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Nachruf auf Gottfried Landwehr - Fakultät für Physik und Astronomie

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<strong>Nachruf</strong> <strong>auf</strong> <strong>Gottfried</strong> <strong>Landwehr</strong><br />

Die <strong>Physik</strong> verliert einen Wegbereiter der modernen Festkörperforschung in Deutschland<br />

Am 24. Januar 2013 verstarb Prof. Dr. Dr. h.c. mult. <strong>Gottfried</strong><br />

<strong>Landwehr</strong>, Professor Emeritus der <strong>Fakultät</strong> <strong>für</strong> <strong>Physik</strong> <strong>und</strong> <strong>Astronomie</strong><br />

der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Er war Mitglied der<br />

Russischen <strong>und</strong> der Bayerischen Akademie der Wissenschaften,<br />

Ehrenmitglied des A.F. Ioffe Instituts der Russischen Akademie der<br />

Wissenschaften in St. Petersburg sowie des Kuratoriums der<br />

<strong>Physik</strong>alisch-Technischen B<strong>und</strong>esanstalt.<br />

Mit <strong>Gottfried</strong> <strong>Landwehr</strong> ging einer der Großen der <strong>Physik</strong> der<br />

Nachkriegszeit in Deutschland. Wer ihn kannte, wird seine geradlinige<br />

Art, seinen brillianten Forschergeist, seine intellektuelle Aufrichtigkeit<br />

<strong>und</strong> seine begeisternde Ausstrahlung schmerzlich vermissen. Als<br />

großartigem Kommunikator gelang es ihm stets, die Belange der<br />

<strong>Physik</strong> auch außerhalb der Wissenschaft wirkungsvoll zu vertreten.<br />

<strong>Gottfried</strong> <strong>Landwehr</strong> wurde 1929 in Osnabrück geboren <strong>und</strong> studierte bis 1953 <strong>Physik</strong> in Karlsruhe.<br />

Anschließend wechselte er an die <strong>Physik</strong>alisch-Technische B<strong>und</strong>esanstalt (PTB) in Braunschweig<br />

<strong>und</strong> promovierte an der dortigen Technischen Universität 1956. Die Jagd nach hohen Drücken, tiefen<br />

Temperaturen <strong>und</strong> neuartigen Halbleitern führte ihn in die USA zu einem Forschungs<strong>auf</strong>enthalt in der<br />

Gruppe von John Bardeen an der University of Illinois in Urbana-Champaign. Dort arbeitete er zwei<br />

Jahre als Fellow der International Cooperation Administration <strong>und</strong> ein halbes Jahr als Assistent<br />

Professor. Nach seiner Habilitation 1964 an der TU Braunschweig leitete er vier Jahre lang das<br />

Laboratorium des Präsidenten der PTB <strong>und</strong> beschäftigte sich dort speziell mit<br />

Transportuntersuchungen an unterschiedlichen Halbleitermaterialien in gepulsten Magnetfeldern bis<br />

20 Tesla. Die Arbeiten zeigten bald die Bedeutung von Quantenphänomenen in diesen Materialien<br />

<strong>und</strong> begründeten damit eine neue Forschungsrichtung. 1968 wurde Prof. <strong>Landwehr</strong> dann <strong>auf</strong> den<br />

Lehrstuhl <strong>für</strong> Experimentelle <strong>Physik</strong> III der Universität Würzburg berufen. Zuvor hatte er 1966<br />

gemeinsam mit den Kollegen Hans-Joachim Queisser <strong>und</strong> Dietrich Geist mit einer Denkschrift zum<br />

Rückstand der Halbleiterphysik in der B<strong>und</strong>esrepublik die Basis zur Errichtung entsprechender<br />

Forschungseinrichtungen geschaffen, was zur Gründung des Instituts <strong>für</strong> Festkörperforschung der<br />

Kernforschungsanlage Jülich <strong>und</strong> des Max Planck-Instituts <strong>für</strong> Festkörperforschung in Stuttgart mit<br />

dem Hochfeld-Magnetlabor in Grenoble als Zweigstelle führte. <strong>Gottfried</strong> <strong>Landwehr</strong> wurde von 1978<br />

bis 1983 in Würzburg beurlaubt, um dieses Hochfeld-Magnetlabor in Grenoble zu leiten.<br />

Das neu get<strong>auf</strong>te „<strong>Gottfried</strong>-<strong>Landwehr</strong> Labor“ der <strong>Fakultät</strong> <strong>für</strong> <strong>Physik</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Astronomie</strong> <strong>auf</strong> dem Campus Hubland in Würzburg dient der Erforschung<br />

nanostrukturierter Halbleiter.<br />

<strong>Gottfried</strong> <strong>Landwehr</strong> gilt als der „Vater“ der so<br />

genannten „Würzburgkonferenzen“. Dies<br />

sind Konferenzen, die Parallel-sitzungen<br />

vermeiden <strong>und</strong> den Teil-nehmern<br />

ausreichend Zeit geben, über die<br />

wissenschaftlichen Ergebnisse mit den<br />

Kollegen zu diskutieren. 1972 organisierte er<br />

die erste Konferenz zur Anwendung hoher<br />

Magnetfeldstärken in Festkörpern „High<br />

Magnetic Fields in Semiconductors (HMF)“ in<br />

Würzburg. Daraus wurde eine Serie von<br />

internationalen Konferenzen, die zweijährig<br />

als Satellitenkonferenzen zur ICPS<br />

(International Conference on the Physics of<br />

Semiconductors) stattfinden. Die letzte HMF-


20 fand 2012 in Chamonix statt <strong>und</strong> wurde wie bisher im <strong>Landwehr</strong>stil abgehalten mit einem Fokus<br />

<strong>auf</strong> Forschungsarbeiten an niedrigdimensionalen Elektronensystemen, einem Thema, welches<br />

<strong>Gottfried</strong> <strong>Landwehr</strong> in fruchtbarer Kooperationen mit Gerhard Dorda <strong>und</strong> Ignaz Eisele von den<br />

Siemens Forschungslaboratorien seit 1973 in Würzburg besonders pflegte. Sein hohes<br />

internationales Ansehen wurde gekrönt durch die Wahl zum Chairman der wichtigsten internationalen<br />

Halbleiterkonferenz ICPS in Berlin (1996).<br />

In der Würzburger Zeit gewannen ab 1985 die II/VI Halbleiter <strong>und</strong> der Aufbau der Nanotechnologie<br />

rasch an Bedeutung, insbesondere in ihren Anwendungen bei blauen Halbleiterlasern <strong>und</strong> in der<br />

Spintronik. Hier erfolgte <strong>auf</strong> Initiative von <strong>Gottfried</strong> <strong>Landwehr</strong> der Bau eines beispielhaften<br />

Reinraumlabors <strong>für</strong> die Halbleiternanostrukturierung, das jetzt seinen Namen trägt. Als<br />

Hochschullehrer hat <strong>Gottfried</strong> <strong>Landwehr</strong> eine Vielzahl von Studenten hervorgebracht, von denen nicht<br />

wenige <strong>auf</strong> Lehrstühle berufen wurden wie beispielsweise Klaus von Klitzing, Michael von Ortenberg<br />

oder Andreas Waag.<br />

Im Senatsausschuss <strong>für</strong> Sonderforschungsbereiche der Deutschen Forschungsgemeinschaft, im<br />

Kuratorium der Volkswagenstiftung <strong>und</strong> als Gutachter in vielen BMBF/BMFT-Projekten engagierte<br />

sich <strong>Gottfried</strong> <strong>Landwehr</strong> viele Jahre lang. Zu Zeiten der Perestroika kümmerte er sich dabei intensiv<br />

um das „Weiterleben“ der <strong>Physik</strong> in Osteuropa. Auf seine Initiative hin wurden in der<br />

VolkswagenStiftung <strong>und</strong> in der DFG Programme zur Förderung von Forschungskooperationen mit<br />

den Ländern Mittel- <strong>und</strong> Osteuropas <strong>auf</strong>gelegt. Hieraus entwickelten sich zahlreiche Kooperationen,<br />

beispielsweise zwischen dem Ioffe-Institut in St. Petersburg <strong>und</strong> der Universität Würzburg, die heute<br />

noch mit einem regen Wissenschaftleraustausch verb<strong>und</strong>en sind. Persönlich engagierte er sich über<br />

viele Jahre auch <strong>für</strong> das Stipendienprogramm der VolkswagenStiftung zur Förderung von<br />

Doktoranden der <strong>Physik</strong> aus der Volksrepublik China.<br />

<strong>Gottfried</strong> <strong>Landwehr</strong> erhielt zahlreiche Auszeichnungen: neben dem B<strong>und</strong>esverdienstkreuz am Bande<br />

die Ehrendoktorwürde der Universität Gießen (1998), den Bayerischen Verdienstorden (1998), die<br />

Ehrendoktorwürde der Université Joseph Fourier, Grenoble (1999) sowie die Medaille Bene Merenti<br />

in Gold der Universität Würzburg (2003). Ungeachtet seines hohen Alters nahm <strong>Gottfried</strong> <strong>Landwehr</strong><br />

bis zuletzt aktiv am geistigen Leben seiner Universität teil <strong>und</strong> setzte sich unermüdlich im Rahmen<br />

eines vielbeachteten regelmäßig stattfindenden Symposiums der Würzburger Wissenschaftlichen<br />

Gesellschaft mit aktuellen gesellschaftsrelevanten Fragen auseinander.<br />

<strong>Gottfried</strong> <strong>Landwehr</strong> war ein Wegbereiter der modernen Festkörperphysik <strong>und</strong> wirkte beim Aufbau<br />

unserer Forschungslandschaft in Deutschland entscheidend mit. Seine Untersuchungen der<br />

Eigenschaften von Halbleitern in starken Magnetfeldern bereiteten die Gr<strong>und</strong>lagen <strong>für</strong> das<br />

Verständnis von Quantenphänomenen in Festkörpern. In Würzburg <strong>und</strong> Grenoble schuf er ein<br />

einzigartiges Umfeld <strong>für</strong> die physikalische Gr<strong>und</strong>lagenforschung, das internationale Bedeutung<br />

gewann. Klaus von Klitzing führte dort seine Arbeiten zum Quanten-Hall-Effekt durch, die mit dem<br />

Nobelpreis ausgezeichnet wurden. <strong>Gottfried</strong> <strong>Landwehr</strong>s stets offenes <strong>und</strong> interessiertes Auftreten<br />

wurde auch außerhalb der <strong>Physik</strong> sehr geschätzt. Als überragender Forscher <strong>und</strong> vorbildlicher<br />

Universitätsprofessor wird er künftigen Generationen immer gegenwärtig bleiben. Zu seinen Ehren<br />

veranstalten die <strong>Fakultät</strong> <strong>für</strong> <strong>Physik</strong> <strong>und</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> die Universität Würzburg am Samstag, den<br />

25. Mai 2013 um 11 Uhr in der Festaula der Universität (Neubaukirche) eine Gedenkfeier <strong>für</strong> alle<br />

Fre<strong>und</strong>e, Bekannte <strong>und</strong> Wegbegleiter <strong>Gottfried</strong> <strong>Landwehr</strong>s.<br />

Prof. Dr. Karl Mannheim [Dekan], Prof. Dr. Laurens W. Molenkamp [Prodekan], Prof. Dr. Wolfgang<br />

Ossau <strong>und</strong> Dr. Karsten Schutte (<strong>Fakultät</strong> <strong>für</strong> <strong>Physik</strong> <strong>und</strong> <strong>Astronomie</strong> der Universität Würzburg)<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. Alfred Forchel (Präsident Universität Würzburg)<br />

Prof. Dr. Klaus von Klitzing (Max-Planck-Institut <strong>für</strong> Festkörperforschung Stuttgart)<br />

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