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Landmedizin - Ärztekammer Niederösterreich

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landmedizin<br />

<strong>Landmedizin</strong><br />

52 Prozent der NÖ Landärzte spätestens in zehn Jahren in Pension<br />

NÖ <strong>Ärztekammer</strong>: Bund, Länder und Sozialversicherungen<br />

sollen ihren Auftrag ernst nehmen und für die Sicherung<br />

und den Ausbau der wohnortnahen medizinischen Versorgung<br />

sorgen<br />

„Ohne wirksame Gegenmaßnahmen wird es in <strong>Niederösterreich</strong><br />

schon bald zu ernsten Engpässen bei der medizinischen Versorgung<br />

auf dem Land kommen, weil der ärztliche Nachwuchs<br />

fehlt und leere Arztpraxen nicht nachbesetzt werden können“,<br />

so Dr. Christoph Reisner, Präsident der NÖ <strong>Ärztekammer</strong> im<br />

Rahmen eines Pressegesprächs zum Thema <strong>Landmedizin</strong> am<br />

heutigen Tag. Wenn nichts passiert, wird man aus seiner Sicht in<br />

<strong>Niederösterreich</strong> bereits in naher Zukunft massive Engpässe und<br />

Probleme bei der medizinischen Versorgung in den ländlichen<br />

Regionen haben. „Harte Zahlen belegen diesen dramatischen<br />

Befund: Heute gibt es in <strong>Niederösterreich</strong> 470 Landärztinnen<br />

und Landärzte. In den kommenden fünf Jahren werden etwa<br />

120 davon in Pension gehen, in den kommenden zehn Jahren<br />

bereits 240. Ob es möglich sein wird, diese Abgänge durch Nachbesetzungen<br />

auch wirklich zu ersetzen, ist allerdings mehr als<br />

fraglich.“<br />

Der Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte MR Dr. Dietmar<br />

Baumgartner erläutert: „Dabei bräuchte <strong>Niederösterreich</strong><br />

angesichts der Bevölkerungsentwicklung nicht weniger, sondern<br />

immer mehr Ärzte auf dem Land.“ Fortschritt in der modernen<br />

Medizin bedeutet mehr ärztliche Leistungen und einen Anstieg<br />

der Behandlungszahlen. Dem müssen natürlich auch höhere<br />

Ärzte-Zahlen gegenüberstehen. „Mehr Ärzte, nicht nur in ländlichen<br />

Regionen, ist eine Kernforderung der Österreichischen<br />

<strong>Ärztekammer</strong>: Überfällig ist österreichweit ein errechnetes Plus<br />

von 1.300 Kassenärztinnen und -ärzten, welches<br />

nötig ist, zukünftig die Versorgung optimal und<br />

wohnortnah zu sichern.“ Das umso mehr, als ein<br />

zentrales Element der aktuellen Gesundheitsreform<br />

eine Verlagerung von Gesundheitsleistungen vom<br />

Spital in den niedergelassenen Bereich sein soll.<br />

in ihren Ordinationen durchführen. Wenn der politische Wille<br />

und die notwendigen Rahmenbedingungen vorhanden wären.“<br />

Doch in Österreich wird die Zahl der Kassenärzte nicht etwa<br />

aufgestockt, sondern vielmehr zurückgefahren: Von etwa 8.500<br />

im Jahr 2000 auf 7.600 im Jahr 2010, und das bei einer konstant<br />

steigenden Bevölkerungszahl. „Gab es im Jahr 2000 pro 943<br />

Bewohner einen Arzt mit Kassenvertrag, sind es heute schon<br />

über 1.100. Solche Zahlen machen den Bedarf an mehr Ärzten<br />

mehr als deutlich“, so der <strong>Ärztekammer</strong>präsident.<br />

Gründe dafür, warum es oft schwierig ist, Nachfolger für in Pension<br />

gehende Landärzte zu finden, gibt es viele“, weiß Landarzt<br />

Dr. Gregor Lukas Skorjanz. „Der Beruf des Landarztes sei zwar<br />

befriedigend, aber oft sehr hart. Ein Landarzt hat durchschnittlich<br />

jedes zweite Wochenende und jede zweite Nacht Bereitschaftsdienst.“<br />

Dieser Dienst mündet in aller Regel direkt in die<br />

normale Ordinationszeit am nächsten Tag. „Wochenarbeitszeiten<br />

von 70 Stunden und mehr sind deshalb keine Seltenheit,<br />

das kann mit der Zeit an die Substanz gehen. Dazu kommen<br />

aufgrund der großen Einzugsgebiete die größeren Distanzen in<br />

ländlichen Regionen, oft müssen für Hausbesuche viele Kilometer<br />

zurückgelegt werden“, so die Erfahrung von Dr. Skorjanz.<br />

Ärztliche Kooperationsformen müssen schlank,<br />

unkompliziert und bedarfsorientiert sein<br />

Doch wie schafft man es, dass sich junge Ärztinnen und Ärzte<br />

wieder verstärkt für den landärztlichen Beruf interessieren?<br />

„Abhilfe schaffen können unter anderem eine bessere Finanzierung<br />

längerer Öffnungszeiten, die Beseitigung rechtlicher<br />

Wohnortnahe Versorgung wird seit Jahrzehnten<br />

konsequent zurückgefahren<br />

„Unzählige internationale Studien belegen, dass<br />

mit verbesserter wohnortnaher Versorgung durch<br />

niedergelassene Ärzte einerseits die medizinische<br />

Versorgung der Bevölkerung an Qualität gewinnt<br />

und andererseits die Kosten eingedämmt werden<br />

können“, so Präsident Dr. Reisner weiter. „Speziell<br />

Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner<br />

könnten über 90 Prozent der Behandlungen selbst<br />

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CONSILIUM 09/13


landmedizin<br />

Hürden für Hausapotheken und familienfreundliche Arbeitsbedingungen<br />

für Hausärztinnen und Hausärzte“, so Dr. Skorjanz<br />

weiter. „Doch dazu brauchen wir den politischen Willen und<br />

auch die starke Unterstützung durch die Politiker. Beispielsweise<br />

bei der Ermöglichung ärztlicher Kooperationsformen: Der<br />

Gesetzgeber hat zwar grundsätzlich Gruppenpraxen ermöglicht,<br />

diese sind aber in aller Regel gerade für landärztliche Ordinationen<br />

ungeeignet. Gebraucht werden schlanke, unkomplizierte<br />

und bedarfsorientierte Modelle des gemeinsamen Arbeitens<br />

mehrerer Ärzte, damit auch Stoßzeiten wie beispielsweise Grippewellen<br />

oder auch Visiten und Nachtdienste besser abgewickelt<br />

werden können.“<br />

„Wenn wir Landärztinnen und Landärzte wollen, dann müssen<br />

wir auch dafür sorgen, dass diese ihren Beruf ohne Einschränkungen<br />

ausüben können“, so Präsident Dr. Reisner weiter.<br />

„Dazu gehört auch, dass die rasche und unbürokratische<br />

Versorgung mit Medikamenten sichergestellt ist. Die ärztliche<br />

Hausapotheke ist ein wichtiger Beitrag zu einer wohnortnahen<br />

medizinischen und medikamentösen Betreuung. Landärzte<br />

sollen deshalb das uneingeschränkte und zeitlich unbegrenzte<br />

Recht auf das Führen einer Hausapotheke haben.“ Das Nachwuchsproblem<br />

in der <strong>Landmedizin</strong> muss jedenfalls unbedingt<br />

gelöst werden. Präsident Dr. Reisner: „Wenn hier nichts passiert,<br />

droht bereits in naher Zukunft eine massive medizinische Versorgungskrise<br />

in den ländlichen Regionen. Das wäre ein medizinisch,<br />

ethisch und gesundheitspolitisch unhaltbarer Zustand.<br />

Wir Ärztinnen und Ärzte können nur auf den sich abzeichnenden<br />

Versorgungsnotstand aufmerksam machen und vor den riskanten<br />

Folgen für die Gesundheit warnen. Gefordert ist hier die<br />

Gesundheitspolitik, die bei dieser negativen Entwicklung nicht<br />

tatenlos zusehen darf. Wir werden die Politik konsequent daran<br />

erinnern, dass sie sich zu einer Stärkung des niedergelassenen<br />

Bereiches verpflichtet hat, zu dem natürlich auch die medizinische<br />

Versorgung auf dem Land gehört.“<br />

Presseinformation vom 31. Juli 2013<br />

Foto: Tomaschoff/toonpool.com<br />

CONSILIUM 09/13<br />

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landmedizin<br />

Als Beitrag zur Initiative <strong>Landmedizin</strong> der ÖÄK wurde Anfang<br />

August nebenstehendes Schreiben an alle NÖ-Vertreter<br />

der für die Nationalratswahl wahlwerbenden Parteien verschickt.<br />

Folgende Parteien haben geantwortet:<br />

• Florian Birngruber, KPÖ-Bundesvorstand, Team Öffentlichkeitsarbeit<br />

• Dr. Gertrude Hamader, Abgesandte zum Länderrat (Oberösterreich),<br />

Themensprecherin Gesundheitspolitik der Piraten<br />

• Gabriele Heinisch-Hosek Bundesministerin für Frauen und<br />

öffentlichen Dienst, Bundesfrauenvorsitzende der SPÖ<br />

• LAbg. Dr. Helga Krismer-Huber, Gesundheitssprecherin des<br />

Grünen Landtagsklubs NÖ<br />

• Michael Schiebel, Politischer Direktor, NEOS<br />

<strong>Landmedizin</strong> als<br />

Wahlkampfthema?<br />

• LAbg. Dr. Gabriele von Gimborn und LAbg. Dr. Herbert<br />

Machacek, Team Stronach<br />

• Mag. Annegret Zwickl, Volkspartei <strong>Niederösterreich</strong>, Abteilung<br />

Politik<br />

BZÖ und FPÖ haben NICHT geantwortet.<br />

Die Antworten sind auf unserer Homepage<br />

unter www.arztnoe.at abrufbar. Machen Sie<br />

sich selbst ein Bild, wie wichtig den Parteien<br />

die Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung<br />

ist und welche Rezepte sie gegen das<br />

Hausärztesterben auf dem Land haben.<br />

JOBMESSE 2013<br />

Berufsperspektiven für junge Medizinerinnen<br />

und Mediziner iM in- und AuslAnd!<br />

• Krankenhäuser stellen sich vor<br />

(direkte Kontaktmöglichkeit)<br />

• interaktive Informationsvorträge<br />

• Migrationsberatung<br />

• Erfahrungsaustausch<br />

EINTRITT<br />

FREI!<br />

TERMINE 2013<br />

28. Oktober Congress Innsbruck<br />

29. Oktober Messe Graz<br />

30. Oktober Universität Wien<br />

Nähere Informationen und Anmeldung:<br />

Österreichische <strong>Ärztekammer</strong> | Bereich Internationales | Weihburggasse 10-12 | 1010 Wien | Tel: 01/514 06 DW 3931<br />

E-Mail: international@aerztekammer.at | www.arztjobs.at<br />

„Wir überschreiten Grenzen“<br />

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ÖÄK_Berufen2013_Anzeige_180x123_RZ.indd 1 03.06.13 08:52


landmedizin<br />

Sehr geehrte Damen und Herren!<br />

Ganz Österreich steuert auf einen „Ärztemangel“ zu. Konkret bedeutet das, dass trotz einer ausreichend vorhandenen Anzahl an<br />

Ärztinnen und Ärzten die Planstellen im öffentlichen Gesundheitssystem immer schwieriger zu besetzen sind.<br />

Ein Problemfeld ist die <strong>Landmedizin</strong>: Trotz unzähliger Lippenbekenntnisse aller Politiker die Primärversorgung stärken zu wollen, hat<br />

sich in den vergangenen Jahrzehnten genau das Gegenteil entwickelt: Die Primärversorgung wird immer mehr zurückgefahren, als<br />

Folge wachsen die Gesundheitskosten vor allem im kostenintensiven Ambulanzbereich immer mehr an. Und gerade die so wichtigen<br />

<strong>Landmedizin</strong>stellen sind immer schwieriger zu besetzen, offenbar ist dieser Beruf samt seinen Rahmenbedingungen mittlerweile zu<br />

unattraktiv geworden.<br />

Gefragt aus unserer Sicht wären nicht nur eine eindeutige Positionierung seitens der Politik, sondern auch konkrete Maßnahmen,<br />

um dieses Problemfeld so rasch wie möglich zu beheben. Wir bitten Sie daher um Auskunft, wie Sie dieses Problem als Politiker mit<br />

Verantwortung nach der Nationalratswahl angehen würden. Nachdem sich auch unsere Ärztinnen und Ärzte entsprechend ihrer<br />

Gesinnung als Demokraten zur Wahl begeben, werden wir Ihre Antwort als „Entscheidungsunterstützung“ im NÖ Consilium (Kammerzeitschrift<br />

für alle Mitglieder) veröffentlichen.<br />

Konkret bitten wir Sie um Beantwortung folgender Fragen:<br />

A Unterstützen Sie folgende drei Forderungen der Österreichischen <strong>Ärztekammer</strong> zur Sicherung der medizinischen Versorgung auf<br />

dem Land?<br />

1. Bessere Finanzierung längerer Öffnungszeiten<br />

Die meisten Landärzte arbeiten routinemäßig auch am Abend und an Wochenenden. Diese längere Arbeitszeit muss durch zusätzliche<br />

Kassen-Honorare abgegolten werden, was derzeit nicht der Fall ist. Von keiner anderen Berufsgruppe würde man ernsthaft<br />

unbezahlten Überstunden verlangen. Um die Tätigkeit als Landarzt attraktiv zu machen, bedarf es eines leistungsgerechten Honorarsystems,<br />

das der hohen Arbeitsbelastung gerecht wird. Die Honorierung muss so attraktiv sein, dass junge Ärzte in einer Landordination<br />

eine echte Alternative sehen.<br />

2. Beseitigung rechtlicher Hürden für Hausapotheken<br />

Landärzte sind oft der erste Ansprechpartner, wenn es um den raschen und unbürokratischen Zugang zu Medikamenten geht. Ihre<br />

Hausapotheke ist ein wichtiger Beitrag zu einer wohnortnahen medizinischen und medikamentösen Betreuung. Außerdem stellen<br />

Hausapotheken für viele Landärzte einen unverzichtbaren Einkommensbestandteil dar, ohne den ihre Praxis wirtschaftlich nicht existenzfähig<br />

wäre. Landärzte sollen deshalb das uneingeschränkte und zeitlich unbegrenzte Recht auf das Führen einer Hausapotheke<br />

haben.<br />

3. Familienfreundliche Arbeitsbedingungen für Hausärzte und Hausärztinnen<br />

Die Zukunft der <strong>Landmedizin</strong> wird angesichts des steigenden Frauenanteils in der Medizin wesentlich davon abhängen, ob es gelingen<br />

wird, mehr Frauen für diese Tätigkeit zu gewinnen. Wegen der besonders hohen Belastung von Landärzten ist der Spagat zwischen<br />

Beruf und Familie oft nicht zu bewältigen – auch nicht für Männer. Benötigt werden daher neue Bereitschaftsdienst-Modelle<br />

und flexible Formen der ärztlichen Zusammenarbeit, die geregeltere Arbeitszeiten und damit eine bessere Vereinbarkeit von Familie<br />

und Beruf erlauben.<br />

B Falls ja: Was werden Sie konkret unternehmen, damit diese Forderungen umgesetzt werden?<br />

B Falls nein: Welche anderen Schritte werden Sie setzen, um die medizinische Versorgung auf dem Land zu sichern?<br />

Ich darf Sie im Auftrag unseres geschäftsführenden Vizepräsidenten Dr. Gerrit Loibl bis zum 26. August um Ihre geschätzten Antworten<br />

bitten.<br />

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