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Aging Sciences and Humanities - Interdisziplinäre Fakultät ...

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THEOLOGIE<br />

Alter als<br />

soziales Konstrukt<br />

Die Grauen in der Werbung<br />

In zunehmendem Maße werden wir kaum mehr älter.<br />

Die uns umgebende und von uns bestimmte Kultur weigert<br />

sich zusehends, die wachsende Zeitspanne seit der Geburt<br />

mit der Vokabel „alt“ zu belegen. Und so nehmen wir zu<br />

an Jahren, begehen Geburtstage und Jubiläen und<br />

all dies, ohne älter zu werden.<br />

Thomas Klie<br />

Glaubt man den von den Medien<br />

gezeichneten Bildern, dann ist<br />

der Alterungsprozess keineswegs<br />

ein kontinuierliches Sterben, sondern<br />

eher eine Art plötzliches Umkippen.<br />

Irgendwann einmal wird man als agiler<br />

Mittachtziger in der Eigentumswohnung<br />

auf Mallorca einfach umkippen und<br />

dann umst<strong>and</strong>slos zu einem Fall für<br />

die Stufe III-Pflege. Auf den aufrechten<br />

Gang, das Zeichen für Autonomie und<br />

Freiheit, folgt unmittelbar die Horizontale,<br />

die Bettlägrigkeit. Die sicheren Zeichen<br />

des Alters und Alterns dagegen –<br />

der gekrümmte Gang, der kleine Radius,<br />

die Langsamkeit, die Krankheiten nicht<br />

zum Tode, das allmähliche Herausschleichen<br />

–, all das ist medial unsichtbar<br />

geworden. Im öffentlich kommunizierten<br />

Bewusstsein ist man also Kind,<br />

Jugendlicher, Erwachsener, junger Alter<br />

und Pflegefall. Je stärker die Lebenserwartung<br />

steigt, desto geringer ausgeprägt<br />

ist die Neigung, alt werden zu wollen.<br />

Die Wellness-Ikonen der Werbung<br />

zeigen exemplarisch, dass der gesellschaftliche<br />

Strukturw<strong>and</strong>el zu einem<br />

radikal gew<strong>and</strong>elten Verhältnis zwischen<br />

Alter und Kultur geführt hat.<br />

Alter wird zunehmend sozial unbestimmt.<br />

Die empirische Gestalt des<br />

Alterns hat sich derart ausdifferenziert,<br />

dass die Suche nach neuen Konstruktionen<br />

des Alters nicht nur unablässig postuliert<br />

wird, sondern sich in den Medien<br />

längst performiert. Alter existiert nicht<br />

mehr als ein von vornherein gegebenes<br />

Strukturprinzip.<br />

Die Rente ist schon lange keine statussichernde<br />

Lohnersatzleistung mehr,<br />

sondern sie eröffnet den jungen Alten<br />

nun endlich all das zu leben, was ihnen<br />

die lästige Erwerbstätigkeit vorenthielt.<br />

Kollektive Lebenszeitregimes transformieren<br />

sich in individuell disponible<br />

Zeitläufe. Für sein Alters-Outfit ist nun<br />

jeder selbst verantwortlich.<br />

■<br />

Der Autor<br />

Prof. Dr. Thomas Klie<br />

geboren 1956 in Northeim / Niedersachsen;<br />

Studium in Münster u. Göttingen<br />

(Ev. Theologie/Russisch); Vikariat; Berufsschul-Pfarrer;<br />

Dozent am Religionspädagogischen<br />

Institut (RPI) in Loccum; 1999<br />

Promotion in Göttingen; 2002 Habilitation<br />

in Bonn; seit 2004 Professor für<br />

Praktische Theologie an der THF Rostock;<br />

Universitätsprediger<br />

Universität Rostock<br />

Theologische <strong>Fakultät</strong><br />

18051 Rostock<br />

Tel.: 0381/498-8400; 0381/498-8410<br />

E-Mail: thomas.klie@uni-rostock.de<br />

14 Traditio et Innovatio | 01–08

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