Projekte zur Grundwassersubstitution - BWK Niedersachsen-Bremen
Projekte zur Grundwassersubstitution - BWK Niedersachsen-Bremen
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Ulrich Ostermann<br />
Alternative Wasserquellen für die Feldberegnung<br />
<strong>Projekte</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grundwassersubstitution</strong><br />
- Beregnung in Nordostniedersachen<br />
Wasser in ausreichender Menge für die Trinkwasserversorgung und die Nahrungsmittelproduktion<br />
ist der entscheidende Faktor für die Erdbevölkerung. Unter dem Titel „Time for Solutions“<br />
fand im März 2012 in Marseille das Weltwasserforum mit 20.000 Experten statt. Lösungen<br />
für die globalen Probleme des Klimawandels wurden diskutiert, das knappe Wasser<br />
muss besser verteilt werden, aber der Weg in die Praxis ist lang. Konkrete <strong>Projekte</strong> gibt es<br />
kaum. Deutschland, besonders <strong>Niedersachsen</strong>, ist reich an Grund- und Oberflächenwasser,<br />
dennoch gibt es in Nordostniedersachsen Grundwasserkörper deren Wasserhaushalt angespannt<br />
ist.<br />
1. Einleitung<br />
Im Nordosten von <strong>Niedersachsen</strong> (Landkreise Gifhorn, Lüchow-Dannenberg, Lüneburg, Uelzen)<br />
liegt das mit rd. 150.000 ha größte zusammenhängende Beregnungsgebiet Deutschlands<br />
(gesamt 500.000 ha). Für die Bestandsaufnahme <strong>zur</strong> EG-Wasserrahmenrichtlinie<br />
(WRRL) wurden die Grundwasserkörper Ilmenau links und rechts, Jeetzel links und Ise links<br />
und rechts hinsichtlich ihres mengenmäßigen Zustandes detailliert untersucht, weil mehr als<br />
10 % der Grundwasserneubildung entnommen werden. Davon entfallen auf den Landkreis<br />
Uelzen für die Landwirtschaft durchschnittlich 28 Mio. m³ Grundwasser pro Jahr (maximal 50<br />
Mio. m³/a, Trinkwasser: 7 Mio. m³/a).<br />
Alle Grundwasserkörper wurden in den guten Zustand eingestuft. Der Grundwasserkörper<br />
Ilmenau rechts (1441 km²) weist dennoch einen kritischen Zustand in Hinblick auf seine zukünftige<br />
Entwicklung auf, weil er aufgrund der klimatischen Situation (geringe Niederschläge),<br />
der ungünstigen Bodenverhältnisse (Wasserhaltefähigkeit) und den daraus resultierenden<br />
großen Entnahmen für<br />
die landwirtschaftliche Zusatzberegnung<br />
besonders<br />
belastet ist. Wissenschaftlich<br />
fundierte Aussagen<br />
sind wegen der komplexen<br />
Zusammenhänge nur über<br />
eine hydrogeologische<br />
Modellierung möglich.<br />
Tabelle 1: Entwicklung der Feldberegnung im Landkreis Uelzen (Flächen<br />
in ha)
In Nordostniedersachen hat sich der Witterungsverlauf in den letzten vier Jahrzehnten deutlich<br />
verändert. Die Vegetationsperiode ist durchschnittlich einen Monat länger und es gibt<br />
häufiger ausgeprägte Trockenphasen im Frühjahr. Die Klimaforschung prognostiziert erhöhte<br />
mittleren Jahrestemperaturen und gleichbleibende Jahresniederschläge, trockenere Sommer<br />
und mehr Niederschläge im Winter.<br />
Untersuchungen des niedersächsischen Landesamtes für Bergbau Energie und Geologie<br />
(BEG) [1] haben für die Zukunft einen deutlich größeren Beregnungsbedarf ergeben. Deshalb<br />
ist es sinnvoll bereits heute mit Maßnahmen <strong>zur</strong> Stabilisierung des Wasserhaushalts zu<br />
beginnen. Die Entwicklung der Beregnung in den letzten 6 Jahrzenten ist in der Tabelle 1 auf<br />
Seite 1 dargestellt. Nachfolgend sind <strong>Projekte</strong> und Maßnahmen im Landkreis Uelzen dargestellt.<br />
2. Rückblick<br />
Die Substitution von Grundwasser durch<br />
Wasser aus anderen Quellen ist für den<br />
Raum Uelzen, wie auch für Teile der<br />
Landkreise Lüneburg und Gifhorn, kein<br />
neues Thema. Die Fließgewässer sind für<br />
direkte Wasserentnahmen nicht leistungsfähig<br />
genug oder es würden ökologische<br />
Nachteile entstehen. Deshalb wurden<br />
bereits bei der Planung des Elbe-<br />
Seitenkanals (Fertigstellung 1975) Anla-<br />
Abbildung 1: Schiffshebewerk Scharnebeck mit Pumpwerk (links)<br />
gen <strong>zur</strong> Entnahme von Wasser für die Feldberegnung vorgesehen und dafür wasserrechtliche<br />
Regelungen <strong>zur</strong> Wasserbereitstellung aus der Elbe getroffen. Parallel zum Bau des Kanals<br />
sind 25 Bauwerke <strong>zur</strong> Entnahme von Beregnungswasser gebaut und die erforderlichen<br />
Pumpwerke an den Abstiegsbauwerken in Scharnebeck (Abbildung 1) und Esterholz errichtet<br />
worden. Damit stehen für die Feldberegnung insgesamt 5 m³/s aus dem Kanal <strong>zur</strong> Verfügung.<br />
Heute wird in einem Korridor von rd. 3 km westlich und östlich des Kanals eine Fläche<br />
von 11.250 ha mit durchschnittlich 7 Mio. m³ Wasser pro Jahr beregnet.<br />
Ein erster Wasserspeicher mit rd. 250.000 m³ Inhalt wurde bereits 1987 von der Zuckerfabrik<br />
Abbildung 2: Wasserspeicher Stöcken, Inhalt 750.000 m³, 13 ha Wasserfläche
Uelzen für unbelastetes Produktionswasser erstellt. Das im Winter gespeicherte Wasser wird<br />
in den Sommermonaten für die Feldberegnung verwendet.<br />
Im Jahre 2003 hat der Bewässerungsverband Uelzen (2.500 ha Verbandsfläche) 8 km östlich<br />
von Uelzen einen weiteren Wasserspeicher (Abbildung 2) mit rd. 750.000 m³ Inhalt errichtet.<br />
Damit konnte die gesamte in der Zuckerfabrik Uelzen anfallende Wassermenge gespeichert<br />
und in der Vegetationsperiode für die Beregnung verwendet werden. Weil die insgesamt<br />
rd. 1 Mio. m³ Speicherraum nach einer Erhöhung der Rübenverarbeitungsmengen<br />
nicht mehr ausreichen, werden seit 2010 bis zu 500.000 m³/a behandeltes Abwasser in das<br />
Fließgewässer Ilmenau eingeleitet.<br />
3. Anpassungsstrategien<br />
Für die Stabilisierung des Grundwasserhaushalts gibt es folgende grundlegende Maßnahmen:<br />
Erhöhung der Grundwasserneubildung, insbesondere durch Waldumbau,<br />
Verwendung von Klarwasser aus Kläranlagen und von Produktions(ab)wasser,<br />
Speicherung von erhöhten Abflüssen (Hochwasser, Starkregen) in der Fläche und<br />
Verwendung von Wasser aus Oberflächengewässern.<br />
In einer Arbeitsgruppe (Umweltministerium, Landwirtschaftsministerium, Landkreise und<br />
Fachbehörden, Fachverband Feldberegnung und Grundwassernutzer) ist über Maßnahmen<br />
<strong>zur</strong> Substitution von Grundwasser diskutiert und ein Leitprojekt (AquaRo) initiiert worden.<br />
Zur Absicherung der Entscheidungen wurden ab 2006 die hydrogeologischen Auswirkungen<br />
der Wasserentnahmen und die Effekte geplanten Substitutions- und Stabilisierungsmaßnahmen<br />
in zwei <strong>Projekte</strong>n untersucht.<br />
Projekt „No Regret“<br />
Das Projekt „No Regret“ – Genug Wasser für die Landwirtschaft [2] hat bestätigt, dass in<br />
Teilbereichen der Landkreise Lüchow-Dannenberg, Lüneburg und Uelzen Probleme hinsichtlich<br />
des mengenmäßigen Zustandes der Grundwasserkörper bestehen können. Schwerpunkt<br />
ist der Ostteil des Landkreises Uelzen mit teilweise signifikanten Grundwasserabsenkungen<br />
in den letzten Jahrzehnten. Im Rahmen des <strong>Projekte</strong>s wurden verschiedene Ansätze <strong>zur</strong><br />
Stabilisierung des Wasserhaushalts diskutiert und für ein rd. 2.500 km² großes Gebiet modelltechnisch<br />
simuliert. In Ergebnis ist festzustellen, dass alle Veränderungen (größere Entnahmen,<br />
Verringerung der Grundwasserneubildung, Erhöhung des Laubwaldanteils usw.)<br />
Einfluss auf die Grundwasserstände und die Basisabflüsse in den Fließgewässern haben.<br />
Insbesondere die Wasserstandsänderungen konnten quantifiziert werden, sie liegen für Extremszenarien<br />
(z. B.: Klimaprognose 2100) bei mehreren Metern im Bereich der Grundwas-
serhochlagen (Wasserscheiden). Die großen Grundwasserentnahmen haben in der Vergangenheit<br />
nachweislich auch zu geringeren Basisabflüssen in den Gewässern geführt.<br />
Projekt „Aquarius“<br />
Im Projekt „Aquarius“ [3] wurden für ein rd. 200 km² großes Teilgebiet des „No Regret-<br />
Projektgebietes“ detaillierte hydrogeologische Untersuchungen durchgeführt. Besondere<br />
Berücksichtigung fanden dabei die Basisabflüsse der Fließgewässer im Projektgebiet.<br />
Diese <strong>Projekte</strong> und ihre Ergebnisse sind im Beitrag von Elisabeth Schulz (Landwirtschaftskammer<br />
<strong>Niedersachsen</strong>) in dieser Ausgabe von Wasser und Abfall dargestellt.<br />
4. <strong>Projekte</strong> und Maßnahmen<br />
Die Ideen für die nachfolgend beschriebenen <strong>Projekte</strong> und Maßnahmen wurden in der Diskussion<br />
mit den verschiedenen Akteuren in den begleitenden Arbeitskreisen zu den <strong>Projekte</strong>n<br />
„No Regret“ und „Aquarius“ und anderer <strong>Projekte</strong> <strong>zur</strong> Klimafolgenforschung (KLIMZUG<br />
[4]) entwickelt. Großer Wert wurde darauf gelegt, dass die Maßnahmen unabhängig von der<br />
tatsächlichen Entwicklung des Klimas und des mengenmäßigen Zustands des Grundwassers<br />
eine positive Wirkung auf die nachhaltige Nutzung des Grundwassers haben.<br />
Neben den Einzelprojekten ist der großflächige Umbau von Nadelwald zu laubbaumdominierten<br />
Mischwäldern ein wesentlicher Baustein <strong>zur</strong> Erhöhung der Grundwasserneubildung.<br />
Der lateinische Name für Wasser spiegelt den Kern der <strong>Projekte</strong> und ist auch das Akronym<br />
für „Alternative Quellen anzapfen“. Träger dieser <strong>Projekte</strong> ist der Kreisverband der Wasserund<br />
Bodenverbände Uelzen oder einer seiner 45 Mitgliedsverbände. Die <strong>Projekte</strong> „Aquarius-<br />
Dalldorf“ und „Aquarius-Gr. Thondorf“ sind von der Landwirtschaftskammer <strong>Niedersachsen</strong><br />
im Rahmen des Aquarius-<strong>Projekte</strong>s initiiert worden. Die nachfolgend dargestellten <strong>Projekte</strong><br />
liegen im Landkreis Uelzen. Sie haben unterschiedliche Entwicklungsstände, die von der<br />
Projektidee bis <strong>zur</strong> umgesetzten Maßnahme reichen.<br />
4.1 Konzepte und Studien<br />
„AQuaSewi“<br />
Bei diesem Projekt geht es um die Nutzung von Wasser aus dem Binnenpolder „Seewiesen“<br />
bei Bad Bodenteich für die Feldberegnung. Für das Projekt soll eine Machbarkeitsstudie erstellt<br />
werden, um aus der Idee, mit grob abgeschätzten Rahmendaten, ein konkretes Vorhaben<br />
zu entwickeln.
Der Binnenpolder<br />
(Abbildung 3) hat<br />
eine Größe von rd.<br />
600 ha und wird als<br />
Grünland genutzt.<br />
Das bestehende<br />
Schöpfwerk hebt das<br />
Wasser rd. 1,5 m um<br />
Abbildung 3: Poldergebiet Seewiesen (Topographische Karte, Quelle: LGLN)<br />
die Vorflut des Gebietes sicherzustellen. Nach überschlägigen Ermittlungen werden über das<br />
Schöpfwerk im Sommer monatlich<br />
mindestens 60.000 m³ und im Jahr<br />
bis zu 1,5 Mio. m³ abgeleitet. Die<br />
Ableitung des erwärmten und nährstoffreichen<br />
Wassers hat in den<br />
Sommermonaten negative Auswirkungen<br />
auf die Gewässergüte im<br />
Fließgewässersystem der Stederau.<br />
Große Teile des Poldergebietes sind<br />
naturschutzfachlich hochwertig und<br />
gesetzlich geschützt, deshalb dürfen<br />
sich die Wasserstände in den Seewiesen<br />
durch die Entnahme gegenüber<br />
dem bisherigen Schwankungs-<br />
Abbildung 4: Karte des Poldergebietes und der Beregnungsflächen<br />
Abbildung 5: Förderleistung Schöpfwerk Bodenteich 2003 bis 2012
ereich nicht verändern. Abbildung 4 zeigt das Projektgebiet, mit den in Blau hervorgehobenen<br />
bestehenden Beregnungsflächen und Abbildung 5 den jahreszeitlichen Verlauf der Wasserförderung<br />
aus dem Polder. In Mit der im Sommer vorhandenen Wassermenge kann eine<br />
Fläche von 200 bis 300 ha beregnet werden. Zusätzlich <strong>zur</strong> lokalen Verwendung des Wassers<br />
ist auch die Speicherung des im Winter anfallenden Wassers (> 1 Mio. m³/a) oder seine<br />
Überleitung in andere Gebiete denkbar, derzeit jedoch aus finanziellen Gründen nicht zu<br />
verwirklichen.<br />
„AQuaVia“<br />
Das Projekt „AQuaVia“ beinhaltet<br />
die Erweiterung der<br />
Beregnung aus dem Elbe-<br />
Seitenkanal (ESK). Die insgesamt<br />
durch die bestehenden<br />
technischen Anlagen zu Verfügung<br />
gestellte Wassermenge<br />
(5 m³/s) wird durch die<br />
vergebenen Wasserrechte<br />
nicht vollständig ausgenutzt.<br />
Es steht noch eine Restmenge<br />
von rd. 1,2 m³/s, also rd.<br />
4.300 m³/h, <strong>zur</strong> Verfügung,<br />
mit der sich nach heutigen<br />
Maßstäben (1,5 m³/ha*h) etwa<br />
2.900 ha zusätzliche Beregnungsfläche<br />
aus dem Elbe-Seitenkanal<br />
erschließen<br />
Abbildung 6: Ampelkarte <strong>zur</strong> Identifizierung potentieller ESK-Beregnungsflächen<br />
lassen, ohne dass die an den Abstiegsbauwerken vorhandenen Pumpwerke erweitert werden<br />
müssen.<br />
Die Versorgung von landwirtschaftlichen Nutzflächen über den bisherigen 3 km-Korridor hinaus<br />
führt zu höheren Baukosten und größeren Betriebskosten als bei der bestehenden Versorgung<br />
dieser Flächen aus dem Grundwasser. Die Akzeptanz für die alternative Wasserversorgung<br />
aus dem Kanal ist deshalb davon abhängig, ob sie finanziell tragbar und administrativ<br />
durch die unteren Wasserbehörden durchsetzbar ist. Vorteile für die Landwirte bei<br />
der Wasserentnahme aus dem Elbe-Seitenkanal ergeben sich aus der höheren Temperatur<br />
des Wassers (in den Sommermonaten ca. 20° C) und der gegenüber den Grundwasserentnahmen<br />
höheren erlaubten Zusatzregenmenge in Höhe von 1.000 m³/ha*a (100 mm/a).
Das Projekt „AQuaVia“ wird in zwei Abschnitten im Gebiet des Landkreises Uelzen ("AQua-<br />
Via Uelzen“) [5] und in einem Teilgebiet des Landkreises Lüneburg („AQuaVia Ostheide“)<br />
umgesetzt.<br />
Dabei geht es<br />
zunächst um<br />
die technische<br />
Machbarkeit<br />
der Versorgung<br />
von zusätzlichen<br />
Flächen<br />
aus dem Kanal.<br />
Die Entfernungen,<br />
die geodätischen<br />
Höhen-<br />
Abbildung 7: Kostenverteilung im Mittel aller untersuchten Teilprojekte<br />
unterschiede und der Wasserbedarf in der Fläche spielen dabei die entscheidende Rolle für<br />
die Kosten. Eine „Ampelkarte“ (Abbildung 6) verdeutlicht für einen insgesamt 20 km breiten<br />
Korridor, welche Bereiche noch sinnvoll aus dem Kanal versorgt werden können und wo im<br />
Enzelfall (gelb) abzuwägen ist. Für die rot gekennzeichneten Bereiche wird ggf. noch eine<br />
weitere Differenzierung erforderlich. Mit dem noch aus dem Kanal <strong>zur</strong> Verfügung stehenden<br />
Wasser ist die Substitution von Grundwasser in einer Größenordnung bis zu 2 Mio. m³/a<br />
(durchschnittlicher Bedarf 700 m³/ha*a) möglich. Die Grafik auf dieser Seite (Abbildung 7)<br />
zeigt die mittleren Kostenanteile für die verschiedenen untersuchten <strong>Projekte</strong>. Auffällig ist<br />
dabei, dass die Transportleitungen vom Kanal zu den Beregnungsflächen den größten Anteil<br />
der Kosten ausmachen. Die ermittelten Kosten für die verschiedenen Teilprojete liegen zwischen<br />
2.000 und 8.000 €/ha. Die Machbarkeitsstudie dient den Wassernutzern und den zuständigen<br />
Behörden als Entscheidungsgrundlage.<br />
Projekt BV Borne-Wrestedt<br />
Die Karte (Abbildung 8) auf der folgenden Seite zeigt exemplarisch das Teilprojekt „Beregnungsverband<br />
Borne-Wrestedt“ mit folgenden Daten:<br />
Beregnungsfläche: 760 ha<br />
Pumpenleistung: 1.100 m³/h<br />
Geländehöhe: 45 mNN, Entfernung zum ESK: 3,5 km<br />
3 Transportleitungen DN 300, 4 km lang<br />
Wasserentnahme: Neues Entnahmebauwerk bei Kanalkilometer 61,7<br />
Projektkosten: 2.180.000 € (2.868 €/ha)<br />
Betriebskosten: 0,13 €/m³
Abbildung 8: Projekt AQuaVia – Borne-Wrestedt<br />
„AQuaWip“<br />
Das Projekt „AQuaWip“ bezieht sich auf den Oberlauf der Wipperau (Nebengewässer der<br />
Ilmenau) im Raum Suhlendorf, der Ende des 19. Jahrhunderts und dann noch einmal Mitte<br />
des 20. Jahrhunderts für die Entwässerung ausgebaut worden ist. Dabei ist das Gewässer<br />
um mehrere Kilometer in den Oberlauf hinein verlängert worden. Der Wipperauoberlauf hat<br />
deshalb keinen Fließgewässercharakter und fällt in den Sommermonaten trocken. Wertbestimmende<br />
Tierarten sind nicht vorhanden<br />
und es bestehen auch keine naturschutzfachlich<br />
hochwertigen Saumbiotope am<br />
Gewässer. Das Wasser soll durch einfache<br />
Stauanlagen (Abbildung 9) um einige<br />
Dezimeter angestaut und so zeitweise<br />
<strong>zur</strong>ückzuhalten werden. Der Abstand der<br />
Stauanlagen ist abhängig von den Gefälleverhältnissen<br />
und liegt zwischen 500<br />
Abbildung 9: Stauanlage (Beispiel aus der Lucie, Wendland)<br />
und 1.500 m. Die Regulierung der Wasserstände<br />
durch die Landwirte ermöglicht sowohl die Bewirtschaftung der anliegenden Flächen<br />
als auch einen Rückhalt von Wasser.<br />
Die <strong>zur</strong>ückgehaltenen Wassermengen sind relativ gering. Der wichtigere Effekt ist, dass der<br />
Grundwasserspiegel durch den Aufstau auch in den angrenzenden Ackerflächen entsprechend<br />
höher gehalten wird und so die Pflanzenwurzeln über einen längeren Zeitraum<br />
Grundwasseranschluss haben.
Das Projekt soll als Pilotprojekt zeigen, dass auch kleinräumige Maßnahmen möglich sind<br />
und einen wasserwirtschaftlichen Effekt erzielen.<br />
„Aquarius-Dalldorf“<br />
Beim Projekt „Aquarius-Dalldorf“ geht es um die Entnahme von Wasser aus dem Mittellauf<br />
der Wipperau in der Phase der erhöhten winterlichen Abflüsse. Über einen Zeitraum von rd.<br />
60 Tagen pro Jahr kann eine Wassermenge von rd. 10 l/sec schadlos aus der Wipperau in<br />
einen Wasserspeicher mit einem Volumen von rd. 50.000 m³ gepumpt werden. Vorgesehen<br />
ist die Errichtung windgetriebener Pumpen mit einer Förderhöhe von rd. 4 m. In der Beregnungssaison<br />
soll das Wasser aus dem Wasserspeicher dann über eine Unterwassermotorpumpe<br />
in das vorhandene Beregnungsnetz eingespeist werden.<br />
Das Projekt beruht auf einer Idee von Landwirten. Es ist praktisch umsetzbar, kann momentan<br />
aber aufgrund fehlender Fördermittel nicht realisiert werden.<br />
4.2 Konkrete Vorhaben<br />
„AQuaRo“<br />
Im Projekt „AQuaRo“ geht es um die Stabilisierung des Grundwasserhaushalts im östlichen<br />
Kreis Uelzen. Ziel des <strong>Projekte</strong>s ist es, Wasser aus der Kläranlage Rosche (Abbildung 10,<br />
blaues Kreuz) und überschüssiges Produktionswasser der Zuckerfabrik Uelzen für die Anreicherung<br />
des Grundwassers (Versickerung) bzw. die landwirtschaftliche Feldberegnung<br />
(Speicherung) zu nutzen. In einer Machbarkeitsstudie [6] sind die entscheidenden Randbedingungen<br />
für die Realisierung des <strong>Projekte</strong>s untersucht und dargestellt worden. Ein Ergebnis<br />
ist, dass aufgrund der EHEC-Diskussion die Idee der Verwendung von gereinigtem<br />
Kommunalabwasser für die Beregnung zunächst nicht weiter verfolgt wird. Dieses Wasser,<br />
rd. 370.000 m³/a, soll auf Waldflächen bzw. in Kurzumtriebsplantagen versickert werden (Bild<br />
6, gelb markierte Flächen) und so der Grundwasseranreicherung dienen. Als Wasserquellen<br />
für einen Wasserspeicher sind<br />
Überschusswassermengen der<br />
Zuckerfabrik Uelzen, Wasser aus<br />
den winterlichen Hochwasserabflüssen<br />
der Wipperau (vgl. Aquarius-Dalldorf)<br />
und auch zusätzliches<br />
Wasser aus dem Elbe-Seitenkanal<br />
identifiziert worden. Insgesamt<br />
würden Wassermengen <strong>zur</strong> Speicherung<br />
in einer Größenordnung<br />
bis zu 1 Mio. m³/a <strong>zur</strong> Verfügung stehen.<br />
Abbildung 10: Projektskizze AquaRo; Kartengrundlage Quelle: LGLN
Begrenzende Faktoren für die Verwendung des<br />
Wassers sind die technischen Randbedingungen<br />
für die Wasserverteilung, die Finanzierung eines<br />
Wasserspeichers mit den zugehörigen Anlagen<br />
und die sich später aus dem Betrieb ergebenden<br />
laufenden Kosten. Realistisch ist ein Wasserspeicher<br />
mit rd. 400.000 m³ Inhalt und einem zugehörigen<br />
Verbandsgebiet von etwa 1.000 ha. Der Wasserspeicher<br />
(Abbildung 10, roter Kreis) trägt die<br />
Grundlast der Feldberegnung. Die darüber hinaus<br />
erforderlichen Wassermengen werden in Abhängigkeit<br />
vom Witterungsverlauf aus den vorhandenen<br />
Brunnen entnommen. Für den Wasserspeicher<br />
sind mehrere Standorte identifiziert worden und das<br />
zugehörige Beregnungsgebiet ist grob umrissen.<br />
Abbildung 11: Tropfschlauch<br />
Die Entwurfsplanung und Realisierung des <strong>Projekte</strong>s wird durch einen Arbeitskreis aus<br />
Landwirten und Fachinstitutionen begleitet. Der Wasserspeicher, die zugehörigen Anlagen<br />
(Rohrleitungsnetze, Pumpwerke usw.) sollen 2014 fertiggestellt werden. Die für die Versickerung<br />
des Klarwassers erforderlichen Anlagen wurden bereits im Jahre 2013 auf einer Waldfläche<br />
von rd. 35 ha fertiggestellt und in Betrieb genommen. Die Wasserverteilung erfolgt<br />
über Tropfschläuche (Abbildung 11), die oberflächlich in den Waldparzellen verlegt wurden.<br />
Für diese Grundwasseranreicherung erfolgt ein umfassendes Monitoring (Boden, Wasserqualität,<br />
Sickerraten usw.) durch 3 Hochschulen. Die Kosten für das Projekt belaufen sich auf<br />
rd. 5,2 Mio. €.<br />
4.3 Umgesetzte <strong>Projekte</strong><br />
„AQuaVia Uelzen R1“<br />
Im Vorgriff auf die konzeptionellen Planungen<br />
des <strong>Projekte</strong>s AQuaVia wurde bereits<br />
im Frühjahr 2012 eine erste Maßnahme<br />
(Abbildung 12) nordöstlich der Stadt Uelzen<br />
auf einer landwirtschaftlichen Nutzfläche<br />
von rd. 640 ha umgesetzt. Die neu an<br />
den Elbe-Seitenkanal angeschlossenen<br />
Flächen liegen in einer Entfernung von bis<br />
zu 4.500 m (Luftlinie) vom Kanal. Das<br />
Pumpwerk am Kanal ist mit 4 Pumpen<br />
Abbildung 12: Leitungsverlegung im Verbandsgebiet<br />
Molzen-Masendorf-Heidtbrak<br />
ausgerüstet und hat eine Leistung von 1000 m³/h. Die Gesamtlänge des Leitungsnetzes (DN<br />
125 bis 300) beträgt rd. 26 km. Die Baukosten in Höhe von rd. 1,3 Mio. € werden von den
eteiligten Landwirten getragen. Durch das Projekt werden Grundwasserentnahmen in einer<br />
Größenordnung von rd. 200.000 m³/a für eine Fläche von rd. 300 ha ersetzt, die bisher aus<br />
dem Grundwasser beregnet wurden.<br />
„Aquarius-Gr. Thondorf“<br />
Das Projekt „Aquarius-Gr. Thondorf“ ist von der Landwirtschaftskammer Uelzen und Landwirten<br />
aus Gr. Thondorf initiiert worden. Es gehört zu den „Rain-Harvesting“ <strong>Projekte</strong>n des<br />
Forschungsprojektes KLIMZUG-Nord [4]. Bei diesem Projekt wird Drainagewasser über Versickerungsanlagen<br />
wieder dem Grundwasser<br />
zugeführt und nicht mehr direkt in<br />
Vorfluter abgeleitet. Für zwei jeweils rd. 10<br />
ha große Drainagebereiche sind die Vorflutverhältnisse<br />
so geändert worden, dass<br />
das Wasser in einen vorhandenen Sickerteich<br />
bzw. in ein neu angelegtes Becken<br />
(Abbildung 13) geleitet wird. Es werden<br />
insgesamt rd. 20.000 m³ Wasser pro<br />
Jahr versickert und so dem Grundwasserleiter<br />
kleinräumig wieder zugeführt.<br />
Abbildung 13: Sickerbecken bei Gr. Thondorf<br />
Das Projekt ist bereits im Winter 2011/12 vollständig umgesetzt worden. Die Finanzierung<br />
der Baukosten von rd. 10.000 € erfolgte über Fördermittel (Bingo-Stiftung) und Eigenleistungen<br />
der Landwirte.<br />
5. Zusammenfassung<br />
In Nordostniedersachen hat die Landwirtschaft eine entscheidende wirtschaftliche und strukturelle<br />
Bedeutung. Wegen der klimatischen Bedingungen sind große Wassermengen für die<br />
Feldberegnung erforderlich, um Qualität und Erträge der landwirtschaftlichen Produkte zu<br />
sichern. Zu der ohnehin schwierigen hydrogeologischen Situation des Grundwasserkörpers<br />
Ilmenau kommt deshalb eine Belastung des Grundwasserhaushalts durch große Entnahmen<br />
für die Feldberegnung, insbesondere in Trockenjahren. Da diese Thematik bei allen Protagonisten<br />
bekannt ist, gibt es auch einen entsprechenden Ideenreichtum für die Bewältigung<br />
der bekannten Probleme. Die beschriebenen Vorhaben machen die Spanne der Möglichkeiten<br />
deutlich.<br />
Die Verwirklichung der beschriebenen Vorhaben ist neben der Akzeptanz und Finanzierung<br />
auch von vielfältigen rechtlichen Vorschriften (Wasser-, Naturschutz- und Baurecht, Schutzgebiete,<br />
Artenschutz usw.) abhängig. Darauf soll hier nicht näher eingegangen werden.
In der Praxis wirken alle beteiligten Behörden und Institutionen aktiv an der Umsetzung der<br />
<strong>Projekte</strong> mit, so dass keine unnötigen rechtlichen Hindernisse entstehen.<br />
Tabelle 2: Zusammenfassung der <strong>Projekte</strong><br />
Neben den bereits realisierten Maßnahmen <strong>zur</strong> <strong>Grundwassersubstitution</strong>, insbesondere den<br />
Speicherbecken bei Uelzen mit rd. 1 Mio. m³ Inhalt und den bestehenden Entnahmen aus<br />
dem Elbe-Seitenkanal (im Mittel 7 Mio. m³/a, max. 12 Mio. m³/a), sind weitere Maßnahmen<br />
<strong>zur</strong> Stabilisierung des Grundwasserhaushalts und <strong>zur</strong> unmittelbaren Substitution von Grundwasser<br />
möglich. Mit den wichtigsten <strong>Projekte</strong>n (Tab. 2) kann mittelfristig Grundwasser in einer<br />
Größenordnung von 1,5 bis 2 Mio. m³/a einspart werden. Damit lassen sich in der östlichen<br />
Hälfte des Landkreises Uelzen, im Grundwasserkörper Ilmenau rechts, mehr als 13 %<br />
der heute erlaubten Grundwasserentnahmen durch Wasser aus anderen Quellen substituieren.<br />
Dazu kommen noch die positiven Effekte der Maßnahmen <strong>zur</strong> Grundwasseranreicherung<br />
und zum Rückhalt in der Fläche, die sich noch nicht quantifizieren lassen.<br />
Autor<br />
Dipl.-Ing. Ulrich Ostermann<br />
Kreisverband der Wasser- und Bodenverbände<br />
Meilereiweg 101<br />
29525 Uelzen<br />
E-Mail: ulrich.ostermann@wasser-uelzen.de<br />
Hinweis: Dieses Skript basiert auf meiner Veröffentlichung in Wasser und Abfall 12/2012.
Literatur<br />
[1] Müller, U., Engel, N., Heidt, L., Schäfer, W., Kunkel, R., Wendland, F., Röhm, H. & Elbracht,<br />
J. (2012): Klimawandel und Bodenwasserhaushalt. - GeoBerichte 20: 107 S.,<br />
61 Abb., 41 Tab., 1 Anh.; Hannover (LBEG).<br />
[2] LWK <strong>Niedersachsen</strong> (LWK), (2008): No Regret – Genug Wasser für die Landwirtschaft?!<br />
[3] LWK <strong>Niedersachsen</strong> (LWK), (2012): AQARIUS – Dem Wasser kluge Wege ebnen!<br />
[4] KLIMZUG Teilprojekte T 3.3 und T 3.5: http://klimzug-nord.de/index.php/page/2009-03-<br />
30-Zukunftsfaehige-Kulturlandschaften<br />
[5] Martens, J., Welzin, H. (2012): AQuaVia Uelzen – Machbarkeitsstudie; Uelzen (unveröffentlicht)<br />
[6] Martens, J. (2012): AQuaRo – Machbarkeitsstudie; Uelzen (unveröffentlicht)