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SV Klausurenkurs - unirep - Humboldt-Universität zu Berlin

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<strong>Universität</strong>srepetitorium der <strong>Humboldt</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Prof. Dr. Rosemarie Will<br />

Examensklausurenkurs<br />

5. Klausur im öffentlichen Recht am 17.01.2014<br />

(der Sachverhalt hat 3 Seiten)<br />

Wintersemester 2013/2014<br />

In den Wahlen <strong>zu</strong>m 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 setzt sich die CDU/ CSU-<br />

Fraktion als stärkste Partei mit 41,5 % der Zweitstimmen durch und kann 311 Sitze beanspruchen.<br />

Sie verfehlt damit jedoch die absolute Mehrheit und bedarf <strong>zu</strong>r Regierungsbildung eines<br />

Koalitionspartners. Allerdings verpasste ihr vormaliger Partner, die FDP, mit 4,8 % der Zweitstimmen<br />

knapp und <strong>zu</strong>m ersten Mal in der Geschichte ihres Bestehens den Ein<strong>zu</strong>g in den Bundestag.<br />

Zweitstärkste Fraktion wird die SPD mit 25,7 % der Zweitstimmen und 193 Sitzen, gefolgt<br />

von den Fraktionen Die Linke mit 64 und Bündnis 90/ Die Grünen mit 63 Sitzen. Mit vier<br />

Überhangmandaten und 29 Ausgleichsmandaten gehören dem 18. Bundestag damit 631 Abgeordnete<br />

an.<br />

Weil sich die Koalitionsverhandlungen zwischen den beiden größten Faktionen schon über einige<br />

Wochen hinziehen und erst noch ein Mitgliederentscheid der SPD-Basis den etwaigen Ergebnissen<br />

<strong>zu</strong>stimmen muss, steht die Aufnahme der regulären Parlamentsarbeit in den Sternen. Auf<br />

Antrag und mit den Stimmen der potentiellen Koalitionsfraktionen CDU/ CSU und SPD richtet<br />

der Bundestag einen Hauptausschuss ein, der bis <strong>zu</strong>r Konstituierung der eigentlichen Ausschüsse<br />

alle durch das Plenum des Bundestages überwiesenen Beschlussvorlagen beraten und Empfehlungen<br />

hier<strong>zu</strong> abgeben soll. Hintergrund dessen ist die Parlamentspraxis, wonach die Bundestagsausschüsse<br />

und ihre Zuständigkeiten spiegelbildlich <strong>zu</strong> dem von der jeweiligen Koalition<br />

gewählten Ressort<strong>zu</strong>schnitt bzw. den Zuständigkeiten der Ministerien gebildet werden. Offen ist<br />

jedoch, wer dort die jeweiligen Minister/innen- und Staatssekretärsposten einnimmt. Diejenigen<br />

kämen dann nämlich für die Ausschüsse des Bundestages nicht in Frage oder müssten wieder<br />

ausscheiden. Dem neuen Hauptausschuss sollen unter dem Vorsitz des Präsidenten 47 Mitglieder<br />

angehören. Auf die CDU/ CSU-Fraktion entfallen dabei 23 Sitze, auf die SPD 14. Die Linke<br />

und Bündnis 90/ Die Grünen können jeweils 5 Mitglieder entsenden. Der Hauptausschuss soll<br />

<strong>zu</strong>gleich Ausschuss im Sinne der Artikel 45, 45a und 45c GG sowie Haushaltsausschuss sein.<br />

Mit der Konstituierung der ständigen Ausschüsse soll er aufgelöst und alle nicht erledigten Vorlagen<br />

an die jeweils <strong>zu</strong>ständigen Ausschüsse überwiesen werden.<br />

Bereits in der letzten Legislaturperiode hatte der Bundestag eine Änderung des Filmförderungsgesetzes<br />

(FFG) beschlossen. Das FFG existiert seit 1967 in Form eines jeweils zeitlich befristeten<br />

Gesetzes und entsprechender Folgegesetze. Durch die nach §§ 1, 2 FFG geschaffene Filmförderungsanstalt<br />

(FFA) soll die „Struktur der deutschen Filmwirtschaft und die kreativ-künstlerische<br />

Qualität des deutschen Films als Vorausset<strong>zu</strong>ng für seinen Erfolg im Inland und im<br />

Ausland“ gefördert werden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 FFG). Dafür wird von Kinobetreibern und den<br />

Zwischenhändlern der Videobranche eine Abgabe in Höhe von bis <strong>zu</strong> 3 % des Jahresumsatzes<br />

erhoben (§ 66 FFG). Mit den öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehanstalten dagegen<br />

schließt die FFA Verträge über die Höhe ihrer Zahlungsverpflichtungen ab (§ 67 FFG). Die<br />

Vergabe von Fördermitteln erfolgt in der sog. Referenzförderung in Relation <strong>zu</strong>m Erfolg des<br />

vorherigen Filmes eines/einer Antragsteller/in. Bisher wurde dieser Erfolg anhand von Besucher/innenzahlen<br />

ermittelt. Nach der Neufassung des Gesetzes sollen nun auch Auszeichnungen<br />

und Festivalerfolge maßgeblich sein (§§ 15 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. 22 Abs. 3 FFG). Zusätzlich ver-<br />

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langt § 15 Abs. 1 Nr. 5 FFG nunmehr als Vorausset<strong>zu</strong>ng für die Gewährung der Förderhilfe,<br />

dass der Film kulturelle, historische oder gesellschaftliche Fragen <strong>zu</strong>m Thema hat. Laut der Gesetzesbegründung<br />

solle damit den europarechtlichen Vorgaben aus Art. 87 EGV Genüge getan<br />

werden. Das Gesetz wurde bis <strong>zu</strong>m 31. Dezember 2013 befristet.<br />

Gegen die Abgabenbescheide der FFA hatten einige Kinobetreiber geklagt. Aus ihrer Sicht lägen<br />

die Vorausset<strong>zu</strong>ngen für eine Sonderabgabe nicht vor: Das Bundesverfassungsgericht unterwerfe<br />

Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion in ständiger Rechtsprechung [BVerfGE 55, 274 (298 ff.); 67,<br />

256 (275 ff.); 82, 159 (179 ff.); 91, 186 (201); 101, 141 (148); <strong>zu</strong>letzt Urteil vom 3. Februar 2009, Az.: 2 BvL 54/06, juris Rn. 97 ff.]<br />

strengen Anforderungen. Es stütze dieses Erfordernis auf die Begren<strong>zu</strong>ngs- und Schutzfunktion<br />

der bundesstaatlichen Finanzverfassung, die den/der Abgabepflichtigen neben der allgemeinen<br />

Steuerpflicht aufgebürdeten Zusatzbelastungen und das Budgetrecht des Parlaments, um <strong>zu</strong> gewährleisten,<br />

dass Sonderabgaben gegenüber den Steuern seltene Ausnahme bleiben. Nach diesen<br />

Maßstäben dürfe nur eine homogen gebildete Gruppe <strong>zu</strong> Sonderabgaben herangezogen werden,<br />

die in einer spezifischen Beziehung (Sachnähe) <strong>zu</strong> dem mit der Abgabenerhebung verfolgten<br />

Zweck stehe und der deshalb eine besondere Finanzierungsverantwortung <strong>zu</strong>gerechnet werden<br />

könne. Darüber hinaus müsse das Abgabenaufkommen gruppennützig verwendet werden.<br />

Weil die öffentlich-rechtlichen und die privaten Fernsehveranstalter ohne sachlichen Grund von<br />

der Abgabepflicht ausgenommen seien und lediglich freiwillige Beiträge leisteten, sei die Gruppe<br />

der Abgabepflichtigen im FFG vom Gesetzgeber nicht homogen gewählt worden und würde<br />

dadurch <strong>zu</strong>gleich gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Auch<br />

liege die Förderung des deutschen Kinofilms nicht in der speziellen Verantwortung der Betreiber<br />

von Filmtheatern. Zudem werde die Abgabe nicht im Interesse der Gruppe der Abgabepflichtigen<br />

verwendet, denn mit deutschen Filmen – gefördert oder nicht – ließen sich keine wesentlichen<br />

Einnahmen erzielen. Ihr Anteil am Kinomarkt liege gerade einmal bei 10–17 %. Die für die<br />

Festset<strong>zu</strong>ng der Abgabenhöhe herangezogenen Umsätze stammten im Wesentlichen aus der<br />

Vorführung von US-amerikanischen Blockbuster-Filmen. Durch die Heranziehung <strong>zu</strong>r Filmabgabe<br />

sehen sich die Kinobetreiber/innen in den vom BVerfG entwickelten Maßstäben verletzt.<br />

Der Gesetzgeber hat die Existenz dieser Maßstäbe nicht bestritten, ging aber davon aus, ihnen<br />

genügt <strong>zu</strong> haben, weil sich TV-Sender anders als Filmveranstalter/innen oder Videoverleihbetriebe<br />

oft auch direkt an der Produktion von Filmen beteiligen.<br />

Als die Klage der Kinobetreiber in erster Instanz vor dem VG <strong>Berlin</strong> ohne Erfolg blieb, legten<br />

die Prozessvertreter Sprungrevision <strong>zu</strong>m BVerwG ein. Dieses stellte sich auf den Standpunkt,<br />

dass das FFG den Grundsatz der Abgabengerechtigkeit verletze, wonach diejenigen einer Gruppe,<br />

die vom Zweck einer Abgabe profitieren, bei der Finanzierung auch gleichermaßen herangezogen<br />

werden müssten. Die Verlet<strong>zu</strong>ng ergebe sich daraus, dass das FFG zwar Kinos und Videovertriebe<br />

als „Filmverwerter“ <strong>zu</strong> der Zwangsabgabe verpflichte, TV-Sender jedoch mit der<br />

FFA frei verhandelte Verträge abschließen könnten. Es setzte daher die Verfahren aus und legte<br />

dem BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Frage <strong>zu</strong>r Entscheidung vor, ob §§ 66, 66a und 67<br />

Abs. 1 und 2 FFG mit Art. 3 Abs. 1 und 20 Abs. 3 GG vereinbar sind.<br />

Die Staatsministerin für Kultur und Medien der geschäftsführenden Bundesregierung drängt<br />

nach der Wahl <strong>zu</strong>r Eile. Nicht nur müsse eine Verlängerung des Gesetzes über den 31. Dezember<br />

2013 hinaus auf den Weg gebracht werden, auch die Bedenken des BVerwG sollten ernstgenommen<br />

und damit eine Negativentscheidung des BVerfG abgewendet werden. Sie schlägt daher<br />

eine Gesetzesänderung vor, wonach auch öffentlich-rechtliche und private Fernsehveranstalter<br />

rückwirkend <strong>zu</strong>m Zeitpunkt der letzten Novellierung in die Abgabepflicht einbezogen werden.<br />

Um hierbei Unbilligkeiten <strong>zu</strong> vermeiden, sollen für abgelaufene Wirtschaftsjahre keine Ab-<br />

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Öffentliches Recht / Prof. Dr. R. Will


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gaben nachgefordert werden können, die höher sind als vertraglich vereinbart wurde. Um weiteren<br />

Zeitver<strong>zu</strong>g <strong>zu</strong> vermeiden, wie er durch eine Vorabbeteiligung des Bundesrates entstehen<br />

würde, und weil von den geschäftsführenden FDP-Minister/innen niemand bereit ist, das Gesetz<br />

in das amtierende Kabinett ein<strong>zu</strong>bringen, dringt die Staatsministerin bei den Fraktionsvorsitzenden<br />

von CDU/CSU und SPD darauf, dass diese den Gesetzentwurf direkt in den Bundestag einbringen.<br />

So kommt es dann auch.<br />

Das Plenum des Bundestages überweist den Entwurf in der ersten Lesung in den Hauptausschuss,<br />

der gegen die Stimmen der Opposition die Annahme der Gesetzesänderung und dessen<br />

Entfristung empfiehlt. Ohne weitere Aussprache schreitet der Bundestagspräsident <strong>zu</strong>r Schlussabstimmung.<br />

Aus Protest gegen dieses wiederholte Übergehen der Beteiligungsrechte der Opposition<br />

verlassen die Mitglieder der Fraktionen von Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen bis<br />

<strong>zu</strong>m Ende des Tagesordnungspunktes den Saal. Mit dem Stimmen von SPD und CDU/CSU beschließt<br />

der Bundestag die Neufassung des FFG. Das beschlossene Gesetz wird dem Bundesrat<br />

<strong>zu</strong>geleitet, der sich mit der Angelegenheit aber nicht weiter befasst. Als Mitte Dezember noch<br />

immer kein Votum des Bundesrates vorliegt, wird das Gesetz nach Gegenzeichnung durch den<br />

Bundeskanzler und den <strong>zu</strong>ständigen Bundesminister dem Bundespräsidenten <strong>zu</strong>geleitet. Dieser<br />

unterzeichnet und verkündet es ordnungsgemäß. Es tritt am 23. Dezember 2013 in Kraft. Noch<br />

am gleichen Tag nimmt das BVerwG seinen Vorlagebeschluss <strong>zu</strong>m BVerfG <strong>zu</strong>rück und weißt<br />

die Revision der Kläger <strong>zu</strong>rück: Die Heranziehung der Kinobetreiber, der Videobetriebe und<br />

(nun auch) der TV-Sender sei sachgerecht, da es sich bei diesen um eine homogene Gruppe von<br />

„Produktionsverwertern“ des deutschen, geförderten Films handle – unabhängig davon, ob sie<br />

diese auch tatsächlich vorführten. Die rückwirkende Einbeziehung der TV-Sender nach den<br />

Maßstäben des FFG sei für diese finanziell günstiger oder <strong>zu</strong>mindest neutral und daher <strong>zu</strong>lässig.<br />

Die <strong>zu</strong>künftigen Oppositionsfraktionen sind dennoch empört: Es erweise sich die Arroganz der<br />

Macht noch bevor die Große Koalition in „Sack und Tüten“ ist. Nicht nur sei eine ordnungsgemäße<br />

Beratung in den dafür vorgesehen Ausschüssen unterblieben, auch die Rechte des Bundesrates<br />

seien systematisch übergangen worden. Es gehe ihnen ums Prinzip: Sie wollen in Karlsruhe<br />

die Nichtigkeit des FFG feststellen lassen. Da<strong>zu</strong> müssten Oppositionsparteien auch unabhängig<br />

von dem in Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG festgelegten Antragsquorum berechtigt sein. Bei ihrem<br />

Vorhaben finden die Fraktionen Unterstüt<strong>zu</strong>ng durch den Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg.<br />

Er ist der Meinung, Filmförderung sei Kunstförderung und Kunst ist Ländersache.<br />

Dem Bund fehle es daher schon an einer entsprechenden Gesetzgebungskompetenz.<br />

Durch die Neufassung gehe es nicht mehr nur um die Förderung der Filmwirtschaft, sondern<br />

vornehmlich um Qualität und kulturelle Werthaltigkeit. So habe auch die europäische Kommission<br />

die Filmförderung als Beihilfe <strong>zu</strong>r Förderung der Kultur und nicht etwa der Wirtschaft genehmigt<br />

(Art. 87 Abs. 3 lit. d EG; jetzt Art. 107 Abs. 3 lit. d AEUV). Jedenfalls sei eine bundesgesetzliche<br />

Regelung im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG nicht erforderlich gewesen.<br />

Bearbeiter/innenvermerk:<br />

Fertigen Sie ein Gutachten über die Erfolgsaussichten entsprechender Anträge der Fraktionen Die<br />

Linke und Bündnis 90/ Die Grünen sowie der Landesregierung von Baden-Württemberg auf Feststellung<br />

der Nichtigkeit der Neufassung des FFG vor dem Bundesverfassungsgericht an. Auf alle aufgeworfenen<br />

Rechtsfragen ist – gegebenenfalls hilfsgutachterlich – ein<strong>zu</strong>gehen.<br />

Schreibzeit von 9:00–14:00 Uhr<br />

Abgabe bis einschließlich Montag, 20.01.2014, 10:00 Uhr (nur mit Korrekturwertmarke) ins Postfach des<br />

Lehrstuhls von Frau Prof. Dr. Will. Dieses befindet sich beim Wachschutz in der Pförtnerloge der<br />

Juristischen Fakultät im Foyer des Alten Palais.<br />

Besprechung und Rückgabe der Klausur: Montag, den 27.01.2014, 12:00–14:00 Uhr c.t. in UL 9, R. 213<br />

<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der <strong>Humboldt</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Öffentliches Recht / Prof. Dr. R. Will

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