Lösung - unirep
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Prof. Dr. Christine Windbichler, LL.M. (Berkeley)<br />
Maja Kljucar<br />
Sommersemester 2013<br />
Examensklausurenkurs – Klausur vom 27. April 2013<br />
<strong>Lösung</strong>sskizze - Übersicht<br />
Die Klausur ist schwierig, weil die Vertragsbeziehungen verschlungen sind und die Unschärfe der<br />
Praxis in eine rechtliche Deutung überführt werden muss. Bei der Bewertung wurde darauf geachtet,<br />
dass die <strong>Lösung</strong> lediglich vertretbar sein muss. Es gibt mehrere vertretbare Argumentationsmodelle.<br />
Grundsätzlich ist zwischen den einzelnen Leistungsbeziehungen und Leistungspflichten zu<br />
unterscheiden (Beförderungsvertrag, Preisgestaltung, Abwicklung, Gewährleistung).<br />
Frage 1: R-GmbH gegen Beschäftigten auf Be- bzw. Rückzahlung des Freifahrtmonats<br />
gem. § 812 Abs. 1 S.1 F.1 (man kann die Be- und die Rückzahlung auch trennen)<br />
1. Etwas Erlangt = jeder vermögenswerte Vorteil ?<br />
a) Monatsmarkenbezieher<br />
b) Jahreskarteninhaber<br />
2. Durch Leistung der R-GmbH = bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens?<br />
Wer ist hier der Leistende? R-GmbH oder BVG? Grundsatz: Bestimmung nach dem<br />
objektiven Empfängerhorizont.<br />
Ansicht 1 (vorzugswürdige <strong>Lösung</strong>; andere Ansichten vertretbar):<br />
Leistender = R-GmbH (vgl. andere Fälle, in denen AG im Interesse der AN Leistungen Dritter<br />
verschafft und verwaltet, z.B. Versicherungen; Rückabwicklung folgt dann den Zahlungsströmen).<br />
Dann ist die Umsetzung der „Entschuldigungsleistung“ auch Verwaltung des Entgelts für die<br />
Beförderungsleistung. Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung erfolgt entlang der einzelnen<br />
Leistungsbeziehungen; Normalfall, Durchgriff im Bereicherungsdreieck ist die Ausnahme. (weiter unten<br />
3.)<br />
Ansicht 2:<br />
Leistung der BVG. R ist nur Zahlstelle; Entschuldigungsleistung ist Folge der Schlechtleistung<br />
der BVG, daher dem Vertragsverhältnis BVG - Beschäftigte zuzuordnen. Ergebnis: Keine Leistung der<br />
R-GmbH; kein Anspruch der R-GmbH gegen Beschäftigte. R-GmbH muss sich an die BVG halten.<br />
(weiter mit Frage 2)<br />
Ansicht 3: R-GmbH und die BVG schließen einen echten Vertrag zugunsten Dritter, §§ 328 ff.<br />
Vertragsauslegung (§§ 133, 157). Eigenes Forderungsrecht der Beschäftigten, die zugleich<br />
BVG Kunden sind. Dann Leistung mit Doppelcharakter, herkömmliche Bestimmung der<br />
Leistungsbeziehung führt nicht weiter; zusätzlich wertende Betrachtung (Schwerpunkt) erforderlich.<br />
Ergebnis R-GmbH oder BVG mit entsprechender Argumentation vertretbar. (je nach dem weiter<br />
mit 3. oder Frage 2)<br />
3. Ohne Rechtsgrund:<br />
a) Rechtsgrund ist der Arbeitsvertrag, wonach die R-GmbH den Beschäftigten ein günstiges<br />
Vertragsverhältnis mit einem Dritten (BVG) verschafft und die Verwaltung auf der Preisseite erbringt,<br />
einschließlich der Abwicklung der Entschluldigungsleistung (weiter Entgeltbegriff).<br />
b) Der Rechtsgrund entfallen durch Eintritt der auflösenden Bedingung in der Stammkundenregelung<br />
(vorzeitige Kündigung)?<br />
Stammkundenregelung Teil der Beziehung R – Arbeitnehmer?<br />
1
Auslegungsfrage; beide Ansichten vertretbar.<br />
Wer Wegfall des Rechtsgrundes bejaht:<br />
4. Einrede der Entreicherung, § 818 III?<br />
Bösgläubig gem §§ 818 IV, 819 I?<br />
5. Aufrechnung, § 389, mit Gegenanspruch Beschäftigte – R-GmbH aus § 280 Abs. 1 BGB auf<br />
Schadensersatz wegen Nebenpflichtverletzung /Informationspflichtverletzung?<br />
a) Schuldverhältnis: Arbeitsvertrag<br />
b) Pflichtverletzung der R-GmbH: Verpflichtung, über Bedingungen der BVG-Leistungen zu<br />
unterrichten?<br />
c) Pflicht verletzt?<br />
d) Vertretenmüssen: wird vermutet (kein Fall des § 619a BGB, da es um Arbeitgeberhaftung geht);<br />
Exkulpation?<br />
e) Kausaler Schaden: Möglichkeit, Dispositionen auf die auflösende Bedingung auszurichten?<br />
Frage 2:<br />
A. Anspruch der R-GmbH gegen die BVG auf Rückzahlung von 16.000 €, § 812 I 1 1. Alt.<br />
1. Etwas erlangt: BVG, 16.000 €<br />
2. Durch Leistung der R-GmbH: die R hat Betrag an die BVG gezahlt; Vorbehalt bedeutet, dass die R<br />
Forderung nicht anerkennt.<br />
3. Ohne Rechtsgrund?<br />
Ansicht 1: Abwicklungsvertrag über die „Entschuldigungsleistung“ nimmt keinen Bezug auf die<br />
üblichen Konditionen; daher kein Rechtsgrund für die Zahlung der 16.000 € an die BVG. Ergebnis:<br />
Anspruch besteht.<br />
Ansicht 2: Da Bezug genommen wird auf die Konditionen der BVG ist die Stammkundenregel auch<br />
Teil dieser Vereinbarung geworden, so dass ein Rechtsgrund besteht und ein Anspruch aus § 812<br />
nicht besteht<br />
Ansicht 3: Vertrag zug. Dritter – Frage der Vertragsauslegung: war die Leistung ohne Einschränkung<br />
geschuldet oder nicht? Auslegungsfrage, mehrer <strong>Lösung</strong>en vertretbar<br />
4. (Wenn Rechtsgrund abgelehnt wird) § 818 III iVm §§ 818 IV, 819 I?<br />
Bereicherung in Geld entfällt nur bei Luxusaufwendungen oder unzureichendem Aktivvermögen; dass<br />
Verkehrsbetriebe üblicherweise defizitär arbeiten, dürfte nicht genügen.<br />
B. Schadensersatzanspruch R-GmbH gegen BVG, § 280 I, auf 16.000 €<br />
(in erster Linie für diejenigen, die eben (unter A.) den Anspruch aus § 812 abgelehnt haben)<br />
1. Schuldverhältnis: Vertrag über Übernahme der Abwicklung der „Entschuldigungsleistung“ iVm<br />
Firmenticketvereinbarung<br />
2. Pflichtverletzung: Nebenpflichtverletzung durch unzureichende Information über die Modalitäten?<br />
3. Vertretenmüssen: wird vermutet. Exkulpation?<br />
4. Kausaler Schaden: Ausfallrisiko betr. Rückholung von Arbeitnehmern (oben Frage 1); zusätzliche<br />
Verwaltungskosten; Abzug wegen Mitverschuldens?<br />
Frage 3: Hat die BVG einen Rückzahlungsanspruch gegen die Beschäftigten?<br />
(Dieser Anspruch ist relevant für diejenigen, die bei Frage 1 keine Leistung der R-GmbH annehmen<br />
bzw eine eigene Leistung annehmen (VzD), aber den Durchgriff ablehnen)<br />
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Anspruch aus § 812 I 1 S. 1<br />
1. Etwas Erlangt: Freifahrt für Dezember bzw. Rückzahlung 1/12 Jahresticket (+)<br />
2. Durch Leistung ?<br />
Ansicht 1: Leistung der R; kein Anspruch (vgl. Frage 1)<br />
Ansicht 2: Leistung der BVG<br />
Ansicht 3: Vertrag zugunsten Dritter, drei Leistungen: R-GmbH an Beschäftigte; R-GmbH an BVG;<br />
BVG an Beschäftigte. Wertende Betrachtung, siehe Frage 1.<br />
3. Ohne Rechtsgrund:<br />
auflösende Bedingung wirksam, eingetreten?<br />
4. Bereicherung: Freifahrt im Dezember Wertersatz; Geldbetrag 1/12 Jahresticket<br />
5. § 818 III? Bösgläubig?<br />
Weitere Hinweise:<br />
Ansprüche aus GoA liegen fern und brauchen nicht geprüft zu werden. Im Zeitpunkt, in dem die R-<br />
GmbH die Entschuldigungsleistung gewährt, liegen deren Voraussetzungen vor (Vertrag), sie<br />
überschreitet daher keine Geschäftsbesorgungsbefugnis. Der Eintritt einer auflösenden Bedingung<br />
führt zur Rückabwicklung, nicht zur GoA. Gut vertretbar ist eine <strong>Lösung</strong>, die statt Bereicherung den<br />
Rückgewähranspruch auf den bedingten Vertrag stützt. Die Probleme, nämlich ob und gegenüber wem<br />
die Bedingung Vertragsinhalt geworden ist, sind die gleichen (vgl. Rechtsgrund).<br />
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