27.01.2014 Aufrufe

Modellierung biologischer und molekularer Systeme - IMISE ...

Modellierung biologischer und molekularer Systeme - IMISE ...

Modellierung biologischer und molekularer Systeme - IMISE ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Titel<br />

<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong><br />

<strong>Systeme</strong><br />

Dr. Ingo Röder<br />

Institut für Medizinische Informatik, Statistik <strong>und</strong> Epidemiology<br />

Wintersemester 2006/07<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 1


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Überblick<br />

Inhaltliche Struktur<br />

1. Populationswachstum: z.B. Zellteilung, Jahreszyklus von Pflanzen,<br />

Wachstum von Mikroorganismen, Tumorwachtum<br />

→ Methodik: Differenzengleichungen, Differentialgleichungen, Lineare<br />

Stabilitätsanalyse, Numerische Lösungsverfahren von ODEs, Parameteranpassung<br />

2. Pharmakokinetik: z.B. Arzneimittelwirkungen, Alkoholabbau<br />

→ Methodik: Kinetiken 0./1. Ordnung, Michaelis-Menten Kinetik<br />

3. Kompetitive Populationsdynamik: Räuber-Beute <strong>Systeme</strong><br />

→ Methodik:Differentialgleichungssysteme, Phasenraumanalyse<br />

4. Epidemieausbreitung: z.B. AIDS<br />

→ Methodik: SIR, SIRS -Models<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 2


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Überblick<br />

Literatur<br />

• L. Edelstein-Keshet, Mathematical Models in Biology, Birkhäuser Mathematics<br />

Series, McGraw-Hill Inc., Boston, 1988<br />

• J.D. Murray, Mathematical Biology, Springer Verlag, Berlin Heidelberg, 2.<br />

Ausgabe, 1993<br />

• L. Seagle, Modeling dynamic phenomena in molecular and cellular biology,<br />

Cambridge University Press, Cambridge, 1984<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 3


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Einführung<br />

Modell<br />

verschiedene Definitionen nach Meyers Lexion <strong>und</strong> Duden:<br />

a) in verkleinertem Maßstab vor- oder nachgebildetes Bauwerk/Objekt<br />

b) Studienobjekt des Künstlers<br />

c) Fotomodell, Mannequin<br />

d) vereinfachtes gegenständliches od. abstraktes Abbild der Wirklichkeit ...<br />

Voraussetzung ist das Bestehen von Analogie (hinsichtlich Strukturen od.<br />

Funktionen) zwischen Original <strong>und</strong> Modell. ...<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 4


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Einführung<br />

Beschreibungsebenen<br />

Molekül: z.B. Stoffwechselprozesse, Genregulationsprozesse<br />

Zelle: z.B. Erregungsleitung durch Nervenzelle<br />

Zellverbände, Organe: z.B. Tumorwachstum, Gewebsregeneration<br />

Individuum: z.B. Verteilung von Arzneistoffen im Körper<br />

Population: z.B. Konkurrenz in Ökosystemen, Epidemieausbreitung<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 5


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Einführung<br />

Methodenklassen (1)<br />

Differenzengleichungen: zeitdiskret, meist keine räumliche Auflösung<br />

Gewöhnliche Differentialgleichungen (ODE): zeitkontinuierlich, keine räumliche<br />

Auflösung<br />

Partielle Differentialgleichungen (PDE): zeit-/raumkontinuierlich<br />

Stochastische Differentialgleichungen (SDE): zeitkontinuierlich, meist keine<br />

räumliche Auflösung<br />

Zellularautomaten: zeit-/raumdiskret<br />

Individual Particle Systems (IPS) diskret/kontinuierlich in Raum <strong>und</strong> Zeit<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 6


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Einführung<br />

Methodenklassen (2)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 7


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Einführung<br />

Allgemeiner <strong>Modellierung</strong>sablauf<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 8


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Populationswachstum<br />

• Diskrete Modelle<br />

– Lineare Differenzengleichungen<br />

– Nichtlineare Differenzengleichungen<br />

• Kontinuierliche Modelle<br />

– Gewöhnliche Differentialgleichungen<br />

– <strong>Systeme</strong> gewöhnlicher Differentialgleichungen<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 9


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Diskrete Modelle<br />

Dieser Abschnitt basiert auf Kapitel 1-3 aus L. Edelstein-Keshet, Mathematical<br />

Models in Biology, Birkhäuser Mathematics Series, McGraw-Hill Inc.,<br />

Boston, 1988<br />

• Biologische <strong>Systeme</strong>:<br />

– Zellwachstum<br />

– Insektenpopulation<br />

– Jahreszyklus von Pflanzen<br />

• <strong>Modellierung</strong>smethoden:<br />

– lineare/nichtlineare Differenzengleichungen<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 10


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Zellteilung (1)<br />

• Betrachte eine Population sich synchron teilender Zellen.<br />

• Die Anzahl der Zellen in Generation i sei mit M i bezeichnet.<br />

• Die Anzahl von Zellen in aufeinanderfolgenden Generationen ist:<br />

M n+1 = 2M n .<br />

• Gegeben eine Anfangszellzahl M 0 kann die Populationsgröße nach n<br />

Generationen rekursive bestimmt werden:<br />

M n+1 = 2M n = 2(2M n−1 ) = 2[2(2M n−2 )] = . .. = 2 n+1 M 0 .<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 11


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Zellteilung (2)<br />

• Damit erhält man für die n-te Generation<br />

M n = 2 n M 0 .<br />

• Dieses Resultat kann man verallgemeinern, wenn man annimmt, dass<br />

in einer Generation jeweils a (a > 0) Nachkommen erzeugt werden. Es<br />

folgt:<br />

M n = a n M 0 .<br />

• Hierbei wächst die Population für a > 1, sie schrumpft für a < 1 <strong>und</strong> sie<br />

bleibt konstant für a = 1.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 12


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Insektenpopulation (1)<br />

• Wir betrachten den Lebenszyklus der Pappelblattlaus (poplar gall aphid).<br />

• Erwachsene Weibchen produzieren Gelege auf Pappelblättern (”Gall”),<br />

aus denen Nachwuchs schlüpft, von dem ein gewisser Anteil überlebt.<br />

a n<br />

p n<br />

= Anzahl erwachsener Weibchen in der n-ten Generation<br />

= Anzahl der Nachkommen in der n-ten Generation<br />

m = Mortalität der Nachkommen<br />

f = Anzahl der Nachkommen pro Weibchen<br />

r = Anteil der Weibchen an den Nachkommen<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 13


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Insektenpopulation (2)<br />

• Unter der vereinfachenden Annahme konstanter Anteile f, r,m folgt<br />

p n+1 = f · a n (1)<br />

a n+1 = r · (1 − m)p n+1 (2)<br />

⇒ a n+1 = f · r(1 − m) · a n (3)<br />

• Diese lineare Differenzengleichung 1. Ordnung hat folgende Lösung<br />

a n = [f · r(1 − m)] n · a 0 , (4)<br />

wobei f · r(1 − m) die pro Kopf Anzahl der erwachsenen Weibchen, welche<br />

jedes Mutterweibchen produziert, repräsentiert.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 14


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Problemstellung:<br />

Fortpflanzung von einjährigen Pflanzen (1)<br />

• Einjährige Pflanzen produzieren Samen am Enden des Sommers <strong>und</strong><br />

gehen zugr<strong>und</strong>e.<br />

• Ein Teil der Samen überlebt den Winter <strong>und</strong> wiederrum ein Teil dieser<br />

Samen bringt im nächsten Frühjahr neue Pflanzen hervor.<br />

• Der restliche Teil der Samen kann noch einen weiteren Winter überstehen<br />

<strong>und</strong> ggf. im zweiten Frühjahr Pflanzen hervorbringen.<br />

Aufgabe:<br />

• Formulierung einer Modellbeschreibung;<br />

• Vorhersage der Populationsgrößenentwicklung.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 15


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Parameter:<br />

γ<br />

Fortpflanzung von einjährigen Pflanzen (2)<br />

= Anzahl der produzierten Samen pro Pflanze<br />

α = Anteil der aufgehenden Samen im 1. Jahr<br />

β<br />

σ<br />

= Anteil der aufgehenden Samen im 2. Jahr<br />

= Anteil der Samen, welche den jeweiligen Winter überleben<br />

Vereinfachende Annahme:<br />

Samen, älter als 2 Jahre können nicht mehr keimen.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 16


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Fortpflanzung von einjährigen Pflanzen (3)<br />

Variablen:<br />

p n = Anzahl der Pflanzen in Generation n.<br />

Sn<br />

1<br />

Sn<br />

2<br />

¯S n<br />

1<br />

¯S n<br />

2<br />

Sn<br />

0<br />

= Anzahl der 1-Jahres-Samen vor dem Keimen.<br />

= Anzahl der 2-Jahres-Samen vor dem Keimen.<br />

= Anzahl der 1-Jahres-Samen, die nicht gekeimt sind.<br />

= Anzahl der 2-Jahres-Samen, die nicht gekeimt sind.<br />

= Anzahl der jeweils von den Pflanzen produzierten Samen.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 17


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Fortpflanzung von einjährigen Pflanzen (4)<br />

year k=n<br />

year k=n+1<br />

year k=n+2<br />

S<br />

0<br />

γ<br />

σ<br />

1 1<br />

Sn+1 Sn+1<br />

σ<br />

α β<br />

S<br />

0<br />

n+1<br />

γ<br />

σ<br />

S<br />

1<br />

n+2<br />

S<br />

0<br />

n+2<br />

p n p n+1<br />

p n+2<br />

0<br />

S n+2<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 18


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Fortpflanzung von einjährigen Pflanzen (5)<br />

Modellgleichungen:<br />

p n = αSn 1 + βSn 2 (5)<br />

¯S n 1 = (1 − α)Sn 1 (6)<br />

¯S n 2 = (1 − β)Sn 2 (7)<br />

Sn 0 = γp n (8)<br />

Sn+1 1 = σSn 0 (9)<br />

Sn+1 2 = σ ¯S n 1 (10)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 19


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Fortpflanzung von einjährigen Pflanzen (6)<br />

Einsetzten von Gleichung (8) in (9) liefert<br />

Sn+1 1 = σ(γp n ). (11)<br />

Weiterhin erhält man in (10) mittels (6)<br />

Sn+1 2 = σ(1 − α)Sn. 1 (12)<br />

Betrachte nun (5) für Generation n + 1:<br />

p n+1 = αSn+1 1 + βSn+1. 2 (13)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 20


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Fortpflanzung von einjährigen Pflanzen (7)<br />

Damit erhält man nun ein System zweier Gleichungen erster Ordnung, welche<br />

den Zusammenhang von Pflanzen <strong>und</strong> 1-jährige Samen beschreibt:<br />

p n+1 = ασγp n + βσ(1 − α)S 1 n, (14)<br />

S 1 n+1 = σγp n . (15)<br />

Dieser Zusammenhang kann auch alternativ in Form einer Gleichung zweiter<br />

Ordnung dargestellt werden:<br />

p n+1 = ασγp n + βσ 2 (1 − α)γp n−1 . (16)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 21


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Einschub: Nomenklatur<br />

Bezeichnung von Differenzengleichungen:<br />

1. Ordnung: p n abhängig nur von p n−1<br />

(z.B. p n = ap n−1 )<br />

k. Ordnung: p n abhängig von p n−1 , p n−2 ,...,p n−k<br />

(z.B. p n = ap n−1 + β(1 − a)p n−2 )<br />

Linear: p n abhängig nur von linearen Funktionen von p n−i<br />

(z.B.p n = ap n−1 + bp n−2 )<br />

Nichtlinear: p n abhängig von nichlinearen Funktionen von p n−i<br />

(z.B. p n = rp 2 n−1 oder p n = sp n−1 p n−2 )<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 22


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

System linearer Differenzengleichungen (1)<br />

• Das letzte Beispiel führte auf ein System von zwei linearen Differenzengleichungen<br />

1. Ordnung.<br />

• Äquivalent hierzu ist die Repräsentation des Problems in Form einer linearen<br />

Differenzengleichungen 2. Ordnung möglich.<br />

• Diese beiden Darstellungen können immer ineinander überführt werden.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 23


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

System linearer Differenzengleichungen (2)<br />

Betrachte allgemeines System von 2 linearen DGLn 1. Ordnung:<br />

x n+1 = a 11 x n + a 12 y n , (17)<br />

y n+1 = a 21 x n + a 22 y n . (18)<br />

Einsetzten von (18) in (17) ergibt:<br />

x n+2 = a 11 x x+1 + a 12 y n+1<br />

= a 11 x x+1 + a 12 (a 21 x n + a 22 y n )<br />

= a 11 x x+1 + a 12 a 21 x n + a 22 (x n+1 − a 11 x n )<br />

→ x n+2 − (a 11 + a 22 )x n+1 + (a 22 a 11 − a 12 a 21 )x n = 0 (19)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 24


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Lösungsansatz<br />

In den Bspl. Zellteilung <strong>und</strong> Insektenpopulation hatte die Lösung einer linearen<br />

Differenzengleichung 1. Ordung die Form<br />

x n = Cλ n . (20)<br />

Kann die Lösung auch für lineare Differenzengleichungen höherer Ordung,<br />

wie (19), ebenfalls mit einem solchen Ansatz ermittelt werden?<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 25


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Charakteristische Gleichung<br />

Um dies zu testen substituiere den Ansatz x n = λ n C in Gleichung (19):<br />

Cλ n+2 − (a 11 + a 22 )Cλ n+1 + (a 22 a 11 − a 12 a 21 )Cλ n = 0<br />

Unter der Annahme Cλ n ≠ 0 (Ausklammerung der trivialen Lösung x n = 0)<br />

<strong>und</strong> Division durch den Faktor Cλ n erhält man aus (19)<br />

λ 2 − (a 11 + a 22 )λ + (a 22 a 11 − a 12 a 21 ) = 0 (21)<br />

D.h. der Ansatz x n = Cλ n liefert eine Lösung für den Fall, dass λ die quadratische<br />

Gleichung (21) erfüllt.<br />

(21) wird als charakteristische Gleichung des Problems (19) bezeichnet.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 26


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Lösungen der charakteristischen Gleichung<br />

Zur Vereinfachung der Darstellung führen wir die folgenden Bezeichnungen<br />

der Koeffizenten aus Gleichung (21) ein<br />

β = a 11 + a 22 ,<br />

γ = a 22 a 11 − a 12 a 21 .<br />

Die Lösungen der charakteristischen Gleichung (21) lauten damit:<br />

λ 1,2 = β ± √ β 2 − 4γ<br />

2<br />

(22)<br />

λ 1,2 werden als Eigenwerte bezeichnet.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 27


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Allgemeine Lösung<br />

Für lineare Gleichung (wie in Fall (19)) gilt das folgende, sogenannte Superpositionsprinzip.<br />

Dieses besagt:<br />

Wenn mehrere, verschiedene Lösungen eines linearen Problems bekannt<br />

sind, dann ist auch jede Linearkombination dieser Lösungen wieder<br />

eine Lösung des Problems.<br />

D.h. ausgehend vom Lösungsansatz (20) mit den ermittelten Eigenwerten<br />

λ 1 <strong>und</strong> λ 2 ergibt sich die allgemeine Lösung des Problems (19):<br />

für λ 1 ≠ λ 2 .<br />

x n = A 1 λ n 1 + A 2 λ n 2 (23)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 28


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Lösung mittels Matrixschreibweise (1)<br />

Die Lösung des Problems (19) bzw. äquivalent dazu (17,18) kann auch mittels<br />

einer anderen Methodik bestimmt werden. Betrachte hierzu das folgende<br />

System linearer Gleichungen:<br />

ax + by = 0,<br />

cx + dy = 0. (24)<br />

In Matrixschreibweise kann dies geschrieben werden als:<br />

( ) (<br />

a b<br />

x<br />

Mv = 0 mit M =<br />

<strong>und</strong> v =<br />

c d<br />

y<br />

)<br />

(25)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 29


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Lösung mittels Matrixschreibweise (2)<br />

• Der Nullvektor v = 0 ist immer eine (triviale) Lösung von (24).<br />

• v = 0 ist auch einzige Lösung, wenn gilt detM = ad − bc ≠ 0<br />

• Im Falle detM = 0 enthalten beide Gleichungen ”dieselbe Information”.<br />

D.h. jede Kombination von x <strong>und</strong> y, die eine der Gleichungen erfüllt, ist<br />

auch Lösung des Systems.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 30


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Lösung mittels Matrixschreibweise (3)<br />

Anwendung dieser Schreibweise auf System (17,18):<br />

( ) ( )<br />

xn<br />

a11 a<br />

V n+1 = MV n mit V n = <strong>und</strong> M = 12<br />

. (26)<br />

y n a 21 a 22<br />

Vermittels des schon vorher verwendenten Ansatzes erhält man eine<br />

Lösung der Form<br />

( )<br />

Aλ<br />

n<br />

V n =<br />

Bλ n . (27)<br />

Einsetzen dieses Ansatzes in (26) ergibt<br />

( ) ( )( )<br />

Aλ<br />

n+1 a11 a<br />

Bλ n+1 = 12 Aλ<br />

n<br />

a 22 Bλ n . (28)<br />

a 21<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 31


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Lösung mittels Matrixschreibweise (4)<br />

Ausmultiplizieren <strong>und</strong> Division durch den Faktor λ n liefert folgendes Gleichungssystem<br />

0 = A(a 11 − λ) + Ba 12 ,<br />

0 = Aa 21 + B(a 22 − λ). (29)<br />

In Matrixform geschrieben<br />

0 =<br />

(<br />

a11 − λ a 12<br />

a 22 − λ<br />

a 21<br />

)(<br />

A<br />

B<br />

)<br />

. (30)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 32


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Lösung mittels Matrixschreibweise (5)<br />

Eine Lösung des Systems (29) ist die triviale Lösung A = B = 0. Dieses<br />

führt allerdings auf V ≡ 0. Um weitere (nichttriviale) Lösungen zu erhalten<br />

setzte die Determinate der Koeffizientenmatrix gleich 0:<br />

( )<br />

a11 − λ a<br />

det<br />

12<br />

= 0 (31)<br />

a 22 − λ<br />

a 21<br />

Dies führt auf<br />

(a 11 − λ)(a 22 − λ) − a 12 a 21 = 0<br />

<strong>und</strong> damit auf die charakteristische Gleichung der Eigenwerte λ<br />

λ 2 − βλ + γ = 0 (32)<br />

wobei β = a 11 + a 22 <strong>und</strong> γ = (a 11 a 22 − a 12 a 21 ) bezeichnet.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 33


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Lösung mittels Matrixschreibweise (6)<br />

Die Lösungen der characteristische Gleichung sind bereits bekannt:<br />

λ 1,2 = β ± √ β 2 − 4γ<br />

.<br />

2<br />

Die Größen β, γ <strong>und</strong> β 2 − 4γ werden wie folgt bezeichnet:<br />

β = a 11 + a 22 = trM . .. Spur (trace) der Matrix M<br />

γ = a 11 a 22 − a 12 a 21 = detM . .. Determinante von M<br />

β 2 − 4γ = disc(M) . .. Diskriminante von M<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 34


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Einschub: Eigenvektor<br />

Jedem Eigenwert kann ein sogenannter Eigenvektor v i =<br />

zugeordnet<br />

werden. Dieser erfüllt die folgende Gleichung<br />

(<br />

Ai<br />

B i<br />

)<br />

Mv i = λ i v i .<br />

Diese Matrixgleichung erhält man auch aus Gleichung (28) vermittels Division<br />

durch λ n <strong>und</strong> einsetzten eines speziellen Eigenwertes λ i .<br />

Jedes skalare Vielfache eines Eigenvektors ist wieder ein Eigenvektor, d.h.<br />

wenn v ein Eigenvektors ist, so ist auch αv mit α ∈ R ein Eigenvektor.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 35


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Qualitatives Verhalten linearer Differenzengleichungen (1)<br />

• Eine allgemeine Differenzengleichung m-ter Ordnung hat die Form<br />

a 0 x n+m + a 1 x n+m−1 + · · · + a m x n = b n .<br />

• Sind die a i (i = 0, ...,m) Konstanten <strong>und</strong> ist b n = 0, so spricht man von<br />

einer homogenen linearen Differenzengleichung mit konstanten Koeffizienten.<br />

Bisher vorgestellten Lösungsverfahren bezogen sich auf diese<br />

spezielle Art von Differenzengleichungen. Die Lösungen waren in diesem<br />

Falle Linearkombinationen von Ausdrücken der Form<br />

x n = Cλ n ,<br />

mit λ... Lösungen der charakt. Gleichung (Eigenwerte).<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 36


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Qualitatives Verhalten linearer Differenzengleichungen (2)<br />

• Die Anzahl (verschiedener) Basis-Lösungen ist durch die Ordnung der<br />

D.-Gleichung bestimmt; Im Allgmeinen hat eine D.-Gleichung m-ter Ordnung<br />

(bzw. ein System von m D.-Gleichungen 1. Ordnung) m Basis-<br />

Lösungen.<br />

• Die allgemeine Lösung ist eine lineare Superposition (Linearkombination)<br />

der m Basis-Lösungen (gegeben, unterschiedliche λ )<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 37


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Qualitatives Verhalten linearer Differenzengleichungen (3)<br />

• Für reelle λ hängt das qualitative Verhalten der Basis-Lösung davon ab,<br />

in welchen der folgenden Bereiche λ fällt:<br />

λ ≥ 1, 0 < λ < 1, −1 < λ < 0, λ ≤ −1.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 38


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Qualitatives Verhalten linearer Differenzengleichungen (4)<br />

• Allgemeine Lösungen von linearen Differenzengleichungen der Ordnung<br />

m > 1 kombinieren ggf. verschiedene dieser qualitativen Charakteristiken<br />

• Der dominante Eigenwert (das betragsmäßig größte λ i ) hat dabei den<br />

stärksten Einfluß auf das Verhalten; dies bedeutet, dass das Langzeitverhalten<br />

(Generationszahl n groß) approximativ beschrieben werden kann<br />

durch<br />

x n+1 ≃ λ i x n<br />

• Die Dynamik enthält eine oszillatorische Komponente, wenn einer der<br />

Eigenwerte negativ (oder komplex) ist.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 39


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Einschub: Komplexe Eigenwerte (1)<br />

Die charakteristische Gleichung λ 2 −βλ+γ = 0 liefert für β 2 < 4γ komplexe<br />

Eigenwerte. Die treten als sogenannte konjugierte Paare auf<br />

wobei a = β/2 <strong>und</strong> b = 1 2 |β2 − 4γ| 1/2 .<br />

λ 1 = a + bi <strong>und</strong> λ 1 = a − bi<br />

Die allgemeine Lösung (Linearkombination der Basislösungen) enthält damit<br />

Potenzen von komplexen Zahlen<br />

x n = A 1 (a + bi) n + A 2 (a − bi) n . (33)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 40


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Einschub: Komplexe Eigenwerte (2)<br />

Um eine solche Lösungsstruktur verstehen zu können, hier eine kurze Zusammenfassung<br />

von Rechenregeln komplexer Zahlen.<br />

Es gelten folgende äquivalente Darstellungsformen für komplexe Zahlen:<br />

a + bi = r(cosΦ + isin Φ) = re iΦ (34)<br />

a − bi = r(cosΦ − isin Φ) = re −iΦ (35)<br />

Hierbei gelte:<br />

bzw. äquivalent dazu<br />

a = r cosΦ , b = r sinΦ. (36)<br />

r = (a 2 + b 2 ) 1/2 , Φ = arctan(b/a) (37)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 41


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Einschub: Komplexe Eigenwerte (3)<br />

Damit kann die Potenz einer komplexen Zahl verstanden werden als:<br />

(a + bi) n = (re iΦ ) n = r n e inΦ = c + di, mit c = r n cosnΦ <strong>und</strong> d = r n sinnΦ.<br />

Graphisch interpretiert bedeutet dies eine Rotation des ursprünglichen Vektors<br />

(a,b) um n · Φ <strong>und</strong> Streckung auf n-fache Potenz der Originallänge.<br />

Imaginäre Achse<br />

b<br />

(1+i) 3<br />

Imaginäre Achse<br />

(1+i)<br />

2<br />

(1+i)<br />

r<br />

Reelle Achse<br />

(a)<br />

Φ<br />

a<br />

Reelle Achse<br />

(b)<br />

(1+i) 4 5<br />

(1+i)<br />

(1+i)<br />

6<br />

(1+i)<br />

7<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 42


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Einschub: Komplexe Eigenwerte (4)<br />

Unter Ausnutzung dieser Regeln erhält man für die allgemeine Lösung mit<br />

komplexen Eigenwerten:<br />

x n<br />

= A 1 (a + bi) n + A 2 (a − bi) n<br />

= A 1 r n (cosnΦ + isinnΦ) + A 2 r n (cosnΦ − isinnΦ)<br />

= B 1 r n cosnΦ + iB 2 r n sinnΦ<br />

mit B 1 = A 1 + A 2 <strong>und</strong> B 2 = A 1 − A 2 . Für u n = r n cosnΦ <strong>und</strong> v n = r n sinnΦ<br />

erhält man<br />

x n = B 1 u n + iB 2 v n (38)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 43


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Einschub: Komplexe Eigenwerte (5)<br />

Da von einer linearen Differenzengleichung ausgegangen war, kann gezeigt<br />

werden, dass sowohl der reelle als auch der imaginäre Anteil von x n =<br />

B 1 u n + iB 2 v n selbst Lösungen sind. Auf dieser Basis kann man eine reellwertige<br />

Lösung durch Linearkombination von u n <strong>und</strong> v n konstruieren:<br />

x n = C 1 u n + C 2 v n = r n (C 1 cosnΦ + C 2 sinnΦ). (39)<br />

Komplexe Eigenwerte (λ = a ± bi) sind somit verb<strong>und</strong>en mit oszillierenden<br />

(reellen) Lösungen. Hierbei gilt: wachsende Amplitude für r = √ (a 2 + b 2 ) ><br />

1, sich verringernde Amplitude für r = √ (a 2 + b 2 ) < 1 oder konstante Amplitude<br />

für r = √ (a 2 + b 2 ) = 1. Die Frequenz der Oszillation hängt vom<br />

Verhältnis b/a ab.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 44


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Betrachte:<br />

Komplexe Eigenwerte - Beispiel<br />

x n+2 − 2x n+1 + 2x n = 0. (40)<br />

Die zugehörige charakteristische Gleichung lautet: λ 2 − 2λ + 2 = 0. Diese<br />

hat komplexe Lösungen λ = 1 ± i. D.h. a = b = 1, so dass<br />

r = √ (a 2 + b 2 ) = √ 2 <strong>und</strong> Φ = arctan(b/a) = π/4.<br />

Somit lautet die reellwertige allgemeine Lösung von (40)<br />

x n = √ 2 n [C 1 cos(nπ/4) + C 2 sin(nπ/4)].<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 45


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Nichtlineare Differenzengleichungen<br />

• Eine nichtlineare Differenzengleichung ist jede Gleichung der Form<br />

x n+1 = f(x n , x n−1 , ...), (41)<br />

wobei f eine nichtlineare Beziehung der Argumente x n ,x n−1 , ... darstellt.<br />

• Eine analytische Lösung einer solchen nichtlinearen Gleichung kann nur<br />

wenigen Fällen angegeben werden.<br />

• Ausweg: Numerische Lösung, lineare Approximation, qualitative Beschreibung<br />

der Lösung.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 46


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Fixpunkte / Steady states<br />

Betrachte zunächst nichtlineare Differenzengleichungen 1. Ordnung:<br />

x n+1 = f(x n ). (42)<br />

• Eine stabile Lösung (steady state) bezeichnet einen Systemzustand, welcher<br />

sich über die Zeit nicht ändert.<br />

• Ein solche stabile Lösung (auch Fixpunkt genannt) ist definiert durch<br />

• Als eine Folgerung aus (42), erfüllt ¯x auch<br />

x n+1 = x n = ¯x (43)<br />

¯x = f(¯x) (44)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 47


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Stabilität von Fixpunkten<br />

• Man unterscheidet prinzipiell 2 Arten von Fixpunkten.<br />

– stabil: ”zieht Nachbarzustände an”<br />

– instabil: ”stößt Nachbarzustände ab”<br />

1<br />

00 11<br />

00 11<br />

00 11<br />

00 11<br />

2 3<br />

00 11<br />

00 11<br />

00 11<br />

00 11<br />

00 11<br />

00 11<br />

00 11<br />

00 11<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 48


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Linearisierung (1)<br />

• Um die Stabilität eines Fixpunktes ¯x zu bestimmen geht man folgender<br />

maßen vor:<br />

1. Betrachte (kleine) Störungen x ′ n des Fixpunktes ¯x, d.h.<br />

x n = ¯x + x ′ n (45)<br />

2. Analysiere, ob diese Störung mit der Zeit zu oder abnimmt.<br />

• Diese Vorgehensweise reduziert das Problem auf eine lineare Differenzengleichung<br />

für die bereits vorgestellte Lösungsverfahren angewandt<br />

werden können.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 49


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Linearisierung (2)<br />

• Ausgehend von (44) <strong>und</strong> (45) erhält man<br />

x ′ n+1 = x n+1 − ¯x = f(x n ) − ¯x = f(¯x + x ′ n) − ¯x. (46)<br />

• Approximation von f mittels Taylorentwicklung unter Ausnutzung der Annahme:<br />

x ′ n klein.<br />

f(¯x + x ′ n) = f(¯x) +<br />

( df<br />

∣<br />

)x ′ n + O(x ′2<br />

dx<br />

n) (47)<br />

∣¯x<br />

• O(x ′2 n) repräsentiert in der Nähe von ¯x sehr kleine Werte.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 50


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Linearisierung (3)<br />

• Die O(x ′2 n) werden nun vernachlässigt <strong>und</strong> man erhält<br />

x ′ n+1 ≃ f(¯x) − ¯x +<br />

( df<br />

∣<br />

)x ′<br />

dx<br />

n. (48)<br />

∣¯x<br />

• Unter Beachtung von f(¯x) = ¯x kann die obige Gleichung geschrieben<br />

werden als<br />

( ) df<br />

x ′ n+1 = ax ′ n mit a = ∣<br />

(49)<br />

dx∣¯x • Somit erhält man aus dem nichtlinearen Problem eine lineare Gleichung<br />

für die Störung x ′ n.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 51


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Linearisierung (4)<br />

• Um das Verhalten des nichtlinearen Systems in der Nähe seiner Fixpunkte<br />

zu charakterisieren, betrachtet man als das Verhalten der kleinen<br />

Störung x ′ n:<br />

• Die Lösung von (42) wächst für |a| > 1 <strong>und</strong> wird kleiner für |a| < 1.<br />

• Man erhält hieraus eine Bedingung für Stabilität des eines Fixpunktes ¯x:<br />

¯x is stabiler Fixpunkt von (42) ⇔<br />

df<br />

∣<br />

dx |¯x<br />

∣ < 1 (50)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 52


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Stabilitätsanalyse - Beispiel (1)<br />

Betrachte das folgende nichtlineare Populationswachstumsmodell<br />

x n+1 = kx n<br />

b + x n<br />

, b,k > 0 (51)<br />

Bestimmung der Fixpunkte: Setze ¯x = x n+1 = x n in (51) ein:<br />

¯x = k¯x<br />

b + ¯x<br />

⇒ ¯x(b + ¯x) = k¯x ⇒ ¯x(¯x + b − k) = 0. (52)<br />

Damit erhält man<br />

¯x = k − b oder ¯x = 0. (53)<br />

Beachte: k > b da negative Populationsgrößen uninteressant sind.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 53


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Stabilitätsanalyse - Beispiel (2)<br />

Zur Analyse des Stabilitätsverhaltens bestimme<br />

1. ¯x = 0:<br />

d<br />

dx<br />

( kxn<br />

b + x n<br />

)<br />

= k(b + x n) − kx n<br />

(b + x n ) 2<br />

2. ¯x = k − b:<br />

df<br />

dx |¯x=0 = kb<br />

b 2 = k b > 1 ⇒ instabil.<br />

df<br />

dx |¯x=k−b =<br />

kb<br />

(b + k − b) 2 = b k < 1 ⇒ stabil.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 54


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Die logistische Differenzengleichung (1)<br />

Gegeben sei folgende Gleichung:<br />

x n+1 = rx n (1 − x n ) (54)<br />

Bestimmung der Fixpunkte: ¯x = r¯x(1 − ¯x) ⇒ r¯x 2 − ¯x(r − 1) = 0.<br />

Damit erhält man die Fixpunkte: ¯x 1 = 0 <strong>und</strong> ¯x 2 = 1 − 1 r .<br />

Die Analyse von Störungen um den nichttrivialen Fixpunkt x 2 liefert:<br />

x ′ n+1 = ax ′ n, mit a = df<br />

∣ = r(1 − = 2 − r. 2x)|¯x2 dx∣¯x2 Daraus folgernd gilt: ¯x 2 ist stabil wenn gilt |a| < 1, d.h. 1 < r < 3. Die<br />

Stabilität hängt also vom Parameter r ab.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 55


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Die logistische Differenzengleichung (2)<br />

• Diese einfache nichtlineare Differenzengleichung (ein Parameter, einfache<br />

quadratische Nichtlinearität) wird oft zur Beschreibung einer Population<br />

mit dichteabhängiger Reproduktionsrate verwendet.<br />

• Dabei zu beachten: Außerhalb der Intervalle 0 < x < 1 <strong>und</strong> 1 < r < 4<br />

stirbt die Population aus.<br />

• Desweitern: ”Auffälliges” Verhalten des Systems für 3 < r < 4 (siehe<br />

Simulationsbeispiele)<br />

• Setzt man z.B. r ein klein wenig größer als 3, so scheinen sich stabile<br />

Oszillationen der Peroide 2 zu ergeben.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 56


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Einschub: Bestimmung periodischer Lösungen (1)<br />

• Um zu sehen, wie es zu der Periodizität kommt betrachte den folgenden<br />

Ansatz: x n+1 = f(x n ), x n+2 = x n .<br />

⇒ f(x n+1 ) = f(f(x n ))<br />

⇒ x n+2 = f(f(x n )) (55)<br />

Unter Verwendung von g(x) = f(f(x)) <strong>und</strong> Einführung des Index k = n/2<br />

(n gerade), kann (55) geschrieben werden als<br />

x k+1 = g(x k ) (56)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 57


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Einschub: Bestimmung periodischer Lösungen (2)<br />

• Aufgr<strong>und</strong> der Konstruktion von x k+1 = g(x k ) entspricht ein Fixpunkt ¯x<br />

dieser Gleichung einer Periode-2-Lösung des Ausgangsproblems (55).<br />

• Nach Voraussetzung gibt es zwei solcher Lösungen ¯x 1 ¯x 2 .<br />

• Damit kann die periodische Lösung mittels bekannter Methoden zur<br />

Lösung von x k+1 = g(x k ) bestimmt werden:<br />

( ∣<br />

– Stabiles Verhalten von ¯x i , wenn<br />

dg ∣∣∣<br />

∣ dx)∣<br />

< 1 ∣∣¯x i<br />

– Man kann zeigen, dass ein ( stabiler Periode-2 Zyklus vorliegt gdw.<br />

)(<br />

)∣ dg∣<br />

dg∣<br />

∣∣∣<br />

∣ dx dx<br />

< 1<br />

∣¯x 1<br />

∣¯x 2<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 58


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Die logistische Differenzengleichung (3)<br />

• Um die Fixpunkte des zwei-Punkte Zyklus von x n+1 = rx n (1 − x n ) (für<br />

r > 3) zu bestimmen betrachte die zusammengesetze Abbildung g(x) =<br />

f(f(x)).<br />

g(x) = r[rx(1 − x)](1 − [rx(1 − x)])<br />

= r 2 x(1 − x)[1 − rx(1 − x)] (57)<br />

• Zur Bestimmung des Fixpunktes ¯x von g setze ¯x = g(¯x):<br />

1 = r 2 (1 − ¯x)[1 − r¯x(1 − ¯x)] (58)<br />

• Dies ist ein kubisches Polynom mit im allgemeinen 3 Lösungen.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 59


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Die logistische Differenzengleichung (4)<br />

• Beachte: Ein Fixpunkt von x n+1 = f(x n ) ist automatisch auch Fixpunkt<br />

von x n+1 = f(f(x n )).<br />

• Damit muss also der bereits erhaltene Fixpunkt 1 − 1/r einer der drei<br />

Lösungen von (58) entsprechen <strong>und</strong> kann somit eliminiert werden.<br />

• Nach Anwendung von ”ein wenig Algebra” verbleibt somit die Bestimmung<br />

der Lösungen von x 2 − ( ) (<br />

r+1<br />

r x + r+1<br />

)<br />

r = 0. 2<br />

⇒ ¯x 1/2 = r + 1 ± √ (r − 3)(r + 1)<br />

. (59)<br />

2r<br />

• Dies ergibt reelle Lösungen für r < −1 oder r > 3. (r > 3 entspricht auch<br />

der Bedingung für welche ¯x = 1 − 1/r instabil wird.)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 60


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Die logistische Differenzengleichung (4)<br />

• Eine Analyse der Stabilität von ¯x 1 <strong>und</strong> ¯x 2 (Bestimmung von df/dx an den<br />

Stellen ¯x 1 <strong>und</strong> ¯x 2 ) zeigt, dass der 2-Punkt Zyklus nur für 3 < r < r 2 mit<br />

r 2 ≃ 3.3 stabil ist.<br />

• Was passiert für r 2 < r < 4?<br />

• Hierzu betrachten wir eine grafische Methode der Analyse von Differenzengleichungen<br />

...<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 61


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Grafische Lösung (1)<br />

x_(n+1)<br />

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0<br />

x_n<br />

0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7<br />

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0<br />

x_n<br />

0 2 4 6 8 10<br />

generation<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 62


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong> Populationswachstum, diskret<br />

Grafische Lösung (2)<br />

x_(n+1)<br />

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0<br />

x_(n+1)<br />

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0<br />

x_(n+1)<br />

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0<br />

x_(n+1)<br />

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0<br />

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0<br />

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0<br />

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0<br />

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0<br />

x_n<br />

x_n<br />

x_n<br />

x_n<br />

x_n<br />

0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7<br />

x_n<br />

0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8<br />

x_n<br />

0.2 0.4 0.6 0.8<br />

x_n<br />

0.2 0.4 0.6 0.8 1.0<br />

0 5 10 15 20 25<br />

0 5 10 15 20 25<br />

0 5 10 15 20 25<br />

0 5 10 15 20 25<br />

generation<br />

generation<br />

generation<br />

generation<br />

(a)<br />

(b)<br />

(c)<br />

(d)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 63


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

<strong>Systeme</strong> nichtlinearer Differenzengleichungen<br />

• Verallgemeinerung der vorgestellten Methoden auf <strong>Systeme</strong> von n nichtlinearen<br />

Differenzengleichungen am Beispiel n = 2<br />

x n+1 = f(x n , y n )<br />

y n+1 = g(x n ,y n ) (60)<br />

• Die stabilen Zustände dieses Systems erfüllen die Bedingungen<br />

¯x = f(¯x, ȳ)<br />

ȳ = g(¯x,ȳ) (61)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 64


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Stabilität nichtlinearer Differenzengleichungssysteme (1)<br />

• Das Stabilitätsverhalten kann wieder anhand des linearisierten Systems<br />

analysiert werden. D.h. betrachte kleine Störung x ′ nahe dem Fixpunkt ¯x:<br />

f(¯x + x ′ ,ȳ + y ′ ) = f(¯x,ȳ) + ∂f<br />

∣ x ′ + ∂f<br />

∣ y ′ + . .. (62)<br />

∂x∣¯x,ȳ ∂y∣¯x,ȳ • Weiterhin gilt, wie bereits weiter vorn in ähnlicher Weise gezeigt:<br />

x ′ n+1 = x n+1 −¯x = f(x n ,y n )−¯x = f(¯x+x ′ n,ȳ+y ′ )−¯x <strong>und</strong> f(¯x,ȳ) = ¯x.<br />

⇒ x ′ n+1 ≃ ∂f<br />

∣ x ′ n + ∂f<br />

∣ y n<br />

′ ∂x∣¯x,ȳ ∂y∣¯x,ȳ • Eine analoge Darstellung ergibt sich für g(x, y).<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 65


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Stabilität nichtlinearer Differenzengleichungssysteme (2)<br />

• Damit kann man folgendes lineares Gleichungssystem für die Störungen<br />

x ′ <strong>und</strong> y ′ formulieren<br />

x ′ n+1<br />

= a 11 x ′ n + a 12 y ′ n<br />

y ′ n+1 = a 12 x ′ n + a 22 y ′ n (63)<br />

wobei<br />

a 11 = ∂f<br />

∣<br />

∂x<br />

a 21 = ∂g<br />

∣<br />

∂x<br />

∣¯x,ȳ<br />

∣¯x,ȳ<br />

, a 12 = ∂f<br />

∂y<br />

, a 22 = ∂g<br />

∣<br />

∂x<br />

∣<br />

∣¯x,ȳ<br />

∣¯x,ȳ<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 66


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Stabilität nichtlinearer Differenzengleichungssysteme (3)<br />

• In Matrixschreibweise erhält man<br />

x ′ n+1 = Ax ′ n mit A =<br />

( ) (<br />

a11 a 12<br />

, x ′ x<br />

′<br />

a 21 a<br />

n = n<br />

22 y n<br />

′<br />

)<br />

. (64)<br />

• A nennt man Jacobimatrix des Systems (60).<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 67


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Stabilität nichtlinearer Differenzengleichungssysteme (4)<br />

Die Rückführung der Betrachtung auf ein lineares System erlaubt nun die<br />

Stabilitätsanalyse in der Nähe eines Fixpuntes (¯x,ȳ) mit Hilfe der bereits<br />

etablierten Methoden:<br />

1. Bestimme die Lösungen (Eigenwerte) der charakteristischen Gleichung<br />

det(A − λI) = 0 bzw. λ 2 − βλ + γ = 0<br />

wobei β = a 11 + a 22 <strong>und</strong> γ = a 11 a 22 − a 12 a 21 .<br />

2. Untersuche, ob die Eigenwerte betragsmäßig kleiner 1 sind.<br />

⇒ Wenn dies der Fall ist, dann handelt es sich um einen stabilen Fixpunkt.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 68


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Stabilität nichtlinearer Differenzengleichungssysteme (5)<br />

Oft ist es nicht notwending die Eigenwerte explizit zu berechnen, um Stabilität<br />

eines Fixpunktes zu bestimmen. Anstatt dessen betrachte folgende<br />

Bedingung (für Gleichungen 2. Ordnung / System zweier Gleichungen 1.<br />

Ordnung):<br />

{<br />

beide Eigenwerte|λi | < 1<br />

2 > 1 + γ > |β|, d.h. 2 > 1 + detA > |trA| →<br />

d.h. Fixpunkt stabil<br />

(65)<br />

(Herleitung siehe z.B. Edelstein-Keshet, section 2.8)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 69


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Anwendungsbeispiel: Nicholson-Bailey-Modell (1)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 70


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Anwendungsbeispiel: Nicholson-Bailey-Modell (2)<br />

Es gelten folgende Bezeichungen <strong>und</strong> Modellannahmen:<br />

N t ... Dichte der Insekten in Generation t<br />

P t ... Dichte der Parasiten in Generation t<br />

f = f(N t , P t ) ... Anteil nicht befallener Insekten<br />

λ ... Reproduktionsrate der Insekten<br />

c ... mittlere Anzahl von Parasiten-Nachkommen<br />

pro befallenes Insekt<br />

• Insekten (Eier/Larven/Puppen) welche von Parasiten befallen sind, bringen<br />

eine neue Generation von Parasiten hervor.<br />

• Nichtbefallende Insekten generieren eigenen Nachwuchs.<br />

• Der Anteil befallener Insekten hängt von der Rate der Begegnungen von<br />

Insekten <strong>und</strong> Parasiten ab.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 71


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Anwendungsbeispiel: Nicholson-Bailey-Modell (3)<br />

Damit kann das System beschrieben werden mittels:<br />

N t+1 = λN t f(N t ,P t ), P t+1 = cN t [1 − f(N t ,P t )] (66)<br />

Speziell wurde von Nicholson-Bailey angenommen 1<br />

f(N t ,P t ) = e −aP t<br />

Damit erhält man:<br />

N t+1 = λN t e −aP t<br />

P t+1 = cN t [1 − e −aP t<br />

] (67)<br />

1 Diese Form ergibt sich aus Annahme zufälliger (Poisson-verteilten) Begegnungen von Insekten <strong>und</strong> Parasiten<br />

<strong>und</strong> Annahme, dass nur der erste Kontakt einen Beitrag zur Parasiten-Nachkommenschaft liefert.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 72


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Anwendungsbeispiel: Nicholson-Bailey-Modell (4)<br />

Zur Bestimmung der Fixpunkte bezeichne:<br />

F(N,P) = λNe −aP , G(N, P) = cN(1 − e −aP ).<br />

Neben der trivialen Lösung ¯N = 0 erhält man aus:<br />

¯N = F( ¯N, ¯P) = λ<br />

¯Ne<br />

−a ¯P<br />

¯P = G( ¯N, ¯P) = c ¯N(1 −a<br />

− e<br />

¯P)<br />

einen weiteren Fixpunkt (beachte: λ > 1):<br />

⇒ ¯P = lnλ<br />

a<br />

<strong>und</strong> ¯N =<br />

λln λ<br />

(λ − 1) · a · c .<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 73


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Anwendungsbeispiel: Nicholson-Bailey-Modell (5)<br />

Zur Ermittlung der Stabilität bestimme die Koeffizienten der Jacobimatrix:<br />

a 11 = ∂F/∂N| ( ¯N, ¯P) = λe −a ¯P = 1<br />

a 12 = ∂F/∂P | ( ¯N, ¯P)<br />

a 21 = ∂G/∂N| ( ¯N, ¯P)<br />

a 22 = ∂G/∂P | ( ¯N, ¯P)<br />

= −aλ ¯Ne −a ¯P = −a ¯N<br />

= c(1 − e −a ¯P) = c(1 − 1/λ)<br />

= ca ¯Ne −a ¯P = ca ¯N/λ<br />

⇒ β = a 11 + a 22 = ... = 1 + lnλ<br />

λ − 1 ,<br />

γ = a 11a 22 − a 12 a 21 = . .. = lnλ<br />

λ − 1<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 74


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Anwendungsbeispiel: Nicholson-Bailey-Modell (6)<br />

Zeige nunmehr, dass γ > 1, d.h. γ =<br />

λ(ln λ)<br />

λ−1<br />

S(λ) = λ − 1 − λ(lnλ) < 0.<br />

> 1. Betrachte dazu<br />

⇒ S ′ (λ) = 1 − lnλ − (λ(1/λ)) = −lnλ.<br />

Daraus folgt, dass S ′ (λ) < 0 für λ ≥ 1. D.h. S(λ) ist eine monoton fallende<br />

Funktion in λ für λ ≥ 1.<br />

Da außerdem S(1) = 0, folgt hieraus, dass S(λ) < 0 für λ ≥ 1, womit gezeigt<br />

wäre, dass γ > 1.<br />

Dies bedeutet, dass die Stabilitätsbedingung 2 > 1 + γ > |β| verletzt ist.<br />

Somit ist der Fixpunkt ( ¯N, ¯P) niemals stabil.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 75


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, diskret<br />

Anwendungsbeispiel: Nicholson-Bailey-Modell (7)<br />

Da das bisher formulierte Nicholson-Bailey-Modell keine stabilen Zustände<br />

zuläßt, soll nunmehr eine zusätzliche Annahme getroffen werden:<br />

• Ohne Anwesenheit von Parasiten, wächst Insektenpopulation bis auf limitierende<br />

Größe (beschrieben drch sogenannte carrying capacity K),<br />

d.h. speziell gelte λ = λ(N t ) = e r(1−N t/K) .<br />

Damit ändert sich die Form des Modells wie folgt:<br />

N t+1<br />

= N t e r(1−N t/K)−aP t<br />

P t+1 = N t (1 − e −aP t<br />

])<br />

⇒ Übungsaufgabe: Numerische <strong>und</strong> grafische Lösung der beiden Varianten<br />

des Nicholson-Bailey-Modells.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 76


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Kontinuierliche Modelle<br />

Dieser Abschnitt basiert auf Kapitel 4 aus L. Edelstein-Keshet, Mathematical<br />

Models in Biology, Birkhäuser Mathematics Series, McGraw-Hill Inc.,<br />

Boston, 1988.<br />

• Biologische <strong>Systeme</strong>:<br />

– Wachstum von Microorganismen<br />

– Tumorwachstum<br />

• <strong>Modellierung</strong>smethoden:<br />

– lineare/nichtlineare Differentialengleichungen<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 77


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Exponentielles Wachstum (1)<br />

• Es sei mit N(t) die beobachtete Bakteriendichte zu Zeitpunkt t bezeichnet.<br />

• Weiterhin sei K die Reproduktionsrate pro Zeiteinheit.<br />

• Betrachte nunmehr zwei eng benachbarte Zeitpunkte t <strong>und</strong> t + ∆t:<br />

N(t + ∆t) ≃ N(t) + KN(t)∆t<br />

⇒<br />

N(t + ∆t) − N(t)<br />

∆t<br />

= KN(t) (68)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 78


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Exponentielles Wachstum (2)<br />

• Grenzübergang ∆t → 0 in (68) führt auf folgende Differentialgleichung<br />

(”Malthus law”):<br />

dN(t)<br />

= KN(t) (69)<br />

dt<br />

• Lösung mittels Methode der ”Trennung der Variablen” 2 :<br />

2 beachte:<br />

1 dN(t)<br />

N(t) dt<br />

= d dt (ln(N(t)))<br />

∫ dN<br />

N<br />

lnN<br />

= ∫<br />

Kdt<br />

= Kt + C<br />

⇒ N(t) = N(0)e Kt (70)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 79


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Exponentielles Wachstum (3)<br />

• Gleichung (70) kann zur Beschreibung einer Reihe natürlicher Phenomene<br />

benutzt werden:<br />

– Bakterienwachstum: K > 0<br />

– Zellwachstum: K = ln2/Zellzykluszeit<br />

– (Radioaktiver) Zerfall: K < 0<br />

• Beachte: Voraussetzung für Anwendbarkeit, speziell im Bezug auf Populationswachtumsprozesse,<br />

ist die Annahme ungebremsten Wachstums<br />

(d.h. K = const). Diese ist bei beschränkten Resourcen eine unrealistische<br />

Annahme.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 80


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Logistisches Wachstum (1)<br />

• Zur Korrektur der Annahme eines unbeschränkten exponentiellen<br />

Wachstums, betrachte nunmehr die folgende Wachstumsrate:<br />

g(N) = r ( 1 − N K)<br />

.<br />

• Diese Vorschrift beschreibt eine mit der Populationsgröße linear abfallende<br />

pro Kopf Wachstumsrate <strong>und</strong> man erhält<br />

dN<br />

(1<br />

dt = r − N )<br />

N. (71)<br />

K<br />

mit Lösung: N(t) =<br />

N 0 K<br />

N 0 +(K−N 0 )e −rt .<br />

• K ist hierbei die sogenannte carrying capacity.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 81


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Logistisches Wachstum (2)<br />

• Aus Gleichung (71) ersieht man, dass<br />

dN<br />

dt = 0 für<br />

N = K<br />

d.h. N = K ist ein stationärer Zustand der logistischen Gleichung.<br />

• Es ist leicht erkennbar, dass N = K ein stabiler stationärer Zustand ist:<br />

dN<br />

dt < 0 für N > K <strong>und</strong> dN dt > 0 für N < K<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 82


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Logistisches Wachstum (3)<br />

• Eine mögliche Interpretation der logistischen Wachstumsdynamik kann<br />

aus folgender Schreibweise von Gleichung (71) abgelesen werden:<br />

dN<br />

dt = rN − r K N2 . (72)<br />

• D.h. die Änderung von N setzt sich zusammen aus einem Gewinnterm<br />

(rN), welcher ein exponentielles Wachstum beschreibt <strong>und</strong> einem Verlustterm<br />

( r K N2 ), der z.B. eine Sterblichkeit aufgr<strong>und</strong> einer Intraspezies-<br />

Kompetition um Resourcen (wie Futter) repräsentiert.<br />

• Dieser Kompetitionseffekt ist proportional zur Anzahl der Zusammentreffen<br />

von zwei Mitgliedern der Population (N 2 ).<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 83


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Logistisches Wachstum (4)<br />

Vergleiche kontinuierliche mit diskreter Variante dieses Wachstumsmodells<br />

N t+1 = rN t − rN 2 t<br />

vs<br />

dN<br />

dt<br />

= rN − rN2<br />

• Stabilitätsverhalten<br />

• Parameterabhängigkeit<br />

• Oszillationen<br />

• Chaos<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 84


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Beispiel: Bakterienwachstum im Chemostat (1)<br />

C 0<br />

Einstrom<br />

Nährstoff−<br />

reservoir<br />

N<br />

C<br />

Volumen<br />

V<br />

Bakterienkultur<br />

Ausstrom<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 85


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Aufgabe:<br />

Beispiel: Bakterienwachstum im Chemostat (2)<br />

• Es stehen folgende Variablen zu Verfügung:<br />

– Nährstoffkonzentration C,<br />

– Flussrate F ,<br />

– Volumen der Bakterienwachstumskammer V .<br />

• Konfiguriere das System so, dass<br />

– die Flussrate das System nicht ”auswäscht”,<br />

– die Nahrungszufuhr hinreichend groß ist, um ein normales Wachstum<br />

der Bakterienkollonie zu garantieren.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 86


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Beispiel: Bakterienwachstum im Chemostat (3)<br />

Modellparameter:<br />

Nahrungsmittelkonzentration in Bakterienkammer C<br />

Nahrungsmittelkonzentration in Reservior C 0<br />

Dichte der Bakterienpopulation<br />

N<br />

Ertragskonstante Y = 1/α<br />

Volumen der Bakterienkammer<br />

V<br />

Reproduktionsrate<br />

K<br />

Ein- <strong>und</strong> Ausflussrate<br />

F<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 87


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Beispiel: Bakterienwachstum im Chemostat (4)<br />

Modellanahmen:<br />

• Gleichmäßige Verteilung von Nährstoffen <strong>und</strong> Bakterien in der Kammer,<br />

• Wir gehen von nur einer wachstumslimitierenden Nährstoffkomponente<br />

aus,<br />

• Wachstumsrate der Bakterien hängt von Nährstoffkonzentration ab, d.h.<br />

K = K(C),<br />

• Nährstoffverbrauch tritt kontinuierlich ”als Resultat” der Bakterienreproduktion<br />

auf.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 88


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Beispiel: Bakterienwachstum im Chemostat (5)<br />

Modellgleichungen:<br />

dN<br />

dt<br />

dC<br />

dt<br />

= K(C)N − FN (73)<br />

= −αK(C)N − FC + FC 0 (74)<br />

→ Kontrolle der Modellstruktur durch Vergleich der Dimensionen.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 89


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Beispiel: Bakterienwachstum im Chemostat (6)<br />

Modellgleichungen (korregiert):<br />

dN<br />

dt<br />

dC<br />

dt<br />

= K(C)N − FN<br />

V<br />

= −αK(C)N − FC<br />

V + FC 0<br />

V<br />

(75)<br />

(76)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 90


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Beispiel: Bakterienwachstum im Chemostat (7)<br />

Eine andere Möglichkeit korrekte Modellgleichungen zu erhalten ist die Anwendung<br />

des Prinzips der Masseerhaltung bzw. Erhaltung von Teilchenzahlen.<br />

NV = Anzahl der Bakterien in der Kammer<br />

CV = Nährstoffmasse in der Kammer<br />

⇒<br />

d(NV )<br />

dt<br />

d(CV )<br />

dt<br />

= K(C)NV − FN (77)<br />

= −αK(C)NV − FC + FC 0 (78)<br />

→ Division durch V führt wieder auf System (75,76).<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 91


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Einschub: Michaelis-Menten Kinetik (1)<br />

• Wachstumsraten (z.B. bei Bakterien) abhängig von Nährstoffangebot;<br />

• Wenn eher wenig Nährstoffe vorhanden sind, wird die Wachstumrate mit<br />

Zunahme der Nährstoffverfügbarkeit auch wachsen;<br />

• Allerdings, wird es realistischer Weise eine Nährstoffmenge geben, bei<br />

der die Wachstumsrate nicht mehr weiter wachsen kann;<br />

• Es resultiert eine Sättigung der Wachstumsrate bei hohen Nährstoffkonzentrationen.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 92


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Einschub: Michaelis-Menten Kinetik (2)<br />

Eine Möglichkeit, eine solche limitierte Produktionsrate zu beschreiben ist<br />

die sogenannte Michaelis-Menten-Kinetik:<br />

K(C) = K maxC<br />

K n + C<br />

(79)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 93


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Beispiel: Bakterienwachstum im Chemostat (8)<br />

Benutzung einer Michaelis-Menten-Kinetik für die Dichteabhängigkeit der<br />

Reproduktionsrate führt auf das folgende Modell:<br />

( )<br />

d(N) Kmax C<br />

= N − FN<br />

dt K n + C V<br />

( )<br />

d(C) Kmax C<br />

= −α<br />

dt K n + C<br />

• Modellvariablen: N, C<br />

N − FC<br />

V + FC 0<br />

V<br />

(80)<br />

(81)<br />

• konstante Modellparameter: K max ,K n ,α<br />

(spezifisch)<br />

• variable Modellparameter: F,C 0 , V<br />

(frei wählbar)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 94


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Einschub: Dimensionslose Variablen (1)<br />

• 6 (prinzipiell wählbare) Parameter (degrees of freedom);<br />

• Effekte einzelner Parameter können einander u.U. beeinflussen;<br />

• D.h. obwohl 6 Parameter in den Gleichungen spezifiziert sind, hat man<br />

im Allgemeinen weniger als 6 Freiheitsgrade vorliegen.<br />

→ Eine Möglichkeit diese effektiven Parameter ausfindig zu machen: Verwendung<br />

dimensionsloser Größen.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 95


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Einschub: Dimensionslose Variablen (2)<br />

Möglichkeiten der Darstellung der Dichte N:<br />

N<br />

= 10 5 · [Zellen / Liter]<br />

= 1 · [(Einheit von 10 5 Zellen) / Liter]<br />

= 100[Zellen / Milliliter]<br />

= N ∗ · [N] (82)<br />

• D.h. Darstellung von N zerfällt in zwei Teile: dimensionslose Zahl N ∗ <strong>und</strong><br />

die Einheit (physikalische Dimension) [N].<br />

• [N] beschreibt hierbei die Skale auf der das System betrachtet wird.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 96


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Einschub: Dimensionslose Variablen (3)<br />

Anwendung dieser Unterscheidung zunächst bezogen auf N, C, t in System<br />

(80,81):<br />

d(N ∗ · [N])<br />

d(t ∗ · [t])<br />

d(C ∗ · [C])<br />

d(t · [t])<br />

=<br />

= −α<br />

(<br />

Kmax · C ∗ ) · [C]<br />

N ∗ · [N] − F · N ∗ · [N]<br />

K n + C ∗ · [C]<br />

V<br />

(<br />

Kmax · C ∗ ) · [C]<br />

K n + C ∗ N ∗ · [N] − . ..<br />

· [C]<br />

... − F · C∗ · [C]<br />

V<br />

+ F · C 0<br />

V<br />

(83)<br />

(84)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 97


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Einschub: Dimensionslose Variablen (4)<br />

Multiplikation mit [t] sowie Division durch [N], [C] liefert:<br />

d(N ∗ (<br />

)<br />

C ∗ )<br />

dt ∗ = [t] · K max<br />

K n /[C] + C ∗<br />

d(C ∗ )<br />

dt ∗ =<br />

N ∗ − [t] · F<br />

V N ∗ (85)<br />

( )(<br />

−α · [t] · Kmax · [N] C ∗ )<br />

[C] K n /[C] + C ∗ N ∗ − ...<br />

... − [t] · F<br />

V C∗ + [t] · F · C 0<br />

V [C]<br />

(86)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 98


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Einschub: Dimensionslose Variablen (5)<br />

Durch günstige Wahl der Einheiten ([N],[C], [t]) können die Gleichungen<br />

erheblich vereinfacht werden. Wähle also:<br />

[t] = V F , [C] = K n, [N] =<br />

K n<br />

α[t]K max<br />

.<br />

Damit erhält man:<br />

dN<br />

dt<br />

dC<br />

dt<br />

( ) C<br />

= α 1 N − N<br />

1 + C<br />

( ) C<br />

= − N − C + α 2<br />

1 + C<br />

(Der Einfachheit halber wurden die N ∗ , C ∗ ,t ∗ wieder durch N, C, t ersetzt.)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 99


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Einschub: Dimensionslose Variablen (6)<br />

Dieses System enthält nunmehr nur noch dimensionslose Variablen, sowie<br />

zwei dimensionslose Parameter α 1 <strong>und</strong> α 2 (anstatt der ursprünglich 6 Parameter):<br />

α 1<br />

= ([t] · K max ) = V · K max<br />

F<br />

α 2 = [t] · F · C 0<br />

V · [C]<br />

= C 0<br />

K n<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 100


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Beispiel: Bakterienwachtum im Chemostat (9)<br />

Damit liegt dimensionslose Beschreibung des Chemostat-System vor:<br />

( )<br />

dN C<br />

= α 1 N − N (87)<br />

dt 1 + C<br />

( )<br />

dC C<br />

= − N − C + α 2 (88)<br />

dt 1 + C<br />

• Das System besitzt zwei Freiheitsgrade;<br />

• Es ist ein nichtlineares System;<br />

• Explizite Lösung von N(t) schwierig → qualitative Analyse der stationären<br />

Zustände <strong>und</strong> ihres Stabilitätsverhaltens angebracht ...<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 101


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Beispiel: Bakterienwachtum im Chemostat (10)<br />

Bestimmung der stationären Zustände (steady states), durch Betrachtung<br />

des Systems für den Fall, dass für beide Variablen die zeitliche Änderung<br />

verschwindet, d.h.<br />

Damit folgt aus (87,88)<br />

dN<br />

dt = 0,<br />

dC<br />

dt<br />

= 0. (89)<br />

( ) ¯C<br />

F( ¯N, ¯C) = α 1<br />

1 + ¯C<br />

¯N − ¯N = 0 (90)<br />

( ) ¯C<br />

G( ¯N, ¯C) = −<br />

1 + ¯C<br />

¯N − ¯C + α 2 = 0 (91)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 102


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Beispiel: Bakterienwachtum im Chemostat (11)<br />

Die Gleichungen (90) <strong>und</strong> (91) können explizt für ¯N <strong>und</strong> ¯C gelöst werden.<br />

Gleichung (90) liefert als Lösungen:<br />

¯N = 0 oder ¯C = 1<br />

α 1 − 1 .<br />

• Damit ergibt sich aus Gleichung (91) für den Fall ¯N = 0: ¯C = α2<br />

( ¯C<br />

• Für ¯N ¯C)<br />

≠ 0 erhält man<br />

1+<br />

¯N = (α2 − ¯C), woraus man unter Ausnutzung<br />

von ¯C = 1<br />

α 1 −1<br />

folgende Lösung erhält:<br />

¯N = 1 + ¯C<br />

¯C (α 2 − ¯C) = α 1 (α 2 − ¯C)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 103


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Beispiel: Bakterienwachtum im Chemostat (12)<br />

Die Kombination dieser Beziehungen (für die zwei Fälle ¯N = 0 bzw. ¯N ≠ 0<br />

liefert die folgenden zwei stationären Zustände des Systems (87,88)<br />

( ¯N 1 , ¯C 1 ) =<br />

( (α 1 α 2 − 1 )<br />

,<br />

α 1 − 1<br />

)<br />

1<br />

, (92)<br />

α 1 − 1<br />

( ¯N 2 , ¯C 2 ) = (0,α 2 ) (93)<br />

• Die zweite Lösung ist nicht relevant, da die Bakterienpopulation gleich 0.<br />

• Lösung (92) ist interessanter. Beachte allerdings, dass auch sie nicht<br />

für alle Parameterkonfiguartionen biologisch sinnvoll ist: α 1 < 1 führt zu<br />

negativen Werten. D.h. man erhält einen nichttrivialen steady state für<br />

α 1 > 1 <strong>und</strong> α 2 > 1/(α 1 − 1).<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 104


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Einschub: Stabilitätsanalyse (1)<br />

• Wie im diskreten Fall (Differenzengleichungen), so ist es auch hier<br />

möglich, dass Stabilitätsverhalten des Systems in der Nähe der stationären<br />

Zustände zu bestimmen.<br />

• Auch hier kann das Verhalten von kleinen Störungen des stationären Zustandes<br />

mittels einer linearen Approximation bestimmt werden.<br />

• Betrachte hierzu das folgende allgmeine System gewöhnlicher Dgln.<br />

dX<br />

dt<br />

= F(X,Y ),<br />

dY<br />

dt<br />

= G(X, Y ) (94)<br />

wobei F <strong>und</strong> G im Allgemeinen nichtlineare Funktionen sind.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 105


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Einschub: Stabilitätsanalyse (2)<br />

• ¯X <strong>und</strong><br />

Ȳ seien stationäre Lösungen von (94), d.h.<br />

F( ¯X,Ȳ ) = G( ¯X, Ȳ ) = 0. (95)<br />

• Betrachte weiterhin die Störungen X(t) = ¯X + x(t),<br />

Y (t) = Ȳ + y(t):<br />

d<br />

dt ( ¯X + x) = F( ¯X + x, Ȳ + y), (96)<br />

d<br />

dt (Ȳ + y) = G( ¯X + x, Ȳ + y). (97)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 106


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Einschub: Stabilitätsanalyse (3)<br />

• Unter Ausnutzung der steady-state-Definition (d ¯X/dt = dȲ /dt = 0) <strong>und</strong><br />

unter Anwendung einer Taylor-Entwicklung um den Punkt ( ¯X, Ȳ ) für die<br />

rechten Seiten der Gleichungen (96) <strong>und</strong> (97) erhält man<br />

dx<br />

dt<br />

dy<br />

dt<br />

≃ F( ¯X,Ȳ ) + F x( ¯X,Ȳ )x + F y( ¯X, Ȳ )y,<br />

≃ G( ¯X, Ȳ ) + G x ( ¯X, Ȳ )x + G y ( ¯X, Ȳ )y. (98)<br />

• Hierbei bezeichen F x ( ¯X, Ȳ ), F y( ¯X,Ȳ ), G x( ¯X,Ȳ ), G y( ¯X,Ȳ ) die partiellen<br />

Ableitung ∂<br />

∂x F, ∂<br />

∂y F, ∂<br />

∂x G, ∂<br />

∂y G ausgewertet am Punkt ( ¯X, Ȳ ).<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 107


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Einschub: Stabilitätsanalyse (4)<br />

• Unter Beachtung, dass F( ¯X,Ȳ ) = G( ¯X,Ȳ ) = 0 erhält man das folgende<br />

System linearer Differentialgleichungen (für die Störungen)<br />

dx<br />

dt<br />

dy<br />

dt<br />

= a 11 x + a 12 y<br />

= a 21 x + a 22 y (99)<br />

wobei die Koeffizienten a ij durch die Jacobimatrix des Systems (94) gegeben<br />

sind:<br />

( ) ( )∣<br />

a11 a<br />

A = 12 Fx F ∣∣∣(<br />

= y<br />

(100)<br />

a 21 a 22 G x G y ¯X, Ȳ )<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 108


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Einschub: Stabilitätsanalyse (5)<br />

• Es kann gezeigt werden (siehe Herleitung im diskreten Fall bzw. siehe<br />

auch Edelstein-Keshet, Kapitel 4.8), dass die Stabilität des System (94)<br />

im stationären Zustand ( ¯X, Ȳ ) mittels der Eigenwerte der Jacobimatrix<br />

A (Lösungen der charakteristischen Gleichung) bestimmt werden kann.<br />

• Diese lauten<br />

λ 1,2 = β ± √ β 2 − 4γ<br />

2<br />

wobei β = a 11 + a 22 = tr(A) <strong>und</strong> γ = a 11 a 22 − a 12 a 21 = det(A)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 109


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Einschub: Stabilitätsanalyse (6)<br />

Lokale Stabilität liegt vor, wenn alle Eigenwerte der charakteristischen Gleichung<br />

einen negativen Realteil haben (siehe auch Abs. Differenzengleichungen).<br />

Unterscheide hierbei die Fälle reeller <strong>und</strong> komplexer Eigenwerte:<br />

• Für komplexe Eigenwerte muss garantiert werden, dass negative Realteile<br />

vorliegen damit lokale Stabilität vorliegt. Dies ist erfüllt für β < 0.<br />

• Um für reelle Eigenwerte Negativität zu gewährleisten, muss außer β < 0<br />

noch gelten: |β| > √ β 2 − 4γ. Aus letzterer Bedingung folgt: β 2 > β 2 − 4γ<br />

<strong>und</strong> damit 0 < γ.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 110


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Einschub: Stabilitätsanalyse (7)<br />

Damit ist ein stationärer Zustand ( ¯X, Ȳ ) des Systems<br />

dX<br />

dt<br />

= F(X,Y ),<br />

dY<br />

dt = G(X, Y )<br />

(lokal) stabil, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:<br />

F x ( ¯X, Ȳ ) + G y( ¯X, Ȳ ) < 0 (101)<br />

(β = a 11 + a 22 < 0)<br />

F x ( ¯X, Ȳ )G y ( ¯X,Ȳ ) − F y ( ¯X,Ȳ )G x ( ¯X, Ȳ ) > 0. (102)<br />

(γ = a 11 a 22 − a 12 a 21 > 0)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 111


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Beispiel: Bakterienwachtum im Chemostat(13)<br />

Fortsetzung der Betrachtungen zu Chemostat-System:<br />

( ) C<br />

F(N, C) = α 1 N − N = 0<br />

1 + C<br />

( ) C<br />

G(N, C) = − N − C + α 2 = 0<br />

1 + C<br />

Um Stabilität der stationären Zustände<br />

(<br />

( ¯N 1 , ¯C 1 ) =<br />

(α 1 α 2 − 1 ) )<br />

1<br />

,<br />

α 1 − 1 α 1 − 1<br />

<strong>und</strong> ( ¯N 2 , ¯C 2 ) = (0, α 2 )<br />

zu bestimmen, benötigt man die partiellen Ableitungen von F <strong>und</strong> G ausgewertet<br />

an diesen Punkten.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 112


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Beispiel: Bakterienwachtum im Chemostat (14)<br />

Unter Einführung von A = ¯N 1 /(1 − ¯C 1 ) 2 bzw. B = α 2 /(1 + α 2 ) erhält man:<br />

Koeffizient relevanter Auswertung Auswertung an<br />

Ausdruck ( ¯N 1 , ¯C 1 ) ( ¯N 2 , ¯C 2 )<br />

a 11 F N = α 1 C/(1 + C) − 1 0 α 1 B − 1<br />

a 12 F C = α 1 N/(1 + C) 2 α 1 A 0<br />

a 21 G N = −C/(1 + C) −1/α 1 −B<br />

a 22 G C = −N/(1 + C) 2 − 1 −A − 1 −1<br />

β = tr (J) a 11 + a 22 −(A + 1) α 1 B − 2<br />

γ = det(J) a 11 a 22 − a 12 a 21 A −(α 1 B − 1)<br />

Zur Vermeidung von Missverständnissen sei die Jacobimatrix mit J bezeichnet.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 113


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Beispiel: Bakterienwachtum im Chemostat (15)<br />

• Für ( ¯N 1 , ¯C 1 ) gilt demnach β < 0 <strong>und</strong> γ > 0. D.h. dieser steady state ist<br />

stabil, wann immer er existent ist.<br />

• Weiterhin erkennt man, dass in diesem Fall β 2 − 4γ = (A + 1) 2 − 4A =<br />

(A − 1) 2 > 0. Dies bedeutet, dass keine komplexen Eigenwerte auftreten<br />

<strong>und</strong> demnach keine oszillierenden Lösungen auftreten.<br />

• Für den trivialen steady state ( ¯N 2 , ¯C 2 ) kann gezeigt werden (aus Bedingung<br />

γ > 0), dass er nur dann stabil ist, wenn ( ¯N 1 , ¯C 1 ) nicht existiert.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 114


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Beispiel: Bakterienwachstum im Chemostat (16)<br />

• Es konnte gezeigt werden, dass es einen nichttrivialen stabilen Zustand<br />

des Chemostaten gibt.<br />

• Damit dieser allerdings biologisch sinnvoll ist, müssen zwei Bedingungen<br />

erfüllt sein: (i) α 1 > 1 <strong>und</strong> (ii) α 2 > 1/(α 1 − 1).<br />

• Bezogen auf die originalen (dimensionsbehafteten) Parameter bedeutet<br />

Bedingung (i): 1/K max > V/K.<br />

1/K max ist proportional zur Verdopplungszeit der Bakterienpopulation<br />

<strong>und</strong> V/F repräsentiert die Zeit bis zur kompletten Erneuerung des Tankvolumens<br />

mit Nährstoffmedium. D.h. Bedingung (i) bedeutet, dass die<br />

Verdopplungszeit nicht zu klein bzw. die Ausflussrate nicht zu hoch sein<br />

darf.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 115


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationswachstum, kontinuierlich<br />

Beispiel: Bakterienwachstum im Chemostat (17)<br />

• Bedingung (ii) kann unter Verwendung des steady state Wertes ¯C 1 =<br />

1/(α 1 − 1) geschrieben werden als:<br />

C 0 > ¯C 1 K n . (103)<br />

• Hierbei ist ¯C1 die dimensionslose Variable. Da K n als Bezugsgröße der<br />

dimensionslosen Konzentration benutzt wurde (d.h. C dim.los = ¯C org /K n ),<br />

erhält man für (103) in den ursprünglichen Dimensionen<br />

C 0 > ¯C<br />

• Dies bedeutet, dass die Nährstoffkonzentration im Bakterientank kleiner<br />

als im Vorratsbehälter sein muss.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 116


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Pharmakokinetische Modelle<br />

• Dieser Abschnitt basiert weitgehend auf Vorlesungsskripten vergangener<br />

Jahre (Dr. D. Barthel, Dr. J. Forberg, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig) sowie<br />

auf folgenden Quellen:<br />

• Kurs im World Wide Web:<br />

David W.A. Bourne, University of Oklahoma, College of Pharmacy<br />

http://www.boomer.org/course/pk_bio<br />

• Knorre, Wolfgang A.<br />

Pharmakokinetik. Theoretische Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> praktische<br />

Anwendungen. Akademieverlag Berlin, 1981<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 117


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Compartment<br />

Bei den folgenden pharmakokinetischen Modellen, aber auch bei vielen<br />

anderen Modellen, spielt der Begriff Compartment (deutsch: Kompartiment)<br />

eine zentrale Rolle.<br />

Darunter versteht man einen Bereich, der einheitlich beschrieben werden<br />

kann. Dies kann ein<br />

• räumlich abgegrenzter,<br />

• oder durch eine Subtanz definierter,<br />

• oder durch einen Vorgang definierter<br />

Bereich sein.<br />

Pharmakokinetik: „Zentrales Compartment“ = strömendes Blut.<br />

„Zentral“ weil: Verteilt Pharmakon im Körper, Transport zum Wirkungsort,<br />

Abtransport zur Niere, ...<br />

Bei den einfachsten Modellen Beschränkung auf zentrales Compartment.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 118


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Einmalige Applikation (1)<br />

Zur Zeit t = 0 schnelle intravasale Gabe (z.B. i.v. Injektion) der Dosis D.<br />

t<br />

=<br />

0 : Dosis D<br />

X<br />

:<br />

Menge<br />

X<br />

C p<br />

, V<br />

k el ⋅<br />

X<br />

Elimination<br />

c<br />

p<br />

:Konzentration im Plasma<br />

V : Verteilungsvolumen<br />

Dosisangaben: - Masse in kg, g, mg, ...<br />

- Stoffmenge in mol<br />

- spezielle Einheiten, z.B. IU (International Units)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 119


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Einmalige Applikation (2)<br />

• Das Modell setzt voraus, dass sich das Pharmakon sofort nach seiner<br />

Gabe im Körper verteilt.<br />

• Im Laufe der Zeit wird das Pharmakon abgebaut oder ausgeschieden.<br />

Die zur Zeit t noch vorhandene Menge sei X(t). Wenn das Pharmakon<br />

eine körperfremde Substanz ist, ist die Anfangsmenge gleich der<br />

verabreichten<br />

• Dosis: X(0) = D . D ist zwar bekannt, aber zu späteren Zeitpunkten<br />

kann X nicht gemessen werden.<br />

• Messbar ist nur die Konzentration c p<br />

des Pharmakons im Blutplasma.<br />

Maßeinheit: Menge (s. Dosis) / Volumen, also z.B. µg/l, mol/l = M<br />

(„molar“).<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 120


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Einmalige Applikation (3)<br />

c p<br />

werde fortlaufend gemessen.<br />

Die Anfangskonzentration sollte proportional zur Dosis sein:<br />

c p (0 ) =<br />

D<br />

V<br />

V heißt Verteilungsvolumen <strong>und</strong> kann aus D <strong>und</strong> c p<br />

(0) berechnet werden.<br />

Darüber hinaus wird angenommen, dass auch während der Elimination<br />

des Pharmakons gelte:<br />

X(t )<br />

c p (t ) = V =<br />

V<br />

const<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 121


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Kinetik 1.Ordnung<br />

Elimination erfolge gemäß einer Kinetik 1.Ordnung. Beschreibung durch<br />

eine Modell-Differentialgleichung, wahlweise für X oder c p<br />

:<br />

dX<br />

dc<br />

= X&<br />

= −kel<br />

⋅ X oder = c&<br />

p<br />

= −kel<br />

⋅c<br />

p<br />

dt<br />

dt<br />

Der Modellparameter k el<br />

heißt Eliminationskonstante. Er hat die Einheit<br />

[ kel ] =<br />

1<br />

[ t ]<br />

z.B.<br />

-1<br />

h<br />

Auflösung der Modellgleichung, z.B. für c p<br />

:<br />

c&<br />

c<br />

p<br />

p<br />

= −k<br />

el<br />

Linke Seite entspricht<br />

d<br />

dt<br />

lnc p<br />

(Kettenregel!)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 122


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Einmalige Applikation (4)<br />

Integration ergibt die allgemeine Lösung:<br />

ln c<br />

p<br />

(t )<br />

=<br />

lnC<br />

− k<br />

el<br />

⋅t<br />

ln c p<br />

Steigung der Geraden (slope): -k el<br />

Schnitt mit Ordinatenachse (intercept): ln C<br />

ln C<br />

ln c p<br />

(0)<br />

Die zu verschiedenen Werten von C gehörenden Lösungskurven bilden<br />

eine Schar paralleler Geraden. Durch die Anfangsbedingung<br />

c (t ) = c (0 ) für t =<br />

p<br />

wird die Lösung mit C =<br />

p<br />

c<br />

p<br />

t<br />

0<br />

(0 ) ausgezeichnet :<br />

c<br />

p<br />

t<br />

(t ) =<br />

c<br />

p<br />

(0 ) ⋅ e<br />

−k<br />

el<br />

⋅t<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 123


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Halbwertszeit<br />

Eliminations - Halbwertszeit<br />

Definiert durch<br />

c p<br />

c<br />

p<br />

(t<br />

1<br />

2<br />

)<br />

=<br />

1<br />

2<br />

c<br />

p<br />

(0 )<br />

ergibt<br />

t<br />

1<br />

2<br />

=<br />

ln2<br />

k<br />

el<br />

c p<br />

(0)<br />

1<br />

2<br />

c<br />

p<br />

(0 )<br />

t 1<br />

2<br />

t<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 124


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

AUC / Dostsches Prinzip<br />

AUC (area <strong>und</strong>er the curve)<br />

Definiert durch das Zeitintegral über c p<br />

(t) :<br />

∞<br />

⎡ 1 −k<br />

t<br />

AUC cp(t<br />

) dt cp(0 ) e el ⋅ ⎤<br />

= ∫ = ⋅ ⎢−<br />

⋅ =<br />

k<br />

⎥<br />

⎣ el ⎦<br />

0<br />

Dostsches Prinzip<br />

Bei Elimination gemäß Kinetik 1.Ordnung ist nach Gabe der Dosis D<br />

D<br />

AUC =<br />

V ⋅<br />

k el<br />

gleichgültig, auf welche Weise das Pharmakon in das zentrale Compartment<br />

gelangt (einmalige i.v. Injektion, verteilt auf mehrere Injektionen,<br />

Infusion, orale Applikation (sofern 100prozentig absorbiert)).<br />

Die AUC ist daher ein oft verwendeter Parameter der Pharmakokinetik.<br />

∞<br />

0<br />

c<br />

p<br />

k<br />

(0 )<br />

el<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 125


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Clearance<br />

Clearance<br />

Definiert durch das Verhältnis von Dosis D zur „area <strong>und</strong>er the curve“ (AUC):<br />

Cl<br />

=<br />

D<br />

AUC<br />

=<br />

k<br />

el ⋅<br />

V<br />

Interpretation:<br />

Fiktives Plasmavolumen, das pro Zeiteinheit vollständig vom Pharmakon<br />

befreit wird.<br />

Wichtig für Funktionsdiagnostik!<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 126


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Anpassung an Messdaten<br />

Einschub: Modellanpassung (1)<br />

• Modell hat zwei zu bestimmende Parameter: k el<br />

, V.<br />

• Geschlossene Lösung (Formelausdruck) wurde hergeleitet.<br />

• Applizierte Dosis: 500 mg<br />

• Vorliegende Messwerte:<br />

Konzentration des Pharmakons im Plasma (Plasmakonzentration)<br />

zu gewissen Zeitpunkten nach Injektion:<br />

[ t 1<br />

, c p1<br />

] , [ t 2<br />

, c p2<br />

] , ... , [ t n<br />

, c pn<br />

]<br />

Jedoch kann direkt nach der Injektion in der Regel noch nicht<br />

gemessen werden (das Pharmakon ist noch nicht ausreichend<br />

homogen verteilt).<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 127


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Einschub: Modellanpassung (2)<br />

Halblogarithmische Darstellung (log c p<br />

über t):<br />

• Wenn durch die Messpunkte eine Ausgleichsgerade gezogen werden<br />

kann, ist das Modell anwendbar.<br />

• Festlegung der Ausgleichsgeraden<br />

- nach Augenmaß<br />

- durch lineare Regression<br />

- durch andere Verfahren<br />

• Extrapolation auf t = 0 ergibt die Anfangskonzentration c p<br />

(0).<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 128


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Einschub: Modellanpassung (3)<br />

ln c p<br />

5,0<br />

4,5<br />

4,0<br />

3,5<br />

3,0<br />

2,5<br />

2,0<br />

1,5<br />

ln c p<br />

(0) = 4,467 (intercept)<br />

-k el<br />

= -0,303 h -1 (slope)<br />

ln c<br />

k<br />

el<br />

p<br />

0<br />

2<br />

= 4,467 − 0,303 ⋅ t<br />

⇒<br />

4<br />

c<br />

Zeit (h)<br />

p<br />

=<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 129<br />

6<br />

e<br />

4,467<br />

8<br />

⋅e<br />

10<br />

−0,303⋅t<br />

= 87 1,<br />

= 0,303 / h , V = D / c (0 ) = 500mg / 87 1, mg / l =<br />

p<br />

⋅ e<br />

−0,303⋅t<br />

5, 74 l


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Einschub: Modellanpssung (4)<br />

c p<br />

(0) = 87,1 mg/l<br />

100<br />

Konzentration (mg/l)<br />

10<br />

1<br />

0<br />

2<br />

4<br />

6<br />

8<br />

10<br />

c p<br />

(10) = 4,17 mg/l<br />

Zeit (h)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 130


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Verteilungsvolumen (1)<br />

Das Verteilungsvolumen ist ein fiktives Volumen!<br />

Es ist das Volumen, in dem sich die applizierte Menge D gleichmäßig mit<br />

der Konzentration c p<br />

(0) verteilen würde.<br />

Konzentration des Pharmakons<br />

in einem Becher mit Wasser<br />

D = 10 mg<br />

c p<br />

= 20 mg/l<br />

Fiktives<br />

Volumen = 500 ml<br />

Konzentration des Pharmakons<br />

in einem Becher mit Wasser<br />

<strong>und</strong> Aktivkohle<br />

D = 10 mg<br />

c p<br />

= 2 mg/l<br />

Fiktives<br />

Volumen = 5000 ml<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 131


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Verteilungsvolumen (2)<br />

Da das Verteilungsvolumen oft von der Körpermasse abhängig ist, wird es<br />

in der Pharmakologie meist auf die Körpermasse bezogen angegeben.<br />

Beispiele für fiktive Verteilungsvolumina<br />

Pharmakon V (l/kg) V (l) bei 70 kg<br />

Sulfisoxazol 0,16 11,2<br />

Phenytoin 0,63 44,1<br />

Phenobarbital 0,55 38,5<br />

Diazepam 2.4 168<br />

Digoxin 7 490<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 132


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Berechnung der AUC (1)<br />

Die AUC kann aus den Messdaten direkt berechnet werden.<br />

Approximative Darstellung von c p<br />

(t) durch Streckenzug zerlegt AUC<br />

in Trapezflächen:<br />

c p<br />

c p,1<br />

c p,2<br />

c p,3<br />

c p,n<br />

t<br />

t 1<br />

t 2<br />

t 3<br />

t n<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 133


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Berechnung der AUC (2)<br />

Messzeiten t i<br />

, gemessene Konzentrationen c p,i<br />

, i = 1, 2, ... , n .<br />

Innerhalb der Messzeit:<br />

n<br />

1→n<br />

1<br />

∑ − AUC = (cp,i<br />

+ 1 + cp,i<br />

)(ti<br />

+ 1 − ti<br />

)<br />

2<br />

i = 1<br />

Anfangsstück (von 0 bis t 1<br />

): c p,0<br />

= c p<br />

(0) durch Extrapolation ermitteln.<br />

0→1<br />

1<br />

AUC = ⋅(cp 1, + cp,0<br />

) ⋅(t1<br />

− t0<br />

)<br />

2<br />

Endstück (rechts von t n<br />

): Abschätzen t Ende<br />

, so dass c p<br />

(t Ende<br />

) ≈ 0<br />

Ende 1<br />

AUC = ⋅c<br />

2<br />

Gesamte AUC:<br />

1<br />

p,n<br />

⋅(t<br />

Ende<br />

− t<br />

n<br />

)<br />

0→1<br />

1→n<br />

AUC = AUC + AUC +<br />

AUC<br />

Ende<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 134


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Ausscheidung mit Urin (1)<br />

Annahme: Pharmakon werde vollständig <strong>und</strong> unverändert mit dem Urin<br />

ausgeschieden.<br />

t<br />

=<br />

0 : Dosis D<br />

X<br />

c p<br />

, V<br />

I<br />

el<br />

=<br />

k<br />

el<br />

⋅<br />

X<br />

U<br />

Pharmakon<br />

im Plasma<br />

Pharmakon<br />

im Urin<br />

U: kumulierte Menge des Pharmakons im Urin<br />

I el<br />

: Fluss (Substanztransport) mit der Einheit [X]/[t]<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 135


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Ausscheidung mit Urin (2)<br />

Bilanzen:<br />

dX<br />

dt<br />

dU<br />

dt<br />

=<br />

=<br />

−I<br />

I<br />

el<br />

el<br />

wobei<br />

I<br />

el<br />

=<br />

k<br />

el<br />

⋅<br />

X<br />

D<br />

11000<br />

8800<br />

U<br />

6600<br />

d<br />

dt<br />

( X<br />

+ U ) = 0 (Erhaltungssatz)<br />

4400<br />

2200<br />

X<br />

X<br />

+ U<br />

=<br />

const<br />

=<br />

D<br />

0<br />

t<br />

X<br />

=<br />

D ⋅e<br />

−k<br />

⋅t<br />

el<br />

U<br />

=<br />

D ⋅(<br />

1−<br />

e<br />

−k<br />

⋅t<br />

el<br />

)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 136


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Ausscheidung mit Urin (3)<br />

Urin leicht zugänglich ⇒ Bestimmung der Eliminationskonstante<br />

• Urin vollständig erfassen ab Gabe bis zum Verschwinden des<br />

Pharmakons im Urin<br />

• Messprotokoll: Zeitpunkt der Urinausscheidung t i<br />

Volumen des ausgeschiedenen Urins V i<br />

Konzentration des Pharmakons im Urin c i<br />

⇒ zwischen t i-1<br />

<strong>und</strong> t i<br />

ausgeschiedene Pharmakonmenge<br />

∆U<br />

i<br />

• Bis zum Zeitpunkt t i<br />

ausgeschiedene Pharmakonmenge<br />

U<br />

=<br />

=<br />

i<br />

c<br />

∑<br />

i<br />

⋅V<br />

∆<br />

i U i<br />

j = 1<br />

i<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 137


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Ausscheidung mit Urin (4)<br />

Zeitpunkt t i<br />

(h)<br />

Zeitintervall<br />

t i-1<br />

–t i<br />

(h)<br />

In ∆t aus-gesch.<br />

Pharmakon ∆U i<br />

(mg)<br />

Bis t i<br />

ausgesch.<br />

Pharmakon U i<br />

(mg)<br />

A.R.E.<br />

(mg)<br />

Mittelpunkt des<br />

Zeitintervalls (h)<br />

R/E<br />

(mg/h)<br />

0 0 500<br />

0 – 0,5 103 0,25 206<br />

0,5 103 397<br />

0,5 – 1 82 0,75 164<br />

1 185 315<br />

1 – 2 117 1,5 117<br />

2 302 198<br />

2 – 4 119 3 59,5<br />

4 421 97<br />

4 – 8 67 6 16,8<br />

8 488 12<br />

8 – 12 10 10 2,5<br />

12 498 2<br />

12 - 24 2 18 0,17<br />

24 500 0<br />

Beispiel: Exkretion von Ampicillin über Urin nach i.v. Gabe von 500 mg<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 138


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Ausscheidung mit Urin (5)<br />

Amount remaining to be excreted (A.R.E.) :<br />

−<br />

k el<br />

⋅t<br />

A.R.E. = D −U<br />

= D ⋅e<br />

; Schätzung von A.R.E. durch D - U i<br />

Halblog. Darstellung ( ln( D − U ) über t ) ⇒ Gerade mit Steigung − kel<br />

600<br />

1000<br />

500<br />

500<br />

300<br />

200<br />

A.R.E. (mg)<br />

400<br />

300<br />

200<br />

A.R.E. (mg)<br />

100<br />

50<br />

30<br />

20<br />

10<br />

100<br />

0<br />

0<br />

3<br />

6<br />

9<br />

12<br />

15<br />

18<br />

21<br />

24<br />

27<br />

30<br />

5<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

3<br />

6<br />

9<br />

12<br />

15<br />

18<br />

21<br />

24<br />

Zeit (h)<br />

Zeit (h)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 139


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Ausscheidung mit Urin (6)<br />

Exkretionsrate (Rate of excretion R / E) :<br />

−kel<br />

⋅t<br />

R / E = U & ∆U<br />

= D ⋅ kel<br />

⋅e<br />

; Schätzung von R / E = U&<br />

durch<br />

i<br />

ti<br />

− ti<br />

−1<br />

Halblog. Darstellung ( ln R / E über t ) ⇒ Gerade mit Steigung -k el<br />

R/E (mg/h)<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

0<br />

3<br />

6<br />

9<br />

12<br />

15<br />

18<br />

21<br />

24<br />

R/E (mg/h)<br />

300<br />

200<br />

100<br />

50<br />

30<br />

20<br />

10<br />

5<br />

3<br />

2<br />

1<br />

,5<br />

,3<br />

,2<br />

,1<br />

0<br />

3<br />

6<br />

9<br />

12<br />

15<br />

18<br />

21<br />

Zeit (h)<br />

Zeit (h)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 140


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

2 Eliminationswege: Metabolisierung / Exkretion (1)<br />

t<br />

=<br />

0 : Dosis D<br />

X<br />

c p<br />

, V<br />

k e ⋅<br />

X<br />

U<br />

Exkretion<br />

Pharmakon<br />

im Urin<br />

M<br />

k m ⋅<br />

X<br />

Metabolisierung mit<br />

Kinetik 1.Ordnung<br />

Pharmakon als Metabolit<br />

im Körper<br />

Differentialgleichungen :<br />

X&<br />

= −ke<br />

⋅ X − km<br />

⋅ X X(0 ) = D<br />

U&<br />

= ke<br />

⋅ X<br />

U(0 ) = 0<br />

M&<br />

= k ⋅ X<br />

M(0 ) = 0<br />

m<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 141


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

2 Eliminationswege: Metabolisierung / Exkretion (2)<br />

Exkretion <strong>und</strong> Metabolisierung zusammenfassen:<br />

X & = −k<br />

⋅ X − k ⋅ X ⇒ X&<br />

= −k<br />

⋅ X wobei k = k + k<br />

e<br />

m<br />

el<br />

el<br />

e<br />

m<br />

Lösung:<br />

f<br />

m<br />

m<br />

−k<br />

k<br />

m<br />

⋅t<br />

X = D ⋅ e<br />

el<br />

U = fe<br />

⋅ D ⋅(1<br />

− e<br />

fe<br />

= ke<br />

/ kel<br />

M = f ⋅ D ⋅(1<br />

− e<br />

=<br />

/<br />

k<br />

−k<br />

el<br />

el<br />

Anteil, der mittels Exkretion ausgeschieden wird<br />

−k<br />

⋅t<br />

el<br />

)<br />

⋅t<br />

)<br />

Anteil, der metabolisiert wird<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 142


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Kontinuierliche Applikation (1)<br />

Vom Zeitpunkt t = 0 an konstanter Einstrom des Pharmakons:<br />

I 0<br />

Einstrom des<br />

Pharmakons<br />

X<br />

c p<br />

, V<br />

k el ⋅ X<br />

Elimination des<br />

Pharmakons<br />

In Zeitspanne ∆t wird Menge ∆X inf<strong>und</strong>iert. Einstrom I 0<br />

:<br />

∆X<br />

[ X ]<br />

I0<br />

= Einheit von I0<br />

:<br />

∆t<br />

[ t ]<br />

DG : X&<br />

= −kel<br />

⋅ X + I0<br />

; X(0 ) = 0<br />

oder : c&<br />

= −k<br />

⋅c<br />

+ I / V ; c (0 ) = 0<br />

p<br />

el<br />

Inhomogene Differentialgleichung!<br />

p<br />

0<br />

p<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 143


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Kontinuierliche Applikation (2)<br />

Lösung der inhomogenen Differentialgleichung:<br />

a) Allgemeine Lösung der homogenen DG ( c&<br />

+ k ⋅c<br />

= 0 ):<br />

c<br />

c<br />

p,hom<br />

= C ⋅e<br />

−k<br />

⋅t<br />

el<br />

b) Spezielle Lösung der inhomogenen DG ( c&<br />

p,inh<br />

p<br />

I0<br />

=<br />

k ⋅V<br />

el<br />

el<br />

c) Allgemeine Lösung der inhomogenen DG ( c&<br />

c<br />

I0<br />

=<br />

k ⋅V<br />

+ C ⋅e<br />

−k<br />

⋅t<br />

el<br />

p<br />

p<br />

+ k<br />

p<br />

el<br />

el<br />

+ k<br />

⋅c<br />

el<br />

p<br />

p<br />

⋅c<br />

I<br />

=<br />

V<br />

p<br />

0<br />

):<br />

I<br />

=<br />

V<br />

0<br />

):<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 144


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

c p<br />

Kontinuierliche Applikation (3)<br />

k<br />

I<br />

el<br />

0<br />

Lösung zur Anfangsbedingung<br />

c p<br />

(0) = 0 :<br />

⋅ V<br />

I<br />

(<br />

k t<br />

)<br />

0 − el ⋅<br />

cp<br />

= ⋅ 1 − e<br />

k ⋅V<br />

el<br />

(durchgezogene Linie)<br />

t<br />

• Unabhängig vom Anfangswert läuft die Konzentration gegen den<br />

stationären Wert c = I /( k ⋅V ) (Äquifinalität)<br />

p<br />

0<br />

el<br />

• Endwert wird erst nach einer gewissen Zeit (näherungsweise) erreicht<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 145


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Kontinuierliche Applikation (4)<br />

Initialdosis:<br />

Es kann erforderlich sein, die therapeutische Konzentration schneller<br />

einzustellen, als das mit alleiniger Infusion möglich ist.<br />

⇒<br />

Zusätzliche Initialdosis D init<br />

= I 0<br />

/ k el<br />

zur Zeit t = 0 injizieren; bewirkt<br />

schlagartige Einstellung der Konzentration auf den Endwert.<br />

Was hat man mathematisch getan?<br />

• Superposition einer Lösung der inhomogenen DG (Infusion) <strong>und</strong> einer<br />

Lösung der homogenen DG (Injektion)<br />

• Diese Superposition ergibt wieder eine Lösung der inhomogenen DG<br />

(mit erwünschten Eigenschaften)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 146


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Kontinuierliche Applikation (5)<br />

Abklingen nach Beendigung der Infusion:<br />

c p<br />

c<br />

p<br />

(t )<br />

=<br />

T<br />

⎧ I0<br />

⎪<br />

⋅<br />

kel<br />

⋅V<br />

⎨<br />

I<br />

⎪ 0<br />

⋅<br />

⎩kel<br />

⋅V<br />

(<br />

−k<br />

⋅t<br />

) 1 − e<br />

el<br />

(<br />

−k<br />

⋅<br />

)<br />

− ⋅<br />

− ⋅<br />

( −<br />

1 e<br />

el T k t T<br />

e<br />

el )<br />

t<br />

für<br />

für<br />

t < T<br />

t ≥ T<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 147


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Wiederholte Injektionen (1)<br />

D D D<br />

t<br />

=<br />

0, τ , 2τ<br />

, 3τ<br />

,...<br />

Gabe gleicher Dosen D<br />

in gleichen Zeitabständen τ<br />

X<br />

c p<br />

, V<br />

k el<br />

Mittlerer Substanzeinstrom:<br />

_<br />

I<br />

=<br />

D<br />

τ<br />

• Vor erster Gabe sei kein Pharmakon im Compartment, also c p<br />

= 0<br />

• Durch die erste Gabe bei t = 0 springt c p<br />

auf D / V , danach<br />

exponentieller Abfall:<br />

c<br />

p<br />

=<br />

D<br />

V<br />

⋅ e<br />

−k<br />

el<br />

⋅t<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 148


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Wiederholte Injektionen (2)<br />

1. Grenzfall: Sehr kleine Dosen D, sehr kurze Intervalle τ<br />

⇒ kontinuierlicher Einstrom, Infusion<br />

2. Grenzfall: Zeitintervall τ sehr groß, d.h.<br />

τ >> t 1<br />

2<br />

⇒ bis zur nächsten Injektion ist das Pharmakon<br />

(fast) völlig eliminiert.<br />

Dies ist in der Regel therapeutisch ungünstig.<br />

⇒<br />

Wahl der Zeitintervalle τ <strong>und</strong> der Dosen D wichtig, um<br />

Konzentrationen im therapeutischen Bereich zu erhalten.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 149


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Wiederholte Injektionen (3)<br />

c (mg / l)<br />

V = 25 l ; t ½<br />

= 6 h ; D = 100 mg<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

0 6 12 18 24<br />

Zeit (h)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 150


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Wiederholte Injektionen (4)<br />

Konzentrationsverlauf im n-ten Intervall (n = 1, 2, 3, ...):<br />

• Nach Injektion nimmt die Konzentration c p<br />

zu<br />

von c min, n-1<br />

(c min, 0<br />

= 0)<br />

um ∆c = D / V (konst. Betrag)<br />

auf<br />

c max, n<br />

= c min, n-1<br />

+ D / V<br />

• Danach nimmt die Konzentration exponentiell ab <strong>und</strong> erreicht<br />

unmittelbar vor der nächsten Injektion den Wert<br />

c<br />

min, n<br />

−k<br />

= c ⋅e<br />

el<br />

max, n<br />

⋅τ<br />

(konst. Faktor)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 151


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Wiederholte Injektionen (5)<br />

∆c =<br />

D<br />

V<br />

R<br />

−k<br />

= e<br />

el<br />

⋅τ<br />

n<br />

0<br />

1<br />

c max,n<br />

Konz. zu Beg. d. Intervalls n<br />

0<br />

∆c<br />

c min,n<br />

Konz. am Ende des Intervalls n<br />

0<br />

∆c ⋅ R<br />

2<br />

3<br />

∆c<br />

∆ c R + ∆c<br />

( ∆c<br />

⋅R<br />

+ ∆c ) ⋅R<br />

⋅<br />

2<br />

+ ∆c<br />

⋅ R + ∆c<br />

⋅R<br />

2<br />

= ∆c<br />

⋅ R + ∆c<br />

⋅R<br />

∆c<br />

⋅ R + ∆c<br />

⋅R<br />

2<br />

+ ∆c<br />

⋅ R<br />

3<br />

M M M<br />

Maxima <strong>und</strong> Minima folgen einer geometrischen Reihe<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 152


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Wiederholte Injektionen (6)<br />

Zunahme erfolgt additiv um einen konstanten Betrag, Abnahme aber<br />

multiplikativ um einen konstanten Faktor.<br />

⇒<br />

− D<br />

c ⋅ 1 − e<br />

k el ⋅τ<br />

( )<br />

V<br />

max, ∞<br />

=<br />

Niveau wird angehoben bis zu einem Plateau (asymptotisch), für das<br />

sich Abnahme <strong>und</strong> Zunahme kompensieren:<br />

Maxima :<br />

Minima :<br />

Mittelwert<br />

:<br />

c<br />

c<br />

_<br />

c<br />

max, ∞<br />

min , ∞<br />

=<br />

D<br />

V<br />

=<br />

=<br />

⋅<br />

k<br />

D<br />

v<br />

D<br />

V<br />

1<br />

⋅<br />

−<br />

1 − e<br />

e<br />

⋅<br />

1 − e<br />

1<br />

=<br />

⋅τ<br />

el<br />

−k<br />

k<br />

−k<br />

el<br />

el<br />

k<br />

_<br />

el<br />

⋅τ<br />

el<br />

⋅τ<br />

I<br />

⋅V<br />

⋅τ<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 153


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Wiederholte Injektionen (7)<br />

Vollständiger Zeitverlauf im n-ten Intervall d.h. für<br />

c<br />

p<br />

(t ) =<br />

D<br />

V<br />

⎡1<br />

− e<br />

⋅ ⎢<br />

⎢⎣<br />

1 − e<br />

−n⋅k<br />

−k<br />

el<br />

el<br />

⋅τ<br />

⋅τ<br />

⎤<br />

⎥ ⋅ e<br />

⎥⎦<br />

−k<br />

20<br />

el<br />

⋅[<br />

t −( n−1)<br />

⋅τ<br />

]<br />

(n<br />

−1)<br />

⋅τ<br />

≤ t<br />

< n ⋅τ<br />

Obere Grenze des<br />

therapeutischen Bereichs<br />

15<br />

cp (mg/l)<br />

10<br />

5<br />

Untere Grenze des<br />

therapeutischen Bereichs<br />

0<br />

0 12 24 36 48<br />

Zeit (h)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 154


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Wiederholte Injektionen (8)<br />

Sachgemäße Dosierung:<br />

Einzeldosis D <strong>und</strong> Intervall τ so wählen, dass möglichst bald<br />

• c min,∞<br />

> untere Grenze des therapeutischen Bereichs<br />

• c max,∞<br />

< obere Grenze des therapeutischen Bereichs<br />

Sofortige Einstellung des Plateaus möglich:<br />

• Initialdosis<br />

D<br />

1<br />

=<br />

c<br />

max, ∞<br />

⋅V<br />

=<br />

1<br />

D ⋅<br />

−<br />

1 − e<br />

k el<br />

⋅τ<br />

• Erhaltungsdosis D 2<br />

= D 3<br />

= ... = D<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 155


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Orale Gabe (1)<br />

Aufnahme des Pharmakons aus Tabletten o.ä. über Gastrointestinaltrakt.<br />

t<br />

=<br />

0 : Dosis D<br />

X g<br />

F<br />

k a<br />

Absorption<br />

X p<br />

c p<br />

, V<br />

k el<br />

Elimination<br />

Gastrointestinaltrakt<br />

Plasma<br />

Applizierte Dosis D wird möglicherweise nicht vollständig absorbiert,<br />

Verfügbar ist nur die Menge X g<br />

= F·D<br />

F heißt Bioverfügbarkeit (0 < F ≤ 1)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 156


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Orale Gabe (2)<br />

Differentialgleichungen:<br />

X&<br />

X&<br />

g<br />

p<br />

=<br />

=<br />

−k<br />

k<br />

a<br />

a<br />

⋅ X<br />

⋅ X<br />

g<br />

g<br />

− k<br />

el<br />

⋅ X<br />

p<br />

Anfangsbedingungen:<br />

X<br />

X<br />

g<br />

p<br />

(0 ) = F ⋅ D<br />

(0 ) = 0<br />

Zeitverläufe:<br />

−k<br />

• GI-Trakt: Xg<br />

= F ⋅ D ⋅e<br />

a<br />

• Plasma:<br />

−k<br />

zeitabhängiger Zustrom ka<br />

⋅ F ⋅ D ⋅ e<br />

proportionaler Abstrom kel ⋅ X p<br />

qualitativ:<br />

Anfangsphase:<br />

hoher Einstrom, niedriger Abstrom<br />

späte Phase:<br />

niedriger Einstrom, größerer Abstrom<br />

⋅t<br />

a<br />

⋅t<br />

cp (mg / l)<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

dc p<br />

/dt = 0<br />

dc p<br />

/dt < 0<br />

dc p<br />

/dt > 0<br />

0 6 12 18 24<br />

Zeit (h)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 157


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Zeitverlauf im Plasma quantitativ:<br />

X&<br />

p<br />

+ k<br />

el<br />

⋅ X<br />

p<br />

=<br />

k<br />

Orale Gabe (3)<br />

−k<br />

• allgemeine Lösung der homogenen DG<br />

X<br />

p,hom<br />

= C ⋅e<br />

−k<br />

• Spezielle Lösung der inhomogenen DG<br />

ka<br />

−ka⋅t<br />

Xp,inh<br />

= −F<br />

⋅D<br />

⋅ ⋅e<br />

k − k<br />

a<br />

el<br />

⋅ F ⋅D<br />

⋅ e<br />

⋅t<br />

a<br />

el<br />

• Lösung der inhomogenen DG, die die Anfangsbedingung erfüllt<br />

X<br />

p<br />

(t ) = F ⋅ D ⋅<br />

k<br />

a<br />

ka<br />

− k<br />

el<br />

⋅<br />

a<br />

⋅t<br />

[<br />

−k<br />

t k t<br />

]<br />

el ⋅ −<br />

e e a⋅<br />

−<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 158


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

exp(- k * t)<br />

1,0<br />

,8<br />

,6<br />

,4<br />

,2<br />

Konzentration im Plasma :<br />

exp(- kel * t)<br />

exp(- ka * t)<br />

Differenz<br />

Orale Gabe (4)<br />

c<br />

p<br />

(t )<br />

F ⋅ D<br />

= ⋅<br />

V k<br />

exp(- k el * t) – exp(- k a * t)<br />

1,0<br />

,8<br />

,6<br />

,4<br />

,2<br />

a<br />

konstanter<br />

Term<br />

ka<br />

− k<br />

el<br />

⋅<br />

[<br />

−k<br />

t k t<br />

]<br />

el ⋅ −<br />

e e<br />

a⋅<br />

−<br />

Differenz zweier<br />

Exponentialterme<br />

0,0<br />

0<br />

6<br />

12<br />

Zeit (h)<br />

18<br />

24<br />

0,0<br />

0<br />

6<br />

12<br />

Zeit (h)<br />

18<br />

24<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 159


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Orale Gabe (5)<br />

30<br />

Einfluss von k a<br />

(k el = 0.2 / h; V = 20 l;<br />

F ·D = 600 mg)<br />

30<br />

Einfluss von F<br />

(k el = 0.2 / h; k a = 3 / h;<br />

V = 20 l; D = 600 mg)<br />

c p (mg / l)<br />

20<br />

10<br />

k a = 0.125 / h<br />

k a = 0.6 / h<br />

k a = 3 / h<br />

c p (mg / l)<br />

20<br />

10<br />

F = 0.33<br />

F = 0.66<br />

F = 1.0<br />

0<br />

0<br />

6<br />

12<br />

Zeit (h)<br />

18<br />

24<br />

0<br />

0<br />

6<br />

12<br />

Zeit (h)<br />

18<br />

24<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 160


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Orale Gabe (6)<br />

Bestimmung der Modellparameter aus dem Zeitverlauf der Konzentration<br />

im Plasma:<br />

Halblogarithmische Darstellung (ln c p<br />

über t ) ergibt keine Gerade!<br />

Falls aber einer der beiden Prozesse (Absorption, Elimination) bedeutend<br />

schneller abläuft als der andere, nähert sich die Kurve für große t asymptotisch<br />

einer Geraden.<br />

Im folgenden Annahme k a<br />

>> k el<br />

[k el<br />

>> k a<br />

entspr.], also Absorption so<br />

schnell, dass für größere Zeiten die Konzentration c p<br />

(t) nur noch durch<br />

die Elimination bestimmt wird:<br />

ln c<br />

p,spät<br />

≈ ln A − k<br />

el<br />

⋅ t mit<br />

F ⋅ D ⋅ k<br />

A =<br />

a<br />

V ⋅(k<br />

− k<br />

a<br />

el<br />

)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 161


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Orale Gabe (7)<br />

Bestimmung von A <strong>und</strong> k el<br />

aus dem „späten“ Verlauf:<br />

ln c<br />

p,spät<br />

=<br />

ln A − k<br />

el<br />

⋅t<br />

cp (mg/l)<br />

10<br />

intercept<br />

=<br />

ln A<br />

c p,spät<br />

=<br />

F ⋅D<br />

⋅ k<br />

ln<br />

V ⋅(k<br />

− k<br />

a<br />

slope =<br />

a<br />

el<br />

)<br />

−k el<br />

Aus den Messpunkten,<br />

die um die Gerade<br />

ln c p,spät streuen,<br />

kann man A <strong>und</strong> k el<br />

ermitteln.<br />

1<br />

0 1 2 3 4 5 6 7<br />

Zeit (h)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 162


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Orale Gabe (8)<br />

Bestimmung von k a<br />

nach der Residuenmethode:<br />

Für die „frühen“ Messpunkte im gekrümmten Bereich Berechnung<br />

der Residuen<br />

c<br />

p,res<br />

= c<br />

p,spät<br />

− c<br />

p<br />

= A ⋅ e<br />

−k<br />

a<br />

⋅t<br />

(Differenz von Konzentrationen, NICHT Logarithmen!)<br />

Die halblogarithmische Darstellung von c p,res<br />

ergibt eine Gerade, die steiler<br />

als die von c p,spät<br />

ist, aber den gleichen Schnittpunkt mit der Ordinatenachse<br />

hat.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 163


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Beispiel für die Residuenmethode:<br />

Dosis: D = 100 mg<br />

Orale Gabe (9)<br />

Zeit<br />

(h)<br />

Plasmakonzentration<br />

c p<br />

(mg / l)<br />

c p,spät<br />

(mg / l)<br />

Residuen<br />

(mg / l)<br />

0,25 1,91 5,23 3,32<br />

0,50 2,98 4,98 2,00<br />

0,75 3,54 4,73 1,19<br />

1,0 3,80 4,50 0,70<br />

1,5 3,84 4,07 0,23<br />

2,0 3,62 3,69 0,07<br />

3,0 3,04<br />

4,0 2,49<br />

5,0 2,04<br />

6,0 1,67<br />

7,0 1,37<br />

„spät“: t ≥ 3 h<br />

A = 5,5 mg / l<br />

k el = 0,2 / h<br />

Residuen: t < 3 h<br />

⇒ k a = 2,05 / h<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 164


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Orale Gabe (10)<br />

Beispiel für die Residuenmethode:<br />

10<br />

c p (mg / l)<br />

1<br />

,1<br />

c p<br />

Residuen<br />

,01<br />

0<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

Zeit (h)<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 165


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Orale Gabe (11)<br />

Bestimmung von V <strong>und</strong> F :<br />

Aus<br />

A<br />

=<br />

F<br />

V<br />

⋅ D ⋅<br />

k<br />

a<br />

ka<br />

− k<br />

el<br />

folgt<br />

V<br />

F<br />

=<br />

D<br />

A<br />

⋅<br />

k<br />

a<br />

ka<br />

− k<br />

d.h. nur der Quotient aus Verteilungsvolumen V <strong>und</strong> Bioverfügbarkeit F<br />

kann ermittelt werden.<br />

V 100 2,05<br />

Für das vorige Beispiel : = ⋅ l =<br />

F 5,5 2,05 − 0,2<br />

Um V <strong>und</strong> F einzeln zu bestimmen, ist eine Zusatzuntersuchung erforderlich,<br />

z.B. i.v. Injektion<br />

→ k el<br />

(Kontrolle) <strong>und</strong> V<br />

→ F<br />

el<br />

20 1,<br />

l<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 166


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Kapazitätsbegrenzte Elimination (1)<br />

Schon bei linearer Eliminationskinetik besteht bei fortgesetzter Zufuhr des<br />

Pharmakons (Folge von Einzeldosen, kontinuierlicher Zustrom) die Gefahr<br />

der Kumulation. Bei kapazitätsbegrenzter Elimination ist diese Gefahr noch<br />

größer.<br />

I 0<br />

0<br />

X<br />

C p<br />

, V<br />

Elimination<br />

(K M<br />

, v max<br />

)<br />

I<br />

cp<br />

c&<br />

0<br />

p = − vmax<br />

⋅<br />

t = 0 : cp(0 ) =<br />

V K + c<br />

M<br />

Beschränkung auf qualitative Untersuchung.<br />

p<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 167


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Kapazitätsbegrenzte Elimination (2)<br />

Dimensionslose Schreibweise der Differentialgleichung<br />

• Bezugs-Konzentration: K M<br />

⇒ dimensionslose Konzentrationsvariable<br />

z =<br />

c<br />

K<br />

p<br />

M<br />

• Bezugs-Zeit: K M<br />

/ v max<br />

⇒ dimensionslose Zeitvariable<br />

• Bezugs-Substanztransport: V ⋅v max<br />

⇒ dimensionsloser Zustrom<br />

τ =<br />

α =<br />

v<br />

K<br />

max ⋅<br />

M<br />

I<br />

V ⋅v<br />

0<br />

t<br />

max<br />

⇒ Dimensionslose Modell - Dgl :<br />

dz z<br />

= α −<br />

dτ<br />

1 + z<br />

;<br />

z(0 )<br />

=<br />

0<br />

nur ein freier Parameter: α - normierter Zustrom des Pharmakons<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 168


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Kapazitätsbegrenzte Elimination (3)<br />

dz z<br />

Stationärer Zustand von = α − :<br />

dτ<br />

1 + z<br />

Notwendige Bedingung ist<br />

dz = 0<br />

dτ<br />

z<br />

α<br />

⇒ α =<br />

st<br />

, zst<br />

=<br />

1 + z 1 −α<br />

st<br />

Falls α < 1, existiert ein stationärer Zustand, sonst nicht!<br />

Grenzfall α


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Kapazitätsbegrenzte Elimination (4)<br />

Stationäre Konzentration in Abhängigkeit vom Zustrom:<br />

c p<br />

lineare<br />

Näherung<br />

v max ⋅V I 0<br />

Kumulationsgefahr !<br />

Überwachung <strong>und</strong> Adjustierung<br />

des Einstroms bei<br />

Unsicherheit über v max<br />

, K M<br />

oder V erforderlich!<br />

Nur für kleinen Einstrom I 0<br />

ist die stationäre Konzentration<br />

proportional zum<br />

Zustrom.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 170


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Kapazitätsbegrenzte Elimination (5)<br />

• Zeitverlau f z = z( τ ):<br />

Implizite Lösung möglich, analog zum vorigen Abschnitt<br />

(Variable z, τ separieren, Partialbruchzerlegung, Integration)<br />

• Qualitative Übersicht:<br />

Dgl. definiert ein Richtungsfeld in der τ –z– Ebene:<br />

Jedem Punkt ist eine Richtung (rechte Seite der Dgl) zugeordnet.<br />

Richtungsfeld für α = 0,2 ; α = 0,5 ; α = 1<br />

(entspricht verschiedenen Dosisraten I 0<br />

)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 171


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Kapazitätsbegrenzte Elimination (6)<br />

α = 0.2 ; z st<br />

= 0.25<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 172


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Kapazitätsbegrenzte Elimination (7)<br />

α = 0.5 ; z st<br />

= 1<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 173


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Ein-Compartment-Modelle<br />

Kapazitätsbegrenzte Elimination (8)<br />

α = 1 ; stationäre Konzentration existiert nicht<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 174


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Zwei-Kompartment-Modelle<br />

Kopplung zentrales / peripheres Kompartment (1)<br />

Nicht immer lässt sich der Pharmakonzentrationsverlauf nach i.v. Injektion<br />

bei halblogarithmischer Darstellung durch eine Gerade beschreiben.<br />

c p (mg / l)<br />

100<br />

10<br />

1<br />

,1<br />

0<br />

6<br />

12<br />

Zeit (h)<br />

18<br />

24<br />

Im Unterschied zur kapazitätsbegrenzten<br />

Elimination ist bei<br />

vielen Pharmaka ein charakteristischer<br />

zweiphasiger Verlauf<br />

zu erkennen:<br />

- eine erste schnelle Phase,<br />

entstehend durch Umverteilung<br />

des Pharmakons im Körper;<br />

- eine zweite langsame Phase,<br />

bestimmt durch die Elimination<br />

des Pharmakons.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 175


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Zwei-Kompartment-Modelle<br />

Kopplung zentrales / peripheres Kompartment (2)<br />

Zentrales<br />

Compartment<br />

(Pharmakon im<br />

Blutplasma)<br />

c p<br />

X 1<br />

V<br />

t<br />

=<br />

0 : Dosis D<br />

k 12 ⋅ X 1<br />

k 21 ⋅ X 2<br />

X 2<br />

Peripheres<br />

Compartment<br />

(Pharmakon<br />

gespeichert<br />

in Geweben)<br />

kel ⋅ X 1<br />

X 1<br />

Menge des Pharmakons im zentralen Compartment<br />

V Verleilungsvolumen des zentralen Compartments<br />

c p<br />

Konzentration des Pharmakons im zentralen Compartment<br />

X 2<br />

Menge des Pharmakons im peripheren Compartment<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 176


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Zwei-Kompartment-Modelle<br />

Kopplung zentrales / peripheres Kompartment (3)<br />

Modellgleichungen <strong>und</strong> Anfangsbedingungen:<br />

X&<br />

X&<br />

1<br />

2<br />

= −(k<br />

=<br />

k<br />

12<br />

12<br />

+ k<br />

⋅ X<br />

1<br />

el<br />

) ⋅ X<br />

+ k<br />

− k<br />

21<br />

21<br />

⋅ X<br />

⋅ X<br />

System von zwei gekoppelten linearen Dgln. mit konstanten Koeffizienten.<br />

Übergang zur Matrixschreibweise:<br />

⎛ X1<br />

⎞ ⎛ m<br />

X = ⎜ ⎟ M = ⎜<br />

⎝ X2<br />

⎠ ⎝m<br />

M ist konstant, X ist Funktion von t.<br />

1<br />

2<br />

2<br />

(0 ) = 0<br />

Modellgleichungen <strong>und</strong> Anfangsbedingungen in Matrixschreibweise:<br />

X &<br />

= M ⋅ X<br />

11<br />

21<br />

m<br />

m<br />

⎛D⎞<br />

X (0 ) = ⎜ ⎟<br />

⎝ 0 ⎠<br />

12<br />

22<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

X<br />

X<br />

1<br />

2<br />

⎛−<br />

(k12<br />

= ⎜<br />

⎝ k<br />

(0 )<br />

+ k<br />

12<br />

=<br />

el<br />

D<br />

)<br />

k<br />

21<br />

− k<br />

21<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 177


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Zwei-Kompartment-Modelle<br />

Kopplung zentrales / peripheres Kompartment (4)<br />

Qualitativer Unterschied zu den bisher untersuchten Modellen:<br />

Die Dgln. lassen sich nicht nacheinander lösen, sondern nur gemeinsam.<br />

Sachlicher Hintergr<strong>und</strong> hierfür ist, dass X 1<br />

abhängig ist von X 2<br />

<strong>und</strong><br />

umgekehrt; es gibt Flüsse in beiden Richtungen.<br />

Dgln. mit konstanten Koeffizienten sind mit einem Exponentialansatz<br />

lösbar, z.B.<br />

x&<br />

= a ⋅ x<br />

Ansatz :<br />

a = const , a ≠ 0<br />

x = C ⋅e<br />

λ⋅t<br />

Bedingung für λ durch Einsetzen des Exponentialansatzes in die Dgl.:<br />

λt<br />

λt<br />

λ ⋅C<br />

⋅e<br />

= a ⋅C<br />

⋅e<br />

⇒ λ =<br />

a<br />

Nur dieser eine Wert für λ passt. Die multiplikative Konstante C bleibt<br />

unbestimmt.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 178


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Zwei-Kompartment-Modelle<br />

Wiederholung: Lösung mittels Eigenwerten (1)<br />

Modell-Differentialgleichungssystem:<br />

X&<br />

= M⋅<br />

X<br />

Exponentialansatz :<br />

X<br />

=<br />

~ λ t<br />

X<br />

⋅e<br />

wobei<br />

~<br />

X<br />

ein konstanter<br />

Vektor<br />

ist<br />

Die Theorie zeigt, dass sich für die obigen Dgln. zwei linear unabhängige<br />

Lösungen<br />

X<br />

1<br />

λ1t<br />

~<br />

= X ⋅ e <strong>und</strong> X = X ⋅e<br />

~ 2t<br />

1<br />

2 2<br />

λ<br />

ergeben.<br />

Die allgemeine Lösung ergibt sich damit zu X = C1 ⋅ X1<br />

+ C2<br />

⋅ X 2 .<br />

Bestimmung der zwei linear unabhängigen Lösungen in zwei Schritten:<br />

1. Bestimmung der zwei „Eigenwerte“ λ 1<br />

<strong>und</strong> λ 2<br />

~ ~<br />

2.Bestimmung der zwei „Eigenvektoren“ X 1 <strong>und</strong> X 2<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 179


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Zwei-Kompartment-Modelle<br />

Wiederholung: Lösung mittels Eigenwerten (2)<br />

Einsetzen des Exponentialansatzes in das Differentialgleichungssystems<br />

liefert Bedingung für λ:<br />

~ ~<br />

λ ⋅ X = M ⋅ X<br />

⎛1<br />

0⎞<br />

Umformung unter Benutzung der Einheitsmatrix E = ⎜ ⎟ :<br />

~ ~<br />

⎝ 0 1 ⎠<br />

λ ⋅E<br />

⋅ X = M ⋅ X<br />

Dies ergibt ein homogenes lineares Gleichungssystem für X ~ :<br />

~<br />

(λ ⋅ E − M ) ⋅ X = 0<br />

Nichttriviale Lösung dieses Gleichungssystems existiert genau dann, wenn<br />

die Determinante der Matrix λ ⋅E − M verschwindet :<br />

λ ⋅ E − M<br />

λ − m<br />

=<br />

− m<br />

11<br />

21<br />

− m<br />

12<br />

λ − m22<br />

= 0<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 180


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Zwei-Kompartment-Modelle<br />

Wiederholung: Lösung mittels Eigenwerten (3)<br />

Bestimmung der Eigenwerte:<br />

( λ − m<br />

2<br />

11<br />

λ − λ ⋅(m<br />

) ⋅(<br />

λ − m<br />

11<br />

+ m<br />

22<br />

22<br />

) − m<br />

) + (m<br />

12<br />

11<br />

⋅ m<br />

⋅ m<br />

21<br />

22<br />

Auflösen der Determinante ergibt:<br />

= 0<br />

− m<br />

12<br />

⋅ m<br />

21<br />

) = 0<br />

Diese Gleichung heißt „Charakteristische Gleichung“ des Dgl.-Systems.<br />

Im vorliegenden Fall ist sie eine quadratische Gleichung für λ, die zwei<br />

Lösungen hat (u.U. eine Doppelwurzel).<br />

Üblicherweise wird diese Gleichung geschrieben unter Verwendung<br />

gewisser Charakteristika der Matrix M :<br />

Spur : tr = def<br />

Determinante :<br />

m<br />

11<br />

det<br />

+ m<br />

=<br />

def<br />

22<br />

m<br />

11<br />

⋅ m<br />

22<br />

− m<br />

12<br />

⋅ m<br />

21<br />

⇒ 2<br />

λ − λ ⋅tr<br />

+ det = 0<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 181


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Zwei-Kompartment-Modelle<br />

Wiederholung: Lösung mittels Eigenwerten (4)<br />

Die Lösungen λ 1<br />

, λ 2<br />

der charakteristischen Gleichung sind die Eigenwerte<br />

der Matrix M :<br />

[ ]<br />

1 2<br />

λ1 ;2 = ⋅ tr ± tr − 4 ⋅ det<br />

2<br />

Zuordnung von + ; - zu 1; 2 werde noch aufgeschoben. Auf jeden Fall ist<br />

λ 1<br />

1 + λ2<br />

= tr <strong>und</strong> λ ⋅ λ2<br />

=<br />

det<br />

Wert der Eigenwerte bei Spezifizierung der Matrix M gemäß Modell durch<br />

die kinetischen Konstanten (Mikrokonstanten) k 12<br />

, k 21<br />

, k el<br />

:<br />

tr = −(k<br />

det =<br />

k<br />

12<br />

21<br />

+ k<br />

⋅ k<br />

el<br />

21<br />

+ k<br />

> 0<br />

el<br />

) < 0<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 182


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Zwei-Kompartment-Modelle<br />

Wiederholung: Lösung mittels Eigenwerten (5)<br />

Wir nehmen im Folgenden an, die Mikrokonstanten seien so beschaffen,<br />

2<br />

dass 4 ⋅ det < tr :<br />

• Dann sind beide Eigenwerte reell.<br />

• Folgende Nummerierung wird vereinbart:<br />

1<br />

2<br />

1<br />

2<br />

λ = ⋅ tr − tr − 4 ⋅ det , λ1<br />

< 0 ; λ2<br />

= ⋅ tr + tr − 4 ⋅ det , λ2<br />

2<br />

2<br />

Beide Eigenwerte sind negativ <strong>und</strong> es gilt λ 1 > λ2<br />

.<br />

[ ] [ ] 0<br />

1 <<br />

Konvention Vorzeichen explizit abspalten:<br />

λ 1 = −α<br />

λ2<br />

= −β<br />

α > β > 0<br />

1.Eigenwert : Schneller Vorgang<br />

2.Eigenwert : Langsamer Vorgang<br />

e<br />

e<br />

−α<br />

⋅t<br />

−β<br />

⋅t<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 183


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Zwei-Kompartment-Modelle<br />

Wiederholung: Lösung mittels Eigenwerten (6)<br />

Bestimmung der Eigenvektoren:<br />

Vorgabe eines Eigenwertes λ i<br />

zugehöriger Eigenvektor<br />

(i = 1 der i = 2) ⇒<br />

Nach Konstruktion verschwindet die Koeffizientendeterminante. Die beiden<br />

Gleichungen sind also linear abhängig. Man braucht daher nur eine von<br />

beiden, z.B. die zweite:<br />

− m<br />

21<br />

+<br />

λ = −α<br />

<strong>und</strong><br />

1<br />

( λ − m )<br />

i<br />

λ<br />

22<br />

2<br />

⋅ a<br />

~ ⎛ 1 ⎞<br />

X i<br />

= ⎜ ⎟<br />

⎝a i ⎠<br />

i<br />

= 0 ⇒<br />

= −β<br />

⇒<br />

a<br />

genügt<br />

1<br />

a<br />

i<br />

m<br />

=<br />

21<br />

λ − m<br />

m<br />

= −<br />

m<br />

i<br />

22<br />

( E − M) ⋅ X = i<br />

0 .<br />

21<br />

λ i<br />

⋅ ~<br />

22<br />

<strong>und</strong><br />

+ α<br />

a<br />

2<br />

m<br />

= −<br />

m<br />

22<br />

21<br />

+ β<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 184


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Zwei-Kompartment-Modelle<br />

Kopplung zentrales / peripheres Kompartment (5)<br />

Allgemeine Lösung des Modell-Dgl.-Systems:<br />

X<br />

X<br />

1<br />

2<br />

=<br />

C<br />

= −C<br />

1<br />

1<br />

⋅e<br />

−α<br />

⋅t<br />

m21<br />

⋅<br />

m +<br />

22<br />

⋅e<br />

+ C<br />

− C<br />

⋅e<br />

−α<br />

⋅t<br />

2<br />

α<br />

22<br />

2<br />

−β⋅t<br />

m21<br />

⋅ ⋅e<br />

m + β<br />

−β⋅t<br />

zentralesCompartment<br />

peripheresCompartment<br />

Die allgemeine Lösung enthält 2 unbestimmte Scharparameter C 1<br />

<strong>und</strong> C 2<br />

.<br />

Die Lösung ist die Superposition eines schnellen (α ) <strong>und</strong> eines<br />

langsamen (β ) Vorgangs, die zugleich in beiden Compartments ablaufen.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 185


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Zwei-Kompartment-Modelle<br />

Kopplung zentrales / peripheres Kompartment (6)<br />

Die Anfangsbedingungen ergeben ein algebraisches Gleichungssystem<br />

für C 1<br />

<strong>und</strong> C 2<br />

:<br />

m<br />

C<br />

C1<br />

+<br />

+ α<br />

22<br />

1<br />

+<br />

C2<br />

= D<br />

C2<br />

= 0<br />

m + β<br />

22<br />

Zweite Gleichung mit (m 22<br />

+ β ) multiplizieren, dann von erster subtrahieren:<br />

C<br />

C<br />

1<br />

2<br />

m + α<br />

D ⋅<br />

22<br />

=<br />

α − β<br />

α − k<br />

D ⋅<br />

α − β<br />

=<br />

21<br />

m + β<br />

+ β β −<br />

= ⋅<br />

22 m<br />

= − ⋅<br />

22<br />

k<br />

C<br />

= − ⋅<br />

21<br />

1<br />

D<br />

D<br />

m + α α − β α − β<br />

22<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 186


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Zwei-Kompartment-Modelle<br />

Kopplung zentrales / peripheres Kompartment (7)<br />

Rückführung auf die beobachtbare Plasmakonzentration:<br />

X (t )<br />

c (t )<br />

1<br />

p =<br />

V<br />

V ist das Verteilungsvolumen des Pharmakons<br />

im zentralen Compartment.<br />

Üblich Verwendung der „Hybridparameter“ α, β, A, B mit<br />

C<br />

C<br />

A =<br />

1 <strong>und</strong> B<br />

2<br />

V<br />

= V<br />

⇒<br />

c<br />

p<br />

(t )<br />

=<br />

A ⋅ e<br />

−α<br />

⋅t<br />

+ B ⋅ e<br />

−β<br />

⋅t<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 187


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Zwei-Kompartment-Modelle<br />

Kopplung zentrales / peripheres Kompartment (8)<br />

Zusammenstellung der Beziehungen zur Berechnung<br />

der Parameter A, B, α, β aus k 12<br />

, k 21<br />

, k el<br />

, V<br />

• Spur <strong>und</strong> Determinante der Koeffizientenmatrix:<br />

tr =<br />

det =<br />

−(k<br />

k<br />

12<br />

21<br />

+ k<br />

⋅ k<br />

el<br />

21<br />

+ k<br />

> 0<br />

el<br />

• Negative Eigenwerte:<br />

) < 0<br />

[ ] [ ]<br />

2<br />

1<br />

tr − tr − 4 ⋅det<br />

; β = − ⋅ tr + tr − 4 ⋅ det ; α > > 0<br />

1 2<br />

α = − ⋅<br />

β<br />

2<br />

2<br />

• Koeffizienten des schnellen <strong>und</strong> langsamen Verlaufs:<br />

D α − k<br />

− β<br />

= ⋅<br />

21 D k<br />

A<br />

; B = ⋅<br />

21<br />

V α − β V α − β<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 188


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Zwei-Kompartment-Modelle<br />

Anpassen der Modellparameter (1)<br />

• Wertetabelle t i<br />

, c p<br />

(t i<br />

)<br />

• Halblogarithmische Darstellung ln c p<br />

über t<br />

100<br />

c p (mg / l)<br />

10<br />

1<br />

,1<br />

0<br />

3<br />

6<br />

9<br />

12<br />

Zeit (h)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 189


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Zwei-Kompartment-Modelle<br />

Anpassen der Modellparameter (2)<br />

• Darstellung erinnert an Elimination von Substanzen, die zuvor aus dem<br />

Gastrointestinaltrakt resorbiert wurden (siehe weiter vorn):<br />

Nach gewisser Zeit asymptotischer Übergang in einen Verlauf e -const·t ,<br />

der zuvor von einem schnellen Vorgang überlagert wird.<br />

• Prinzipieller Unterschied:<br />

Dort: Asymptotischer Verlauf nur von Elimination bestimmt.<br />

Hier: Auch der asymptotische Verlauf ist noch durch Substanztransport<br />

zwischen den Compartments <strong>und</strong> Elimination bestimmt:<br />

c<br />

p<br />

=<br />

A ⋅ e<br />

−α<br />

⋅t<br />

+ B ⋅ e<br />

−β<br />

⋅t<br />

α ><br />

β<br />

Asymptotisch :<br />

c<br />

p<br />

≈<br />

c<br />

p,spät<br />

=<br />

B ⋅ e<br />

−β<br />

⋅t<br />

β ist Hybridparameter, nicht die Eliminationskonstante.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 190


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Zwei-Kompartment-Modelle<br />

Anpassen der Modellparameter (3)<br />

Praktisches Vorgehen – Residuenmethode:<br />

• Subjektive Einteilung in frühe <strong>und</strong> späte Phase in der halblogarithmischen<br />

Darstellung ln c p<br />

über t .<br />

• Auswertung späte Phase:<br />

Weil ln cp,<br />

spät = ln B − β ⋅t<br />

, sollten die Beobachtungen aus der späten Phase<br />

in der halblogarithmischen Darstellung um eine Gerade streuen ⇒ B, β<br />

• Berechnung der Residuen für frühe Phase:<br />

c<br />

p,Re s<br />

=<br />

c<br />

p<br />

− B ⋅e<br />

−β<br />

⋅t<br />

für<br />

alle Messungen in der<br />

frühen Phase<br />

• Auswertung frühe Phase:<br />

Punkte sollten um eine Gerade ln c = ln A −α<br />

⋅ t streuen ⇒ A,<br />

α<br />

p,Re<br />

s<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 191


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Zwei-Kompartment-Modelle<br />

Beispiel Residuenmethode<br />

Zeit<br />

(h)<br />

Anpassen der Modellparameter (4)<br />

gemessene<br />

Konzentration<br />

c p (mg / l)<br />

c p, spät (mg / l)<br />

berechnet<br />

c p, Res (mg / l)<br />

berechnet<br />

0,5 16,63 5,29 11,34<br />

1 10,03 4,67 5,36<br />

2 4,83 3,64 1,19<br />

3 3,10 2,83 0,27<br />

frühe Phase<br />

⇒ A , α<br />

4 2,27 2,21 0,06<br />

5 1,73 1,72<br />

6 1,34 1,34<br />

7 1,04 1,04<br />

8 0,81 0,81<br />

10 0,49 0,49<br />

späte Phase<br />

⇒ B , β<br />

12 0,30 0,30<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 192


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Zwei-Kompartment-Modelle<br />

Anpassen der Modellparameter (5)<br />

Beispiel Residuenmethode:<br />

100<br />

frühe Phase<br />

c p (mg / l)<br />

10<br />

1<br />

Residuen<br />

späte Phase<br />

,1<br />

0<br />

3<br />

6<br />

9<br />

12<br />

Zeit (h)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 193


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Zwei-Kompartment-Modelle<br />

Anpassen der Modellparameter (6)<br />

Man kann an dieser Stelle aufhören. Dann hat man aber nur ein phänomenologisches<br />

Modell angepasst. Um das dynamische Modell zu erhalten,<br />

müssen die Mikroparameter k 12<br />

, k 21<br />

, k el<br />

, V an die Daten angepasst sein.<br />

Dies kann erreicht werden, indem die Mikroparameter aus den bereits<br />

angepassten phänomenologischen Hybridparametern berechnet werden:<br />

Nützliche Beziehungen :<br />

α + β = −tr<br />

α ⋅ β =<br />

det<br />

=<br />

=<br />

k<br />

k<br />

12<br />

21<br />

+ k<br />

⋅ k<br />

el<br />

21<br />

+ k<br />

D α − k D k − β<br />

+ B = ⋅ + ⋅<br />

V α − β V α − β<br />

A<br />

21 21<br />

=<br />

⇒<br />

Verteilungsvolumen<br />

V<br />

el<br />

=<br />

D<br />

V<br />

D<br />

A + B<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 194


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Pharmakokinetik, Zwei-Kompartment-Modelle<br />

Anpassen der Modellparameter (7)<br />

A<br />

+<br />

α<br />

B<br />

=<br />

β<br />

=<br />

D<br />

V<br />

D<br />

V<br />

1 ⎡ k21<br />

k21<br />

⎤ D 1<br />

⋅ ⋅ ⎢1<br />

− + −1<br />

= ⋅ ⋅ k<br />

α − β<br />

⎥<br />

⎣ α β ⎦ V α − β<br />

1 α − β D ⋅ k21<br />

D<br />

⋅ k21<br />

⋅ ⋅ =<br />

=<br />

α − β α ⋅ β V ⋅ k ⋅ k V ⋅ k<br />

21<br />

el<br />

el<br />

21<br />

⎡1<br />

1 ⎤<br />

⋅ ⎢ − ⎥<br />

⎣β<br />

α ⎦<br />

⇒<br />

Eliminationskonstante<br />

k A + B<br />

el =<br />

A B<br />

α<br />

+ β<br />

⇒<br />

kinetische Austauschkonstanten<br />

k<br />

k<br />

21<br />

12<br />

α ⋅ β<br />

=<br />

k<br />

el<br />

= α + β − k<br />

21<br />

− k<br />

el<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 195


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Numerische Lösungsverfahren von Differentialgleichungen<br />

Numerik - Allgemeines (1)<br />

Notationen:<br />

• unabhängige Variable: t (z.B. Zeit)<br />

• abhängige Variable : y<br />

• Differentialgleichung:<br />

dt<br />

f ( y,t )<br />

dy = )<br />

• Anfangswert: t = t anf<br />

, y = y anf<br />

Lösung: Gesucht Funktion y = g(t) , die<br />

1. die Dgl. erfüllt<br />

2. die Anfangsbed. erfüllt<br />

dg =<br />

dt<br />

anf<br />

f (g(t ),t<br />

g (t ) = y<br />

anf<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 196


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Numerische Lösungsverfahren von Differentialgleichungen<br />

Numerik - Allgemeines (2)<br />

Dgl. ordnet jedem Punkt der t – y - Ebene eine Richtung f(y,t) zu. Es<br />

entsteht ein „Richtungsfeld“.<br />

Beispiel: y & = −k<br />

⋅( y −1)<br />

k > 0<br />

Autonome <strong>Systeme</strong><br />

Bei einem autonomen System sind<br />

die Richtungen f nicht explizit von<br />

der Zeit abhängig. In der grafischen<br />

Darstellung des Richtungsfeldes<br />

stimmen dann die Richtungen in<br />

Punkten auf horizontalen Geraden<br />

überein.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 197


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Numerische Lösungsverfahren von Differentialgleichungen<br />

Numerik - Allgemeines (3)<br />

<strong>Systeme</strong> mit expliziter Zeitabhängigkeit<br />

Richtungen f hängen von y <strong>und</strong> t ab.<br />

Beispiel:<br />

y&<br />

=<br />

k ⋅ y ⋅<br />

[ 1 + cos( 2πt<br />

)]<br />

k = ln 2 / 50 , t = 0 : y = 1<br />

,<br />

Bei t = const : Steigung nimmt<br />

nach oben hin zu (Spalte),<br />

bei y = const : Steigung oszilliert<br />

nach rechts hin (Zeile).<br />

Für die folgenden Lösungsverfahren<br />

ist Einschränkung<br />

auf autonome <strong>Systeme</strong> nicht<br />

erforderlich.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 198


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Numerische Lösungsverfahren von Differentialgleichungen<br />

Numerik - Allgemeines (4)<br />

Schema für numerische Lösung<br />

Vorgegebenes Zeitintervall t anf<br />

≤ t ≤ t end<br />

wird zerlegt in N Teilintervalle gleicher Länge ∆ t = ( tend − tanf<br />

) / N<br />

So entsteht ein Zeitraster t = t + n ⋅ ∆t<br />

n = 0 1, ,..N (also t = t )<br />

n<br />

anf<br />

, 0 anf<br />

Exakte Lösung :<br />

Näherungslösung :<br />

Y n = g(tn<br />

),<br />

wobei Y0<br />

=<br />

y = ...,<br />

wobei y = y<br />

n<br />

0<br />

anf<br />

y<br />

anf<br />

Alle nachstehenden Verfahren sind Schrittverfahren:<br />

• Anfangsschritt: t 0 = tanf<br />

, y0<br />

= yanf<br />

• (n+1)ter Schritt: Schritte 1 bis n seien schon durchgeführt, also t n<br />

, y n<br />

bekannt. Das Verfahren liefert eine Vorschrift für<br />

tn+ 1 = tn<br />

+ ∆t<br />

<strong>und</strong><br />

y = y + ...<br />

n+<br />

1<br />

n<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 199


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Numerische Lösungsverfahren von Differentialgleichungen<br />

Eulersches Verfahren (1)<br />

(Euler-Cauchysches Verfahren, Streckenzug- oder Polygonmethode)<br />

Rekursionsschritt:<br />

Steigung der Lösungskurve<br />

im Punkt t n<br />

, y n<br />

: d = f(y n<br />

, t n<br />

)<br />

Fortschreiten entlang der Tangente<br />

an die Lösungskurve bis<br />

y<br />

o<br />

t =<br />

y =<br />

t<br />

n+<br />

1<br />

y<br />

=<br />

n+<br />

1<br />

t<br />

=<br />

n<br />

y<br />

+ ∆t<br />

n<br />

+ d<br />

⋅ ∆t<br />

y n<br />

y n+1<br />

o<br />

Fehler<br />

∆t<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 200<br />

t


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Numerische Lösungsverfahren von Differentialgleichungen<br />

Eulersches Verfahren (2)<br />

Fehlerabschätzung:<br />

Satz von Taylor liefert:<br />

g( t<br />

n<br />

1 2<br />

+ ∆t<br />

) = g( t + ′ ⋅ ∆ + ′′<br />

n<br />

) g ( tn<br />

) t g ( tn<br />

+ Θ ⋅ ∆t<br />

) ⋅ ∆t<br />

, 0<br />

2<br />

y n+1<br />

y n<br />

d<br />

≤ Θ ≤1<br />

Lokaler Fehler<br />

~<br />

2<br />

∆t<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 201


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Numerische Lösungsverfahren von Differentialgleichungen<br />

Modifiziertes Eulersches Verfahren<br />

(mitunter auch als „Runge-Kutta-Verf. 2.Ordnung bezeichnet)<br />

Einbau eines Suchschrittes:<br />

Suchschritt (entspr. Euler-Verf.):<br />

Schrittweite ∆t, Richtung d 1<br />

= f(y n<br />

, t n<br />

)<br />

Im „Euler-Punkt“ neue Richtung<br />

bestimmen: d2 = f ( yn<br />

+ d1<br />

⋅ ∆ t,tn<br />

+ ∆t<br />

)<br />

Endgültiger Schritt:<br />

Schrittweite ∆t<br />

y<br />

_<br />

d<br />

o<br />

y n<br />

Richtung<br />

y<br />

n+<br />

1<br />

=<br />

y<br />

d = (d1 + d2<br />

+ d ⋅ ∆t<br />

n<br />

Lokaler Fehler ~ ∆t 3<br />

) /<br />

2<br />

∆t<br />

d 2<br />

d 1<br />

o<br />

o<br />

y n+1<br />

y Euler<br />

t<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 202


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Numerische Lösungsverfahren von Differentialgleichungen<br />

Mittelpunktverfahren<br />

1<br />

Einschalten des Intervallmittelpunktes t n + ∆t<br />

als zusätzlichen Rasterpunkt:<br />

2<br />

Halbschritt:<br />

Schrittweite ∆t / 2<br />

y<br />

Richtung d 1<br />

= f(y n<br />

, t n<br />

)<br />

Im „Halbschritt-Punkt“ neue Richtung<br />

bestimmen<br />

1<br />

1<br />

d2 = f ( yn<br />

+ ⋅ d1<br />

⋅ ∆ t, tn<br />

+ ∆t<br />

)<br />

2<br />

2<br />

Endgültiger Schritt:<br />

d 2<br />

o<br />

y n<br />

o<br />

y n+1/2<br />

o<br />

y n+1<br />

Schrittweite ∆t, Richtung d 2<br />

+ 1 = yn<br />

+ d ⋅ ∆t<br />

∆t<br />

yn<br />

2<br />

d 1<br />

o<br />

y Euler<br />

Lokaler Fehler ~ ∆t 3<br />

t<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 203


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Numerische Lösungsverfahren von Differentialgleichungen<br />

Runge-Kutta-Verfahren (RK 4. Ordnung)<br />

Drei Suchschritte, Einbeziehung des Intervallmittelpunktes.<br />

• 1. Such-Halbschritt: Schrittweite ∆t / 2, Richtung d 1<br />

= f(y n<br />

, t n<br />

)<br />

Neue Richtung im Endpunkt<br />

d2 = f ( yn<br />

+ (d1<br />

/ 2 ) ⋅ ∆ t, tn<br />

+ ∆t<br />

/ 2 )<br />

• 2. Such-Halbschritt: Schrittweite ∆t / 2, Richtung d 2<br />

Neue Richtung im Endpunkt d3 = f ( yn<br />

+ (d2<br />

/ 2 ) ⋅ ∆ t, tn<br />

+ ∆t<br />

/<br />

2 )<br />

• Such-Vollschritt: Schrittweite ∆t, Richtung d 3<br />

Neue Richtung im Endpunkt d = f ( y + d ⋅ ∆ t, t +<br />

4 n 3 n ∆<br />

• Endgültiger Schritt:<br />

1<br />

Schrittweite<br />

∆t,<br />

Richtung d = (d1 + 2 ⋅ d2<br />

+ 2 ⋅d3<br />

+ d4<br />

)<br />

6<br />

y = y + d ⋅ ∆t<br />

n+<br />

1<br />

n<br />

Lokaler Fehler ~ ∆t 5<br />

t )<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 204


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Numerische Lösungsverfahren von Differentialgleichungen<br />

Schrittweitenwahl (1)<br />

Schritt von y n<br />

nach y n+1<br />

:<br />

• y n+1<br />

ist fehlerbehaftet. Verfahren gelangt an der Stelle t n+1<br />

in eine<br />

falsche „Höhe“ im Richtungsfeld. Deshalb ist die Richtung für die<br />

nächsten Schritte nicht korrekt.<br />

• Je stärker f(y, t) an gegebener Stelle t von y abhängt, desto<br />

∂f<br />

ausgeprägter ist dieser Einfluss. D.h. je größer f y = , um so<br />

∂y<br />

kleiner muss man ∆t wählen.<br />

• Ist f y<br />

absolut beschränkt, d.h. |f y<br />

| < K, so wähle man ∆t so, dass die<br />

Schrittkennzahl κ = K· ∆t einen Wert 0,05 ≤ κ ≤ 0,20 annimmt.<br />

(Zu kleines κ ist auch gefährlich: Viele sehr kleine Schritte bewirken ein<br />

Anwachsen des Fehleranteils wegen der endlichen Stellenzahl beim<br />

Rechnen.)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 205


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Numerische Lösungsverfahren von Differentialgleichungen<br />

Schrittweitenwahl (2)<br />

• Falls man eine obere Schranke K für das ganze interessierende Gebiet<br />

findet, kann man diese der Schrittweitenbemessung zugr<strong>und</strong>e legen<br />

<strong>und</strong> mit fester Schrittweite arbeiten.<br />

• Anderenfalls ist Schrittweitenanpassung<br />

basierend auf einer<br />

lokalen Fehlerschätzung angezeigt.<br />

Z.B. Halbschrittverfahren:<br />

o<br />

o<br />

2 Halbschritte<br />

o<br />

geschätzter<br />

Fehler ε<br />

o<br />

1 Vollschritt<br />

∆t<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 206


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Numerische Lösungsverfahren von Differentialgleichungen<br />

Schrittweitenwahl (3)<br />

• Wahl der Schrittweite durch Vergleich des geschätzten Fehlers ε mit<br />

einer vorgegebenen Genauigkeit ε 0<br />

.<br />

• Für die verschiedenen Verfahren ist der auftretende Fehler<br />

unterschiedlich abhängig von der Schrittweite:<br />

Euler ε ~ ∆t 2 , Mittelpunkt ε ~ ∆t 3 , Runge-Kutta ε ~ ∆t 5<br />

• Für einen Zeitschritt ∆t, der zu einem Fehler ε führt, würde sich damit<br />

der Zeitschritt ∆t 0<br />

, der zu dem vorgegebenen Fehler ε 0<br />

führt, ergeben<br />

zu<br />

- Euler<br />

- Runge - Kutta<br />

∆t<br />

∆t<br />

0<br />

0<br />

ε<br />

= ∆t<br />

⋅<br />

0<br />

ε<br />

ε<br />

= ∆t<br />

⋅<br />

0<br />

ε<br />

1<br />

2<br />

1<br />

5<br />

- Mittelpunkt<br />

∆t<br />

0<br />

ε<br />

= ∆t<br />

⋅<br />

0<br />

ε<br />

1<br />

3<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 207


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Lösungensdarstellung (1)<br />

Differentialgleichung:<br />

x & =<br />

f (<br />

x,t<br />

)<br />

Modelle mit nur einer einzigen Zustandsgröße x<br />

- Lösung : Jede Funktion x(t) , die die Dgl. erfüllt<br />

- Allgemeine Lösung :Einparametrige Schar x = x(t,C)<br />

- Lösung gemäß Anfangsbedingung x( 0 ) = x0<br />

existiert <strong>und</strong> ist<br />

unter gewissen mathematischen Voraussetszungen<br />

eindeutig<br />

Grafische Darstellung<br />

einer Lösung x(t) :<br />

x<br />

2D - Darstellung x über t<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 208<br />

t


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Lösungensdarstellung (2)<br />

Grafische Darstellung der Differentialgleichung:<br />

Richtungsfeld in der t - x – Ebene. Jedem Punkt (t, x) ist eine Richtung<br />

∆x (Strich) mit der Steigung = f ( x,t ) zugeordnet. Die Länge der Striche<br />

∆t<br />

ist irrelevant.<br />

Spezieller Fall - autonomes System:<br />

f hängt nicht explizit von t ab, x & = f ( . x )<br />

Allen Punkten (t, x), die auf derselben<br />

horizontalen Geraden liegen, ist die<br />

gleiche Richtung zugeordnet.<br />

x(t)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 209


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Lösungensdarstellung (3)<br />

Modelle mit mehreren Zustandsgrößen<br />

Der Anschaulichkeit wegen Beschränkung auf zwei Zustandsgrößen x, y :<br />

- System von gewöhnlichen Dgln. :<br />

x&<br />

= f ( x,y,t )<br />

y&<br />

= g( x,y,t )<br />

- Lösung : Jeder Satz von Funktionen x(t),y(t ), der die Dgln. erfüllt<br />

- Allgemeine Lösung : Zweiparametrige Schar<br />

- Lösung gemäß Anfangsbe dingung x( 0 ) = x0,<br />

y( 0 ) = y0<br />

existiert<br />

<strong>und</strong> ist eindeutig unter gewissen mathematis chen Voraussetszungen<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 210


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Lösungensdarstellung (4)<br />

Grafische Darstellung einer Lösung:<br />

Raumkurve im 3-dimensionalen Raum mit den Koordinatenachsen t, x, y.<br />

y<br />

y<br />

x<br />

t<br />

P<br />

•<br />

x<br />

t<br />

Projektion der Raumkurve<br />

- in t-x – Ebene: Zeitverlauf x(t)<br />

- in t-y – Ebene: Zeitverlauf y(t)<br />

- in x-y – Ebene (Phasenraum): Trajektorie<br />

der Bewegung. Zeitablauf geht bei dieser<br />

Darstellung verloren (es sei denn, an<br />

gewissen Kurvenpunkten werden zusätzlich<br />

„Zeitmarken“ angebracht).<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 211


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Phasenporträt (1)<br />

Grafische Darstellung der Differentialgleichung:<br />

Konsequente Verallgemeinerung des Richtungsfeldes würde bedeuten:<br />

Jedem Punkt ( t, x, y ) ist eine Richtung im 3-dimensionalen Raum<br />

∆x<br />

∆y<br />

zugeordnet mit = f ( x,y,t ),<br />

= g( x,y,t ).<br />

∆t<br />

∆t<br />

Eine andere Methode der Darstellung ist das Phasenporträt. Es ist<br />

ähnlich dem Richtungsfeld, aber nicht damit identisch.<br />

Im folgenden Darstellung nur für autonome <strong>Systeme</strong>. Bei diesen hängen<br />

f <strong>und</strong> g nicht explizit von der Zeit ab: x & = f ( x,y ), y&<br />

= g( x,yDamit ). wird<br />

der Zustand des Systems beschrieben durch ein Wertepaar (x, y) der<br />

beiden Zustandsvariablen <strong>und</strong> kann als Punkt in der Phasenebene<br />

(x-y – Ebene) dargestellt werden.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 212


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Phasenporträt (2)<br />

Zwei Wege der Betrachtung sind möglich:<br />

Statische Auffassung (Beschränkung auf die Trajektorien)<br />

Die Zustandsvariablen ändern sich (im Allgemeinen) nicht unabhängig<br />

voneinander. Das Dgl.-System beschreibt die Abhängigkeit der Variablen y<br />

von der Variablen x. t ist ein Parameter. Er kann eliminiert werden:<br />

dy dy dt dy 1 g( x,y )<br />

= ⋅ = ⋅ = ≡ F( x,y )<br />

dx dt dx dt dx f ( x,y )<br />

dt<br />

F beschreibt das Richtungsfeld in der x-y – Ebene.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 213


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Phasenporträt (3)<br />

Dynamische Auffassung<br />

x <strong>und</strong> y sind gleichberechtigt. f(x, y) <strong>und</strong> g( x, y ) bilden die x- <strong>und</strong><br />

y- Komponente des Flussvektors<br />

ϕ( x,y ) = (f ( x,y ),g( x,y )).<br />

Jedem Zustand (x, y) wird damit ein Flussvektor ϕ(x, y) zugeordnet. Er<br />

beschreibt die Zustandsänderung, die das System erfährt, wenn es sich<br />

gerade im Zustand (x,y) befindet.<br />

g<br />

f<br />

ϕ<br />

Pfeillänge: Schnelligkeit, mit der das System<br />

den Zustand (x, y) verlässt.<br />

Pfeilrichtung: Richtung in der der Folgezustand<br />

liegt.<br />

Die grafische Darstellung ϕ(x, y) in der Phasenebene heißt Phasenporträt.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 214


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Phasenporträt (4)<br />

Beispiel 2-Compartment-Modell (siehe Folie 176ff):<br />

X&<br />

X&<br />

1<br />

2<br />

= −(k<br />

=<br />

k<br />

12<br />

12<br />

+ k<br />

⋅<br />

X<br />

1<br />

el<br />

) ⋅<br />

X<br />

1<br />

+ k<br />

− k<br />

21<br />

21<br />

⋅<br />

⋅<br />

X<br />

X<br />

2<br />

2<br />

Dimensionslose Schreibweise (D … applizierte Dosis) :<br />

X X<br />

x<br />

1<br />

, y =<br />

2<br />

D D<br />

= mit<br />

k k<br />

κ<br />

12<br />

21<br />

1 = , κ2<br />

= , τ = kel<br />

⋅ t<br />

k k<br />

el<br />

el<br />

dx<br />

dy<br />

= −(<br />

κ1 + 1)<br />

⋅ x + κ<br />

2<br />

⋅ y , = κ1<br />

⋅ x - κ<br />

2<br />

dτ<br />

dτ<br />

⋅<br />

y<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 215


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Phasenporträt (5)<br />

Phasenporträt<br />

(κ1=0,04 ; κ2=0,3)<br />

Phasenporträt<br />

(Pfeillängen log. transformiert)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 216


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Einschub: Isoklinen<br />

Von besonderer Bedeutung sind die Isoklinen (Kurven gleicher Richtung),<br />

insbesondere die Null-Isoklinen (Nullclines):<br />

Vertikal : d x/dt = 0 Horizontal : dy/dt<br />

= 0<br />

dx<br />

κ 1 dy<br />

0 y<br />

1 +<br />

κ<br />

Im Beispiel : = ⇒ = ⋅ x = 0 ⇒ y =<br />

1<br />

⋅ x<br />

dτ<br />

κ<br />

dτ<br />

κ<br />

2<br />

1<br />

2<br />

y<br />

0.5<br />

dx/dτ=0<br />

dy/dτ=0<br />

0<br />

0 0.5 1<br />

x<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 217


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Phasenporträt (6)<br />

• Im Phasenporträt verbinden sich infinitesimale Pfeile zu Trajektorien.<br />

• Zu verschiedenen Anfangszuständen (x 0<br />

, y 0<br />

) können verschiedene<br />

Trajektorien gehören.<br />

(Im besprochenen Beispiel ist der Fall x 0<br />

=1, y 0<br />

=0 (Start mit gesamter<br />

applizierter Menge D im zentralen Compartment) von besonderem Interesse .<br />

• Die Werte der Konstanten κ 1<br />

<strong>und</strong> κ 2<br />

bestimmen in starkem Maße den<br />

Charakter von Phasenporträts <strong>und</strong> Trajektorien.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 218


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Phasenporträt (7)<br />

1.0<br />

0.8<br />

Peripheres Compartment<br />

0.6<br />

0.4<br />

0.2<br />

0.0<br />

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0<br />

Zentrales Compartment<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 219


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Phasenporträt - Beispiel (1)<br />

Elimination von Phenylbutazon (Literaturbeispiel) :<br />

k 12<br />

= 0,33 h -1 k 21<br />

= 0,68 h -1 k el<br />

= 0,024 h -1<br />

κ 1<br />

= 13,75 κ 2<br />

= 28,33<br />

Phasenporträt<br />

(Pfeillängen log. Transformiert)<br />

1<br />

Null-Isoklinen<br />

0.5<br />

dx/dt=0<br />

dy(/dt=0<br />

0<br />

0 0.5 1<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 220


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Phasenporträt – Beispiel (2)<br />

1.0<br />

0.8<br />

Peripheres Compartment<br />

0.6<br />

0.4<br />

0.2<br />

Nahezu<br />

Gleichgewicht<br />

0.0<br />

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2 1.4<br />

Zentrales Compartment<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 221


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Einschub: Zeitskalen <strong>und</strong> Phasenporträt<br />

Warum sehen Phasenporträt <strong>und</strong> Trajektorien für die beiden angegebenen<br />

Wertepaare (κ 1<br />

, κ 2<br />

) so unterschiedlich aus?<br />

Vergleich schneller <strong>und</strong> langsamer Vorgang:<br />

Vereinbarung: dimensionbehaftete Größen ohne ~ ,<br />

dimensionslose Größen mit ~ .<br />

~<br />

M =<br />

~<br />

λ<br />

1,2<br />

1<br />

k<br />

=<br />

el<br />

1<br />

k<br />

⋅ M ;<br />

el<br />

⋅ λ<br />

1,2<br />

tr ~<br />

;<br />

=<br />

1<br />

k<br />

el<br />

~ α =<br />

⋅tr<br />

~<br />

−λ<br />

;<br />

1<br />

= −(1<br />

+ κ + κ );<br />

~<br />

β =<br />

1<br />

~<br />

−λ<br />

2<br />

2<br />

de ~ t<br />

=<br />

k<br />

1<br />

2<br />

el<br />

⋅det<br />

κ1<br />

κ2<br />

~ α ~ β<br />

0,04 0,30 1,056 0,284 α<br />

~<br />

β<br />

13,75 28,33 42,412<br />

0,668<br />

= κ<br />

≈<br />

α~<br />

~ ~ >> β<br />

2<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 222


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Stationäre Zustände<br />

Bei dem im vorigen Abschnitt besprochenen Beispiel schneiden sich die<br />

Null-Isoklinen im Nullpunkt (0,0). Dort ändern sich weder x noch y –es<br />

handelt sich um einen stationären Punkt. Dieses Beispiel-Modell hat<br />

nur diesen stationären Punkt, es gibt keine weiteren.<br />

Der stationäre Punkt ist stabil: Nach kleiner Auslenkung des Systems aus<br />

dem stationären Zustand läuft es in jedem Fall dahin zurück.<br />

Im übrigen läuft das System von einem beliebigen Startpunkt aus für<br />

in diesen stationären Punkt (asymptotisch stabil).<br />

t<br />

→ ∞<br />

Die Suche nach stationären Punkten <strong>und</strong> Stabilitätsuntersuchungen<br />

bilden wesentliche Bestandteile der Theorie dynamischer <strong>Systeme</strong>,<br />

insbesondere dann, wenn explizite Lösungen nicht zu erhalten sind.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 223


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Stationäre Zustände – Beispiel: Infusion (1)<br />

System wie vorn (Folie 215) besprochen, jedoch konstanter Substanzeinstrom<br />

I 0<br />

ab t = 0 ins zentrale Compartment.<br />

i 0<br />

x 1<br />

kel<br />

⋅ x1<br />

k 12 ⋅ x 1<br />

k 21 ⋅ x 2<br />

x 2<br />

Dimension von i 0<br />

:<br />

[Konzentration]<br />

[Zeit]<br />

Modellgleichungen <strong>und</strong> Anfangsbedingungen:<br />

x&<br />

x&<br />

1<br />

2<br />

= −(k<br />

=<br />

k<br />

12<br />

12<br />

+ k<br />

⋅ x<br />

1<br />

el<br />

) ⋅ x<br />

1<br />

+ k<br />

− k<br />

21<br />

21<br />

⋅ x<br />

2<br />

⋅ x<br />

2<br />

+ i<br />

0<br />

x<br />

x<br />

1<br />

(0 ) = 0<br />

2<br />

(0 ) = 0<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 224


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Stationäre Zustände – Beispiel: Infusion (2)<br />

Dimensionslos machen (günstig für allgemeine Überlegungen):<br />

• Bezugszeit: 1 / k el<br />

⇒ dimensionslose Zeitvariable<br />

τ = k el ⋅t<br />

• Bezugskonzentration: i 0<br />

/ k el<br />

x1<br />

⋅ kel<br />

x2<br />

⋅ k<br />

⇒ dimensionslose Konzentrationen x = <strong>und</strong> y =<br />

i0<br />

i0<br />

k12<br />

k<br />

Dimensionslose kinetische Konstanten : κ<br />

21<br />

1 = <strong>und</strong> κ2<br />

=<br />

k<br />

k<br />

Dimensionslose Modellgleichungen <strong>und</strong> Anfangsbedingungen:<br />

dx<br />

=<br />

dτ<br />

dy<br />

=<br />

dτ<br />

−(<br />

κ1<br />

+ 1) ⋅ x + κ2<br />

⋅ y + 1 x(0 ) = 0<br />

κ ⋅ x + κ ⋅ y y(0 ) = 0<br />

1<br />

2<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 225<br />

el<br />

el<br />

el


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Stationäre Zustände – Beispiel: Infusion (3)<br />

Null-Isoklinen:<br />

dx<br />

= 0<br />

dτ<br />

⇒<br />

dy<br />

= 0<br />

dτ<br />

⇒<br />

Stationärer Punkt:<br />

x<br />

y<br />

s<br />

s<br />

= 1<br />

κ<br />

=<br />

1<br />

κ<br />

2<br />

1 κ 1<br />

y<br />

1 +<br />

= − + ⋅ x<br />

κ2<br />

κ2<br />

κ<br />

y =<br />

1<br />

⋅ x<br />

κ<br />

2<br />

y<br />

dx =<br />

dτ<br />

0<br />

stationärer Punkt<br />

dy =<br />

dτ<br />

x<br />

0<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 226


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Stationäre Zustände – Beispiel: Infusion (4)<br />

Bemerkung:<br />

Im stationären Punkt stehen die Konzentrationen (<strong>und</strong> damit die Substanz-<br />

Mengen) in den beiden Compartments einem stationären Gleichgewicht<br />

(Fließgleichgewicht). Der Strom vom zentralen Kompartment zum peripheren<br />

Kompartment ist gleich dem entgegengesetzten Strom.<br />

x k 12 ⋅ x 1<br />

1 k x 2 k12 ⋅ x1<br />

= k21<br />

⋅ x2<br />

21 ⋅ x 2<br />

x ⎛ ⎞<br />

⇒<br />

2 k =<br />

12 κ<br />

⎜ =<br />

1<br />

⎟<br />

x1<br />

k21<br />

⎝ κ2<br />

⎠<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 227


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Nullisoklinen (1)<br />

Betrachte das folgenden System von zwei autonomen Differentialgleichungen<br />

erster Ordnung:<br />

dx<br />

dt<br />

dy<br />

dt<br />

= f 1 (x, y),<br />

= f 2 (x, y). (103)<br />

f 1 <strong>und</strong> f 2 seien stetige <strong>und</strong> bzgl. x <strong>und</strong> y differenzierbare Funktionen (Voraussetzungen<br />

für Existenz <strong>und</strong> Eindeutigkeit der Lösung seinen gegeben).<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 228


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Nullisoklinen (2)<br />

Wie bereits im Einführungsbeispiel betrachten wir zur Bestimmung der stationären<br />

Punkte die Beziehungen:<br />

f 1 (x, y) = 0 bzw. f 2 (x, y) = 0, d.h. (104)<br />

• es gibt keine zeitliche Änderung bezogen auf x ( dx<br />

dt<br />

auf y ( dy<br />

dt = 0);<br />

= 0) bzw. bezogen<br />

• die Flussvektoren (im Richtungsfeld) sind demzufolge parallel zur y bzw.<br />

zur x-Achse;<br />

• die Gesamtheit der Punkte, die einer dieser beiden Beziehungen<br />

genügen, heißen Nullisokinen (Nullclines).<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 229


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Nullisoklinen - Beispiel 1 (1)<br />

Veranschaulichung der Nullisoklinen innerhalb des Phasenraumes für folgendes<br />

einfaches Beispiel:<br />

dx<br />

dt<br />

dy<br />

dt<br />

= xy − y,<br />

= xy − x. (105)<br />

Die Nullisoklinen sind also gegeben durch<br />

x = 1 <strong>und</strong> y = 1.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 230


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Nullisoklinen - Beispiel 1 (2)<br />

(e) (f) (g)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 231


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Nullisoklinen (3)<br />

• Stationäre Zustände können nur an Schnittpunkten der Nullisoklinen auftreten<br />

(im Beispiel (105) nur zwei steady states, nämlich (0, 0) <strong>und</strong> (1,1)).<br />

• Richtungs-(Fluss-)Vektoren können von einem Punkt (auf den Nullisoklinen)<br />

zum anderen nur kontinuierlich variieren. Deshalb kann eine Orientierungsänderung<br />

nur an den stationären Zuständen auftreten.<br />

• Diese Umkehrung der Orientierung an den steady states tritt für fast alle<br />

System auf: wann immer detJ = 0 (J ... Jabkobimatrix), ist dies der Fall.<br />

In diesen Fällen kann durch Bestimmung der Nullisoklinen <strong>und</strong> einiger<br />

weniger Flussvektoren ein hinreichend komplettes Bild des Systemverhaltens<br />

auf einfach Weisen erhalten werden (”Richtungs-Nullisoklinen-<br />

Methode”).<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 232


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

... weiteres Beispiel:<br />

Nullisoklinen - Beispiel 2 (1)<br />

dx<br />

dt = x + y2 ,<br />

dy<br />

dt = x + y.<br />

Nullisoklinen: x = −y 2 <strong>und</strong> y = −x<br />

steady states: (0, 0) <strong>und</strong> (−1, 1)<br />

( )<br />

1 2y<br />

Jakobimatrix: J =<br />

1 1<br />

Damit ist J(0, 0)) ≠ 0 <strong>und</strong> J(−1, 1)) ≠ 0 <strong>und</strong> die ”Richtungs-Nullisoklinen-<br />

Methode” kann angewandt werden.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 233


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Nullisoklinen - Beispiel 2 (2)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 234


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Lokale Stabilitätsanalyse (1)<br />

• Frühere Betrachtung <strong>und</strong> auch die letzten zwei Beipiele habe gezeigt,<br />

dass qualitative Veränderungen in der Dynamik des Systemverhaltens<br />

nur in der Nähe / an den stationären Zuständen auftreten.<br />

• Das Systemveralten nichtlinearer <strong>Systeme</strong> kann (wie bereits weiter vorn<br />

gezeigt wurde) ”in der Nähe” stationärer Zustände durch ein lineares System<br />

approximiert werden.<br />

• Im folgenden wird eine Systematik zur Analyse des lokalen Stabilitätsverhaltens<br />

(in der Nähe von steady states) für <strong>Systeme</strong> von 2 ODEs gegeben.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 235


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Lokale Stabilitätsanalyse (2)<br />

Betrachte Linearisierung eines nichtlin. Systems nahe steady state (¯x 0 , ȳ 0 ):<br />

dx<br />

dt = a 11x + a 12 y ,<br />

dy<br />

dt = a 21x + a 22 y.<br />

Die a ij sind hierbei die partiellen Ableitungen von f 1 (x, y) = d(x)/f(t) bzw.<br />

f 2 (x, y) = d(y)/f(t). Daraus ergibt sich die Jakobimatrix:<br />

J(¯x 0 , ȳ 0 ) =<br />

( )<br />

a11 a 12<br />

a 21 a 22<br />

=<br />

(<br />

∂<br />

∂x f 1<br />

∂<br />

∂x f 2<br />

∂<br />

∂y f 1<br />

∂<br />

∂y f 2<br />

)∣ ∣∣∣∣(¯x0 ,ȳ 0 )<br />

(106)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 236


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Lokale Stabilitätsanalyse (3)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 237


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Phasenraumdiagramme linearer <strong>Systeme</strong> (1)<br />

• Wie bereits früher gezeigt, hat ein lineares System höchstens einen steady<br />

state (im Punkt (0, 0)), gegeben γ = detA ≠ 0 (A bezeichne hier die<br />

Koeffizientenmatrix des lin. Systems).<br />

• Im Falle reeller Eigenwerte, kann den Eigenwerten bzw. Eigenvektoren<br />

eine klare geometrische Interpretation gegeben werden:<br />

1. v i beschreiben die Richtungen in denen sich Lösungen entlang gerader<br />

Linien zum Punkt (0, 0) hin bzw. davon web bewegen.<br />

2. Ist ein Eigenwert λ i positiv, bewegt sich die Lösung von (0, 0) weg, ist<br />

λ i negativ, bewegt sich die Lösung auf (0,0) zu.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 238


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Phasenraumdiagramme linearer <strong>Systeme</strong> (2)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 239


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Phasenraumdiagramme linearer <strong>Systeme</strong> (3)<br />

• Damit verbleiben alle Lösungen, welche auf der Geraden durch den Nullpunkt<br />

in Richtung ±v 1 bzw. ±v 2 starten, auf dieser Geraden für alle t,<br />

−∞ < t < +∞.<br />

• Lösungen, welche an anderen Punkten beginnen bewegen auf gekrümmten<br />

Linien entspechend dem gegebenen Richtungsfeld.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 240


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Stabilitätsverhalten: reelle Eigenwerte (1)<br />

Gegeben unterschiedliche, reelle Eigenwerte (mit γ ≠ 0, β 2 −4γ > 0 3 ), kann<br />

das Verhalten der Lösung in drei mögliche Kategorien eingeteilt werden:<br />

1. Beide Eigenwerte positive: λ 1 > 0,λ 2 > 0;<br />

2. Eigenwerte haben unterschiedliche Vorzeichen: sign(λ 1 ) = −sign(λ 2 );<br />

3. Beide Eigenwerte negative: λ 1 < 0, λ 2 < 0;<br />

3 β = trA; γ = det A<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 241


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Stabilitätsverhalten: reelle Eigenwerte (2)<br />

In allen drei Fällen sind die Eigenvektoren reell.<br />

Fall 1: Beide Eigenvektoren vom Ursprung weggerichtet<br />

⇒ instabiler Knoten<br />

Fall 2: Eigenvektoren weisen sie in unterschiedliche Richtungen<br />

⇒ Sattelpunkt<br />

Fall 3: Beide Eigenvektoren zum Ursprung hingerichtet<br />

⇒ stabiler Knoten<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 242


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Stabilitätsverhalten: reelle Eigenwerte (3)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 243


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Stabilitätsverhalten: komplexe Eigenwerte (1)<br />

Im Falle komplexer Eigenwerte, d.h. λ = a ± bi, gibt es die folgenden drei<br />

Fälle zu unterscheiden:<br />

1. Eigenwerte haben positiven Realteil (a > 0);<br />

2. Eigenwerte sind rein komplex (a = 0);<br />

3. Eigenwerte haben negativen Realteil (a < 0);<br />

Beachte: Wenn die linearen Ausgangsgleichungen reelle Koeffizienten haben,<br />

können komplexe Eigenwerte nur in konjugiert komplexen Paaren auftreten.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 244


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Stabilitätsverhalten: komplexe Eigenwerte (2)<br />

Komplexer Eigenwerte sind (wie bereits früher gezeigt) mit oszillierenden<br />

Lösungen verb<strong>und</strong>en. In der xy-Ebene sind diese Oszillationen durch TRajektorien,<br />

welche sich um den Ursprung ”winden” charakterisiert.<br />

Fall 1: Wachsende Amplitude<br />

⇒ instabiler Fokus (Spirale)<br />

Fall 2: Stabile Amplituden<br />

⇒ neutrales Zentrum<br />

Fall 3: Sich verkleinernde Amplitude<br />

⇒ stabiler Fokus (Spirale)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 245


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Stabilitätsverhalten: komplexe Eigenwerte (3)<br />

(h) (i) (j)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 246


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Klassifizierung des Stabilitätsverhalten (1)<br />

Ausgehend von den gemachten Ausführungen ist es möglich, das Stabilitätsverhalten<br />

eines linearen / linearisierten Systems in 6 Kategorien einzuteilen.<br />

Die Zugehörigkeit von Lösungen zu diesen Kategorien kann mit Hilfe<br />

der bereits eingeführten Größen<br />

β<br />

γ<br />

δ<br />

= a 11 + a 22 = trA<br />

= a 11 a 22 − a 12 a 21 = detA<br />

= β 2 − 4γ = discA<br />

bestimmt werden:<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 247


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Klassifizierung des Stabilitätsverhalten (2)<br />

1. Instabiler Knoten: β > 0 <strong>und</strong> γ > 0<br />

2. Sattlepunkt: γ < 0<br />

3. Stabiler Knoten: β < 0 <strong>und</strong> γ > 0<br />

4. Instabiler Fokus: β 2 < 4γ <strong>und</strong> β > 0<br />

5. Neutrales Zentrum: β 2 < 4γ <strong>und</strong> β = 0<br />

6. Instabiler Fokus: β 2 < 4γ <strong>und</strong> β < 0<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 248


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Klassifizierung des Stabilitätsverhalten (3)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 249


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Beispiel: Chemostat (1)<br />

Zur Illustration des vorgestellten Methodik nutzen wir ein bereits bekanntes<br />

Beispielsystem - den Chemostat. Hier war die Bakteriendichte (N) sowie<br />

die Nährstoffkonzentration (C) beschriben durch:<br />

dN<br />

dt<br />

dC<br />

dt<br />

( ) C<br />

= α 1 N − N,<br />

1 + C<br />

( ) C<br />

= − N − C + α 2 . (107)<br />

1 + C<br />

Wie bereits gezeigt, hat dieses System zwei steady states, wobei einer von<br />

diesen ein stabiles Level von Nährstoffen <strong>und</strong> Bakterien beschreibt.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 250


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Beispiel: Chemostat (2)<br />

Beschränkung auf den positiven Quadranten der NC-Ebene bei Anwendung<br />

der Phasenraumanalyse.<br />

1a. Bestimmung der N-Nullisoklinen<br />

Aus<br />

( ) C<br />

α 1 N − N = 0<br />

1 + C<br />

folgt, dass entweder N = 0 oder α 1 C/(1 + C) = 1 erfüllt sein muss, um die<br />

N-Nullisoklinen zu beschreiben. Letztere Bedingung kann auch geschreiben<br />

werden als C = 1/α 1 − 1.<br />

Damit erhält man als N-Nullisoklinen die C-Achse <strong>und</strong> eine Parallele zur<br />

N-Achse, welche die C-Achse in der Höhe 1/α 1 − 1 schneidet.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 251


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Beispiel: Chemostat (2)<br />

Die folgende Grafik zeigt die Nullisoklinen unter der Bedingung (Parameterwahl)<br />

1<br />

α 1 − 1 < α 2.<br />

Unter Ausnutzung des Wissens, dass für die Jakobimatrix dieses Systems<br />

an beiden steady states gilt detJ ≠ 0 (Orientierungswechsel der Richtungsvektoren),<br />

kann das Richtungsfeld leicht approximiert werden.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 252


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Beispiel: Chemostat (3)<br />

1b. Bestimmung der C-Nullisoklinen<br />

Aus<br />

( ) C<br />

− N − C + α 2 = 0<br />

1 + C<br />

folgt, dass<br />

N = (α 2 − C) 1 + C<br />

C .<br />

Diese Beziehung beschreibt eine Kurve mit folgenden Eigenschaften<br />

• Sie geht durch den Punkt (α 2 ,0);<br />

• Für C → 0 strebt N gegen +∞;<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 253


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Beispiel: Chemostat (4)<br />

(k)<br />

(l)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 254


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Beispiel: Chemostat (5)<br />

2. Bestimmung der steady states:<br />

Aus Bedingung dN dC<br />

dt<br />

= 0 <strong>und</strong><br />

dt<br />

= 0 erhält man folgende steady states:<br />

( ¯N 1 , ¯C 1 ) : (α 1 (α 2 − 1<br />

α 1 − 1 ), 1<br />

α 1 − 1 )<br />

( ¯N 2 , ¯C 2 ) : (0, α 2 )<br />

1<br />

• Beachte: (0,<br />

α 1 −1<br />

) kein steady state; Schnittpunkt zweier N-Nullisoklinen!<br />

• Das System besitzt immer 2 steady states (Schnittpunkte der N <strong>und</strong> C<br />

Nullisoklinen). Allerdings liegt einer davon nur dann im positiven Quadranten,<br />

wenn α 2 > 1/(α 1 − 1) <strong>und</strong> α 1 > 1.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 255


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

3. Bestimmung der lokalen Stabilität:<br />

Beispiel: Chemostat (6)<br />

Betrachte zunächst ( ¯N 1 , ¯C 1 ). Bestimme J an diesem Punkt:<br />

wobei A = ¯N 1 /(1 + ¯C 1 ) 2 .<br />

Da gilt<br />

J =<br />

(<br />

0 α 1 A<br />

−1/α 1 −(A + 1)<br />

)<br />

,<br />

β = −(A + 1) < 0, γ = A > 0, β 2 − 4γ = (A − 1) 2 > 0<br />

ist ( ¯N 1 , ¯C 1 ) immer ein stabiler Knoten.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 256


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Beispiel: Chemostat (7)<br />

3. Bestimmung der lokalen Stabilität (Forts.):<br />

Betrachte jetzt ( ¯N 2 , ¯C 2 ). Wieder Auswertung von J an diesem Punkt:<br />

( )<br />

α1 B − 1 0<br />

J =<br />

,<br />

−B −1<br />

wobei B = α 2 /(1 − α 2 ).<br />

Damit<br />

β = α 1 B − 2, γ = 1 − α 1 B.<br />

(Interpretation siehe nächste Seite)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 257


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Phasenraumanalyse<br />

Beispiel: Chemostat (8)<br />

3. Bestimmung der lokalen Stabilität (Forts.):<br />

• ( ¯N 2 , ¯C 2 ) ist Sattelpunkt wenn 1 − α 1 B < 0 ⇒ α 1 > 1/B.<br />

• Man kann zeigen, dass dies erfüllt ist wenn α 2 > 1/(α 1 − 1). Diese Bedingung<br />

sichert die Existenz des steady states ( ¯N 1 , ¯C 1 ) im positiven Quadranten.<br />

• D.h. wenn ( ¯N 1 , ¯C 1 ) biologisch sinnvoll, dann ist ( ¯N 2 , ¯C 2 ) ein Sattelpunkt.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 258


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Kompetitives Populationswachstum<br />

( Dieser Abschnitt basiert wieder weitgehend auf Vorlesungsskripten<br />

vergangener Jahre: Dr. Barthel, Dr. Forberg, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig)<br />

1. Zwei interagierende Arten<br />

a) Zwei Arten im Wettbewerb um gemeinsame Nahrung<br />

b) Zwei Arten im Räuber – Beute - Verhältnis<br />

2. Drei Arten in einer Nahrungskette<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 259


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Zwei Arten im Nahrungswettbewerb (1)<br />

• Zwei Arten vom gleichen Typ<br />

• Kompetition um die gemeinsame Ressourcen (Nahrung)<br />

• Modellansatz:<br />

– Logistisches Wachstum für jede Art für sich allein<br />

– zusätzlich kompetitive Wechselwirkung<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 260


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Zwei Arten im Nahrungswettbewerb (2)<br />

Modell von Lotka <strong>und</strong> Volterra für Zwei-Spezies - Kompetition<br />

dx<br />

dt<br />

1<br />

=<br />

r<br />

1<br />

⋅ x<br />

1<br />

⎛<br />

⋅⎜1<br />

−<br />

⎝<br />

x<br />

1<br />

+ α<br />

K<br />

12<br />

1<br />

⋅ x<br />

2<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

,<br />

dx<br />

dt<br />

2<br />

=<br />

r<br />

2<br />

⋅ x<br />

2<br />

⎛<br />

⋅⎜1<br />

−<br />

⎝<br />

x<br />

2<br />

+ α<br />

K<br />

21<br />

2<br />

⋅ x<br />

1<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

• Modell enthält 6 Parameter:<br />

• r 1<br />

, r 2<br />

: Intrinsische Wachtumsraten der Arten 1 <strong>und</strong> 2<br />

• K 1<br />

, K 2<br />

: Tragende Kapazitäten der Arten 1 <strong>und</strong> 2<br />

• α 12<br />

: Kompetitionskoeffizient von Art 2 auf Art 1<br />

• α 21<br />

: Kompetitionskoeffizient von Art 1 auf Art 2<br />

(α 12<br />

, α 21<br />

> 0 , dimensionslose Zahlen)<br />

‣ Analytische Lösung des Modell-Gleichungssystems gelingt nicht!<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 261


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Zwei Arten im Nahrungswettbewerb (3)<br />

Übergang zu dimensionslosen Modellgleichungen:<br />

• Populationsgrößen auf zugehörige Kapazitäten beziehen:<br />

x1<br />

x<br />

u<br />

2<br />

1 = <strong>und</strong> u2<br />

=<br />

K1<br />

K2<br />

• Zeit bezogen auf reziproke intrinsische Wachstumsrate u 1 :<br />

t<br />

τ = = r1<br />

⋅t<br />

1 r<br />

⇒<br />

u&<br />

u&<br />

1<br />

2<br />

= u<br />

1<br />

⋅<br />

= ρ ⋅u<br />

1<br />

( 1 − u1<br />

− β12<br />

⋅u2<br />

)<br />

⋅ ( 1 − β ⋅u<br />

− u )<br />

2<br />

r2<br />

K2<br />

K<br />

wobei ρ = , β<br />

1<br />

12 = α12<br />

⋅ , β21<br />

= α21<br />

⋅<br />

r1<br />

K1<br />

K2<br />

• Dimensionsloses Modell enthält nur 3 unabhängige Parameter!<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 262<br />

21<br />

1<br />

2


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Qualitatives Systemverhalten LV –Kompetition (1)<br />

u&<br />

u&<br />

1<br />

2<br />

= u<br />

1<br />

⋅<br />

= ρ ⋅u<br />

( 1 − u1<br />

− β12<br />

⋅u2<br />

)<br />

⋅ ( 1 − β ⋅u<br />

− u )<br />

2<br />

21<br />

1<br />

2<br />

a) Bestimmung der Null-Isoklinen<br />

u&<br />

1<br />

u&<br />

= 0 ("vertikal" ) erfüllt für<br />

2<br />

V1)<br />

V2)<br />

u<br />

1<br />

u<br />

1<br />

= 0<br />

( u<br />

− Achse) oder<br />

= 0 ("horizontal"), wenn<br />

2<br />

+ β ⋅u<br />

= 1 (Gerade, Achsenabschnitte u = 1,<br />

u =<br />

12<br />

2<br />

H1) u2<br />

= 0 ( u1<br />

− Achse) oder<br />

1<br />

H2) β21 ⋅u1<br />

+ u2<br />

= 1 (Gerade, Achsenabschnitte u1<br />

= , u2<br />

= 1 )<br />

β<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 263<br />

1<br />

2<br />

21<br />

1<br />

β<br />

12<br />

)


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

u&<br />

Qualitatives Systemverhalten LV –Kompetition (2)<br />

1<br />

= 0 : V1)<br />

V2)<br />

u<br />

1<br />

u<br />

1<br />

= 0 oder<br />

+ β<br />

12<br />

⋅u<br />

2<br />

u&<br />

= 0 : H1)<br />

= 1<br />

H2)<br />

2<br />

u<br />

β<br />

2<br />

21<br />

= 0 oder<br />

⋅u<br />

1<br />

+ u<br />

2<br />

= 1<br />

u 2<br />

β 12<br />

< 1<br />

u 2<br />

1<br />

1<br />

β 21<br />

< 1<br />

V1<br />

V2<br />

H2<br />

1<br />

u 1<br />

u 2<br />

β 12<br />

> 1<br />

H1<br />

u 2<br />

β 21<br />

> 1<br />

1<br />

u 1<br />

1<br />

1<br />

V1<br />

V2<br />

H2<br />

1<br />

u 1<br />

H1<br />

1<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 264<br />

u 1


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Qualitatives Systemverhalten LV –Kompetition (3)<br />

u&<br />

u&<br />

1<br />

2<br />

= u<br />

1<br />

⋅<br />

= ρ ⋅u<br />

( 1 − u1<br />

− β12<br />

⋅u2<br />

)<br />

⋅ ( 1 − β ⋅u<br />

− u )<br />

2<br />

21<br />

1<br />

2<br />

b) Bestimmung der Jakobi-Matrix<br />

∂f<br />

∂u<br />

1<br />

∂f<br />

∂u<br />

1<br />

2<br />

1<br />

= 1 − 2 ⋅u<br />

= −ρ<br />

⋅ β<br />

1<br />

21<br />

− β<br />

⋅u<br />

2<br />

12<br />

⋅u<br />

2<br />

∂f<br />

∂u<br />

1<br />

∂f<br />

∂u<br />

2<br />

2<br />

2<br />

=<br />

=<br />

−β<br />

ρ ⋅<br />

12<br />

⋅u<br />

1<br />

( 1 − β ⋅u<br />

− 2 ⋅u<br />

)<br />

21<br />

1<br />

2<br />

H1<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 265


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Qualitatives Systemverhalten LV –Kompetition (4)<br />

c) Bestimmung der stationären Punkte, d.h. der Schnittpunkte von<br />

V- <strong>und</strong> H-Isoklinen: (V1 oder V2) <strong>und</strong> (H1 oder H2) <strong>und</strong> Analyse<br />

ihrer Stabilität<br />

Fall 1: V1 <strong>und</strong> H1: Koordinatenursprung<br />

Stationärer Zustand: = 0,u 0<br />

u1 2 =<br />

Stabilitätsanalyse:<br />

Wert der Jakobi -Matrix M<br />

=<br />

⎛1<br />

⎜<br />

⎝0<br />

0 ⎞<br />

⎟<br />

ρ ⎠<br />

1<br />

u 2<br />

⇒ β = trM<br />

= 1+<br />

ρ > 0 , γ = detM<br />

= ρ > 0<br />

|<br />

⇒ instabil für beliebige Parameterwerte<br />

V1<br />

°<br />

H1<br />

u 1<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 266


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Qualitatives Systemverhalten LV –Kompetition (5)<br />

Fall 2: nur Population 2 vorhanden <strong>und</strong> diese im Sättigungszustand<br />

(V1 <strong>und</strong> H2 )<br />

Stationärer Zustand:<br />

Stabilitätsanalyse:<br />

⎛ 1−<br />

β<br />

Wert der Jakobi -Matrix M = ⎜<br />

⎝−<br />

ρ ⋅ β<br />

tr M = 1−<br />

β − ρ , detM<br />

= −ρ<br />

⋅ − β<br />

u<br />

1<br />

= 0,<br />

u 2<br />

=<br />

12<br />

1<br />

( )<br />

12<br />

⎞<br />

⎟<br />

− ρ ⎠<br />

12<br />

0<br />

Eigenwerte 1−<br />

β12<br />

, − ρ ⇒ stabil nur für β > 12<br />

1<br />

Interpretation:<br />

Eine genügend starke Kompetition der Population 2<br />

auf die Population 1 bringt diese zum verschwinden.<br />

1<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 267<br />

21<br />

1<br />

β 12<br />

< 1<br />

V1u 2<br />

H2<br />

1<br />

°<br />

°<br />

1<br />

β 12<br />

> 1<br />

V1u 2<br />

H2<br />

1<br />

u 1<br />

u 1


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Qualitatives Systemverhalten LV –Kompetition (6)<br />

Fall 3: nur Population 1 vorhanden <strong>und</strong> diese im Sättigungszustand<br />

(V2 <strong>und</strong> H1)<br />

Stabiler Zustand: u = , u 0<br />

Stabilitätsanalyse:<br />

Wert<br />

der<br />

1<br />

1<br />

2<br />

=<br />

−1<br />

− β<br />

⎛<br />

12<br />

( ) ⎟ ⎞<br />

-Matrix M = ⎜<br />

⎝ 0 ρ ⋅ 1−<br />

β21<br />

⎠<br />

( 1−<br />

β ),<br />

det = −ρ<br />

⋅( − )<br />

Jakobi<br />

tr M = −1+<br />

ρ ⋅<br />

M β<br />

Eigenwerte<br />

ρ ⋅<br />

12<br />

1<br />

( 1−<br />

β21) , −1<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 268<br />

21<br />

⇒ stabil nur für β >1 21<br />

Interpretation:<br />

Eine genügend starke Kompetition der Population 1<br />

auf die Population 2 bringt diese zum verschwinden.<br />

1<br />

1<br />

u 2<br />

u 2<br />

V2<br />

H1<br />

V2<br />

H1<br />

β 21<br />

< 1<br />

°<br />

1<br />

°<br />

β 21<br />

> 1<br />

1<br />

u 1<br />

u 1


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Qualitatives Systemverhalten LV –Kompetition (7)<br />

Fall 4: V2 <strong>und</strong> H2: Schnitt der schräg verlaufenden Geraden<br />

a) β ⋅ β 1 : Geraden parallel, d.h. kein Schnittpunkt<br />

12 21<br />

=<br />

b) β ⋅ β 1 :<br />

12 21<br />

≠<br />

Stationärer Zustand:<br />

u<br />

1−<br />

β<br />

12<br />

1<br />

= , u2<br />

1−<br />

β12<br />

⋅ β21<br />

Stabilitätsanalyse:<br />

⎛ − u<br />

Wert der Jakobi -Matrix M = ⎜<br />

⎝−<br />

ρ ⋅ β<br />

1<br />

21<br />

⋅u<br />

2<br />

1−<br />

β21<br />

=<br />

1−<br />

β ⋅ β<br />

− β<br />

12<br />

− ρ ⋅u<br />

( u + ρ ⋅u<br />

),<br />

detM<br />

= ρ ⋅u<br />

⋅ ⋅( − β ⋅ )<br />

trM<br />

= −<br />

u<br />

1 2<br />

1 2<br />

1<br />

12<br />

β21<br />

Fallunterscheidungen hinsichtlich β 12<br />

<strong>und</strong> β 21<br />

erforderlich.<br />

12<br />

⋅u<br />

2<br />

1<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

21<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 269


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Qualitatives Systemverhalten LV –Kompetition (7)<br />

. β < 1,<br />

β 1: Schwache Einwirkung der Arten auf die jeweils andere.<br />

1<br />

12 21<br />

<<br />

⇒ Geraden schneiden sich im 1.Quadranten,<br />

• tr < 0, det > 0 ⇒ stabil<br />

• Globales Verhalten: Dies ist der einzige stabile stationäre Punkt.<br />

• Das System läuft von beliebigem Startpunkt in diesen Zustand.<br />

Koexistenz der Arten.<br />

1<br />

u 2<br />

°<br />

°<br />

° °<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 270<br />

1<br />

u 1


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Qualitatives Systemverhalten LV –Kompetition (8)<br />

2. β > , β 1: Starke Einwirkung beider Arten auf die jeweils andere.<br />

12<br />

1 21<br />

><br />

⇒ Geraden schneiden sich im 1.Quadranten,<br />

• tr < 0, det < 0 ⇒ instabil (Sattelpunkt)<br />

• Globales Verhalten: Es gibt zwei stabile stationäre Punkte, in<br />

denen jeweils nur eine Art vorhanden ist.<br />

• Es hängt vom Startpunkt ab, wohin das<br />

System läuft, aber schließlich bleibt nur<br />

eine Art übrig.<br />

1<br />

°<br />

u 2<br />

°<br />

°<br />

°<br />

1<br />

u 1<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 271


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Qualitatives Systemverhalten LV –Kompetition (9)<br />

3. β > , β 1: Art 2 wirkt stark auf Art 1 ein,<br />

12<br />

1 21<br />

<<br />

aber Art 1 wirkt nur schwach auf Art 2 zurück.<br />

⇒ kein Schnittpunkt im 1.Quadranten:<br />

u = 0,u2<br />

1 =<br />

• Globales Verhalten: Es gibt nur einen stabilen stationären<br />

Punkt<br />

• Unabhängig vom Startpunkt stirbt Art 1 aus.<br />

1<br />

1<br />

u 2<br />

°<br />

°<br />

°<br />

1<br />

u 1<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 272


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Qualitatives Systemverhalten LV –Kompetition (10)<br />

. β<br />

12<br />

< 1,<br />

β > 1: Art 1 wirkt stark auf Art 2 ein,<br />

aber Art 2 wirkt nur schwach auf Art 1 zurück.<br />

4<br />

21<br />

⇒ kein Schnittpunkt im 1.Quadranten:<br />

u = 1,u2<br />

1 =<br />

• Globales Verhalten: Es gibt nur den stationären Punkt.<br />

• Unabhängig vom Startpunkt stirbt Art 2 aus.<br />

0<br />

u 2<br />

°<br />

1<br />

°<br />

°<br />

1<br />

u 1<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 273


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

LV-Kompetition<br />

Summary<br />

• Sowohl Anzahl als auch Stabilitätsverhalten der stationären<br />

Punkte des Systems abhängig von Parametern.<br />

• Allerdings haben die intrinsischen Wachstumsraten hierbei<br />

keinen Einfluss auf die Stabilität <strong>und</strong> das globale Verhalten!<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 274


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Zwei Arten im Räuber - Beute – Verhältnis (1)<br />

Beute: Populationsgröße x<br />

Räuber: Populationsgröße y<br />

Modellansatz:<br />

• Beute wächst exponentiell bei Abwesenheit der Räuber<br />

• Räuber sterben exponentiell aus bei Abwesenheit der Beute<br />

• Räuber reduzieren das Wachstum der Beute proportional zu x ⋅ y<br />

• Beute fördert das Wachstum der Räuber proportional zu x ⋅ y<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 275


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Zwei Arten im Räuber - Beute – Verhältnis (2)<br />

Räuber – Beute - Modell von Lotka <strong>und</strong> Volterra<br />

dx<br />

dt<br />

=<br />

x ⋅<br />

dy<br />

( r −a⋅<br />

y) , = y ⋅( − r + b⋅<br />

x)<br />

x<br />

dt<br />

y<br />

Modell enthält 4 Parameter, alle > 0:<br />

• r x , r y : Intrinsische „Wachstumsraten“ der Beute <strong>und</strong> der Räuber<br />

• a : Einfluss der Räuber auf das Wachstum der Beute<br />

• b : Einfluss der Beute auf das Wachstum der Räuber<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 276


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Zwei Arten im Räuber - Beute – Verhältnis (3)<br />

Übergang zu dimensionslosen Modellgleichungen:<br />

• Zeit auf reziproke intrinsische Wachstumsrate der Beute beziehen:<br />

τ = r x ⋅ t<br />

• Populationsgrößen auf das Verhältnis der intrinsischen<br />

Wachstumsrate der Räuber zu den Einfluss-Parametern beziehen:<br />

b a<br />

u = ⋅ x , v = ⋅ y<br />

ry<br />

ry<br />

Dimensionslose Modellgleichungen:<br />

du<br />

dv<br />

= u ⋅ ( 1 −α<br />

⋅v<br />

),<br />

= α ⋅v<br />

⋅ ( u −1)<br />

mit α =<br />

dτ<br />

14243 dτ<br />

14243<br />

f<br />

1<br />

(u,v )<br />

f<br />

2<br />

(u,v )<br />

r<br />

r<br />

y<br />

x<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 277


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Qualitatives Systemverhalten LV-Räuber-Beute (1)<br />

a) Bestimmung der Null-Isoklinen:<br />

du<br />

=<br />

dτ<br />

0<br />

⇒<br />

u<br />

v<br />

= 0<br />

1<br />

=<br />

α<br />

v - Achse<br />

horizontale Gerade<br />

dv<br />

=<br />

dτ<br />

0<br />

⇒<br />

v<br />

u<br />

= 0<br />

= 1<br />

u - Achse<br />

vertikale Gerade<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 278


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Qualitatives Systemverhalten LV-Räuber-Beute (2)<br />

b) Bestimmung der Jakobi-Matrix<br />

∂f1<br />

∂u<br />

∂f2<br />

∂u<br />

= 1 −α<br />

⋅v<br />

= α ⋅v<br />

∂f1<br />

∂v<br />

∂f2<br />

∂v<br />

= −α<br />

⋅u<br />

= α ⋅<br />

( u −1)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 279


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Qualitatives Systemverhalten LV-Räuber-Beute (2)<br />

b) Bestimmung der stationären Punkte <strong>und</strong> Analyse ihrer Stabilität<br />

Es gibt nur zwei Schnittpunkte zwischen den Null-Isoklinen<br />

du/dτ <strong>und</strong> den Null-Isoklinen dv/dτ :<br />

Fall 1: Schnittpunkt der Koordinatenachsen u = 0 <strong>und</strong> v = 0<br />

∂f1<br />

∂u<br />

∂f2<br />

∂u<br />

= 1 −α<br />

⋅v<br />

= α ⋅v<br />

∂f1<br />

= −α<br />

⋅u<br />

∂v<br />

∂f2<br />

= α ⋅<br />

∂v<br />

( u −1)<br />

M<br />

⎛1<br />

0 ⎞<br />

= ⎜ ⎟ , tr = 1 −α<br />

, det<br />

⎝ 0 −α<br />

⎠<br />

=<br />

−α<br />

⇒ instabil (Sattelpunkt)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 280


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Qualitatives Systemverhalten LV-Räuber-Beute (3)<br />

Fall 2: Schnittpunkt der horizontalen Geraden v = 1/ α mit der<br />

vertikalen Geraden u = 1<br />

M<br />

⎛0<br />

−α<br />

⎞<br />

= ⎜ ⎟ , tr = 0 , det<br />

⎝ 1 0 ⎠<br />

= α<br />

⇒ Zentrum<br />

v (Räuber)<br />

Trajektorien sind geschlossene Kurven<br />

um das Zentrum (1, 1/α ).<br />

u = 1<br />

v = 1 / α<br />

u (Beute)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 281


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Qualitatives Systemverhalten LV-Räuber-Beute (4)<br />

In welcher Orientierung werden die Trajektorien durchlaufen?<br />

• Inhaltliche Argumentation:<br />

Erst Maximum der Beute, dann Maximum der Räuber, d.h. die Trajektorien<br />

werden im mathematisch positiven Umlaufsinn durchlaufen.<br />

• Formale Argumentation:<br />

u&<br />

( 1 −α<br />

⋅v<br />

),<br />

v&<br />

= ⋅u<br />

⋅ ( u −1)<br />

= u ⋅<br />

α<br />

v (Räuber)<br />

u = 1,<br />

v > 1 / α ⇒<br />

u = 1,<br />

v < 1 / α ⇒<br />

u > 1,<br />

v = 1 / α ⇒<br />

u < 1,<br />

v = 1 / α ⇒<br />

u&<br />

< 0 , v&<br />

= 0<br />

u&<br />

> 0 , v&<br />

= 0<br />

u&<br />

= 0 , v&<br />

> 0<br />

u&<br />

= 0 , v&<br />

< 0<br />

u (Beute)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 282


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Ein reales Räuber-Beute System (1)<br />

• Oszillationen in Räuber - Beute - Populationen sind bekannt.<br />

• Oft zitiert wird die Statistik der Hudson Bay Company in Kanada über die<br />

Zahl der zwischen 1845 <strong>und</strong> 1935 erbeuteten Felle von Schneeschuhhasen<br />

<strong>und</strong> Luchsen.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 283


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Ein reales Räuber-Beute System (2)<br />

• Um 1887 <strong>und</strong> 1897 tritt Maximum der Luchse vor dem der Hasen auf.<br />

‣ Widerspruch zum LV-Modell!<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 284


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Ein reales Räuber-Beute System (3)<br />

• In der Phasenebene wird die Trajektorie im Uhrzeigersinn durchlaufen.<br />

• Es erhebt sich die tiefsinnige Frage: Fressen Hasen Luchse ?<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 285


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Ein reales Räuber-Beute System (4)<br />

Es gibt darauf fragwürdige (z.B. eine Krankheit) <strong>und</strong> ernsthafte Antworten:<br />

• Fangzahlen <strong>und</strong> Populationsgrößen müssen nicht proportional sein, weil<br />

Jäger vor allem durch große Luchszahlen zur Jagd motiviert sein könnten.<br />

• Prinzipielle Einwände:<br />

– Das neutrale Zentrum sieht man als ein Kunstprodukt an, das durch<br />

den ganz speziellen Ansatz zu erklären ist („Strukturelle Instabilität“).<br />

– Die unendlich große Kapazität der Beute ist unrealistisch.<br />

– Die Modellgleichungen legen nahe, dass ein einzelner Räuber desto<br />

mehr Beutetiere frisst, je mehr es davon gibt. Aber auch das hat seine<br />

Grenzen.<br />

⇒ Modifikation des Modells<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 286


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Modifiziertes LV-Räuber-Beute Modell (1)<br />

Vorbemerkungen zur Notation:<br />

- Große Buchstaben bezeichnen dimensionsbehaftete Größen<br />

- Kleine Buchstaben bezeichnen dimensionslose Größen<br />

- X momentane Größe der Beutepopulation<br />

- Y momentane Größe der Räuberpopulation<br />

- T Zeit<br />

Annahme von logistischem Wachstum der Beute:<br />

dX<br />

dT<br />

⎛ X<br />

= R ⋅ X ⋅ ⎜1<br />

−<br />

⎝ K<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

R intrinsische Wachstumsrate<br />

K tragende Kapazität<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 287


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Modifiziertes LV-Räuber-Beute Modell (2)<br />

Fressrate der Räuber :<br />

Fressrate der Räuber I = const ⋅ X<br />

⋅Y<br />

, bzw.<br />

Pro - Kopf<br />

- Fressrate<br />

J<br />

≡<br />

I<br />

/<br />

Y<br />

=<br />

const<br />

⋅<br />

X<br />

Pro-Kopf-Fressrate ist also proportional zur vorhandenen Menge an Beute.<br />

Berücksichtigung der Sättigung bei großem Nahrungsangebot<br />

(Holling, Typ II):<br />

J<br />

X<br />

J = const ⋅<br />

B ><br />

1<br />

1 + ⋅ X<br />

B<br />

0<br />

B·const<br />

const · X<br />

Volterra<br />

B begrenzt J<br />

(vgl. Michaelis-Menten-Kinetik)<br />

Holling<br />

X<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 288


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Modifiziertes LV-Räuber-Beute Modell (3)<br />

Modellgleichungen:<br />

dX<br />

dT<br />

R ⋅<br />

X<br />

= 1<br />

T<br />

⎛ ⋅ ⎜ −<br />

⎝<br />

X<br />

K<br />

⎞<br />

⎟ −<br />

⎠<br />

C ⋅<br />

A⋅<br />

X<br />

B + X<br />

⋅Y<br />

,<br />

dY<br />

dT<br />

=<br />

A⋅<br />

X<br />

B + X<br />

⋅Y<br />

−<br />

D ⋅Y<br />

Dimensionslose Modellgleichungen:<br />

Zeit :<br />

x&<br />

y&<br />

= x ⋅<br />

t<br />

= R ⋅<br />

( 1 − x)<br />

a ⋅ x<br />

= ⋅ y − d ⋅ y<br />

1 + b ⋅ x<br />

Räuber :<br />

a ⋅ x<br />

− ⋅ y<br />

1 + b ⋅ x<br />

(1)<br />

(2)<br />

y = Y ⋅<br />

Beute :<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 289<br />

C<br />

K<br />

wobei<br />

x =<br />

X<br />

K<br />

A⋅<br />

K K D<br />

a = , b = , d =<br />

B ⋅ R B R<br />

( 3 positive Modellparameter)


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Qualitatives Systemverhalten Mod. LV-RB Modell (1)<br />

Null-Isoklinen: (Von Interesse nur x ≥ 0 , y ≥ 0)<br />

1)<br />

x & = 0 ⇒<br />

⎡ a ⎤<br />

x ⋅<br />

⎢<br />

1 − x − ⋅ y = 0<br />

⎣ 1 + b ⋅ x ⎥<br />

⎦<br />

also x = 0<br />

y - Achse<br />

oder<br />

y<br />

=<br />

1<br />

a<br />

⋅<br />

(1a)<br />

( 1 + b ⋅ x) ⋅ ( 1 − x) Parabel (1b)<br />

2)<br />

⎡ a ⋅ x<br />

y &<br />

⎤<br />

= 0 ⇒ y ⋅<br />

⎢<br />

− d =<br />

⎣1<br />

+ b ⋅ x ⎥<br />

⎦<br />

0<br />

also y = 0<br />

x - Achse (2a)<br />

oder<br />

d<br />

x = ≡ x *<br />

a − d ⋅ b<br />

vertikale Gerade (2b) wobei a > d ⋅b<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 290


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Qualitatives Systemverhalten Mod. LV-RB Modell (2)<br />

Stationäre Punkte:<br />

• Müssen die Bedingung [(1a) oder (1b)] <strong>und</strong> [(2a) oder (2b)] erfüllen.<br />

• (1a) <strong>und</strong> (2a): Koordinatenursprung<br />

• (1a) <strong>und</strong> (2b): kein Schnittpunkt<br />

• (1b) <strong>und</strong> (2a): Nullstelle Parabel<br />

x = 0 , y = 0<br />

x = 1,<br />

y = 0<br />

• (1b) <strong>und</strong> (2b): Schnitt Parabel mit vertikaler Gerade<br />

x = x * , y =<br />

d<br />

wobei x*<br />

= 1<br />

(s.o.) , y* = ⋅<br />

*<br />

a − d ⋅b<br />

a<br />

1<br />

‣ Die ersten beiden stationären Punkte sind als instabil zu erkennen.<br />

‣ Dritter stationärer Punkt: Analyse mittels Jakobi-Matrix.<br />

y *<br />

( 1+<br />

b ⋅ x* ) ⋅( − x )<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 291


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Zahlenbeispiel: Mod. LV-RB Modell (1)<br />

a) a = 5,0 ; d = 0,4 ; b = 0,2<br />

• Für (0,0) <strong>und</strong> (1,0) hat Jakobi-Matrix je einen positiven <strong>und</strong> einen negativen<br />

Eigenwert, d.h. dies sind Sattelpunkte.<br />

• x* = 0,08130 , y* = 0,18670<br />

Eigenwerte der Jakobi-Matrix λ 1/2<br />

= -0,0333 ± i·0,6004<br />

⇒ Stabiler Strudelpunkt<br />

Stabiler punktförmiger Attraktor mit dem gesamten 1.Quadranten als<br />

„Einzugsgebiet“ (Basin of attraction)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 292


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Zahlenbeispiel: Mod. LV-RB Modell (1)<br />

1<br />

Phasenebene:<br />

1<br />

Zeitverläufe:<br />

0.8<br />

0.6<br />

x<br />

y<br />

0.5<br />

y<br />

0.4<br />

0<br />

0 100 200 300 400 500<br />

0.2<br />

t<br />

0<br />

0 0.2 0.4 0.6 0.8 1<br />

x<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 293


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Zahlenbeispiel: Mod. LV-RB Modell (3)<br />

b) a = 5,0 ; d = 0,4 ; b = 2,0<br />

• (0,0) <strong>und</strong> (1,0) wie bei a).<br />

• x* = 0,09524 , y* = 0,21540<br />

Eigenwerte der Jakobi- Matrix λ 1/2<br />

= 0,02476 ± i·0,55080<br />

⇒<br />

Instabiler Strudelpunkt<br />

Es gibt keinen stabilen stationären Zustand!<br />

Dafür gibt es aber einen stabilen Grenzzyklus.<br />

Unabhängig vom Anfangszustand laufen die Trajektorien zu diesem Attraktor.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 294


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Zahlenbeispiel: Mod. LV-RB Modell (4)<br />

Phasenebene:<br />

Zeitverläufe:<br />

1<br />

1<br />

0.8<br />

x1<br />

y1<br />

0.5<br />

y1<br />

y2<br />

0.6<br />

0.4<br />

0<br />

0 100 200 300 400 500<br />

t<br />

0.8<br />

0.2<br />

0<br />

0 0.2 0.4 0.6 0.8 1<br />

x1,<br />

x2<br />

x2<br />

y2<br />

0.6<br />

0.4<br />

0.2<br />

0<br />

0 100 200 300 400 500<br />

t<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 295


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Bifurkation im LV-Räuber-Beute Modell (1)<br />

Diskussion des Einflusses des Kontrollparameters b:<br />

• Die beiden besprochenen Fälle unterscheiden sich nur im Wert eines<br />

einzigen Parameters, b. Das hat aber qualitative Unterschiede im<br />

Systemverhalten zur Folge.<br />

• Systematische Untersuchung durch Konstruktion<br />

y<br />

eines<br />

Bifurkationsdiagramms.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 296


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Bifurkation im LV-Räuber-Beute Modell (2)<br />

Bifurkationsdiagramm für das besprochene System:<br />

Abszisse:<br />

Ordinate:<br />

Kontrollparameter b<br />

Charakteristische Werte von y<br />

- bei stabilem Gleichgewicht y [1 Punkt über b]<br />

- bei Grenzzyklus: y min<br />

<strong>und</strong> y max<br />

[2 Punkte über b]<br />

(Maximum <strong>und</strong> Minimum im eingeschwungenen Zustand)<br />

Empirische Konstruktion des Bifurkationsdiagramms:<br />

• In kleinen Schritten b erhöhen.<br />

• Simulation.<br />

• Je nach Ergebnis 1 oder 2 Punkte über b auftragen.<br />

• Interpolieren.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 297


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Bifurkation im LV-Räuber-Beute Modell (3)<br />

1,0<br />

,8<br />

,6<br />

Stabiles<br />

Gleichgewicht<br />

Grenzzyklus<br />

,4<br />

,2<br />

0,0<br />

0,0<br />

,2<br />

,4<br />

,6<br />

,8<br />

1,0<br />

1,2<br />

1,4<br />

1,6<br />

1,8<br />

2,0<br />

2,2<br />

2,4<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 298


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Bifurkation im LV-Räuber-Beute Modell (4)<br />

Warum gerade b als Kontrollparameter gewählt ?<br />

• Das Modell in seiner dimensionslosen Form hat 3 Parameter:<br />

• a: Bestimmt die Pro-Kopf-Fressrate der Räuber bei geringem<br />

Nahrungsangebot (x > 1): x&<br />

= ... − ( a / b) ⋅ y<br />

• d: Absterberate der Population der Räuber:<br />

y&<br />

=<br />

... − d<br />

⋅ y<br />

‣ Auszeichnung von b als Kontrollparameter bedeutet Untersuchung des<br />

Einflusses der Sättigung der Pro-Kopf-Fressrate der Räuber auf das<br />

Verhalten des 2-Populationen-Systems.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 299


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Bifurkation im LV-Räuber-Beute Modell (5)<br />

Untersuchung des lokalen Gleichgewichts in Abhängigkeit von b<br />

Vorgehen für gegebenes b:<br />

• Berechnen der Lage des stationären Zustandes<br />

• Berechnen der Jakobi-Matrix im stationären Zustand<br />

• Berechnen von Spur <strong>und</strong> Determinante der Jakobi-Matrix<br />

1<br />

• Berechnen der Eigenwerte λ<br />

1 1,2<br />

= tr ± tr<br />

2 − 4 ⋅ det<br />

2 2<br />

• Wenn beide Eigenwerte einen negativen Realteil haben, ist der<br />

stationäre Zustand lokal stabil, anderenfalls instabil.<br />

• Die Formel für die Eigenwerte zeigt, dass diese durch tr <strong>und</strong> det<br />

bestimmt sind.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 300


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Bifurkation im LV-Räuber-Beute Modell (6)<br />

Kritische Linien in der tr - det – Ebene (siehe weiter vorn):<br />

stabiler<br />

Fokus<br />

instabiler<br />

Fokus<br />

det<br />

stabiler Knoten<br />

instabiler Knoten<br />

tr<br />

Sattelpunkte<br />

Bei systematischer Variation von b kann der Punkt (tr(b), det(b)) eine der<br />

kritischen Linien passieren <strong>und</strong> damit eine Änderung des lokalen Stabilitätsverhaltens<br />

eintreten.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 301


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Grenzzyklus im LV-Räuber-Beute Modell (1)<br />

• Mit lokaler Stabilitätsanalyse kann man nichts über den Verlauf der<br />

Trajektorien weit ab von stationären Punkten sagen. So erscheint z.B.<br />

der Grenzzyklus im Beispiel als Überraschung.<br />

• Es gibt auch für die Untersuchung des globalen Systemverhaltens<br />

mathematische Hilfsmittel. Im Beispiel (System mit nur 2 abhängigen<br />

Variablen) hätte man durch Analyse des Phasenporträts <strong>und</strong> eines<br />

mathematischen Satzes das Auftreten des Grenzzyklus voraussagen<br />

können. Dies soll im Folgenden skizziert werden.<br />

dx = f<br />

dt<br />

( x ) (x 2 - dim Vektor) sei ein autonomes System<br />

• Eine Lösung des autonomen Systems mit dem Anfangswert x(0) = x 0<br />

werde mit ϕ ( x ) 0 ,t bezeichnet. Es ist also ϕ x , = x .<br />

( 0 0 ) 0<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 302


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Grenzzyklus im LV-Räuber-Beute Modell (2)<br />

• Die Lösung in die Differentialgleichung des autonomen Systems<br />

eingesetzt (<strong>und</strong> dabei den Index Null eingespart) ergibt:<br />

( )<br />

d<br />

dt<br />

ϕ<br />

ϕ<br />

( x,t<br />

) = f ( ϕ( x,t<br />

))<br />

( x,0<br />

) = x<br />

• In Worten: ϕ x,t ist eine Lösung der Dgl. <strong>und</strong> mit Anfangswert x.<br />

( )<br />

• ϕ x,t kann als Bewegung eines Partikels im Phasenraum mit der<br />

Anfangslage x aufgefasst werden.<br />

• Stationärer Punkt x:<br />

ϕ<br />

( x , t) = x für alle t<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 303


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Grenzzyklus im LV-Räuber-Beute Modell (3)<br />

• Periodischer Punkt:<br />

x ist periodischer Punkt mit der Periode T genau dann, wenn<br />

ϕ<br />

ϕ<br />

• Periodischer Orbit:<br />

( x,t<br />

+ T ) = ϕ( x,t<br />

)<br />

für alle t<br />

( x,t<br />

+ s) ≠ ϕ( x,t<br />

) für s mit 0 < s < T<br />

{ ( ) }<br />

Eine Kurve Γ = y | y = ϕ x,t<br />

,0 ≤ t < T heißt periodischer Orbit<br />

des autonomen Systems genau dann, wenn y ein periodischer<br />

Punkt mit der Periode T ist.<br />

(x : Anfangslage, y : Lage z.Zt. t )<br />

<strong>und</strong><br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 304


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Satz von Poincaré <strong>und</strong> Bendixson<br />

• Angenommen, eine Trajektorie durch einen Punkt x tritt in ein<br />

abgeschlossenes, beschränktes Gebiet D ein <strong>und</strong> verlässt es<br />

nicht wieder.<br />

• Weiter angenommen, in D liegen keine stabilen stationären<br />

Punkte.<br />

• Dann gibt es mindestens einen periodischen Orbit in D, <strong>und</strong> die<br />

Trajektorie kommt ihm beliebig nahe.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 305


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Nahrungskette: Modell (1)<br />

Modell von Hastings & Powell 1991: X Beute von Y; Y Beute von Z<br />

Modellgleichungen:<br />

dX<br />

dT<br />

dY<br />

dT<br />

dZ<br />

dT<br />

= R<br />

= C<br />

0<br />

A<br />

=<br />

B<br />

1<br />

1<br />

2<br />

⎛ ⋅ X ⋅ ⎜1<br />

−<br />

⎝<br />

⋅<br />

+<br />

X A<br />

⋅Y<br />

−<br />

X B<br />

A<br />

⋅<br />

B<br />

2<br />

2<br />

X<br />

K<br />

0<br />

2<br />

⎞<br />

⎟ − C<br />

⎠<br />

2<br />

⋅Y<br />

⋅ Z − D<br />

+ Y<br />

⋅Y<br />

⋅ Z − D1<br />

+ Y<br />

2<br />

1<br />

⋅ Z<br />

A<br />

⋅<br />

B<br />

1<br />

1<br />

⋅ X<br />

⋅Y<br />

+ X<br />

⋅Y<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 306


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Nahrungskette: Modell (2)<br />

Dimensionslose Modellgleichungen:<br />

Bezugsgröße<br />

Dimensionslose<br />

Größe<br />

Zeit :<br />

Pop. X :<br />

Pop. Y :<br />

Pop. Z :<br />

1<br />

R<br />

0<br />

X<br />

K<br />

K<br />

C<br />

0<br />

0<br />

1<br />

K0<br />

⋅C<br />

C<br />

1<br />

2<br />

t<br />

z<br />

x<br />

y<br />

=<br />

=<br />

R<br />

0<br />

X<br />

K<br />

C<br />

=<br />

K<br />

⋅T<br />

⋅Y<br />

C1<br />

=<br />

K ⋅C<br />

0<br />

0<br />

1<br />

0<br />

2<br />

⋅ Z<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 307


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Nahrungskette: Modell (3)<br />

Dimensionslose Modellgleichungen:<br />

a x<br />

x x ( 1 x)<br />

1 ⋅<br />

& = ⋅ − − ⋅ y<br />

1 + b1<br />

⋅ x<br />

(1)<br />

a x a y<br />

y<br />

1 ⋅<br />

y<br />

2 ⋅<br />

& = ⋅ − ⋅ z − d ⋅ y<br />

1 + b1<br />

⋅ x 1 + b2<br />

⋅ y<br />

(2)<br />

a y<br />

z<br />

2 ⋅<br />

& = ⋅ z − d2<br />

⋅ z<br />

1 + b ⋅ y<br />

(3)<br />

2<br />

wobei<br />

a<br />

b<br />

d<br />

1<br />

1<br />

1<br />

A<br />

=<br />

B<br />

1<br />

1<br />

K<br />

=<br />

B<br />

0<br />

1<br />

D<br />

=<br />

R<br />

1<br />

0<br />

⋅K<br />

⋅ R<br />

,<br />

,<br />

0<br />

0<br />

b<br />

d<br />

,<br />

2<br />

2<br />

a<br />

2<br />

2<br />

D<br />

=<br />

R<br />

=<br />

2<br />

0<br />

A<br />

2<br />

K<br />

=<br />

0<br />

B ⋅C<br />

1<br />

K0<br />

⋅C<br />

⋅<br />

2<br />

C ⋅ B ⋅R<br />

1<br />

2<br />

0<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 308


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Nahrungskette: Stationäre Zustände (1)<br />

Die Null-Isoklinen sind Flächen im dreidimensionalen Phasenraum:<br />

1) x&<br />

=<br />

0<br />

⇒<br />

⎡<br />

x ⋅ ⎢1<br />

−<br />

⎣<br />

x<br />

a1 ⎤<br />

− ⋅ y =<br />

1 + b1<br />

⋅ x<br />

⎥<br />

⎦<br />

0<br />

also<br />

x<br />

=<br />

0<br />

(1a)<br />

y-z - Ebene<br />

oder<br />

y<br />

=<br />

1<br />

a<br />

1<br />

⋅<br />

( 1 + b ⋅ x) ⋅ ( 1 − x) (1b)<br />

1<br />

Fläche, die durch<br />

Vertikalbewegung<br />

einer Parabel<br />

entsteht<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 309


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Nahrungskette: Stationäre Zustände (2)<br />

Die Null-Isoklinen sind Flächen im dreidimensionalen Phasenraum:<br />

⎡ a ⋅ x a z<br />

y 0 y<br />

2 ⋅ ⎤<br />

2) & = ⇒ ⋅ ⎢ − − d1<br />

1 b1<br />

x 1 b2<br />

y<br />

⎥<br />

⎣ + ⋅ + ⋅ ⎦<br />

1<br />

=<br />

0<br />

also<br />

y<br />

=<br />

0<br />

(2a)<br />

x-z - Ebene<br />

oder<br />

⎡ a1 ⋅ x a ⋅<br />

⎢ −<br />

2 z<br />

− d<br />

⎣1<br />

+ b1<br />

⋅ x 1 + b2<br />

⋅ y<br />

1<br />

⎤<br />

⎥<br />

⎦<br />

=<br />

0<br />

(2b)<br />

Fläche im<br />

Phasenraum<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 310


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Nahrungskette: Stationäre Zustände (3)<br />

Die Null-Isoklinen sind Flächen im dreidimensionalen Phasenraum:<br />

⎡ a ⋅ y ⎤<br />

3) z&<br />

= 0 ⇒ z ⋅ ⎢ − d2<br />

1 b2<br />

y<br />

⎥<br />

⎣ + ⋅ ⎦<br />

2<br />

=<br />

0<br />

also<br />

oder<br />

z = 0<br />

(3a) x-y - Ebene<br />

y<br />

=<br />

y*<br />

≡<br />

a<br />

d<br />

− d<br />

2<br />

⋅ b<br />

2 2 2<br />

2 > d2<br />

⋅ b<br />

Es sei a 2<br />

.<br />

(3b)<br />

Ebene parallel<br />

zur x-z - Ebene<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 311


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Nahrungskette: Stationäre Zustände (4)<br />

Stationäre Punkte (müssen erfüllen):<br />

• [(1a) oder (1b)] <strong>und</strong> [(2a) oder (2b)] <strong>und</strong> [(3a) oder (3b)]<br />

(1a):<br />

x = 0 ⇒ y - z - Ebene<br />

& (2a) : y = 0 ⇒ x - z - Ebene ⇒ z - Achse<br />

& (3a) : z = 0 x - y - Ebene ⇒ Koordinatenursprung<br />

( 0,0,0 )<br />

& (3b) : y = y * ⇒ für y* > 0<br />

nicht<br />

erfüllbar<br />

& (2b) :<br />

a2<br />

⋅ z<br />

= −d<br />

1 + b ⋅ y<br />

2<br />

1<br />

⇒<br />

Im 1. Oktanden nicht<br />

erfüllbar<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 312


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

(1b) :<br />

Nahrungskette: Stationäre Zustände (5)<br />

1<br />

a<br />

y = ⋅ 1<br />

1<br />

( 1 + b ⋅ x) ⋅ ( 1 − x)<br />

⇒ Parabelfläche<br />

& (2a) : y = 0 ⇒ x = 1 ⇒ Gerade parallel zur z - Achse<br />

& (3a) : z = 0 x - y - Ebene ⇒ ( 1,0,0 )<br />

& (3b) : y = y * ⇒ für y* > 0<br />

nicht<br />

erfüllbar<br />

a<br />

& (2b) :<br />

1 ⋅ x a2<br />

⋅ z<br />

− − d1<br />

= 0<br />

1 + b ⋅ x 1 + b ⋅ y<br />

1<br />

& (3a) : z = 0 mit (2b) ⇒ x<br />

2<br />

=<br />

x°<br />

≡<br />

a<br />

1<br />

d<br />

− d<br />

1<br />

1<br />

⋅ b<br />

1<br />

mit (1b) ⇒ y<br />

⇒<br />

( x°<br />

,y°,0<br />

)<br />

=<br />

y°<br />

≡<br />

1<br />

a<br />

1<br />

⋅<br />

( 1 − x°<br />

) ⋅ ( 1 + b ⋅ x°<br />

)<br />

1<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 313


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Nahrungskette: Stationäre Zustände (6)<br />

& (3b) :<br />

y<br />

= y* ≡<br />

a<br />

2<br />

d<br />

− d<br />

2<br />

2<br />

mit (1b) ⇒<br />

⋅ b<br />

2<br />

−<br />

( 1 − x) ⋅ ( 1 + b ⋅ x)<br />

1<br />

+ a<br />

1<br />

⋅ y* = 0<br />

Quadratische Gleichung, nur eine positive Lösung<br />

x<br />

=<br />

x*<br />

≡<br />

1<br />

2<br />

⎡<br />

⎢<br />

b1<br />

−1<br />

⋅ +<br />

⎢ b1<br />

⎣<br />

⎛ b1<br />

−1⎞<br />

⎜ ⎟<br />

⎝ b1<br />

⎠<br />

2<br />

1 − a y *<br />

4<br />

1 ⋅<br />

+ ⋅<br />

b<br />

1<br />

⎤<br />

⎥<br />

⎥<br />

⎦<br />

mit<br />

(2b)<br />

⇒<br />

z<br />

⇒<br />

=<br />

z*<br />

⎛ a1<br />

⋅ x *<br />

≡ ⎜<br />

⎝1<br />

+ b1<br />

⋅ x *<br />

( x*,y*,z * )<br />

− d<br />

1<br />

⎞ 1 + b<br />

⎟ ⋅<br />

⎠ a<br />

2<br />

2<br />

⋅ y *<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 314


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Nahrungskette: Phasenraumanalyse (1)<br />

• Nur der stationäre Zustand (x*, y*, z*) ist von Interesse;<br />

• 6 freie Parameter;<br />

• Gesichtspunkte zur Wahl von Zahlenbeispielen:<br />

– Wechselwirkung zwischen Y <strong>und</strong> Z sollte länger dauern (langsamer<br />

ablaufen) als zwischen X <strong>und</strong> Y:<br />

• d 1 >> d 2<br />

– Sowohl ohne Räuber Z (z = 0) als auch bei konstant gehaltener<br />

Beute (x = const., z.B. x = 1) sollten Grenzzyklen auftreten:<br />

• a 1 = 5,0 b 1 = 2,0 ... 6,2 d 1 = 0,4<br />

• a 2 = 0,1 b 2 = 2,0 d 2 = 0,01<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 315


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Nahrungskette: Phasenraumanalyse (2)<br />

‣ b 1 wird verändert (Kontrollparameter der Untersuchung):<br />

a) b 1<br />

= 2,0 : stat. Zust. (x*, y*, z*) stabil, stabiler Punktattraktor<br />

b) b 1<br />

= 2,3 : stat. Zust. (x*, y*, z*) instabil, stabiler Grenzzyklus<br />

c) b 1<br />

= 3,0 : stat. Zust. (x*, y*, z*) instabil, Chaos (Seltsamer Attraktor)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 316


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Nahrungskette: Phasenraumanalyse (3)<br />

a) b 1 = 2,0<br />

Trajektorie im Phasenraum<br />

x* = 0,75 y* = 0,125 z* = 13,75<br />

λ 1 = - 0,3466<br />

λ 2,3 = - 0,0167 ± i⋅0,1223<br />

• Stabiler stationärer Zustand<br />

• Stabiler Punktattraktor<br />

( xy , , z)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 317


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Nahrungskette: Phasenraumanalyse (4)<br />

2D - Projektionen<br />

1<br />

14<br />

y<br />

0.5<br />

z<br />

12<br />

0<br />

0 0.5 1<br />

x<br />

10<br />

0 0.5 1<br />

x<br />

14<br />

z<br />

12<br />

10<br />

0 0.2 0.4 0.6<br />

y<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 318


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Zeitverläufe<br />

Nahrungskette: Phasenraumanalyse (5)<br />

1<br />

14<br />

13<br />

x<br />

0.5<br />

z<br />

12<br />

0<br />

0 500 1000 1500 2000<br />

t<br />

11<br />

0 500 1000 1500 2000<br />

t<br />

0.6<br />

0.4<br />

y<br />

0.2<br />

0<br />

0 500 1000 1500 2000<br />

t<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 319


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Nahrungskette: Phasenraumanalyse (6)<br />

b) b 1 = 2,3<br />

Trajektorie im Phasenraum<br />

x* = 0,775 y* = 0,125 z* = 12,412<br />

λ 1 = - 0, 467<br />

λ 2,3 = - 0,0170 ± i⋅0,1020<br />

• Instabiler stationärer Zustand<br />

• Stabiler Grenzzyklus<br />

( xy , , z)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 320


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Nahrungskette: Phasenraumanalyse (7)<br />

2D - Projektionen<br />

y<br />

1<br />

0.5<br />

z<br />

14<br />

12<br />

10<br />

0<br />

0 0.5 1<br />

x<br />

8<br />

0 0.5 1<br />

x<br />

14<br />

z<br />

12<br />

10<br />

8<br />

0 0.2 0.4 0.6<br />

y<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 321


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Nahrungskette: Phasenraumanalyse (8)<br />

Zeitverläufe<br />

1<br />

13<br />

12<br />

x<br />

0.5<br />

z<br />

11<br />

10<br />

0<br />

0 500 1000 1500 2000<br />

t<br />

9<br />

0 500 1000 1500 2000<br />

t<br />

0.6<br />

0.4<br />

y<br />

0.2<br />

0<br />

0 500 1000 1500 2000<br />

t<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 322


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Nahrungskette: Phasenraumanalyse (9)<br />

c) b 1 = 3,0<br />

Trajektorie im Phasenraum<br />

x* = 0,819 y* = 0,125 z* = 9,808<br />

λ 1 = - 0, 6112<br />

λ 2,3 = - 0,03869 ± i⋅0,0748<br />

• Instabiler stationärer Zustand<br />

• Chaos (Seltsamer Attraktor)<br />

( xy , , z)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 323


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Nahrungskette: Phasenraumanalyse (10)<br />

2D - Projektionen<br />

1<br />

12<br />

y<br />

0.5<br />

z<br />

10<br />

8<br />

0<br />

0 0.5 1<br />

x<br />

6<br />

0 0.5 1<br />

x<br />

12<br />

z<br />

10<br />

8<br />

6<br />

0 0.2 0.4 0.6<br />

y<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 324


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Zeitverläufe<br />

Nahrungskette: Phasenraumanalyse (11)<br />

1<br />

11<br />

10<br />

x<br />

0.5<br />

z<br />

9<br />

8<br />

0<br />

0 500 1000 1500 2000 2500<br />

t<br />

7<br />

0 500 1000 1500 2000 2500<br />

t<br />

0.6<br />

0.4<br />

y<br />

0.2<br />

0<br />

0 500 1000 1500 2000 2500<br />

t<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 325


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Nahrungskette: Chaos (1)<br />

Konsequenz des Auftretens von Chaos:<br />

• Keine Vorhersagbarkeit der Entwicklung des Systems für<br />

größere Zeitspannen, da stets gewisse Unsicherheit bezüglich<br />

der Kenntnis der Anfangsbedingungen.<br />

• Beispiel: Vergleich von zwei Zeitverläufen x(t), die sich nur bei<br />

x 0 um 0,01 unterscheiden, also gleiches y 0 <strong>und</strong> z 0 haben.<br />

1<br />

x<br />

x1<br />

0.5<br />

0<br />

0 100 200 300 400<br />

t<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 326


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Nahrungskette: Chaos (2)<br />

• Charakter der Lösung ist empfindlich abhängig vom Wert<br />

einzelner Parameter. Dies zeigen Bifurkationsdiagramme.<br />

• Beispiel:<br />

Für das untersuchte Modell einer Nahrungskette Darstellung<br />

von z max in Abhängigkeit von b 1 :<br />

- b 1 in Schritten von 0,01 ändern.<br />

- Numerische Lösung für jeden Wert.<br />

- Warten bis Attraktor erreicht ist, dann Maxima von z<br />

bestimmen <strong>und</strong> als Punkte über dem Wert von b 1<br />

auftragen.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 327


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Nahrungskette: Chaos (3)<br />

• Auch transientes Verhalten (Verhalten vom Start bis zum<br />

Einmünden ins Chaos) kann interessant sein.<br />

Beispiel:<br />

- Das untersuchte Modell einer Nahrungskette mit b 1 = 6,0 <strong>und</strong><br />

folgendem Anfangszustand: Am Anfang (fast) nur Beute <strong>und</strong><br />

(fast) keine Räuber (x 0 = 0,10; y 0 = 0,01; z 0 = 0,50).<br />

- Es sind mehrere Episoden zu beobachten:<br />

- Logistisches Wachstum von x (mit exponentiellem Start)<br />

-x–y– Zyklen<br />

- x–y – Zyklen <strong>und</strong> Aufschaukeln von z<br />

- Chaos<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 328


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Nahrungskette: Chaos (4)<br />

1<br />

Beute<br />

x<br />

0.5<br />

0<br />

0 500 1000 1500 2000 2500<br />

t<br />

1<br />

Räuber 1<br />

6<br />

Räuber 2<br />

4<br />

y<br />

0.5<br />

z<br />

2<br />

0<br />

0 500 1000 1500 2000 2500<br />

t<br />

0<br />

0 500 1000 1500 2000 2500<br />

t<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 329


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Nahrungskette: Chaos (5)<br />

1<br />

Beute, anfänglicher Zeitverlauf<br />

1<br />

Beute, anfängl. Zeitverlauf (halblog.)<br />

x<br />

0.5<br />

x<br />

0<br />

0 2 4 6 8 10<br />

t<br />

0.1<br />

0 2 4 6 8 10<br />

t<br />

1<br />

Zyklen zu Beginn<br />

x<br />

y<br />

z<br />

0.5<br />

0<br />

0 20 40 60 80 100<br />

t<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 330


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Multi-Spezies Populationen (1)<br />

(Abschnitt basiert auf Kap. 6.4, Edelstein-Keshet, Mathematical Models in<br />

Biology, Birkhäuser Mathematics Series, McGraw-Hill Inc., Boston, 1988)<br />

• Bisher nur Betrachtung von <strong>Systeme</strong>n mit zwei oder drei Spezies;<br />

• Obwohl die vorgestellten Methoden prinzipiell auch für höherdimensionale<br />

<strong>Systeme</strong> angewandt werden können, gibt es bei der analytischen<br />

Behandlung oft Probleme (z.B. Lösung der charakteristischen Gleichungen,<br />

welche hier im allgemeinen Polynome vom Grad n > 3 sind).<br />

• Es ist allerdings möglich Kriterien anzugeben, welche ohne explizte<br />

Lösung der charakteristischen Gleichung (Bestimmung der Eigenwerte)<br />

Aussagen über die Stabilität der stationären Zustande zulassen.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 331


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Multi-Spezies Populationen (2)<br />

Betrachte nunmehr allgemeines k-dim. Gleichungssystem:<br />

dN 1<br />

dt<br />

dN 2<br />

dt<br />

dN k<br />

dt<br />

= f 1 (N 1 ,N 2 , ...,N k ),<br />

= f 2 (N 1 ,N 2 , ...,N k ),<br />

.<br />

= f k (N 1 , N 2 ,...,N k ),<br />

bzw. in Vektor-/Matrixschreibweise<br />

dN<br />

dt = F(N), für N = (N 1, N 2 , ...,N k ),F = (f 1 ,f 2 , ...,f k ). (108)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 332


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Multi-Spezies Populationen (3)<br />

• Bestimmung der stationären Zustände ¯N mittels dN<br />

dt<br />

= 0, d.h. die Punkte<br />

¯N = (N 1 , N 2 ,...,N k ) erfüllen die Bedingung d¯N<br />

dt = 0.<br />

• Weiterhin Betrachtung der Jakobi-Matrix an diesen Punkten, d.h.<br />

J = ∂F<br />

∂N (¯N), d.h. J =<br />

⎛<br />

⎜<br />

⎝<br />

∂f 1<br />

∂N 1<br />

∂f 1<br />

.<br />

∂f k<br />

∂N 1<br />

∂N 2<br />

...<br />

∂f k<br />

∂N 2<br />

...<br />

∂f 1<br />

∂N k<br />

∂f k<br />

∂N k<br />

J wird in der Populationbiology oft als community matrix bezeichnet.<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

¯N<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 333


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Stabilität in Multi-Species Populationen (1)<br />

• Die Eigenwerte der Matrix J erhält man aus Lösung der charakt. Gleichung<br />

det(J − λI) = 0; d.h. die λ müssen folgende Gleichung erfüllen<br />

λ k + a 1 λ k−1 + a 2 λ k−2 + · · · + a k = 0. (109)<br />

• Die charakt. Gleichung ist im allgemeinen ein Polynom vom Grad k, wobei<br />

k der Anzahl der interagierenden Spezies entspricht.<br />

• Veranschaulichung für k = 3 (→ Übung):<br />

⎛<br />

det⎝ a − λ b c<br />

d e − λ f<br />

g h i − λ<br />

⎞<br />

⎠<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 334


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Stabilität in Multi-Species Populationen (2)<br />

Obwohl es im allgemeinen schwierig ist, alle Eigenwerte explizit zu bestimmen,<br />

so kann man oft dennoch etwas über ihre Größenordnung erfahren:<br />

• λ 1 ,λ 2 , ...,λ k seinen Eigenwerte des linearisierten Systems dN<br />

dt = J · N.<br />

• Stationärer Zustand stabil, wenn alle Realteile der Eigenwerte negative.<br />

• Populationgröße in der Nähe stationärer Punkte:<br />

N i = ¯N i + a 1 e λ 1t + a 2 e λ 2t + · · ·a k e λ kt .<br />

• Wenn einer oder mehrere λ i eine Realteil > 0 aufweisen, würde eine<br />

Störung N i − ¯N i mit der Zeit wachsen, was die Instabilität von ¯N i bedeutet.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 335


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Stabilität in Multi-Species Populationen (3)<br />

• Die Prüfung der Stabilität eines stationären Punktes kann also auf der<br />

Basis einer Vorzeichenprüfung der Eigenwerts-Realteile erfolgen.<br />

• Diese erfordert nicht zwingend die explizite Bestimmung der Eigenwerte.<br />

• Für den Fall n = 2 konnten Stabilitätsbedingungen basierend auf den<br />

Größen β <strong>und</strong> γ (d.h. Spur <strong>und</strong> Determinante der Jakobiematrix, siehe<br />

weiter vorn) formuliert werden.<br />

• Diese Bedingungen können verallgemeinert werden <strong>und</strong> sind für den Fall<br />

k > 2 als sogenannte Routh-Hurwitz Kriterien bekannt.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 336


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Die Routh-Hurwitz Kriterien (1)<br />

Basierend auf charakt. Gleichung (109) definiere folgenden k Matrizen:<br />

H 1 = (a 1 ), H 2 =<br />

( )<br />

a1 1<br />

, H<br />

a 3 a 3 =<br />

2<br />

⎛<br />

⎝ a ⎞<br />

1 1 0<br />

a 3 a 2 a 1<br />

⎠ ,...<br />

a 5 a 4 a 3<br />

H k =<br />

⎛<br />

⎜<br />

⎝<br />

⎞<br />

a 1 1 0 0 · · · 0<br />

a 3 a 2 a 1 1 · · · 0<br />

a 5 a 4 a 3 a 2 · · · 0<br />

⎟<br />

.<br />

⎠ .<br />

0 0 0 0 · · · a k<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 337


k = 3 : a 1 > 0, a 3 > 0, a 1 a 2 > a 3<br />

(110)<br />

<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Die Routh-Hurwitz Kriterien (3)<br />

Satz (Routh-Hurwitz Kriterien):<br />

Alle Eigenwerte der zugehörigen Jakobimatrix haben negative Realteile<br />

(d.h. der stationäre Zustand ¯N ist stabil) genau dann, wenn die Determinanten<br />

aller Hurwitz-Matrizen positive sind, d.h.<br />

detH j > 0<br />

(j = 1,2, . ..,k).<br />

Spezialfälle der Routh-Hurwitz Kriterien für k = 2,3:<br />

k = 2 : a 1 > 0, a 2 > 0;<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 338


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Beispiel: Routh-Hurwitz Kriterien (1)<br />

• Betrachte System mit Räuber x, sowie 2 Beutespezies y <strong>und</strong> z.<br />

• z wächts logistisch <strong>und</strong> y wächts exponentiell, wenn keine Räuber vorhanden;<br />

x stirbt aus, wenn keine Beute vorhanden;<br />

dx<br />

dt<br />

dy<br />

dt<br />

dz<br />

dt<br />

= α(xz) + β(xy) − γx<br />

= δ(y) + ǫ(xy)<br />

= µz(ν − z) − χ(xz) (111)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 339


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Beispiel: Routh-Hurwitz Kriterien (2)<br />

Die Lösung der Gleichungen<br />

0 = α(xz) + β(xy) − γx<br />

0 = δ(y) + ǫ(xy)<br />

0 = µz(ν − z) − χ(xz)<br />

liefert neben dem trivialen stationären Zustand (x, y, z) = (0,0, 0) den folgenden<br />

nichttrivialen stationären Zustand<br />

¯x = δ χ<br />

, ȳ = γ − α¯z, ¯z = ν −<br />

ǫ µ¯x<br />

Biologisch sinnvoll ist dieser für γ > α¯z <strong>und</strong> ν > χ µ¯x.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 340


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Beispiel: Routh-Hurwitz Kriterien (3)<br />

Bestimmung der Jakobimatrix:<br />

J =<br />

⎛<br />

⎝<br />

α¯z + βȳ − γ β¯x α¯x<br />

−ǫȳ δ − ǫ¯x 0<br />

−χ¯z 0 µν − 2µ¯z − χ¯x<br />

⎞<br />

⎠<br />

Auswertung für nichttrivialen statiönären Zustand:<br />

J =<br />

⎛<br />

⎝<br />

0 β¯x α¯x<br />

−ǫȳ 0 0<br />

−χ¯z 0 −µ¯z<br />

⎞<br />

⎠<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 341


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Beispiel: Routh-Hurwitz Kriterien (4)<br />

Lösung der charakteristischen Gleichung<br />

det(J − λI) = 0<br />

liefert nach etwas Algebra (→ Übung)<br />

λ 3 + a 1 λ 2 + a 2 λ + a 3 = 0<br />

mit<br />

a 1<br />

a 2<br />

a 3<br />

= µ¯z<br />

= ǫβ¯xȳ + χα¯x¯z<br />

= µǫβ¯xȳ¯z.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 342


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Beispiel: Routh-Hurwitz Kriterien (4)<br />

Prüfung der drei Routh-Hurwitz Kriterien für den Fall k = 3:<br />

1. a 1 > 0, da a 1 = µ¯z positiv.<br />

1. a 1 > 0, 2. a 3 > 0, 3. a 1 a 2 > a 3 .<br />

2. a 3 > 0, da a 3 = µǫβ¯xȳ¯z positiv.<br />

3. a 1 a 2 = µ¯z(ǫβ¯xȳ + χα¯x¯z). Dies ist größer als a 3 = µǫβ¯xȳ¯z, da χαµ¯x¯z 2<br />

positiv.<br />

⇒ Damit ist der stationäre Zustand stabil.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 343


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Qualitative Stabilität (1)<br />

• Obwohl einfacher als eine explizite Berechnung der Eigenwerte, so sind<br />

auch die Routh-Hurwitz Kriterien für <strong>Systeme</strong> mit fünf <strong>und</strong> mehr Spezies<br />

eher schwierig auszuwerten.<br />

• Deshalb Vorstellung eines qualitativen Verfahrens, welches die lokale<br />

Stabilität großer <strong>Systeme</strong> mit geringen (oder keinem) Rechenaufwand<br />

analysieren kann.<br />

• Die Methode der qualitativen Stabilitätsanalyse wurde ursprünglich für<br />

große ökonomische <strong>Systeme</strong>, bei den keine quantitativen sondern nun<br />

qualitative Information über die Interaktionen von Spezies oder Teilsystemen<br />

vorliegen, entwickelt.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 344


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Qualitative Stabilität (2)<br />

• Da keine quantitativen Beziehungen bekannt sind, gibt es auch keine<br />

Kenntnis der funktionalen Beziehungen, wie sie in den bisherigen Gleichungssystemen<br />

auftraten.<br />

• Allerdings können auch qualitative Informationen (z.B. ”wer frisst wen”)<br />

genutzt werden.<br />

• Diese qualitativen Beziehungen zwischen Spezies drücken sich in den<br />

Vorzeichenmustern der partiellen Ableitungen (Jakobimatrix) der oben<br />

genannten funktionalen Beziehungen aus.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 345


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Qualitative Stabilität (3)<br />

• Zwei Möglichkeiten diese qualitativen Informationen zu repräsentieren:<br />

1. Symbole: +, 0 <strong>und</strong> − werden entsprechenden (i, j)-Postitionen der Jakobimatrix<br />

zugeordnet.<br />

2. Repräsentation der Beziehungen zwischen Spezies als gerichteten<br />

Graph. Knoten: Spezies; Kanten: positive bzw. negative Interaktionen.<br />

• Wenn allein aufgr<strong>und</strong> der Graphenstruktur / des Vorzeichenmusters auf<br />

Stabilität zu schließen ist, so nennt man das System qualitativ stabil.<br />

• System, welche qualitativ stabil sind, sind es auch im bisherigen Sinne.<br />

Die Umkehrung gilt nicht. System die nicht qualitativ stabil sind, können<br />

dennoch (unter bestimmten Bedingungen) stabil sein.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 346


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Qualitative Stabilität (4)<br />

Die folgenden fünf Punkte wurden von Quirk <strong>und</strong> Ruppert (1965) bzw. May<br />

(1973) als Bedingungen für qualitative Stabilität formuliert. Mit Q sei Vorzeichenmatrix<br />

sign(J) mit Elementen a ij bezeichnet.<br />

1. a ii ≤ 0 für alle i<br />

2. a ii < 0 für mindestes ein i<br />

3. a ij a ji ≤ 0 für alle i ≠ j<br />

4. a ij a jk · · · a qr a ri = 0 ∀ Folgen von ≥ 3 untersch. Indizes i, j,k, . ..,q, r.<br />

5. detQ ≠ 0.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 347


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Interpretation dieser Bedingungen<br />

Qualitative Stabilität (5)<br />

1. Keine der Spezies weist eine autoregulatives positives Feedback auf;<br />

2. Mindestens eine Spezies ist selbst-regulatorisch (negatives Feedback);<br />

3. Die Mitglieder von je zwei interagierenden Spezies wirken in unterschiedlicher<br />

Richtung aufeinander ein;<br />

4. Es gibt keine geschlossenen Zyklen zwischen drei <strong>und</strong> mehr Spezies;<br />

5. Es gibt keine Spezies, welche keinelei Interaktion mit sich oder anderen<br />

Spezies hat.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 348


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Qualitative Stabilität (6)<br />

Im Bezug auf die gerichteten Graphen, welche die Interaktionen der verschiedenen<br />

Spezies beschreiben, müssen zur Erfüllung der Stabilitätskriterien<br />

die folgenden Eigenschaften geprüft werden:<br />

1. Keine ”+” Schleifen einer einzelnen Spezies;<br />

2. Mindestens eine ”-” Schleife an irgendeiner Spezies;<br />

3. Kein Paar von gleichbesetzten (+ oder -) Kanten zwischen zwei Spezies;<br />

4. Keine Zyklen die drei oder mehr Spezien verbinden;<br />

5. Kein Knoten, der keine Input-Kante aufweist.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 349


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Beispiel 1: Qualitative Stabilität<br />

Betrachte 3-Spezies-System aus Gleichungen (111). Vorzeichenmatrix ist<br />

geben mit<br />

⎡<br />

Q = ⎣ 0 + +<br />

⎤<br />

− 0 0 ⎦<br />

− 0 −<br />

Der zugehörige Graph ist:<br />

+<br />

1<br />

−<br />

2<br />

−<br />

+<br />

3<br />

−<br />

⇒ Kriterien 1-5 erfüllt, d.h. qualitative stabil.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 350


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Beispiel 2: Qualitative Stabilität<br />

Betrachte System mit 3 Parasiten (P 1 ,P 2 , P 3 ) welche einen Wirt in 3 aufeinanderfolgenden<br />

Lebensphasen (H 1 , H 2 ,H 3 ) befallen. Wirte der Phase H 3<br />

bringen neue Wirte der Phase H 1 hervor. Anwesenheit der jeweiligen Wirte<br />

beeinflusst Parasitenwachstum positiv <strong>und</strong> umgekehrt. Weiterhin gibt es<br />

Selbstbeschränkung des Wachstums der Wirte. Der zugehörige Graph ist:<br />

−<br />

+<br />

−<br />

+ +<br />

H1 H2 H3<br />

+ − + +<br />

− −<br />

−<br />

P1<br />

P2<br />

P3<br />

⇒ Kriterien 1,2,3,5 erfüllt, aber Kriterium 4 nicht; d.h. nicht qualitative stabil.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 351


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

”Color test” (1)<br />

• Die aufgeführten Kriterien qualitativer Stabilität können neutrale Stabilität<br />

(z.B. Lotka-Volterra-Zyklen) <strong>und</strong> asymptotische Stabilität (stabiler Knoten/Fokus)<br />

nicht unterscheiden.<br />

• D.h. die Kriterien sind notwenig aber nicht hinreichend, dass die Spezies<br />

in einem konstanten Zustand koexistieren.<br />

• Formulierung von Zusatzbedingungen ( Jeffries, 1974: ”color test”), welche<br />

das Kriterium 2 ersetzten. Dazu Definition zweier Begriffe:<br />

– Predation link: Ein Spezies-Paar, welche durch eine ”+” <strong>und</strong> eine ”-”<br />

Kante verb<strong>und</strong>en sind;<br />

– Predation community: Subgraph, bestehend aus verb<strong>und</strong>enen Predation<br />

links;<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 352


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

”Color test” (2)<br />

• Wenn man weiterhin eine Spezies, welche mit keiner anderen durch<br />

einen predation link verb<strong>und</strong>en ist, als triviale predation community bezeichnet,<br />

dann kann jeder Graph in eine Menge einzelner predation communities<br />

zerlegt werden.<br />

• In den zwei gezeigten Beispielen wären dies:<br />

– Beispiel 1: {1, 2, 3}<br />

– Beispiel 2: {H1, P1}, {H2,P2}, {H3, P3}<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 353


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

”Color test” (3)<br />

• Eine predation community erfüllt den ”color test”, wenn es möglich ist<br />

jeden ihrer Knoten nach folgendem Schema farblich zu kodieren:<br />

1. Selbst-regulierte Knoten sind schwarz.<br />

2. Es gibt mindestens einen weißen Knoten.<br />

3. Jeder weiße Knoten ist mittels eines predation links mit mindestens<br />

einem anderen weißem Knoten verb<strong>und</strong>en.<br />

4. Jeder schwarze Knoten, der mittels eines predation links mit einem<br />

weißen Knoten verb<strong>und</strong>en ist, ist außerdem noch mit einem andern<br />

weißen Knoten mittels predation link verb<strong>und</strong>en.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 354


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

”Color test” (4)<br />

Satz(Jeffries, 1974):<br />

Wenn ein System die Punkte 1,3,4 <strong>und</strong> 5 der original Quirk-Ruppert Bedingungen<br />

für qualitative Stabilität erfüllt <strong>und</strong> darüber hinaus nur aus predation<br />

communities besteht, die den color test nicht erfüllen, ist es auch<br />

asymptotisch stabil.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 355


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Populationsdynamik<br />

Beispiel: ”Color test”<br />

2<br />

+<br />

−<br />

1<br />

Wie vorn gezeigt, erfüllt Beispielgraph alle 5 Quirk-Ruppert Bedingungen;<br />

damit auch Bedingung 1,3,4,5. Allerdings ist Bedingung 4 des ”color tests”<br />

für einzig vorhandene predation community nicht erfüllt: Schwarzer Knoten<br />

ist nur mit einem weißen Knoten mittels predation link verb<strong>und</strong>en.<br />

⇒ Damit ist Beispielsystem nicht nur qualitativ, sondern auch asymptotisch<br />

stabil, d.h. es existiert stabiler Fixpunkt; stabile Oszillationen können ausgeschlossen<br />

werden.<br />

+<br />

−<br />

3<br />

−<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 356


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

Epidemiemodelle: Einführung (1)<br />

Im Folgenden: Beschreibung der Ausbreitung von ansteckenden Krankheiten<br />

mit Hilfe von Differentialgleichungsmodellen:<br />

• Basierend auf Kapitel 6.6, L. Edelstein-Keshet: Mathematical Models in<br />

Biology sowie Kaptiel 19, J.D. Murray: Mathematical Biology, Springer<br />

Verlag<br />

• Beschränkung auf einfachste Modell, d.h. keine Voraussetzung homogener<br />

Populationen (keine Betrachtung von z.B. räumlichen oder sozialen<br />

Strukturen)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 357


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

Epidemiemodelle: Einführung (2)<br />

• Es werden im allgemeinen zwei Kategorien infektiöser Krankheiten unterschieden:<br />

mikro-parasitäre <strong>und</strong> makro-parasitäre.<br />

• Mikro-parasitär: verursacht von Bakterien <strong>und</strong> Viren<br />

• Makro-parasitär: verursacht von Parasiten wie z.B. Würmern<br />

• Hauptunterschied: Vermehrung von Bakterien <strong>und</strong> Viren innerhalb des<br />

Wirtes wobei ein Übertragung meist direkt erfolgt; Lebenszyklus der Parasiten<br />

meist komplexer (z.B. sek<strong>und</strong>ärer Wirt, Zwischenwirt, etc.)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 358


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

Epidemieausbreitung als Räuber-Beute Modell (1)<br />

Ausgehend von bisheriger Betrachtungsweise betrachte folgendes Modell:<br />

x = [α − g(y)]x,<br />

y = βxy − γy.<br />

• x... Population betroffener Individuen (z.B. Menschen)<br />

• y ... Virenpopulation<br />

• α . .. Geburtsrate (Menschen)<br />

• γ ... Sterblichkeit aufgr<strong>und</strong> viraler Infektion<br />

• β ... Reproduktionsrate der Viren (abh. von x)<br />

• γ ... ”Sterblichkeit” der Viren<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 359


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

Epidemieausbreitung als Räuber-Beute Modell<br />

• Interpretation von Viren als ”Räuber” <strong>und</strong> Menschen als ”Beute”;<br />

• Diese Interpretation ist in mehrerer Hinsicht problematisch:<br />

– Wirkliche Größe der Virenpopulation nicht bestimmbar;<br />

– Selbst wenn diese Größe bekannt wäre, kommt es nicht auf sie, sondern<br />

auf die Verteilung der Viren im Bezug auf Menschen an.<br />

– Desweiteren geht das Modell davon aus, dass Viren sich frei bewegen<br />

<strong>und</strong> zufällig mit Menschen zusammentreffen; dies trifft nicht zu, da Ansteckung<br />

meist durch Kontakt (Nähe) von infizierten Individuen erfolgt.<br />

⇒ Notwendigkeit eines anderen Modellansatzes!<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 360


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

”SIR-like” Modelle: Idee<br />

• Betrachtung von Untergruppen der Wirtspopulation bezogen auf ihren<br />

Krankheitsstatus:<br />

– S: Individuen unter Risiko einer Infektion (susceptibles)<br />

– I: Infizierte Individuen (infectives)<br />

– R: Immunisierte oder tote Individuen (removed individuals)<br />

• Bezogen auf die Krankheitsdynamik (Latenzzeiten, Krankheitsdauer,<br />

etc.) kann es ggf. notwendig sein auch die Lebens- <strong>und</strong> Reproduktionszyklen<br />

der Wirte mit in das Model einzubeziehen.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 361


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

”SIR-like” Modelle: Überblick (1)<br />

γ<br />

β ν<br />

β<br />

ν<br />

S I R S I R<br />

(a)<br />

(b)<br />

δN<br />

S<br />

β<br />

γ<br />

ν<br />

δN<br />

β<br />

I R S I<br />

γ<br />

δ<br />

δ δ δ δ<br />

(c)<br />

(d)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 362


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

”SIR-like” Modelle: Überblick (2)<br />

• Die in der Überblicksgrafik dargestellten Modelle weisen große Ähnlichkeit<br />

mit bereits betrachteten Compartment-Modellen auf.<br />

• Allerdings: Notwendigkeit der Nähe / des Kontakts von Individuen bei Infektion<br />

⇒ Übergangsrate von S nach I ist proportional zum Zusammentreffen<br />

von infizierten <strong>und</strong> suszeptiblen Individuen, d.h. βSI.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 363


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

SIR-Modell (1)<br />

SIR-Modell nach Kermack / MacKendrick:<br />

dS<br />

dt<br />

dI<br />

dt<br />

dR<br />

dt<br />

= −βSI (112)<br />

= βSI − νI (113)<br />

= νI (114)<br />

• Beachte: Gesamtpopulation N = S + I + R ist konstant;<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 364


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

SIR-Modell (2)<br />

• Trotz der Nichtlinearität<br />

des System bestimmten<br />

Kermack/MacKendrick eine<br />

approximative Lösung der<br />

”removal rate” (dR/dt) als<br />

Funktion der Zeit, welche<br />

reale Daten einer Pestepidemie<br />

(Bombay, 1906) gut<br />

erklärt.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 365


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

SIRS-Modell (1)<br />

• Neben der (eher komplizierten) analytischen Behandlung, bieten sich<br />

früher behandelte qualitative Verfahren zu Analyse des System an.<br />

• Diese Methoden werden im folgenden für ein allgemeineres Modell<br />

(SIRS), welches auch den Fall transienter Immunität beinhaltet, vorgestellt.<br />

• Beim SIRS Modell nimmt man einen Zustrom von Individuen aus dem R<br />

in das S Kompartiment an, welcher proportional zur Population in R ist.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 366


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

SIRS-Modell (2)<br />

dS<br />

dt<br />

dI<br />

dt<br />

dR<br />

dt<br />

= −βSI + γR<br />

= βSI − νI<br />

= νI − γR (115)<br />

Mit stationären Zuständen:<br />

(1) S 1 = N, Ī 1 = 0, ¯R 1 = 0;<br />

(2) ¯S 2 = ν β , Ī 2 = γ N − ¯S 2<br />

ν + γ ,<br />

¯R 2 = νĪ2<br />

γ<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 367


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

SIRS-Modell (3)<br />

• Im Fall (1) ist die gesamte Population ges<strong>und</strong> (aber suszeptibel) <strong>und</strong> die<br />

Krankheit ist nicht existent (keine Infizierten).<br />

• Im Fall (2) gibt es einen konstanten Anteil von infizierten <strong>und</strong> suszeptiblen<br />

Personen.<br />

– Hierbei muss N > ¯S 2 gelten (da Ī 2 > 0).<br />

– Da ¯S 2 = ν β führt dies auf: Nβ<br />

ν > 1.<br />

• Dieser wichtige Schwellenwert-Effekt wurde von Kermack <strong>und</strong> McKendrick<br />

erstmals beschrieben: Die Population muss eine bestimmte Größe<br />

überschreiten, damit eine Infektion endemisch werden kann.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 368


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

• Das Verhältnis β ν<br />

SIRS-Modell (4)<br />

hat folgenden Bedeutung:<br />

– 1 ν<br />

ist die durchschnittliche Dauer der Infektion ist (ν ist die removal rate<br />

der Infizierten, gemessen in 1<br />

Zeit ).<br />

– Daher β ν<br />

ist der Anteil der Population, welcher innerhalb der Infektiösität<br />

mit einem infizierten Individuum in Kontakt kommt.<br />

• Die Größe R 0 = Nβ<br />

ν<br />

number) bezeichnet:<br />

wird als Infektions-Kontakt-Zahl (infection contact<br />

– R 0 representiert die durchschnittliche Zahl von sek<strong>und</strong>ären Infektionen,<br />

wenn ein einzelnes infiziertes Inividuum in eine Population mit N<br />

Suszeptiblen gebracht wird.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 369


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

SIRS-Modell (5)<br />

• Zur weiteren Analyse nutzen wir die Bedingung N = S + I + R = const.<br />

• Damit kann R = N − S − I im System (115) eliminiert werden.<br />

• Die Gleichungen für S <strong>und</strong> I sind nunmehr:<br />

dS<br />

def<br />

= −βSI + γ(N − S − I) ≡ F(S,I)<br />

dt<br />

(116)<br />

dI<br />

dt = βSI + νI def<br />

≡ G(S,I) (117)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 370


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

SIRS-Modell (6)<br />

Berechnung der Nullklinen:<br />

G(S, I) = 0 ⇒ I = 0 oder S = ν β<br />

F(S,I) = 0 ⇒ βSI = γ(N − S − I) bzw. I = γ(N−S)<br />

βS+γ<br />

0 20 40 60 80 100 120<br />

I<br />

0 20 40 60 80 100 120<br />

S<br />

Beispielparameter: N = 100, β = 0.05, γ = 1, ν = 2 ⇒ R 0 = 2.5<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 371


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

SIRS-Modell (7)<br />

Stationäre Zustände:<br />

( ¯S 1 , Ī 1 ) = (N, 0); ( ¯S 2 ,Ī 2 ) = ( ν β , N − (ν/β) ).<br />

ν + γ<br />

Jakobimatrix:<br />

J =<br />

( )<br />

FS F I<br />

G S G I<br />

=<br />

( −(βĪ + γ) −(β ¯S + γ)<br />

βĪ β ¯S − ν<br />

)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 372


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

Stabilität:<br />

Für ( ¯S 1 , Ī1) : J| (¯S 1 ,Ī 1 ) =<br />

SIRS-Modell (8)<br />

(<br />

−γ −(βN + γ)<br />

0 βN − ν<br />

)<br />

⇒ nur stabil, wenn Schwellwertbedingung βN > ν (siehe vorn) nicht erfüllt.<br />

( )<br />

−(βĪ2 + γ) −(β ¯S<br />

Für ( ¯S 2 , Ī 2 ) : J| (¯S 2 ,Ī 2 ) =<br />

2 + γ)<br />

βĪ2 β ¯S 2 − ν<br />

detJ = βĪ2(ν + γ) > 0<br />

trJ = −(βĪ2 + γ) < 0<br />

⇒ stabil, wann immer ( ¯S 2 ,Ī2) existiert, d.h. für βN > ν .<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 373


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

”SIR-like” Modelle: Überblick<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 374


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

Beispiel: AIDS (1)<br />

(Beispiel basiert auf Kapitel 19.4 aus J.D. Murray: Mathematical Biology,<br />

Springer Verlag)<br />

• AIDS wird vom HI(human immunodeficiency)-Virus verursacht.<br />

• Einer HIV-Positivität folgt die AIDS-Erkrankung mit gewisser, unbekannter<br />

Latenz-Zeit (wenige Monate bis mehrere Jahre).<br />

• Die Größe der HIV-positiven Population ist nur schwer abschätzbar.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 375


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

Beispiel: AIDS (2)<br />

Modellansatz zur Behandlung der zeitlichen Entwicklung der Krankheit zwischen<br />

Infizierten (HIV-positiv) <strong>und</strong> Erkrankten (AIDS):<br />

• Betrachte Population in der alle Individuen zum Zeitpunkt t = 0 HIVpositiv<br />

sind.<br />

• y(t) bezeichne den Anteil von AIDS-Erkrankten zur Zeit t.<br />

• x(t) bezeichne den Anteil von HIV-positiv Nichterkrankten zur Zeit t.<br />

• Daher: x(t) = 1 − y(t).<br />

• Mit v(t) sei die Rate des Übergangs von HIV-positiv zu AIDS.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 376


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

Beispiel: AIDS (3)<br />

Modelgleichungen zu diesem einfachen Modellansatz:<br />

dx<br />

dt = −v(t)x,<br />

dy<br />

dt = v(t)x<br />

mit Anfangsbedingungen<br />

x(0) = 1, y(0) = 0.<br />

Hierbei ist x + y = 1.<br />

Dieser Ansatz geht davon aus, dass alle HIV-Positiven auch AIDS entwickeln.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 377


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

Beispiel: AIDS (4)<br />

Unter der weiteren Annahme, dass die Übergangsrate mit der Zeit weiter<br />

zunimmt (fortschreitenden Schädigung des Immunsystems), modelliert mittels<br />

v(t) = at mit a > 0<br />

ergeben sich die folgenden Lösungen<br />

]<br />

]<br />

x(t) = exp<br />

[− at2 , y(t) = 1 − exp<br />

[− at2 .<br />

2<br />

2<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 378


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

Beispiel: AIDS (5)<br />

Betrachten wir nunmehr ein Modell zur Beschreibung einer Epidemieentwicklung<br />

in einer Population Homosexueller.<br />

Hierbei werden folgende Bezeichungen genutzt:<br />

B . .. konstante Immigrationsrate<br />

N(t) . .. Gesamtpopulationsgröße<br />

X(t) . .. Anzahl Suszeptible (Population unter Risiko)<br />

Y (t) . .. Anzahl infektiöse HIV-Positive<br />

A(t) . .. Anzahl Erkrankte (AIDS Patienten)<br />

Z(t) . .. Anzahl nichtinfektiöse HIV-Positive<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 379


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

Beispiel: AIDS (6)<br />

B<br />

Suszeptible X<br />

λc<br />

Infektiöse Y<br />

µ<br />

µ<br />

natürlicher Tod<br />

natürlicher Tod<br />

natürlicher Tod<br />

µ<br />

AIDS A<br />

d<br />

pv<br />

(1−pv)<br />

nichtinfektiöse Z<br />

µ<br />

natürlicher Tod<br />

krankheitsbedingter Tod<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 380


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

Beispiel: AIDS (7)<br />

Aus den gemachten Annahmen (siehe Schema) können die folgenden Modelgleichungen<br />

abgeleitet werden:<br />

dX<br />

dt<br />

= B − µX − λcX, λ = βY N , (118)<br />

dY<br />

dt<br />

= λcX − (v + µ)Y, (119)<br />

dA<br />

dt<br />

= pvY − (d + µ)A, (120)<br />

dZ<br />

dt<br />

= (1 − p)vY − µZ, (121)<br />

N(t) = X(t) + Y (t) + A(t) + Z(t) (122)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 381


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

Erläuterungen zu Parametern:<br />

Beispiel: AIDS (8)<br />

• λ repräsentiert die Wahrscheinlichkeit sich bei einem zufällig gewählten<br />

Partner anzustecken; β ist die Ansteckungswahrscheinlichkeit.<br />

(Beachte Annahme A ≪ N, d.h. βY/(X + Y + Z) ≃ βY/N)<br />

• c bezeichne die Anzahl von Sexualpartnern;<br />

• v bezeichne (wie breits im vorangegangenen Modell des Infektions-<br />

Krankheits-Überganges) die HIV-positiv / AIDS Übergangsrate; hier allerdings<br />

der Einfachheit halber konstant. Damit ist 1 v<br />

= D die mittlere<br />

Inkubationszeit der Krankheit.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 382


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

Beispiel: AIDS (9)<br />

• In diesem Modell ist die Gesamtpopulation im allgemeinen nicht konstant,<br />

wie man aus Addition der Gleichungen (118) -(121) erkennt:<br />

dN<br />

dt<br />

= B − µN − dA.<br />

• Eine Epidemie bricht aus, wenn die Anzahl sek<strong>und</strong>ärer Infektion aus einer<br />

Primärinfektion größer als 1 ist, d.h. R 0 > 1.<br />

• Wenn zu Zeitpunkt t = 0 ein infiziertes Individuum in eine ”ges<strong>und</strong>e”<br />

Population eingebracht wird (d.h. X ≃ N) so ergibt sich für (119) nahe<br />

t = 0<br />

dY<br />

≃ (βc − v − µ)Y. (123)<br />

dt<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 383


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

Beispiel: AIDS (10)<br />

• Da die mittlere Inkubationszeit 1/v im allgemeinen viel kürzer ist als die<br />

mittlere Lebenserwartung 1/µ der Suszeptiblen, folgt v ≫ µ.<br />

• Damit kann man µ in (123) vernachlässigen, d.h. man erhält<br />

dY<br />

dt ≃ (βc − v − µ)Y ≃ v(R 0 − 1)Y,<br />

mit R 0 ≃ βc<br />

v .<br />

• D.h. approximativ kann man die folgende Bedingung für den Ausbruch<br />

einer Epidemie angeben: R 0 ≃ βc<br />

v > 1.<br />

• Hierbei ist R 0 gegeben durch Anzahl der Sexualpartner (c), Infektionswahrscheinlichkeit<br />

(β), sowie mittleren Inkubationszeit (1/v).<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 384


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

Beispiel: AIDS (11)<br />

• Im Falle eines Epidemieausbruchs entwickelt sich das System (118)-<br />

(122) hin zu einem stationären Zustand:<br />

X ∗ =<br />

(v + µ)N<br />

∗<br />

cβ<br />

, y ∗ = (d + µ)(B − µN ∗ )<br />

,<br />

pvd<br />

Z ∗ = (1 − p)(d + µ)(B − µN ∗ )<br />

pvµ<br />

N ∗ =<br />

Bβ[µ(v + d + µ) + vd(1 − p)]<br />

[v + µ][β(d + µ) − pv]<br />

, A ∗ = B − µN ∗<br />

, (124)<br />

d<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 385


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

Beispiel: AIDS (12)<br />

• Stabilitätsanalyse des stationären Punktes (124) anhand der Linearisierung<br />

des Systems (118)-(122) zeigt (nach ”ein wenig mehr” Algebra),<br />

dass dieser Systemzustand in gedämpften Oszillationen angenähert<br />

wird.<br />

• Typische Periodenlängen dieser Oszillationen liegen (bei Anwendung ”typischer<br />

Parameterwerte”) in der Größenordnung 30-40 Jahre.<br />

• Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass die Modellparameters (z.B. diejenigen,<br />

welche das soziale Verhalten charakterisieren) sich in diesem<br />

Zeitraum nicht ändern.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 386


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

Beispiel: AIDS (13)<br />

Noch einige Betrachtung zum Sytsemverhalten im Epidemie-Frühstadium.<br />

• Die Population besteht fast ausschließlich aus Suszeptiblen, d.h. X ≃ N.<br />

• Wie gezeigt, kann die Y -Population in diesem Falle beschrieben werden<br />

durch dY<br />

dt = v(R 0 − 1)Y . Dies ergibt die Lösung<br />

Y (t) = Y (0)e v(R 0−1)t = Y (0)e rt , mit r = v(R 0 − 1).<br />

• Hieraus kann die Verdopplungszeit der Infizierten (t d mit Y (t d ) = 2Y (0))<br />

berechnet werden:<br />

t d = r −1 ln 2<br />

ln2 =<br />

v(R 0 − 1) . (125)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 387


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

Beispiel: AIDS (14)<br />

• Substitution von (125) in (120) führt auf<br />

dA<br />

dt = pvY (0)ert − (d + µ)A.<br />

• Da im Anfangsstadium der Epidemie noch keine AIDS-Erkrankten zu erwarten<br />

sind (d.h. A(0) = 0), ist die Lösung dieser Beziehung<br />

A(t) = pvY (0) ert − e (d+µ)t<br />

r + d + µ .<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 388


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

Beispiel: AIDS (15)<br />

• Literaturdaten (für Quellen siehe J.D. Murray: Math. Biology) von ca. 7000<br />

homo- <strong>und</strong> heterosexuellen Männeren in San Francisco (1975-1985)<br />

lassen Schätzungen der Modellparameter zu: r = 0.88 Jahr −1 ,R 0 =<br />

3 − 4, d + µ ≃ d = 1 − 1.33 Jahr −1 ,p = 10 − 30%, c = 2 − 6 pro Monat.<br />

• Dies ergibt appr. Verdopplungszeit der HIV-Positiven von 9 Monaten.<br />

• Das Maximum der HIV-pos. Population wird nach 12-15 Jahren erreicht.<br />

• Beachte: Dies ist sehr einfaches Modell. Zur genaueren Analyse sind<br />

komplexere Modelle, die z.B. Neuentwicklung von Virusvarianten, Änderung<br />

des Sozialverhalten, etc. mit einbeziehen, notwendig.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 389


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

Beispiel: AIDS (16)<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 390


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

Impfstrategien (1)<br />

• Immunisierung kann zur Reduzierung bzw. Eliminierung der Inzidenz einer<br />

Infektion beitragen auch wenn nur ein Teil der Bevölkerung geimpft<br />

wird.<br />

• Die Impfung hat zwei Effekte<br />

1. direkt: Immunität der geimpften Personen;<br />

2. indirekt: Reduktion der Population der Infizierten (herd immunity)<br />

• Auch sind Kosten <strong>und</strong> mögliche Nebenwirkungen von Impfungen mit zu<br />

betrachten, so dass eine Reduzierung / Eliminierung der Infektion durch<br />

nur teilweise Impfungen eine vorteilhafte Strategie sein könnte.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 391


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

Impfstrategien (2)<br />

• Ziel der Impfstrategie: Erreichung eines Anteils von immunisierten Individuen,<br />

so dass der verbleibende Bevölkerungsanteil unterhalb des weiter<br />

vorn genannten Schwellenwertes liegt. D.h. R 0 = Nβ<br />

ν < 1<br />

• Intrinsische Krankheitsreproduktionsrate R 0 kann für verschiedene<br />

Krankheiten anhand epidemiologischer Studien geschätzt werden (siehe<br />

Tabelle)<br />

• Annahme eines erreichbaren Anteil Immunisierter p an der Gesamtbevölkerung<br />

N: ⇒ ”involvierte Population” der Größe N(1 − p)<br />

• Daraus ergibt sich eine effektive intrinsische Krankheitsreproduktionsrate<br />

von R ′ 0 = (1 − p)R 0 <strong>und</strong> damit: R ′ 0 < 1 ⇒ (1 − p)R 0 < 1 ⇒ p > 1 − 1/R 0 .<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 392


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

R 0 für verschiedenen Krankheiten<br />

(ausgewählte Beispiele, siehe L. Edelstein-Keshet, S. 255, Tabelle basierend<br />

auf R.M.May, American Scientist 71:36-45, 1983)<br />

Infektion Ort/Zeit R 0 appr. p(%)<br />

Pocken Entwickl.-länder / vor Impfkampagnen 3-5 70-80<br />

Masern England,Wales / 1956-68 13 92<br />

Keuchhusten England,Wales / 1942-50 17 94<br />

Röteln England,Wales / 1979 6 83<br />

Polio Holland / 1960 6 83<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 393


<strong>Modellierung</strong> <strong>biologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>molekularer</strong> <strong>Systeme</strong><br />

Epidemiemodelle<br />

Impfstrategien (3)<br />

Nebeneffekte von Impfstrategien mit Immunisierung einer Teilpopulation:<br />

• Beispiel Röteln: Harmlose Infektion im Kindesalter, aber schwerwiegend<br />

für Fötus, wenn Schwangere infiziert.<br />

• Impfung führt zu Anhebung des mittleren Alters der Erkrankung (von 12<br />

auf 20-30): λ = βI (pro Kopf Infektionerate); A = 1/λ (mittleres Alter der<br />

ersten Infektion); Verringerung von I durch Impfprogramm erhöht A.<br />

• Dies kann also unter Umständen einen unvorteilhaften Einfluss haben.<br />

Allerdings ist eine genaue Analyse von Altersstruktur <strong>und</strong> Anzahl Infizierter<br />

zur genauen Abschätzung von Vor- <strong>und</strong> Nachteilen erforderlich.<br />

Dr. Ingo Röder, <strong>IMISE</strong>, Universität Leipzig Folie 394

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!