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Magazin Natur<br />

FASZINATION VOGELKIEK<br />

Beste Aussichten an der Küste<br />

Auf ihrem East Atlantic Flyway rasten in jedem Jahr Millionen<br />

Zugvögel im Wattenmeer. Die deutsch-dänische Grenzregion<br />

ist dabei Schauplatz eines besonders spektakulären<br />

Naturschauspiels.<br />

SIE KOMMEN AUS Skandinavien, Sibirien,<br />

Island, Grönland und Nordost-Kanada: Nonnengänse,<br />

Ringelgänse, Küstenseeschwalben,<br />

Knutts und Alpenstrandläufer. Sie ziehen von<br />

Norden nach Süden und wieder <strong>zu</strong>rück – Tausende von<br />

Kilometern. Auf dem East Atlantic Flyway – Ostatlantischer Flugweg –<br />

fliegen die Zugvögel zwischen der Arktis und Afrika, um im Sommer<br />

viel Futter für die Küken und im Winter einen Platz an der Sonne <strong>zu</strong><br />

haben. Denn im kurzen arktischen Sommer (Juni bis August) bieten<br />

die riesigen Tundren ein reiches Nahrungsangebot <strong>zu</strong>r Jungenauf<strong>zu</strong>cht.<br />

Wegen der langen Winter (September bis Mai) gibt es dort kaum ortsansässige<br />

Vögel, die diese Nahrungsquelle nutzen können. Also ist<br />

dort für genau zwei Monate eine ökologische Nische frei.<br />

Doch nach der Brutzeit müssen sie weiterziehen –<br />

nach Süden. Sie rasten als Zwischenstation im Wattenmeer.<br />

Sobald es auch hier ungemütlich wird, verteilen<br />

sie sich entlang der Atlantikküste von Holland und<br />

Frankreich bis Mauretanien und Südafrika – bis es im<br />

Frühjahr wieder gen Norden <strong>zu</strong>rückgeht.<br />

Wattmauser und andere<br />

Besonderheiten<br />

Der Ostatlantische Flugweg der Vögel wird<br />

von Wissenschaftlern und Ornithologen seit<br />

Langem beobachtet. Seit 114 Jahren werden Vögel<br />

beringt, um Daten über die Ausbreitung, die<br />

Population, das Verhalten und die Wanderungen<br />

der Zugvögel <strong>zu</strong> erhalten. Rainer Rehm arbeitet im<br />

Bereich der Schutz- und Entwicklungsplanung<br />

im Nationalpark Wattenmeer und ist leidenschaftlicher<br />

„Beringer“. „Alle Daten, die<br />

wir durch die Beringung der Vögel sammeln,<br />

laufen europaweit <strong>zu</strong>sammen und werden ausgewertet. Nur so können<br />

Veränderungen nachvollzogen und erkannt werden, auch und gerade,<br />

was den Klimawandel betrifft. Wir erfahren etwas über intakte bzw. nicht<br />

intakte Lebensräume. Die Beringung ist eines der wichtigsten Instrumente<br />

des Naturschutzes und der Forschung“, so Rehm. Nur so habe man auch<br />

feststellen können, dass <strong>zu</strong>m Beispiel die Population des Austernfischers<br />

um bis <strong>zu</strong> 50 Prozent <strong>zu</strong>rückgegangen ist. „Dabei müssen wir vor allem<br />

wissen, wie sich die Brut des Austernfischers entwickelt. Denn Austernfischer<br />

sind sehr langlebige Vögel, die bis <strong>zu</strong> 40 Jahre alt werden. Wenn<br />

wir einfach nur die Altvögel zählen, würde plötzlich und für uns unerwartet<br />

die Population <strong>zu</strong>sammenbrechen.“<br />

Von den zahlreichen Rastvögeln, die das Wattenmeer auf dem Zug zwischen<br />

subarktischen Gebieten und Afrika nutzen, sind insbesondere die<br />

mausernden Brandgänse und Trauerenten von großer Bedeutung. Der<br />

zahlenmäßig häufigste Gastvogel im Seebereich des Wattenmeer ist die<br />

Trauerente mit über 300.000 Exemplaren. Aber auch<br />

Brandseeschwalben, Eiderenten, Sturmmöwen oder<br />

Silbermöwen kommen in großen Beständen im<br />

Wattenmeer vor.<br />

Die etwa 200.000 Vögel zählende nordwesteuropäische<br />

Brandgans-Population verbringt ihre Mauserzeit,<br />

in der die Tiere ihr Federkleid erneuern und<br />

viel Energie benötigen, zwischen Juli und September<br />

im schleswig-holsteinischen Wattenmeer. Damit<br />

finden sich dort über 80 Prozent des gesamten<br />

nordwesteuropäischen Bestandes. Für ungefähr 50<br />

Arten der nördlichen Hemisphäre bildet das Wattenmeer<br />

einen unverzichtbaren Lebensraum.<br />

Unter den Zugvögeln,<br />

die das nahrungsreiche Wattenmeer<br />

als Rastplatz nutzen, sind<br />

auch viele gefährdete Arten.<br />

Das Phänomen des Vogel<strong>zu</strong>ges wird erst durch die<br />

Forschung begreifbar. Das wichtigste Werkzeug ist<br />

die Beringung, denn mit diesem vergleichsweise kostengünstigen<br />

Werkzeug können die Flugwege<br />

einzelner Vögel und ihrer Arten<br />

bestimmt werden. Die meisten Beringungen<br />

werden durchgeführt, bevor die<br />

Vögel flügge werden. „Dabei achten wir natürlich<br />

darauf, dass wir so wenig wie möglich stören“, sagt<br />

Rainer Rehm. In einer Stunde können bis <strong>zu</strong> 250<br />

Vögel beringt werden. „Es ist faszinierend <strong>zu</strong> sehen,<br />

welche Vögel wo auftauchen. Wer hätte gedacht,<br />

dass auch die Lachmöwen im Stadtpark gar nicht<br />

das ganze Jahr dort sind, sondern sich in den Zug<br />

der Vögel bis nach Spanien einreihen? Alles ist eben<br />

im Fluss.“<br />

Die Stare & die „Schwarze Sonne“<br />

Die deutsch-dänische Grenzregion ist für Zugvögel<br />

des East Atlantic Flyway ein gern angeflogener Rastplatz<br />

– vor allem für Stare. „An besten Tagen zählen<br />

wir hier in Tønder Kommune bis <strong>zu</strong> 2 Millionen<br />

Stare“, erzählt Ivar Gram, Biologe und Ranger in<br />

43


Magazin Natur<br />

1<br />

2<br />

Hier können Sie gucken<br />

Die Nordseeküste verfügt über zahlreiche<br />

Vogelbeobachtungspunkte mit<br />

weitergehenden Informationen. Die<br />

meisten Vögel sind im Frühling und<br />

Herbst <strong>zu</strong> sehen. Interessierte finden<br />

unter anderem hier beste Aussichten:<br />

Beltringharder Koog<br />

Gotteskoog-Gebiet<br />

Hamburger Hallig<br />

Hauke-Haien-Koog<br />

Katinger Watt<br />

Meldorfer Speicherkoog<br />

Rickelsbüller Koog<br />

44


„Schwarze Sonne“ ist eine Metapher, denn<br />

das eigentliche Schauspiel der Millionen Stare<br />

in Süddänemark ist kaum <strong>zu</strong> beschreiben.<br />

Magazin Natur<br />

3<br />

1 Austernfischer nutzen das Wattenmeer als Bestands- und als<br />

Zugvögel. 2 Eiderenten nutzen das Wattenmeer für ihre Mauser und<br />

sind in dieser Zeit nur eingeschränkt flugfähig. 3 Hunderttausende<br />

Strandläufer oder Limikolen bilden auch im Wattenmeer eine<br />

„Schwarze Sonne“. 4 Rainer Rehm vom NABU ist ein Vogel-Experte<br />

„<strong>zu</strong>m Anfassen“.<br />

der Region. „In den feuchten Marschgebieten<br />

in Südtondern finden die Stare ideale<br />

Vorausset<strong>zu</strong>ngen um ‘auf<strong>zu</strong>specken’.“ In<br />

der tondernschen Marsch mit großräumigem<br />

Grünland und alten Wiesen ist der<br />

Tisch für die Stare besonders grün gedeckt.<br />

„Auch wenn der Bestand an Staren insgesamt<br />

<strong>zu</strong>rückgeht, ist die Zahl der Stare<br />

bei uns aufgrund der idealen Bedingungen<br />

angewachsen“, so Gram. Ca. sechs Wochen<br />

bleiben die Stare, bevor sie <strong>zu</strong>m Überwintern<br />

weiterziehen.<br />

4<br />

Sie fliegen als Kugel oder als Ballon<br />

45.000 Besucher kommen jedes Jahr in<br />

die Grenzregion rund um Tondern, um<br />

dort eins der spektakulärsten Naturschauspiele<br />

<strong>zu</strong> beobachten: die schwarze Sonne.<br />

„,Schwarze Sonne‘ ist eine Metapher,<br />

denn das eigentliche Schauspiel der Stare<br />

ist kaum <strong>zu</strong> beschreiben“, so Gram. Mit<br />

Bussen werden die Besucher in das Gelände<br />

gefahren und warten dann darauf, dass<br />

die Stare kommen. „Manchmal steht man<br />

eine Stunde dort, und nichts passiert – kein<br />

Star <strong>zu</strong> sehen. Aber dann, ganz plötzlich,<br />

kommen eine Million Stare vom Himmel<br />

und lassen sich nieder.“<br />

Ohne Greifvögel keine Formationen<br />

Doch das eigentliche Schauspiel kommt<br />

erst später. Denn Habichte, Falken und<br />

Eulen warten bereits auf die Stare – ihre<br />

Jagd beginnt. Fliehend bilden die Stare nun<br />

Formationen, um vor den Angreifern <strong>zu</strong><br />

flüchten, denn die Wahrscheinlichkeit, unter<br />

einer Million Staren das Opfer <strong>zu</strong> werden,<br />

ist eben eine Million Mal geringer, als<br />

alleine <strong>zu</strong> fliegen. „Das ist einfach außergewöhnlich.<br />

Die Stare bauen verschiedenste<br />

Formationen auf, sie fliegen als Kugel oder<br />

als Ballon – bei jedem Greifvogel bilden sie<br />

andere Formationen, um <strong>zu</strong> entkommen.“<br />

Die Gäste werden stets angehalten, nicht<br />

auf den Deichhöhen <strong>zu</strong> stehen und sich<br />

ein wenig <strong>zu</strong> tarnen. Denn während die<br />

Stare vor den Menschen keine Angst haben,<br />

ist das bei den Greifvögeln sehr wohl<br />

der Fall. „Es ist schon eher so, dass die<br />

Stare näher an die Menschen heranrücken,<br />

weil sie dann wissen, dass Habicht & Co<br />

nicht kommen. Aber ohne Greifvögel gibt<br />

es keine Formationen und damit keine<br />

„Schwarze Sonne“, so Ivar Gram. •<br />

www.sortsafari.dk<br />

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Magazin Natur<br />

KÖNIG DER LÜFTE<br />

Der Seeadler<br />

Der größte europäische Greifvogel ist <strong>zu</strong>rück<br />

an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste und<br />

rund um das Katinger Watt <strong>zu</strong> beobachten<br />

SEINE FLÜGELSPANNE nimmt 2,50 Meter ein, doch<br />

in voller Größe ist er nur selten greifbar – meist<br />

kreist er oben am Himmel. Der Seeadler ist der<br />

größte Greifvogel Europas. Faszinierend ist es, ihn<br />

<strong>zu</strong> beobachten. Genau das kann man im Katinger<br />

Watt, zwischen dem Eidersperrwerk und Tönning.<br />

Sein Horst liegt mitten im Gehölz. Auch wenn sich<br />

der Seeadler normalerweise in großen, alten Bäumen<br />

niederlässt, hat er im Katinger Watt, das erst vor<br />

wenigen Jahrzehnten nach dem Bau des Eidersperrwerks<br />

entstand, sein Zuhause in den Baumkronen<br />

junger Pappeln gefunden. Und das ist manchmal tatsächlich<br />

eine wackelige Angelegenheit. Monika Povel<br />

führt im Katinger Watt für den NABU die Seeadlerführungen<br />

von April bis Juni durch. „Der Horst der<br />

Die vielen Naturschutzgebiete<br />

an der Westküste<br />

sind ein gedeckter Tisch<br />

für den Seeadler, unten <strong>zu</strong><br />

sehen im Streit mit einer<br />

Rohrweihe.<br />

Seeadler ist riesengroß. Im November/Dezember beginnt<br />

das Seeadler-Paar, seinen Horst <strong>zu</strong> renovieren<br />

und neu <strong>zu</strong> tapezieren.“ Das Katinger Watt ist ein<br />

gedeckter Tisch für die großen und schnellen Jäger –<br />

ob Enten oder Nonnengänse, gelegentlich im Frühjahr<br />

auch ein Fisch, ausreichend <strong>zu</strong> fressen haben<br />

sie hier allemal. So kann das Seeadler-Paar auch<br />

seine Jungen, meist ein, zwei oder drei, nach dem<br />

Schlüpfen gut ernähren. Wenn die jungen Seeadler<br />

das Nest verlassen haben, ziehen sie bis <strong>zu</strong>m<br />

Erwachsenwerden vier Jahre umher – dann suchen<br />

auch sie sich einen Partner.<br />

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war der<br />

majestätische Raubvogel in ganz Schleswig-Holstein<br />

ausgestorben. Doch der Bestand erholt sich kontinuierlich:<br />

Im Land zwischen den<br />

Meeren gibt es insgesamt 63 Brutpaare,<br />

von denen im letzten Jahr 51<br />

erfolgreich brüteten. Und mittlerweile<br />

haben die Seeadler auch wieder<br />

Reviere an der Nordseeküste.<br />

Das Watt ist wie ein<br />

gedeckter Tisch<br />

„Für mich ist es immer das schönste Erlebnis, die<br />

Seeadler beim Jagen <strong>zu</strong> beobachten“, erzählt Monika<br />

Povel. „Aber auch, wenn die Jungvögel im Horst beginnen,<br />

Rabatz <strong>zu</strong> machen, mit den Flügeln schlagen<br />

und die ersten Flugversuche unternehmen, schaut<br />

man mit großem Staunen <strong>zu</strong>.“ •<br />

46<br />

Führungen, Infos und Termine:<br />

www.nabu-katinger-watt.de


Magazin Natur<br />

Austernfischer<br />

Ringelgans<br />

Brandgans<br />

Alpenstrandläufer<br />

Silbermöwe<br />

„Flying Five“ entdecken –<br />

die geflügelten Stars des Wattenmeers<br />

Elefant, Löwe, Nashorn, Büffel und Leopard<br />

– die „Big Five“ der Serengeti – können Sie<br />

im Nationalpark Wattenmeer natürlich nicht<br />

finden. Eine gute Alternative:<br />

Alpenstrandläufer,<br />

Brandgans, Austernfischer,<br />

Silbermöwe und<br />

Ringelgans – kurz, die<br />

„Flying Five“. Diese fünf<br />

besonders typischen Vogelarten<br />

repräsentieren<br />

den Vogelreichtum im<br />

Wattenmeer.<br />

Viele Millionen Wat- und Wasservögel nutzen<br />

das Watt im Laufe eines Jahres. Ein Teil brütet<br />

auch hier, die Brutplätze vieler Arten liegen<br />

aber in den arktischen Tundren von Sibirien<br />

bis Grönland. Für sie ist das Watt eine „Tankstelle“<br />

aus Würmern, Muscheln und Krebsen,<br />

in der sie sich die nötigen Fettreserven für bis<br />

<strong>zu</strong> 5.000 km weite Zugstrecken zwischen den<br />

Brut- und Rastgebieten anfuttern.<br />

Während im Frühjahr und Herbst die Alpenstrandläufer<br />

in großen Wolken von den Nahrungsflächen<br />

im Watt mit faszinierenden Flug-<br />

manövern <strong>zu</strong> den Hochwasser-Rastplätzen<br />

fliegen, beziehen gut 200.000 Brandgänse<br />

im Juli/August die weiten<br />

Wattengebiete zwischen<br />

Büsum und Elbe.<br />

Die spektakulären Trillerzeremonien<br />

der Austernfischer<br />

sind weithin<br />

<strong>zu</strong> hören, während die<br />

Silbermöwe auf silbergrauen<br />

Schwingen an<br />

den Stränden patrouilliert.<br />

Die Ringelgans mit ihrem weißen Halsring ist<br />

Vegetarier und schafft trotzdem die Flugstrecke<br />

ins sibirische Brutgebiet.<br />

Exkursionen <strong>zu</strong> den „Flying Five“ des Wattenmeeres<br />

finden an vielen Stellen des Nationalparks<br />

statt. Ein Besuch bei unserem<br />

Naturerlebnisfinder lohnt – da gibt es Details<br />

und Termine.<br />

www.nordsee-naturerlebnis.de<br />

www.schutzstation-wattenmeer.de<br />

www.wattenmeer-weltnaturerbe.de<br />

Nordsee-<br />

Urlaubsarrangements<br />

FRIEDRICHSKOOG:<br />

Faszination Vogelflug<br />

Sieben Übernachtungen in einer Ferienwohnung<br />

mit der Teilnahme an der „Gänsesafari“,<br />

Bestimmungshilfe für Vögel, Leihfernglas und<br />

Leihfahrräder u.v.m.<br />

Preis für 2 Personen ab € 399.–<br />

www.friedrichskoog.de<br />

NORDSTRAND:<br />

Ringelganspaket<br />

Drei Übernachtungen mit Frühstück,<br />

Schwimmbadeintritt, Ringelgans-Kiek am<br />

Deich mit viel Wissenswertem, Führung<br />

durch das Nationalparkhaus, Schifffahrt <strong>zu</strong><br />

den Ringelgänsen auf der Hallig Nordstrandischmoor,<br />

Cocktailabend/Essen u.v.m.<br />

Preis pro Person ab € 135.–<br />

www.nordstrand.de<br />

Weitere Angebote: www.nordseetourismus.de<br />

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