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ennpunkt<br />
1/<strong>2014</strong> 4,00 Euro 30. Jahrgang Magazin für Fotografie<br />
Januar bis März <strong>2014</strong><br />
Galerien • Buchbesprechungen • Fotoszene<br />
Portfolio Christian Werner • Pavel Sticha
FÜR ORIGINALE<br />
2 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
„Ich fotografiere für den Fine Art Druck. Erst die Kombination von hochwertigen traditionellen<br />
Büttenpapieren und modernster Drucktechnik bringt die sinnliche Qualität meiner Bilder optimal<br />
zur Geltung.“ Manfred Kriegelstein Die Digital FineArt Collection bietet exklusive Künstlerpapiere<br />
mit edler Haptik und bestechender Optik für den Inkjetdruck. Brillante Schwarz-Weiß-Aufnahmen<br />
oder subtile Farbfotografie werden dank unserer feinen Papiere der Individualität Ihrer Kunstwerke<br />
mehr als gerecht. Mehr Papierkunst unter www.hahnemuehle.de<br />
P A P I E R E M I T M U S E U M S Q U A L I T Ä T, A L T E R U N G S B E S T Ä N D I G U N D M E H R F A C H P R Ä M I E R T .
Impressum:<br />
<strong>brennpunkt</strong><br />
Magazin für Fotografie<br />
Erscheint vierteljährlich,<br />
erhältlich in Fotogalerien,<br />
Geschäften, Buchhandlungen<br />
und über Abonnement.<br />
Jahresabo 13,50 Euro<br />
Einzelpreis 4,00 Euro<br />
Konten:<br />
Postbank Berlin<br />
Konto-Nr. 375 106 104<br />
BLZ 100 100 10<br />
Redaktionsschluss:<br />
jeweils am 10. vor dem Erscheinungsmonat<br />
Herausgeber:<br />
<strong>edition</strong> <strong>buehrer</strong><br />
c/o Dietmar Bührer<br />
Odenwaldstraße 26<br />
12161 Berlin<br />
Telefon u. Telefax: (0 30) 8 53 35 27<br />
e-Mail: <strong>buehrer</strong>-berlin@t-online.de<br />
Internet: www.<strong>edition</strong>-dibue.de<br />
Copyright bei Edition<br />
Druck:<br />
schöne drucksachen<br />
Bessemerstraße 76a, 12103 Berlin<br />
Redaktion:<br />
Dietmar Bührer V.i.S.d.P.<br />
Michael Gebur<br />
Elke Tesch<br />
Klaus Rabien<br />
Manfred Kriegelstein<br />
Udo Rzadkowski<br />
Hinweis:<br />
Für unverlangt eingesandte<br />
Manuskripte und Fotografien<br />
wird keine Haftung übernommen.<br />
Galerien<br />
»GIGANTEN DES JAZZ« , (Jacobi, Lebeck, Kemlein, Kalischer, Rau, Bunge) ........ 5<br />
»HINTER GLAS« ............................................................................................... 6<br />
Robert Herrmann »MONOTONY« ..................................................................... 8<br />
Volker Wartmann »Verschlusssache« ................................................................. 9<br />
Helmut Newton »Paris-Berlin«. Greg Gorman »Men« ......................................... 10<br />
ALFRED EHRHARDT »DAS WATT« ................................................................... 12<br />
Göran Gnaudschuhn »Alexanderplatz« ............................................................. 14<br />
»lens-based sculpture« ...................................................................................... 15<br />
Fotofreunde Zehlendorf »HIGHLIGHTS« ............................................................ 16<br />
Delphine Burtin »ENCOUBLE« .......................................................................... 17<br />
Christian Tagliavini »Carte & 1503« ..................................................................... 18<br />
MENSCH-RAUM-AURA .................................................................................... 19<br />
ICH & DU – Selbstporträts und Porträts .............................................................. 20<br />
Fotowettbewerb »My Secret Life« ....................................................................... 22<br />
Kathrin Karras »Schattenrisse« ............................................................................. 23<br />
Philipp Keel »Splash« .......................................................................................... 24<br />
»Sommer-Akt-Fotoshooting« – »Tabu« – »Look, I´m naked« ............................... 26<br />
Uwe Glanz »Stadtbilder von 1989 bis 2012« ....................................................... 27<br />
IDENTITY LOST, Fotokunstgruppe VINGESUS ................................................... 28<br />
Fred Stein »Im Augenblick« ................................................................................. 30<br />
Léa Habourdin »Cahier de Doléances« – »Book of Possibilities« ......................... 31<br />
Francis Ducreau »Stadt der Menschen - Menschen der Stadt« ............................ 32<br />
»AusZeiten&Räumen« ........................................................................................ 34<br />
Franziska Rutishauser »Fotografische Installationen« ........................................... 36<br />
Ausstellungen in Berlin ............................................................................................ 37<br />
Galeriebesprechungen<br />
Kulinarisches (Klaus Rabien) .............................................................................. 38<br />
Ausstellungen<br />
Andreas Adam »Die Sonne scheint ...« ................................................................ 46<br />
JEFF WALL IN MÜNCHEN .................................................................................. 47<br />
Portfolio<br />
Christian Werner »Charcoal Children« ................................................................ 52<br />
Pavel Sticha »Osterinsel« .................................................................................... 60<br />
Fotoszene<br />
DGPh - Veranstaltung / Gudrum Angelika Hoffmann, »Nackte Verfremdungen« . 43<br />
Fotokunst verkaufen mit Luxad ........................................................................... 44<br />
Europäischer Monat der Fotografie <strong>2014</strong> ............................................................. 45<br />
Ein Gespräch mit Klaus Honnef (Pepper) ............................................................. 48<br />
Fotoclub Roth ..................................................................................................... 70<br />
Plädoyer für ein festes Juryteam (Manfred Kriegelstein) ....................................... 80<br />
Le Rêve (Der Traum), Paris 1934<br />
© Estate of Fred Stein<br />
Buchbesprechungen<br />
Bernhard Edmaier »EarthArt« ............................................................................. 42<br />
Photoshop für Digitalfotografen ......................................................................... 81<br />
Faszinierende Photoshop-Welten ....................................................................... 81<br />
LUMIX GX7 ........................................................................................................ 81<br />
Vorschau 2-<strong>2014</strong> ...................................................................................................... 82<br />
In dieser Ausgabe liegt eine Beilage von »Lettre International« bei.<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
3
Galerien<br />
GIGANTEN DES JAZZ<br />
Fotografien von<br />
Max Jacoby<br />
Robert Lebeck<br />
Eva Kemlein<br />
Clemens Kalischer<br />
Uwe Rau<br />
Norbert Bunge<br />
© Norbert Bunge, »Ella Fitzgerald«, 1968<br />
© Robert Lebeck, »Eartha Kitt«, 1965<br />
© Eva Kemlein, »Lous Amstrong«, 1965<br />
© Clemens Kalischer, »Max Roach mit Schüler«, 1956<br />
18. Januar bis 1. März <strong>2014</strong><br />
© Max Jacoby, »Miles Davis«, Berlin, 1965<br />
Galerie argus fotokunst<br />
Marienstraße 26<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
Mi – Sa<br />
14 – 18 Uhr<br />
Vernissage<br />
17. Januar <strong>2014</strong>, 19-21 Uhr<br />
mit Oli Bott (Vibraphon)<br />
und Rolf Römer (sax)<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
5
Galerien<br />
Jeremie Aubouin<br />
Anna Arendt<br />
Dorothée Baumann<br />
Olle Fischer<br />
Uta Protzmann<br />
Christian Reister<br />
Anke Schüttler<br />
Nicole Woischwill<br />
»HINTER GLAS«<br />
Kuratiert von Jenny Graser und Nicole<br />
Woischwill<br />
Das Motiv des Fensters nahm in<br />
der bildenden Kunst wie auch<br />
in der Architektur seit jeher eine<br />
Brückenfunktion ein und diente sprichwörtlich<br />
als Tor zur Welt. Das »Fenster61«,<br />
ein circa 2x2 Meter umfassendes<br />
Schaufenster, in dem seit 2005<br />
in monatlichen Abständen zeitgenössische<br />
Fotografie gezeigt wird, spielt<br />
sogleich mit dieser Eigenschaft. Denn<br />
es ist nicht betretbar, sondern als Schauraum<br />
allein visuell erfahrbar. Darüber<br />
hinaus präsentiert es in der Ausstellung<br />
»Hinter Glas« fotografische Positionen<br />
von acht Künstlerinnen und Künstlern,<br />
die sich dem Seherlebnis widmen, das<br />
Fenster und Spiegel generieren. Deren<br />
bildkonstituierende Funktion gleicht<br />
der Kameralinse mit den Worten des<br />
Medienphilosophen Dieter Mersch<br />
ausgedrückt darin, dass »angeschaut<br />
vielmehr das Bild zurückblickt«, und<br />
manchmal begegnet sich der Schauende<br />
darin gar selbst.<br />
Die Eigenschaft des Spiegels, seine<br />
Umgebung oder ein Gegenüber abzubilden,<br />
wird in der Fotografie »Face you«<br />
von Dorothée Baumann gezielt unterlaufen.<br />
Ein Spiegel ist hier zwischen die<br />
Arme eines am Boden liegenden Mädchens<br />
gedrückt und verdeckt ihr Gesicht.<br />
Lange blonde Haare, eine schemenhaft<br />
angedeutete Brust sowie die leichte<br />
Schatten werfenden Rippenknochen<br />
© Dorothée Baumeister, »Face You«, (Original in Farbe)<br />
© Anna Arendt, »In the Middle of the Brigde«<br />
lassen einen weiblichen Körper erahnen.<br />
Dieser wirkt jedoch merkwürdig<br />
deformiert und durch den ungewöhnlich<br />
positionierten Spiegel fragmentiert.<br />
Der Frauenkörper, durch das Artefakt<br />
zerstückelt, wandelt sich zum Objekt.<br />
Eine zunächst irritierende Wirkung<br />
zeichnet ebenfalls die Fotografie<br />
von Anna Arendt aus. Die Köpfe<br />
zweier Personen schälen sich aus<br />
einem körnigen, diffusen Hintergrund<br />
heraus. Ihre Blicke begegnen sich<br />
nicht. Ein Augenpaar ist direkt auf den<br />
Betrachter gerichtet, fokussiert ihn,<br />
scheint ihn zu verfolgen. Der Anblick<br />
provoziert einen Gegenblick, ebenso<br />
wie die aufmerksamen Augen eines<br />
zähnefletschenden Wolfes, der uns auf<br />
dem nächsten Bild der Fotografin begegnet.<br />
Harmonisch, vertraut und in keinster<br />
Weise aggressiv, wirkt hingegen die<br />
Beziehung der beiden Personen, die<br />
auf der crossentwickelten Fotografie<br />
von Nicole Woischwill miteinander<br />
interagieren. Mit dessen warmen<br />
Farbton korrespondiert sogleich Anke<br />
Schüttlers Arbeit, in welcher der Lichtund<br />
Schattenwurf eines roten Vorhangs<br />
den Mittelpunkt bilden. Der vor ein<br />
Fenster gehängte Stoff ist zwar transparent<br />
und lässt das Licht in den Raum<br />
eindringen. Trotzdem erschließt sich<br />
dem Betrachter weder die Beschaffenheit<br />
des Zimmers, noch wird der Blick<br />
hinaus ermöglicht. Dem warmen Farbton<br />
dieser beiden Bilder gegenüber steht<br />
eine zweite, sehr viel kühler wirkende<br />
Arbeit von Nicole Woischwill. Auf der<br />
schwarz-weiß Fotografie ist eine vereinzelte<br />
männliche Figur zu sehen. Sein<br />
Rücken ist dem Betrachter, sein Blick<br />
6 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Galerien<br />
aus denen der Zeit scheinbar entrückt,<br />
die Twin Towers deutlich hervortreten.<br />
Eine Möwe zieht vorbei.<br />
Außen- und Innenraum verbinden<br />
sich wiederum in der schwarz-weiß<br />
Fotografie von Christian Reister. Eine<br />
unbekleidete Frau posiert lasziv in einem<br />
Fensterrahmen. Die Konturen ihres Körpers<br />
zeichnen sich scherenschnittartig<br />
auf der Scheibe ab. Zugleich spiegeln<br />
sich darin helle Lichter einer gegenüberliegenden<br />
Hauswand, so dass der rätselhafte<br />
Eindruck entsteht, als befände<br />
sich die Person doch im Freien. Eine<br />
Überblendung von urbanem Raum<br />
und Mensch begegnet uns ebenfalls in<br />
der Fotografie von Uta Potzmann. Hier<br />
verschmelzen das liebliche Abbild der<br />
Dichterin Anna Achmatova, das hinter<br />
einem Schaufenster platziert ist, mit den<br />
sich im Fenster reflektierenden Ästen<br />
und Schemen der Stadt Sankt Petersburg.<br />
Auch das Motiv von Jeremie Aubouins<br />
Arbeit setzt sich aus Fragmenten einer<br />
Landschaft und Architektur zusammen.<br />
Der Fotograf hat eine Wand abgelichtet,<br />
deren Tapete einst Wälder, Berge, Flüsse<br />
und ein Schloss beherbergte. Einer<br />
Decollage gleich wurde die Tapete<br />
jedoch großflächig abgerissen, so dass<br />
der braune Untergrund der Hauswand<br />
hervortritt. Die Linse der Kamera hält<br />
eine abstrakte Form fest, die in die<br />
feinmalerische Landschaftsdarstellung<br />
einzubrechen scheint.<br />
© Nicole Woischwill, (Original in Farbe)<br />
Das »Fenster61« präsentiert mit der Ausstellung<br />
»Hinter Glas« ein breites Spektrum<br />
an zeitgenössischer Fotografie,<br />
deren einzelne künstlerische Positionen<br />
unterschiedlicher kaum sein könnten.<br />
Und doch haben sie etwas gemeinsam:<br />
Das Bild, es schaut angeblickt zurück.<br />
Und was siehst Du?<br />
Jenny Graser<br />
© Olle Fischer<br />
dem Licht, zugewandt. Was diesen<br />
Augen wohl begegnet? Und was erblickt<br />
die in warme Kleidung gehüllte, durch<br />
ein Fernglas schauende Dame, die Olle<br />
Fischer auf einem Dampfer fotografiert<br />
hat? In Unruhe versetzte Wellen und<br />
dunkle schwarze Wolken umschließen<br />
miniaturartig wirkende Hochhäuser,<br />
© Christian Reister<br />
bis 14. Januar <strong>2014</strong><br />
FENSTER61<br />
Torstraße 61<br />
10119 Berlin-Mitte<br />
jederzeit einsehbar<br />
www.fenster61.de<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
7
Galerien<br />
Robert Herrmann<br />
»MONOTONY«<br />
Einst zum Ideal der funktionalen Stadt<br />
erkoren, legen sich die Satellitenstädte<br />
wie Gespinste um die Großstadt – heute<br />
monotone Schlafstädte, als Wohnstätten<br />
wenig beliebt.<br />
Wer dort wohnt, pendelt tagtäglich ins<br />
Stadtzentrum um mit einer Tätigkeit<br />
im Dienstleistungssektor die eigene<br />
schmale Existenz zu sichern.<br />
Robert Herrmann stieg an mehreren<br />
Wintermorgen in die frühesten S-<br />
Bahnen, besuchte die östlichen Berliner<br />
Plattenbauquartiere und begleitete mit<br />
der Kamera die Pendler auf ihrem Weg<br />
in die Stadt.<br />
Das Ergebnis dieser Reise ist eine stille<br />
und nachdenklich stimmende Sinfonie<br />
einer Großstadt.<br />
© Robert Herrmann<br />
© Robert Herrmann<br />
15. Januar <strong>2014</strong> bis 11. Februar <strong>2014</strong><br />
FENSTER61<br />
Torstraße 61<br />
10119 Berlin-Mitte<br />
jederzeit einsehbar<br />
www.fenster61.de<br />
© Robert Herrmann<br />
8 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Galerien<br />
Volker Wartmann<br />
»Verschlusssache<br />
– Geheimnisvolle<br />
Orte im Rathaus<br />
Schöneberg«<br />
Blicke hinter verschlossene Türen, in<br />
unbekannte Winkel und auf verborgene<br />
Details, an denen fast jeder achtlos<br />
vorbeigeht – der Fotokünstler Volker<br />
Wartmann hat das Rathaus Schöneberg<br />
zwischen Juni und Oktober 2013<br />
nahezu unzählige Male durchstreift und<br />
aus Perspektiven fotografiert, die Besuchern<br />
normalerweise verborgen blei-<br />
© Volker Wartmann, Ausstellungshalle »Lichthof«, (Original in Farbe)<br />
© Volker Wartmann, »Zimmer der<br />
Bezirksbürgermeisterin«, (Original in Farbe)<br />
ben. Dank der Unterstützung engagierter<br />
Rathaus-Mitarbeiter bekam er auch<br />
Zugang zu Räumen, die für die Öffentlichkeit<br />
normalerweise absolut tabu<br />
sind: beispielsweise zu dem ehemaligen<br />
Tresorraum der Stadtkasse Schöneberg,<br />
zur Dokumentenkammer im Glockenturm<br />
und zur ehemaligen Bierstube<br />
des Ratskellers. Mit seinen Fotografien<br />
eröffnet Wartmann den Betrachtern eine<br />
neue Sichtweise auf das weltbekannte<br />
Berliner Wahrzeichen, das im Jahr <strong>2014</strong><br />
sein 100jähriges Bestehen feiert.<br />
© Volker Wartmann, »Altaktenarchiv«, (Original in Farbe)<br />
18. Januar <strong>2014</strong> bis 15. Februar <strong>2014</strong><br />
198 Galerie<br />
Tempelhofer Damm 198<br />
12099 Berlin-Tempelhof<br />
© Volker Wartmann, »Brandenburghalle«,<br />
(Original in Farbe)<br />
© Volker Wartmann, »Standesamt«,<br />
(Original in Farbe)<br />
Mo – Fr<br />
Sa<br />
15 – 19 Uhr<br />
14 – 18 Uhr<br />
Vernissage:<br />
18. Januar <strong>2014</strong>, 16 Uhr<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
9
Galerien<br />
Helmut Newton:<br />
Paris-Berlin.<br />
Exhibition Grand<br />
Palais 2012 //<br />
Greg Gorman: Men<br />
Die Berliner Helmut Newton Stiftung<br />
feiert mit dieser Ausstellung ein Jubiläum:<br />
Helmut Newton gründete vor<br />
zehn Jahren, also im Herbst 2003, eine<br />
eigene Stiftung und schloss einen Kooperationsvertrag<br />
mit der Stiftung Preußischer<br />
Kulturbesitz. Im Rahmen eines<br />
»Public-Private-Partnership« gelangte<br />
damals eine umfangreiche Sammlung<br />
von Originalaufnahmen, Vintage-Ausstellungsplakaten<br />
und Archivalien als<br />
Dauerleihgabe in Newtons Heimatstadt<br />
Berlin. Nach einer kurzen Umbauphase<br />
öffnete das »Museum für Fotografie«<br />
in einem ehemaligen Militärkasino<br />
im Sommer 2004 mit einer Doppelausstellung,<br />
die der Photograph selbst nicht<br />
mehr erleben konnte, da er kurz zuvor<br />
in Los Angeles verstarb.<br />
Doch durch sein Werk lebt er weiter.<br />
Nicht nur in der Berliner Stiftung<br />
werden regelmäßig Ausstellungen organisiert<br />
und präsentiert, sondern von<br />
hier aus auch an verschiedene Institutionen<br />
in Europa ausgeliehen, so auch<br />
2012 nach Paris ins Grand Palais. Es<br />
war die erste Übersichtspräsentation<br />
des Newton’schen Werkes in der französischen<br />
Hauptstadt seit seinem Tod<br />
und die erste eines Photographen in<br />
diesem renommierten Ausstellungshaus<br />
überhaupt. Jene Ausstellung kehrt nun<br />
zu ihrem Ausgangspunkt zurück und<br />
wird in Berlin gezeigt, vor diesem Hintergrund<br />
ist auch der Ausstellungstitel<br />
zu verstehen; sie vereint alle wichtigen<br />
Werkgruppen des Photographen: Mode,<br />
Akt, Porträts und die für ihn so charakteristischen<br />
Mischformen. Zusammengenommen<br />
sind es mehr als 200 Schwarz-<br />
Weiß- und Farbphotographien unterschiedlicher<br />
Formate, teilweise als Vintage<br />
Prints.<br />
Manche Aufnahmen waren bereits<br />
in früheren Ausstellungskontexten in<br />
der Helmut Newton Stiftung zu sehen,<br />
Helmut Newton, Bergstrom over Paris, 1976 © Helmut Newton Estate (O.i.F.)<br />
andere werden zum ersten Mal gezeigt.<br />
Mit jeder neuen Kombination kann<br />
selbst das Werk eines bekannten Photographen<br />
neu entdeckt werden. Die<br />
Gegenüberstellung einer Bildikone<br />
wie beispielsweise »Rue Aubriot, Paris<br />
1975« mit einer zweiten durch ein Aktmodell<br />
ergänzten Aufnahme erweitert<br />
die für Newton übliche Rezeption.<br />
Helmut Newton hat einen Damensmoking<br />
von Yves Saint Laurent für die französische<br />
Vogue photographiert; das ist,<br />
abgesehen vom revolutionären Akt des<br />
Modeschöpfers, zunächst nicht ungewöhnlich,<br />
doch die Art der photographischen<br />
Inszenierung ist unvergleichlich<br />
und wirkte stilbildend: Das weibliche<br />
Modell mit Kurzhaarschnitt steht<br />
rauchend und selbstbewusst nachts in<br />
einer schmalen, spärlich beleuchteten<br />
Gasse und scheint auf niemanden zu<br />
warten. Zwei Assoziationen aus der<br />
Kunst- und Photographiegeschichte<br />
kommen dem Betrachter sofort in den<br />
Sinn: Ernst Ludwig Kirchners Straßenszenen<br />
am nächtlichen Potsdamer Platz<br />
aus den frühen 1910er-Jahren, auf denen<br />
er die dort stehenden modisch gekleideten<br />
Frauen in ein Spannungsverhältnis<br />
zwischen Prostitution und urbanmodernem<br />
Lebensstil stellte, und Brassaïs<br />
Prostituiertenporträts, die jener in<br />
den 1930er-Jahren insbesondere im<br />
Pariser Marais aufnahm. Vierzig Jahre<br />
später wählte Newton ebenfalls dieses<br />
Viertel für seine Modephotographie. Mit<br />
der zweiten Aufnahme des Modells am<br />
gleichen Ort und einem Aktmodell an<br />
dessen Seite steigerte er die verwirrende<br />
Androgynität der bekleideten Frau noch.<br />
Die Kombination einer bekleideten und<br />
einer nackten Frau im Modekontext war<br />
ziemlich radikal und eine solche Aufnahme<br />
für die Veröffentlichung in einem<br />
Modemagazin wie die französische<br />
Vogue ungeeignet. Die Kombination<br />
bekleideter und unbekleideter Modelle<br />
formulierte Helmut Newton ab 1980<br />
in der berühmten Serie »Naked and<br />
Dressed« aus, die in seinem dritten Bildband<br />
»Big Nudes« veröffentlicht wurde<br />
sowie in der italienischen und französischen<br />
Ausgabe der Vogue; einige Jahre<br />
später war eine solche Motivkombination<br />
für ein renommiertes Modemagazin<br />
somit kein Tabubruch mehr. Zwei<br />
Diptychen jener Serie, die bereits Mitte<br />
der 1970er-Jahre in der Rue Aubriot vorbereitet<br />
wurde, sind auch Bestandteil<br />
der aktuellen Ausstellung.<br />
Daneben finden sich Porträts zahlreicher<br />
Prominenter von Pierre Cardin<br />
bis Margaret Thatcher, Modebilder für<br />
Magazine aus den 1960er bis 1990er-<br />
Jahren sowie Akt- und Produktaufnahmen;<br />
darunter finden sich auch Aufnahmen<br />
aus »Fired«, etwa die legendären<br />
Courrèges-Aufnahmen, veröffentlicht<br />
1964 im Modemagazin Queen, die<br />
damals der Grund für Newtons kurzfristigen<br />
Rauswurf bei der Vogue waren,<br />
übersetzten die ultramodernen Entwürfe<br />
10 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Galerien<br />
Greg Gorman, Three Boys Jumping, 1991 © Greg Gorman<br />
des französischen Designers kongenial<br />
ins photographische Bild. Revolutionär<br />
waren die Hosen für Frauen, die kniefreien<br />
Kleider und vor allem der spektakuläre<br />
Weltraum-Look. Frauenbild und<br />
gesellschaftliche Position der Frauen<br />
befanden sich damals bekanntlich in<br />
einem radikalen Wandel. Newton photographierte<br />
die Courrèges-Modelle<br />
ohne jede Accessoires in klaustrophobisch<br />
engen Räumen, deren metallene<br />
Wände Kleider und Modelle reflektierten<br />
oder verdoppelten. Ende der 1960er-<br />
Jahre nahm Newton Mode für die Elle<br />
wiederum in einem verwirrenden Spiegelraum<br />
auf; diesmal zeigte sich der<br />
Photograph selbst hinter den Frauen mit<br />
seiner Kleinbildkamera im Bild. Ungewöhnlich<br />
für die Zeit war, wie Newton<br />
hier den Arbeitsprozess selbstironisch<br />
und medienreflexiv kommentierte.<br />
Helmut Newton hat sich hin und wieder<br />
selbst und 1974 auch einmal Helmut<br />
Berger nackt porträtiert, gleichwohl<br />
bleibt der männliche Akt in seinem<br />
Werk marginal. Auf Einladung von<br />
June Newton, die unter dem Pseudonym<br />
Alice Springs gelegentlich nackte<br />
Männer ablichtete, stellt der amerikanische<br />
Porträtphotograph Greg Gorman<br />
nun parallel zur Newton-Ausstellung<br />
eine Werkgruppe von Männerakten<br />
aus. Hier, in »June’s Room«, begegnen<br />
wir jungen, durchtrainierten Körpern<br />
in Schwarz-Weiß und unterschiedlichen<br />
Formaten, teilweise annähernd<br />
lebensgroß.<br />
Gorman wurde 1949 in Kansas City<br />
geboren und lebt heute in Los Angeles;<br />
noch während des Studiums begann<br />
er 1968 seine Karriere mit Aufnahmen<br />
von Jimi Hendrix bei dessen Konzert in<br />
Kansas City. Später in Kalifornien blieb<br />
er dem Show Business treu und photographierte,<br />
neben zahlreichen Werbeaufträgen,<br />
in der Folge vor allem Schauspieler<br />
und Musiker, darunter Angelina<br />
Jolie und Johnny Depp, Michael Jackson<br />
und David Bowie. Einige dieser ikonischen<br />
Schwarz-Weiß-Aufnahmen zierten<br />
Filmplakate, andere erschienen auf<br />
den Covern von CDs oder von Magazinen<br />
wie LIFE, Newsweek, Rolling Stone<br />
oder Vogue. Aktphotographien entstanden<br />
häufig parallel, etwa während Plein<br />
Air Workshops in seiner zweiten Heimat<br />
Mendocino, einem kleinen Künstlerort<br />
nördlich von San Francisco. Greg<br />
Gorman und June Newton wählten für<br />
diese ergänzende Ausstellung 25 Motive<br />
aus, die zwischen 1988 und 2012 überwiegend<br />
im Studio in Los Angeles entstanden<br />
sind. Die jungen Männer, teilweise<br />
in Gruppen, bewegen sich vor<br />
Gormans Kamera wie Tänzer auf einer<br />
leeren Bühne; es sind zeitlose, sinnliche<br />
Aktporträts.<br />
Die Aktphotographie männlicher<br />
Modelle gilt heute vielerorts noch<br />
immer als Tabu. Im vergangenen Jahr<br />
hat das legendäre Montreux Jazz Festival<br />
zwar einen Männerakt von Greg<br />
Gorman als Postermotiv verwendet,<br />
die primären Geschlechtsteile bleiben<br />
auf jenem Poster jedoch durch die Körperdrehung<br />
des Modells verdeckt. Bei<br />
manchen Aufnahmen Gormans in der<br />
Helmut Newton Stiftung ist dies hingegen<br />
anders.<br />
Matthias Harder<br />
bis 18. Mai <strong>2014</strong><br />
Helmut Newton Stiftung<br />
Museum für Fotografie<br />
Jebensstraße 2<br />
10623 Berlin-Charlottenburg<br />
Di, Mi, Fr<br />
Do<br />
So<br />
10 – 18 Uhr<br />
10 – 20 Uhr<br />
11 – 18 Uhr<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
11
Galerien<br />
ALFRED EHRHARDT<br />
DAS WATT<br />
Seit Gründung der Alfred Ehrhardt Stiftung<br />
im Jahr 2002 laufen die Vorbereitungen<br />
der kommenden Ausstellung,<br />
die nun durch einen Ankauf sowie<br />
eine Schenkung ermöglicht wurde: Die<br />
ausschließlich aus eigenen Beständen<br />
bestückte Zusammenstellung von 70<br />
Vintageprints aus der Serie »Das Watt«<br />
(1933–1936) konzentriert sich auf Ehrhardts<br />
fotografisches Erstlingswerk, das<br />
zu den herausragenden Bildleistungen<br />
der Avantgarde-Fotografie der 1930er<br />
Jahre zählt. Sie ist Ausgangspunkt für<br />
das gesamte preisgekrönte fotografische<br />
und filmische Schaffen dieses am Dessauer<br />
Bauhaus geschulten, vielfältigen<br />
Künstlers und bildet die »crème de la<br />
crème« seines fotografischen Werkes.<br />
Die künstlerische Qualität dieser Serie<br />
sucht auch unter den Meistern der Fotografie<br />
der Neuen Sachlichkeit Ihresgleichen.<br />
Einen idealen Anlass bietet die Neuauflage<br />
des Buches Das Watt von 1937<br />
als exklusive Faksimilie-Auflage der Edition<br />
Xavier Barral. Die Publikation ist<br />
eine Ode an die Natur und ein Meisterwerk<br />
der Buchkunst, das im Jahr 2004<br />
nicht von ungefähr im reich bebilderten<br />
Band über Fotobücher The Photobook.<br />
A History von Martin Parr und<br />
Gerry Badger auf internationaler Ebene<br />
geadelt wurde: »This is both an attractively<br />
designed and finely printed book<br />
– an island of tranquil beauty in a cultural<br />
sea that was becoming increasingly<br />
barbaric.«<br />
ALFRED EHRHARDT (1901-1984)<br />
war ein medialer Grenzgänger. Er war<br />
Organist, Chorleiter, Komponist, Maler<br />
und Kunstpädagoge, bevor er Fotograf<br />
wurde. Nach einem Aufenthalt am<br />
Dessauer Bauhaus 1928/29, wo er bei<br />
Josef Albers studierte und bei Wassily<br />
Kandinsky und Oskar Schlemmer hospitierte,<br />
leitete er an der Landeskunstschule<br />
Hamburg den ersten Vorkurs für<br />
Materialkunde außerhalb des Bauhauses.<br />
Erst nach der Entlassung aus dem<br />
Hochschuldienst durch die Nationalsozialisten<br />
1933 wandte er sich der Fotografie<br />
und dem Film zu. In Cuxhaven,<br />
Alfred Ehrhardt, Fließender Sand, 1933-1936, © bpk / Alfred Ehrhardt Stiftung<br />
wo er sich in seinem ersten Beruf als Kirchenmusiker<br />
verdingte, entdeckte er im<br />
vorgelagerten Watt zwischen den Inseln<br />
Scharhörn und Neuwerk die Besonderheiten<br />
dieser wechselvollen Meereslandschaft.<br />
Ihn faszinierten die durch<br />
Wind und Wasser täglich neu entstehenden<br />
abstrakten Strukturen im Sand,<br />
die ihn an den Materialkundeunterricht<br />
erinnerten, wo seine Studenten »Struktur,<br />
Textur und Faktur« von Materie zu<br />
erfassen hatten. Es wurde ihm schnell<br />
bewusst, dass die Kamera das unverfänglich<br />
zu produzieren imstande ist, was zu<br />
malen verboten war. Statt zu Stift oder<br />
Pinsel zu greifen, »zeichnete« er nun<br />
die abstrakten Formen der Natur mit der<br />
Kamera. Mit Hilfe von Motivwahl, Perspektiveinstellung<br />
und Lichtregie überhöhte<br />
er die Schätze der »Künstlerin<br />
Natur« zu einer vom Menschen gestalte-<br />
Alfred Ehrhardt, aus der Serie: »Das Watt«,<br />
1933-1936, © Alfred Ehrhardt Stiftung<br />
12 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Galerien<br />
Alfred Ehrhardt, Ein flacher Priellauf mit stark<br />
strukturierten Uferflächen, 1933-1936,<br />
© Alfred Ehrhardt Stiftung<br />
Weitere Stationen:<br />
Museum Kunst der Westküste,<br />
Hauptstraße 7, 25938 Alkersum / Föhr<br />
15. Juni <strong>2014</strong> – 11. Januar 2015<br />
Alfred Ehrhardt, Bodenriffelungen, 1933-1936, © bpk / Alfred Ehrhardt Stiftung<br />
ten Kunstform, die der Natur ebenbürtig<br />
sein wollte, ohne bloße Kopie zu sein.<br />
Breitet man Alfred Ehrhardts Fotografien<br />
abstrakter Sandformen im Watt<br />
vor sich aus, drängt sich der Gedanke<br />
»Chaos und Struktur« auf. Der hier vom<br />
Künstler gewählte Bildausschnitt offenbart<br />
die immanente Schönheit des sich<br />
in so vielfältigen Formen darstellenden<br />
Naturgeschehens, während die Zusammenschau<br />
der Formvariationen die Verbindung<br />
von Mikro- und Makrokosmos<br />
erstellen soll. Er bringt System in die<br />
Strukturen und Ordnung in das Chaos<br />
der Natur, als wolle er die Welt mit<br />
seiner Technik begreifbar machen.<br />
Alfred Ehrhardt war ein neusachlicher<br />
Neuromantiker, ein »Naturphilosoph<br />
mit der Kamera«, wie man ihn damals<br />
nannte. In seiner Serie »Das Watt« verbinden<br />
sich die Strukturexperimente<br />
des Neuen Sehens, der naturphilosophisch<br />
begründete, typologische Ansatz<br />
der Fotografie der Neuen Sachlichkeit,<br />
sein am Bauhaus geschultes Gespür für<br />
Komposition, Materialbeschaffenheit<br />
und Abstraktion mit einem von Kandinsky,<br />
Schlemmer und Klee beeinflussten<br />
weltanschauliche Anliegen, Materielles<br />
ins Geistig-Kosmische zu transzendieren.<br />
In der Abwendung vom Chaos<br />
einer industrialisierten Welt, in der kontemplativen<br />
Konzentration auf nur von<br />
Himmel und Horizont begrenzte leere<br />
Landschaften und in der Fokussierung<br />
auf die verborgene Anmut und symmetrische<br />
Schönheit des natürlichen Mikrokosmos<br />
fand Ehrhardt hier zu höchster<br />
formaler Konsequenz von ergreifend<br />
schlichter Schönheit.<br />
Publikation:<br />
Alfred Ehrhardt, Das Watt, Faksimile-<br />
Auflage der Ausgabe von 1937 im Heinrich<br />
Ellermann Verlag, Edition Xavier<br />
Barral, Paris 2013, 22,5 x 29 cm, 96<br />
SW-Aufnahmen, 112 Seiten, Texte: Kurt<br />
Dingelstedt, Alfred Ehrhardt, 16 Seiten<br />
Übersetzungen der Texte Englisch / Französisch,<br />
45,- Euro.<br />
Eröffnungsrede:<br />
Dr. Christiane Stahl,<br />
Leiterin der Alfred Ehrhardt Stiftung<br />
Eröffnung:<br />
Freitag, 17. Januar <strong>2014</strong>, 19 Uhr<br />
18. Januar bis 27. April <strong>2014</strong><br />
Alfred Ehrhardt Stiftung<br />
Auguststraße 75<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
Di – So 11 – 18 Uhr<br />
Do 11 – 21 Uhr<br />
www.alfred-ehrhardt-stiftung.de<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
13
Galerien<br />
Göran Gnaudschuhn<br />
»Alexanderplatz«<br />
Göran Gnaudschun fotografiert seit<br />
2010 am Berliner Alexanderplatz die<br />
Szene von jungen Ausreißern, Gestrandeten,<br />
Wohnungslosen, Punks und<br />
Selbstdarstellern. Es gibt Erfahrungen<br />
mit längeren Gefängnisaufenthalten,<br />
Drogen und viel Alkohol. Diese Menschen<br />
passen in die Raster der normalen<br />
Gesellschaft nicht hinein: weder in die<br />
der Arbeitswelt und oft auch nicht in die<br />
der sozialen Fürsorge. Kaum einer ist in<br />
Berlin aufgewachsen, viele wollten aus<br />
der Provinz fliehen, möglichst weit weg:<br />
neu sein, anonym sein, die weite Welt<br />
ohne einen Cent in der Tasche erleben.<br />
Einige treiben sich immer für mehrere<br />
Monate in anderen Großstädten<br />
Deutschlands herum, andere wollten<br />
noch weiter, aber sitzen schon seit<br />
Jahren auf dem Alex.<br />
Kinder werden schnell erwachsen und<br />
Erwachsene werden schnell alt. Gnaudschun<br />
portraitiert die Menschen dort,<br />
immer darauf bedacht, eine Form von<br />
fast verschüttet geglaubter Würde und<br />
von Intensität ans Licht zu bringen. Er<br />
fotografiert Situationen, in denen sich<br />
Symbolhaftes zeigt, er führt Interviews<br />
über die Lebenswege der Protagonisten<br />
und schreibt selbst Texte über die Sicht<br />
des Fotografen auf das vielschichtige<br />
Phänomen Alexanderplatz.<br />
© Göran Gnaudschuhn, »Fernsehturm«,<br />
(Original in Farbe)<br />
© Göran Gnaudschuhn, »Mel«,<br />
Mai 2010, (Original in Farbe)<br />
Berlin Alexanderplatz ist eine Arbeit, in<br />
der sich Text und Bild assoziativ ergänzen<br />
und die sehr subjektiv und nah über<br />
das Leben von jungen Menschen am<br />
Rand der Gesellschaft erzählt.<br />
Die Ausstellung findet aus Anlass der<br />
Publikation des Buchs zum Projekt im<br />
Kehrer Verlag im Februar <strong>2014</strong> statt.<br />
Weitere Informationen dazu finden Sie<br />
hier:<br />
http://gnaudschun.de<br />
© Göran Gnaudschuhn, »Nicky«,<br />
Mai 2010, (Original in Farbe)<br />
© Göran Gnaudschuhn, »Jennis mit Mond«,<br />
(Original in Farbe)<br />
21. Februar bis 30. März <strong>2014</strong><br />
Haus am Lützowplatz<br />
Lützowplatz 9<br />
10785 Berlin-Tiergarten<br />
© Göran Gnaudschuhn, »Sitzecke, U 8«, (O.i.F.)<br />
Di – So<br />
11 – 18 Uhr<br />
14 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Galerien<br />
»lens-based sculpture«<br />
Die Veränderung der<br />
Skulptur durch die<br />
Fotografie<br />
In der Ausstellung »lens-based sculpture«<br />
wird zum ersten Mal das Verhältnis<br />
von Fotografie und Skulptur aus der<br />
Perspektive der Skulpturgeschichte dargestellt.<br />
Im Zentrum steht die Frage, wie<br />
sich die moderne Skulptur durch die<br />
Fotografie von dem jahrtausendealten<br />
Prinzip der Statue löste und in eine neue<br />
künstlerische Praxis verwandelte. Die<br />
Fotokamera dient als primäres Werkzeug<br />
der Bildhauerei, als Skizzenblock<br />
und als Hilfsmittel zur Übersetzung von<br />
räumlichen und strukturellen Wiedergaben<br />
in Masse und Form.<br />
Giuseppe Penone, Geometria nelle mani, 4 aprile, 2004 (Detail), S/W Fotografie, 30 x 39,4 cm<br />
Photo © Archivio Penone, © VG Bild-Kunst, Bonn, 2013<br />
Der hier erstmalig verwendete Begriff<br />
der »lens-based sculpture« verweist auf<br />
die in dieser Ausstellung neue Sichtweise<br />
auf die Skulptur und die Kunstgeschichte<br />
des 20. und 21. Jahrhunderts.<br />
Der Einfluss der Fotografie mit ihren<br />
technischen Möglichkeiten und ihrer<br />
Raum- und Dinganschauung trugen<br />
und tragen immens zur Veränderung<br />
der Ästhetik der Skulptur bei.<br />
Ein ganz besonderes Highlight dieser<br />
Ausstellung ist die Rekonstruktion<br />
von Marcel Duchamps »Porte Gradiva«<br />
(1937), die hier erstmals in ihrer<br />
ursprünglichen Form, als durchschreitbarer<br />
Türdurchgang, aufgebaut wird.<br />
Des Weiteren markieren die Werke<br />
von Umberto Boccioni und Raymond<br />
Duchamp-Villon den Ausgangspunkt<br />
für »lens-based sculpture«. Den Kern<br />
der Schau bilden die seit den 1960er<br />
Jahren entstanden Arbeiten u.a. von<br />
John Ahearn, John Chamberlain, Tony<br />
Cragg, Valie Export, Rebecca Horn,<br />
Edmund Kuppel, Ron Mueck, Bruce<br />
Nauman, Giuseppe Penone, Hermann<br />
Pitz, George Segal, Roman Signer und<br />
Kiki Smith. Die beiden Bildhauer Bogomir<br />
Ecker und Raimund Kummer entwickelten<br />
die Ausstellungsarchitektur, in<br />
welche zwei Denkräume integriert sind.<br />
Einem Archiv ähnlich, dicht und multimedial<br />
bestückt, eröffnen sie zusätzliche<br />
Einblicke in die komplexe künstlerische<br />
Recherche zu den Phänomenen<br />
von »lens-based sculpture«.<br />
»lens-based sculpture«, eine Kooperation<br />
der Akademie der Künste und<br />
des Kunstmuseum Liechtenstein, präsentiert<br />
rund 200 Arbeiten von mehr<br />
als 70 internationalen Künstlerinnen<br />
und Künstlern. Die Ausstellung wird<br />
kuratiert von Bogomir Ecker, Raimund<br />
Kummer, Friedemann Malsch und Herbert<br />
Molderings. Künstler und Kunstwissenschaftler<br />
erschaffen in dieser Ausstellung<br />
gemeinsam in direktem Austausch<br />
einzigartige Gegenüberstellungen<br />
künstlerischer Positionen und ungewöhnliche<br />
Präsentationsformen.<br />
Es erscheint ein deutsch-englisches Katalogbuch<br />
mit Texten von Michel Frizot,<br />
Ursula Frohne, Friedemann Malsch,<br />
Herbert Molderings, Dietmar Rübel und<br />
Annette Tietenberg sowie einem Bildessay<br />
von Bogomir Ecker und Raimund<br />
Kummer.<br />
Gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds<br />
Berlin und die Gesellschaft der<br />
Freunde der Akademie der Künste.<br />
Michael Sauer, »Föhn«, 1978, Fotografie,<br />
30 x 40 cm, Courtesy the artist,<br />
Foto: Silke Helmerdig,<br />
© VG Bild-Kunst, Bonn, 2013<br />
Eröffnung: 23. Januar <strong>2014</strong>, 19 Uhr<br />
24. Januar bis 21. April <strong>2014</strong><br />
Akademie der Künste<br />
Hanseatenweg 10<br />
10557 Berlin-Tiergarten<br />
Di – So<br />
11 – 19 Uhr<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
15
Galerien<br />
Fotofreunde<br />
Zehlendorf<br />
»HIGHLIGHTS«<br />
Der Club wurde 1970 als »VHS-Fotoclub<br />
Zehlendorf« aus der Taufe gehoben.<br />
Ab 1974 nannte er sich »Fotofreunde<br />
Zehlendorf«. Von Anfang an war der<br />
Club Mitglied im Deutschen Verband<br />
für Fotografie (DVF). 18 Mitglieder sind<br />
fotografisch aktiv und erfolgreich.<br />
Wenn es um Wettbewerbsfotografie<br />
geht, dann waren und sind die Mitglieder<br />
häufig unter den ausgezeichneten<br />
Autoren. Sie beteiligten sich regelmäßig<br />
sehr erfolgreich an der »ifo-scanbaltic«,<br />
einem ehemaligen Salon für alle<br />
Ostseeanliegerstaaten. Immer zählten<br />
Mitglieder des Clubs zu den Preisträgern<br />
beim jährlichen Wettbewerb »100<br />
Bilder des Jahres« der Gesellschaft für<br />
Fotografie. Bei der »Norddeutschen-<br />
Fotomeisterschaft« war der Sieger etliche<br />
Male ein Mitglied der »Fotofreunde<br />
Zehlendorf«.<br />
Die »Fotofreunde Zehlendorf« stellten<br />
ihre Fotografien in vielen europäischen<br />
und einigen außereuropäischen Städten<br />
aus. Unter anderem war der Club<br />
1986 als erster Fotoclub aus dem Ausland<br />
durch den lettischen Kulturbund<br />
zu einer Ausstellung in Riga eingeladen.<br />
Weitere Stationen waren Warschau<br />
(Polen), Vilnius (Litauen), Athen (Griechenland),<br />
Moskau (Russland), Allessandria<br />
(Italien), Graz (Österreich). 1984<br />
folgte der Club einer Einladung des<br />
Goethe-Institutes Marokko nach Casablanca.<br />
Weitere Ausstellungen: 1990<br />
in der Städtischen Kunstsammlung Görlitz,<br />
1992 Graz/Österreich, 1999 Waldhaus-Klinik,<br />
Berlin, 2004 Brügge/Belgien<br />
und in Kulmbach, 2006 im Rathaus<br />
Zehlendorf.<br />
bis 2. Februar <strong>2014</strong><br />
Café Berio<br />
Maaßenstraße 7<br />
10777 Berlin-Schöneberg<br />
© Eric Jenczmionka, »Mr. Cool«, (O.i.F.)<br />
© Helmut Heidrich, »Herbststurm II«, (O.i.F.)<br />
© Ingelore Willing, »Mama pearl«<br />
© Alexander Platz, »Hazel«, (O.i.F.)<br />
© Udo Rzadkowski, »Don Cherry«<br />
© Astrid Mattwei, »Kleine Jungs«<br />
Mo – Do<br />
Fr<br />
Sa<br />
So<br />
07 – 24 Uhr<br />
07 – 01 Uhr<br />
08 – 01 Uhr<br />
08 – 24 Uhr<br />
© Dietmar Bührer, »Fireman«<br />
www.fotofreunde-zehlendorf.de<br />
www.cafeberio.de<br />
16 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Galerien<br />
Delphine Burtin<br />
»ENCOUBLE«<br />
Im Oktober veranstaltete exp12, Projektraum<br />
für Fotografie, erstmals Portfolio<br />
Reviews.<br />
Grund der Initiative war der Wunsch<br />
des Kollektivs sich mit aktuellen Projekten<br />
internationaler, zeitgenössischer<br />
Fotografen auseinanderzusetzen und<br />
die beste eingereichte Arbeit im Januar<br />
<strong>2014</strong> in den projekteigenen Räumen in<br />
Berlin zu präsentieren.<br />
Aus über 50 Einreichungen aus zahlreichen<br />
europäischen Ländern entschied<br />
sich das Kollektiv für die Schweizer<br />
Fotografin Delphine Burtin, deren Arbeit<br />
»ENCOUBLE« zu sehen sein wird.<br />
Delphine Burtin kombiniert in ihrer<br />
Serie Studioaufnahmen mit Tageslichtfotografien,<br />
die sie zerschneidet und<br />
erneut fotografiert.<br />
Das Ergebnis sind visuelle Eindrücke,<br />
die den Betrachter irritieren und seine<br />
Wahrnehmung der Realität hinterfragen.<br />
Es geht um die Interpretation des<br />
Gesehenen, um die Relation zwischen<br />
Gezeigtem und Verborgenem und um<br />
die Betonung photographischer Inhalte<br />
durch formale Stringenz.<br />
Die Fotografin beschreibt ihre Arbeit<br />
so:<br />
»Ich mag visuelle Unfälle. Ich mag es,<br />
wenn man denkt etwas zu sehen, das in<br />
Wahrheit etwas anderes ist. Ich mag es,<br />
wenn unser Gehirn uns austrickst und<br />
uns etwas vortäuscht, das in Wirklichkeit<br />
nicht existiert.<br />
Ich mag es, über Bilder des Alltags zu<br />
stolpern, Kopien einer zweifelhaften<br />
Realität einfangend oder rekonstruierend.«<br />
Delphine Burtin schloss ihr Studium<br />
2013 an der School of Applied Arts in<br />
Vevey, in der Schweiz ab. Ihre Arbeit<br />
wurde mehrfach ausgestellt und ausgezeichnet.<br />
»Encouble« wurde 2013 für den Prix<br />
Voies Off, Arles, Frankreich nominiert,<br />
und gewann den 1. Preis »SELECTION«<br />
bei Photoforum PasquArt, Bienne (CH).<br />
Auf der Messe Paris Photo 2013 wurde<br />
ihre Publikation »Encouble« von der<br />
Fondation Aperture unter der Rubrik<br />
© Delphine Burtin, »Encouble 1«, (O.i.F.) © Delphine Burtin, »Encouble 2«, (O.i.F.)<br />
© Delphine Burtin, »Encouble 4« © Delphine Burtin, »Encouble 5«, (O.i.F.)<br />
First PhotoBook nominiert. Das Buch<br />
ist während der Ausstellungslaufzeit bei<br />
exp12 erhältlich.<br />
Delphine Burtin lebt und arbeitet in Lausanne.<br />
www.burtin.ch/photographie<br />
Vernissage<br />
24. Januar <strong>2014</strong>, 19 Uhr<br />
25. Januar bis 23. Februar <strong>2014</strong><br />
exp 12 / exposure twelve<br />
Greifswalder Straße 217<br />
10405 Berlin-Prenzlauer Berg<br />
Sa 16 – 20 Uhr<br />
So 14 – 18 Uhr<br />
www.exp12.com<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
17
Galerien<br />
Christian Tagliavini<br />
»Carte & 1503«<br />
Die große Einzelausstellung in der CWC<br />
GALLERY würdigt mit der neuen Serie<br />
»Carte« und dem berühmten Zyklus<br />
»1503« das beispiellose kreative Schaffen<br />
des Künstlers.<br />
Geboren 1971, wuchs Christian Tagliavini<br />
in Italien und in der Schweiz auf. Er<br />
studierte Grafikdesign, war als Architekt<br />
und Grafiker tätig, bevor Tagliavini sich<br />
ab 2000 der Photokunst widmete. Weitere<br />
bildende Künste wie Grafik, Baukunst<br />
und Zeichnung fließen bis heute<br />
in seine Werke ein. Sein biografischer<br />
Hintergrund prägte auch sein Verständnis<br />
dafür, eigens Werke zu »erfinden«,<br />
zu kreieren und handwerklich zu produzieren.<br />
Seine Arbeiten sind nicht<br />
nur »Bilder«, sondern komplexe Kunstwerke,<br />
die ihren Ursprung in verschiedensten<br />
Materialien haben. Das künstlerische<br />
Schaffen spiegelt sich zumeist<br />
in in sich geschlossenen Serien wider,<br />
die eigens kreierte Geschichten, Zitierungen<br />
der Kunstgeschichte oder ungewöhnliche<br />
Konzepte umfassen. Seine<br />
Arbeiten wurden bereits in zahlreichen<br />
Ausstellungen und Kunstmessen weltweit<br />
präsentiert. Christian Tagliavini ist<br />
u.a. Preisträger des Hasselblad Masters<br />
Award (2012) und lebt und arbeitet<br />
heute in der Schweiz.<br />
© Christian Tagliavini · 1503 · Ritratto di Signora in Verde (Original in Farbe)<br />
bis 22. Februar <strong>2014</strong><br />
CWC Gallery<br />
Auguststraße 11-13<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
Di – Sa<br />
11 – 19 Uhr<br />
© Christian Tagliavini · Carte · Regina di Fiori<br />
(Original in Farbe)<br />
© Christian Tagliavini · Carte · Regina di Quadri<br />
(Original in Farbe)<br />
18 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Galerien<br />
MENSCH-RAUM-<br />
AURA<br />
»Der Mensch macht<br />
den Raum, und der<br />
Raum macht den<br />
Menschen…«<br />
© Frank W. Habel<br />
Der Projektkurs des Photocentrums<br />
am Wassertor der VHS Friedrichshain-<br />
Kreuzberg unter der Leitung von Ebba<br />
Dangschat präsentiert in einer Ausstellung<br />
fotografische Arbeiten zum Thema<br />
»Mensch-Raum-Aura«.<br />
Im Mittelpunkt steht »Die Metaphorik<br />
des Raumes als bildliche Übersetzung<br />
des Seelischen, der Um-raum als Spiegel<br />
des Innen-raums . Gefundene und<br />
erfundene Räume erzählen etwas über<br />
die in ihm befindliche Person, was über<br />
das Sichtbare hinausweist. Inszenierte,<br />
dokumentarische und experimentelle<br />
Auslotungen des Unsichtbaren...«<br />
(Ebba Dangschat)<br />
Das Photocentrum am Wassertor der<br />
VHS Friedrichshain-Kreuzberg bietet<br />
in jahrelanger Tradition ein aufeinander<br />
aufbauendes Modulsystem an, in<br />
dem Interessierte Fotografie von Grund<br />
auf erlernen und sich nach eigenen<br />
Vorlieben ausbilden und spezialisieren<br />
können. Nach einem Grundstudium<br />
der Kameratechnik und Bildgestaltung<br />
bieten einjährige Projektkurse die Möglichkeit,<br />
eine subjektive Bildsprache zu<br />
einem vorgegebenen Thema zu formulieren.Die<br />
Teilnehmer beschäftigen<br />
sich in kleineren Gruppen intensiv mit<br />
einem Thema, erarbeiten dazu eigene<br />
fotografische Sichtweisen und Bildzyklen.<br />
Am Ende dieses Prozesses stellt<br />
die Präsentation der Arbeiten in Form<br />
einer Gruppenausstellung eine besondere<br />
Herausforderung dar. Die unterschiedlichen<br />
künstlerischen Positionen<br />
laden dazu ein, zu staunen, zu vergleichen<br />
und ins Gespräch zu kommen.<br />
© Lydia Kiesling (Original in Farbe)<br />
VERNISSAGE:<br />
Freitag, dem 10. Januar <strong>2014</strong> um 19<br />
Uhr, mit einleitenden Worten von Jana<br />
Borkamp,Stadträtin für Weiterbildung<br />
und Kultur, Peter Held, Programmbereichsleiter<br />
Kultur &Gestalten der VHS<br />
Friedrichshain-Kreuzberg und Ebba<br />
Dangschat, Kursleiterin<br />
...und räumlichen Klangexperimenten<br />
von Studenten des Studiengangs Soundstudies<br />
der UdK Berlin unter der Leitung<br />
von Caroline Siegers<br />
KÜNSTLERGESPRÄCH & FINISSAGE<br />
am Sonntag, dem 19. Januar <strong>2014</strong> um<br />
15 Uhr<br />
Die Künstler sind anwesend und führen<br />
durch die Ausstellung.<br />
© Nina Linstädt (Original in Farbe)<br />
bis 19. Januar <strong>2014</strong><br />
Kunstraum im Kunstquartier<br />
Bethanien<br />
Mariannenplatz 2<br />
10997 Berlin-Kreuzberg<br />
Mo – Fr<br />
Sa + So<br />
14 – 20 Uhr<br />
12 – 18 Uhr<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
19
Galerien<br />
ICH & DU<br />
Selbstporträts und<br />
Porträts<br />
Die ausgestellten Arbeiten sind Ergebnisse<br />
von 11 Fotografen/innen, die sich<br />
unter Anleitung des Berliner Fotografen<br />
Thomas Kierok über mehrere Monate<br />
mit den Themen Selbstporträt und Porträt<br />
auseinandergesetzt haben.<br />
Den Blick auf sich selbst und der persönliche<br />
Blick auf andere eint die Neugier<br />
an der Inszenierung:<br />
Was möchte ich von mir zeigen – und<br />
was vom anderen?<br />
Die Ausstellung bringt diese unterschiedlichen<br />
Ausgangssituationen<br />
zusammen und präsentiert, auf welch’<br />
unterschiedliche Weise die Kursteilnehmer<br />
die Blicke auf sich selber und auf<br />
andere inszeniert haben. Dabei beinhaltet<br />
der persönliche Blick im Selbstporträt<br />
immer auch die Perspektive des bereits<br />
bei der Aufnahme latenten Betrachters,<br />
während der Blick auf andere, die ganz<br />
persönliche Haltung des Fotografen im<br />
Porträt spürbar macht. Das Setting des<br />
Fotografierens beim Selbstporträt und<br />
Porträt ist im Ansatz unterschiedlich,<br />
in ihren Bildwirkungen vollziehen sich<br />
trotzdem in allen Fotografien die Auseinandersetzungen<br />
vom ICH & DU.<br />
© Romiana Marinow, (Original in Farbe)<br />
ICH & DU – eine untrennbare Wirkungseinheit,<br />
die den Betrachter im gleichen<br />
Sinn mit einbezieht.<br />
bis 28. Januar <strong>2014</strong><br />
imago fotokunst<br />
Linienstraße 145<br />
10115 Berlin-Mitte<br />
Di – Fr<br />
Sa<br />
12 – 19 Uhr<br />
14 – 18 Uhr<br />
© Jan Radtke<br />
20 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Galerien<br />
© Uli Schaub<br />
© Annemarte Christ, (Original in Farbe)<br />
© Carlijn van Tuyll<br />
© Detlef Eden © Malou v. Simson, (Original in Farbe) © Susann Ziegler, (Original in Farbe)<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
21
Galerien<br />
Fotowettbewerb<br />
»My Secret Life«<br />
Die Gewinner<br />
Die dreizehn Gewinner der Ausstellung<br />
My Secret Life stehen fest – Mark<br />
Alker, Jochen Arentzen, Maurice Baker,<br />
Axel Boronczyk, Max Colson, Miguel<br />
Hahn & Jan-Christoph Hartung, Heinrich<br />
Holtgreve, Sara-Lena Maierhofer,<br />
Marlene Sattler, Corinna Sauer, Holger<br />
Stöhrmann, Marc Volk und Franca Wohlt<br />
werden ihre fotografischen Serien bis<br />
zum 2. Februar <strong>2014</strong> bei C/O Berlin<br />
präsentieren.<br />
Ob versteckte Hanf-Plantagen, das<br />
glanzvolle Leben von Hochstaplern,<br />
anonyme Darkrooms im Blitzlicht, die<br />
geheimen Bunkeranlagen der Schweiz,<br />
unsichtbare Überwachung im öffentlichen<br />
Raum, sterile Berliner Gerichtssäle,<br />
die deutsche Waffenlobby oder<br />
NSA und Edward Snowdon – die dreizehn<br />
Fotografen und Künstler haben das<br />
von C/O Berlin vorgegebene Thema auf<br />
vielfältigste Weise interpretiert und die<br />
Fachjury mit ihren Arbeiten überzeugt.<br />
Insgesamt haben 460 Bewerber ihre<br />
fotografischen Serien eingereicht. Dr.<br />
Christina Stahl, Alfred Erhard Stiftung,<br />
Katia Reich, ehemalige Kuratorin des<br />
Monats der Fotografie, Dr. Matthias<br />
Harder, Kurator Helmut Newton Stiftung<br />
und Felix Hoffmann, Kurator C/O Berlin,<br />
haben Anfang November die stärksten<br />
Serien für die erste große Partizipationsausstellung<br />
bei C/O Berlin ausgewählt.<br />
Zudem werden die Arbeiten von Axel<br />
Boronczyk, Heinrich Holtgreve und<br />
Sara-Lena Maierhofer als beste Positionen<br />
in der nächsten C/O Berlin Zeitung<br />
publiziert.<br />
Geheimnisse, Rätselhaftes und Undurchschaubares<br />
üben stets eine starke Faszination<br />
aus. Gerade heute, da Wissen frei<br />
und ständig verfügbar ist. Was jedoch ist<br />
das Besondere am Geheimen? Wieso<br />
erhöht sich das Interesse, wenn verborgene<br />
Dinge an die Öffentlichkeit gelangen?<br />
»Eine von Geheimnissen durchweg<br />
beherrschte Gesellschaft ist nicht entwicklungsfähig,<br />
weil ihr der notwendige<br />
Kommunikationsraum fehlt. Eine Gesellschaft<br />
ohne Geheimnis ist aber ähnlich<br />
© Mark Alker, »Fat iustitia et pereat mundus«, (O.i.F.)<br />
eingefroren, weil ihr der Nährboden für<br />
die Entfaltung von Möglichkeiten fehlt«.<br />
Wie der Philosoph Georg Simmel analysiert,<br />
zählen nicht totale Enthüllung und<br />
Transparenz, sondern das Undurchsichtige,<br />
was nicht gezeigt<br />
und preisgegeben wird. Somit ist jeder<br />
Mensch ein Experte im Verbergen und<br />
balanciert tagtäglich auf dem schmalen,<br />
teils lustvoll-gefährlichen Grat zwischen<br />
der absoluten Kontrolle über ein<br />
Geheimnis und der Angst vor dessen<br />
Entdeckung. Für diese Ausstellung hat<br />
C/O Berlin weltweit Fotografen aufgerufen,<br />
eigene Geheimnisse visuell zu<br />
lüften und Einblicke in Strategien des<br />
Verbergens zu geben.<br />
Der Ursprung für dieses Thema ist das<br />
aktuelle Geheimnis von C/O Berlin<br />
selbst. Aufgrund von Sanierungsarbeiten<br />
ist der neue Standort, das Amerika<br />
Haus am Bahnhof Zoo, seit zwei Monaten<br />
hinter einer weißen Plane verborgen.<br />
Was genau hinter der Verhüllung<br />
geschieht, wird erst <strong>2014</strong> sichtbar, wenn<br />
C/O Berlin das Gebäude wiedereröffnet.<br />
Bis dahin zeigt C/O Berlin Fotografieausstellungen<br />
Open Air vor dem Amerika<br />
Haus. 24 Stunden pro Tag, sieben<br />
Tage pro Woche und für jeden kostenlos<br />
zugänglich.<br />
© Franca Wohlt, »Reduit«, (O.i.F.)<br />
© Maurice Baker, »Backrooms«, (O.i.F.)<br />
bis 2. Februar <strong>2014</strong><br />
C/O Berlin<br />
Hardenbergstraße 22-24<br />
10623 Berlin-Charlottenburg<br />
täglich 0 – 24 Uhr<br />
www.co-berlin.org<br />
22 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Galerien<br />
Kathrin Karras<br />
»Schattenrisse«<br />
Eine Treppe, die nach oben führt, und<br />
eine Frau die am Fuße der ersten Stufe<br />
steht.<br />
Bevor sie hochgeht, dreht sie sich noch<br />
einmal um. Was sieht sie da?<br />
Zunächst schaut sie den Betrachter an.<br />
Was sie sieht, wird ihm nicht offenbart,<br />
doch ahnt er es im Entsetzen ihres<br />
Gesichtes. Angst lähmt sie, schaltet die<br />
Treppe als Fluchtweg aus.<br />
Sie kann der Angst nicht ausweichen.<br />
Sie hält sie gefangen.<br />
Sie hat allein mit ihr zu tun und ihrem<br />
Geheimnis.<br />
Durch den Säulenwald ihres Hauses, im<br />
grauen Zwischenton des Nichts,<br />
wirkt die Frau nicht anwesend.<br />
Das Gleichmaß der Dinge hat sie<br />
geschluckt.<br />
Mit dem Fächer in der Hand, ihrem<br />
wichtigsten Utensil, hat sie sich im Mauerwerk<br />
verewigt. Wer immer auch ihre<br />
Nachfolger sein werden, werden Fächer,<br />
wedelnd durchs Haus schwirren.<br />
Die Frau mit der blauen Maske ist<br />
gleichzeitig anwesend und nicht anwesend.<br />
Ihr Körper ist sinnlich, präsent und<br />
gegenwärtig.<br />
Die Maske vermittelt das Gegenteil.<br />
Ihr Gesicht scheint einer anderen Welt<br />
anzugehören. Die Farbe Blau hat ein<br />
inneres Leuchten.<br />
Durch sie leuchtet etwas von ihrem<br />
Wesen.<br />
Auch die Akkordeonspielerin passt nicht<br />
zum Schnee und passt auch nicht zum<br />
Mann neben ihr. Trotzdem ergeben sie<br />
eine Einheit.<br />
Es scheint, dass die beiden aus anderen<br />
Zeiten zueinander fanden.<br />
Die Fenster des Schlosses spiegeln sich<br />
im See. In ihnen tauchen Gesichter auf,<br />
jedoch nur in der Spiegelung. Es wird<br />
mehr gespiegelt als da ist. Wie kann das<br />
sein? Welche Kräfte hat der See? Es sind<br />
Metaphern der eigenen Abgründe.<br />
Dort Menschen zu begegnen, die einen<br />
mit dem eigenen Selbst konfrontieren.<br />
© Kathrin Karras, (O.i.F.) © Kathrin Karras, (O.i.F.)<br />
Kathrin Karras stellt sich in ihren Frauenfiguren<br />
dar. Es sind existenzielle Situationen<br />
aus dem Tiefkühlfach ihres Unterbewusstseins,<br />
die sich ins kryptische<br />
Verlies ihrer Erinnerungen einfroren.<br />
Die Fotografin deutet in ihren Bildern<br />
an und lässt die Dinge offen.<br />
Der Betrachter kann seinen Weg allein<br />
ins Bild finden.<br />
Was haben diese Bilder mit Kino zu<br />
tun?<br />
Jeder Mensch trägt viele Erinnerungen<br />
in seinem Unterbewusstsein, von<br />
denen er nichts ahnt. Durch bildliche<br />
Spiegelungen nimmt er sie überhaupt<br />
erst wahr.<br />
Genau das stellt Kathrin Karras dar.<br />
Karras zeigt Kino im ursprünglichen<br />
Sinn. Ihre Projektionen sind ihre eigenen<br />
Geschichten. Bei ihr sind Bilder<br />
Bewusstseinsräume, in denen ein Licht<br />
aufgeht.<br />
Jeder von uns ist hier um etwas zu<br />
lernen. Und sei es die Überwindung<br />
der Angst.<br />
Gundula Schulze Eldowy, 2011<br />
Kathrin Karras<br />
1967 in Guben geboren<br />
1984-2003 Ausbildung, Satztechnik mit<br />
Abitur und verschiedene Tätigkeiten<br />
2003 Geburt Tochter Louise<br />
2005/2006 Ausbildungsklasse Fotografie,<br />
»imago-fotokunst« Berlin, künstlerische<br />
Leitung Ursula Kelm<br />
2006-2010 fortlaufendes autodidaktisches<br />
Studium Fotografie, Mentorin:<br />
Ursula Kelm, Gundula Schulze<br />
Eldowy, verschiedene Seminare u.a.<br />
bei Helga Paris, Donata Wenders,<br />
Göran Gnaudschun,Nadin M. Rüfenacht,<br />
Thomas Kierock, Valerie Wagner,<br />
Anneke de Boer<br />
2007-2009 »Jugend-Förderpreis für Bildende<br />
Kunst«<br />
Anerkennung der Sparkasse Spree-<br />
Neiße, Cottbus<br />
Anerkennung bei der 8. Internationalen<br />
Barnack Biennale<br />
Arbeits- und Lebensmittelpunkt Grüneberg<br />
(Brandenburg/Oberhavel)<br />
Vernissage<br />
31. Januar <strong>2014</strong>, 19 Uhr<br />
1. Februar bis 7. März <strong>2014</strong><br />
imago fotokunst<br />
Linienstraße 145<br />
10115 Berlin-Mitte<br />
Di – Fr<br />
Sa<br />
12 – 19 Uhr<br />
14 – 18 Uhr<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
23
Galerien<br />
Philipp Keel<br />
»Splash«<br />
CAMERA WORK freut sich, ab dem<br />
7. Dezember 2013 eine Einzelausstellung<br />
von Philipp Keel zu präsentieren.<br />
Die Ausstellung »Splash« zeigt eine<br />
exklusive Auswahl an Photoarbeiten<br />
des Künstlers und lädt dazu ein, sein<br />
spannendes Oeuvre zu entdecken, welches<br />
konzeptuelle mit abstrakter Photokunst<br />
vereint. Über 100 Millionen Bilder<br />
werden weltweit täglich auf Facebook<br />
hochgeladen, die Zahl der gemachten<br />
Photos in Deutschland beläuft sich auf<br />
über 200 Millionen – pro Tag. Diese Entwicklung<br />
und die bewusste kritische<br />
Auseinandersetzung damit sind Ausgangspunkt<br />
des konzeptuellen Selbstverständnisses<br />
des Künstlers Philipp<br />
Keel. Versteht man die schiere Flut an<br />
Bildern als eine mediale Parallelrealität,<br />
die zumeist die Wirklichkeit zu konservieren<br />
versucht, so sind die Arbeiten<br />
von Philipp Keel als bewusster Antagonismus<br />
dessen zu verstehen: persönlich,<br />
paradox, querdenkerisch.<br />
»Das Glück in meiner Arbeit ist nicht,<br />
dass mir ein Motiv begegnet, sondern<br />
dass ich in diesem entscheidenden<br />
Augenblick auch eine Kamera bei mir<br />
habe. Danach werde ich vom Sammler<br />
von Impressionen zum Experimentierenden.«<br />
– Philipp Keel<br />
Philipp Keel hat nicht vor, die pure Realität<br />
abzubilden. Vielmehr verändert er<br />
durch bewusste Überspannung, Verzerrung,<br />
aber auch Reduktion die sichtbare<br />
Wirklichkeit – er suggeriert Realität,<br />
um dadurch den Blick des Betrachters<br />
darauf zu schärfen. Um das verrückte<br />
Leben zum Leben zu erwecken, wird<br />
bei Philipp Keel also das Normale verrückt.<br />
Diese Überzeichnung – seien es<br />
die Formen von Seerosenblättern oder<br />
die Farbenspiele der Sierra Nevada, wie<br />
sie nur Ray-Ban sehen kann – fordert<br />
das rezipierende Subjekt dazu auf, die<br />
Faszination einer subjektiven Deutung<br />
der Realität zu erfahren. Aus Licht und<br />
Form entsteht Kunst – für Philipp Keel<br />
sind beide unabdingbare und aufeinander<br />
abzustimmende Elemente. Nicht<br />
© Philipp Keel, »Shark«, (Original in Farbe)<br />
zuletzt in Arbeiten, die in den Mikrokosmos<br />
des täglichen Lebens eindringen<br />
und aus teils skurrilen Trivialitäten<br />
Photokunstwerke vollendeter Schönheit<br />
werden lassen, spiegelt sich dies ästhetische<br />
Bewusstsein wider. So wird aus<br />
der Fruchtfleischstruktur einer Melone<br />
im Spiel mit ihren Kernen in der Serie<br />
»Watermelon Seeds« eine intensive<br />
Erfahrung von Farben und Formen. Der<br />
Grad des Abstrahierens wird dabei stets<br />
bis zu einer Schwelle getragen, an der<br />
die Rezeption und das subjektive Verarbeiten<br />
des Abgebildeten samt dessen<br />
(ir-)realer Ästhetik ungehindert möglich<br />
sind. Es bleibt, was es bleibt, nur<br />
anders.<br />
Die Verfremdung als ästhetisches Werkzeug<br />
ist nicht Inhalt, sondern Mittel.<br />
Sichtbar wird diese Anpassung von Form<br />
und Farbe etwa beim Werk »Below the<br />
Surface«. Nicht unwesentlich geprägt<br />
durch seine Zeit im kalifornischen Los<br />
Angeles, ist Wasser als wiederkehrendes<br />
Element im Oeuvre von Philipp Keel<br />
auch in der Werkgruppe »Air Mattress«<br />
wiederzufinden. Eindrucksvoll zeigt die<br />
Serie, wie durch einen besonderen Ausschnitt,<br />
dynamische Lichtreflektionen<br />
oder farbliche Veränderungen unterschiedliche<br />
Erfahrungen beim Betrachten<br />
der Arbeiten ausgelöst werden<br />
können, von aufwühlend über erregend<br />
bis hin zu beruhigend und der Auslösung<br />
synästhetischer Wirkungen.<br />
© Philipp Keel, »Beloe the Surface«, (O.i.F.)<br />
Auf jegliche vorherige Inszenierung<br />
verzichtend und nicht darauf bedacht,<br />
ein Motiv aufgrund dessen ästhetischer<br />
oder referentieller Funktion auszuwählen,<br />
setzt der Künstler den Beginn<br />
eines Werkes stets in jenem Zeitpunkt,<br />
in dem ihn ein ergreifender Moment<br />
einholt: beim Autofahren, Schwimmen<br />
oder Sinnieren. In diesem besonderen<br />
Augenblick der Erfahrung lässt sich Philipp<br />
Keel treiben und kreiert das Abbild<br />
seines Empfindens. Damit beherbergt<br />
jede Arbeit eine autobiographische<br />
Facette, ist somit Reflektion seiner eigenen<br />
Wahrnehmung und seiner selbst<br />
24 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Galerien<br />
© Philipp Keel, »Sierra Sunset«, (Original in Farbe)<br />
© Philipp Keel, »Hotel Le Dune«, (O.i.F.)<br />
© Philipp Keel, »Crow«, (Original in Farbe)<br />
und gewährt dem Betrachter einen intimen<br />
Einblick. Die anschließende Phase<br />
im Entstehungsprozess ist von einer subtilen<br />
Verfremdung bis hin zur Abstraktion<br />
gekennzeichnet. Mit einer eindringlichen<br />
Hingabe zum Detail wird der auf<br />
den Träger »projizierte« Moment nach<br />
ästhetischen Empfindungen weiterentwickelt,<br />
eine Phase, die bis zu einem<br />
Jahr in Anspruch nehmen kann, bis die<br />
Gestalt erreicht ist, die den Künstler endlich<br />
ruhen lässt.<br />
Über Philipp Keel<br />
1968 in Zürich geboren, arbeitete sich<br />
bei Philipp Keel bereits in früher Kindheit<br />
ein starkes Interesse zu den bildenden<br />
Künsten heraus. Im Jugendalter<br />
begegnete er erstmals dem Medium<br />
der Photographie als künstlerisches Ausdrucksmittel.<br />
Nach einer Ausbildung<br />
am Berklee College of Music in Boston<br />
gründete Philipp Keel in der Schweiz<br />
eine kleine Werbagentur, auch um die<br />
Unabhängigkeit seines Kunstschaffens<br />
zu gewährleisten, bevor er an der Münchener<br />
Hochschule für Fernsehen und<br />
Film Regie studierte. Die anschließend<br />
in Kalifornien verbrachte Lebensphase<br />
prägte sein künstlerisches Schaffen<br />
nachhaltig. Er etablierte sich in dieser<br />
Zeit als Künstler, Filmemacher sowie<br />
Autor, schrieb u.a. den Bestseller »All<br />
about Me« und begann sich intensiv mit<br />
Farbphotographie auseinanderzusetzen.<br />
Die Kooperation mit dem Printer Don<br />
Weinstein – der auch mit Künstlern wie<br />
Richard Avedon, Annie Leibovitz und<br />
Helmut Newton zusammenarbeitete –<br />
öffnete Philipp Keel einen experimentellen<br />
Raum, in dem er seine eigene<br />
Bildsprache herausarbeiten konnte.<br />
Im Alter von 27 Jahren entwickelte er<br />
zusammen mit Epson die Imbue Prints –<br />
eine bis heute unter Künstlern weit verbreitete<br />
Drucktechnik, die auch Grundlage<br />
zum persönlichen Anspruch höchster<br />
Qualität für Papier, Prints und Rahmungen<br />
ist. Neben zahlreichen Ausstellungen<br />
weltweit war Philipp Keel im Jahr<br />
2001 auch mit einer Einzelausstellung<br />
auf der Art Basel vertreten, in der weltweit<br />
erstmals Imbue Prints präsentiert<br />
wurden. Seit 1999 erschienen zudem<br />
mit »Look at Me«, »Color« und »Aisa<br />
– Images from an Imaginary Continent«<br />
drei hochwertige Photobücher zum<br />
photographischen Oeuvre des Künstlers.<br />
Philipp Keel lebt bis heute sein<br />
künstlerisches Schaffen über die Photokunst<br />
hinaus auch in weiteren Gattungen<br />
der bildenden Künste wie Malerei<br />
oder in Zeichnungen aus. Nach dem<br />
Tod seiner Mutter, der Malerin Anna<br />
Keel, und seines Vaters, dem Verleger<br />
Daniel Keel, leitet Philipp Keel seit 2012<br />
den Diogenes Verlag.<br />
bis 22. Februar <strong>2014</strong><br />
Galerie Camera Work<br />
Kantstraße 149<br />
10623 Berlin-Charlottenburg<br />
Di – Sa<br />
11– 18 Uhr<br />
Homepage:<br />
www.camerawork.de<br />
Facebook:<br />
www.facebook.com/cameraworkberlin<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
25
Galerien<br />
»Sommer-Akt-<br />
Fotoshooting in der<br />
Remise«<br />
»TABU«<br />
Sörens Horn<br />
»Look, I‘m naked«<br />
Hans Cebulski und<br />
Manfred Wegener<br />
Mitglieder des Arbeitskreises für künstlerische<br />
Aktfotografie<br />
Die Dezember-Januar-Ausstellung<br />
2013/14 »Sommer-Akt-Fotoshooting in<br />
der Remise« ist das Ergebnis eines alljährlich<br />
stattfindenden Gemeinschafts-<br />
Fototermins von Mitgliedern und Freunden<br />
des Arbeitskreises künstlerische<br />
Aktfotografie e.V. In diesem Jahr fand<br />
diese als Indoor-Veranstaltung Ende<br />
August 2013 statt.<br />
Location war eine Remise in Berlin-<br />
Spandau – einem 3-stöckigen Wohn-<br />
Fotostudio, u.a. ausgestattet mit Requisiten<br />
der Berliner Fetisch-Szene.<br />
Diese Ausstellung präsentiert nun die<br />
ausgewählten Bildideen dieser kreativen<br />
Zusammenarbeit jedes Fotografen<br />
mit jedem Modell in jedem der sehr<br />
unterschiedlich gestalteten Räumlichkeiten.<br />
Zu diesem Ereignis ist die Galerie Freitag<br />
von 16 - 20 Uhr und am Samstag und<br />
Sonntag von 14 - 20 Uhr geöffnet. Die<br />
Vernissage ist am Freitag, den 31. Januar<br />
<strong>2014</strong> um 19 Uhr und ist eine geschlossene<br />
Veranstaltung, zu der sich Interessenten<br />
bitte bis zum 20. Januar <strong>2014</strong><br />
anmelden, da der Platz begrenzt ist.<br />
Anmeldungen zur Vernissage bitte unter:<br />
E-Mail soerens_horn@web.de<br />
Die Vernissage wird diesmal mit einigen<br />
Überraschungen bestückt sein.<br />
Vernissage:<br />
31. Januar <strong>2014</strong>, 19 Uhr<br />
Unter dem Titel, »Schau her, ich bin<br />
nackt« zeigen Hans Cebulski und<br />
Manfred Wegener eine kaleidoskopische<br />
Show künstlerisch inszenierter,<br />
intimer Porträts von selbstbewussten<br />
Frauen.<br />
Die Aufnahmen entstanden im Studio,<br />
in der Natur und an ungewöhnlichen<br />
Orten. Beeindruckend ist die erotische<br />
Ausstrahlung und Kraft ihrer schonungslos<br />
ehrlichen Bilder.<br />
Vernissage:<br />
7. Februar <strong>2014</strong>, 19 Uhr<br />
© Hans Cebulski, (Original in Farbe)<br />
7. Februar <strong>2014</strong> bis 2. März <strong>2014</strong><br />
© Jochen Deckert, (Original in Farbe)<br />
© Sörens Horn, (Original in Farbe)<br />
bis 26. Januar <strong>2014</strong> 31. Januar <strong>2014</strong> bis 2. Februar <strong>2014</strong><br />
(nur 1 Wochenende!)<br />
Die Aktgalerie<br />
Krossener Straße 34<br />
10245 Berlin- Friedrichshain<br />
Fr., Sa., So.<br />
16 – 20 Uhr<br />
26 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Galerien<br />
Uwe Glanz<br />
»Stadtbilder von 1989<br />
bis 2012«<br />
Uwe Glanz, 1956 in Berlin geboren,<br />
erlernte den Beruf eines Elektromonteurs.<br />
Der Wunsch, Situationen, Personen<br />
fotografisch festzuhalten entstand<br />
schon früh. Die Gelegenheit, dies auch<br />
umzusetzen ergab sich, als anfang der<br />
80er Jahre im Jugendclub Impuls, im<br />
Prenzlauer Berg, ein Fotoclub gegründet<br />
wurde, den erst Roland Hensel und<br />
später Jürgen Nagel leiteten. Später vervollkommnete<br />
Glanz seine Fähigkeiten<br />
in Seminaren der Ostkreuzschule<br />
für Fotografie bei Michael Trippel und<br />
Werner Mahler.<br />
© Uwe Glanz<br />
Großes Interesse zeigte Uwe Glanz an<br />
der Straßenfotografie. Dies sei, so sagt<br />
er, eine ergiebige Möglichkeit der Wirklichkeit<br />
nachzuspüren und einer Gesellschaft<br />
auf den Zahn zu fühlen.<br />
So beschäftigt sich auch ein Teil der präsentierten<br />
Bilder mit den letzten Monaten<br />
der DDR, der »Wende« und der Zeit<br />
der Hoffnungen auf weitgehende Änderungen.<br />
Eine Reihe von Fotos stellt das Tun und<br />
Treiben im ehemaligen Todesstreifen,<br />
der zum Lebensstreifen wurde, dar.<br />
Im letzten und größten Teil begleitet<br />
Uwe Glanz in Farbe und Schwarz-Weiß<br />
die Entwicklung in einer Zeit der »Normalität«.<br />
Er beobachtet die Menschen im Regierungsviertel,<br />
am Hauptbahnhof, im<br />
Mauerpark, in Prenzlauer Berg und in<br />
Mitte und versucht ihre Befindlichkeiten<br />
einzufangen.<br />
Die Bilder zeigen, wie sich im Mauerpark<br />
der Rest einer guten Idee vom<br />
Lebensstreifen, eines Ortes mit einer<br />
besonderen Atmosphäre zu halten versucht.<br />
Das Regierungsviertel – Beton gewordene<br />
Macht, groß und unterkühlt, zeigt<br />
sich trotzdem anziehend für Touristen<br />
und Sonntagsspaziergänger.<br />
© Uwe Glanz<br />
Im Hauptbahnhof – der »Durchgangstür«<br />
Berlins, zeigt Glanz das Kommen<br />
und Gehen in gigantischer Architektur,<br />
an einem Ort des ständigen Nicht-<br />
Seins.<br />
Die Mischung, zu der auch Plakate und<br />
Graffitis gehören, ist es, die Glanz fasziniert.<br />
So ist er unterwegs um sich ein<br />
Bild vom Leben in Berlin zu machen,<br />
dass er uns darbietet.<br />
Vernissage<br />
16. Januar <strong>2014</strong>, 19 Uhr<br />
17. Januar bis 28. Februar <strong>2014</strong><br />
Fotogalerie Friedrichshain<br />
Helsingforser Platz 1<br />
10243 Berlin-Friedrichshain<br />
Di, Mi, Fr, Sa<br />
Do<br />
14 – 18 Uhr<br />
10 – 18 Uhr<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
27
Galerien<br />
»IDENTITY LOST«<br />
ein fotografisches<br />
Projekt von der<br />
dänisch-norwegischer<br />
Fotokunstgruppe<br />
VINGESUS<br />
Die Fotokunstgruppe VINGESUS arbeitet<br />
im Spannungsfeld zwischen Fiktion<br />
und Wirklichkeit.<br />
Die Gruppe versucht sowohl mit experimentierenden<br />
als auch mit konventionellen<br />
Ausdrucksformen eine Bildsprache<br />
zu schaffen, wo Fiktion und Wirklichkeit<br />
zu einer neuen Einheit zusammenschmelzen.<br />
Die Fotokunstgruppe VINGESUS sucht<br />
weder Harmonie noch Schönheit. Sie<br />
sucht die Artikulation und will damit<br />
zeigen, wie die Fotografie sich in neuen<br />
Bereichen ausdrücken kann.<br />
Die Mitglieder der Fotokunstgruppe<br />
VINGESUS:<br />
Dorte Bundesen<br />
Arbeitet mit Menschen und Kommunikation<br />
als Zentrum in ihren Werken. Ihre<br />
Werke haben oft eine religiöse Dimension.<br />
Nicht so sehr im christlichen Verstand,<br />
sondern als eine Bereitschaft einzutauchen<br />
in den uralten Wunsch des<br />
Menschen eine drohende Umwelt zu<br />
verstehen. Darum findet man oft Verweise<br />
auf das gesamte Repertoire von<br />
Symbolen und magischen Kultgegenständen,<br />
die Menschen schon immer<br />
verehrt haben und die die Grundlage<br />
aller Kunst bilden. Mit einer Kombination<br />
aus Zeichnung – das ist ihr künstlerischer<br />
Ausgangspunkt – und Foto, das<br />
ist ihre anderes Medium, schildert sie<br />
den Menschen als ein suchendes und<br />
untersuchendes, verwirrtes und einsames,<br />
gebendes und vergebendes und<br />
manchmal siegendes Individuum. In<br />
diesem Spannungsfeld wird unser Anerkennung<br />
und Sehnsucht untersucht und<br />
das Erreichen der Identität.<br />
Die dänisch-norwegische Fotokunstgruppe<br />
VINGESUS (»Flügelschwirren«)<br />
untersucht in ihrem Projekt »Identity<br />
Lost« die Begriffe Transformation und<br />
den Verlust der Identität mit dem Ausgangspunkt<br />
in diesen Gedanken.<br />
Die Gruppe zeigt in einer Mischung aus<br />
Realität und fotografischer Fiktion, wie<br />
Identität und etablierte Wahrheit aufgelöst<br />
werden können und zu einer neuen<br />
Interpretation der Wirklichkeit werden.<br />
Die Mitglieder der Fotokunstgruppe<br />
VINGESUS arbeiten mit der Fotografie<br />
als künstlerisches Ausdrucksmittel in<br />
allen Schattierungen.<br />
Für die Mitglieder der Gruppe sind Fotoapparat<br />
und digitale Bildbearbeitung die<br />
Werkzeuge in einem kreativen Prozess<br />
wie Pinsel und Leinwand Werkzeuge<br />
von Malern und Noten Werkzeuge von<br />
Komponisten sind.<br />
Gemeinsam besteht der Wunsch einen<br />
Eindruck zu schaffen und zu vermitteln,<br />
trotz der verschiedenen Richtungen der<br />
Fotokunst.<br />
Ob das mit Hilfe der einen oder anderen<br />
Technik geschieht, ist ohne Bedeutung.<br />
Es ist das Resultat und nur das Resultat,<br />
was zählt.<br />
Die einzigartige Eigenschaft der Fotografie,<br />
im Vergleich mit anderen Kunstarten<br />
ist die präzise Registrierung eines<br />
Objektes. Diese Eigenschaft weist sich<br />
jeder Fotograf zu Nutzen zu machen.<br />
Jedoch für die Fotokunstgruppe VING-<br />
ESUS beginnt der Prozess erst richtig<br />
hier.<br />
Annemette Rosenborg Eriksen<br />
Annemettes Arbeiten konzentrieren sich<br />
auf die poetischen und wehmütigen<br />
Schilderungen von Menschen und der<br />
vom Menschen geschaffenen Umwelt.<br />
Mit Sorgfalt und Anmut malt sie ihre<br />
Tableauer mit der Kamera als wäre diese<br />
ein Pinsel. Die Menschen die sie schildert,<br />
stellt sie eingeschlossen in sich<br />
oder ihre Umgebung da. Die Natur wird<br />
mit Eis bedeckt oder unter Wasser dargestellt.<br />
Ab und zu, wie ein Gegensatz,<br />
zeigt sich eine ungezähmte Wildheit<br />
in ihren Bildern und der Wunsch nach<br />
Freiheit taucht auf – in ungewohnt heftigen<br />
und warmen Farben, wie Feuer.<br />
© Annemette Rosenborg Eriksen<br />
© Dorte Bundesen<br />
Else Vinæs<br />
Else arbeitet mit der menschlichen<br />
Anwesenheit oder auch Abwesenheit<br />
in einer konstruierten Wirklichkeit. Die<br />
Realität im Raum wird aufgehoben und<br />
der Mensch zeigt sich als einziger wirklicher<br />
Bezugspunkt für den Zuschauer.<br />
Dieser ist im Zentrum sowohl durch<br />
seine Anwesenheit als auch durch seine<br />
Abwesenheit. Farben werden dazu<br />
gebraucht Stimmungen und Gefühle<br />
hervorzuheben, ob es die schneiden<br />
schönen oder eklatanten provozierenden<br />
sind. Formen und Inhalt suchen die<br />
Zusammenarbeit zu einer bedeutungsvollen<br />
Einheit.<br />
Erik Jørgensen<br />
Erik arbeitet mit dem Mensch im Zentrum.<br />
Der Mensch wird gut oder böse<br />
dargestellt oft mit einem Augenzwinkern<br />
und einer ironischen Distanz,<br />
andere Male mit völliger Empathie und<br />
grosser Sensibilität. Manchmal in grellen<br />
Farben, dann wieder in harmonischen<br />
und schönen Farben. Wir können<br />
die Personen als Bilder unserer selbst<br />
sehen und lachen oder weinen oder<br />
beides gleichzeitig. Und wir können<br />
zuschauen und uns auf die Geschichte<br />
der Umgebung beziehen und vielleicht<br />
etwas mehr über uns selbst und unsere<br />
Umgebung lernen. Die Bilder wollen so<br />
28 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Galerien<br />
© Jesper Bo Jensen<br />
© Else Vinæs<br />
viel – sie wollen uns provozieren und<br />
uns nachdenken lassen und sie wollen<br />
unsere Gefühle treffen und hinterfragen<br />
wer wir sind und wer wir seien wollen.<br />
Jesper Bo Jensen<br />
Jesper arbeitet mit der Grenze zwischen<br />
Wirklichkeit und Fiktion. Mit dem verwischen<br />
und weichmachen der Konturen<br />
und der Farben verschieben sich<br />
die Bilder in einen Raum, wo die Fantasie<br />
ins Spiel kommt und die Realität<br />
in Frage gestellt wird. Er manipuliert<br />
die Wahrnehmung der realen Welt<br />
und weckt damit bei dem Zuschauer die<br />
Lust und die Möglichkeit neue Perspektiven<br />
seines Erlebens der Wirklichkeit. Er<br />
ist besonders von der Stadt eingenommen,<br />
deren Räume und Leben in einem<br />
weichen Licht geschildert werden. Der<br />
Zuschauer wird mit einem Eindruck<br />
zurückgelassen, der intensiv und sinnlich<br />
ist. Ein Stadtraum, in dem man eintreten<br />
möchte.<br />
Josephine Ernst<br />
Josefine schafft ihre ganz eigenen Räume<br />
mit einer Mischung aus Natur und Kultur.<br />
Die Räume ruhen. Sie sind menschenleer<br />
obwohl man spürt, dass Menschen<br />
hier mal gewesen sind oder eines Tages<br />
kommen werden. Die Räume sind ruhig<br />
ein wenig nebelig und genügen sich<br />
selbst und doch haben die Menschen<br />
ihre Spuren hinterlassen. Der Betrachter<br />
wundert sich, wer wohl die Spuren<br />
hinterlassen hat, die wir finden, und<br />
wer sie wohl eines Tages ändern wird.<br />
Die Natur ist ein Partner, kein Gegner<br />
und fügt der von Menschen geschaffenen<br />
Umgebung Stoff und Struktur zu.<br />
Es sind Räume, die man gerne betreten<br />
möchte um sie zu erforschen und sie<br />
dann klüger zu verlassen wer man ist.<br />
Peder Brødstedt Pedersen<br />
Peders Bilder sind von Stimmungen und<br />
fliessenden Übergängen geprägt. Organische<br />
Produkte aus unserer gewohnten<br />
und vertrauten Umgebung werden<br />
einbezogen und umgewandelt in einen<br />
etwas abenteuerlichen, manchmal<br />
sogar sinnlichen Ausdruck. Eine Fantasiewelt,<br />
geschaffen durch sehr konkrete<br />
und erkennbare Elemente aus unserem<br />
Alltag wird zu nicht erkennbaren<br />
Elementen in einem Ganzen, welche<br />
unsere Fantasie anregt.<br />
© Josephine Ernst<br />
Tor Einstabland<br />
Tor wird als ein Mensch beschrieben,<br />
der schwer einzuschätzen ist und aus<br />
dem man nicht klug wird. Seine Figuren<br />
sind unscharf, undeutlich, flüchtig<br />
und auf dem Sprung. Der Betrachter<br />
wird gefangen in der Jagd nach der<br />
Identität seiner Personen, wird neugierig<br />
und bekommt Lust sowohl die<br />
Person als auch die Umgebung die sie/<br />
ihn umgibt zu untersuchen. Die Farben<br />
und Formen sind in vollendeter Harmonie<br />
und betonen ein Gefühl von Einsamkeit<br />
und Suchen, welche des Betrachters<br />
eigene Suche nach Identität provozieren<br />
und wecken. Man wird mit der<br />
Frage nach etwas oder jemand zurückgelassen,<br />
aber auch mit etwas Unruhe<br />
und Freude.<br />
Vernissage<br />
20. März <strong>2014</strong>, 19 Uhr<br />
21. März bis 2. Mai <strong>2014</strong><br />
Fotogalerie Friedrichshain<br />
Helsingforser Platz 1<br />
10243 Berlin-Friedrichshain<br />
Di, Mi, Fr, Sa<br />
Do<br />
14 – 18 Uhr<br />
10 – 18 Uhr<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
29
Galerien<br />
Fred Stein<br />
»Im Augenblick«<br />
Ein Augenblick kann entscheidend sein<br />
– im Leben wie in der Fotografie. Für<br />
den Fotografen Fred Stein waren es<br />
diese kurzen Momente, die sein Leben<br />
bestimmten, persönlich wie beruflich.<br />
Als Sohn eines Rabbiners 1909 in<br />
Dresden geboren, wurde der überzeugte<br />
Sozialist Fred Stein nach der<br />
Machtergreifung der Nationalsozialisten<br />
gezwungen, seine Position als Jurist<br />
aufzugeben und Deutschland zu verlassen.<br />
1933 konnte er unter dem Vorwand<br />
einer Hochzeitsreise mit seiner Frau Lilo<br />
nach Paris fliehen. Dort stand er vor der<br />
Herausforderung, aus dem Nichts eine<br />
neue Existenz aufbauen zu müssen. Eine<br />
Kleinbildkamera der Marke Leica, die<br />
sich Fred und Lilo Stein gemeinsam zur<br />
Hochzeit schenkten, gab den entscheidenden<br />
Impuls: Die Fotografie wurde<br />
seine neue Profession.<br />
In Paris konnte Fred Stein nach kurzer<br />
Zeit ein eigenes Fotostudio einrichten.<br />
Bereits ab 1935 beteiligte er sich an<br />
mehreren Ausstellungen, zusammen<br />
mit namhaften Fotografen wie Brassaï,<br />
Man Ray, Dora Maar und André Kertész.<br />
Nach Ausbruch des Krieges gelang dem<br />
Ehepaar, nun mit gemeinsamer Tochter,<br />
erneut die Flucht.<br />
1941 erreichten sie mit einem der letzten<br />
Schiffe New York. Dort nahm Fred<br />
Stein die Fotografie wieder auf und<br />
nutzte, neben der Leica, eine Mittelformatkamera<br />
der Marke Rolleiflex. Die<br />
einfache Handhabung dieser Kameras<br />
ermöglichte es ihm, durch die Straßen<br />
zu flanieren und die Stadt und ihre Menschen<br />
in kurzen aber entscheidenden<br />
Augenblicken festzuhalten. Zeit seines<br />
Lebens konzentrierte er sich auf Straßenansichten<br />
und Porträts.<br />
Die Ausstellung zeigt das Werk Fred<br />
Steins erstmalig umfassend in Deutschland.<br />
In mehr als 130 Schwarz-Weiß-<br />
Fotografien werden Straßenansichten<br />
aus Paris und New York sowie Porträts<br />
präsentiert. Darüber hinaus veranschaulichen<br />
private Dokumente sowie<br />
Original- und Kontaktabzüge Biografie<br />
und Werk des Fotografen.<br />
Soziologie der Straße<br />
»Du hast nur diesen einen Moment. Wie<br />
ein Jäger, der sein Ziel anvisiert, wartest<br />
du auf den Augenblick, der aussagekräftiger<br />
ist als alle anderen.« (Fred Stein)<br />
In den Städten seiner Emigration – in<br />
den 1930er Jahren in Paris und ab den<br />
1940er Jahren in New York – fotografierte<br />
Fred Stein unzählige Straßenansichten,<br />
darunter auch Aufnahmen der<br />
jüdischen Viertel.<br />
Neben klassischen Motiven der beiden<br />
Metropolen, entstanden zahlreiche<br />
Milieustudien und Charakterbilder. Sie<br />
stehen in einem soziologischen Kontext<br />
von Armut und einfachem Leben in der<br />
Stadt und zeigen Straßenarbeiter, Verkäufer,<br />
Obdachlose und Familienszenen.<br />
Fred Steins Blick verbindet das Alltägliche<br />
mit einem Sinn für den außergewöhnlichen<br />
Moment. Ebenso fällt sein<br />
Humor ins Auge, den er in seinen Bildern<br />
häufig aufblitzen lässt.<br />
Psychologie des Porträts<br />
»Die Kamera unterscheidet nicht zwischen<br />
Berühmtheiten und einem Niemand,<br />
zwischen einem guten Freund<br />
und einem völlig Fremden, wenn sich<br />
der Verschluss öffnet.« (Fred Stein)<br />
.<br />
Volksfront, Paris 1936, © Estate of Fred Stein<br />
Zeitungshut, New York 1946,<br />
© Estate of Fred Stein<br />
Hydrant, New York 1947, © Estate of Fred Stein<br />
bis 23. März <strong>2014</strong><br />
Jüdisches Museum<br />
Libeskind-Bau EG<br />
Eric F. Ross Galerie<br />
Lindenstraße 9-14<br />
10969 Berlin-Kreuzberg<br />
Mo<br />
10 – 22 Uhr<br />
Di – So 10 – 20 Uhr<br />
Eintrittspreise:<br />
Museumsticket regulär: 7 Euro<br />
Museumsticket ermäßigt: 3,50 Euro<br />
Kinder bis 6 Jahre: Eintritt frei<br />
Familienticket (2 Erwachsene, bis zu<br />
4 Kinder): 12 Euro<br />
30 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Galerien<br />
Léa Habourdin<br />
»Cahier de<br />
Doléances«<br />
»Book of Possibilities«<br />
»Der Mensch ist ein Tier, das sich<br />
seiner eigenen Hilflosigkeit zuwenden<br />
kann.«*<br />
© Léa Habourdin © Léa Habourdin<br />
Die französische Fotografin Lea Habourdin<br />
stellt mit »Cahier de Doléances«<br />
und »Book of Possibilities« zwei ihrer<br />
Arbeiten in der Galerie exp12 - exposure<br />
twelve aus: In Ihrer Arbeit geht es<br />
um das Spannungsverhältnis zwischen<br />
dem instinktiven, triebhaften Verhalten<br />
der Tiere und dem menschlichen Sozialverhalten,<br />
welches von den Regeln der<br />
Vernunft innerhalb unserer Gesellschaft<br />
bestimmt wird. In ihren Bildern vermischt<br />
Lea Habourdin Körper, Körperdetails,<br />
Schnitte oder Markierungen auf<br />
der Haut mit Darstellungen von Tieren,<br />
die oft nur schemenhaft zu erkennen<br />
sind oder sich abwenden; sie sammelt,<br />
verbindet und assoziiert. Sie zerschneidet<br />
Fotografien, die zu Metaphern für<br />
physiologische Phänomene innerhalb<br />
des Körpers werden; es geht um einen<br />
Zustand, der manchmal unkontrolliert<br />
erscheint, in welchem der Mensch<br />
handlungsunfähig ist oder sich in einem<br />
ambivalenten Zustand treiben lässt.<br />
Die Arbeit von Léa Habourdin wurde<br />
bereits im Juni 2012 als Teil der Projektion<br />
The Flood Wall I bei exp 12<br />
gezeigt. Zum ersten Mal werden nun<br />
zwei Serien von Léa Habourdin innerhalb<br />
einer Einzelausstellung gezeigt:<br />
»Cahier de Doléances« (»Beschwerdeheft«<br />
/ »Register of grievances«) & »Book<br />
of Possibilities« (»Buch der Möglichkeiten«).<br />
»Cahier de Doléances« nannte man<br />
zur Zeit des »Ancien Régime« in Frankreich<br />
eine Liste von Wünschen oder<br />
Beschwerden, die an den König weitergereicht<br />
wurden. Bei Léa Habourdin<br />
kann es als ein Buch der Klagen, Strafen,<br />
Erinnerungen oder sogar als Aufgabenheft<br />
verstanden werden.<br />
Gedanken und Bilder, Zeichnungen und<br />
Fotografien, Gegensätze und Verbindungen<br />
wurden in der zweiten Arbeit,<br />
dem »Book of Possibilities«, in Form<br />
eines Skizzenbuches gesammelt. Dieses<br />
Buch ist eine frühere Arbeit und gilt als<br />
ein notwendiger Vorläufer, um die spätere<br />
Serie »Cahier de Doléances« zu<br />
entwickeln und zu vertiefen. Die beiden<br />
Serien werden nun erstmalig in Form<br />
eines Dialogs im Raum für Fotografie<br />
exp12 - exposure twelve präsentiert.<br />
Léa Habourdin ist eine französische<br />
Künstlerin, die an der Schule für Fotografie<br />
in Arles (École Nationale Supérieure<br />
de la Photographie d’Arles / ENSP) studiert<br />
hat. Ihre Arbeiten wurden auf Festivals<br />
wie Les Boutographies in Montpellier,<br />
Voies-off in Arles, dem Phnom<br />
Penh Photo Festival, dem Lianzhou Foto<br />
Festival und dem Kaunas Photo Festival<br />
(Auswahl) ausgestellt. Die Serie »Cahier<br />
de Doléances« wurde beim Boutographies<br />
Photo Festival 2011mit dem 1st<br />
Prize prämiert. Sie hat eine Anerkennung<br />
bei der Bourse du Talent sowie den<br />
1st Young Talented Photograph Prize von<br />
Express -Style bekommen.<br />
*Giorgio Agamben- Sur ce que nous pouvons ne<br />
pas faire (Über das, was wir nicht tun können )-<br />
Nudités- Payot Rivages 2009<br />
http://www.leahabourdin.com<br />
Vernissage:<br />
7. März <strong>2014</strong> um 19 Uhr<br />
© Léa Habourdin<br />
8. März bis 6. April <strong>2014</strong><br />
exp 12 / exposure twelve<br />
Greifswalder Straße 217<br />
10405 Berlin-Prenzlauer Berg<br />
Sa 16 – 20 Uhr<br />
So 14 – 18 Uhr<br />
www.exp12.com<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
31
Galerien<br />
Francis Ducreau<br />
»Stadt der Menschen -<br />
Menschen der Stadt«<br />
Eine Stadt ausdrücken. Ihr Wesen erfassen.<br />
© Francis Ducreau, (Original in Farbe)<br />
© Francis Ducreau, (Original in Farbe)<br />
Muss man dafür die Größe ihrer Bauwerke<br />
hervorheben, den Charme ihrer<br />
Straßen, die Farbe ihrer Gewässer, das<br />
Wegenetz der Tram? Oder sollte man<br />
versuchen, die geheimen Seiten der<br />
Stadt ans Licht zu bringen?<br />
All dies wäre möglich. Francis Ducreau<br />
hat jedoch einen ganz anderen<br />
Weg gewählt.<br />
Der Fotograf, der seit 25 Jahren in Berlin<br />
lebt, hatte Zeit, sich mit der Stadt vertraut<br />
zu machen, ihre Stimmungen,<br />
ihre Geschichte und ihren Rhythmus<br />
aufzusaugen. Sie zu seiner eigenen zu<br />
machen. Und das Berlin, das er fotografiert,<br />
ist ein menschliches, ein alltägliches,<br />
ein lebendiges Berlin.<br />
Francis Ducreau erforscht Berlin am<br />
liebsten vom Fahrrad aus und die hier<br />
ausgestellten Bilder sind bei Fahrten<br />
kreuz und quer durch verschiedene<br />
Viertel in den letzten drei Jahren entstanden.<br />
Sie erheben weder Anspruch<br />
auf Vollständigkeit, noch liegt ihnen ein<br />
System zugrunde, und wenn, dann das<br />
des geduldigen und aufmerksamen Blickes.<br />
Im Laufe der verschlungenen Pfade,<br />
denen wir folgen, bekommen wir weder<br />
den Schatten des Fernsehturms zu sehen,<br />
noch die imposante Silhouette des Brandenburger<br />
Tores oder die schwindelerregende<br />
Architektur am Potsdamer Platz.<br />
Wir verweilen nicht in angesagten Straßencafés<br />
oder in Kellerräumen aktueller<br />
Szene-Clubs, und ebenso wenig<br />
bewundern wir die Werke weltberühmter<br />
Straßenkünstler. Es geht hier weder<br />
um die Weltgeschichte noch um die<br />
europäische Hauptstadt mit dem größten<br />
Sexappeal. Das sind keine Bilder für<br />
einen Reiseführer. Das Berlin, das Francis<br />
Ducreau uns zeigt, ist bescheiden<br />
und keinesfalls ein Selbstdarsteller<br />
Wenn man diese Brachen betrachtet, die<br />
von Unkraut und Graffitis überwuchert<br />
sind oder die engen Hinterhöfe, die riesigen<br />
Plätze und die Möchtegern-Terrassen<br />
der billigen Imbissbuden, dann wird<br />
mit einem Schlag klar, was das Wesen<br />
dieser Stadt heute ausmacht. Es ist die<br />
unbeschreibliche Freiheit, die sie ihren<br />
Bewohnern eröffnet.<br />
Der Raum, den sie dem Menschlichen<br />
gibt. Und natürlich kann man hier und<br />
da Spuren der Mauer, die Silhouette<br />
eines berühmten Bauwerks erahnen.<br />
Und man bemerkt, dass es sich um<br />
keine reiche Stadt handelt. Der vernachlässigte<br />
Zustand so mancher Gebäude<br />
zeugt davon. Aber das ist nicht das<br />
Thema. Darum geht es hier nicht. Es geht<br />
vielmehr darum, was an einem Biergartentisch<br />
passiert, auf dem Sprungturm<br />
eines stillgelegten Schwimmbades, auf<br />
einer Parkbank, auf einem Friedhofsweg.<br />
Es geht um die Menschen, die hier leben,<br />
um die Spuren, die sie hinterlassen, um<br />
die Schwingungen ihrer Lebensenergie,<br />
um die vergängliche - weil lebendige -<br />
Dimension des Urbanen.<br />
Denn in diesen Bildern sieht man, dass<br />
Berlin eine Stadt mit menschlichen Ausmaßen<br />
ist. Das erscheint paradox, wenn<br />
man an ihre riesige Ausdehnung und<br />
ihre breiten Straßen denkt. Nichtsdestotrotz<br />
kommt einem beim Betrachten<br />
32 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Galerien<br />
© Francis Ducreau, (Original in Farbe)<br />
© Francis Ducreau, (Original in Farbe)<br />
© Francis Ducreau, (Original in Farbe)<br />
dieser Bilder genau das in den Sinn.<br />
Berlin ist so groß wie die Träume seiner<br />
Einwohner, wie ihre Wünsche und Fantasien...<br />
Gesichter aus verschiedensten Lebensphasen<br />
und Schichten, natürliche oder<br />
gestylte; die Berliner, die wir hier sehen,<br />
sind vielleicht hier geboren oder leben<br />
nur für einige Zeit in der Stadt, aber was<br />
macht das schon? Durch ihren Anblick<br />
zeigt uns Francis Ducreau die Großzügigkeit<br />
von Berlin. Ein Berlin, das<br />
sich zurücknimmt, um sowohl denen<br />
Platz zu geben, die hier leben als auch<br />
denen, die nur auf der Durchreise sind.<br />
Die Stadt enthüllt auf diese Weise ihr<br />
wahres Selbst: ein riesiger Raum, in dem<br />
sich jeder selbst erfinden kann.<br />
Berlin, wo man mitten in der Stadt auf<br />
Sand oder anderem Untergrund Beach-<br />
Volleyball spielt, wo man auf Plätzen<br />
ein Nickerchen macht, sich auf offener<br />
Straße küsst, seinen zerschlissenen Liegestuhl<br />
in einem dunklen Hof aufstellt,<br />
sein Auto mitten auf dem Bürgersteig<br />
parkt... Berlin, wo man hier etwas baut,<br />
während sich dort die Natur ihren Platz<br />
zurückerobert.<br />
Berlin, wo man sich fotografiert. Alle<br />
Reiseführer empfehlen, die Gelegenheit<br />
zu ergreifen und einen der legendären<br />
hier noch existenten Fotoautomaten<br />
auszuprobieren. Es kostet nur ein paar<br />
Euro die Spuren des eigenen Berlinbesuchs<br />
auf diese Weise zu verewigen.<br />
Und das natürlich analog! Fotos, die<br />
man für kein offizielles Dokument verwenden<br />
kann, die kein Amt akzeptieren<br />
würde. Fotos, auf denen man zu zweit<br />
sein kann, beim Grimassen schneiden<br />
oder küssen. Fotos, nur für sich selbst.<br />
In vier Bildern greift Francis Ducreau<br />
dieses Thema auf. Das Posieren, das<br />
Warten, das Lachen und Lächeln beim<br />
Anblick der Ergebnisse. Beabsichtigte<br />
Selbstreferenz?<br />
Letztendlich bleibt auch er der analogen<br />
Fotografie treu, ein Anhänger des Mittelformats,<br />
der Art des Fotografierens, die<br />
das Überraschungsmoment bewahrt<br />
und Geduld verlangt.<br />
Und so kann man sich des Gedankens<br />
nicht erwehren, dass das durch die Technik<br />
auferlegte Abwarten und der geduldige<br />
Blick des Fotografen ganz besonders<br />
gut zu dieser Stadt passen, die ihren<br />
Bewohnern die Zeit zum Leben lässt.<br />
Die Zeit, man selbst zu sein. Und wenn<br />
das nur der Traum des Fotografen wäre,<br />
so möchte man doch auf jeden Fall glauben,<br />
dass es wahr sein könnte.<br />
Myriam Louviot<br />
Aus dem Französischen von Esther<br />
Jahns<br />
2. Februar bis 18. Mai <strong>2014</strong><br />
Café Aroma Photogalerie<br />
Hochkirchstraße 8<br />
10829 Berlin-Schöneberg<br />
Mo – Fr 18 – 24 Uhr<br />
Sa + So 14 – 24 Uhr<br />
und nach Vereinbarung<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
33
Galerien<br />
Christina Vazou<br />
Gunta Podina<br />
Italo Morales<br />
Lara Ciarabellini<br />
Linka A Odom<br />
Tracey Fahy<br />
Uta Beyer<br />
Veronika Lukasova<br />
»AusZeiten&Räumen«<br />
© Christina Vazou<br />
© Italo Morales, (O.i.F.)<br />
Die fotografischen Essays von acht AbsolventInnen<br />
des Masterstudiengangs Fotojournalismus<br />
und Dokumentarfotografie<br />
des London College of Communication,<br />
University of the Arts London sind<br />
dokumentarische Reisen zu Menschen<br />
und Orten in Vergangenheit, Gegenwart<br />
und Zukunft. Dabei werden wir als<br />
BetrachterInnen nicht nur Zeugen dieser<br />
Reise – das Zuschauen selbst wird zu<br />
einer reisend-suchenden Bewegung:<br />
Die Projekte fordern eine Justierung<br />
des eigenen Blicks auf die uns umgebende<br />
Welt und ihrer fotografischen<br />
Dokumentation, die uns gleichzeitig<br />
auch auf unsere Position als ZuschauerInnen<br />
zurückwirft. Dabei wird das<br />
Verhältnis zwischen dem, was wir zu<br />
sehen bekommen und den Erzählungen<br />
und Geschichten, die wir uns zu den<br />
Bildern vorstellen verkehrt. Die Bilder<br />
sind immer auch ein Entzug des Sichtbaren:<br />
Fragmente, Ausschnitte, Dekontextualisierungen,<br />
die neben dem Sehen<br />
das Erzählen ihrer Geschichten anregen.<br />
Was sehe ich? Und was sehe ich nicht?<br />
Was erzählen mir die Bilder? Und was<br />
erzähle ich mir selbst?<br />
In Somnambulism öffnet uns Lara Ciarabellini<br />
psychologische Landschaften<br />
des immer noch kriegsversehrten Bosnien<br />
und Herzegowinas. Dabei wird das<br />
kollektive Gedächtnis eines Landes in<br />
seinen Bewegungen zwischen schlafwandlerischer<br />
Schockstarre, Amnesie,<br />
Bewusstwerdung und Verdrängung<br />
untersucht. Italo Morales blickt mit<br />
Overnight Generation in die Hauptstadt<br />
Sarajevo und dokumentiert das<br />
Leben ihrer jungen Erwachsenen, die<br />
in einer Stadt aufwuchsen, die im Schatten<br />
des längsten Belagerungszustandes<br />
der modernen Geschichte liegt. »Eine<br />
Generation, die über Nacht erwachsen<br />
werden musste, während wir anderen<br />
schliefen.« Christina Vazou gibt mit<br />
Behind the Scenes of the Greek Crisis ein<br />
eindrucksvolles Porträt der politischen<br />
und ökonomischen Situation Griechenlands<br />
in den Jahren 2009-2012. Als Frau<br />
eines griechischen Abgeordneten und<br />
Mutter zweier Jungen, als griechische<br />
Bürgerin und Fotografin eröffnet sich<br />
ihr zwischen privatem und öffentlichem<br />
Leben ein berührender und eindringlicher<br />
Blick hinter die Kulissen Griechenlands<br />
als ein Land in der Krise. Mit Uta<br />
Beyer begleiten wir in Heimlich zwanzig<br />
Rentnerinnen und Rentner in Tiflis/<br />
Georgien, die am Rande des Existenzminimums<br />
leben. Die Bilder sind atmosphärische<br />
Momentaufnahmen, die zwischen<br />
Sehen und Erfahren liegen und<br />
eine intuitive Annäherung an Bilder,<br />
Gegenstände und Situationen ermöglichen.<br />
Einem weit entfernten und utopischen<br />
Ort widmet sich Veronika Lukasova.<br />
34 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Galerien<br />
© Gunta Podina, (O.i.F.)<br />
© Uta Beyer, (O.i.F.)<br />
© Tracey Fahy<br />
© Linka A Odom, (O.i.F.) © Veronika Lukasova, (O.i.F.)<br />
In Mars: Dreams and Schemes untersucht<br />
sie den Mars als einen Ort der<br />
wissenschaftlichen Forschung und der<br />
Zukunftsvisionen. Spinning Compass<br />
von Linka A Odom zeigt das Bereisen der<br />
Welt und ihre Reisenden: Handbemalte<br />
Schwarz-Weiß-Fotografien von Reisenden<br />
werden zu einer sozial-anthropologischen<br />
Untersuchung über Erfahrungen<br />
und Beweggründe des Reisens. Die<br />
Flucht vor dem Alltag und die Reise an<br />
einen vermeintlich »perfekten Platz«<br />
schildert Njut Lagom! The Secret Art of<br />
Being Swedish von Gunta Podina: Njut<br />
Lagom! berichtet über die SchwedInnen<br />
und ihr Freizeitverhalten. Es untersucht<br />
die Exzentrizitäten und kulturellen Klischees<br />
in Momenten der Flucht aus dem<br />
Alltag. Bereits in den alltäglichen und<br />
allgegenwärtigen Ereignissen und Vorfällen,<br />
liegt etwas Besonderes, das uns<br />
Tracey Fahy in If not now, when? zeigt:<br />
»Das gewöhnliche Leben, voll und ganz<br />
gelebt, ist außergewöhnlich«.<br />
In ihrem besonderen Spannungsverhältnis<br />
zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem,<br />
Erlebtem und Erzählten geben<br />
die Projekte einen vielschichtigen und<br />
intensiven Einblick in die zeitgenössische<br />
Dokumentarfotografie.<br />
Kuratiert von Lena von Geyso<br />
© Lara Ciarabellini, (O.i.F.)<br />
Vernissage:<br />
14. Februar <strong>2014</strong>, 19 Uhr<br />
15. Februar bis 9. März <strong>2014</strong><br />
aff Galerie<br />
Kochhannstraße 14<br />
10249 Berlin-Friedrichshain<br />
Sa + So 15 – 18 Uhr<br />
www.aff-galerie.de<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
35
Galerien<br />
Franziska Rutishauser<br />
»Fotografische<br />
Installationen«<br />
Aufwändige Cibachrome-Vergrößerungen<br />
von Belichtungen im Sandwichverfahren<br />
und Montagen als Intarsien<br />
und in mehrteiliger Rahmung entstanden<br />
zwischen 1989 und 1995. Danach<br />
nutzte Franziska Rutishauser die Fotografie<br />
als Entwurfsmedium für ihre<br />
Malerei. Die Galerie Carpentier zeigt<br />
einige dieser frühen Werke in Gegenüberstellung<br />
zu ihren neuen fotografischen<br />
Arbeiten. In den letzten Jahren<br />
wurde die Fotografie von der Künstlerin<br />
ganz bewusst als digitales und damit<br />
»schnelles« Medium eingesetzt. So entstanden<br />
Bildserien, die filmische Assoziationen<br />
hervorrufen. Die Schaffung von<br />
Durchlichtbildern auf Leuchtkästen in<br />
installativen Anordnungen hat neben<br />
der Malerei einen Platz im Œuvre der<br />
Künstlerin gefunden.<br />
Die Arbeitsweise der Künstlerin macht<br />
die 2013 als Heft 007 in der Edition<br />
Carpentier erschienene Werkmonographie<br />
»Berliner Sandberge / Bildserie 4«<br />
anschaulich. Eine Folge von 83 Fotografien<br />
als beinah filmischer Bildlauf führt<br />
den Gang durch riesige Sandhaufen des<br />
Boden-Austausches einer Berliner Baufläche<br />
für geplante Einfamilienhäuser.<br />
Assoziationen wie Bodendekontaminierung<br />
und die in demselben Jahr erfolgte<br />
Marslandung sind bewusst nicht ins<br />
Bild geführte Sichtbarkeiten. Franziska<br />
Rutishauser sagt über ihre Arbeit: »Für<br />
mich ist die von mir ausgehende Sicht<br />
von Bedeutung. Diese Sichtweise geht<br />
einher mit einer gelebten Idee, sie leitet<br />
sich ab von Weltanschauung. Von der<br />
Utopie, die ich in mir erzeuge. Etwas<br />
Fremdes soll in den Arbeiten entstehen,<br />
das zugleich anzieht und sich verweigert,<br />
Signale sendet, die Betrachter<br />
gewissermaßen angemessen kleidet.«<br />
Die 1962 in der Schweiz geborene<br />
Künstlerin studierte 1982 – 1988 an<br />
der Hochschule für Kunst der Universität<br />
Bern. Seit 2009 lebt und arbeitet<br />
Franziska Rutishauser in Berlin.<br />
Manfred Carpentier<br />
Franziska Rutishauser, An-Wuchs, 1994<br />
Ilfochrome, Glas, MDF, 92x60cm, Unikat<br />
© Franziska Rutishauser, Ab-Schied, 1994.<br />
Ilfochrome, Glas, MDF, 83 x 88,5 cm, Unikat<br />
Vernissage:<br />
Freitag, 31. Januar <strong>2014</strong>, 19 Uhr<br />
Musikperformance: Joachim Gies<br />
MEET THE ARTIST<br />
Samstag, 15. Februar <strong>2014</strong><br />
11 bis 15 Uhr<br />
1. Februar bis 21. Februar <strong>2014</strong><br />
Carpentier Galerie<br />
Meinekestraße 13<br />
10719 Berlin-Wilmersdorf<br />
Di – Fr 16 – 18 Uhr<br />
und nach Vereinbarung<br />
www.carpentier-galerie.de<br />
© Franziska Rutishauser, Ueber-Lauf, 2013.<br />
Installation, 350 x 45 x 40cm, Duraclear auf<br />
Leuchtkästen, Metallrohre, Gummileitung<br />
36 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Ausstellungen<br />
Galerie Thomas Schulte<br />
1. Februar bis 22. März <strong>2014</strong><br />
Robert Mapplethorpe<br />
Charlottenstraße 24<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
Di–Sa 12–18 Uhr<br />
Martin Gropius Bau<br />
bis 9. März <strong>2014</strong><br />
Barbara Klemm<br />
»Fotografien 1968-2013«<br />
15. März bis 22. Juni <strong>2014</strong><br />
Wols<br />
»Der gerettete Blick«<br />
Niederkirchnerstraße 7<br />
10963 Berlin-Kreuzberg<br />
Mi–Mo 10–19 Uhr<br />
Deutsches Historisches<br />
Museum<br />
9. Mai bis 5. Oktober <strong>2014</strong><br />
Herlinde Koelbl<br />
»Targets«<br />
Ausstellungshalle I.M. Bau<br />
Hinter dem Zeughaus<br />
Unter den Linden 2<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
täglich 10–18 Uhr<br />
Galerie cubus-m<br />
bis 24. Januar <strong>2014</strong><br />
Andreas Fux<br />
»Fährten«<br />
Pohlstraße 75<br />
10785 Berlin-Schöneberg<br />
Di–Fr 14–19 Uhr<br />
Sa 11–19 Uhr<br />
Museum Europäischer<br />
Kulturen<br />
bis 27. April <strong>2014</strong><br />
Edgar Zippel<br />
»Porträts junger Europäer«<br />
Arnimallee 24<br />
14195 Berlin-Dahlem<br />
Di–Fr 10–18 Uhr<br />
Sa + So 11–18 Uhr<br />
DAS VERBORGENE<br />
MUSEUM<br />
bis 9. Februar <strong>2014</strong><br />
Käthe Augenstein<br />
Schlüterstraße 70<br />
10625 Berlin-Charlottenburg<br />
Do–Fr 15–19 Uhr<br />
Sa + So 12–16 Uhr<br />
Wagner + Partner<br />
9. Mai bis 21. Juni <strong>2014</strong><br />
Raïssa Venables<br />
»Clearing Space«<br />
Strausberger Platz 8<br />
10243 Berlin-Friedrichshain<br />
Di–Sa 13–18 Uhr<br />
Galerie Dittmar<br />
bis 25. Januar <strong>2014</strong><br />
Barbara Klemm<br />
Auguststraße 22<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
Di–Sa 12–18 Uhr<br />
Loock Galerie<br />
14. März bis 26. März <strong>2014</strong><br />
Charlie White<br />
Potsdamer Straße 63<br />
10785 Berlin-Schöneberg<br />
Di–Sa 11–18 Uhr<br />
imago fotokunst<br />
15. März bis 11. April <strong>2014</strong><br />
Abschlussarbeiten, Fotoklasse 34<br />
Künstlerische Leitung:<br />
Andreas Rost<br />
Linienstraße 145<br />
10115 Berlin-Mitte<br />
Di–Fr 12–19 Uhr<br />
Sa 14–18 Uhr<br />
Kommunale Galerie<br />
Berlin<br />
9. Februar bis 30. März <strong>2014</strong><br />
Hans Hochheim / Andreas Rost<br />
»Berlin unterwegs«<br />
Hohenzollerndamm 176<br />
10713 Berlin-Wilmersdorf<br />
Di–Fr 10–17 Uhr<br />
Mi 10–19 Uhr<br />
So 11–17 Uhr<br />
Caritas Galerie<br />
bis 7. Februar <strong>2014</strong><br />
Benjamin Ochse<br />
»Hotel 1000 Sterne«<br />
Residenzstraße 90<br />
13409 Berlin-Reinickendorf<br />
Mo–Fr 8–18 Uhr<br />
CIRCLE berlin<br />
25. Januar bis 23. März <strong>2014</strong><br />
Piotr Pietrus<br />
»Józio«<br />
Brunnenstraße 188-189<br />
10119 Berlin-Mitte<br />
Mo–Fr 10–16 Uhr<br />
Swedish Photography<br />
17. Januar bis 26. Januar <strong>2014</strong><br />
I am Swed (ish)<br />
Karl-Marx-Allee 62<br />
10243 Berlin-Friedrichshain<br />
Mi–Sa 12–18 Uhr<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
37
Galeriebericht<br />
Kulinarisches<br />
Man sagt, das einst für seine Boulette<br />
und deren engste Verwandte, die<br />
Schrippe, bekannte Berlin sei heute<br />
Deutschlands kulinarische Hauptstadt,<br />
mit mehr Sterneköchen als sonst<br />
irgendwo. Kaum zu glauben. Wo soll<br />
denn so viel guter Geschmack so<br />
schnell herkommen? Da könnten wir<br />
ja gleich dem unsäglichen Jürgen Teller<br />
den Nobelpreis für Modefotografie verleihen,<br />
nachdem wir Gundlach und<br />
Newton endlich überwunden haben.<br />
Auf diese Idee hat mich Jens Hinrichsen<br />
vom Tagesspiegel gebracht, der<br />
sich diese Alternative für Newton in der<br />
Jebensstraße tatsächlich vorstellen kann.<br />
Kaum zu glauben. Das ist ein Phänomen:<br />
Einerseits gibt es diesen Trend zum<br />
extrem banalen, unfotografischen Bild,<br />
bunt und doch farblos, andererseits verführt<br />
die immer perfektere digitale Technik<br />
zu opulenten Leckerbissen.<br />
© Eugenio Recuenco, Orientalism 1, 2009, (O.i.F.)<br />
Ein 5-Sterne-Künstler ist Eugenio<br />
Recuenco bei CWC in der Auguststraße.<br />
Der Spanier greift mit seinen<br />
lustvoll ironischen Inszenierungen tief<br />
in den Fundus der Kunstgeschichte und<br />
verzaubert uns auf jeweils zwei Quadratmetern<br />
mit komplexen Bilderzählungen.<br />
Das spektakuläre Prunkstück<br />
der Ausstellung ist sein »GreekFrieze«,<br />
sagenhafte 18 Meter lang und mannshoch.<br />
Wenn man die Strecke abschreitet,<br />
taucht man ein in die Antike und die<br />
Klischees, die vom Schulwissen übrig<br />
sind. Die Brillanz und die Genauigkeit<br />
in jedem Detail täuschen eine Wahrhaftigkeit<br />
vor, die eigentlich schon vor 2000<br />
Berlin, Porträt 01, 22nd of April, 2012, © Erwin Olaf /Courtesy WAGNER + PARTNER, Berlin, (O.i.F.)<br />
Jahren nicht gegeben war. Recuenco<br />
doziert aber nicht, er öffnet vor allem<br />
jungen Leuten leichteren Zugang zu<br />
unseren Wurzeln, weil er seinen Fries<br />
mit heutigen Menschen bevölkert.Er<br />
schlägt damit eine Brücke vom hellenischen<br />
zum modernen Schönheitsideal.<br />
Der Effekt erinnert an YadegarAsisi und<br />
sein geniales Pergamon-Panorama auf<br />
der Berliner Museumsinsel, geschaffen<br />
mit den Mitteln der Fotografie und der<br />
Malerei.<br />
Die Meister der flämischen Schule<br />
sind dem Niederländer Erwin Olaf bei<br />
Wagner + Partner Vorbild für seine düsteren<br />
Arrangements. Technisch sind die<br />
großen Tableaus bestechend, doch sie<br />
verströmen eine unheilvolle Stimmung.<br />
Die Personen, auch Kinder, wirken so<br />
eingezwängt in das Konzept des Künstlers,<br />
dass ich froh bin, am Straußberger<br />
Platz wieder unter lebendigen<br />
Menschen zu sein. Francis Bacon lässt<br />
grüßen.<br />
Ein rechter Schlawiner auf dem Gebiet<br />
der inszenierten Fotografie ist Matthias<br />
Leupold bei argus. Er hat es faustdick<br />
hinter den Ohren, seit 30 Jahren. Erinnern<br />
Sie sich an unser letztes Cover?<br />
Den Rufer im 3-D-Kino? Das ist eine<br />
Serie, im nächsten Bild hält sich der Typ<br />
eine Waffe an die Schläfe, aufgenommen<br />
mit echtem Publikum im Ostberliner<br />
»International« im Jahre 1983! Das<br />
38 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Galeriebericht<br />
© Giampiero Assumma<br />
© Matthias Leupold, »Brotausträgerin«<br />
muss man sich erstmal trauen! Da war<br />
noch kein Tauwetter an der Mauer. Es<br />
hat ihn denn auch mehrfach erwischt,<br />
bis man ihn 1986 ausreisen ließ. Man<br />
kann keinem seiner analogen SW-<br />
Fotos trauen. Sie haben alle einen doppelten<br />
Boden. Besonders hat sich der<br />
1959 geborene Leupold in seiner Serie<br />
»Fahnenappell« mit der berüchtigten<br />
Formalismus-Debatte von 1953 auseinandergesetzt,<br />
mit der die SED die<br />
Künstler der DDR auf ihre Staatsziele<br />
festlegen wollte. Seine »Schönheit der<br />
Frauen«knüpft pfiffig an die Aktfotografie<br />
der vorigen Jahrhundertwende an.<br />
Wenn ich nach solchen Herausforderungen<br />
in die Jebensstraße wechsle, zu<br />
JuneNewtons Auswahl »Paris-Berlin«<br />
aus dem Nachlass ihres Helmut, 2012<br />
gezeigt im Grand Palais vor 400.000<br />
Besuchern, vermisse ich schon etwas<br />
mehr Substanz hinter dem schönen<br />
Schein, der allerdings was Kulinarisches<br />
hat. Es mag auch mit der Bewunderung<br />
für den weiblichen Körper zusammenhängen<br />
und dem Respekt vor der Persönlichkeit.<br />
Dafür haben seine Models<br />
ihm und uns wenig von sich verraten.<br />
Bis 18. Mai ist die Kollektion aus dem<br />
erschöpflichen Archiv der Stiftung zu<br />
sehen, zusammen mit den brillanten<br />
Männerakten des Greg Gorman, von<br />
June Newton bei der Eröffnung hoch<br />
gelobt, aber geschmacklich arg an der<br />
Grenze.<br />
Leonid Breschnew, Willy Brandt, Bonn, 1973. © Barbara Klemm<br />
Absolut ungekünstelt sind dagegen die<br />
kraftvollen Männerbilderdes Neapolitaners<br />
Giampiero Assumma bei imago.<br />
Das brutale Schwarzweiß ist das ideale<br />
Medium für die dampfende Körpersprache<br />
dieser Typen aus der Psychiatrie<br />
oder von hinter den Kulissen athletischer<br />
Wettkämpfe (siehe <strong>brennpunkt</strong><br />
4/2013).<br />
Ein ganz anderes Feld ist das Bild vom<br />
Mann im Fokus der Öffentlichkeit. Die<br />
Bildmedien können heute politische<br />
Schicksale entscheidend beeinflussen.<br />
Deshalb tragen die Menschen hinter der<br />
Kamera hohe Verantwortung. Vor allem<br />
die Fotografen müssen ganz nah dran<br />
sein, oft im drängelnden Pulk von ihres-<br />
gleichen, mit ruhiger Hand und kühlem<br />
Kopf den einen Moment erfassen, in<br />
dem Geschichte sichtbar wird, für uns<br />
und die, die nach uns kommen. Von<br />
1959 bis 2004 hat das Barbara Klemm<br />
als geniale Chronistin der FAZ souverän<br />
gemeistert. Und zugleich bestätigt sie<br />
die heute in der Bilderflut untergegangene<br />
Maxime, dass ein durchkomponierter<br />
Bildaufbau zusammen mit dem<br />
entscheidenden Moment erst das aussagestarke<br />
Foto ergibt. Ich kann meinen<br />
Lesern nur empfehlen, sich die wunderbare<br />
Retrospektive im Martin-Gropius-<br />
Bau anzusehen, offen noch bis 9. März<br />
<strong>2014</strong>. Es ist lebendige Geschichte.<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
39
Galeriebericht<br />
© Thomas Nitz, MC#1, 2011<br />
Willy Brandt 1978, © Konrad Rufus Müller, courtesy PINTER & MILCH<br />
Willy Brandt 1978, © Konrad Rufus Müller, courtesy PINTER & MILCH<br />
Danach sollte man der Stresemannstraße<br />
folgen bis zum Willy-Brandt-<br />
Haus. Das lohnt sich auch für SPD-<br />
Muffel. Der Namenspatron hat schließlich<br />
deutsche und deutsch-deutsche<br />
Geschichte gemacht. Max Scheler,<br />
Robert Lebeck, Thomas Hoepker und<br />
Volker Hinz haben Willy Brandt im Auftrag<br />
des Stern jahrelang begleitet, um<br />
nicht zu sagen verfolgt, weniger respektvoll<br />
als Barbara Klemm, auch in Familie<br />
und Badehose. Dazu eine Sonderschau<br />
des »Kanzlerfotografen« Konrad Rufus<br />
Müller, der unsere politischen Vaterfiguren<br />
oft aus großer Nähe und sehr<br />
emotional porträtiert hat. Am liebsten<br />
sind mir seine listigen Details von der<br />
Mimik des alten Adenauer, der genau so<br />
ein Schlitzohr war. Die finden begreiflicherweise<br />
in der SPD-Zentrale keinen<br />
Platz. Es gibt manchmal Querverbindungen,<br />
die politisch nicht korrekt erscheinen.<br />
Da hat Norbert Bunge (argus) im<br />
Oktober eine kleine Ausstellung eingeschoben<br />
für Will McBride und sein<br />
neues Buch »Berlin im Aufbruch«. Das<br />
Buch ist neu, die Fotos sind von 1956<br />
bis 63. Ein ganz wichtiger Abschnitt in<br />
der dramatischen Nachkriegsgeschichte<br />
der Stadt. Der freche eher linke Aufklärer<br />
für Quick und Twen hat übrigens<br />
1965 einen Porträtband über Adenauer<br />
gemacht. Durchaus mit Respekt und<br />
dem Humor, der dem auch eigen war.<br />
Wenn man in den Berliner Galerien<br />
unterwegs ist, muss man für alles<br />
offen sein. Da ist immer Unerwartetes,<br />
manchmal Umwerfendes. Das kann<br />
sogar umwerfend konventionell sein.<br />
So bei DS Allen, der mit dem analogen<br />
SW-Film durch Prenzlauer Berg wandert,<br />
vornehmlich im Winter, immer bei<br />
Sonnenschein, den Fotokünstler sonst<br />
eher meiden. In der Fehrbelliner Straße,<br />
am Pfefferberg, zeigte er seine spannenden<br />
Perspektiven aus dem Kiez, bereitet<br />
40 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Galeriebericht<br />
© Ulrich W. Schmidt »Treib:gut«<br />
mit den klassischen Zutaten Licht und<br />
Schatten. Hier kocht der Chef noch<br />
selbst, die leuchtenden Silbergelatine-<br />
Prints entstehen in der Dunkelkammer.<br />
Nur ein paar große Formate, die schon<br />
bei Carpentier zu sehen waren, sind<br />
Digidrucke.<br />
Carpentier zeigte im November die<br />
»Fotografischen Unikate« von Thomas<br />
Nitz. Der treibt die Kochkunst auf die<br />
Spitze, indem er seine frontalen Frauenbildnisse<br />
auf Planfilm mit bizarren<br />
Strukturen überlagert und auf Aquarellkarton<br />
belichtet, den er zuvor mit Pigment,<br />
Binder, Sand und lichtempfindlicher<br />
Emulsion beschichtet hat. Zum<br />
Nachtisch zerschnippelt er das Negativ<br />
und macht damit sein Kunstwerk unwiederholbar.<br />
Hier ist der Weg das Ziel,<br />
nicht das Ergebnis. Oder der Preis?<br />
Es gibt einen soliden Mittelweg, den<br />
man schon fast einen Trend nennen<br />
könnte. Dem folgen zum Beispiel die 9<br />
Mitglieder des »Atelier freier Fotografen<br />
(aff)« die sich der dokumentarischnarrativen<br />
Sparte des Mediums verschrieben<br />
haben. Sie öffnen ihre schmucke<br />
Galerie in Friedrichshain auch ähnlich<br />
gepolten Gästen. Die Gruppe zeigt<br />
ihre facettenreichen »Fragmente« noch<br />
bis 18. Januar. (Siehe auch <strong>brennpunkt</strong><br />
4/13). Thomas Graichen und Helena<br />
Schätzle haben wir den Lesern schon<br />
© Paolo Primiero<br />
früher vorgestellt. Ulrich W. Schmidt<br />
war bis 10. November zu sehen mit<br />
seinen stimmungsvollen französischen<br />
Küstenlandschaften. In zauberhaften<br />
Grautönen »besingt« er die Weite von<br />
Himmel und Meer, hat aber auch Sinn<br />
für ironische Details.<br />
Paolo Primiero gewinnt dem nassen<br />
Element mit seinen »Wasserbegegnungen«<br />
bis Ende Januar im Café Aroma<br />
auch mal eine vertrackte Form ab, mit<br />
eigenwilligen Ausschnitten, die die<br />
Anteilnahme des Betrachters einfordern.<br />
Wenn der sich in der lebhaften Atmosphäre<br />
des Restaurants darauf einlassen<br />
kann, genießt er den sinnlichen Gehalt<br />
der meditativen Bilder. Das ist in Schöneberg.<br />
Schon mal was gehört von schöneberger-art(.de)?<br />
Das ist ein herbstlicher<br />
Galerierundgang im Bezirk der<br />
Freiheitsglocke. Der bot dem Gründer<br />
des Berliner Fotosalons, Volker Wartmann,<br />
Gelegenheit, dort seine »Verschlusssache<br />
– geheimnisvolle Orte<br />
im Rathaus Schöneberg« öffentlich zu<br />
machen. Mit Digikamera und Stativ ließ<br />
man ihn in Büros und Archiven stöbern.<br />
Die detailscharfe Ausbeute soll nun zu<br />
einem Bildband werden. Ich sorge mich<br />
ein wenig um die Zielgruppe.<br />
Herangeführt an die unaufgeregte Art<br />
des Bildermachens mit überkommener<br />
Technikwerden junge Fotobegeisterte<br />
an den Berliner Schulen auch deshalb,<br />
weil ihre Begeisterung dem heute selbstverständlichen<br />
Umgang mit Handy und<br />
Smartphone entspringt. Es fehlt die fotografische<br />
Grundversorgung. Was dann<br />
am Ende eines Lehrgangs auf den Tisch<br />
oder an die Wand kommt, kann sich<br />
meistens sehen lassen. So im Dezember<br />
bei imago die Arbeiten der Klasse<br />
33 unter der Leitung von Ursula Kelm.<br />
Die erfahrene Dozentin versteht es, aus<br />
ihren Zöglingen heraus zu kitzeln, was<br />
in ihnen steckt, an langer aber straffer<br />
Leine. Die »Fotografie als Fotografie«<br />
bleibt dabei die Richtschnur.<br />
In der großen Schau des 7. Jahrgangs<br />
der Ostkreuzschule in den Uferhallen<br />
war das weniger deutlich. Bei 25 Schülern<br />
von 3 Dozenten ist es schwer, Tendenzen<br />
auszumachen. Auf jeden Fall<br />
überwiegt hier die digitale Farbfotografie,<br />
hintergründige Bildideen sind eher<br />
selten, aber ein festes Konzept ist die<br />
Regel. Das Bild vom Menschen, oft vom<br />
eigenen Ich, nimmt auf vielerlei Weise<br />
Raum ein. Noch ist nicht abzusehen, ob<br />
die Eleven mal nach den 5 Sternen des<br />
Recuenco greifen werden oder, vielleicht<br />
sogar einträglicher, nach Jürgen<br />
Tellers Erbsensuppe?<br />
Ein glückliches 175. Jahr der Fotografie<br />
wünscht allen Lesern<br />
Klaus Rabien<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
41
Buchbesprechung<br />
Bernhard Edmaier<br />
»EarthArt – Colours of<br />
the Earth<br />
Faszination Erde: Die<br />
Farben der Welt«<br />
Ari Atoll, Maldives<br />
Yukon, Alaska, USA<br />
Laguna Roja, Chile<br />
Maellifellsandur, Iceland<br />
Neuer Bildband: EarthArt – Colours<br />
of the Earth<br />
220 Seiten, 160 großformatige<br />
Abbildungen, Größe 30,5 x 35 cm,<br />
gebunden mit Schutzumschlag,<br />
Phaidon Verlag, London, 2013, ISBN<br />
978-0714865768, Preis 49,95 Euro<br />
© Bernhard Edmaier, »Laguna Verde«, Atacama Desert, Bolivia, (O.i.F.)<br />
Phänomen Farbe<br />
Wir nehmen Farbe mit all unseren<br />
Sinnen wahr, wir sehen, wir spüren, wir<br />
riechen sie und manchmal kann man<br />
Farbe auch hören. »Farben wirken direkt<br />
auf Geist und Empfindung.« Farben<br />
haben einen »direkten Einfluß auf die<br />
Seele«, schrieb schon Johann Wolfgang<br />
von Goethe, der 1810 seine Schrift »Zur<br />
Farbenlehre« veröffentlichte.<br />
Faszination Natur – Neue Perspektiven<br />
auf den Planeten Erde<br />
Bernhard Edmaier nimmt uns mit auf<br />
eine Reise zu den Wundern der Welt.<br />
Der vielfach ausgezeichnete Fotograf<br />
Bernhard Edmaier bereiste für sein<br />
neues Buch die unterschiedlichsten<br />
Länder und Kontinente – von Europa<br />
nach Nord- und Südamerika, von Afrika<br />
bis nach Island und Spitzbergen. Für<br />
EarthArt – Colours of the Earth trug er<br />
160 ausgewählte Fotografien zusammen<br />
(90% Luftaufnahmen), die das<br />
schier unendliche Farbspektrum der<br />
Erde wiedergeben.<br />
Mit unseren Augen können wir mehrere<br />
hundert Farben unterscheiden, mit<br />
technischen Hilfsmitteln sind es bis zu<br />
7 Millionen Farbtöne. Sie scheinen wir<br />
wieder zu finden in den Aufnahmen des<br />
neuen Bildbandes EarthArt – Colours<br />
of the Earth, der beim renommierten<br />
© Bernhard Edmaier, »Artist´s Palett«, New Zealand, (O.i.F.)<br />
Kunstbuchverlag PHAIDON in London<br />
erschienen ist.<br />
Der Bildband wird ergänzt mit Beiträgen<br />
der Wissenschaftsjournalistin Angelika<br />
Jung-Hüttl und der New Yorker Kunsthistorikerin<br />
Stella Paul.<br />
Der Fotograf Bernhard Edmaier<br />
Geboren 1957, ausgebildeter Geologe,<br />
bevor er vor etwa 20 Jahren die Fotografie<br />
zu seinem Beruf machte und die<br />
Fotoagentur »Geophot - Bilder der Erde«<br />
gründete. Seine Bildbände zeigen die<br />
vielfältigen Farben, Formen und Strukturen<br />
der Erde. Bernhard Edmaier konzentriert<br />
sich in seinen Arbeiten auf Luftaufnahmen<br />
von 50 bis 4000 Metern Höhe.<br />
Für »Geoart – Kunstwerk Erde« erhielt er<br />
1998 den Kodak-Fotobuchpreis. 2001<br />
wurde er mit dem renommierten Hasselblad<br />
Master Award ausgezeichnet.<br />
Pressestimmen zu Bernhard Edmaier<br />
»Bernhard Edmaier ist der interessanteste<br />
Luftbild-Fotograf der Welt.« ARD<br />
Kulturweltspiegel<br />
»Gute Landschaftsfotografen gibt es<br />
viele; aber keiner versucht derart radikal<br />
wie Edmaier, die funktionalen Prinzipien<br />
unseres Planeten in ästhetisch<br />
vollkommenen Bildern einzufangen.«<br />
natur & kosmos<br />
»Voller Farbe ist die Welt von Bernhard<br />
Edmaier .... Über Gletscher und Canyons,<br />
Eismeere und Wüsten ist er geflogen<br />
und hat Bilder von diesem Planeten<br />
eingeholt, die sich kein Maler phantasievoller<br />
hätte ausdenken können ....«<br />
Süddeutsche Zeitung<br />
Die Autoren:<br />
Dr. Angelika Jung-Hüttl ist Geologin<br />
und Wissenschaftsautorin für eine Vielzahl<br />
von verschiedenen Zeitungen und<br />
Magazinen. Sie arbeitet und reist mit<br />
Bernhard Edmaier seit 20 Jahren und<br />
ist Autorin verschiedener seiner Bildbände.<br />
Stella Paul ist Kunsthistorikerin und<br />
freie Journalisten. Sie war lange Zeit<br />
für das Metropolitan Museum of New<br />
York tätig.<br />
42 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Fotoszene<br />
Deutsche Gesellschaft<br />
für Photographie<br />
veranstaltet<br />
internationale Tagung<br />
zum 175-jährigen<br />
Jubiläum der<br />
Photographie<br />
Unter dem Titel Missing Links & Forschungslücken<br />
veranstaltet die Deutsche<br />
Gesellschaft für Photographie<br />
(DGPh) vom 6. bis 8. März <strong>2014</strong> im<br />
Auditorium der Berlinischen Galerie<br />
eine internationale interdisziplinäre<br />
Tagung zum 175-jährigen Jubiläum der<br />
Photographie.<br />
Wo liegen die weißen Flecken auf<br />
der Landkarte der Photographiegeschichte?<br />
Welches sind die einerseits heute dringend<br />
erscheinenden Desiderate und<br />
andererseits geeignete neue Ansätze,<br />
um der Photographieforschung neue<br />
Richtungen zu eröffnen? Welche Wendepunkte<br />
gab es in der 175-jährigen<br />
Geschichte der Photographie wirklich?<br />
Und wie ist der als so tiefgreifend empfundene<br />
Wandel des Mediums seit der<br />
Digitalisierung aus historischer Perspektive<br />
einzuordnen und zu bewerten?<br />
Wo gab und gibt es in der Geschichte<br />
des Mediums Photographie »Missing<br />
Links«, die Neuorientierungen, aber<br />
auch Sackgassen und »Fehlentwicklungen«<br />
aufzeigen und erklären können?<br />
Die DGPh nutzt das 175-jährige Jubiläum<br />
der Photographie im Jahr <strong>2014</strong> zu<br />
einer Annäherung an diese Fragen. Im<br />
Rahmen ihres dreitägigen, mit international<br />
hochkarätigen Referentinnen und<br />
Referenten besetzten Symposiums soll<br />
anhand von Fallbeispielen schlaglichtartig<br />
die ganze Bandbreite des Mediums<br />
aufgerufen werden.<br />
Die DGPh mit ihren sechs ganz unterschiedlichen<br />
Schwerpunkten – organisiert<br />
in den Sektionen Bild, Bildung,<br />
Geschichte und Archive, Kunst - Markt<br />
- Recht, Medizin- und Wissenschaftsphotographie<br />
sowie Wissenschaft und<br />
Technik – ist dazu hervorragend aufgestellt.<br />
In die Betrachtung soll sowohl die<br />
Vergangenheit als auch die Gegenwart<br />
einbezogen werden, unter Umständen<br />
können sogar Prognosen für mögliche<br />
zukünftige Entwicklungen der Photographie<br />
entworfen werden.<br />
Die Tagung versammelt in exemplarischen<br />
Fallstudien die ganze<br />
Bandbreite der Forschungen zur<br />
Photographie(geschichte) in Theorie<br />
und Anwendung, die heute zumeist in<br />
separate Felder aufgeteilt ist und deren<br />
Vertreterinnen und Vertreter kaum mehr<br />
im Austausch miteinander stehen. Aber<br />
gerade dieser Austausch, der hier angestrebt<br />
wird, ermöglicht neue Sichtweisen,<br />
das Erkennen neuer Forschungsfelder<br />
und die Möglichkeit, sich heute<br />
den als solchen wahrgenommenen Missing<br />
Links & Forschungslücken anzunähern.<br />
Die intensive Diskussion der<br />
Vorträge, die bedeutende Vertreter der<br />
unterschiedlichsten Bereiche zugesagt<br />
haben, steht im Zentrum der Tagung.<br />
Die DGPh als zentraler Verein, der sich<br />
vorrangig für die kulturellen Belange<br />
der Photographie und verwandter Bildmedien<br />
einsetzt, ist dazu prädestiniert,<br />
einen solchen Austausch zur 175-jährigen<br />
Geschichte und zu künftigen Perspektiven<br />
des Mediums zu ermöglichen.<br />
Der genaue Tagungsablauf wird in<br />
Kürze auf der Webseite der DGPh<br />
bekannt gemacht werden. Anmeldungen<br />
werden ab sofort online entgegengenommen.<br />
Diese Pressemitteilung zum Download<br />
unter:<br />
http://www.dgph.de/presse_news/<br />
Weitere Informationen zum Symposium<br />
Missing Links & Forschungslücken und<br />
zur Deutschen Gesellschaft für Photographie<br />
unter:<br />
www.dgph.de<br />
Gudrun Angelika<br />
Hoffmann<br />
»Nackte Verfremdung«<br />
Malerei in Öl und Acryl<br />
Alle Bilder basieren auf Aktstudien an<br />
lebenden Modellen. Die Bildnisse vermitteln<br />
einen freien, anmutigen Umgang<br />
mit dem Thema der Nacktheit.<br />
Weitere Sujets expressiver, abstrakter<br />
Werke unter:<br />
www.Gudrun-Angelika-Hoffmann.de<br />
Die Aktgalerie präsentiert mit Gudrun<br />
Angelika Hoffmann eine Stahnsdorfer<br />
Kunstmalerin. Sie benutzt Öl und Acrylfarben<br />
für ihre Aktbilder. Die Ölbilder<br />
basieren auf einer Renaissancetechnik<br />
des Mittelalters. Dadurch erhalten die<br />
Körper eine durchscheinende, greifbare<br />
Realität, die z.T. mit einer modernen<br />
Technik verfremdet wird.<br />
Die Acrylwerke sind von der expressiven<br />
Arbeitsweise der Künstlerin geprägt.<br />
© Gudrun Angelika Hoffmann, (O.i.F.)<br />
Vernissage<br />
7. März <strong>2014</strong> um 19 Uhr<br />
7. März bis 30. März <strong>2014</strong><br />
Die Aktgalerie<br />
Krossener Straße 34<br />
10245 Berlin- Friedrichshain<br />
Fr., Sa., So.<br />
16 – 20 Uhr<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
43
Fotoszene<br />
Fotokunst verkaufen<br />
mit Luxad<br />
17 Ausstellungen in drei Jahren Luxad<br />
haben bei mir wertvolle Eindrücke und<br />
Erkentnisse hinterlassen. Unter anderem<br />
habe ich erkannt, dass ein Großteil<br />
der Interessenten und Käufer aus dem<br />
Umfeld der Künstler selbst stammt und<br />
es im Grunde nicht sein kann, dass Fotokunst<br />
zum Verkaufen in eine Form aus<br />
Ausstellungsort, -dauer und -umfang<br />
reduziert wird. Die angemessene, freie<br />
und dauerhafte Präsentation der Werke<br />
gelingt nur den Fotokünstlern selbst.<br />
Im Sommer 2013 war die Idee geboren,<br />
das klassische Ausstellungskonzept<br />
im Luxad komplett abzulösen und mit<br />
einem neuen, innovativen Fotokunst-<br />
Konzept zu starten.<br />
Kernstück des Konzepts ist der direkte<br />
Verkauf von Fotografien in Kombination<br />
mit Bilderrahmen über den Onlineshop.<br />
Das System ist dabei so angelegt, dass es<br />
Fotografien direkt von den Internetseiten<br />
der Künstler verkaufen kann und dabei<br />
ohne ein separates Anlegen und Verwalten<br />
der Fotografien auskommt. Ein<br />
simpler »Link« je Fotografie reicht jetzt<br />
aus, um sie bestellbar zu machen. Die<br />
Fotokünstler bleiben weiterhin völlig<br />
frei in Präsentation und Angebot und<br />
erweitern ihre Portfolien lediglich um<br />
den neuen Verkaufslink. Durch den Einsatz<br />
auf den Webseiten der Fotokünstler<br />
ergeben sich automatisch völlig neue<br />
Möglichkeiten, denn nur wer den Link<br />
sieht, kann das Werk bestellen.<br />
Die Künstler bestimmen ihren individuellen<br />
Preis pro Quadratzentimeter,<br />
woraus sich die Preise für verschiedene<br />
Bildgrößen ergeben.<br />
Das Konzept kommt ohne Grundgebühr<br />
aus. Lediglich ein fairer Abzug<br />
vom Bildpreis wird berechnet, um damit<br />
unter anderem die Kosten für den Fotodruck<br />
abzudecken. Teilnehmen kann<br />
jeder, der seine Fotos im Internet präsentiert.<br />
Eine Anmeldung als Fotokünstler<br />
ist erforderlich.<br />
© Andreas David<br />
© Andreas David<br />
Im Laden finden Besucher ein Fotokunst-<br />
Regal mit bereits eingerahmter Fotokunst<br />
von verschiedenen Künstlern zur<br />
sofortigen Mitnahme. Es wird regelmäßig<br />
in Zusammenarbeit mit den Künstlern<br />
befüllt und präsentiert in erster Linie<br />
die Fotokunst, die bereits über den Onlineshop<br />
verkauft wurde.<br />
Ausführliche Informationen für Fotografinnen<br />
und Fotografen sind zu finden<br />
unter:<br />
www.luxad.de/fotokunst/verkaufen/.<br />
Die vollständige Schnittstellenbeschreibung<br />
mit Beispielen kann unter:<br />
www.luxad.de/api/ abgerufen werden.<br />
© Andreas David<br />
Luxad<br />
Mommenstraße 42 (rechs)<br />
10629 Berlin-Charlottenburg<br />
Mo – Fr<br />
Sa<br />
10 – 19 Uhr<br />
12 – 18 Uhr<br />
44 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Fotoszene<br />
6. Europäischer<br />
Monat der Fotografie<br />
16. Oktober bis<br />
16. November <strong>2014</strong><br />
Der 6. Europäische Monat der Fotografie<br />
Berlin findet vom 16. Oktober bis<br />
16. November <strong>2014</strong> an verschiedenen<br />
Orten der Stadt statt. Das Thema lautet:<br />
Umbrüche und Utopien. Das andere<br />
Europa. Die kuratorische Leitung des<br />
alle zwei Jahre stattfindenden Fotofestivals<br />
übernimmt der Berliner Kurator und<br />
Kunsthistoriker Frank Wagner.<br />
In den letzten hundert Jahren hat sich<br />
Europa, wie wir es heute kennen, ständig<br />
verändert. Vielfältige Zäsuren, darunter<br />
die beiden Weltkriege, die Weltwirtschaftskrise<br />
1929, die Gründung der<br />
beiden deutschen Staaten und die friedliche<br />
Revolution von 1989, haben sein<br />
Bild immer wieder neu geprägt. Was<br />
verstehen wir heute unter Europa im<br />
Unterschied zu damals?<br />
Krieg, Freiheit, Jubel, Protest, Stillstand,<br />
Krise, das Entdecken neuer und alter<br />
Kulturen, Gleichberechtigung, Toleranz,<br />
Identität, Intimität, Glaube, Sexualität,<br />
Mode und Alltag sind einige der<br />
Aspekte, die das Miteinander in Europa<br />
formen und die beim Festival zum<br />
Tragen kommen. Häufig wird Europa<br />
über seine Begrenzungen definiert.<br />
Das wirft Fragen auf: Wie werden die<br />
extremen wie auch die allmählichen<br />
Umbrüche und Verwerfungen erlebt?<br />
Welche Utopien prägen unser Bild von<br />
der Zukunft? Welche Perspektiven tun<br />
sich auf?<br />
Der 6. Europäische Monat der Fotografie<br />
geht auf Entdeckungsreise und reagiert<br />
auf diese Fragen mit historischen<br />
und zeitgenössischen Ausstellungen.<br />
Frank Wagner lebt und arbeitet als<br />
Kunsthistoriker und freier Kurator in<br />
Berlin. 2012 kuratierte er eine fundamentale<br />
Ausstellung zum Werk des chilenischen<br />
Künstlers Alfredo Jaar, die parallel<br />
in drei Kunstinstitutionen in Berlin<br />
stattfand: Alte Nationalgalerie, Berlinische<br />
Galerie und neue Gesellschaft für<br />
bildende Kunst (nGbK). Von 2009 bis<br />
2013 betreute Frank Wagner die Ausstellungen<br />
zum Arbeitsstipendium Bildende<br />
Kunst des Landes Berlin in der<br />
nGbK, in deren RealismusStudio er seit<br />
1985 Mitglied ist. In seiner fast 30-jährigen<br />
Tätigkeit als Kurator hat Frank<br />
Wagner an vielen Institutionen Ausstellungen<br />
verantwortet, so z.B. am Cobra<br />
Museum – Museum for Modern Art in<br />
Amsterdam/Amstelveen, am Museum<br />
Ludwig in Köln und im Hamburger<br />
Bahnhof – Museum für Gegenwart –<br />
in Berlin (u. a. eine Retrospektive über<br />
Felix Gonzalez-Torres), und mit vielen<br />
Künstlern zusammengearbeitet, darunter<br />
Group Material, General Idea, Barbrara<br />
Kruger, Allan Sekula, Rineke Dijkstra,<br />
Robert Gober, Katharina Sieverding,<br />
Stan Douglas, Miriam Cahn, Cady<br />
Noland, Hanne Darboven, Marlene<br />
Dumas, Hans Haacke, Monica Bonvicini<br />
und John Miller. Seine Ausstellung<br />
in der nGbK Berlin mit Projektionen und<br />
Fotoarbeiten von Klaus Mettig wurde<br />
2010 in erweiterter Form in das Museum<br />
Kunstpalast in Düsseldorf übernommen.<br />
»Das achte Feld«, die erste deutsche<br />
Museumsschau zur sexuellen Diversität<br />
in der Kunst seit 1960 (2006 Museum<br />
Ludwig, Köln) zeigte Serien bedeutender<br />
Fotografen, darunter Claude Cahun<br />
und Brassaï, Diane Arbus, Nan Goldin,<br />
Cindy Sherman, Peter Hujar und Wolfgang<br />
Tillmans. 2003 präsentierte er mit<br />
Hildtrud Ebert die Retrospektive »VALIE<br />
EXPORT – Mediale Anagramme« in der<br />
Akademie der Künste Berlin und stellte<br />
eine Retrospektive zum filmischen Werk<br />
Yoko Onos zusammen, 2002 kuratierte<br />
er eine Retrospektive über Sanja Ivekovic.<br />
1987 war Frank Wagner als Projektleiter<br />
und Redakteur (gemeinsam mit<br />
Klaus Behnken) für die bahnbrechende<br />
Ausstellung und das Buch »Inszenierung<br />
der Macht – Ästhetische Faszination<br />
im Faschismus« verantwortlich.<br />
Pressekontakt: Gabriele Miketta, Tel.<br />
030-24749-732,<br />
pr@kulturprojekte-berlin.de<br />
Berichtigung<br />
In der letzten Ausgabe 4-2013 haben<br />
wir ein falsches Bild von Wolfgang<br />
Hiob (Seite 82) im Rahmen »50 Jahre<br />
Colorclub Berlin-Treptow) veröffentlicht.<br />
Wir bitten um Entschuldigung!<br />
© Wolfgang Hiob, (Original in Farbe)<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
45
Ausstellungen<br />
Andreas Adam<br />
»Die Sonne scheint,<br />
da geht eine Frau und<br />
alles ist gut«<br />
Auf den Spuren Elizabeth von Arnims<br />
auf Rügen<br />
Ein Rügenurlaub im Jahr 2013 war Anlass,<br />
sich auf Spurensuche zu begeben.<br />
In den Jahren 1897/98 sowie 1901 nämlich<br />
hatte die Schriftstellerin Elizabeth<br />
von Arnim (1866 – 1941) die Sommermonate<br />
auf dieser Insel verbracht<br />
und ihre Beobachtungen und Erlebnisse<br />
in den autobiografisch gefärbten<br />
Roman »Elizabeth auf Rügen« einfließen<br />
lassen.<br />
Ihre (Kutsch)fahrt führte sie damals vom<br />
Süden der Insel an der Ostküste entlang,<br />
vorbei an Sellin, Binz und Saßnitz hoch<br />
bis Kap Arkona und nach Hiddensee.<br />
© Andreas Adam, »Pavillon, Seebrücke Sellin«<br />
Begegnungen mit einem englischen<br />
Verehrer und seiner Mutter, insbesondere<br />
aber mit ihrer emanzipationsmissionarischen<br />
Cousine Charlotte, die sich<br />
auf der Flucht vor ihrem älteren Mann,<br />
einem Professor und notorischen Charmeur,<br />
befindet, werden auf amüsante<br />
Art geschildert.<br />
Wie würde es um die Schauplätze von<br />
einst heute, gut 110 Jahre später, bestellt<br />
sein?<br />
Um das herauszufinden, wurden ausgewählte<br />
Stationen der Reise aufgesucht<br />
und abgelichtet.<br />
Einige davon waren tadellos erhalten<br />
und nahezu unverändert, an anderen<br />
hatte deutlich der Zahn der Zeit<br />
genagt.<br />
So war beispielsweise die »Bretterbrücke«<br />
in Lauterbach, dem Ort, wo »das<br />
Baden am schönsten« und an dem Elizabeth<br />
»am glücklichsten« war, überraschenderweise<br />
noch als Relikt vorhanden<br />
- den »Bonbon-Automaten in<br />
Gestalt einer brütenden Henne«, allerdings,<br />
gibt es nur noch in der vergnüglichen<br />
Sommerlektüre zu entdecken…<br />
Andreas Adam<br />
© Andreas Adam, »Da geht eine Frau«, (O.i.F.) © Andreas Adam, »Die Bretterbrücke«, (O.i.F.)<br />
© Andreas Adam, »Hünengrab«,<br />
Lancken-Granitz (O.i.F.)<br />
© Andreas Adam, »Badehaus Goor«, Lauterbach<br />
Vernissage:<br />
21. Januar <strong>2014</strong>, 16.30 Uhr<br />
21. Januar bis 14. März <strong>2014</strong><br />
GDA Wohnstift Göttingen<br />
Charlottenburger Straße 19<br />
37085 Göttingen<br />
täglich von 08 – 20 Uhr<br />
46 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Ausstellungen<br />
JEFF WALL<br />
IN MÜNCHEN<br />
Wie kaum ein anderer Künstler seiner<br />
Generation hat der Kanadier Jeff Wall<br />
(geb. 1946) die Möglichkeiten bildnerischer<br />
Gestaltung, die Grenzen zwischen<br />
den Gattungen Malerei, Fotografie,<br />
Skulptur und Film, zwischenFiktion<br />
und Realität thematisiert und das fotografische<br />
Bild neu definiert. München<br />
hat sich früh zu einem Zentrum der Jeff<br />
Wall-Rezeption entwickelt, bereits seit<br />
den frühen 1980er Jahren war sein Werk<br />
hier präsent, wurde ausgestellt, gesammelt<br />
und publiziert.<br />
Die Ausstellung, die in enger Zusammenarbeit<br />
mit dem Künstler entsteht,<br />
vereint erstmals die in Münchner Sammlungen<br />
vertretenen Arbeiten. Vor allem<br />
in den 1980er und 1990er Jahren entstanden,<br />
gibt diese 19 Werke umfassende<br />
Auswahl einen pointierten Überblick<br />
über die wichtigsten Aspekte<br />
in Jeff Walls Schaffen, teils mit heute<br />
berühmten, oftmals gezeigten Arbeiten<br />
wie »The Thinker« oder »Restoration«,<br />
aber auch durch Werke, die zu den<br />
weniger bekannten und selten gezeigten<br />
zählen.<br />
Jeff Wall, The Thinker, 1986, transparency in lightbox, 239 x 216 cm<br />
Collection Lothar Schirmer, Munich, Courtesy of the artist, © Jeff Wall, (Original in Farbe)<br />
Zur Ausstellung erscheint ein Katalogbuch<br />
im Schirmer/Mosel Verlag.<br />
Ein vielfältiges Rahmenprogramm mit<br />
Führungen, Workshops, Vorträgen und<br />
Filmen begleitet die Ausstellung. Für die<br />
Ausstellung hat Jeff Wall zudem eine<br />
Matinée mit europäischen und amerikanischen<br />
Autorenfilmen zusammengestellt.<br />
Die einzelnen Filme werden<br />
jeweils am 2. Sonntag des Monats zu<br />
sehen sein.<br />
Kuratorin: Inka Graeve Ingelmann<br />
Die Ausstellung wird gefördert durch<br />
den Deutschen Sparkassen- und Giroverband<br />
und PIN. Freunde der Pinakothek<br />
der Moderne e.V.<br />
Jeff Wall, The Smoker, 1986, transparency in<br />
lightbox, 87,5 x 104 cm Collection Christa<br />
Döttinger Courtesy of the artist, © Jeff Wall,<br />
(Original in Farbe)<br />
Jeff Wall, A Donkey in Blackpool, 1999<br />
transparency in lightbox, 195 x 244 cm<br />
Collection Lothar Schirmer, Munich, Courtesy<br />
of the artist, © Jeff Wall,<br />
(Original in Farbe)<br />
bis 9. März <strong>2014</strong><br />
Pinakothek der Moderne<br />
Barer Straße 40<br />
80333 München<br />
Di – So<br />
Do<br />
10 – 18 Uhr<br />
10 – 20 Uhr<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
47
Fotoszene<br />
»DIE<br />
EXHIBITIONISTEN<br />
BEGEGNEN DEN<br />
VOYEUREN AUF<br />
EINER EBENE.«<br />
EIN GESPRÄCH<br />
ÜBER DIE<br />
ZEITGENÖSSISCHE<br />
AKTFOTOGRAFIE<br />
ZWISCHEN DEM<br />
FOTOHISTORIKER<br />
KLAUS HONNEF<br />
UND DEM<br />
FOTOGRAFEN<br />
PEPPER VOM APRIL<br />
2013.<br />
Pepper: In Ihrem aktuellen Beitrag für<br />
die Kunstzeitung beschreiben Sie den<br />
Bedeutungswandel der Aktfotografie<br />
und ihre in Ihren Augen zunehmende<br />
Seichtheit und Gleichförmigkeit. Sie<br />
vermissen innovative und mutige Künstler<br />
und Fotografen, die Tabus zu brechen<br />
oder ästhetische und gesellschaftliche<br />
Impulse zu geben in der Lage sind.<br />
Dabei haben Sie mit Ryan McGinley ja<br />
selbst einen Namen genannt, der eine<br />
wohltuende Frische in das Sujet bringt,<br />
auch ganz ohne Tabubruch. Ich sehe<br />
die Situation nicht so verfahren wie Sie,<br />
denn neben all den, ich will mal sagen,<br />
Mainstreamfotografen, gibt es, wie es ja<br />
immer der Fall war, auch Ausnahmeerscheinungen.<br />
Denken Sie zum Beispiel<br />
an Jürgen Teller, der, aus der Modefotografie<br />
kommend, sich nackt auf einem<br />
Flügel rekelnd, in seiner Korpulenz<br />
selbst portraitiert. Das ist doch eine<br />
Position, die nicht gekünstelt ist sondern<br />
ehrlich und authentisch. Ein paar<br />
solche Persönlichkeiten reichen doch<br />
völlig aus, um sagen zu können, die Aktfotografie<br />
bringt nach wie vor Spannendes<br />
hervor, auch in unserer Zeit.<br />
Klaus Honnef: Ich halte es mit meinem<br />
Lehrer René König. Auch die Haltung<br />
der Nackten am Strand ist keineswegs<br />
ursprünglich, sondern »parure«, ist<br />
Ausdruck eines kulturellen Gepräges,<br />
gehorcht den umfassenden Gesetzen<br />
der Mode. Was derzeit in den fortgeschrittenen<br />
Konsum- und Mediengesellschaften<br />
sichtbar wird, gibt ihm recht.<br />
Der nackte Körper ist sogar längst zu<br />
einer Art undurchsichtigem Anzug<br />
geworden, dessen Erscheinungsbild<br />
man unbekümmert mit Hilfe von Sport,<br />
Diäten und chirurgischem Besteck nach<br />
Gutdünken modelliert wie eine Figur<br />
aus Ton. Die ostentativ und massenhaft<br />
zur Schau gestellte Nacktheit hat<br />
ihn förmlich entmenschlicht, indem<br />
er ihn entsexualisiert und enterotisiert<br />
hat, so dass er längst das Gegenteil von<br />
Authentizität »verkörpert«. Der scheinbar<br />
auf ewig jung gestylte menschliche<br />
Körper weist nur auf die makellosen<br />
Körper der »Hubots«, der künstlichen<br />
Menschen (Robotern), voraus, die<br />
im Fernsehen oder Kino zirkulieren: klischeehaft<br />
schön, sauber, mechanisch –<br />
und dienstbar. Dass sich in ihnen auch<br />
Gefühle entwickeln, bildet den utopischen<br />
Ausblick. Dass die Fotografie<br />
diesem Prozess auf dem Weg in die<br />
Künstlichkeit, dessen Komplize sie ist<br />
und war, etwas entgegen setzten kann<br />
(und wird), sehe ich nicht.<br />
Pepper: Oh, das sehe ich aber anders,<br />
zumindest in einigen Punkten. Ohne<br />
Zweifel ändert sich das Bild des Körpers<br />
durch die Konsum- und Mediengesellschaft.<br />
Das ist aber kein neues Phänomen,<br />
sondern Veränderung findet<br />
immer statt und wird es auch in Zukunft<br />
geben. Auch dass die massenhafte Darstellung<br />
des Körpers, also des nackten<br />
Körpers bis hin zur Pornografie enterotisierend<br />
wirkt, kann ich zumindest<br />
für mich nicht behaupten. Doch ich<br />
will wieder konkret zurück zur künstlerischen<br />
Fotografie kommen. Klar,<br />
dadurch, dass heute alles möglich ist,<br />
schockiert vieles auch nicht mehr. Ein<br />
Robert Mapplethorpe könnte heutzutage<br />
nicht mehr seine Karriere mit Aufnahmen<br />
aus dem schwulen S/M-Milieu<br />
starten, weil die nicht mehr einzigartig<br />
wären. Mapplethorpe hatte für seine<br />
Themata das, na, sagen wir mal Glück<br />
in einer Zeit zu leben, in der Sexualität<br />
durch starke Tabus, gesellschaftliche<br />
Vorurteile und auch Gesetze eine<br />
enge Eingrenzung erfuhr. Da fielen<br />
seine Arbeiten auf und wurden kontrovers<br />
debattiert. Das hat seine Karriere<br />
beflügelt, er wurde international<br />
rezipiert. Im Langzeitgedächtnis hingegen<br />
sind seine am klassischen Ideal<br />
ausgerichteten Akte und seine Blumenstillleben<br />
stärker verankert. Also nicht<br />
das Kontroverse Werk. Und seien wir<br />
ehrlich, längst nicht alles was Mapplethorpe<br />
fotografiert hat war herausragend<br />
sondern einfach nett anzusehen.<br />
Denken Sie an das Buch über seine<br />
langjährige gute Freundin Liza Lyon.<br />
Aus heutiger Sicht ist der größte Teil<br />
dieser Bilder banal und langweilig.<br />
Aber das ist doch Ok so, die Gesellschaft<br />
geht weiter, die Interessen und<br />
Ansichten ändern sich und eine neue<br />
Generation von Fotografen sucht sich<br />
ihre Themen und bemüht sich um neue<br />
Aspekte. Wenn wir dann mal eine Zeit<br />
der netten Bilder erleben ist es eben<br />
so. Irgendwann ist es den Leuten langweilig<br />
und dann kommt etwas Neues.<br />
Man muss auch nicht krampfhaft<br />
einen Tabubruch hervorzaubern. Das<br />
hat jetzt zwar nichts mit Fotografie zu<br />
tun, aber ich denke gerade an Santiago<br />
Sierra, der in einer seiner Aktionen vier<br />
drogensüchtigen Prostituierten eine<br />
Linie auf ihren Rücken hat tätowieren<br />
lassen und ihnen dafür den Gegenwert<br />
für einen Schuss Heroin gezahlt hat. Er<br />
und ein Großteil der Kunstkritik halten<br />
diese Aktion für eine großartige provokante<br />
Gesellschaftskritik. Ich finde sie<br />
nur ekelhaft und dekadent, denn Sierra<br />
bringt Frauen dazu sich selbst zu verstümmeln,<br />
ihren Körper, mit dem Sie<br />
ihr Leben finanzieren, zu verunstalten.<br />
Das ist die Aktion eines wohlhabenden,<br />
satten Menschen der sich selbst<br />
auf Kosten anderer in den Mittelpunkt<br />
stellt. Kritik lässt sich auch anders formulieren.<br />
Also, ich finde nicht, dass<br />
Kunst und Fotografie einem Prozess<br />
auf Teufel komm raus etwas entgegen<br />
stellen muss. Sobald die L’Art pour l’Art<br />
Attitüde in der Aktfotografie langweilt,<br />
48 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Fotoszene<br />
Klaus Honnef im Gespräch mit Helmut Newton während der von ihm kuratierten Ausstellung<br />
»Helmut Newton« im Rheinischen Landesmuseum Bonn, 1987. © Walter G. Müller, DGPh<br />
wird der Blick der suchenden Konsumenten,<br />
Kritiker und Kuratoren schon<br />
die Positionen herauspicken, auf die es<br />
in der nächsten Dekade ankommt.<br />
Klaus Honnef: Dass sich das Verhältnis<br />
zum Körper vollständig versachlicht hat,<br />
dass der Körper inzwischen als eine Art<br />
Maschine begriffen wird, die sich tendenziell<br />
bei entsprechender Behandlung<br />
regenerieren lässt, ist schon etwas<br />
Neues in der Menschheitsgeschichte<br />
und hat einschneidende Auswirkungen<br />
auf seine Darstellung im Bild. Damit<br />
schwindet im Prinzip schon der essentielle<br />
Unterschied zwischen Körper und<br />
Bild. Der Körper wird in letzter Konsequenz<br />
selbst zum Bild. Das Bedürfnis,<br />
ihn halb oder ganz nackt in der Öffentlichkeit<br />
zu zeigen, wie es von Sommer<br />
zu Sommer in ansteigender Form zu<br />
erleben ist, wobei dieses demonstrative<br />
Zeigen nicht als Appell, ihn zu berühren,<br />
missverstanden werden darf, illustriert<br />
die Sache hinreichend. Noli me<br />
tangere. Nur tiefe Blicke sind gestattet.<br />
Die Exhibitionisten begegnen den<br />
Voyeuren auf einer Ebene des symbolischen<br />
Austauschs – take and give. Laut<br />
»Spiegel« soll ja Autoerotik das Gebot<br />
der Stunde sein, ebenfalls mit steigender<br />
Intensität. In den Bildern von<br />
Robert Mapplethorpe tut sich dagegen<br />
noch die skandalisierende Kluft zwischen<br />
dem klassischen Ideal der Kalokagathie,<br />
des schönen Geistes im schönen<br />
Körper, und der abgründigen Seite<br />
(s)einer exzessiven sexuellen Begierde<br />
auf. Mit dem Schwinden der humanistischen<br />
Bildung geht allerdings der Sinn<br />
für diese kühne Art der Provokation verloren.<br />
Im sterilen Körper der neueren<br />
Aktfotografie ist das dunkle, das animalische<br />
Element des Menschseins gleichsam<br />
wegoperiert – mit Hilfe der digitalen<br />
Technik kein Problem und schmerzfrei.<br />
Narben sind nicht (mehr) zu sehen<br />
oder andere kosmetische »Unvollkommenheiten«.<br />
Übrig bleiben mehr oder<br />
minder attraktive Menschen in mehr<br />
oder minder künstlichen Verrenkungen.<br />
Ich habe nichts gegen hübsche Dekoration.<br />
Doch klinisch saubere Bilder schöner<br />
Frauen, schöner Männer in dekorativer<br />
Hin-Richtung finde ich eher belanglos<br />
und total unnatürlich.<br />
Pepper: Aber wieder sprechen Sie von<br />
der Masse und negieren, dass es immer<br />
auch Fotografen und Künstler gibt, die<br />
diesem Trend in keinster Weise folgen.<br />
Im vergangenen Jahr habe ich Bilder<br />
der Fotografin Benita Suchodrev gesehen,<br />
die Frauen um die 50 gebeten hat,<br />
sich erotisch bis nackt zu inszenieren,<br />
also Frauen, die bereits einen Großteil<br />
ihres Lebens hinter sich haben und<br />
die Narben der Zeit auf dem Körper<br />
tragen. Das sind keine exhibitionistischen<br />
Bilder und stehen völlig gegen<br />
den Trend, der in Hochglanzmagazinen<br />
präsentiert wird. Das sind Statements<br />
von Frauen, die sagen; hier bin ich, so<br />
sehe ich aus, ich bin auch noch da. Und<br />
ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie,<br />
der sie so viel unterwegs sind und so<br />
viel zu Gesicht bekommen, nicht auch<br />
die eine oder andere Position entdecken,<br />
von der Sie sagen: wunderbar,<br />
die Aktfotografie gebe ich noch nicht<br />
völlig verloren.<br />
Klaus Honnef: Natürlich sind auch die<br />
Bilder von Frau Suchodrev im Prinzip<br />
exhibitionistische Bilder. Dagegen ist<br />
auch nichts zu sagen, es ist unvermeidlich,<br />
ebenso, dass sie sich an unsere<br />
voyeuristischen Gefühle adressieren.<br />
Ich kenne die Bilder aber nicht. Deshalb<br />
kann ich mir auch kein Urteil über<br />
sie bilden. Dass viele Frauen über 50<br />
eine erheblich erotischere Ausstrahlung<br />
haben als die sterilen Puppen-<br />
Schönheiten im Alter zwischen 17 und<br />
22 der grassierenden Casting Shows<br />
– geschenkt. Im Kino feiern sie von<br />
Meryl Streep über Kristin Scott-Thomas<br />
und Catherine Deneuve bis Charlotte<br />
Rampling derzeit große Erfolge – wunderbar.<br />
Nick Knight und andere sind<br />
noch weiter gegangen und haben die<br />
erotische Kraft von behinderten Körpern<br />
gezeigt – ohne Schlüsselloch-Perspektive,<br />
aber mit einem Schuss von attraktiver<br />
Beunruhigung. »Bilder, die noch<br />
fehlten« hieß unsere Ausstellung mit ein<br />
paar unglaublich prägnanten und anziehenden<br />
Beispielen dieser Sorte von Bildern.<br />
Das Schlimme an der gegenwärtigen<br />
Aktfotografie ist ja, soweit ich es<br />
sehe, dass sie in jeder Beziehung »politically<br />
correct« ist. Und penetrant züchtig<br />
zugleich. Wie sich ja auch die sexuelle<br />
Praxis im deutschen Beamtenfernsehen<br />
nur noch in Hut und Mantel, in voller<br />
Montur vollzieht, reduziert auf ein gymnastisches<br />
Rubbeln, also verzichtbar ist.<br />
Deshalb ist die momentane Aktfotografie<br />
auch so unerträglich langweilig – wie<br />
das meiste in der Kunst und der Kunstfotografie.<br />
Leider. In den großen Museen<br />
der Welt geht in den Abteilungen für<br />
die Kunst und Kultur vor Aufbruch der<br />
Moderne, die »alte Kunst« also, die Post<br />
erheblich vehementer ab. Ein Vergleich<br />
lohnt, ist aber für viele Aktfotografen<br />
deprimierend. Vom Gegenteil ließe ich<br />
mich allzu gerne überzeugen.<br />
Pepper: Ach, ich glaube nicht, dass<br />
das für die so deprimierend ist, viele<br />
werden das eher ignorieren. Aber die,<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
49
Fotoszene<br />
die ein waches Auge haben, finden vielleicht<br />
Inspiration in diesen Museumsabteilungen,<br />
die ja auch Ethnologische<br />
Departments mit einschließen. Haben<br />
Sie denn gerade einen heißen Tipp, was<br />
man sich unbedingt anschauen sollte?<br />
Manchmal muss man ja auf etwas gestoßen<br />
werden.<br />
Klaus Honnef: Ich befürchte, im ersten<br />
Fall haben Sie recht. Wer sich allerdings<br />
in den Bildentwürfen der Vergangenheit<br />
umtut, egal ob in Kunst- oder Ethnologie-Museen,<br />
und sich inspirieren lässt,<br />
läuft Gefahr, die Grenzen dessen, was<br />
»politically correct« vorschreibt, zu verletzen.<br />
Der Kunst täte das gut, den Urhebern<br />
vermutlich weniger.<br />
Einen heißen Tipp zur Anschauung? Die<br />
Kunstgeschichte in den Museen der Welt<br />
– Prado, Louvre, Eremitage, die National<br />
Galerien von London und Washington,<br />
nicht zu vergessen die Gemäldegalerie<br />
in Berlin, so lange Kuratorenhochmut<br />
sie nicht zerstört, und in der allfälligen<br />
Literatur. In puncto erotischer<br />
Kunst, ein etwas umfassenderes Gebiet<br />
als die Gattung des Aktes, immer noch<br />
die vielen Bücher des Sammlers Eduard<br />
Fuchs. Vor allem wegen der immensen<br />
Fülle der leider schlecht reproduzierten<br />
Abbildungen, auch wenn die umfangreichen<br />
Analysen des Autors nur noch<br />
in Grenzen zeitgemäß sind. Nicht vergessen<br />
sollte man aber auch, dass der<br />
nackte Körper früher nicht allein erotisch-sexuelle<br />
Assoziationen auslösen<br />
sollte, sondern gerade in der christlichen<br />
Mythologie auch die Unschuld<br />
und Reinheit symbolisierte. Aus diesem<br />
Zwiespalt schlugen viele Künstler indes<br />
die ästhetischen Funken.<br />
Pepper: Gibt es für Sie gegenwärtige<br />
Aktfotografien, von denen Sie glauben,<br />
dass sie die Zeit überdauern werden?<br />
Es müssen jetzt nicht unbedingt Aufnahmen<br />
junger Fotografen und Fotografinnen<br />
sein.<br />
Klaus Honnef: Obwohl ich – im Rückblick<br />
– offenbar eine besondere Intuition<br />
für die Künstlerinnen und Künstler<br />
hatte, die fotografischen eingeschlossen,<br />
und deren Arbeiten bereits früh ausgestellt<br />
und kritisch gewürdigt habe, die<br />
inzwischen die visuellen Vorstellungen<br />
der Zeit maßgeblich prägen, bin<br />
ich alles andere als ein Prophet. Aus<br />
langer Erfahrung bin ich jedoch davon<br />
überzeugt, dass Bilder von Autoren, die<br />
selbst den anziehenden nackten Körper<br />
im Netz vieldeutigster Bezüglichkeiten<br />
zeigen, im Focus seiner hellen und<br />
dunklen Punkte, sowie den spezifischen<br />
Blick der Betrachter gleich mit thematisieren,<br />
die darüber hinaus noch ein<br />
Licht auf die kollektiven Erwartungen<br />
und Befindlichkeiten ihrer Zeit werfen,<br />
überdauern werden. Für die unmittelbare<br />
Vergangenheit wären das Bilder<br />
von u. a. Helmut Newton, Guy Bourdin,<br />
Bettina Rheims, Robert Mapplethorpe,<br />
Nan Goldin, Larry Sultan, Jürgen<br />
Teller, Miroslav Tichy´, Nobuyoshi Araki,<br />
Antoine D´Agata, Boris Mikhailov – und<br />
etliche andere, doch alle keine reinen<br />
Aktfotografen. Der Akt als Akt, als bloße<br />
Vergegenwärtigung eines nackten weiblichen<br />
oder männlichen Körpers, ist,<br />
glaube ich, kein herausforderndes Bildthema<br />
mehr.<br />
Pepper: Wie bewerten Sie eine Position<br />
wie die von Terry Richardson, der<br />
sich erfolgreich im Spektrum zwischen<br />
harter Pornografie und Modefotografie<br />
bewegt?<br />
Klaus Honnef: Grundsätzlich ist er einer<br />
der Fotografen, die realisieren, was ich<br />
von einem »notwendigen Bild« (Robert<br />
Bresson) erwarte. Seine Gefahr ist allerdings,<br />
dass er den Verlockungen des<br />
Kommerzes und des Spektakulären<br />
allzu oft nachgibt. Viele seiner Bilder<br />
fallen demzufolge ziemlich vordergründig<br />
aus und huldigen lediglich dem Voyeurismus,<br />
ohne dass sie jenes Quäntchen<br />
Erschrecken und Schaudern mitliefern,<br />
das sie von einer auf pornographische<br />
Elemente setzende Werbefotografie<br />
abhebt.<br />
Pepper: Ich denke, dass Richardson<br />
ein Phänomen unserer Zeit ist. Sexualität<br />
bis hin zur harten Pornografie<br />
ist heutzutage in unserer Gesellschaft<br />
kein Tabu mehr und wird von vielen<br />
auch nicht mehr als anstößig empfunden,<br />
was meiner Meinung nach auch<br />
in Ordnung ist. Interessant ist aber<br />
etwas, das mir eine befreundete Studentin<br />
kürzlich erzählt hat, nämlich<br />
dass etliche ihrer Kommilitonen und<br />
Kommilitoninnen gar nicht mehr in<br />
der Lage sind zwischen einem künstlerischen<br />
Akt und reiner Pornografie<br />
zu unterscheiden. Und genau deshalb,<br />
weil es immer häufiger keinerlei Unterscheidung<br />
mehr gibt, kann eine Person<br />
wie Richardson beispielsweise für ein<br />
Modelabel wie Sisley erfolgreich Kampagnen<br />
mit starken pornografischen<br />
Andeutungen fotografieren. Es irritiert<br />
dann auch keinen, dass er parallel<br />
dazu reine Pornografie, zum Teil mit<br />
ihm selbst als Akteur, in einem Buch<br />
wie »Kibosh« publiziert. Dabei ist das,<br />
was in »Kibosh« zu sehen ist grottenschlecht.<br />
Und ich wage zu bezweifeln,<br />
dass er in Zukunft wegen seiner Künstlerischen<br />
Qualität im Bewusstsein bleiben<br />
wird. Ich halte da einen Fotografen<br />
wie Nobuyoshi Araki für sehr viel interessanter.<br />
Klar, auch Araki macht viele<br />
banale pornografische Aufnahmen,<br />
aber sein Spektrum ist doch wesentlich<br />
vielschichtiger. »Tokyo Lucky Hole«<br />
beispielsweise geht über das Pornografische<br />
und Narzisstische hinaus –<br />
Araki zeigt sich darin ja auch selbst als<br />
teilnehmenden Akteur – weil es eine<br />
konsequente fotografische Dokumentation<br />
eines berühmten Rotlichtviertels<br />
in Tokyo ist. Auch etliche seiner<br />
Bondagefotos haben eine klare ästhetische<br />
Qualität und reichen über den<br />
bloßen Skandal und die reine Pornografie<br />
weit hinaus. Ich habe beispielsweise<br />
die Ausstellung »Kinbaku« in der<br />
Jablonka Galerie 2008 in Berlin noch<br />
in guter Erinnerung.<br />
Klaus Honnef: Womöglich haben Sie<br />
recht. Ich ziehe ebenfalls Araki vor.<br />
Er scheint ernsthafter und obsessiver<br />
zu sein. Richardson schielt mit einem<br />
Auge - nach meiner Ansicht - immer<br />
auf die Betrachter. Er will seine Bilder<br />
stets verkaufen, und da schreckt er<br />
offenbar vor nichts zurück. Andererseits<br />
ist sein Vorgehen symptomatisch<br />
für unsere auf Verkauf und Konsum versessene<br />
Gesellschaft. Als Dokumente<br />
einer primär konsumorientierten Einstellung<br />
sind seine Bilder außerordentlich<br />
signifikant. Wenn auch nicht mein<br />
Ding. Aber an diesem Beispiel lässt sich<br />
leicht illustrieren, wie unsere ästhetischen<br />
Urteilskategorien durch ästhetische<br />
Praxis ihre Griffigkeit eingebüßt<br />
haben. Niemand würde Richardsons<br />
Bilder unter dem Begriff »Doku-<br />
50 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Fotoszene<br />
Pepper, © Jan Sobottka, 2013, (O.i.F.)<br />
mentarfotografie« subsumieren. Dabei<br />
besteht kein Zweifel, dass sie »dokumentarisch«<br />
sind, weil sie das Inszenierte<br />
als Inszenierung sichtbar machen<br />
und nicht so tun als ob. Deshalb bin ich<br />
auch mit einer Bewertung vorsichtiger<br />
als Sie. Sie mögen von einem bestimmten<br />
ästhetischen Gesichtspunkt »grottenschlecht«<br />
sein. Gleichwohl waren<br />
»Bad Paintings« Ende des 20. Jahrhunderts<br />
ein wichtiger Beitrag der zeitgenössischen<br />
Malerei zur Bildkunst, weil sie<br />
mit herkömmlichen Konventionen brachen.<br />
Ich bereite gegenwärtig eine Rede<br />
über Andy Warhols Fotografien für eine<br />
Galerie in Zürich vor. Über den Künstler<br />
habe ich schon 1989 eine Monografie<br />
veröffentlicht, die in über zehn Sprachen<br />
übersetzt wurde und bisher x-Auflagen<br />
erreicht hat. Nicht von ungefähr.<br />
Denn ich habe beschrieben und analysiert,<br />
wie seine künstlerische Haltung<br />
und sein Werk die Maßstäbe der Kunst<br />
– Fotografie und Film eingeschlossen –<br />
regelrecht umgestürzt haben. Seither<br />
müssen wir unsere Maßstäbe auch in<br />
Sachen Aktfotografie völlig neu justieren.<br />
Und in puncto dieser Bestrebungen<br />
stehen wir noch ganz am Anfang.<br />
Pepper: Ja, da mag ich nun meinerseits<br />
etwas zu voreilig und impulsiv<br />
in meiner abschließenden Bewertung<br />
sein. Ich lasse mich da mal überraschen.<br />
Dass Sie jetzt über die Fotografie<br />
von Warhol reden werden, finde<br />
ich ja interessant. Ich hatte Ende der<br />
1990 Jahre in der Hamburger Kunsthalle<br />
eine Ausstellung über alle Aspekte<br />
der Fotografie in Warhols Gesamtwerk<br />
gesehen und war seinerzeit sehr beeindruckt.<br />
Welche Bedeutung hat die Warholsche<br />
Fotografie in Ihren Augen für<br />
die Gegenwart? Gehen von ihr noch<br />
wichtige Impulse aus?<br />
Klaus Honnef: Warhol hat die Kunst<br />
wie kein anderer Künstler der zweiten<br />
Hälfte des 20. Jahrhunderts verändert. Er<br />
hat ihre Parameter geradezu umgepolt.<br />
Man kann die Kunst der letzten Jahrzehnte<br />
in eine Kunst vor und eine nach<br />
Warhol einteilen. Seither sind ästhetische<br />
Kriterien wie »gut gemacht« oder<br />
»gut gemalt« hinfällig, haben den gleichen<br />
Rang wie das inhaltsleere »gefällt<br />
mir« bei Facebook, haben als ästhetische<br />
Maßstäbe ausgedient. Warhol<br />
Impulse sind mit anderen Worten längst<br />
wirksam.<br />
Pepper: Unter anderem hat Warhol sich<br />
intensiv mit dem nackten, erotischen<br />
männlichen Körper auseinandergesetzt,<br />
auch ganz explizit mit dem männlichen<br />
Geschlechtsteil und dem Sexualakt, den<br />
er fotografiert und als Silkscreen veröffentlicht<br />
hat. Für Warhol war die Fotografie<br />
aber vor allem Ausgangspunkt für<br />
seine kommerziellen Portraits und für<br />
seine freien Arbeiten; die eigentlichen<br />
Werke waren dann die Bilder und Siebdrucke.<br />
Später hat er dann Berühmtheiten<br />
für seine Zeitschrift Interview<br />
fotografiert. Für mich sind es gerade<br />
die Fotografien Warhols, die in ihrer<br />
Authentizität und ihrem Materialcharakter<br />
noch heute betören.<br />
Klaus Honnef: Nachdem er die Madison<br />
Avenue und damit eine erfolgreiche<br />
Karriere als Designer aufgegeben<br />
hatte, um »freier« Künstler zu werden,<br />
unterschied Andy Warhol nie zwischen<br />
freier und Auftrags-Kunst. Ebenso<br />
wenig wie zwischen Fotografie, Malerei<br />
(meist ja Siebdruck), Skulptur, Film,<br />
Zeitschrift, zwischen malen, fotografieren,<br />
filmen, drucken, schreiben oder<br />
sammeln. »All is pretty«, einer seiner<br />
vielen inflationär zitierten Sätze, fasst<br />
seine Haltung präzis zusammen und<br />
bezieht sich nicht auf Äußerlichkeiten.<br />
Entsprechend gleichgültig waren<br />
ihm die Motive seiner ästhetischen<br />
Bearbeitungen. Mit ihm ist in der zeitgenössischen<br />
Kunst an Stelle des bürgerlichen<br />
Kunstgenies der coole Beobachter,<br />
Kommentator, Macher, Organisator<br />
(eher eine Haltung, die in der<br />
Fotografie zählt) getreten. Auch nicht<br />
mehr im Einzelbild äußert sich seither<br />
die Essenz des künstlerischen Wollens,<br />
sondern in der Bildserie, der Bildreihe.<br />
Warhols entscheidender Beitrag zur<br />
Kunstgeschichte ist, dass er den künstlichen<br />
Charakter der Kunst ernst genommen<br />
hat. So war Marilyn Monroe nie<br />
eine individuelle Person, sondern ein<br />
Geschöpf Hollywoods und als »Sexsymbol«<br />
ein Produkt millionenfacher (meist<br />
männlicher) Phantasie. Daran ist Norma<br />
Jean Baker zerbrochen. Indem Warhol<br />
sie zur Ikone erhob – zu ihren Lebzeiten<br />
gab es höher bezahlte weibliche Stars<br />
und berühmtere – hat er ihr gleichsam<br />
ein Stück Lebendigkeit zurückgegeben –<br />
um den Preis des Lebens allerdings.<br />
Pepper: Der männliche Akt ist in der<br />
öffentlichen Wahrnehmung nicht so<br />
verbreitet, obwohl er natürlich genau<br />
so existiert wie der weibliche. Im künstlerischen<br />
Bereich waren es seit den<br />
1960er Jahren unter anderem Robert<br />
Mapplethorpe, Arthur Tress, Duane<br />
Michals, Herb Ritts, Peter Hujar und<br />
ein paar andere, die hier neue Akzente<br />
gesetzt haben. Gibt es in ihren Augen<br />
eine unterschiedliche Entwicklung zwischen<br />
männlichem und weiblichem<br />
Akt? Also in den vergangenen Jahrzehnten.<br />
Klaus Honnef: Schwierige Frage. Ich<br />
sehe Unterschiede, bin aber ein Mann.<br />
Die männlichen Akte, die ich kenne und<br />
die vor allem von den Fotografen stammen,<br />
die Sie nennen, sind direkter, fordernder<br />
und vielleicht (????!!) weniger<br />
voyeuristisch als die weiblichen Akte,<br />
die Männer fotografiert haben. Vermutlich<br />
nur in einem anderen Sinne<br />
anziehend und verführerisch. Würde<br />
man jedoch ein Auto, das vorwiegend<br />
auf weibliche Käuferschicht zielt, mit<br />
einem halbausgezogenen Mann bewerben?<br />
Andererseits kenne ich von Fotografinnen<br />
fotografierte weibliche Akte,<br />
die sexuell herausfordernder, appellativer<br />
und abgründiger sind als die meisten<br />
von Fotografen fotografierten Akte.<br />
Ich kann die Frage also nicht mit einem<br />
klaren Ja oder Nein beantworten.<br />
www.klaushonnef.de<br />
www.pepperproject.de<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
51
Portfolio Christian Werner<br />
Christian Werner<br />
»Charcoal Children«<br />
Christian Werner is a freelance photographer<br />
based in Nordstemmen, Germany.<br />
As a teenager he developed his interest<br />
in photography while travelling to foreign<br />
countries.<br />
Since 2009 he’s studying photojournalism<br />
at the University of Applied Sciences<br />
in Hannover.<br />
His main interests are social diversity<br />
and global political issues. The areas of<br />
interest is mainly the arabic world and<br />
culture.<br />
Chris worked in various countries in<br />
Asia, Africa, Eastern Europe and South<br />
America.<br />
His work has been exhibited internationally.<br />
He welcomes assignments<br />
local and overseas and.<br />
Since 2012 Christian is represented by<br />
agency laif.<br />
Vita<br />
1987 – born in Hannover.<br />
2007 – final secondary-school examinations.<br />
2008 – seven-month practical course<br />
at the photography department of the<br />
newspaper »Neue Presse«, Hannover.<br />
2009 – begin of photojournalism study<br />
at the University of Applied Sciences in<br />
Hannover.<br />
2012 – represented by agency laif.<br />
2012 – four-month practical course at<br />
the photography and multimedia department<br />
of the magazine »DER SPIEGEL«,<br />
Hamburg.<br />
Awards<br />
2012, »BEST PORTFOLIO«- competition,<br />
3rd , Freundeskreis des Hauses<br />
der Photographie e.V.<br />
2012, Unicef Photo of the Year, Honorable<br />
Mention, Unicef.<br />
2013, Canon ProfiFoto Award 13/1,<br />
winner, Profifoto.<br />
2013, PDN photo annual, winner, Pdn<br />
photo annual.<br />
2013, px3 Prix de la Photographie Paris,<br />
gold medal, px3.<br />
2013, <strong>brennpunkt</strong> AWARD, winner,<br />
<strong>brennpunkt</strong> Magazin.<br />
© Christian Werner<br />
© Christian Werner<br />
2013, American Aperture Awards, 2 x<br />
winner, ax3.<br />
2013, dpa news talent, 2nd, dpa news<br />
talent<br />
2013, Axel-Springer-Preis, finalist, Axel-<br />
Springer-Preis.<br />
2013, Alexia Foundation Professional<br />
Grant, finalist, Alexia Foundation.<br />
2013, Eugene Smith Grant, finalist,<br />
Eugene Smith Memorial Fund.<br />
2013, Kindernothilfe Medienpreis,<br />
winner, Kindernothilfe.<br />
2013, Felix Schoeller Photo Award,<br />
nominated, FSPA.<br />
2013, JGS Photography Contest, runnerup,<br />
Forward Thinking Museum.<br />
2013, 68th College Photographer of the<br />
Year, gold + bronze medal, CPOY.<br />
2013, Fellowship 14, Commendation<br />
Award, Silver Eye Center for Photography.<br />
www.werner-photography.com<br />
Im Rahmen des »browse fotofestival<br />
berlin 2013«, wurde dieses Portfolio<br />
mit einem <strong>brennpunkt</strong> AWARD ausgezeichnet.<br />
52 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Portfolio Christian Werner<br />
© Christian Werner<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
53
Portfolio Christian Werner<br />
© Christian Werner<br />
© Christian Werner<br />
54 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Portfolio Christian Werner<br />
© Christian Werner<br />
© Christian Werner<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
55
Portfolio Christian Werner<br />
© Christian Werner<br />
56 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Portfolio Christian Werner<br />
© Christian Werner<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
57
Portfolio Christian Werner<br />
© Christian Werner<br />
58 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Portfolio Christian Werner<br />
© Christian Werner<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
59
Portfolio Pavel Sticha<br />
OSTERINSEL<br />
Der aus Tschechien stammende und<br />
in Berlin lebende Fotograf Pavel Sticha<br />
hat sich international einen Ruf erarbeitet<br />
mit Fotografien aus 55 Ländern, und<br />
natürlich aus seiner zweiten Heimat<br />
Berlin. Gerade hat er in der Galerie des<br />
Theaters seiner Heimatstadt Podêbrady<br />
eine Ausstellung vorgestellt mit Bildern<br />
von den Osterinseln.<br />
Reporter: Pavel Sticha, Sie haben 55<br />
Länder bereist, viele davon mit Ihrem<br />
Assistenten Philip. Die Zusammenarbeit<br />
war immer sehr erfolgreich. Aber dieses<br />
Mal konnte Philip nicht dabei sein.<br />
Pavel: Leider, leider.<br />
Reporter: Wieso haben Sie ausgerechnet<br />
die Osterinseln aufgesucht?<br />
Pavel: »Schuld« sind meine Schwester<br />
und Thor Heyerdahl. Ich bekam von<br />
meiner Schwester in den 80er Jahren<br />
das Buch »Das letzte Paradies« des<br />
tschechischen Schriftstellers Miloslav<br />
Stingl über Polynesien geschenkt. Und<br />
natürlich kannte ich die Südsee-Bilder<br />
von Paul Gauguin. Dann las ich in der<br />
Zeitung, dass der tschechische Ingenieur<br />
Pavel Pavel eine der großen Figuren<br />
auf den Osterinseln, die Moai genannt<br />
werden, »zum Laufen brachte«. Der<br />
Artikel blieb mir auch deswegen in Erinnerung,<br />
weil ich zunächst dachte, dem<br />
Journalisten wäre ein Fehler unterlaufen:<br />
Die Namens-Kombination »Pavel<br />
Pavel« ist selbst in Tschechien sehr<br />
ungewöhnlich.<br />
Reporter: Warum sind Sie dann erst jetzt<br />
auf die Osterinseln geflogen?<br />
Pavel: Ich wäre beinahe schon früher<br />
dorthin gekommen. Beim Rückflug<br />
von Argentinien, wo ich einen Auftrag<br />
für die Steakhaus-Kette Maredo hatte,<br />
machte ich einen Zwischenstopp in<br />
Santiago de Chile. Ich hätte von dort<br />
gleich weiter auf die Osterinseln fliegen<br />
können, bekam aber leider kein<br />
Flugticket mehr.<br />
Reporter: Was gab den Ausschlag für die<br />
Reise in diesem Jahr?<br />
Pavel: Ich war mit meiner Frau Martina<br />
in Neuseeland, und sah in einem Reisebüro<br />
eine Werbung für die Osterinseln.<br />
Da dachte ich: »Jetzt oder nie!« Im<br />
März bin ich dann mit meinem Freund<br />
dorthin geflogen.<br />
© Pavel Sticha, (Original in Farbe)<br />
Reporter: Ist es schwer, zu den großen<br />
Figuren, den Moai, zu kommen?<br />
Pavel: Nein, das ist wie mit der Siegessäule<br />
in Berlin – jeder findet sie.<br />
Reporter: Wie ist es mit den Bedingungen<br />
zum Fotografieren?<br />
Pavel: Das Wetter kann zum Problem<br />
werden. Wir hatten an neun Tagen<br />
Regen, an zwei Tagen konnten wir gar<br />
nichts machen.<br />
Reporter: Welche Erfahrungen haben<br />
Sie mit den Menschen gemacht?<br />
Pavel: Die Menschen dort sind sehr nett.<br />
Einer hat uns einen Tipp gegeben, wo<br />
es die einzige Figur im Landesinneren<br />
zu finden gibt.<br />
Reporter: Was hat Sie noch auf der Insel<br />
fasziniert und beeindruckt?<br />
Pavel: Der Besuch im Museum. Dort<br />
weiß man alles über Pavel Pavel.<br />
Reporter: Wissen Sie jetzt selbst mehr<br />
über die Osterinseln?<br />
Pavel: Es gibt verschiedene Theorien<br />
über Transport der Moais. Einheimische<br />
sagen, sie sind gekommen.<br />
Und das hat Pavel Pavel und Thor Heyerdahl<br />
mit einem Versuch 1986 bewiesen.<br />
Christian Schindler<br />
60 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Portfolio Pavel Sticha<br />
© Pavel Sticha, (Original in Farbe)<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
61
Portfolio Pavel Sticha<br />
© Pavel Sticha, (Original in Farbe)<br />
62 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Portfolio Pavel Sticha<br />
© Pavel Sticha, (Original in Farbe)<br />
© Pavel Sticha, (Original in Farbe)<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
63
Portfolio Pavel Sticha<br />
© Pavel Sticha, (Original in Farbe)<br />
64 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Portfolio Pavel Sticha<br />
© Pavel Sticha, (Original in Farbe)<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
65
Portfolio Pavel Sticha<br />
© Pavel Sticha, (Original in Farbe)<br />
© Pavel Sticha, (Original in Farbe)<br />
66 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Portfolio Pavel Sticha<br />
© Pavel Sticha, (Original in Farbe)<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
67
Portfolio Pavel Sticha<br />
© Pavel Sticha, (Original in Farbe)<br />
68 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Portfolio Pavel Sticha<br />
© Pavel Sticha, (Original in Farbe)<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
69
Fotoszene<br />
Fotoclub Roth –<br />
hochklassige Amateur-<br />
Photographie seit<br />
dreieinhalb Dekaden<br />
Der Fotoclub Roth besteht seit 1979,<br />
also nunmehr seit fast 35 Jahren. Aus<br />
den wenigen Gründungsmitgliedern<br />
von damals entwickelte sich im Lauf<br />
der Zeit eine Gruppe von rund 35 eingeschriebenen<br />
Photographie-Begeisterten,<br />
deren Arbeits- und Interessenspektrum<br />
von klassischem schwarz/weiß bis<br />
hin zur Infrarotphotographie reicht. Der<br />
Verein bzw. seine Mitglieder nehmen<br />
seit langem regelmäßig und v.a. auch<br />
regelmäßig erfolgreich an regionalen<br />
wie überregionalen jurierten Ausstellungen<br />
und Wettbewerben teil und<br />
präsentieren ihre Arbeiten gelegentlich<br />
sogar im Ausland, wie in Polen und<br />
Finnland.<br />
Der Fixstern des Vereins ist naturgemäß<br />
die »eigene«, jährlich stattfindende S/W-<br />
Ausstellung. Diese fachkundig jurierte<br />
und auch mit ansehnlichen Preisgeldern<br />
dotierte Ausstellung präsentiert jeweils<br />
ca. 120 aus allen Einsendungen ausgewählte<br />
Werke in den Räumen der Kulturfabrik<br />
Roth, deren lichtdurchflutetes<br />
sachliches Ambiente sich zu diesem<br />
Zweck bestens eignet. An dieser Ausstellung<br />
kann übrigens jeder Amateurund<br />
Profifotograf teilnehmen. Einige<br />
Ausstellungsimpressionen und natürlich<br />
auch nähere Informationen zum Fotoclub<br />
Roth im Allgemeinen finden sich<br />
unter: www.fotoclub-roth.de.<br />
Dirk Ringehahn, der Vorsitzende und<br />
Leiter der Gruppe sagt:<br />
»Wie in jedem Verein gibt es auch bei<br />
uns mehr und weniger aktive Mitglieder.<br />
Der harte Kern der Aktiven zählt<br />
derzeit rund 15 Köpfe. Im Verhältnis zur<br />
Mitgliederzahl ist dies erfahrungsgemäß<br />
eine recht gute Quote - vor allem wenn<br />
man bedenkt, dass diese 15 Photographen<br />
nicht einfach nur regelmäßig aktiv<br />
photographieren, sondern an jurierten<br />
Wettbewerben teilnehmen und mit<br />
Ihren Photographien sich online und<br />
in verschiedenen Foren, wie Modelkartei<br />
und der fotocommunity messen.<br />
Wir sind stolz drauf, nicht nur für die<br />
Schublade zu photographieren, sondern<br />
unsere Werke auch öffentlich zu präsentieren<br />
- in letzter Zeit z.B. in Ausstellungen<br />
der Metropolregion Nürnberg sowie<br />
in diversen Galerien von Unternehmen<br />
und öffentlichen Einrichtungen«.<br />
Ein Ausstellungsaustausch mit einem<br />
englischen Fotoclub (in einer Rother<br />
Partnerstadt) ist übrigens gerade in Vorbereitung.<br />
Daneben stehen in Kürze<br />
auch wieder einige gemeinsame Tagestouren<br />
an.<br />
Außerdem bieten einige Mitglieder<br />
aktuell wieder Volkshochschul-Kurse<br />
zu den Grundlagen der Photographie<br />
und zur Bildbearbeitung mit Photoshop<br />
an, sogar eine Photowoche<br />
auf den Azoren mit Leitung ist dabei.<br />
Dirk Ringehahn<br />
Dirk Ringehahn:<br />
»Persönlich freue ich mich besonders<br />
auf einen bald stattfindenden Workshop<br />
im Volksbad Nürnberg, einem wunderschönen<br />
Jugendstil-Hallenbad, das<br />
architektonisch stark an römische Thermen<br />
erinnert und vor etlichen Jahren<br />
stillgelegt wurde. Mindestens ebenso<br />
wichtig wie all diese Aktivitäten ist mir<br />
als Vorsitzenden allerdings, dass unser<br />
aktiver harter Kern sowohl nach Alter<br />
und Persönlichkeiten als auch nach Interessen<br />
gut durchmischt ist. Unter uns<br />
finden sich typische Reisephotographen<br />
ebenso wie künstlerisch ambitionierte<br />
Aktspezialisten, akribische Stillleben<br />
Arrangeure und experimentier- freudige<br />
Photoshop -Nerds«.<br />
© Andreas Michel, »TT«<br />
© Andreas Michel, »water girl«<br />
Folglich haben wir auch keinen echten<br />
thematischen Schwerpunkt. Landschaft,<br />
Stillleben, Portrait und Akt sind<br />
im Grunde gleichermaßen beliebt<br />
und anerkannt - und auch ein guter<br />
Schnappschuss steht immer hoch im<br />
Kurs. Aus diesem breiten Themenspektrum<br />
ergibt sich allerdings zwangsläufig,<br />
dass wir keineswegs eine einheitliche<br />
Meinung zu technischen und ästhetischen<br />
Fragen vertreten. Es ist ein Glücksfall,<br />
dass uns die ausgesprochen gute<br />
Atmosphäre innerhalb der Gruppe seit<br />
vielen Jahren ermöglicht, diese meist<br />
sehr unterschiedlichen Meinungen bzw.<br />
vor allem deren Differenzen ausgesprochen<br />
zwanglos und offen zu diskutieren.<br />
Bei unseren internen monatlichen<br />
Bildbesprechungen geht es deshalb oft<br />
auch richtig zur Sache – aber gerade<br />
unsere Uneinigkeit in photographischen<br />
Fragen empfinden wir als großen<br />
Gewinn, denn erst die ständige Diskussion<br />
und Kritik regen die Kreativität an<br />
und eröffnen uns allen immer wieder<br />
neue Perspektiven und neue Ideen.<br />
Wünsche…Ja, wie jeder Verein oder<br />
Club wünscht man sich in den heutigen<br />
Zeiten, dass die alten aktiv bleiben,<br />
junge dazu kommen und durch diese<br />
Mischung viel Interessantes und Kreatives<br />
entsteht.<br />
Dirk Ringehahn<br />
Leiter des Fotoclubs der städt. vhs Roth<br />
70 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Fotoszene<br />
© Heinz Ripka, »Brandung«<br />
© Thilo Bittner, »Nebel«<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
71
Fotoszene<br />
© Dirk Ringehahn, »sea world«<br />
© Christine Trautner, »Brücke«<br />
72 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Fotoszene<br />
© Bernd Weyrauch, »im Nebel«<br />
© Günther Blösl, »An der Küste«<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
73
Fotoszene<br />
© Günther Mühlöder, »kein Ausweg für den Falter«<br />
74 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Fotoszene<br />
© Peter Wedig, »Lazise«<br />
© Tamara Ambrunn-Weinrich, »Strandkorb«<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
75
Fotoszene<br />
© Ralph Engelhardt, »Macho«<br />
76 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Fotoszene<br />
© Matthieu Favre, »Roller Speed«<br />
© Heiko Würth, »Turmland Nürnberg«<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
77
Fotoszene<br />
© Rudolf Auernhammer, »Ziegenbart«<br />
© Franz Künstler, »A apple a day«<br />
78 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Fotoszene<br />
© Günther Ullmann, »Rapunzel«<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
79
Fotoszene<br />
Plädoyer für ein festes<br />
Juryteam<br />
Mal ehrlich, geht es Ihnen nicht<br />
genauso? Sofern Ihre Bilder bei einem<br />
Wettbewerb ausgezeichnet werden,<br />
waren sicherlich »gute Juroren« am<br />
Werk. Wenn Ihre Bilder »im Keller«<br />
landen, ist es mal wieder ein willkommener<br />
Anlass die Kompetenz der Jury in<br />
Frage zu stellen.<br />
Bei hinreichender Anzahl von Teilnahmen<br />
an solchen Veranstaltungen,<br />
werden Sie aber feststellen, dass Sie mal<br />
auf der einen - und mal auf der anderen<br />
Seite des Grabens landen. Also haben<br />
Sie wahrscheinlich für sich dann schon<br />
eine Liste von »guten und schlechten«<br />
Juroren im Kopf gespeichert.<br />
Wenn es mal so einfach wäre...<br />
Seitdem ich die Wettbewerbsszene<br />
kenne, hat man sich damit abgefunden,<br />
dass Bilder auf der einen Seite<br />
»im Keller« landen und auf der anderen<br />
Seite hoch dekoriert werden.<br />
Ich konnte das nie so richtig akzeptieren<br />
und habe mich immer nach dem<br />
»warum« gefragt. Wenn man diese Frage<br />
im Kollegenkreis diskutiert, bekommt<br />
man häufig die gleiche Antwort: »Kunst<br />
ist eben subjektiv und sei keine Mathematik!«<br />
Die Beurteilung von Kunst mag ja subjektiv<br />
sein - aber sie ist keinesfalls beliebig!<br />
Sonst würde es keine Bewerbungsmappen<br />
für Fachhochschulen, oder<br />
Abschlussprüfungen an Universitäten<br />
im Fachbereich Kunst geben.<br />
Warum redet man dann in der fotografischen<br />
Wettbewerbsszene immer »vom<br />
Geschmack der Jury«?<br />
Für mich ist das ein »Unwort des Jahres«.<br />
Der persönliche Bildgeschmack eines<br />
Jurors hat bei den Auswahlkriterien<br />
keine Rolle zu spielen. Ein Jurykollege<br />
hat mal bei der Bewertung von<br />
Bildern zu mir gesagt »das Bild gefällt<br />
mir«. Darauf habe ich ihm geantwortet<br />
»dann kaufe es und hänge es Dir an<br />
die Wand«.<br />
Jurieren bedeutet das Anwenden von<br />
Auswahlkriterien auf eine Bildmenge<br />
zum Zwecke der Selektion durch ein<br />
Gutachtergremium!<br />
Die Auswahl von Juroren<br />
Seien wir doch mal ehrlich, oft haben<br />
Veranstalter schon die Musikgruppe für<br />
die Eröffnung einer Fotoveranstaltung<br />
gebucht, bevor ihnen einfällt, dass sie<br />
ja vielleicht noch Juroren brauchen,<br />
die die Bilder aussuchen. Und das geht<br />
dann nach dem Motto: »Wer kennt da<br />
jemanden...« und wer verursacht die<br />
geringsten Spesen.<br />
Die Benennung von Juroren durch Veranstalter<br />
ist daher häufig ein reines Lotteriespiel.<br />
Früher konnten Juroren ihre Inkompetenz<br />
auch immer hinter der Anonymität<br />
der Punktewertung verstecken und<br />
da es als normal angesehen wurde, dass<br />
Ergebnisse von Wettbewerben höchst<br />
unterschiedlich sind (siehe oben),<br />
konnte der Juror wenn er ein schlaues<br />
Gesicht gemacht hat und freundlich war,<br />
damit rechnen auch weiter gereicht zu<br />
werden. Wenn der Name dann immer<br />
häufiger als Juror in Katalogen auftauchte,<br />
galt er als etabliert und wurde<br />
immer häufiger eingeladen.<br />
Das klappt heute zum Glück nicht<br />
mehr. In der modernen Debattenjury<br />
beim Rundensystem, muss jeder Juror<br />
»die Hosen runterlassen« - natürlich<br />
fachlich gesehen! Spätestens bei der<br />
Begründung seiner Entscheidung kann<br />
sich jeder ein Urteil über die fachliche<br />
Qualifikation eines Jurors machen.<br />
Auch die Besetzung im Viererteam fördert<br />
die intensive Auseinandersetzung<br />
zwischen den Juroren - es kann eben<br />
nicht wie bei dem historischen Dreierteam<br />
einfach überstimmt werden,<br />
weil schon der Magen knurrt und man<br />
schnell an den Futtertrog will.<br />
Glauben Sie mir bitte, bei dreissig<br />
Jahren Juryerfahrung - habe ich alles<br />
schon erlebt!<br />
Nun will ich auch nicht zu schwarz<br />
malen. Es gibt selbstverständlich auch<br />
eine Reihe von ganz ausgezeichneten<br />
fachlich versierten Juroren. Aber auch<br />
die haben ein Problem. Nämlich die Tatsache,<br />
das es keine verbindlichen Richtlinien<br />
gibt. Es fehlt gewissermaßen das<br />
übergreifende fachliche Regelwerk an<br />
dem man sich einerseits orientieren,<br />
aber andererseits auch neue Erkenntnisse<br />
hinzufügen kann.<br />
Juryteam<br />
Es ist ja nun nicht so, dass diese Problematik<br />
im DVF nicht gesehen wird und<br />
es gab ja auch schon Versuche etwas<br />
zu ändern. Zum Beispiel die Jurorenschulungen,<br />
die Wilfried Müller und ich<br />
im Auftrag des Verbandes durchgeführt<br />
haben. Es hat sich aber gezeigt, dass<br />
zu den Teilnehmern überwiegend Fotogruppen<br />
gehörten, die zwar an dem<br />
Thema interessiert waren, aber eigentlich<br />
nicht zu der erwünschten Zielgruppe<br />
der aktiven Juroren gehörten.<br />
Meiner Meinung nach, muss es verbindliche<br />
Bewertungskriterien für Bilder<br />
geben, die von einem kompetenten<br />
Team entwickelt werden, welches auch<br />
für die verbindliche Umsetzung sorgt.<br />
Diese Bewertungskriterien müssen<br />
natürlich immer dem aktuellen Wissensstand<br />
der künstlerischen Fotografie<br />
und der technischen Entwicklung angepasst<br />
und publiziert werden.<br />
Die Veröffentlichung der Bewertungskriterien<br />
gehört zu den wichtigsten Erfordernissen,<br />
denn nur daran kann ein Wettbewerbsteilnehmer<br />
sich orientieren und<br />
auch die Ergebnisse überprüfen.<br />
Mit dem Dreiklang der Siebziger Jahre<br />
»Idee - Umsetzung - Technik« kommen<br />
wir heute nicht mehr sehr weit.<br />
Man sollte bei der gleichen Wettbewerbsgruppe<br />
(zum Beispiel Bundesfotoschau)<br />
die Viererjury immer mit zwei<br />
Leuten aus diesem »Entwicklungsteam<br />
»besetzen - gewissermaßen als »Qualitätsbeauftragte«.<br />
Mindestens so lange,<br />
bis es einen kompetenten Pool an Juroren<br />
gibt, die die Kriterien umsetzen<br />
können.<br />
Wenn jemand sagt, bei konstanter Jury<br />
käme immer »dasselbe« raus, ist es<br />
natürlich Quatsch, weil der Charakter<br />
einer Ausstellung von den Einsendern<br />
abhängt, nicht von der Jury (zumindest<br />
bei der hier angedachten Modernisierung<br />
des Systems).<br />
Eine gute Jury muss sämtlichen Genres<br />
der Fotografie gerecht werden können<br />
und die Qualifikation haben, diese zu<br />
beurteilen.<br />
Außerdem adaptiert sich eine feste Jury<br />
auch an den wiederkehrenden Einsendungen<br />
eines bestimmtes Wettbewerbs<br />
und kann so immer feinere Kriterien für<br />
dessen Bewertung entwickeln.<br />
Vielleicht kann man in Zukunft dahin<br />
kommen, dass Bewertungen in der Fotografie<br />
nachvollziehbarer sind und nicht<br />
mehr den Eindruck einer Lotterie vermitteln.<br />
Manfred Kriegelstein<br />
80 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Buchbesprechung<br />
Faszinierende Photoshop-<br />
Scott Kelbys Photoshop für<br />
Digitalfotografen<br />
Erfolgsrezepte zum Arbeiten mit CS6<br />
und CC<br />
Scott Kelby<br />
Verlag: dpunkt.verlag<br />
ISBN: 978-3-86490-112-6<br />
484 Seiten, Festeinband, komplett in<br />
Farbe<br />
36,90 Euro<br />
Na, da ist er endlich wieder - der Guru<br />
der Bildbearbeitung aus den USA!<br />
Wenn Sie also noch Wissensbedarf zu<br />
Photoshop CS6 oder CC haben, bei<br />
Scott Kelby finden Sie Lösungen. Und<br />
wenn Sie meinen, Sie wüßten alles,<br />
dann liefert Ihnen das Buch Fragen, auf<br />
die Sie nie gekommen wären - fairerweise<br />
natürlich auch die zugehörigen<br />
Antworten. Der Aufbau der Kapitel ist<br />
nicht nur didaktisch hervorragend, nein<br />
auch der Schreibstil von Kelby ist einfach<br />
vergnüglich und unterhaltsam zu<br />
lesen.<br />
Nicht von ungefähr gehören seine<br />
Werke jedes Jahr zu den literarischen<br />
Preisträgern ihrer Klasse. Ich freue mich<br />
sehr, dass jetzt offensichtlich auch der<br />
dpunkt Verlag diesen hervorragenden<br />
Autor unter Vertrag hat.<br />
Meiner Meinung nach gehört dieses<br />
Buch in jedes Regal, das sich auch nur in<br />
der Nähe eines Bildbearbeitungsrechners<br />
befindet - eine absolute Empfehlung!<br />
Manfred Kriegelstein<br />
Welten<br />
mit Peter »Brownz« Braunschmid<br />
Verlag: Galileo Design<br />
ISBN: 978-3-8362-2756-8<br />
DVD - 11 Stunden Gesamtspielzeit<br />
39,90 Euro<br />
Wer Spaß an verblüffenden Composings<br />
und surrealen Bilderwelten hat,<br />
ist hier genau richtig! Peter »Brownz«<br />
Braunschmid ist ein ausgesuchter Experte<br />
in Sachen Bildmontagen - gewissermaßen<br />
der österreichische Ulli Staiger...<br />
Im Gegensatz zu vielen reinen Demonstrationsvideos,<br />
können Sie hier am Bildschirm<br />
alle Schritte selbst nachvollziehen.<br />
Und wer Lust auf computergenerierte<br />
3D-Elemente hat, wird in diesem<br />
Video auch entsprechende Anleitungen<br />
finden. Selbst wenn man nicht sämtlichen<br />
aufwändigen Konstrukten folgen<br />
möchte - eine Anregung und technische<br />
Hilfestellung für eigene Ideen findet<br />
man auf jeden Fall.<br />
Und keine Angst, obwohl Österreicher,<br />
der Autor spricht ein klares Hochdeutsch<br />
mit sympathisch eingefärbten<br />
Akzent!<br />
Wer vorab schnuppern möchte - auf<br />
der Verlagsseite gibt es ein kostenloses<br />
Demonstrationsvideo.<br />
Manfred Kriegelstein<br />
LUMIX GX7<br />
System Fotoschule<br />
Frank Späth<br />
Verlag: Point Of Sale Verlag<br />
ISBN: 978-3-941761-41-1<br />
288 Seiten mit 450 farbigen<br />
Abbildungen<br />
28,00 Euro<br />
Der Produktionszyklus dreht sich immer<br />
schneller - da kann einem ganz schwindelig<br />
werden.<br />
Auf den Neuerscheinungen der Lumix-<br />
Reihe von Panasonic, folgt unmittelbar<br />
das entsprechende Fachbuch von Frank<br />
Späth. Man könnte direkt den Eindruck<br />
gewinnen, dass der Autor heimlich als<br />
Entwicklungsingenieur bei Panasonic<br />
mitarbeitet - so schnell und präzise<br />
erscheinen seine Fachbücher.<br />
Wie auch immer, wer diese neue edle<br />
Kamera der Lumix-Reihe sein eigen<br />
nennt, kommt an dem Buch nicht vorbei.<br />
Was Sie hier über die Technik und das<br />
Handling des Apparates erfahren, kann<br />
keine Bedienungsanleitung leisten.<br />
Die meisten Fotografen nutzen ja nur<br />
einen Teil ihrer Möglichkeiten aus - weil<br />
sie viele Features gar nicht kennen.<br />
Dieses Werk hilft ihnen endlich mal den<br />
Durchblick zu bekommen und dann in<br />
vollem Wissen die Entscheidung zu treffen,<br />
was sie nutzen wollen.<br />
Manfred Kriegelstein<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
81
Vorschau 2/<strong>2014</strong><br />
<strong>brennpunkt</strong> 2-<strong>2014</strong><br />
erscheint am<br />
4. April <strong>2014</strong><br />
6. Europäischer Monat<br />
der Fotografie <strong>2014</strong><br />
Portfolio<br />
Manfred Carpentier<br />
© Manfred Carpentier, »cuban-coffee«<br />
© Ingelore Willing, Serie: »Reiher«, (O.i.F.), Ausgezeichnet mit einer »Medaille«<br />
bei der DVF-Landesfotoschau Berlin 2013.<br />
Die Fotosequenz »Cuban Coffee« entstand<br />
- wie zwei weitere Fotosequenzen<br />
- im Winter 2011 in Miami Beach, Florida,<br />
USA. Sie alle wurden realisiert mit<br />
einer digitalen Panasonic-Reisekamera.<br />
Die Sequenz »Cuban Coffee« wurde in<br />
gehender Bewegung aus Oberschenkelhöhe<br />
fotografiert ohne durch den Sucher<br />
zu sehen. Es entstanden »zufällige« Aufnahmen.<br />
Die Fotografien wurden zu<br />
einem Kontaktbogen zusammengefügt.<br />
Von diesem wurden eher assoziativ Ausschnitte<br />
gewählt.<br />
Carpentier wurde 1954 in Gerolstein<br />
geboren. Nach zahllosen abgebrochenen,<br />
überwiegend geisteswissenschaftlichen<br />
Universitätsstudien in Berlin, war<br />
er erst als Fahrer für Süßwaren und Zeitungen<br />
und dann drei Jahre als Nachtwächter<br />
tätig. Schließlich begann er<br />
1985 auf Drängen einer Frau eine Ausbildung<br />
zum Diplombibliothekar und verabschiedete<br />
sich damit ins kleinbürgerliche<br />
und kreativ-freie Leben. Er bekam<br />
einen Sohn und wurde unkündbar. Erst<br />
2004 kehrte Carpentier zurück. 2010<br />
gründete er eine Privatgalerie. Carpentier<br />
ist Herausgeber einer Edition von<br />
Künstlerbüchern. Gelegentlich nimmt<br />
er eine Kamera in die Hand.<br />
Nils Stelte<br />
Von A nach B mit New Yorker Subway<br />
zu kommen kann atemberaubend sein:<br />
jammende Musiker; Geschäftsmänner,<br />
die bei ihrem Lieblingslied mitsingen<br />
oder Liebespaare, die jeden Fahrgast<br />
mitbekommen lassen, wie schwierig<br />
doch Beziehungen sein können - und<br />
dies in zumeist überfüllten Waggons.<br />
Überwältigt von diesen lebendigen Eindrücken<br />
zogen mich die stillen Momente<br />
der pulsierenden Stadt an: Menschen,<br />
die sozialen Interaktionen aus dem Weg<br />
gehen, müde, gedankenverloren warten<br />
oder andere beobachten.<br />
Nils Stelte wurde 1989 in Berlin geboren.<br />
Er hat Soziologie-, Politk- und Kulturwissenschaften<br />
an der Humboldt<br />
Universität studiert. Sensibilisiert für<br />
gesellschaftliche Thematiken wandelt<br />
er diese fotojournalisitisch um. Seine<br />
Arbeiten wurden unter anderem im<br />
C / O Berlin ausgestellt. Als Hospitant<br />
hat er in den Fotoredaktionen der Agentur<br />
MAGNUM Photos, The New Yorker<br />
und OSTKREUZ - Agentur der Fotografen<br />
gearbeitet. Neben der Arbeit als<br />
selbständiger Fotograf hospitiert Nils<br />
momentan in der Bildredaktion des<br />
»ZEITmagazins« und assistiert Dawin<br />
Deckel.<br />
© Nils Stelte, »breathing deeply«<br />
82 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>
Vorschau 2/<strong>2014</strong><br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong><br />
83
Vorschau 2/<strong>2014</strong><br />
1984 – <strong>2014</strong><br />
»30 Jahre«<br />
<strong>brennpunkt</strong> Magazin<br />
84 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2014</strong>