Aging Sciences and Humanities - Interdisziplinäre Fakultät ...
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THEOLOGIE<br />
Das Alter<br />
muss sich nicht<br />
rechtfertigen<br />
Altern hat viele Facetten, und es nimmt<br />
kaum Wunder, mit wie vielen unterschiedlichen<br />
Gesichtern uns das Alter in den<br />
symbolischen Kommunikationen unserer<br />
Gegenwart begegnet. Haben Sie Angst vor<br />
dem Alter? Freuen Sie sich drauf?<br />
Können Sie es gar nicht<br />
erwarten? Oder lieber<br />
doch etwas später?<br />
Eckart Reinmuth<br />
Trunkene alte Frau mit<br />
großem, reliefverziertem<br />
lagynos (hellenistischer<br />
Weinkrug). Marmor, Kopie<br />
nach einem Werk des<br />
2. Jahrhunderts v. Chr.<br />
(200-180). Die berühmte<br />
„Trunkene Alte“ ist nach<br />
römischer Überlieferung<br />
von einem Künstler<br />
namens Myron<br />
geschaffen.<br />
Quelle: http://commons.<br />
wikimedia.org/wiki/<br />
Image:Old_drunkard_<br />
Musei_Capitolini_<br />
MC299.jpg,<br />
Foto: Matthias<br />
Kabel (2005)<br />
Unsere Plakatwände haben alles<br />
anzubieten, die Fernsehkanäle<br />
und übrigen Medien ebenso:<br />
Das Alter(n) wird sehr widersprüchlich<br />
kommuniziert; aber genau das markiert<br />
offensichtlich ein gesellschaftliches Problem.<br />
Das ‚Alter(n)’ wird stets in kulturell<br />
konstruierten Bildern vom Alter(n)<br />
kommuniziert. Sie schließen sich gewachsenen<br />
Traditionen und Mustern an,<br />
die oft genug für die Integration neuer<br />
Erkenntnisse bestimmend werden. Es ist<br />
deshalb hilfreich, diese überlieferten Prägungen<br />
kulturgeschichtlich aufzuhellen.<br />
Bislang als selbstverständlich hingenommene<br />
Voraussetzungen gegenwärtiger<br />
Altersdiskurse können auf diese Weise<br />
kritisch reflektiert werden.<br />
Mit der Wahrnehmung kulturell konstruierter<br />
Ambivalenzen des Alters steht<br />
die Frage der gesellschafts-politischen<br />
Agenda auf dem Plan, wie ‚man’ sich<br />
zum Alter verhalten soll. Das Altern<br />
kann als chronisch prekäre Lebensbedingung<br />
vertuscht, überblättert und<br />
kaschiert werden, es kann quasi als<br />
feindliche Bedrohung von Lebensfreude<br />
und -genuss denunziert werden. Es<br />
kann ebenso gut positiv überzeichnet<br />
werden, indem es mit übersteigerter<br />
Virilität gezeichnet oder von der Realität<br />
des Lebensendes abgekoppelt wird.<br />
Beides kann zu subtiler oder offenkundiger<br />
Altersfeindschaft führen, wie<br />
neueste Forschungen zeigen. Auch die<br />
öffentlichen Resonanzen demografischer<br />
Prognostik sind keineswegs angstfrei.<br />
Vielmehr werden Befürchtungen<br />
gebildet, die in Folge bestimmter Werbekampagnen<br />
nicht selten mit einer angeblich<br />
unersättlichen Konsumfähigkeit<br />
verbunden werden.<br />
Wie dem Alter begegnen? Die<br />
öffentlichen Diskurse zeigen ein<br />
kaum entwirrtes Inein<strong>and</strong>er von Rationalisierungs-<br />
und Unbedingtheitsstrategien.<br />
Letztere fragen nicht, warum<br />
das Alter geachtet, geehrt und gehegt<br />
werden muss, warum eine Gesellschaft<br />
gehalten ist, alles für ein<br />
selbst bestimmtes und menschenwürdiges<br />
Altern zu<br />
tun. Ihre Artikulation lässt<br />
es kaum zu, mit einem<br />
‚Warum’ hinterfragt zu<br />
werden. Rationalisierungen<br />
der Forderung, das<br />
Alter uneingeschränkt zu<br />
respektieren, begründen<br />
dies hingegen auf vielerlei<br />
Weise. Sie halten die<br />
Frage nach dem ‚Warum’<br />
12 Traditio et Innovatio | 01–08