Aging Sciences and Humanities - Interdisziplinäre Fakultät ...
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KOMMUNIKATION<br />
in den antikisch-schönen Jungen Tadzio.<br />
Um ihm zu gefallen, möchte sich<br />
Aschenbach äußerlich verjüngen und<br />
besucht den Coiffeur. Der Meister der<br />
Äußerlichkeiten versucht den scheinbaren<br />
Dualismus zwischen Körper und<br />
Geist aufzuheben, das heißt, den alternden<br />
Körper der Jugend des Geistes entsprechend<br />
zu verjüngen und vertritt die<br />
Meinung: „Schließlich sind wir so alt,<br />
wie unser Geist, unser Herz sich fühlen,<br />
und graues Haar bedeutet unter Umständen<br />
eine wirklichere Unwahrheit, als die<br />
verschmähte Korrektur bedeuten würde.“<br />
Jedoch gerade durch die kosmetische<br />
Nachhilfe wird auf das Alter verwiesen<br />
und damit der Rede vom Alter<br />
Vorschub geleistet.<br />
Für den sozialen Umgang mit Phänomenen<br />
des Alter(n)s steht also ein breites<br />
kulturell konstituiertes Deutungspotential<br />
zur Verfügung. Diese Einsicht ist<br />
getragen vom diskursanalytischen Wissenschaftsprojekt,<br />
das bei aller Heterogenität<br />
der dort etablierten Ansätze die<br />
Kontextfreiheit humanwissenschaftlicher<br />
Forschungsgegenstände ablehnt (Potter /<br />
te Molder 2005) und deren kulturelle<br />
sowie kommunikative Situiertheit als<br />
Rahmenbedingung für einen Zugang zur<br />
sozialen Realität definiert. Dies gilt im<br />
besonderen Maße für die Thematik des<br />
Alters (Nussbaum / Coupl<strong>and</strong> 1995).<br />
Alter als dynamische soziale Kategorie<br />
(Thimm 2003) ist immer eine<br />
interaktive Leistung zwischen Kommunikationspartnern<br />
in ihren natürlichen<br />
H<strong>and</strong>lungsräumen. Soziale Kategorien<br />
gewinnen über die Kopplung mit kategoriengebundenen<br />
Aktivitäten diskursive<br />
Funktionen besonders im Rahmen von<br />
Bewertungsh<strong>and</strong>lungen (Sacks 1995).<br />
Zur qualitativen Analyse solcher Aktivitäten<br />
schlägt Caja Thimm den Begriff der<br />
„Altersreferenz“ vor.<br />
Das folgende innergenerationelle<br />
Gesprächsbeispiel macht die kommunikative<br />
Einsetzung der Kategorie Alter<br />
deutlich:<br />
A1: (82 Jahre): du gehst abends<br />
noch in den Verein<br />
B1: (79 Jahre): nur einmal in der<br />
Woche<br />
A2: einmal in der Woche, na ja,<br />
ich gehe abends überhaupt<br />
nicht mehr aus dem Haus<br />
(Nussbaum / Coupl<strong>and</strong> 1995)<br />
Mit „ich“ und „nicht mehr“ organisiert<br />
Sprecher A2 mittels personaler (ich/wir<br />
– die <strong>and</strong>eren) und temporaler (heute –<br />
früher) Referenzen (Kallmeyer 1994)<br />
implizit die Verbindung zwischen seinem<br />
Die Autorin<br />
Dr. phil. Uta Buttkewitz<br />
1994 bis 1999 Studium der Fächer Germanistik,<br />
Geschichte, Ur- und Frühgeschichte,<br />
Englische Sprachwissenschaft<br />
an der Universität Rostock, Abschluss<br />
M.A.; Mai 2000 bis Juli 2002 Stipendiatin<br />
der L<strong>and</strong>esgraduiertenförderung Mecklenburg-Vorpommern;<br />
Juli 2003 Promotion<br />
im Fach Literaturwissenschaft mit<br />
dem Thema „Das Problem der Simulation<br />
am Beispiel der Bekenntnisse des<br />
Hochstaplers Felix Krull und der Tagebücher<br />
Thomas Manns“; November 2003<br />
bis November 2005 Volontariat am<br />
Museum für Kommunikation in Berlin;<br />
seit Januar 2006 Mitarbeiterin des Hochschulservice<br />
Forschungsförderung der<br />
Universität Rostock; WS 2006/07 Lehrauftrag<br />
am Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft;<br />
Februar 2007 - März<br />
2008 Wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />
am Institut für Germanistik<br />
Universität Rostock<br />
Hochschulservice Forschungsförderung<br />
Referat Forschungs- und Transferangelegenheiten<br />
Tel.: 0381/498-1199<br />
E-Mail: uta.buttkewitz@uni-rostock.de<br />
Alter und damit erwartbaren Tätigkeiten<br />
im sozialen Raum, zu denen ein abendliches<br />
„außer Haus sein“ nicht gehören<br />
soll. Die Kategorie Alter dient hier der diskursiven<br />
Etablierung eines passiveren<br />
Lebensstils, womit der Kommunikationspartner<br />
gezwungen ist, auf eine interaktiv<br />
erzeugte Altersmaske zu reagieren.<br />
Es zeigt sich, dass das Altern ergänzend<br />
zum eigenen Bewusstsein ein biologisches<br />
Phänomen und eine soziale<br />
Konstruktion bleibt. Die sozialen und<br />
kommunikativen Umgebungen können<br />
nicht ausgeblendet werden, so dass das<br />
Alter in seiner Bedeutung und Wertigkeit<br />
stets vorgeformt und austariert<br />
wird. Die Analyse der Prozesse, die in<br />
der verbalen und nonverbalen Kommunikation<br />
ablaufen, kann einen wichtigen<br />
Beitrag für das bessere Verständnis<br />
der sozialen Konstruktion Alter leisten.<br />
Der Autor<br />
Bastian Schwennigcke, M.A.<br />
2001 bis 2006 Studium der Fächer Allgemeine<br />
Geschichte sowie Sprachliche<br />
Kommunikation und Kommunikationsstörungen<br />
an der Universität Rostock; 2004<br />
Erwerb des B.A.-Grades, 2006 Erwerb des<br />
M.A.-Grades; Herbst 2006 Aufnahme<br />
eines Promotionsstudiums im Fach Kommunikationswissenschaft<br />
an der Universität<br />
Rostock, Promotionsthema Situiertes<br />
Textverstehen – Zur Diskursivität der Textverarbeitung;<br />
seit Oktober 2006 Wissenschaftliche<br />
Hilfskraft am Lehrstuhl für<br />
Kommunikationswissenschaft; Februar<br />
2007 bis März 2008 Wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am Institut für Germanistik;<br />
seit April 2008 Stipendiat der L<strong>and</strong>esgraduiertenförderung<br />
Mecklenburg-Vorpommern<br />
Universität Rostock<br />
Institut für Germanistik<br />
August-Bebel-Str. 28, 18055 Rostock<br />
Tel.: 0381/498-2575<br />
E-Mail: bastian.schwennigcke@unirostock.de<br />
Literatur:<br />
■ Fiehler, Reinhard / Thimm, Caja<br />
(Hrsg.): Sprache und Kommunikation<br />
im Alter. Radolfzell 2003.<br />
■ Kallmeyer, Werner (Hrsg.):<br />
Kommunikation in der Stadt.<br />
Teil 1: Exemplarische Analysen des<br />
Sprachverhaltens in Mannheim.<br />
Berlin, New York 1994.<br />
■ Mann, Thomas: Der Tod in<br />
Venedig. In: Gesammelte Werke,<br />
8. Bd. Frankfurt a. M. 1990.<br />
■ Nussbaum, Jon F. / Coupl<strong>and</strong>,<br />
Justine (Hrsg.): The h<strong>and</strong>book<br />
of communication <strong>and</strong> aging research.<br />
Mahwah, New Jersey 1995.<br />
■ Potter, Jonathan / te Molder,<br />
Hedwig (Hrsg.): Conversation<br />
<strong>and</strong> Cognition. Cambridge 2005.<br />
■ Sacks, Harvey: Lectures on<br />
conversation. Oxford 1995. ■<br />
Universität Rostock<br />
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