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arcHÄologie des wassers - Deutsches Archäologisches Institut

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Interview<br />

InterviEW mit Stephan Seidlmayer<br />

über archäologisches Arbeiten<br />

im heutigen Ägypten<br />

Als das Auswärtige Amt 2011 die Transformationspartnerschaft<br />

mit Ägyp ten<br />

ins Leben rief, war dies getragen von<br />

einer fast euphorischen Freude über<br />

die Entwicklungen in einigen Ländern<br />

Nordafrikas und <strong>des</strong> Nahen Ostens. Hat<br />

man sich zu früh gefreut?<br />

Stephan Seidlmayer: Es liegt in der Natur<br />

von Revolutionen, dass sie zu einem Teil<br />

auch von Illusionen getragen sind. Eine der<br />

Illusionen auf unserer Seite mag es gewesen<br />

sein zu glauben, dass alles viel schneller<br />

ginge. Aber Prozesse eines derart tiefgreifenden<br />

Wandels, wie er derzeit in Ägypten<br />

stattfindet, brauchen ihre Zeit. Das lehren<br />

die Mühseligkeiten ganz praktischer Politik,<br />

das lehrt aber auch die historische Erfahrung.<br />

Wir sollten auch nicht der Versuchung<br />

nachgeben, die Probleme, um die es hier<br />

geht, stets nur mit unseren eigenen Begriffen<br />

analysieren zu wollen.<br />

Aus unserer Sicht als <strong>Deutsches</strong> <strong>Archäologisches</strong><br />

<strong>Institut</strong> gibt es keine Alternative<br />

zur Fortführung aller Programmkomponenten<br />

der Transformationspartnerschaft<br />

mit Ägypten. Tatsächlich müssen wir uns<br />

gerade jetzt als verlässliche Partner erweisen.<br />

Entscheidend ist es, die Arbeit auf die<br />

Bedürfnisse <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> zuzuschneiden.<br />

Zum Beispiel?<br />

Pessimismus<br />

ist keine<br />

Option<br />

Stephan Seidlmayer<br />

Der Ägyptologe Prof. Dr. Stephan<br />

Seidlmayer ist seit 2009 Direktor<br />

der Abteilung Kairo <strong>des</strong> Deutschen<br />

Archäologischen Insti-<br />

Seidlmayer: Als Archäologen sind wir im<br />

Rahmen der Initiative Transformationspartnerschaft<br />

vor allem in Projekten engagiert,<br />

die der Erhaltung und Erschließung<br />

<strong>des</strong> kulturellen Erbes dienen, vom Site Management<br />

archäologischer Plätze bis hin<br />

zur Entwicklung touristischer Besuchskonzepte<br />

für einige der großen Denkmälerstätten.<br />

Sie wissen, dass der Tourismus<br />

normalerweise einer der stärksten Wirtschaftszweige<br />

<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> ist und nun völlig<br />

darniederliegt. Ein wichtiges Projekt ist<br />

auch die Renovierung und der Ausbau <strong>des</strong><br />

Museums auf der Nilinsel Elephantine in<br />

der Nähe von Assuan im Süden Ägyptens.<br />

Wie hat man sich denn die konkrete<br />

archäologische Arbeit im Moment vorzustellen?<br />

Seidlmayer: Archäologie ist immer eine<br />

zähe, langfristige, und schwierige Arbeit,<br />

bei der man auch einmal Rückschläge er-<br />

leben kann. Das ist aber vollkommen normal.<br />

Und wir wissen natürlich auch, dass<br />

die archäologische Arbeit und ihre Notwendigkeiten<br />

nicht die Nummer eins auf<br />

der Tagesordnung sind, wenn Fragen der<br />

Existenzsicherung Priorität haben. Die<br />

Probleme sind drängend, und Experten<br />

befürchten, dass die derzeitge ägyptische<br />

Wirtschaftspolitik <strong>des</strong>aströse Folgen haben<br />

kann. In schwierigen Zeiten braucht<br />

man einen langen Atem. Das ist Konsens<br />

bei allen, die hier arbeiten, sei es in der internationalen<br />

Archäologie, aber auch –<br />

was uns besonders freut – bei den Angehörigen<br />

der deutschen Botschaft in Kairo<br />

und den deutschen Partnereinrichtungen,<br />

mit denen wir eng zusammenarbeiten.<br />

Transformationspartnerschaft<br />

Manchmal ist die archäologische Arbeit anstrengend und langwierig.<br />

Material transport für das Museum auf der Nilinsel Elephantine. Die<br />

Restaurierung <strong>des</strong> Museum ist eines der Projekte, die im Rahmen der<br />

Transformationspartnerschaft zwischen Ägypten und Deutschland<br />

gefördert werden. 2012 und 2013 unterstützt das Auswärtige Amt Projekte<br />

deutscher und internationaler Nichtregierungsorganisationen mit einem<br />

Gesamtvolumen von je 30 Millionen Euro, darunter auch Vorhaben <strong>des</strong> dai<br />

in verschiedenen Ländern, mit denen Partnerschaften begründet<br />

wurden. Fotos: DAI Kairo<br />

Was hilft dabei, die anstrengenden<br />

Zeiten zu überstehen?<br />

Seidlmayer: Es gibt signifikante Schnittstellen<br />

zwischen Ägypten und Deutschland<br />

bzw. der westlichen Kultur insgesamt.<br />

Der „Westen“ hat viel empfangen<br />

von Ägypten und umgekehrt. Es gibt eine<br />

lange Traditon <strong>des</strong> gegenseitigen Gebens<br />

und Nehmens – länger und tiefer, als man<br />

denkt. Wir sollten nicht vergessen, dass<br />

wir zusammen auf relativ engem Raum leben<br />

und letztlich zum selben kulturellen<br />

System gehören. Kulturkampf-Ideologien<br />

und geschichtsvergessene Orthodoxien<br />

auf beiden Seiten sind nicht nur brandgefährlich,<br />

sie sind auch historisch falsch.<br />

Wie eng ist die Verbindung der Ägyp ter<br />

zu ihrer eigenen Geschichte?<br />

Seidlmayer: Das ist durchaus ein schwieriger<br />

Punkt. Eine besonders problematische<br />

Komponente dabei ist, dass die<br />

ägyptischen Eliten in ihrer Lebensperspektive<br />

stark aus dem Land heraus orientiert<br />

sind. Sie legen Wert auf eine westlich<br />

geprägte Ausbildung; manche Familien<br />

sprechen zuhause nur noch Englisch.<br />

Wir sind gerade dabei – ebenfalls im<br />

Rahmen der Transformationspartnerschaft<br />

– zusammen mit der Deutschen<br />

Schule in Kairo Unterrichtseinheiten zu<br />

entwickeln, in denen den Schülerinnen<br />

und Schülern ihre eigene Geschichte nahegebracht<br />

wird. Dies ist nur ein Beispiel<br />

für die Dinge, die wir im Rahmen unserer<br />

Möglichkeiten tun können. Dazu gehört<br />

es aber auch, unsere Bibliothek –<br />

immerhin die zweitgrößte archäologische<br />

Fachbibliothek Ägyptens – ägyptischen<br />

Forschern und Studierenden freizügig<br />

zu öffnen.<br />

Ägypten kann gar nicht auskommen ohne<br />

die Besinnung auf seine eigene Geschichte,<br />

und es ist nicht frei, sich von diesem<br />

Existenzgrund zu lösen. Die gemeinsame<br />

Arbeit an dieser Aufgabe ist <strong>des</strong>halb ein<br />

Schlüsselgebiet, in dem beide Nationen<br />

fruchtbar zusammenarbeiten. sw<br />

16 _ archäologie weltweit<br />

archäologie weltweit _ 17

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