Ausgabe 1/2013 - BS Energy
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04 | Titelthema 05 | Titelthema<br />
Speicher stecken noch<br />
in den Kinderschuhen<br />
+<br />
Können Stromspeicher einen Beitrag zur Energiewende leisten?<br />
Wie würde unser Leben ohne Strom aussehen? Das ist eine<br />
Frage, die sich zwischen Kaffeemaschine und Laptop im<br />
Alltag niemand stellt. Denn eine zuverlässige Stromversorgung<br />
ist für uns so selbstverständlich wie das tägliche Brot<br />
oder sauberes Wasser aus der Leitung. Das soll sich auch<br />
mit der Energiewende nicht ändern. Denn bei allen positiven<br />
Effekten, wie zum Beispiel dem Zurückdrängen der<br />
Kernenergie, die von einem zügigen Ausbau der erneuerbaren<br />
Energien an der Stromerzeugung ausgehen, darf ein<br />
wesentlicher Pfeiler der Energieversorgung zu keiner Zeit<br />
ins Wanken geraten: die Versorgungssicherheit.<br />
Wetterabhängig erzeugter Strom durch Wind und Sonne<br />
muss also so in die Elektrizitätsversorgung integriert<br />
werden, dass zu keiner Zeit die Lichter ausgehen. Zukünftig<br />
könnten Stromspeicher helfen, die bisher zwingend<br />
notwendige Gleichzeitigkeit von Erzeugung und Verbrauch<br />
zu überwinden. Ein Beispiel: An einem warmen, sonnigen<br />
Maisonntag ist halb Braunschweig am Badesee. In der Zeit<br />
wird zwar viel Strom erzeugt, aber vergleichsweise wenig<br />
verbraucht. Am Montag danach bleiben die Sonnenstrahlen<br />
und der daraus erzeugte Strom aus. Allerdings ist durch<br />
das Geschäftstreiben der Bedarf wieder höher. Um so<br />
etwas auszugleichen und die Netzstabilität nicht zu gefährden,<br />
könnten zukünftig auch Stromspeicher einen Beitrag<br />
zur Versorgungssicherheit leisten. „Speicher sind vor allem<br />
in räumlicher Nähe zu regenerativen Energieanlagen sinnvoll“,<br />
erklärt Julien Mounier, Vorstand von <strong>BS</strong>|ENERGY.<br />
Herausforderung Energiewende<br />
Vor welchen immensen Herausforderungen die Energiewirtschaft<br />
derzeit steht, veranschaulicht ein Rechenbeispiel<br />
des Physikprofessors Eduard Heindl von der Hochschule<br />
Furtwangen. Bei einer Energieversorgung ausschließlich<br />
mit erneuerbaren Energien müssten für jeden<br />
Einwohner Deutschlands im Durchschnitt 147 Kilowattstunden<br />
Speicherkapazität bereitgestellt werden. Bediente man<br />
sich allein der Pumpspeichertechnologie, bräuchte man für<br />
das ganze Land mit seinen mehr als 80 Millionen Einwohnern<br />
ein Speicherkraftwerk mit einem Stausee, der doppelt<br />
so groß wie der Bodensee wäre. In Speicherkraftwerken<br />
wird elektrische Energie durch Hinaufpumpen von Wasser<br />
gespeichert. Wird Strom gebraucht, lässt man es wieder<br />
bergab fließen und erzeugt dabei mittels Turbinen und<br />
Generatoren erneut elektrischen Strom. Einziger Haken:<br />
Für den von Professor Heindl errechneten Speicherbedarf<br />
müsste man den gesamten Südschwarzwald fluten – was<br />
sicher niemand ernsthaft in Erwägung zieht.<br />
Speichertechnologien in den Kinderschuhen<br />
„Zum Gelingen der Energiewende ist es erforderlich, weiter<br />
an den Speichertechnologien zu forschen. Welche Technologie<br />
– und ob sich Speicher langfristig überhaupt durchsetzen<br />
– ist heute noch nicht absehbar. In jedem Fall wird<br />
Flexibilität im Energiemarkt der Zukunft immer wichtiger“,<br />
so Mounier. Auch eine Kombination von Speichertypen<br />
könnte notwendig werden. Das sieht Prof. Dr.-Ing. Ulrike<br />
Krewer vom Institut für Energie- und Systemverfahrenstechnik<br />
an der Technischen Universität Braunschweig<br />
ebenso. „Batteriespeicher können beispielsweise kurzfristig<br />
und schnell Energie abgeben. Ihre Speicherkapazität<br />
ist aber noch zu gering. Zudem sind sie recht teuer“,<br />
unterstreicht Krewer den Forschungsbedarf sowie die<br />
Kombination der Technologien. So stecken die meisten<br />
Speichertechniken noch in den Kinderschuhen und weisen<br />
bisher keine ausreichende Marktreife beziehungsweise<br />
Wirtschaftlichkeit auf.<br />
Pumpspeicherkraftwerke seien bislang als einzige technisch<br />
ausgereift, erklärt Mounier. Dafür braucht man<br />
jedoch bergiges Gelände, in Deutschland eher Mangelware.<br />
„Der Eingriff in die Natur ist zudem erheblich“, so<br />
Mounier weiter. Druckluftspeicherkraftwerke funktionieren<br />
zwar nach einem ähnlichen Prinzip, ihr maximaler<br />
Wirkungsgrad, also das, was nach Verlusten bei der Energieumwandlung<br />
noch übrig bleibt, liegt jedoch derzeit bei<br />
ungefähr 50 Prozent. Dennoch sei diese Technik, für die<br />
man Stollen oder alte Salzstöcke braucht, gerade für Norddeutschland<br />
interessant. „Es gibt bisher nur in Huntorf und<br />
in den USA ein Werk. Da ist bisher also wenig passiert, es<br />
muss geforscht werden“, kommentiert Professorin Krewer.<br />
„Heißes Thema“: Power-to-Gas<br />
Ein ganz „heißes Thema“ für die Zukunft der Speichertechnologien<br />
sei derzeit das Power-to-Gas-Verfahren,<br />
unterstreicht Krewer. Dabei wird überschüssiger Strom aus<br />
erneuerbaren Energien in künstliches Methangas umgewandelt,<br />
das hervorragend speicherbar ist. Sobald Strom<br />
benötigt wird, kann das Gas problemlos zurückverstromt<br />
werden. „In Deutschland würde die Kapazität der bereits<br />
vorhandenen Erdgaslagerstätten derzeit ausreichen, um<br />
alle Haushalte zwei bis drei Monate lang mit Strom zu<br />
versorgen“, erläutert Professorin Krewer. Dies wäre also<br />
eine Möglichkeit, um große Mengen Strom aus erneuerbaren<br />
Energien langfristig zu speichern. Der Wirkungsgrad<br />
dieser Technologie liege derzeit bei maximal 45 Prozent.<br />
Grundsätzlich gelte jedoch, meint Krewer, dass es schon<br />
jetzt allemal besser sei, überschüssig erzeugten Ökostrom<br />
umzuwandeln und als Gas zu speichern. Denn: „Wenn der<br />
Wind derzeit bläst, aber kein Strom benötigt wird, werden<br />
die Windenergieanlagen abgeschaltet. Dann liegt der Wirkungsgrad<br />
bei null.“ So ist also Forschung das Gebot der<br />
Stunde. Das meint auch Julien Mounier: „Derzeit brauchen<br />
wir noch keine Stromspeicher, sondern erst in etwa zehn<br />
bis zwanzig Jahren. Wenn jetzt nicht geforscht wird, dann<br />
haben wir keine Speicher, wenn wir sie brauchen.“<br />
Fakten zum Staunen<br />
• Die deutschen Pumpspeicher können maximal<br />
40 Gigawattstunden Energie speichern. In ganz<br />
Deutschland wird diese Menge in ungefähr einer<br />
halben Stunde verbraucht. Gemessen am durchschnittlichen<br />
Bedarf an Strom könnte man auch<br />
rund drei Millionen Vier-Personen-Haushalte<br />
einen Tag lang damit versorgen.<br />
• Das größte deutsche Pumpspeicherkraftwerk<br />
in Goldisthal (Thüringen) hat eine Speicherkapazität<br />
von 8,44 Gigawattstunden, also<br />
8.440.000.000 Wattstunden. Würde man diese<br />
Energie in Netbook-Akkus speichern wollen,<br />
bräuchte man rund 176 Milliarden Stück.<br />
• Um mit der Energie eines Pumpspeicherkraftwerks<br />
eine viertägige Windflaute auszugleichen, müsste<br />
man den Bodensee aufs Niveau der Zugspitze<br />
pumpen.<br />
• Die größte „Batterie“ der Welt: Die Speicherkapazität<br />
der norwegischen Speicherseen beträgt<br />
derzeit 84.000 Gigawattstunden – das ist<br />
2.100 Mal so viel wie die Gesamtspeicherkapazität<br />
aller deutschen Pumpspeicherkraftwerke.<br />
• Pumpspeicher sind schwarzstarttauglich, das<br />
heißt, sie können ohne Hilfe anderer Kraftwerke<br />
Strom produzieren. Das ist besonders wichtig, um<br />
im Fall eines großflächigen Netzausfalls die Versorgung<br />
wieder aufbauen zu können.<br />
• Wenn alle Autos in Deutschland Elektrofahrzeuge<br />
wären, würde die Kapazität der Akkus ausreichen,<br />
um ganz Deutschland mehr als fünfeinhalb<br />
Stunden mit Strom zu versorgen.<br />
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