29.01.2014 Aufrufe

Aging Sciences and Humanities - Interdisziplinäre Fakultät ...

Aging Sciences and Humanities - Interdisziplinäre Fakultät ...

Aging Sciences and Humanities - Interdisziplinäre Fakultät ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ALTERTUM<br />

Portraitstatue des stoischen Philosophen<br />

Chrysipp, 2. Jahrhundert v. Chr. (Abb. 2)<br />

gestellt werden. Es ist bezeichnend, um<br />

welchen Personenkreis es sich bei den<br />

Dargestellten h<strong>and</strong>elte: Es waren vor<br />

allem Bildnisstatuen von Philosophen,<br />

die als Leiter oder Begründer philosophischer<br />

Schulen in Athen bedeutende<br />

geistige Autorität besaßen. Diese Statuen<br />

wurden nicht zu Lebzeiten errichtet,<br />

sondern in der Regel erst nach dem Tod<br />

als Erinnerungsbilder angefertigt und<br />

aufgestellt. Hieraus folgt aber nicht<br />

zwangsläufig, dass man zu diesem<br />

Zweck Altersbildnisse entwarf. Gerade<br />

postume Ehrungen boten durchaus die<br />

Möglichkeit einer freien Wahl des dargestellten<br />

Lebensalters.<br />

Unter diesem Gesichtspunkt ist die<br />

Portraitstatue des stoischen Philosophen<br />

Chrysipp besonders aufschlussreich,<br />

die um 200 v. Chr. in Athen aufgestellt<br />

wurde (Abb. 2 und 3). Hier stehen<br />

Gespanntheit und Dynamik des mimischen<br />

Ausdrucks einer schwächlich<br />

gebeugten Haltung des greisen Körpers<br />

in spannungsvollem Kontrast gegenüber.<br />

Das Gesicht ist von einem äußerst<br />

bewegten Mienenspiel bestimmt, und<br />

die von Falten durchzogene Stirn sowie<br />

das asymmetrische Heben der Augenbrauen<br />

unterstreichen das Momentane<br />

des konzentrierten Ausdrucks. Dieser<br />

Kontrast gewinnt mit Blick auf den Körper<br />

an Schärfe, dessen gebückt kauernde<br />

Haltung mit erschlaffter Brustpartie<br />

und nach vorn fallenden Schultern die<br />

Kraftlosigkeit demonstrativ zur Schau<br />

stellt.<br />

Der Verlust körperlicher Stärke ist<br />

unaufhaltsam, dies ist offensichtlich;<br />

aber es bedeutet nicht zwangsläufig den<br />

Verlust geistiger Kräfte. Mit dem Gegensatz<br />

zwischen denkerischem Gestus<br />

und dem Fehlen körperlicher Kraft wird<br />

eine Aktivität des Geistes unterstrichen,<br />

für die es in den vorhergehenden Jahrhunderten<br />

keine Formensprache gegeben<br />

hatte. Erst die hellenistische Kunst<br />

machte seit dem 3. Jahrhundert v. Chr.<br />

eine geradezu rhetorische Zuspitzung<br />

derartiger Gegensätze möglich.<br />

Alter wird hier allerdings nicht als<br />

Wert verst<strong>and</strong>en, auf den sich zwangsläufig<br />

Autorität gründen könnte. In<br />

dem Bildnis manifestiert sich vielmehr<br />

die Vorstellung, dass es den Denker in<br />

besonderer Weise auszeichnet, wenn er<br />

den Geist über den Körper erhebt – und<br />

gerade dafür war der Stoiker Chrysipp<br />

bekannt gewesen. Und wem es gelingt,<br />

die Kraft des Denkens bis ins hohe<br />

Alter zu vervollkommnen, der vermag<br />

in Dimensionen des Wissens vorzudringen,<br />

die Jüngeren verschlossen sind.<br />

Dieser Gedanke des Aristoteles konnte<br />

angesichts des Portraits unmittelbar<br />

assoziiert werden.<br />

Hiermit gewann ein ganz neuer Entwurf<br />

vorbildhafter Lebensführung Gestalt.<br />

Neben das fortbestehende Idealbild<br />

athletischer Leistungsfähigkeit, das<br />

vor allem Herrscherbildnisse weiterhin<br />

prägte (Abb. 4), wurde der greise Geistesheros<br />

gesetzt.<br />

■<br />

Portrait des stoischen Philosophen<br />

Chrysipp, 2. Jahrhundert v. Chr. (Abb. 3)<br />

Portraitstatue eines hellenistischen<br />

Herrschers, 2. Jahrhundert v. Chr. (Abb. 4)<br />

Der Autor<br />

Prof. Dr. phil. habil. Detlev Wannagat<br />

Studium der Klassischen Archäologie,<br />

Alten Geschichte und Kunstgeschichte in<br />

Bochum und Heidelberg; von 1987 bis<br />

1989 Forschungsaufenthalt in Rom am<br />

Deutschen Archäologischen Institut; Promotion<br />

an der Ruhr-Universität Bochum<br />

1990; Habilitation an der Albert-Ludwigs-Universität<br />

Freiburg 2001; nach<br />

Tätigkeiten in Istanbul, Darmstadt und<br />

Freiburg seit 2006 Inhaber des Lehrstuhls<br />

für Klassische Archäologie an der<br />

Universität Rostock<br />

Universität Rostock<br />

Heinrich-Schliemann-Institut<br />

für Altertumswissenschaften<br />

Klassische Archäologie<br />

Schwaansche Str. 3, 18055 Rostock<br />

Tel.: 0381/498-2783<br />

E-Mail: detlev.wannagat@uni-rostock.de<br />

Universität Rostock<br />

11

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!