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Aging Sciences and Humanities - Interdisziplinäre Fakultät ...

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KOMMUNIKATION<br />

Alter<br />

konstituiert<br />

Alter<br />

Das Reden vom Alter macht alt<br />

Jeder kennt die Alltagsformel: „Ich bin nur so alt,<br />

wie ich mich fühle.“ Es ist unmöglich, das numerische<br />

und biologische Alter zu ignorieren. Warum wird<br />

dieser Satz trotzdem von so vielen älteren Menschen<br />

immer wieder ausgesprochen? Haben sie das<br />

Gefühl, sich für ihr Alter rechtfertigen zu müssen?<br />

Und wenn ja, warum?<br />

Uta Buttkewitz und Bastian Schwennigcke<br />

Unser Bild vom Alter basiert auf<br />

tief in der Gesellschaft verankerten<br />

Stereotypen des Älterwerdens.<br />

Diese Klischees werden in<br />

der täglichen Kommunikation ständig<br />

aktualisiert und neu aufgeladen. Ausgehend<br />

von dieser Einsicht gehen wir<br />

der Frage nach, wie das Thema Alter in<br />

mündlichen Gesprächen innerhalb einer<br />

Generation und zwischen verschiedenen<br />

Generationen sichtbar wird.<br />

In der aktuellen linguistischen Altersforschung<br />

werden vier alltagsweltliche<br />

Konzepte des Alters unterschieden (Fiehler<br />

2003): Das Alter als zeitlich-numerische<br />

Größe meint die zeitlich-lineare Vorstellung<br />

vom Alter, die in der Kategorie<br />

des Lebensalters ausgedrückt wird. Die<br />

Anwendung dieser Größe bezieht sich<br />

nicht ausschließlich auf ein hohes Alter,<br />

sondern wird lediglich mit der Anzahl<br />

der Lebensjahre assoziiert. Das Alter als<br />

biologisches Phänomen kann in Kontrast<br />

zum zeitlich-numerischen Alter stehen,<br />

etwa wenn jem<strong>and</strong>em für sein schon<br />

recht fortgeschrittenes Alter ein gutes<br />

Aussehen bescheinigt wird. Das dritte<br />

Konzept bezieht sich auf das Alter als<br />

soziales Phänomen, das sich an vorh<strong>and</strong>enen<br />

Werten und Vorstellungen ausrichtet,<br />

die mit dem Alter verknüpft sind. Das<br />

heißt, die Einordnung in entsprechende<br />

Alterskategorien orientiert sich an den<br />

herrschenden Altersstereotypen. Die<br />

jüngste Forschungsperspektive schließlich<br />

verweist auf das Alter als interaktivkommunikatives<br />

Phänomen. Vor dem<br />

Hintergrund einer interaktionistisch-konstruktivistischen<br />

Theorie lässt sich das<br />

Alter nicht als objektive Größe, sondern<br />

als soziales Konstrukt begreifen, das erst<br />

während der Interaktion hervorgebracht<br />

und ständig neu ausgeh<strong>and</strong>elt wird. Das<br />

linguistische Analyseinteresse beschäftigt<br />

sich mit der Frage, mit welchen Verfahren<br />

und sprachlichen Mitteln die Kategorie<br />

Alter im Gespräch erzeugt wird.<br />

Die sprachlichen H<strong>and</strong>lungen werden<br />

dabei durch spezifische Kontexte, die in<br />

gesellschaftliche Altersbilder münden,<br />

gesteuert.<br />

Mike Hepworth unterscheidet drei<br />

Schlüsselbilder des Alters, die gegenwärtig<br />

den kulturellen Kontext prägen:<br />

den geriatrischen Körper, den physiognomischen<br />

Körper sowie die Maske<br />

des Alters. Während es sich beim geriatrischen<br />

und physiognomischen Körper<br />

um gesellschaftliche Zuschreibungen<br />

h<strong>and</strong>elt, die durch den Blick der<br />

ANDEREN erzeugt werden, kann die<br />

Maske des Alters als eine Rolle beschrieben<br />

werden, die das Subjekt einnimmt<br />

und abhängig von Kontext und kommunikativer<br />

Situation ausgestaltet. Das<br />

Ergebnis ist das dualistische Konzept<br />

der Maskierung – hervorgerufen durch<br />

das subjektive Gefühl einer Distanz zwischen<br />

innerem Selbst und dem äußeren<br />

beobachtbaren Selbst, das durch den<br />

geriatrischen und physiognomischen<br />

Körper gekennzeichnet ist. Die Floskel<br />

„Ich bin so alt, wie ich mich fühle“<br />

protestiert gegen den Mythos, dass<br />

sich Alter fast immer durch die äußere<br />

Erscheinung definiert (Nussbaum/<br />

Coupl<strong>and</strong> 1995).<br />

Die Maskierung impliziert die mögliche<br />

Manipulation der Spannung zwischen<br />

geriatrischem Körper und äußerer<br />

Erscheinung. Der Literat Gustav Aschenbach,<br />

die zentrale Figur in Thomas<br />

Manns Novelle „Der Tod in Venedig“,<br />

reist nach Venedig und verliebt sich dort<br />

16 Traditio et Innovatio | 01–08

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