte<br />

er sich auf Verfahrenstechnik spezialisiert.<br />

Das kann er heute in der Forschung<br />

und Entwicklung gut gebrauchen. Als versierter<br />

Ingenieur versteht er die Sprache<br />

seiner Kollegen aus den Nachbarabteilungen<br />

des Konzerns. „Das ist hilfreich, um<br />

sich mit <strong>Ingenieure</strong>n aus anderen technischen<br />

Disziplinen zu verständigen. Mit denen<br />

habe ich viel zu tun, oft auch mit Kollegenim<br />

Ausland.“ Wenn es ein Projekt erfordert,<br />

reist Lückerath in der Weltgeschichte<br />

herum. Er hat sich bewusst für ein Großunternehmen<br />

entschieden, obwohl sich auch<br />

der Mittelstand um Maschinenbauingenieure<br />

wie ihn reißt. Absolventen dieses<br />

Fachs gelten als Allzweckwaffen im ständigen<br />

Kampf um Wettbewerbsvorteile.<br />

Alleskönner<br />

Maschinenbauer werden oft an Arbeitsplätze<br />

im Anlagenbau und in der Fertigungstechnik<br />

gerufen, in der Forschung<br />

und Entwicklung, in der Medizintechnik, in<br />

der Luft und Raumfahrt, im Fahrzeug- und<br />

Schiffsbau sowie im Materialwesen und<br />

Werkstoffkunde. Auch in grünen Industrien<br />

sind sie begehrt. Davon zeugen die<br />

oft noch jungen Studiengänge mit Schwerpunkt<br />

Umwelttechnik, deren Absolventen<br />

bei Energiekonzernen, in der Solarwirtschaft<br />

und bei Herstellern von Windkraftanlagen<br />

unterkommen. Und wer sich trotz<br />

der Energiewende zur Atomkraft hingezogen<br />

fühlt, kann dazu beitragen, Nukleartechnologie<br />

sicher zu machen – zum Beispiel<br />

im noch jungen Masterprogramm<br />

Nuclear Safety Engineering an der RWTH<br />

Aachen. CD<br />

„Das Maschinenbaustudium beinhaltet<br />

sehr viel Grundlagenwissen“, sagt Rainer<br />

Benien, Studienberater beim Verein Deutscher<br />

<strong>Ingenieure</strong> (VDI) in Düsseldorf. In<br />

den ersten Semestern stehen reichlich Mathematik,<br />

Physik und andere Naturwissenschaften<br />

auf dem Lehrplan. Das schreckt<br />

zwar manchen Schöngeist ab, ist aber mit<br />

einem Mathe-Leistungskurs und an allen<br />

Hochschulen angebotenen Vorschaltkursen<br />

und Tutorien zu schaffen. In den höheren<br />

Semestern verzweigt sich das Studium<br />

in Dutzende Spezialgebiete wie zum Beispiel<br />

Materialwirtschaft, Konstruktion,<br />

Entwicklung, Produktion- oder Verfahrenstechnik.<br />

„Es gibt Studiengänge, die<br />

von Anfang an auf einen bestimmten Technikzweig<br />

zugeschnitten sind, und es gibt<br />

Studiengänge, die sehr breit ausbilden“, erläutert<br />

Berufsberater Benien. „Das hängt<br />

von der Hochschule und vom jeweiligen<br />

Studiengang ab. Mit der Spezialisierung<br />

im Hauptstudium und einem anschließenden<br />

Masterstudium kann man sich dann<br />

an seinem Zielmarkt ausrichten.“<br />

Wer freilich anfangs noch gar keine Idee<br />

hat, wohin die Reise gehen soll, möge die<br />

Hochschulangebote sichten, rät VDI-<br />

Mann Benin. „Was macht mir Spaß, welche<br />

Hobbys habe ich, und in welchem Bereich<br />

kann ich mir vorstellen, später zu arbeiten“,<br />

schlägt er als hilfreiche Fragen für die<br />

Selbsteinschätzung vor. Mit den Antworten<br />

im Hinterkopf kann man dann auf den<br />

Webseiten von Universitäten und Hochschulen<br />

die Beschreibung der Unterrichtsmodule<br />

studieren und beides abgleichen.<br />

„Bei der Darstellung des Studienangebotes<br />

sind wir auf einem guten Weg“, versichert<br />

Ulrich Heublein vom Hochschul-Informations-System<br />

in Hannover (HIS).<br />

„Aber es ist bei weitem nicht so, dass sich<br />

die jungen Leute rechtzeitig solche Fragen<br />

stellen wie: Passt das zu mir, kann und will<br />

ich das ein Leben lang machen, welche Anforderungen<br />

kommen auf mich zu, und<br />

welche beruflichen Möglichkeiten habe<br />

ich dann?“ Viele Studierende hätten keine<br />

Vorstellung davon, was man in diesem Beruf<br />

macht, klagt der Wissenschaftler und<br />

glaubt den Grund dafür zu kennen: „Die<br />

Jungs bauen eben keine Seifenkisten mehr<br />

oder konstruieren Radios, sondern sitzen<br />

vor der Playstation oder dem PC.“<br />

In Deutschland fehlen 62 100<br />

<strong>Ingenieure</strong>, vor allem im<br />

Maschinen- und Fahrzeugbau<br />

Doch auch das kann für ein technisches<br />

Studium begeistern, Mädchen ebenso,<br />

wenngleich sie in diesen Fächern immer<br />

noch in der Minderzahl sind. Wenn das Verstehen<br />

technischer Zusammenhänge machen<br />

soll, sind der Standort und die Atmosphäre<br />

an der Hochschule nicht unwichtig.<br />

„Man muss sich dort wohlfühlen“, erklärt<br />

Studienberater Benien und empfiehlt, vor<br />

der Bewerbung mit der Fachschaft, mit<br />

Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeitern<br />

zu sprechen. „Die nehmen sich<br />

Zeit“, versichert er, außerdem gebe es überall<br />

hilfreiche Fachstudienberater.<br />

Die motivieren auch über die mitunter<br />

quälende Anlaufphase hinweg, in der nicht<br />

wenige Studienanfänger an der Theorie zu<br />

verzweifeln drohen. Um das Interesse an<br />

dasGeknatter, Geschepper und Surren weisungsgemäß<br />

laufender Maschinen wachzuhalten,<br />

drücken manche Unis schon Erstsemestern<br />

Platinen und Lötkolben in die<br />

Hand, lassen sie Motoren konstruieren<br />

und Computerprogramme schreiben. Volker<br />

Brennecke, Koordinator der Bildungspolitik<br />

im VDI, findet das richtig: „Angehende<br />

<strong>Ingenieure</strong> sind stark auf ihren künftigen<br />

Beruf ausgerichtet und weniger auf<br />

das Studium an sich. Also muss man die<br />

Studierenden dort abholen, wo sie sind –<br />

wenn man sie haben will.“ Und haben will<br />

die Wirtschaft jeden Techniker, dessen sie<br />

habhaft werden kann. Laut VDI fehlen in<br />

Deutschland 62 0100 <strong>Ingenieure</strong>, vor allem<br />

im Maschinen- und Fahrzeugbau.<br />

Freilich muss es nicht heißen: Einmal Ingenieur,<br />

immer Ingenieur. „Viele Vorstandsmitglieder<br />

in deutschen Unternehmen<br />

sind studierte <strong>Ingenieure</strong>“, sagt Studienexperte<br />

Benien. Ein solcher Weg lasse<br />

sich aber nicht auf dem Reißbrett planen.<br />

Er rät stattdessen: „Sucht erst einmal den<br />

Studiengang, der für euch passt und konzentriert<br />

euch auf die ersten Semester. In<br />

ein, zwei Jahren werdet ihr sehen, wohin<br />

sich eure Interessen entwickeln. Und setzt<br />

euch nicht von vornherein ein zu hohes<br />

Ziel. Geht lieber Schritt für Schritt voran.“<br />

EXPERTEN<br />

RICHTIG GUT FINDEN<br />

Deshalb finden wir für Experten die richtig guten Projekte oder Stellen.<br />

Und für Unternehmen die richtig guten Experten.<br />

hays.de/engineering


V3/4 INGENIEURBERUFE EINE BEILAGE DER SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG Samstag/Sonntag, 12./13. Oktober 2013, Nr. 236<br />

Revival<br />

der Rentner<br />

<strong>Ingenieure</strong>, die im auch Ruhestand arbeiten wollen, sind in<br />

einigen Firmen geschätzte Berater und Projektmanager<br />

VON JULIANE LUTZ<br />

Endlich nach Herzenslust Rad fahren,<br />

wandern und im Winter Ski fahren.<br />

So stellte sich Hans-Peter Rauschert<br />

seine Zeit als Rentner vor. Als der Ingenieur<br />

noch im Qualitätsmanagement bei der<br />

Robert Bosch GmbH arbeitete, hatte er oft<br />

zuwenig Zeit für seine Hobbys. Doch imRuhestand<br />

hielt er es nur ein halbes Jahr aus.<br />

„Es dauerte nicht lange, und ich dachte,<br />

das kann doch nicht schon alles gewesen<br />

sein“, sagt der 69-Jährige. Seitdem arbeitet<br />

er wieder 40 bis 50 Tage pro Jahr auf<br />

Projektbasis bei Bosch. Und ist glücklich.<br />

Zuletzt half er dabei, Erzeugnisse des global<br />

tätigen Konzerns weiter zu verbessern.<br />

„Am Anfang habe ich gedacht, was die anderen<br />

wohl denken, wenn da plötzlich ein<br />

Rentner kommt und sagt, was man optimieren<br />

könnte“, sagt Rauschert. Seine Befürchtungen<br />

waren unbegründet. Er wurde<br />

schnell akzeptiert. Ihm gefällt, dass die<br />

Jüngeren von seinen Erfahrungen profitieren<br />

und dass er im Gegenzug viel von ihnen<br />

lernt. Ursprünglich wollte er bis zu seinem<br />

70. Geburtstag weiterarbeiten. Jetzt<br />

kann er sich vorstellen, noch ein paar Jahre<br />

länger tätig zu sein.<br />

„Das ist anspruchsvolle<br />

Beratungsarbeit, keine<br />

Beschäftigungstherapie.“<br />

Rauschert ist einer von 1600 ehemaligen<br />

Mitarbeitern des Konzerns, die in der<br />

Tochterfirma Bosch Management Support<br />

(BMS) gelistet sind. Sie springen dort als<br />

Berater ein, wo gerade Rat und Tat im Konzern<br />

gefragt sind. Die jüngsten unter ihnen<br />

sind 63 und die ältesten 75 Jahre alt . Darunter<br />

sind viele <strong>Ingenieure</strong>. „Bei Bosch wurde<br />

schon immer die Erfahrung älterer Mitarbeiter<br />

geschätzt“, sagt Alfred Odendahl,<br />

ehemaliger Teilzeitgeschäftsführer bei<br />

BMS. Man habe beobachtet, dass viele Abteilungen<br />

gerne gute Mitarbeiter über das<br />

Rentenalter hinaus weiter beschäftigt hätten.<br />

Daraus entstand 1999 die Idee, einen<br />

Pool an Bosch-Mitarbeitern im Seniorenalter<br />

zu gründen und sie auf Projektbasis einzusetzen.<br />

Damals ein absolutes Novum.<br />

Oft wissen die Kollegen gar nicht, dass der<br />

Mann oder die Frau am Schreibtisch nebenan<br />

nur ausgeliehen ist. Zeitarbeiter halten<br />

sich oftmals bedeckt, fürchten um das<br />

Arbeitsklima – selbst in Branchen, in denen<br />

man Zeitarbeit gar nicht vermuten<br />

würde.<br />

Ralph Mikolaschek verleiht <strong>Ingenieure</strong>,<br />

und er scheut die Öffentlichkeit keineswegs.<br />

Der Geschäftsführer von Ce-Sys<br />

Engineering im thüringischen Ilmenau<br />

hält das Verleihen von <strong>Ingenieure</strong>n überhaupt<br />

nicht für verwerflich. Die Zeitarbeit<br />

in Deutschland, sagt er, habe zu Unrecht<br />

ein schlechtes Image. „Für viele Geringqualifizierte<br />

ist Leiharbeit einerseits die<br />

einzige Möglichkeit, überhaupt wieder einen<br />

Job zu bekommen“, betont Mikolaschek.<br />

Und für viele Unternehmen sei das<br />

Leihen von spezialisierten <strong>Ingenieure</strong>n die<br />

einfachste Möglichkeit, Projekte umzusetzen.<br />

Das Prinzip sei dabei immer das gleiche:<br />

Ein Kunde hat ein befristet laufendes<br />

Vorhaben, für das ihm unter seiner Belegschaft<br />

das Know-how fehlt – also leiht er<br />

sich für dieses Vorhaben Fachleute aus.<br />

Untypische Leiharbeiter<br />

Seit 2007 verleiht Ce-Sys auf mechanische<br />

Konstruktionen spezialisierte <strong>Ingenieure</strong>.<br />

Mikolascheks 65 Leihingenieure sind<br />

zwischen 25 und 40 Jahre alt und stammen<br />

aus allen Ecken Deutschlands. Viele kämen<br />

direkt nach dem Studium zu Ce-Sys,<br />

sagt der Chef. Bis zu 100 Bewerbungen gingen<br />

beim Unternehmen monatlich ein.<br />

Der Verleih von <strong>Ingenieure</strong>n und anderen<br />

Hochqualifizierten ist trotzdem noch<br />

immer die Ausnahme in Deutschland. Nur<br />

etwa zehn Prozent der Zeitarbeiter hierzulande<br />

hätten einen akademischen Abschluss,<br />

sagt Wolfram Linke, Sprecher des<br />

Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen.<br />

60 Prozent verfügten<br />

über einen Facharbeiterabschluss oder eine<br />

vergleichbare Qualifikation, 30 Prozent<br />

seien ungelernte Hilfskräfte.<br />

Leiharbeit wird seit Jahren vor allen von<br />

Gewerkschaften mit dafür verantwortlich<br />

gemacht wird, dass mehr Menschen in prekären<br />

Verhältnissen leben. Dies hat vor allem<br />

mit der sozialen Situation der ungelernten<br />

Zeitarbeiter zu tun. Sie arbeiten oft<br />

zu deutlich schlechteren Konditionen als<br />

Das Wissen der Älteren ist ein Potenzial, das lange verkannt wurde. Mittlerweile nutzen es einige Unternehmen für zeitlich begrenzte Projekte.<br />

<strong>Ingenieure</strong>, die einen Job auf Zeit machen, finden oft beim Kunden eine Festanstellung<br />

Die Idee hat sich bewährt. Jeder Gruppenleiter<br />

mit Führungsverantwortung bei<br />

Bosch kann sich bei Problemen an den<br />

BMS wenden. 2012 führten dessen „Silver<br />

Worker“ 1021 Beratungsaufträge durch,<br />

meist in der Fertigung, in der Entwicklung<br />

und im kaufmännischen Bereich. „Dabei<br />

handelt es sich nicht um Beschäftigungstherapie,<br />

sondern um Beratungsaufgaben<br />

mit hohem Anspruch“, stellt Odendahl<br />

klar. Die Vergütung entspricht dem Gehalt,<br />

das die „Silver Worker“ aus dem Hause<br />

Bosch für ihre frühere Tätigkeit erhielten.<br />

„Unsere Ruheständler stehen finanziell<br />

gut da und machen das nicht des Geldes<br />

wegen“, sagt Odendahl. Sie motiviere, dass<br />

sie helfen können, das Unternehmen weiter<br />

nach vorne bringen. Im Vergleich mit<br />

externen Beratern würden sie das jeweilige<br />

Problem oft schneller erkennen und rascher<br />

eine Lösung finden.<br />

Nie waren die Chancen für ältere <strong>Ingenieure</strong><br />

besser als jetzt. Nach Angaben des Vereins<br />

Deutscher <strong>Ingenieure</strong> waren im August<br />

62 100 Stellen unbesetzt. Vor allem in<br />

den Bereichen Maschinen-, Fahrzeug-,<br />

Elektro- und Energietechnik fehlen gute<br />

Leute. Dazu kommt, dass in vier bis zehn<br />

Jahren circa 100 000 <strong>Ingenieure</strong> in den Ruhestand<br />

gehen. Bedarf besteht vor allem in<br />

kleineren Unternehmen aus der Automobilzulieferindustrie,<br />

die abseits der Großstädte<br />

liegen. „Diese Firmen haben zum<br />

Teil große Schwierigkeiten, Stellen zu besetzen“,<br />

sagt Marc Tenbieg, Vorstand beim<br />

Deutschen Mittelstands-Bund. Jüngere <strong>Ingenieure</strong><br />

ziehe es nach wie vor zu Konzernen<br />

wie Audi, Porsche oder VW. „Bislang<br />

teilen aber mittelständische Firmen kaum<br />

mit, dass sie offen für Kandidaten im reiferen<br />

Alter sind“, erklärt Tenbieg. Auch fehle<br />

es an Plattformen, die Angebot und Nachfrage<br />

zusammenbringen.<br />

Einer, der diese Lücke bereits erfolgreich<br />

schließt, ist Steffen Haas. Über sein<br />

2009 gegründetes Portal ASE Automotiv<br />

Senior Experts vermittelt er hochqualifizierte<br />

Führungskräfte und Spezialisten im<br />

Ruhestand an Firmen aus der Automobilund<br />

Zulieferindustrie. 700 der 2100 bei<br />

ASE gelisteten <strong>Ingenieure</strong> sind ehemalige<br />

Maschinen- und Anlagenbauer, der Rest<br />

Führungskräfte aus der Automobilindustrie.<br />

Die 60- bis 74-jährigen Rentner springen<br />

ein, wenn im Management einer Firma<br />

kurzfristig kein geeigneter Kandidat<br />

zur Verfügung steht oder es an Know-how<br />

für ein wichtiges Projekt fehlt. Die Registrierung<br />

bei ASE ist kostenlos. Kommt ein<br />

Auftrag zustande, gehen etwa 20 Prozent<br />

des Tagessatzes an das Vermittlungsportal.<br />

Die ASE-Senior-Experten eint, dass sie<br />

erfolgreiche Karrieren bei Unternehmen<br />

aus der Automotive-Industrie gemacht haben.<br />

„Sie sind finanziell unabhängig und<br />

müssen diese Jobs nicht machen“, sagt<br />

auch ASE-Geschäftsführer Haas. Was sie<br />

antreibe, sei das Interesse an einem Thema<br />

und die Bereitschaft, zeitweise ein Projekt<br />

zu übernehmen. Das wirke sich sehr<br />

positiv auf die Arbeit aus. Haas’ Experten<br />

sind gefragt. Pro Monat klopfen bis zu 30<br />

Firmen an. Dann geht es meist schnell.<br />

„Wenn wir am Montag eine Anfrage erhalten,<br />

verschicken wir am nächsten Tag ausgewählte<br />

Online-Profile, am Mittwoch stellen<br />

sich die Experten vor und am Donnerstag<br />

beginnt oft schon die Arbeit“, sagt<br />

Haas. Der Job kann irgendwo auf der<br />

Schwäbischen Alb sein, aber auch in China.<br />

Konrad Wartenburg arbeitete 30 Jahre<br />

lang in der Automobilindustrie. Zuletzt<br />

baute der Verfahrenstechniker die deutsche<br />

Niederlassung einer italienischen Firma<br />

im Zulieferbereich auf. „Mir macht es<br />

die Stammbelegschaft. Erst 2012 ist dieses<br />

Problem durch Vereinbarungen zwischen<br />

den Tarifparteien für Teile der Zeitarbeitsbranche<br />

entschärft worden. Seitdem erhalten<br />

die Leiharbeiter zum Beispiel in der Metall-<br />

und Elektroindustrie nun Zuschläge.<br />

Mikolaschek sagt, seine Beschäftigten<br />

seien schon immer mindestens so gut bezahlt<br />

worden wie die vergleichbaren <strong>Ingenieure</strong><br />

der Kunden. „Etwas anderes ist auf<br />

diesem Qualifikationslevel gar nicht machbar“,<br />

sagt er. „Wenn wir unsere Mitarbeiter<br />

schlechter als die Stammbelegschaften<br />

bezahlen würden, wären sie sofort weg.“<br />

Schon so verließen die Leihingenieure im<br />

Durchschnitt nach nur 15 Monaten das Unternehmen<br />

– oft, um fest zu einem Kunden<br />

zu wechseln. So sei nun mal das Geschäft,<br />

sagt Mikolaschek. Nach Angaben von Wolfram<br />

Linke liegt die Übernahmequote von<br />

Zeitarbeitern mit Hochschulabschluss bei<br />

gut 80 Prozent. SEBASTIAN HAAK/DPA<br />

<strong>Ingenieure</strong> plagen nicht die Sorgen, die andere Leiharbeiter haben. FOTO: DAPD<br />

große Freude, zusammen mit anderen Veränderungen<br />

voranzubringen. Warum soll<br />

ich aufhören, nur weil ich das Rentenalter<br />

erreicht habe?“, sagt der 65-Jährige. Über<br />

ASE erhielt er das Angebot, die Werksleitung<br />

eines Zulieferbetriebs für BMW zu<br />

übernehmen. „Der Werksleiter ging, und<br />

es wurde jemand gebraucht, der einspringt,<br />

280 Mitarbeiter führt und Produktionsverbesserungen<br />

anstößt“, sagt Wartenburg.<br />

Er nahm an, blieb vier Monate,<br />

ging in der Arbeit auf und half der Firma<br />

„viel“ Geld zu sparen. Der große Vorteil der<br />

Silver Worker liege darin, dass bei den Jobs<br />

nicht mehr die Karriere im Vordergrund<br />

stehe, sondern die Sache. Auch lasse man<br />

Frauen in Deutschland zeigen nach wie vor<br />

eine geringe Neigung, Ingenieur- oder Naturwissenschaften<br />

zu studieren. Im internationalen<br />

Vergleich sind sie in akademisch<br />

geprägten MINT-Berufen (Mathematik,<br />

Informatik, Naturwissenschaft,<br />

Technik) deutlich unterrepräsentiert und<br />

nehmen auch seltener Führungsaufgaben<br />

wahr als Männer. Damit werden in den<br />

MINT-Fächern Fachkräftepotenziale aufgrund<br />

unterdurchschnittlicher Beteiligung<br />

von Frauen nicht ausgeschöpft.<br />

Zu diesem Ergebnis kommt der diesjährige<br />

Bericht „Bildung und Qualifikation als<br />

Grundlage der technologischen Leistungsfähigkeit<br />

Deutschlands“, den das HIS-Institut<br />

für Hochschulforschung (HIS-HF)<br />

und das Niedersächsische Institut für Wirtschaftsforschung<br />

(NIW) im Auftrag der Expertenkommission<br />

Forschung und Innovation<br />

(EFI) der Bundesregierung erarbeitet<br />

hat. Ein Schwerpunktkapitel analysiert die<br />

wichtigsten Indikatoren zur Bildungsund<br />

Erwerbsbeteiligung von Frauen in den<br />

Ingenieur- und Naturwissenschaften. Bereits<br />

in der Schulzeit wird demnach der<br />

Grundstein für das geringe Interesse von<br />

FOTO: PICTURE ALLIANCE/DPA<br />

sich von einem gewissen Alter an weder<br />

von überehrgeizigen Kollegen noch von<br />

cholerischen Chefs aus der Ruhe bringen.<br />

„Ich kann anderer Meinung sein, ohne<br />

rausgeworfen zu werden“, sagt er. Sollte<br />

das doch der Fall sein, sei es auch nicht weiter<br />

schlimm. Wartenburg tut einiges, um<br />

mithalten zu können. Er bildet sich ständig<br />

weiter, zuletzt in einem Crashkurs Betriebswirtschaft,<br />

und treibt viel Sport, um<br />

Arbeitstage bis zu 13 Stunden durchzustehen.<br />

„Das ist anstrengend, aber zugleich<br />

auch sehr bereichernd“, sagt Wartenburg,<br />

der gerade zeitweise die Werksleitung eines<br />

Automobilzulieferers in Ungarn übernommen<br />

hat. Von Alter keine Spur.<br />

Zu wenig Frauen<br />

In MINT-Fächern dominieren nach wie vor Männer<br />

Frauen an MINT-Fächern gelegt. Die Studienwahl<br />

spricht Bände: Jeder zweite männliche<br />

Studienanfänger entscheidet sich für<br />

einMINT-Fach; unter den Studienanfängerinnen<br />

wächst zwar das Interesse, dennoch<br />

beginnt nicht einmal jede Vierte ein<br />

MINT-Studium. Karrierechancen und die<br />

Vereinbarkeit von Beruf und Familie spielen<br />

dabei auch eine Rolle. Die Signale des<br />

Arbeitsmarkts sind laut Studie wenig ermutigend.<br />

Systematische Unterschiede in<br />

den Karrieremustern von Männern und<br />

Frauen führen in den MINT-Fächern zu einer<br />

kontinuierlichen Abnahme des Frauenanteils<br />

auf jeder höheren Karrierestufe.<br />

Insgesamt erhöhte sich der Anteil der<br />

Studienanfänger in den MINT-Fächern<br />

2011 auf 40 Prozent. Die Ingenieurwissenschaften<br />

waren 2011 die zweitgrößte Fächergruppe<br />

(116 000 Anfänger, insgesamt<br />

22,5 Prozent) hinter den Rechts-, Wirtschafts-<br />

und Sozialwissenschaften. Ein<br />

Problem sind aber die Studienabbruchsquoten.<br />

In Maschinenbau, Elektrotechnik<br />

und Bauingenieurwesen beendet jeder<br />

Zweite das Bachelorstudium ohne Abschluss.<br />

SZ<br />

Wer hat’s<br />

erfunden?<br />

Technik-Studium<br />

für Quereinsteiger<br />

Verlässlichkeit<br />

Die Landeshauptstadt München sucht<br />

für den Abfallwirtschaftsbetrieb München<br />

zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine/n<br />

Leiter/in des Sachgebiets Gebäudeservice<br />

Zuverlässigkeit und Berechenbarkeit sind Basis eines erfolgreichen Miteinanders.<br />

Wir sind daran interessiert, Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter und ihre Fähigkeiten<br />

langfristig an uns zu binden, weiterzuentwickeln und deren Gesundheit zu fördern.<br />

Der Abfallwirtschaftsbetrieb ist ein kommunaler Entsorgungsbetrieb mit ca. 1.400<br />

Beschäftigten und einem jährlichen Umsatz von rund 200 Mio. Euro. Die wichtigsten<br />

Ziele sind die kommunale Entsorgungswirtschaft zu stärken, eine ökologisch<br />

hochwertige Entsorgung zu gewährleisten und dabei die Wirtschaftlichkeit weiter<br />

zu verbessern. Verantwortungsbewusstsein, Einsatzbereitschaft und Verlässlichkeit<br />

kennzeichnen dabei die Tätigkeiten in der Abteilung Technischer Service.<br />

Weitere Details zu der ausgeschriebenen Stelle<br />

mit der Verfahrens-Nr. 13-1370-075 finden Sie<br />

unter www.muenchen.de/stellen<br />

Innovation<br />

Die Landeshauptstadt München sucht<br />

für das Referat für Bildung und Sport<br />

zum nächstmöglichen Zeitpunkt<br />

Sachbearbeiter/innen<br />

Immobilienverwaltung<br />

(Objektverantwortliche)<br />

Das Zentrale Immobilienmanagement (ZIM) des<br />

Referates für Bildung und Sport ist bei der Landeshauptstadt<br />

München die Immobilienverwaltung,<br />

wenn es sich um Schulen, Kindertageseinrichtungen,<br />

Schullandheime und Sportanlagen handelt.<br />

Die Abteilung ZIM ist dabei für die Planung,<br />

die Errichtung, den Unterhalt, die Wartung, die<br />

Bewirtschaftung und Vermarktung von derzeit<br />

etwa 1300 Immobilien auf rund 800 Grundstücken<br />

mit Anschaffungs- und Herstellungskosten<br />

von ca. 4,4 Mrd. Euro verantwortlich. Zu diesem<br />

Aufgabenbereich gehört die Wahrnehmung der<br />

umfassenden Objektverantwortung. Neben dem<br />

üblichen Erhaltungsaufwand der Anlagen sind<br />

Umbauten sowie Sonderprojekte, wie Sporthallensanierungen,<br />

Fachlehrsaalsanierungen usw.<br />

gemeinsam mit dem Technischen Dienstleister,<br />

dem Baureferat, zu initiieren und die notwendigen<br />

Verfahren innovativ abzuwickeln.<br />

Weitere Details finden<br />

Sie im Internet unter:<br />

www.muenchen.de/stellen<br />

Prädikat für vorbildliche<br />

Gleichstellungspolitik<br />

für Frauen und Männer<br />

Industrieunternehmen übertragen immer<br />

größere Teile ihres Entwicklungsbudgets<br />

an externe Dienstleister. Die Tendenz: Die<br />

Firmen holen sich nicht nur Verstärkung<br />

ins Haus, sondern vergeben ganze Entwicklungsprojekte<br />

nach außen. Davon profitieren<br />

in wachsenden Maße Technologieberatungen<br />

und Ingenieurdienstleister. Im<br />

Jahr 2012 steigerte die Branche ihren Inlandsumsatz<br />

um 14,8 Prozent im Vergleich<br />

zum Vorjahr. Nach Schätzungen des Marktforschungs-<br />

und Beratungsunternehmens<br />

Lünendonk, Kaufbeuren, wurden 2012 insgesamt<br />

Entwicklungsprojekte in Höhe von<br />

8,5 Milliarden Euro extern vergeben. Die<br />

geht aus der aktuellen Liste des Unternehmens<br />

„Führende Anbieter von Technologie-Beratung<br />

und Engineering Services in<br />

Deutschland“ hervor.<br />

Größter Auftraggeber ist demnach die<br />

Automobilindustrie mit einem Anteil von<br />

etwa 63 Prozent an den Gesamtumsätzen.<br />

Auf die Luft- und Raumfahrtindustrie entfallen<br />

17 Prozent, die übrigen Industriezweige<br />

machen jeweils deutlich weniger<br />

als zehn Prozent der Umsätze aus.<br />

Etwa die Hälfte des Marktvolumens erzielten<br />

Lünendonk zufolge allein die 25<br />

nach Inlandsumsatz in Deutschland führenden<br />

Technologie- und Ingenieurdienstleister.<br />

Sie verbuchten 2012 Aufträge im<br />

Wert von 4,6 Milliarden Euro im Vergleich<br />

zu 4,0 Milliarden Euro im Jahr zuvor. Branchenführer<br />

ist die Bertrandt AG, Ehningen,<br />

gefolgt von der IAV GmbH, Berlin. Auf dem<br />

dritten Platz liegt die Ferchau Engineering<br />

GmbH, Gummersbach.<br />

SZ<br />

Die Nachfrage nach Technikern und <strong>Ingenieure</strong>n<br />

reißt nicht ab – der Mangel an Fachkräfte<br />

in diesem Bereich wird sich im Gegenteil<br />

aufgrund der demografischen Entwicklung<br />

wohl weiter vergrößern. Daher<br />

richtet sich das Augenmerk von Bildungsanbietern<br />

auch an versierte Techniker<br />

Handwerker aus der Praxis. Auch ohne Abitur<br />

oder Fachhochschulreife können Berufstätige,<br />

die in einem technischen Umfeld<br />

arbeiten, eine Zulassung zum Technik-<br />

Studium bekommen. Die AKAD Bildungsgesellschaft<br />

mit Sitz in Stuttgart bietet<br />

Praktikern und Menschen in technischen<br />

Berufen an, sich berufsbegleitend mit den<br />

MINT-Zertifikatsstudiengängen Elektrotechnik,<br />

Maschinenbau, Mechatronik oder<br />

Wirtschaftsingenieurwesen auf die Eignungsprüfung<br />

für die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung<br />

oder zu einem<br />

technischen Studium vorzubereiten.<br />

Die vier MINT-Zertifikatsstudiengänge<br />

der AKAD sind von der Staatlichen Zentralstelle<br />

für Fernunterricht zugelassen. Interessenten<br />

müssen eine zweijährige Berufsausbildung<br />

oder drei Jahre Berufspraxis<br />

nachweisen können. Die 15-monatigen Studiengänge<br />

schließen mit einem Zertifikat<br />

ab. Die Inhalte entsprechen in Leistungspunkten<br />

60 bis 62 Credits auf dem Niveau<br />

eines Bachelorstudiums.<br />

Informationen zu den Zertifikatsstudiengängen<br />

oder zur Eignungsprüfung für eine<br />

Hochschulzugangsberechtigung erhalten<br />

Interessenten unter Telefon 0800-<br />

2255-888 (gebührenfrei) oder im Internet<br />

unter www.akad.de.<br />

SZ


Samstag/Sonntag, 12./13. Oktober 2013, Nr. 236 EINE BEILAGE DER SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG INGENIEURBERUFE V3/5<br />

In der rechtlichen Grauzone<br />

Neue Medien erleichtern die Arbeit, erzeugen aber auch neue Risiken. Mitarbeiter, die mit Smart Phone und Laptop zu Hause und unterwegs<br />

arbeiten, befinden sich in einer Sicherheitslücke, die von IT-<strong>Ingenieure</strong>n und Systementwicklern erst noch geschlossen werden muss<br />

VON CHRISTINE DEMMER<br />

Die meisten wissen, was man mit<br />

Computer und Internet machen<br />

kann. Aber was machen diese Techniken<br />

mit uns? Klaus Ruth, Soziologe am<br />

Institut für Technik und Bildung an der<br />

Universität Bremen, war lange in Japan<br />

und weiß, wie Menschen hier und dort zusammenarbeiten.<br />

„Die Arbeitskultur wird<br />

von vielen Dingen beeinflusst“, erklärt er,<br />

zum Beispiel von Traditionen, von gesellschaftlichen<br />

Ritualen, und von der Art und<br />

Weise, wie Unternehmen in einen Staat eingebettet<br />

sind. „Auch die Digitalisierung<br />

hat einen Einfluss darauf, wie Menschen<br />

im Job sein sollen und wie sie miteinander<br />

umgehen“, sagt der Wissenschaftler. „In<br />

Japan hat das Vordringen der Computer<br />

die traditionelle Arbeitskultur nicht beseitigt.<br />

Eher wurde das Internet von der Kultur<br />

aufgesogen.“ In Deutschland sei das anders.<br />

„Hier wird die hergebrachte Arbeitskultur<br />

durch das Internet herausgefordert“,<br />

sagt Ruth, „man kann sagen: Die Arbeit<br />

mit und über dem Netz verändert die<br />

Kultur der Zusammenarbeit.“<br />

Dreißig Jahre ist es her, dass Computer<br />

Geschäftsprozesse – zumindest teilweise<br />

– übernommen haben, vor zwanzig Jahren<br />

hielt das Internet Einzug ins Alltagsleben,<br />

und knapp zehn Jahre nach Erfindung des<br />

internetfähigen Mobiltelefons ist die Digitalisierung<br />

an sich ein alter Hut. Jedoch:<br />

„Mit der Verbreitung der Informationstechnik,<br />

dem Aufkommen der sozialen<br />

Netzwerke und nicht zuletzt durch drastische<br />

Preissenkungen beispielsweise bei<br />

der Speichertechnologie hat die Entwicklung<br />

in den vergangenen zwei, drei Jahren<br />

enorm angezogen“, konstatiert Michael<br />

Schulte, Deutschland-Chef der Unternehmensberatung<br />

Capgemini.<br />

„Intelligente Waschmaschinen, Autos<br />

mit Internetadresse, Smart Meter, die den<br />

Energieverbrauch zu Hause steuern, all<br />

das sind eingeführte Dinge. Sie führen zu<br />

einer völlig neuen Quantität und Qualität<br />

an Informationen.“ Die Unternehmen,<br />

sagt Schulte, grübelten verstärkt über<br />

neue Geschäftsmodelle, um aus dem Riesensteinbruch<br />

an verfügbaren Daten Gewinne<br />

zu schlagen. Dabei gebe es, wie bei<br />

jedem technologieinduziertem Sprung,<br />

Vorreiter und Nachzügler. „Nachdem die<br />

digitale Revolution in den verbrauchernahen<br />

Branchen Fuß gefasst hat, ist sie nun<br />

in klassischen Wirtschaftszweigen wie Maschinenbau<br />

und Energiewirtschaft angekommen“,<br />

erläutert Schulze, ein Maschinenbauingenieur.<br />

„Leider“, setzt er hinzu,<br />

wüssten viele Unternehmen die Potenziale<br />

der technologischen Entwicklung noch<br />

nicht ausreichend zu nutzen. Geschäftsmodelle<br />

gehörten laufend hinterfragt und weiterentwickelt.<br />

Nur wer bei der Digitalisierungmitgehen<br />

könne, werde zu den Gewinnern<br />

gehören. Die Rede ist von den Firmen<br />

wie von ihren Mitarbeitern.<br />

Doch den Unternehmen drohen Risiken.<br />

Wenn Mitarbeiter den Laptop im<br />

Wohnzimmer und das private Smart Phone<br />

für Arbeitszwecke nutzen, erfüllen sie<br />

damit zwar die Forderung der Arbeitgeber<br />

nach größtmöglicher Beweglichkeit.<br />

Gleichzeitig öffnen sich Sicherheitslücken:<br />

„In Studien haben wir gesehen, dass ein<br />

großer Teil der Digitalisierung unbemerkt<br />

durch die Unternehmen läuft“, erklärt<br />

Björn Niehaves, Professor an der Hertie<br />

School of Governance in Berlin. „Viele Menschen<br />

nutzen ihre privaten Geräte oft ohne<br />

ausdrückliche Erlaubnis des Unternehmens.<br />

Sie fragen geschäftliche E-Mails<br />

über ihre privaten Mobiltelefone ab oder legen<br />

Firmendaten in Internet-Speichern<br />

wie DropBox ab. Der Arbeitgeber weiß oft<br />

gar nicht, an welchen Stellen seine Daten<br />

Alte Hierarchien lösen sich im<br />

Internet nicht einfach auf,<br />

sie werden digital reproduziert<br />

Vorsicht, Lauschangriff:<br />

Wer im öffentlichen Raum<br />

mit vertraulichen Daten arbeitet,<br />

könnte gehackt werden.<br />

FOTO: IMAGO<br />

liegen und wer unter Umständen auf sie zugreifen<br />

kann.“ Die sogenannte Schatten-<br />

IT stelle die Firmen vor ein massives Sicherheitsproblem.<br />

Wie auch ihre Angestellten:<br />

„In vielen Firmen bewegen sich die<br />

Mitarbeiter in einer rechtlichen Grauzone“,<br />

sagt Niehaves, „der Leistungsdruck<br />

zwingt die Mitarbeiter dazu, neue Technologien<br />

zur ihrer eigenen Produktivitätssteigerung<br />

einzusetzen. Die rechtlichen Risiken<br />

schultern sie jedoch oft alleine.“<br />

Die Digitalisierung hat aber noch mehr<br />

im Gepäck, was Arbeitnehmern die Freude<br />

am ständigen Online-sein trüben könnte.<br />

„Geschwindigkeit, Volumen und das Spektrum<br />

der in den Unternehmen verfügbaren<br />

Daten steigen, ebenso die Analysefähigkeit<br />

der Unternehmen“, rekapituliert Rouven<br />

Fuchs, Senior Manager bei der Beratungsgesellschaft<br />

Accenture. „Das hat Auswirkungen<br />

auf die Arbeit im Tagesgeschäft<br />

und die Anforderungen an die Mitarbeiter.<br />

Die IT übernimmt zwar immer<br />

mehr Standardentscheidungen. Überall<br />

dort aber, wo Menschen gefragt sind, müssen<br />

sie beweglicher werden.“ Agiler im<br />

Kopf, meint er damit, schnell und fit genug,<br />

um die Taktvorgaben der IT mithalten<br />

zu können. Der Mensch, nicht die Technik<br />

ist künftig das Nadelöhr: „Wenn es ein<br />

Unternehmen nicht schafft, seine Prozesse,<br />

seine Organisationsstruktur und die Fähigkeiten<br />

und Rollen seiner Mitarbeiter im<br />

Einklang mit der IT weiterzuentwickeln,<br />

dann hat es am Ende nichts gewonnen.“<br />

So viel Sprengkraft möchte Jeanette<br />

Hofmann vom Wissenschaftszentrum Berlin<br />

(WZB) der Digitalisierung nicht zugestehen.<br />

„Der Einzug des Digitalen reproduziert<br />

alte Strukturen, bevor es neue<br />

schafft“, versichert die Politologin, die in<br />

der Enquete-Kommission des Bundestags<br />

„Internet und digitale Gesellschaft“ mitarbeitet.<br />

Alte Hierarchien löstensich im Internet<br />

nicht einfach auf, sondern lebten virtuell<br />

weiter. Beispielhaft beschreibt sie ein<br />

Phänomen, dass sie oft bei Behörden erlebt<br />

habe: „Dank ständiger Erreichbarkeit<br />

kann sich heute jeder Mitarbeiter per Mail<br />

oder Telefon direkt äußern – er darf es<br />

aber nicht.“ Woraus sie schließt: „Die alten<br />

Befehlsketten werden durch das Digitale<br />

reproduziert.“ Vielleicht auch die neuen<br />

Anforderungen an die Arbeitnehmer. Ein<br />

heller Kopf kam schon immer gut an.<br />

Gefragt weltweit:<br />

<strong>Ingenieure</strong><br />

<strong>Ingenieure</strong> sind die meistgesuchten Mitarbeiter,<br />

nicht nur in Deutschland oder<br />

Europa, sondern weltweit. Zu diesem Ergebnis<br />

kommt das Hamburger Online-<br />

Marktforschungsinstitut Harris International.<br />

Im Auftrag von Career Builder hat<br />

es 5000 Personalverantwortliche aus<br />

den zehn größten Industrienationen<br />

(Brasilien, China, Deutschland, Frankreich,<br />

Großbritannien, Indien, Italien, Japan,<br />

Russland, USA) gefragt, welche Stellen<br />

am dringendsten zu besetzen wären.<br />

Demnach führen in sieben der zehn befragten<br />

Länder <strong>Ingenieure</strong> das Ranking<br />

der meistgesuchten Fachkräfte an. Am<br />

zweithäufigsten genannt wurden IT-Manager/Netzwerkadministratoren<br />

sowie<br />

Softwareentwickler und Programmierer.<br />

Ebenfalls gute Jobchancen haben<br />

die sogenannten „Umsatztreiber“, das<br />

sind Marketing-Experten, Vertriebsund<br />

Kundenservice-Mitarbeiter. In<br />

Deutschland sind IT-Manager am meisten<br />

gefragt, gefolgt von <strong>Ingenieure</strong>n und<br />

Software-Entwicklern. Einzig in Indien<br />

liegen die <strong>Ingenieure</strong> auf Platz 4. Generell<br />

gilt: In allen befragten Industrieländern<br />

sind die meistgesuchten Mitarbeiter<br />

IT-Experten, <strong>Ingenieure</strong>, Software-<br />

Entwickler, Programmierer, Buchhalter<br />

und Vertriebsmitarbeiter.<br />

SZ<br />

Expedition in die<br />

Welt der Technik<br />

Die Arbeit von <strong>Ingenieure</strong>n kann Adrenalin<br />

ins Blut pumpen. Diese Welt will der<br />

Ingenieurdienstleister Ferchau mit seiner<br />

Veranstaltungsreihe „Ferchau Expedition<br />

– Entdecken Sie Ingenieurskönnen<br />

im Detail“ Berufsanfängern und Absolventen<br />

nahebringen. Am 8. November<br />

geht es zu Mercedes-AMG nach Affalterbach.<br />

Dort können die Teilnehmer im<br />

Cockpit dem Klang der Maschine lauschen.<br />

Wie der Besucher Piste und Gefährt<br />

im Detail beherrscht, erklärt ein<br />

der Formel-1-Star David Coulthard: Bei<br />

einem gemeinsamen Nachmittag könnendie<br />

Teilnehmer mitihm überden Einsatz<br />

effizienter Technik reden und ihn befragen.<br />

Pro Tour sind nur 40 Teilnehmer<br />

zugelassen. Eine frühzeitige Anmeldung<br />

ist notwendig unter: ferchau.de/go/expedition.<br />

Weitere Touren führen 2014 zu<br />

Porsche (28. März in Leipzig), Opel<br />

(17. Mai bei Offenbach), in die BMW Welt<br />

(23. Mai in München), zu Volkswagen<br />

(6. Juni in Wolfsburg) undin die Zeppelin-<br />

Reederei (5. Juli in Friedrichshafen). SZ<br />

„Die Beziehungsebene entscheidet“<br />

Die Businesstrainerin Annette Kessler führt <strong>Ingenieure</strong> in die Kunst der Smalltalks ein<br />

Annette Kessler von der ssi Akademie Bodensee<br />

ist seit vielen Jahren als Trainerin<br />

in deutschen Unternehmen tätig. Irgendwann<br />

merkte sie, wie sympathisch <strong>Ingenieure</strong><br />

sein können, wenn man sie erst einmal<br />

zum Reden bringt und welches Potenzial<br />

da für die Unternehmen schlummert.<br />

Ihr Smalltalk-Training soll einsilbige <strong>Ingenieure</strong><br />

zum Reden bringen.<br />

„Es gibt ehemalige<br />

Teilnehmer, die sagen,<br />

ich hätte ihr Leben<br />

verändert.“ Die<br />

Business-Trainerin<br />

Annette Kessler bringt<br />

einsilbigen <strong>Ingenieure</strong>n<br />

die Kunst des<br />

zwanglosen Smalltalks<br />

bei. FOTO: OH<br />

SZ: Frau Kessler, warum tun sich Techniker<br />

und <strong>Ingenieure</strong> mehrheitlich schwerer,<br />

mit Fremden ein lockeres Gespräch<br />

anzuknüpfen als Vertriebsmenschen?<br />

Annette Kessler: Ich denke, das liegt einfach<br />

an ihrer Persönlichkeitsstruktur. Die<br />

meisten <strong>Ingenieure</strong> befinden sich im Bereich<br />

der Sachorientierung. Mit ihnen<br />

kann man wunderbar über Sachthemen reden,<br />

in denen sie sich zu Hause fühlen. Die<br />

suchen sich einen Job, in dem sie so sein<br />

können, wie sie sind. Es gäbe nichts<br />

Schlimmeres, als solch einen Menschen in<br />

den Vertrieb zu stecken.<br />

Aber genau das passiert doch gerade<br />

überall. <strong>Ingenieure</strong> sollen nicht nur fachlich<br />

spitze sein, sondern auch polyglott,<br />

reisefreudig, in verschiedenen Kulturen<br />

zu Hause und überdies verhandlungssicher<br />

den Vertrieb unterstützen. Was ist<br />

die Ursache, dass sich das Anforderungsprofil<br />

für Fachkräfte so erweitert hat?<br />

Größter Faktor ist die Globalisierung. Firmen<br />

haben Kunden in aller Welt, mit denen<br />

kommuniziert wird. Und auch der Ingenieur<br />

muss kommunizieren, er braucht<br />

Komponenten aus vielen Ländern. Selbst<br />

firmenintern muss er kommunizieren –<br />

mit sehr verschiedenen Typen und Kulturen.<br />

Zum anderen ist da der Kostendruck!<br />

Den Tüftler in der Ecke gibt es nicht mehr.<br />

Auf einer Skala von 1 bis 10: Wo stehen<br />

die <strong>Ingenieure</strong>, und wer führt als echte<br />

Plaudertaschen das Ranking an?<br />

Ich finde, man kann nicht alle <strong>Ingenieure</strong><br />

über einen Kamm scheren, gerade die jungen<br />

<strong>Ingenieure</strong> sind anders. Das Bewusstsein,<br />

sich öffnen zu müssen, ist bei allen da<br />

– schon an der Uni. Das spiegelt sich auch<br />

in unserer Hochschulwelt wider, in den<br />

Kombistudiengängen etwa zwischen Technik<br />

und BWL zeigt sich schon, dass die Anforderungen<br />

breit gefächert sind. Da<br />

wächst eine ganz andere Generation nach.<br />

Das ist anders als die <strong>Ingenieure</strong> 50 plus.<br />

Dann geht Ihnen bald die Arbeit aus?<br />

Nein, nein, so ist es nicht. Es gibt immer<br />

ein Stückchen Disposition. Und trotz<br />

Schulungen sind manche eher mehr geeignet<br />

für den Bereich Forschung und Entwicklung.<br />

Das ist auch gut so: Es sollte natürlich<br />

nach wie vor Fachleute geben, die<br />

dafür sorgen, dass etwa Gebäude nicht einstürzen.<br />

Gibt es den geborenen Kommunikator?<br />

Ich habe auch schon erlebt, dass man sich<br />

dazu entwickeln kann.<br />

Wie erkennen Sie das?<br />

Man muss die Leute kommen lassen, indem<br />

man die richtigen Fragen stellt. Da<br />

kann man echte Überraschungen erleben,<br />

wie witzig und unterhaltsam sonst eher<br />

stille Menschen sein können.<br />

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein<br />

Training zu entwickeln, das introvertierten<br />

Menschen die Zunge lösen soll?<br />

Generell bin ich ja schon seit einigen Jahren<br />

als Trainerin mit dem Thema Social<br />

Skills in der Wirtschaft tätig. Und ich habe<br />

festgestellt: Wie diese Menschen kommunizieren,<br />

ist teilweise sehr umständlich.<br />

Zum Beispiel?<br />

Na ja, etwa in der Kaffeepause: Die normalen<br />

Kommunikatoren unterhalten sich<br />

über ihre letzte Urlaubsreise, die <strong>Ingenieure</strong><br />

stehen in einer Ecke und reden über ein<br />

technisches Problem bis ins letzte Detail.<br />

An die kommt kein anderer ran. Oder in<br />

der Firma, wenn sie ein Produkt vorstellen:<br />

Die fallen gleich mit der Tür ins Haus,<br />

anstatt erst ein wenig warm zu werden mit<br />

den Leuten. In China ist das zum Beispiel<br />

ganz wichtig, da muss man sich erst mal tagelang<br />

„sozial lausen“, wie ich das nenne.<br />

Da geht man voll über die Beziehungsebene:<br />

Man macht dort nur Geschäfte mit Leuten,<br />

die man kennt und die einem sympathisch<br />

sind. <strong>Ingenieure</strong> stehen sich da oft<br />

mal selbst ein bisschen im Wege. Man<br />

muss menschlich weiterkommen.<br />

Was genau passiert bei Ihren Trainings?<br />

Das Wichtigste ist erst mal, dass die Leute<br />

da sind. Wir rücken den Scheinwerfer auf<br />

die Beziehungsebene, erklären, warum ist<br />

das überhaupt wichtig. Dann erlernen die<br />

Teilnehmer, wie sie sich auf der Beziehungsebene<br />

austauschen, dosiert etwas<br />

von sich preisgeben können.<br />

„Nicht alle Frauen reden gern,<br />

das ist ein Klischee. Es gibt<br />

auch sachorientierte Frauen.“<br />

Lernt man da ein Drehbuch auswendig?<br />

Nein, über allem steht für mich die persönliche<br />

Authentizität. Wir versuchen für jeden<br />

individuell einen kleinen Einstiegssatz<br />

zu üben, die kriegen dann ihr Feedback<br />

von den anderen Teilnehmern. Es<br />

geht darum, eine Seite in ihnen zu wecken,<br />

die ja sowieso da ist. Die Individualität ist<br />

dabei ganz wichtig, ich zeige eine Seite von<br />

mir, die ich sonst nur privat zeige. Der Sinn<br />

der Sache wird eingesehen.<br />

Kommen die Teilnehmer freiwillig?<br />

Manchmal wird es von oben angeordnet,<br />

aber einige kommen auch von selbst, die<br />

merken, das könnte noch besser werden.<br />

Ist das Schweigen der <strong>Ingenieure</strong> eigentlich<br />

geschlechtsspezifisch?<br />

Man hat gern dieses Klischee von den redseligen<br />

Frauen. Doch auch bei den Frauen<br />

gibt es eine Sachorientierung, das ist nicht<br />

geschlechtsspezifisch. Und da die Menschen<br />

so unterschiedlich sind, ist die Sachorientierung<br />

nicht auf eine Branche beschränkt:<br />

Unter meinen Kunden sind Leute<br />

aus Banken, der Consulting-Branche<br />

oder auch aus der Pharmaindustrie.<br />

INTERVIEW: INGRID BRUNNER<br />

Chinesen kaufen nur von Menschen, die sie kennen und die ihnen sympathisch sind.<br />

Da hilft nur: reden, reden, reden.<br />

FOTO: PA-DPA<br />

Ingenieurberufe<br />

Verantwortlich: Werner Schmidt<br />

Redaktion: Ingrid Brunner<br />

Anzeigen: Jürgen Maukner

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