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Aging Sciences and Humanities - Interdisziplinäre Fakultät ...

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THEOLOGIE<br />

Alter als religiöse Statuszuweisung<br />

Die Konstruktion von „Alter“<br />

in Religion und Religionswissenschaft<br />

Die religiösen Traditionen der Menschheit haben seit je dem Alter einen besonderen<br />

Status zugewiesen. Daran anknüpfend wird in der Religionswissenschaft das Alter zumeist<br />

als etwas beschrieben, dessen Qualität sich aus der Nähe zum Tod ableitet. Doch nicht nur<br />

die religiöse Statuszuweisung, sondern auch die religionswissenschaftliche<br />

Bestimmung ist letztlich eine Konstruktion.<br />

Klaus Hock<br />

Die Heiligen Schriften von Judentum<br />

und Christentum enthalten<br />

durchaus unterschiedliche, gar<br />

widersprüchliche Aussagen über das<br />

Alter. So erscheint einerseits aus der Perspektive<br />

des Alters das Leben als „vergebliche<br />

Mühe“ (Psalm 90,10). Andere<br />

Passagen wiederum stellen die positiven<br />

Aspekte des Alters in den Vordergrund<br />

– so etwa, wenn es heißt, Abraham sei<br />

alt und „lebenssatt“ gestorben (1. Moses<br />

25,8). Wie Judentum und Christentum<br />

sieht auch der Islam das Alter als ein Stadium,<br />

das den Menschen vornehmlich<br />

an seine Geschöpflichkeit erinnern soll:<br />

Sein Weg, der zum Tod und in das Jenseits<br />

führt, verweist den Menschen auf<br />

seinen Schöpfer, dem gegenüber er verantwortlich<br />

ist.<br />

In Hinduismus und Buddhismus<br />

stellt sich die Sache etwas <strong>and</strong>ers dar.<br />

Beide Religionen vertreten ein Menschenbild,<br />

in dem die Vorstellung eines<br />

persönlichen Schöpfergottes fehlt. Doch<br />

erscheint auch hier das Alter als Phase,<br />

die von der Grenze zum Tod her ihre<br />

Bedeutung erhält. Dies verdankt sich<br />

Barbara Myerhoff<br />

(Mitte):<br />

Alte als „liminale<br />

Ritualgemeinschaft“<br />

Quelle: Jewish Women's<br />

Archive. „JWA - Barbara<br />

Myerhoff - Biography."<br />

http://www.jwa.org/<br />

exhibits/wov/myerhoff/<br />

bio.html<br />

der Tatsache, dass dem Übergang zum<br />

Tod ein besonders hohes Potential zugeschrieben<br />

wird, Erlösung zu erlangen:<br />

im Hinduismus durch die Befreiung<br />

aus dem Kreislauf der Wiedergeburten<br />

(moksha), im Buddhismus durch das<br />

Verwehen (nirvana) infolge der Überwindung<br />

von Unwissenheit und Gier.<br />

In ost- und südostasiatischen volksreligiösen<br />

Traditionen können wir ähnliche<br />

Beobachtungen machen: Das Alter erscheint<br />

als ein im Lebenslauf klar abgetrenntes<br />

Stadium, wobei der Tod die<br />

Grenze zu den Ahnen markiert. In<br />

zugespitzter Form finden wir dasselbe<br />

Muster auch in afrikanischen Traditionen:<br />

Die besondere Stellung der Alten<br />

ergibt sich aus ihrer Nähe zur „durchlässigen“<br />

Grenze der Ahnenwelt. Die<br />

Vermittlungsleistung der Alten dient<br />

dabei gleichermaßen der ständigen<br />

Erneuerung der Gemeinschaft wie der<br />

Kontaktpflege zu den Ahnen.<br />

Zusammenfassend können wir sagen:<br />

Allen religiösen Traditionen ist gemeinsam,<br />

dass sie dem Alter einen besonderen<br />

Status zuweisen, dessen Qualität<br />

Die Grenze von jung und alt kippt:<br />

Alte oder junge Frau?<br />

Quelle: http://www.optischetaeuschungenonline.de/optischet%E4uschungen/kipp.php<br />

aus der Nähe zum Tod abgeleitet scheint.<br />

Wenn dem Alter eine besondere (religiöse)<br />

Wertigkeit zugeschrieben wird,<br />

verdankt sich das nicht selten diesem<br />

Grenzcharakter, seiner „Liminalität“.<br />

Das heißt zugleich: In den Religionen ist<br />

„Alter“ weniger durch die Höhe der<br />

Lebensjahre bestimmt, sondern durch<br />

die Zuschreibung bestimmter Merkmale,<br />

also durch eine religiöse Statuszuweisung,<br />

die in hohem Maße eine<br />

Konstruktion darstellt.<br />

Liminalität und Ambiguität<br />

Wo die religionswissenschaftliche Forschung<br />

das Alter thematisiert, nutzt sie<br />

häufig ein Instrumentarium, das auf eine<br />

Studie des französischen Ethnologen<br />

22 Traditio et Innovatio | 01–08

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