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42 Typografie treibt wilde Blüten
43 Wann ist Schrift experimentell? Die Berliner Grafidesign-Studentin Isabell Hanke setzte sich mit dem Begriff der Experimentellen Typografie auseinander und kommt zu dem Schluss, dass Typografie echt sein muss, wenn sie uns in ihrer reinen Form begegnet. Zunächst gilt es einmal zu klären, was Regeln. Die Dadaisten wollen Denkpro- Zeit ein Durchbruch war. Somit prägt viel möglicher Formen, um zu einer sichtba- denn nun eigentlich als „experimentell“ zesse anregen, Individualismus schaffen Bewegung und Kontrastreichtum die Bil- ren Interpretation des Wortes zu kom- gilt. Etwas Unkonventionelles, Spontanes, und das Innere nach Außen kehren, was der des Dadaismus. men. Besonders in den Vordergrund tritt Regelloses, Rebellisches, Echtes, Grenzenloses, Kraftvolles und Veränderndes steckt dahinter. Doch wie genau definiert sich wiederum einen sehr expressionistischen Charakter trägt. Durch Hohn, Spott und Überspitzung der damals aktuellen Kunst Handschriftliche Experimente im Zeichensaal eine Emotionalität, die in die Werke von Andersch‘ Studenten geflossen zu sein scheint. Die Arbeiten kontrastieren in sich nun „experimentelle Typografie“? zeigen sie Widersprüche innerhalb des sehr stark, dennoch bildet jedes eine aus- Gesellschaftssystems auf. Dabei helfen Ich möchte spezifisch auf der Arbeit von geglichene Einheit. Regeln sind da, um sie zu brechen den Dadaisten neue, experimentelle Ausdrucksformen und Stilmixe. Sie erkun- Martin Andersch eingehen, der zu Lebzeiten Professor an der Fachhochschule Emotion und Ehrlichkeit Von jener solchen war zuerst 1945 die Re- deten neue Gestaltungstechniken, wobei Hamburg gewesen ist. Mit der Aufforde- de, als eine Bewegung, die klassische Ent- die Collage in den Vordergrund tritt. Sie rung zur Fantasie gab er seinen Schülern An diesem Beispiel bildet die experimen- würfe komplett in Frage stellt, eine Los- erfährt ihr Comeback in den 70er Jahren zunächst Tusche, Rohrfeder und Packpa- telle Typografie für mich einen Kreis aus lösung von mechanischen Regeln. Dies in den Metropolen New York und London. pier in die Hand, um das „Heranzeich- Gefühl und Ehrlichkeit. Sie entsteht wie impliziert vor allem die traditionelle Buch- Bekannte Vertreter des Dadaismus sind nen“ an eine Schrift zu lehren. Das hand- zufällig, wie etwas „aus der Hand geschüt- typografie. Künstler − nicht Typografen − Kurt Schwitters, der nicht in den Kreis schriftliche Experimentieren diente der telt“. Die Energie des Künstlers überträgt präsentierten eigene Entwürfe und gingen der Dadaisten aufgenommen wurde und Feinstellung der Hand auf die Benutzung sich auf das Papier und scheint greifbar zu damit weg von der Norm. Das Verlangen dennoch unter dem Synonym MERZ den des Schreibwerkzeugs. Doch offenbar fiel sein. Solche Typografie ist liebevoll und nach lesbaren Druckschriften sollte aufge- Dadaismus nachhaltig prägte, Theo van es den Studenten schwer, sich von erlern- intensiv, nicht so starr wie digitalisierte brochen werden. Diese kleine Revolution Doesburg und Raoul Hausmann. ten Buchstabenfor- Schrift, die durch ei- prägt nun besonders den Dadaismus. Die Künstler entwarfen collageartige Wer- men loszulösen. Im- nen Tastendruck ent- Die Bewegung wurde 1916 von Hugo Ball, ke und brachten verschiedene Schriftarten mer wiederkehrende steht. Doch vor allem Emmy Hennings, Richard Huelsenbeck, und -größen zusammen. Das expressio- Details und Schwün- ist sie individuell und Marcel Janko, Tristan Tzara sowie Hans nistische Bild wirkt zunächst nur wie ein ge waren auffällig in bleibt in Erinnerung. Arp in Zürich als Ablehnung konventio- „Ausprobieren“. Bei genauerer Betrach- den Arbeiten. Nach Weil Schönheit nicht neller Kunst gegründet. Der Dadaismus tung jedoch wird eine Sinnhaftigkeit und der Untersuchung des vergessen wird. grenzt sich von bürgerlichen Idealen ab Ausgeglichenheit erkennbar, die sehr har- Wort- oder Begriffs- und zerstört erlernte, gefestigte Formen monische Elemente aufzeigt. Texte werden inhaltes folgten eine und Normen. Es geht um Provokation, vollkommen neu angeordnet und teilweise phonetische Analy- das Durchbrechen und Überschreiten von auf den Kopf gestellt, was in der damaligen se sowie die Auswahl Text: Isabell Hanke // Berlin Zeichnung: ‚Angst‘ // Martin Andersch
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