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Aging Sciences and Humanities - Interdisziplinäre Fakultät ...

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ALTERTUM<br />

Greises Denken<br />

Bilder und Vorstellungen<br />

vom Alter im<br />

antiken Griechenl<strong>and</strong><br />

Bildliche Darstellungen gehören zu den zentralen<br />

Kräften bei der Kommunikation und Festschreibung<br />

von Werten und Rollenbildern. Dies trifft in besonderem<br />

Maße für die antike Kultur Griechenl<strong>and</strong>s zu, die als<br />

ausgeprägte Bildkultur bekannt ist.<br />

Detlev Wannagat<br />

Idealstatue des<br />

5. Jahrhunderts v. Chr.:<br />

Doryphoros des<br />

Polyklet (Abb. 1)<br />

Um zu verstehen, welche Rolle<br />

Altersdarstellungen im antiken<br />

Griechenl<strong>and</strong> spielten, müssen<br />

zwei Bedingungen berücksichtigt werden:<br />

Zum einen sind die Darstellungsmöglichkeiten<br />

und der Darstellungswille<br />

einer jeweiligen Epoche in den<br />

Blick zu nehmen, zum <strong>and</strong>eren sind<br />

die Gesetzmäßigkeiten der Kunstgattungen<br />

und Medien zu berücksichtigen,<br />

in denen Alter thematisiert wurde. So<br />

galten für die Idealplastik klassischer<br />

Zeit <strong>and</strong>ere formale Richtlinien als für<br />

Skulpturen des Hellenismus. Grab- oder<br />

Weihreliefs mit Familienbildern hatten<br />

<strong>and</strong>ere Funktionen zu erfüllen als Terrakottastatuetten<br />

aus dem Umfeld des<br />

antiken Theaters, um nur einige Beispiele<br />

zu nennen.<br />

Vor allem in der archaischen und<br />

klassischen Epoche des 6. bis 5. Jahrhunderts<br />

v. Chr. war die bildende Kunst<br />

von stark idealisierenden Tendenzen<br />

mit prägnanter Jugendlichkeit bzw.<br />

demonstrativer Alterslosigkeit geprägt.<br />

Dabei fielen ästhetische und ethische<br />

Kategorien in dem Begriff der kalokagathia<br />

zusammen: Das Schöne (kalon)<br />

wird zugleich als das Gute (agathon)<br />

begriffen (Abb. 1).<br />

Kennzeichen eines fortgeschrittenen<br />

Alters konnten unter diesen Bedingungen<br />

vor allem als Verfallserscheinungen<br />

verst<strong>and</strong>en und als Teil des<br />

Hässlichen angesehen werden. Das für<br />

diese Zeit charakteristische Denken in<br />

binären Oppositionen verstärkte derart<br />

krasse Gegenüberstellungen. Unter<br />

diesen Voraussetzungen blieben signifikante<br />

Darstellungen alter Menschen<br />

überwiegend auf das Genre der Parodie<br />

bzw. der Karikatur beschränkt oder<br />

waren an die Darstellung sozial niedriger<br />

Personengruppen (z. B. Ammen)<br />

gebunden. Diese Bindung markanter<br />

Alterszüge an gesellschaftlich inferiore<br />

Schichten oder an das Genre des<br />

Komischen war über mehrere Jahrhunderte<br />

kennzeichnend. Und neben der<br />

Idealplastik blieb auch die Gattung der<br />

Portraits bis ins 4. Jahrhundert v. Chr.<br />

weitestgehend frei von schärferen<br />

Alterszügen, die eine Schwächung des<br />

Körpers betonten.<br />

Aus dieser Perspektive war es eine<br />

umwälzende Veränderung, als Statuen<br />

im öffentlichen Raum erschienen, die<br />

das Alter mit den Folgen körperlicher<br />

Schwäche zur Schau stellten, dabei aber<br />

zugleich als Ehrenstatuen konzipiert<br />

waren. Diese epochale Neuerung soll<br />

hier an einem Beispiel exemplarisch dar-<br />

10<br />

Traditio et Innovatio | 01–08

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