x - Kehrwieder am Sonntag
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KEHRWIEDER <strong>am</strong> <strong>Sonntag</strong> · 21. Juli 2013 · Seite 3<br />
Seit 35 Jahren gibt es den legendären TNS 2000 – sein Nachfolger erobert nun Küchen in aller Welt<br />
Auch in Japan ist der<br />
Hobel aus Holle beliebt<br />
Von Lothar Veit<br />
Holle. Manche Kunden haben abgründige<br />
Wünsche. Ein Mann schrieb<br />
einmal an Kerstin Ihlow, seine Frau<br />
habe sich mit ihrem Gemüsehobel<br />
heftig geschnitten. Er möchte nun<br />
noch so ein Gerät bestellen: „Das Erlebnis<br />
gönne ich meiner Schwiegermutter<br />
auch.“ Die Rede ist vom patentierten<br />
Gemüsehobel TNS 3000,<br />
den das Unternehmen Ihlow Stanzund<br />
Kunststofftechnik herstellt und<br />
vertreibt – inzwischen weltweit.<br />
„Wir haben uns auch alle schon<br />
mal geschnitten“, gibt Ihlow zu. Bei<br />
der Produktion passiert das schnell<br />
mal – im täglichen Gebrauch allerdings<br />
eher bei unsachgemäßer Behandlung.<br />
Um nur das Gemüse und<br />
nicht sich selbst zu schneiden, soll<br />
man schließlich die Zitronenpresse<br />
mit Restehalter verwenden. So erklärt<br />
es der freundliche Herr Zehentmaier<br />
in dem Lehrvideo auf der Internetseite<br />
www.gemuesehobel.de.<br />
Und so führen es auch die zahlreichen<br />
Verkäufer auf Fachmessen oder<br />
Shopping-Kanälen im TV vor. Denn:<br />
Den Gemüsehobel gibt es nicht im<br />
normalen Handel zu kaufen.<br />
Vor 35 Jahren entwickelten Kerstin<br />
Ihlows Vater Rolf Ihlow und ihr<br />
Onkel Toni Niehues den Vorgänger<br />
des TNS 3000, den legendären TNS<br />
2000. 1978 gab es noch kein Internet<br />
und kein Teleshopping, deshalb<br />
bek<strong>am</strong> man das Küchengerät nur auf<br />
Messen wie der Infa in Hannover.<br />
Und doch erlangte der Hobel schnell<br />
einen hohen Bekanntheitsgrad. In<br />
vielen Haushalten ist der Klassiker<br />
in Orange zu finden. Und zwar schon<br />
seit 20, 30 Jahren. „Ja, leider“, sagt<br />
Kerstin Ihlow halb scherzhaft, halb<br />
ernst. Natürlich sei es ein Zeichen<br />
für Qualität, wenn viele Kunden<br />
nach 20 Jahren höchstens mal eine<br />
neue Klinge bestellen. „Aber ich finde,<br />
alle fünf Jahre könnte man sich<br />
ruhig ein neues Gerät kaufen.“ Es ist<br />
die Kehrseite des Gütesiegels „Made<br />
in Germany“, das ein Käufer in einer<br />
Kundenrezension im Internet so zus<strong>am</strong>menfasst:<br />
„Lieber etwas mehr<br />
Geld ausgeben und dann wirklich<br />
ein Produkt fürs Leben haben.“<br />
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So bekannt der Hobel ist, so wenig<br />
weiß man über seine Herkunft. Produziert<br />
wird er in einem schmucklosen<br />
Zweckbau in der Dresdener Straße<br />
in Holle. Im hinteren Gebäudeteil<br />
stehen die Maschinen, mit denen im<br />
Spritzgussverfahren die Kunststoffteile<br />
gefertigt werden. Im Raum nebenan<br />
werden die Einzelteile zus<strong>am</strong>mengefügt.<br />
Die Klingen werden aus<br />
Solingen geliefert. „Wir sind fast ein<br />
reiner Frauenbetrieb“, sagt Kerstin<br />
Ihlow. Fünf feste Mitarbeiterinnen<br />
und 15 Aushilfen hat die Firma. Momentan<br />
ist Urlaubszeit – aber dennoch<br />
müssen Großaufträge aus den<br />
USA und Japan abgearbeitet werden.<br />
Dann geht auch Seniorchefin Edith<br />
Ihlow wieder in die Produktion. Oder<br />
Margret Petzold, die 25 Jahre Hobel<br />
gebaut hat und nun eigentlich ihre<br />
Rente genießen könnte. Doch die<br />
Frauen sind trotz der vergleichsweise<br />
monotonen Arbeit gut gelaunt. „Wir<br />
sind hier sehr flexibel“, sagt Kerstin<br />
Ihlow. „Alle Mitarbeiterinnen wohnen<br />
in Holle und sind immer abrufbar,<br />
wenn ein Auftrag ansteht.“ Zur<br />
Not auch <strong>am</strong> Wochenende. Cirka<br />
150.000 Gemüsehobel verkauft das<br />
Unternehmen pro Jahr.<br />
Rolf Ihlow hatte 1972, seinerzeit<br />
noch in der Einumer Straße in<br />
Hildesheim, einen Fertigungsbetrieb<br />
für Haushaltsgeräte aufgebaut. Mit<br />
dem Gemüsehobel k<strong>am</strong> der Durchbruch<br />
und der Platz im Hildesheimer<br />
Domizil wurde zu eng. 1982 zog das<br />
Unternehmen nach Holle um und<br />
Neu und alt: Kerstin Ihlow zeigt den TNS 2000 (r.) und den behuts<strong>am</strong> modernisierten TNS 3000.<br />
In dieser Maschine wird das Hauptelement des Kunsttoffhobels im Spritzgussverfahren<br />
hergestellt – in jeder gewünschten Farbe.<br />
Wenn Großaufträge anstehen, hilft auch die 73-jährige Seniorchefin Edith<br />
Ihlow (rechts) mit. „Die Arbeit macht immer noch Spaß“, sagt sie.<br />
widmete sich nur noch seinem Erfolgsprodukt.<br />
Kerstin Ihlow arbeitet<br />
seit 1989 in der Firma mit. Als fünf<br />
Jahre später ihr Vater starb, stand die<br />
Frage im Raum, ob dies auch das Aus<br />
für die Firma bedeutete. Doch die<br />
gelernte Bürokauffrau Kerstin Ihlow<br />
entschied sich, den Laden weiterzuführen.<br />
Als dann immer öfter Kunden<br />
nachfragten, ob es nicht mal ein<br />
neues Modell gebe, ließ sie in dreijähriger<br />
Arbeit den TNS 3000 entwickeln,<br />
der 2007 auf den Markt k<strong>am</strong>.<br />
Das war auch deshalb ein wichtiger<br />
Schritt, weil das Patent für den alten<br />
Hobel nach 20 Jahren ausgelaufen<br />
war. Der neue ist nun wieder gegen<br />
Plagiate geschützt.<br />
Mittlerweile haben sich auch die<br />
Vertriebswege verändert. Der eigene<br />
Internetshop und Plattformen wie<br />
Amazon oder Ebay sind für Ihlow unverzichtbar<br />
geworden. Und fast noch<br />
wichtiger sind Shopping-Fernsehsender<br />
wie QVC und HSE, denen allerdings<br />
der Ruf des leicht Unseriösen<br />
anhaftet. „Ich habe im Bekanntenkreis<br />
herumgefragt“, sagt Ihlow,<br />
„niemand guckt das, alle finden das<br />
doof. Aber die Absatzzahlen sagen<br />
etwas anderes.“ Wenn der Hobel zu<br />
den Tagesangeboten gehört, wird er<br />
dort mehrmals <strong>am</strong> Tag angepriesen.<br />
Und dann wird er bis zu 15.000 Mal<br />
bestellt. „Das schaffe ich auf keiner<br />
Messe“, sagt die Geschäftsführerin.<br />
Das nächste Absatzgebiet ist angepeilt: Im Juni informierte sich eine Delegation<br />
aus der Ukraine in Holle über den Gemüsehobel. Foto: privat<br />
Fotos (6): Veit<br />
Der Brite liebt dicke Pommes: Extrabreite<br />
Messer gibt‘s nur für die Insel.<br />
In Holle wird alles kontrolliert – auch<br />
die Lieferungen nach Japan.<br />
Ist das Kunst oder kann das weg? Im<br />
Ofen überlebt das Gerät nicht.<br />
Über die Fernsehkanäle, die auch in<br />
anderen Ländern senden, hätten sich<br />
zudem zusätzliche Märkte aufgetan.<br />
QVC ist ein <strong>am</strong>erikanischer TV-Kanal,<br />
auch dort wird der TNS 3000 beworben.<br />
Und über die internationale<br />
Messe „Ambiente“ in Frankfurt habe<br />
sich der Kontakt nach Japan ergeben,<br />
dort gibt es ebenfalls einen Verkaufssender.<br />
Leider hat Ihlow noch nie gehört,<br />
wie ihre Hobel-Werbung auf<br />
japanisch klingt. Mitte Juni war eine<br />
ukrainische Delegation in Holle und<br />
hat sich von der Produktionsqualität<br />
überzeugt. Auch hier könnten sich<br />
demnächst neue Absatzgebiete erschließen.<br />
Mit 29 Euro ist der TNS<br />
3000 nicht unbedingt ein Billigprodukt<br />
(der TNS 2000 mit etwas weniger<br />
Funktionen wird weiterhin für<br />
19,90 Euro verkauft), deshalb hört<br />
sie öfter mal von Großhändlern, sie<br />
solle doch billiger im Ausland produzieren.<br />
Doch das kommt für die<br />
Chefin nicht in Frage.<br />
Keine Produktion im Ausland<br />
Und so bekommen alle Länder das<br />
gleiche Produkt „Made in Germany“.<br />
Alle Länder? Nicht ganz: Für England<br />
gibt es eine Sonderanfertigung. Hier<br />
stehen die Klingen auf der Messerachse<br />
weiter auseinander als beim<br />
normalen Modell. Der Engländer ist<br />
breitere Pommes gewöhnt. Das wird<br />
man ihm von Holle aus nur schwerlich<br />
austreiben können.<br />
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