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\ NEUERE ARBEITEN VON PAUL SCHMITTHENNER, STUTTGART

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T.v- • i<br />

\ <strong>NEUERE</strong> <strong>ARBEITEN</strong> <strong>VON</strong> <strong>PAUL</strong> <strong>SCHMITTHENNER</strong>, <strong>STUTTGART</strong><br />

In dem Kampfe aller gegen alle, als der unsere Baukunst heute fast erscheint, setzen sich glückl ich erweise immer sicherer einigte Kräfte wie die Paul Schmitthenners durch, die<br />

wirkliche Schulung in allem technisch Erlernbaren mit feinem Geschmack vereinen, statt ihr Heil in urteilslosem Anschluß an die Tagesmoden zu suchen. Selbst wer an dem<br />

barodcisierenden oder gotisierenden Einschlag-, wie ihn etwa die Abbildungen 21, 33 und 40 zeigen, keine Freude hat, wird in altertümlichen Lösungen, wie sie etwa Abbildung 27<br />

zeigt, mindestens dieselbe künstlerische Kraft finden, wie sie z. B. in Oestberg-s neuem Rathaus in Stockholm bewundert wird; und Wohnhäuser wie etwa das in Abbildungen 8—16<br />

gezeigte gehören in ihrer gediegenen Sachlichkeit wahrscheinlich zum Besten, was nicht nur seit langem erbaut wurde, sondern auch auf lange erhofft werden kann W, H,<br />

Abb. 1 und "2 / Messehaus Hamburg- / Wettbewerbsentwurf / Architekt: Paul Schmitthenner, Stuttgart<br />

• • '"•' Schaubild und Grundriß des Erdgeschosses / Mafistab 1:2000 --...'. \<br />

397<br />

27<br />

W. M( B. X 10


Abb. 3 und 4 / Haus Zerweck in Stuttgart / Architekt: Paul Schmitthenner, Stuttgart / Grundriß von Erd- und Obergeschoß / Maßstab 1 ; 200<br />

Zahlenerklärungen auf Seite 399 unten<br />

Abb. 5 / Haus Zerweck in Stuttgart / Architekt: Paul Schmitthenner Stuttgart / Blick vom Vorraum in den Gartem<br />

Verglaste Wand, weiß talkumiert, Bleiverg-lasung / Vorhänge in grüner Seide<br />

398


Abb. 6 und 7 / Haus Zerweck in Stuttgart / Architekt: Faul Schmitthenner, Stuttgart / Erbaut 1925-26 / Ansichten<br />

Zu Abb. 3 u. 4 auf S. 398 (gegenüber) / ZahlenerkläYuny: 1 Treppenhaus, 2 Büroflur, 3 Kleiderablage, 4 Abort, 5 bis 8 Büro, 9 Abort.<br />

10 Teeküche. 11 Arbeitszimmer, 12GartensäIchen. 13 Schlafkabinett, 14 Bad, 15 Diener, 16 Halle, 17 Gang, 18 Abort, 19 Bad,<br />

20 Ankleidezimmer. 21 Schlafzimmer, 22 Wohnzimmer, 23 Wohnzimmer, 24 Eßzimmer, 25 Küche, 26 Anrichte<br />

399


m m. * e m $ ** m. ML v ML M S 3<br />

1! H<br />

ii III<br />

§§1111m<br />

. _<br />

Abb. 8 / Haus Schmitthenner in Stuttgart / Architekt; Paul Schmitthenner, Stuttgart / Erbaut 1922 / Ansidit der Südseite und Grundrisse<br />

Maßstab 1 : 200<br />

Material: Fachwerkbau verputzt, Isolierung im Innern mit Totfoleum platten; Pfannendach<br />

Zahlenerklärung: 1,2,3 Kinderzimmer, 4 Gartensaal, 5 Wohnzimmer, 6 Cabinet, 7 Schlafzimmer, 8 Ankleidezimmer, 9 Bad, 10 Abort, 11 Vorzimmer,<br />

12 Treppenhaus, 13 Abort, 14 Küchenyang, 15 Küche, 16 Nebenküche, 17*21 Mädchenkammern, 18 Oberes Treppenhaus, 19 Abort.<br />

20 Abstellraum, 22 Arbeitszimmer, 23 Werkstatt, 24 Gastzimmer<br />

400


Die Bauherrschaft des Hauses des<br />

Deutschtums (Abb. 17 ff.) ist das<br />

im Jahre 1917 gegründete Deutsche<br />

Auslands-Institut. Das D. A. I. hat<br />

durchaus gemeinnützigen Charakter.<br />

Es ist die Zentralstelle zur Verbindung<br />

von Ausland und Heimat,<br />

dieAuskunftstellefürAuswanderer,<br />

für Stellen- und Wirtschaftsvermittlung"<br />

im Ausland.<br />

Der Umfang des Instituts wuchs<br />

so stark, daß ein Neubau notwendig<br />

wurde, der auf staatlichem Grund,<br />

anstelle des alten Waisenhauses in<br />

Stuttgart erstellt wurde.<br />

Das alte Waisenhaus war ein<br />

schlichter, schöner Barockbau, teils<br />

anderthalb, teils zweistöckig. Der<br />

Baublock ist rund 4500qm groß mit<br />

einem Hof von rund 2000qm Fläche.<br />

Der Bau wurde im April 1924<br />

begonnen und nach knapp einem<br />

Jahr seiner Bestimmung übergeben.<br />

Abb. 9 (nebenstehend) / Haus Schmitthenner<br />

in Stuttgait<br />

Architekt: Paul Schmitthenner, Stuttgart<br />

Südseite<br />

Ursprünglich dachte man an<br />

einen Umbau und Aufbau. Im<br />

Laufe des Baues ergab sich aber<br />

eine ganz veränderte Programmgestaltung.<br />

Dazu kam, daß die alten, dicken<br />

Mauern sehr schlechtes Brockengemäuer<br />

und die Fundamente vollkommen<br />

ungenügend waren.<br />

So wurde aus dem geplanten<br />

Umbau ein Neubau, bei dem lediglich<br />

einige alte Mauerreste zwangsläufig<br />

beibehalten wurden.<br />

Die Baufluchten des alten Waisenhauses<br />

sind unverändert geblieben,<br />

lediglich am Charlottenplatz<br />

wurde nach der rechten Ecke zu<br />

die Front um ca. 3 m aus verkehrstechnischen<br />

Gründen zurückgelegt.<br />

Der Flügel an der Dorotheenstraße<br />

war ein Fachwerkbau und<br />

wurde gleich zu Anfang als massiver<br />

Neubau geplant. Man übernahm<br />

die Hohen der übrigen Teile, die<br />

bestehen bleiben sollten, die dann<br />

jedoch fielen. Dadurch sind die<br />

Geschoßhöhen und die Hauptgesimshöhen<br />

des Baues zu erklären.<br />

Abb.10 / Haus Schmitthenner in Stuttgart / Architekt: Paul Schmilthertner, Stuttgart Abb. 11 / Haus Schmitthenner in Stuttgart / Architekt: Faul Schmilthenner, Stuttgart<br />

Glastüren vom Gartensaal nach dem Garten . Eitigang-stür<br />

Plastik in farbigem Betonguß von Bildhauer Wilhelm Fehrle, Gmünd : Ausführung- in Lärchenholz massiv auf Einsch üb leisten<br />

401


Abb. 12 / Haus Schmitthenner in Stuttgart / Architekt: Paul Schmitthenner, Stuttgart / Erbaut 1922<br />

Obere Treppenhalle / Geländer in Schmiedeeisen, Riemenfußboden / Sichtbares Kehlgebälk und Wände weiß gekalkt<br />

Abb. 13 / Haus Schmitthenner in Stuttgart<br />

Architekt; Paul Schmitthenner, Stuttgart / Erbaut 1922<br />

Treppenhaus<br />

Wangen in Kiefernholz, Stufen Eichenholz, Fußboden Solnhof er Plattet<br />

Abb. 14 / Haus Schmitthenner in Stuttgart<br />

Architekt: Paul Schmitthenner, Stuttgart / Erbaut 1922<br />

Treppenhaus mit oberer Treppenhalle<br />

Gelander Schmiedeeisen, Decken und Wände weiß gekalkt<br />

402


Abb. 15 / Haus Schmitt henner in Stuttgart / Architekt: Paul Schmitt henner, Stuttgart / Gartensaal<br />

Decke und Wände weiß / Fußboden Solnhofer Platten / Möbel stumpfroter Schleiflack / Beleuchtungskörper aus bemaltem Blech mit Messing- und Glas<br />

Abb. 16 / Haus Schmitt henner in Stuttgart / Architekt: Paul Schmitthenner, Stuttgart / Wohnzimmer<br />

Wände Kalkmörtel, Putz leidit getönt / Decke weifi / Tafelfußboden aus Fichtenholz und Bucbenriemen<br />

403


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Abb. 17 / Haus des Deutschtums in Stuttgart / Architekt: Paul Schmitthenner, Stuttgart / Erbaut 1924-25 / Teilansicht im Hof / Maßstab 1:600<br />

Der Neubau ist jetzt vollkommen massiv, mit Eisenbetondecken<br />

und Stützen ausgeführt. Die noch bestehenden alten Mauerreste<br />

am Karlsplatz und an der Pianieseite sind unterfangen und mit<br />

der neuen Massiv-Konstruktion verbunden.<br />

Im Flügel am Karlsplatz und in dem größeren Teil des Flügels<br />

an der Pianie sind die Räume des Deutschen Auslandinstituts,<br />

in der Dorotheenstraße Büroräume und Läden, am Charlottenplatz<br />

und dem oberen Teil des Flügels an der Pianie die Gaststuben<br />

und ein Theater untergebracht. . ,<br />

Ursprünglich war der Bau um ein Stockwerk höher geplant<br />

als er jetzt ausgeführt ist. Diese größere Höhe wurde aus städtebaulichen<br />

Gründen durch das Stadtbauamt abgelehnt. Es war<br />

deshalb zur Unterbringung der erforderlichen Räume notwendig,<br />

das Dach vollkommen auszubauen.<br />

Um dabei die größte Raumausnützung zu erreichen, ist das<br />

Dach ohne Gang mit einseitigem Licht nach dem Hof ausgebaut.<br />

In diesen Räumen mit besonders guten Lichtverhältnissen sind<br />

Bibliothek, Archive, Lichtbildersammlungen und Zeichenräume<br />

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Abb. 18 / Haus des Deutschtums in Stuttgart / Architekt: Paul Schmitthenner, Stuttgart / Erbaut 1924-25 / Grundriß vom Hauptyesqhoß / Maßstab 1:600<br />

404


Abb. 19 (nebenstehend)<br />

Haus des Deutschtums<br />

in Stuttgart/Architekt:<br />

Paul Schmitthenner,<br />

Stuttgart / Lageplan<br />

röU^p^p<br />

Abb. 20 (unten) / Hau»<br />

des Deutschtums in<br />

Stuttgart / Architekt :<br />

Paul Schmitthenner,<br />

Stuttgart / Ansichten<br />

Maßstab 1 : 60O<br />

'ii Pi 11 iii<br />

Bl<br />

iu üi OJ m Bi in' öi ra iv<br />

m<br />

405


Abb. 21 (nebenstehend) / Haüa<br />

des Deutschtums in Stuttgart<br />

Architekt: Paul Schmitthenner,<br />

Stuttgart / Erbaut 1924/25<br />

Gesamtansicht des Hofes<br />

Der Treppenturm in Abb. 21 ist<br />

eine völlige Neuanlage, weil im<br />

letzten Augenblick von der Baupolizei<br />

ein Nebentreppenhaus<br />

für die Galerie des großen Saales<br />

verlangt wurde, das außen angefügt<br />

werden mußte.<br />

Abb. 22 / Haus des Deutschtums in Stuttgart / Architekt: Paul Schmitthenner,<br />

Stuttgart / Erbaut 1924/25 / Nebentreppe / Die Treppenläufe armierter Beton,<br />

schalungsrauh getüncht / Stufen Muschelkalk / Geländer Schmiedeeisen<br />

Abb. 23 / Haus des Deutschturas in Stuttgart<br />

Architekt: Paul Schmitthenner, Stuttgart / Erbaut 1924/25<br />

Treppe iu den Galerien im Theater<br />

406


Abb. 24 / Haus des Deutschtums in Stuttgart / Architekt: Paul Schmitthenner, Stuttgart / Erbaut 1924/25 / Freitreppe im Hof zum Deutschen Auslandsinstitut<br />

Material: Muschelkalk und Schmiedeeisen / Plastik über der Tür: „Mutter Deutschland" in farbigem Zement von Bildhauer Wilhelm Fehrle, Gmünd / (vgl, Abb. 29)<br />

untergebracht. In den Dachaufbauten nach den Außenseiten sind<br />

jeweils die Arbeitsplätze für die Abteilung^-Vors tan de gelegt.<br />

Der alte, gute Kehlbalkendachstuhl wurde größtenteils für den<br />

Neubau wieder verwendet.<br />

Der ganze Bau ist im Grundriß so geplant, daß später das<br />

gesamte Gebäude für die Zwecke des Deutschen Auslandinstituts<br />

Verwendung finden kann.<br />

Wie die Abbildungen zeigen, sind die Räume des Deutschen<br />

Auslandinstituts mit den einfachsten Mitteln ausgestattet, desgleichen<br />

der große und die kleinen Vortragssäle. Die zur Ver-<br />

#<br />

407


Abb. 25 (nebe«stellend) / Haus<br />

des Deutschtums in Stuttgart<br />

Architekt: Paul Schmitt henner,<br />

Stuttgart / Erbaut 1924/25<br />

Einjjang Zum Hof am Charlottenplatz<br />

Die Plastik über dem Tor in einfarbigem<br />

Zement von Bildhauer<br />

Wilhelm Fehrle, Gmünd<br />

Abb. 26 (unten) / Haus des<br />

Deutschtums in Stuttgart<br />

Architekt: Paul Schmitthenner,<br />

Stuttgart / Erbaut 1924/25<br />

Ansicht vom Charlottenplatz<br />

408


i<br />

Abb. 27 / Haus des Deutschtums in Stuttgart<br />

/ Architekt: Paul Schmitthenner, Stuttgart / Erbaut 1924-25 / Ansicht vom Karlsplatx<br />

409


Abb. 28 /<br />

Haus des Deutschtums in Stuttgart / Architekt: Paul Schmitthenner,<br />

Stuttgart / Treppenhaus im Hof (vgl. Abb, 21)<br />

Abb. 29 / Hau» des Deutschtums in Stuttgart / Architekt; Paul Schmltthenner,<br />

Stuttgart / Freitreppe im Hof zum Deutschen Auslandsinstitut<br />

Abb. 30 / Haus des Deutschtums in Stuttgart / Architekt: Paul Schmitthenner,<br />

Stuttgart<br />

Durchgang im Hof zum Karlsplatz / Die Hofwand in Backsteingemäuer mit<br />

weißem Mauerwasch / Plastik über dem Durchgang: das Württembergische Wappen<br />

in farbigem Zement von Bildhauer Wilhelm Fehrle, Gmünd<br />

Abb. 31 / Haus des Deutschtums in Stuttgart / Architekt: Paul Schmilthenner,<br />

Stuttgart<br />

Eingang zum Hof am Karlsplatz / Backsteingemäuer mit Kellenputz in grünlichem<br />

Ocker mit Kalkfarbe gestrichen, die Fensterumrahmungen heller abgesetzt<br />

Die Plastik über dem Tor in farbigem Zement von Bildhauer Wilhelm Fehrle, Gmünd<br />

410


Abb. 32 / Haus des Deutschtums in Stuttgart / Architekt: Paul Schmitthenner,<br />

Stuttgart / Vorraum zum großen Vortragssaal / Wände in Kellenputz, Holzwerk<br />

Eichenholz natur / Boden Solnhofer Platten<br />

Abb. 33 / Haus des Deutschtums in Stuttgart / Architekt: Paul Sdimitthenner<br />

Stuttgart / Treppenhaus zu den Garderoben im Theater / Über dem Bogen<br />

Antrag-sstuck von Bildhauer Hedblom, Stuttgart<br />

Abb. 34 /<br />

Haus des Deutschtums in Stuttgart / Architekt: Paul Schmitthenner, Stuttgart / Großer Vortragssaal / Decken und Wände weiß<br />

411


Abb. 35 und 36 / Haus<br />

Richard Kahn, Stuttgart<br />

Architekt: Paul Schmitthenner,<br />

Stuttgart<br />

Grundriß vom Erdgeschoß<br />

(oben) und Obergeschoß<br />

(unten) / Maßstab 1:200<br />

Zahlenerklärung':<br />

1 Küche<br />

2 Gesinde<br />

3 Speise<br />

4 Anrichte<br />

5 Halle<br />

6 Eßzimmer<br />

7 Gartensaal<br />

8 Wohnzimmer<br />

8a Frühstückshof<br />

9 Cabinet<br />

10 Abort<br />

11 Schoffeur<br />

12 Garage<br />

13, 14 Mädchen<br />

15 Abort<br />

16 Bad<br />

17 Halle<br />

18 Schrankzimmer *<br />

19, 20 Gastzimmer<br />

21 Früstückszimmer<br />

22 Schlafzimmer des Herrn<br />

23 Schlafzimmer der Dame'<br />

24 Ankleide<br />

25 Bad<br />

26 Abort<br />

27 Gastzimmer<br />

412


Abb. 37 / Haus Richard Kahn in Stuttgart / Architekt: Paul Schmitthenner, Stuttgart / Erbaut 1922-23<br />

StraSenansicht Nordwest / Im Hof vier beschnittene Linden / Dem Hof ist ein Grasg-arten vorgelagert, der bei späterer Straßener Weiterung teilweise fortfällt<br />

(vgl. Abb. 38 ff.)<br />

fügung stehenden Mittel brachten es mit sich, daß Raum und<br />

Wände innen und außen nur mit rein baulichen Mitteln zum Ausdruck<br />

gebracht werden konnten.<br />

Die Außenwände des Gebäudes nach den Straßen und Plätzen<br />

sind mit Kellenputz und farbigem Kalkanstrich versehen, während<br />

die Wände des großen Hofraumes nur weiß g-eschlämmt sind.<br />

Die alten Mauerreste haben Fenster in tiefer Laibung mit<br />

barockem Steingewände. Die alten und neuen Teile versuchte ich<br />

durch Gegensatz in Harmonie zu bringen, indem ich die Fenster im<br />

neuen Mauerwerk alle vollkommen bündig mit dem Putz gelegt habe.<br />

Das Hauptgesims ist in Eisenbeton in einfacher Schalform aus"<br />

geführt, das Dach mit den alten Dachplatten des Waisenhauses<br />

eingedeckt.<br />

Der einzige sogenannte „Schmuck" (so nennt man landläufig<br />

die nicht baulichen Dinge) am Äußeren, sind die farbigen Plastiken<br />

in Zementguß, die nach meinen Skizzen der ausgezeichnete<br />

Bildhauer Wilhelm Fehrle in Gmünd ausgeführt hat.<br />

Das Haus des Deutschtums Hegt mitten im alten Teil Stuttgarts.<br />

An der Pianieseite bildet die Nachbarschaft die alte Karlsschule,<br />

am Karlsplatz und an der Dorotheenstraße die alten Ministerien<br />

und das prachtvolle alte Schloß (Abb. 19).<br />

An der Front nach dem Karlsplatz schien es mir notwendig,<br />

die Maße in der Höhe zu steigern. Ich habe deshalb die Dachaufbauten<br />

noch über das Kehlgebälke hinaufgeführt. In den oberen<br />

Teilen dieser Dachaufbauten sind die erforderlichen Vorrichtungen<br />

für die Be- und Entlüftung eingebaut (Abb. 27).<br />

In dem Bau sind heute einige Dutzend alte barocke Fenstergewände<br />

beibehalten. Im übrig-en hat der Bau mit Barock oder sonst einem<br />

sogenannten historischen Stil nur die gleiche Baugesinnung- gemein.<br />

Die Baugesinnung und nicht die belanglose „Schmuckform" ist<br />

wohl das Entscheidende für gestern, heute und morgen. Durch diese<br />

Baugesinnung fügt sich der Bau gut und sauber in die Umgebung<br />

ein, erregt und beansprucht kein Aufsehen durch eine modischformalistische<br />

Aufmachung. Paul Schmitthenner, Stuttgart<br />

413<br />

28<br />

W. M, B. X 10


Abb.38 / Haus Riehard Kalin in Stuttgart , Architekt : Paul SulimiUlienner, Stuttgart i Krbaut Jy^i/23<br />

Oberq Halle<br />

Decken und Wände weiß, Geländer in Schmiedeeisen / Fußboden Solnhofcr Platten bruchrauh<br />

Abb. 39 / Haus Richard Kahn in Stuttgart / Architekt; Paul Schmitthenner Stuttgart<br />

Werkzeichnuny der Haupttreppe / Maßstab 1 : 50<br />

414


Abb.40 / Haus Richard Kahn in Stuttgart / Architekt: Paul Schmilthenner, Stuttgart<br />

Untere Halle/ Decken u.Wände weiß / Spitzbogen in Sandstein gemauert, weiß überkalkt<br />

Stufen Muschelkalk / Treppe Eichenholz natur / Geländer in Schmiedeeisen / Fußboden<br />

Solnhofer Platten Halbschliff<br />

Abb. 1 / Gartenbauausstellung- in Dresden<br />

Ferienhaus der Deutschen Werkstätten Hellerau / Architekt: Karl Bertsch<br />

Eckansicht des Hauses mit Garten nach dem Entwurf von Gustav Allinger, Berlin<br />

FERIENHAUS AUF DER GARTENBAU-AUSSTELLUNG IN DRESDEN<br />

Das Ferienhaus, nach Entwurf von Karl Bertsch, ist aus Holz<br />

errichtet und zeichnet sich durch besonders schlichte und glückliche<br />

Formgebung- aus.<br />

Das Haus kostet M 7000.— ; mit allen Wandschränken, MSbeln,<br />

Vorhängen, Beleuchtungskörpern M 9575.—<br />

Es ist dabei folgende Ausführung zu Grunde gelegt: Unterkellerung<br />

des gesamten Hauses mit dem Beton-Schrägkeller<br />

(zum Patent angemeldet. Vgl. Städtebau 1926, Heft 5, S. 76).<br />

Außenwände: Jalousiebretter mit Ölfarbe gestrichen, Innen-<br />

Wände und Decken im Erdgeschoß: glatte Platten farbig ge-<br />

Abb. 2 / Gartenbauausstellung in Dresden / Ferienhaus der Deutschen Werkstätten<br />

Hellerau / Architekt: Kar) Bertsch<br />

Blick in den Wohnraum<br />

Abb. 3 / Gartenbauausstellung in Dresden / Ferienhaus der Deutschen Werkstätten<br />

Hellerau / Architekt: Karl Bertsch<br />

Blick in den Schlafraum im Erdgeschoß (vgl, Abb. 5)<br />

415


Abb. 4 / Gartenbauausstellung in Dresden / Ferienhaus der Deutschen Werkstätten Hellerau / Architekt: Karl Bertsch<br />

Hauptansicht<br />

Abb. 5—8 / Gartenbauausstellung- in Dresden / Ferienhaus der Deutschen Werkstätten<br />

Hellerau / Architekt: Karl Bertsch<br />

Ansicht, Schnitt und Grundrisse / Maßstab 1:200<br />

strichen oder tapeziert, in Waschraum und Küche abwaschbarer<br />

Ölfarb-Anstrich, im Obergeschoß genutete und gespundete Hobelbretter<br />

farbig gestrichen, sämtliche Zwischenwände doppelt ausgebildet,<br />

Klosettwände besonders isoliert; Fußboden: Erdgeschoß:<br />

durchgehend Linoleum, im Waschraum Zement-Estrich mit Ablauf,<br />

im Obergeschoß und Spitzboden: Hobeldielen. Fenster:<br />

in Wohn- und Schlafräumen Doppelfenster, weiß emaillelackiert.<br />

Mit im Preis einbegriffen sind ferner sämtliche Installationen<br />

innerhalb des Hauses, elektrisches Licht (pro Raum 1 Brennstelle),<br />

Wasserzu- und Ableitung mit Zapfstelle für kaltes Wasser in der<br />

Küche und im Waschraum, einschließlich Ausguß in der Küche,<br />

Wasserklosett (einschließlich Klosettbecken), Dachrinnen und Abfallrohre<br />

farbig gestrichen, Küchenherd, Zimmerofen, Waschkessel.<br />

Doppelziegeidach, in den Dachschrägen des Obergeschosses<br />

besondere Torfoleum-Isolierung.<br />

Diese Holzhäuser können im Anschluß an unsere wiederholten<br />

Veröffentlichungen über Holzbauten (vgl. u. a. W. M. B. 1926, Heft 9:<br />

„Norwegische Holzhäuser" und Städtebau 1926, Heft 5, S. 74 ff.)<br />

als weitere Beispiele für die Preiswürdigkeit und technische Verwendbarkeit<br />

von Holzhäusern in unseren Breiten gelten. Daß bei<br />

entsprechender Ausbildung solche Bauten nicht nur Wochenendoder<br />

Ferienhäuser, sondern auch Dauerwohnungen ergeben, haben<br />

u. a. die eingehenden Heizversuche Professor Bugges, die in<br />

W. M. B. 9 erwähnt sind, einwandfrei erwiesen.<br />

416


Abb. 1 / Jahresschau Deutscher Arbeit / Dresden 1926 / Jubiläums-Gartenbau-Ausstellung<br />

Der riesengroße Rosengarten mit Grünem Dom im Hintergründe<br />

Entwurf: Gartenarchitekt Gustav Allinger, Berlin, und Architekt Jos. Wentzlcr, Dortmund<br />

DER KOMMENDE GARTEN<br />

<strong>VON</strong> WILL GROHMANN, DRESDEN<br />

Im Grunde ist ganz Dresden ein Garten; wenigstens sieht es<br />

so aus, wenn man auf Reisen hier aussteigt und nach den Pflichtbesuchen<br />

bei den Bauten des Barock nach einer der vier Himmelsrichtungen<br />

ins Grüne fährt. Wenn man gewandt genug ist, die<br />

paar Mietskasernen- und Geschäftsviertel neuerer Zeit zu umgehen,<br />

hat man den Eindruck, die Stadt hätte sich den Luxus geleistet,<br />

alt und schon zu bleiben. Vom „Weißen Hirsch" aus wirkt das<br />

Stadtbild immer noch erstaunlich friedlich und grün; um so gewagter<br />

scheint es, gerade hier die größte Gartenbauausstellung zu<br />

machen, die in den letzten Jahrzehnten in Deutschland zu sehen<br />

war. Das Gelände ist 320000 qm groß» liegt zum Teil im Großen<br />

Garten, und hundertjährige Eichen und Alleen sehen sich staunend<br />

in eine Planung weniger Monate eingereiht. Es mußte schon angesichts<br />

des Großen Gartens, der Anlagen in Pillnitz, Großsedlitz,<br />

Moritzburg und der Natur in diesem Stück des Elbtals<br />

ganze Arbeit geleistet werden, wenn man nicht den Fluch der<br />

Lächerlichkeit auf sich laden wollte. Der Gartenarchitekt Gustav<br />

AUinger-Berlin als gartenkünstlerischer Berater der Ausstellung<br />

und als Schöpfer der ganzen Anlage hat den Mut gehabt, sich in<br />

Wettstreit mit der Vergangenheit zu begeben. Er hatte den Vorteil<br />

eines unvergleichlichen Ausstellungsplatzes, aber den Nachteil,<br />

mit einer Menge unverrückbarer Tatsachen rechnen zu müssen.<br />

Wie er seinen Gesamtplan (Verkehrsverteilung, Hauptaxen und<br />

baulich wirksame Blickpunkte) in den festen Bestand von Straßen,<br />

Alleen und Plätzen einzuordnen verstanden hat, ist verblüffend.<br />

Die Überbrückung der Hauptfahrstraße und die Verbindung zweier<br />

getrennter Bezirke, die gründlichste Umwandlung einer der größten<br />

vorhandenen Parkwiesen durch Anlegung wirksamer Axen, künstlicher<br />

Bodenverschiebungen und halb spielerischer, halb gartenbaulich<br />

sachlicher Bauten ist die eine Leistung. Die zweite ist<br />

die garten bau technisch gelungene Losung der farbigen Gesamtanordnung<br />

in Verbindung mit der Einbeziehung der Wachstumverhältnisse<br />

und Bodenverschiebungen. Es ist ihm erstaunlicherweise<br />

geglückt, alle Beteiligten für einen Gemeinschaftsgedanken<br />

zu begeistern, Gärtner, Gartenarchitekten, Baukünstler, Bildhauer<br />

und Industrielle und so eine Gesamtanlage zu schaffen, die gleich*<br />

zeitig abwechslungsreich und geschlossen erscheint, beim Durchwandern<br />

wie in der Aufsicht von der Plattform des „Grünen Doms".<br />

Das Bild ändert sich in jedem Monat in Farbe und Profil; in den Gesamtplan<br />

sind alle diese Verwandlungen von vornherein einbezogen.<br />

417


- ALLEE<br />

Abb. 2 / Jahresschau Deutscher Arbeit / Dresden 1926 / Jubilaums-Gartenbau-Ausstellury<br />

Lag-eplan der Gesamtanlage<br />

1 Die g-rofie Schmuckanlag-e / 2 Die kleine Schmuckanlage / 3 Der kleine Hausg-arten / 4 Der<br />

Gartenhof / 5 Wissenschaftliche Abteilung im Freien / 6 Hausg-arten am Ingolstädter Haus<br />

7 Siedlergarten / 8 Städtischer Ausstellungspalast / 9 Neue Ausstellungshallen, Vergnügungspark,<br />

Planetarium / 10 Verwaltungsgebäude / 11—26 Sonderkarten einzelner Garteng-estalter<br />

27 Rhododendronweg 1 / 28 Brücke über die Hauptallee / 29 Terrasse am Grünen Dom / 30 Grüner<br />

Dom / 31 Der riesengroße Rosengarten / 32 Rosenhof mit Leuchtfontäne / 33 Kaffeerestaurant<br />

und Pavillons am Rosenhof / 34 Garten der Rosenfreundin / 3S und 36 Gärten der Rosenneuheiten<br />

/ 37 Farbenfelder der Dahlien / 38 Garten des Dahlienfreundes / 39 Garten zum<br />

blauen Rittersporn / 40 Farbenfelder der Einjahrblumen / 41 Eichenhof mit Architekturen<br />

42 Parktheater und Theatergebäude / 43 Der kommende Garten mit Sommerhaus der Hellerauer<br />

Werkstatt / 44 Der Friedhof<br />

Mittelpunkt der großen Rosen- und Dahlienanlage ist der<br />

„Grüne Dom", ein sternförmig; angelegter Holzturm, ein in fünfzehn<br />

Geschossen von wildem Wein bewachsener Riese (Entwurf Wentzler-<br />

Dortmund und Allinger-Berlin). Im östlichen Blickpunkt liegt ein von<br />

Tessenow gebautes Cafe als Abschluß des Rosenhofes. Nördlich<br />

unter alten Eichen ein Parktheater (Entwurf Allinger), dessen<br />

Architektur nicht viel schwerer als eine Heckenanlage wirkt.<br />

Westlich der Friedhof, das einzige, das unbefriedigt läßt, puritanisch,<br />

phantasiearm. Dafür entschädigt manche Sonderanlage,<br />

wie der Garten mit Teehaus (Architekt Wichmann*Dessau), der<br />

kleine Hausgarten, die Rosengärten, der Eichenhof mit den einschließenden<br />

Klinkermauern und der „Kommende Garten" mit<br />

dem Sommerhaus (Entwürfe Allinger). Die wissenschaftlichen,<br />

technischen und industriellen Abteilungen sind umfassend; die<br />

Sonderveranstaltungen in den Hallen werden in monatlichen Abstanden<br />

erneuert; im Lichtspieltheater der Ausstellung läuft ein<br />

Film vom Werden und Vergehen der Blumen, der Zeiträume von<br />

Jahren in Minuten zusammendrängt.<br />

In die Freude an der großzügigen Leistung mischt sich nur<br />

das schmerzliche Bedauern, daß 99 v. H. der Besucher kaum in<br />

die Lage kommen dürften, die Anregungen der Schau praktisch<br />

zu verwerten. Wer wünschte sich nicht einen kleinen Hausgarten,<br />

aber — 670000 Menschen suchen in Deutschland eine kleine<br />

Wohnung.<br />

Will Grohmann-Dresden<br />

418


Abb. 3 / Jahresschau Deutscher Arbeit / Dresden 1926 / Jubiiäuma-Gartenbau-Ausstellunfr<br />

Parktheater / Entwurf: Gartenarchitekt Gustav Allinjer, Berlin<br />

Abb. 4 / Jahresschau Deutscher Arbeit / Dresden 1926 / JubilSums-Gartenbau-Ausstellung<br />

Aus dem .Kommenden Garten" / Entwurf: Gartenarchitekt Gustav Alling-er, Berlin<br />

419


Abb. 5 / Jahresschau Deutscher Arbeit / Dresden 1926 / Jubiläums-Gartenbau-Ausstellung<br />

Brücke über die Hauptallee / Architekt: Otto Wilhelm Wulle, Dresden<br />

ZUR FRAGE DER WETTBEWERBE<br />

Bei den vielfach zu Tage tretenden MiBständen im Weltbewerbswesen erscheinen<br />

die nachstehenden Vorschläge beachtlich, da sie einen vielleicht gangbaren Weg- zur<br />

Abhilfe aufzeigen.<br />

Fast jeder Wettbewerb endet heute mit einer Pressefehde, man<br />

konstatiert die Reformbedürftigkeit des Wettbewerbswesens oder<br />

propagiert gar die gänzliche Abschaffung der Wettbewerbe. Gegen<br />

diese letzte Forderung muß entschieden Front gemacht werden.<br />

Wettbewerbe sind heute für den jungen Architekten die einzige<br />

Möglichkeit, an eine Bauaufgabe heranzukommen. Privatbauten<br />

fehlen gänzlich, sämtliche Wohnungsbauten liegen in Händen der<br />

Wohnung-sfürsorgegesellschaften, die sich in den seltensten Fällen<br />

zur Heranziehung eines Privatarchitekten verstehen werden; der<br />

Staat hat wiederum für seine Bauten ein zahlloses Beamtenheer<br />

zur Verfügung; industrielle Bauten sind nur durch Beziehungen<br />

zu erlangen, wenn nicht ein Prominenter gewonnen wird, dessen<br />

Name gleichzeitig für das Werk Reklame macht. Soweit also nicht<br />

glückliche persönliche Beziehungen dem jungen Architekten Bauaufgaben<br />

verschaffen, ist er auf die Beteiligung an Wettbewerben<br />

angewiesen.<br />

Im Interesse des Nachwuchses wäre zu fordern, daß für möglichst<br />

zahlreiche Bauten mittleren Umfanges die Architekten durch<br />

Wettbewerb gewonnen werden, daß hierfür beschränkte Konkurrenzen<br />

(beschränkt auf die Architekten etwa eines Regierungsbezirkes)<br />

ausgeschrieben werden.<br />

Der einfachste Ausweg aus vielerlei Übelständen des Wettbewerbswesens<br />

wäre vielleicht die Übernahme der bei sportlichen<br />

Wettkämpfen üblichen Klassifizierung der Teilnehmer; Die Prominenten<br />

konkurrieren in Klasse A; dieser Klasse wären etwa<br />

Wettbewerbe vom Range des Kölner vorzubehalten, die eine<br />

allgemeine Bedeutung haben und deren Bewältigung das Vorhandensein<br />

eines Büros erforderlich macht. Eine Klasse B umfaßt<br />

mittlere Aufgaben, eine Klasse C die kleinen Objekte. Nach Gewinnen<br />

der Konkurrenz einer Klasse darf der Gewinner in der<br />

höheren Klasse konkurrieren und scheidet aus der unteren Klasse<br />

aus. Hierdurch würden sofort zu große Teilnehmerzahlen und Arbeit<br />

von Stümpern am untauglichen Objekt ausgeschaltet. Es mag<br />

den Architektenorganisationen überlassen bleiben, diese Anregung<br />

auszubauen und zu formulieren. Dem Verfasser erscheint das<br />

wichtigste, durch fehlerlose Organisation dem Wettbewerbswesen<br />

soviel Bedeutung zu schaffen, daß auch der Staat, heute der größte<br />

Auftraggeber, gezwungen wird, für seine Bauten durch Wettbewerbe<br />

den jeweils tüchtigsten Architekten zu gewinnen.<br />

/. Schmidt, Hindenburg O.-S.<br />

Daß häufig nicht die Abschaffung von Wettbewerben, sondern such deren Ausschreibung<br />

dringend gefordert wird, fceigt u. a. nachstehende verkürzt wiedergegebene<br />

Zuschrift aus Magdeburg-:<br />

Bereits vor dem Kriege wurde in Magdeburg der Plan gefaßt,<br />

auf dem Roten Horngelände an der Elbe eine Stadthalle in Verbindung<br />

mit Ausstellungsbauten zu errichten. Professor Peter Behrens<br />

wurde mit der Aufstellung eines Vorprojektes beauftragt. Der Krieg<br />

durchkreuzte diese Pläne. Im Jahre 1919 arbeitete Professor Paul<br />

Mebes neue Pläne für eine Stadthalle auf demselben Gelände aus.<br />

Die Pläne kamen nicht zur Ausführung, Damit waren die Stadthallenpläne<br />

für die Öffentlichkeit abgetan. Im Sommer 1925 tauchte für<br />

einige Tage auf der Handwerkerausstellung ein Stadthallenprojekt<br />

desStadtischen Hochbauamtes auf, um sofort wieder zu verschwinden.<br />

Verschiedene Anregungen, die Stadthallenfrage durch Ausschreibung<br />

eines Wettbewerbes neu aufzurollen, hatten keinen Erfolg. Vom<br />

Städtischen Hochbauamt wurden sie mit dem Bemerken beiseitegeschoben,<br />

Wettbewerbe seien unzweckmäßig und nicht mehr zeitgemäß.<br />

An einen Stadthallenbau sei überdies aus finanziellen<br />

Gründen nicht zu denken. Im Herbst 1925 wurde die künstlerische<br />

Leitung der für 1926 auf dem Stadthallengelände geplanten Theaterausstellung<br />

dem Berliner Graphiker Deffke unter gleichzeitiger Berufung<br />

als Leiter der Kunstgewerbeschule Magdeburg übertragen.<br />

Im Frühjahr 1926 erklärte die Leitung der Theaterausstellung, die<br />

Ausstellung müsse auf das Jahr 1927 verschoben werden, da der<br />

420


Abb. 6 / Blidc vom „Grünen Dom" auf den riesengroßen Rosengarten (Entwurf Gustav Allinger, Berlin) mit dem Restaurant (Architekt: Heinrich Tessenow)<br />

im Hintergründe<br />

mit der Planbearbeitung beauftragte „Architekt" Deffke — im<br />

Handbuch des Werkbundes bezeichnet sich Deffke selbst als Batiker<br />

und Graphiker — mit der Planbearbeitung- so sehr im Rüdestande<br />

sei, daß eine rechtzeitige Eröffnung unmöglich wäre. Die Ausstellung<br />

wurde auf das Jahr 1927 verschoben. Durch diese Verschiebung hat<br />

die Ausstellungsleitung soviel Mittel eingebüßt, daß sie nicht in<br />

der Lage ist, die notwendigen Ausstellungsbauten für 1927 aus<br />

eigenen Mitteln zu finanzieren. So ist man auf den Ausweg verfallen,<br />

Hals über Kopf die Stadthalle wenigstens zu einem Teil zu<br />

bauen, damit in dem Rumpfbaukörper Teile der Theaterausstellung<br />

1927 untergebracht werden können. Anstatt nun sofort entweder<br />

einen Öffentlichen oder beschränkten Wettbewerb für die Stadthalle<br />

auszuschreiben, hat man in überstürzter Weise und ohne der Öffentlichkeit<br />

Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, beschlossen, dem<br />

Städtischen Hochbauamt in Verbindung mit Professor Albinmüller-<br />

Darmstadt, den Auftrag zur Planbearbeitung und Durchführung<br />

des ersten Bauabschnittes des Stadt hallenbau es zu erteilen. Man<br />

begründet auf unseren sofortigen Einspruch diese Beauftragung<br />

mit dem Mangel an Zeit. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß dieser<br />

Grund nicht stichhaltig ist. Die Beauftragten brauchen zur Aufstellung<br />

eines Ausführungsprojektes Zeit, In derselben Zeit hätten<br />

eine Reihe deutscher Architekten, denen man die gleichen Unterlagen<br />

leicht hätte zugänglich machen können, ebenfalls ihre Vorschläge<br />

zu Papier bringen können. Alle unsere Versuche, durch Eingaben<br />

oder Presseerklärungen eine Revision des Beschlusses der städtischen<br />

Körperschaften herbeizuführen, blieben bisher erfolglos.<br />

Bund Deutsdier Architekten (B.D.A.)<br />

Ortsgruppe Magdeburg<br />

421


Abb. 1 / Gebäude des Internationalen Arbeitsamts in Genf / Architekt: George Epitaux<br />

Ansicht von Osten<br />

DAS GEBÄUDE DES INTERNATIONALEN ARBEITSAMTS IN GENF<br />

ARCHITEKT: GEORGE EPITAUX<br />

Wie in diesem Jahre der Völkerbund ein großes Preisausschreiben<br />

für seinen Palast in Genf ausgeschrieben hat, so war bereits im<br />

Jahre 1922 ein ähnlicher, wenn auch nur auf Schweizer Architekten<br />

beschränkter Wettbewerb für Entwürfe zum Gebäude des Internationalen<br />

Arbeitsamtes ausgeschrieben. Als Sieger aus diesem<br />

Schweizer Wettbewerb ging der Westschweizer George Epitaux<br />

hervor, nach dessen Plänen das Gebäude dann errichtet wurde.<br />

Das Baugrundstück wurde von der Schweizer Regierung zur<br />

Verfügung gestellt, und der Bau erhebt sich jetzt am Gestade<br />

des Genfer Sees in einer Ausdehnung von 86,3:33,8 m. Die Aufgabe<br />

bestand darin, Arbeitsräume für etwa 350 Personen zu schaffen,<br />

mit allem Zubehör und den erforderlichen Nebenräumen* Außerdem<br />

war in erster Linie Raum für eine Bücherei von etwa 165000 Bänden<br />

zu schaffen und die erforderlichen anschließenden Lagerräume auch<br />

* arr/;<br />

Abb. 2 / Gebäude des Internationalen Arbeitsamts in Genf / Architekt: George Epitaux<br />

Grundriß des Erdgeschosses / Ungefährer Maßstab 1:600 . „ . ,<br />

422


Abb. 3 / Gebäude des Internationalen Arbeitsamts in Genf / Architekt: George Epitaux<br />

. . ,.


Abb. 4 / Gebäude des Internationalen Arbeitsamts in Genf<br />

Architekt: George Epitaux<br />

Hofansicht yegen den Bibliotheksflügel<br />

für die zahlreichen Veröffentlichungen des Arbeitsamtes, die von<br />

hier aus vertrieben und versandt werden. Ferner war ein großer<br />

Sitzungssaal neben einer Artzahl kleinerer Besprechungsräume,<br />

öffentlichem Lesesaal u. dgl, vorzusehen. Bedingung war ferner<br />

eine Erweiterungsmöglichkeit des Gesamtbaues. An Baukosten<br />

waren 3 Millionen Schweizer Franken ausgeworfen, und es gelang<br />

dem Architekten, den Bau innerhalb von 2 1 /sJ a hren auszuführen,<br />

ohne diese Summe wesentlich zu überschreiten.<br />

Der Grundriß (Abb. 2 und 5) bildet ein einfaches Rechteck in<br />

der für Verwaltungsgebäude üblichen Art mit inneren Korridoren,<br />

die vom Hofe aus ihr Licht erhalten. Ein merkwürdiger Übelstand<br />

ist es, daß sämtliche Türen nach den Gängen hin aufschlagen,<br />

was zur Verkehrssicherheit innerhalb des Gebäudes wenig beitragen<br />

dürfte. Die Formgebung im Äußern ist im allgemeinen schlicht,<br />

der sparsam verwendete Schmuck nach uns vorliegenden Nachrichten<br />

nicht überall wertvoll. Verhältnismäßig unbefriedigend erscheint<br />

die Nordseite (Abb. 3), wo sich die Gesimse des Hauptbaues an<br />

dem hoher geführten Bibliotheksbau einfach totlaufen, was besonders<br />

bei dem Hauptgesims selbst peinlich wirkt. Auch der<br />

halb türm- halb laternenförmige Aufbau über dem Bibliotheksflügel<br />

steht kaum in überzeugender Beziehung zu den stark betonten<br />

wagerechten Teilen des Gebäudes selbst (Abb. 1).<br />

Im Innern ist das Gebäude dank der Schenkungen der verschiedenen<br />

dem Völkerbund angehörigen Staaten überreich ausgestattet.<br />

Die großen Fenster des Treppenhauses (Abb. 4) erhalten<br />

in diesen Tagen die von Deutschland gestifteten Glasgemälde nach<br />

Pechsteins Entwurf.<br />

Ausgeführt ist das Gebäude in seinen konstruktiven Teilen in<br />

Beton und Eisenbeton. Der Sockel besteht aus Granit, die Wandverkleidungen<br />

bestehen im Erdgeschoß aus Naturstein, in den oberen<br />

Geschossen aus Kunststein, eine Beschränkung, die mit Rücksicht<br />

auf die verhältnismäßig geringe zur Verfügung gestellte Bausumme<br />

notwendig wurde.<br />

Alles in allem bleibt zu hoffen, daß der neu ausgeschriebene<br />

Wettbewerb für das Haus des Völkerbundes selbst ein für die<br />

Baukunst des 20. Jahrhunderts bezeichnenderes und wertvolleres<br />

Ergebnis haben werde, als das tüchtige, aber keineswegs besonders<br />

hervorragende Werk, wie es der Bau des Internationalen Arbeitsamtes<br />

darstellt.<br />

Die Schriftleitung<br />

Ulli<br />

••'• C<br />

ü<br />

'i<br />

... 1L.<br />

Abb. 5 / Gebäude des Internationalen Arbeitsamts in Genf / Architekt: Georjje Epitaux<br />

Grundriß des obersten Geschosses / Ungefährer Maßstab 1:600<br />

424


4<br />

Abb. 6 / Gebäude dei Internationalen Arbeitsamt* in Genf / Architekt: George Epüaux<br />

Ansicht du Oitieitc<br />

Die Abbildungen sind von der Schriftleitung von .The Ardütects Journal" We&tminster freund!icherwebe zur Verfüg-ung gestellt worden<br />

425


Abb. 1 / Synagoge in Augsburg / Architekten; Fritz Landauer und Heinrich Lömpel, München<br />

Haupte ing-ang-shalle<br />

<strong>ARBEITEN</strong> <strong>VON</strong> FRITZ LANDAUER, MÜNCHEN<br />

Die Synagoge entbehrt noch mehr als der evangelische Kirchenbau<br />

einer längeren Entwicklung. Ist sie dadurch kaum von historischen<br />

Formen belastet, so sieht sie sich andererseits den jeweiligen Zeitströmungen<br />

preisgegeben. Daher schloß sie sich im 19. und selbst<br />

noch im 20. Jahrhundert den retrospektiven Bildungen an: an Pseudojüdisches,<br />

Maurisch-Byzantinisches oder Romanisches, während man<br />

keine Kopie der klassischen alten Synagogen in der Art der Prager<br />

Altneu-Schul wagte. Die jungen Münchener Architekten Fritz Landauer<br />

und Dr. Heinrich Lömpel wagten 1912 als erste einen neuen<br />

Typ, der modern und jüdisch zugleich ist. Der feinsinnige Literat<br />

Dr. Eliasberg beurteilte als Orthodoxer dieses Werk ungemein<br />

günstig: „Diese Architekten losten ihre Aufgabe so glänzend, daß<br />

ihr Werk fortan als das klassische Beispiel der neu-jüdischen Synagoge<br />

wird gelten müssen." — Unter vollständiger Anerkennung der<br />

traditionellen Forderungen, Ostung 1 , Absonderung der Frauen auf<br />

Galerien, Prunk im Innern bei wesentlicher Schlichtheit im Äußeren,<br />

Schulhof, erreichten sie eine durchaus neuzeitliche Gestaltung, die<br />

heute, nach 13 Jahren, unserem Geschmack ebenso entspricht» wenn<br />

sie Landauer jetzt auch noch einfacher halten würde.<br />

Darüber hinaus gibt es aber ein weiteres Problem, das vor allem<br />

Landauer fesselt; soll man aus der Forderung der Ostung statt der<br />

Zentralanlage des „Tempels" nicht eine Längsform wählen? Es ist<br />

für die künstlerische Begabung dieses Architekten wie für seine<br />

religiöse Versenkung bezeichnend, daß er auch hierfür eine Lösung<br />

versuchte — und mit ihr bei dergleichen Augsburger Konkurrenz<br />

unter 47 Bewerbern einen weiteren 1. Preis gewann. Er ging diesem<br />

Gedanken auch später erfolgreich nach; er errang einen 1. Preis<br />

für die Synagoge in Würzbürg und einen 3. Preis im internationalen<br />

Wettbewerb für eine Wiener Synagoge. Würden derartige Entscheidungen<br />

nicht von allen möglichen Nebeneinflüssen mitbestimmt,<br />

als da sind gewisse Leitgedanken der Juroren, ihre starke Interessiertheit<br />

für Arbeiten der eigenen Richtung, so hätte Landauer auch<br />

hier den ihm meines Erachtens nahen 1,Preis davongetragen. Die<br />

Augsburger Synagoge, aus gemeinsamer Arbeit mit Dr. Lömpel erstanden,<br />

ist eine Zentralanlage, für deren endgültige Annahme die<br />

städtebauliche Erwägung den Ausschlag gegeben hatte. Daß Landauer<br />

für seine geostete Anlage einen weiteren 1. Preis erhielt, beweist außer<br />

seiner Organisationskraft seinen starken städtebaulichen Instinkt.<br />

426


Abb. 2 / Synagoge in Augsburg / Architekten: Frilz Landauer und Heinrich LÖmpel, München / Vorhof mit Brunnen / Bildhauer W. S. Resch<br />

Es galt ein vielseitiges<br />

Programm auf einem<br />

Platz von bestimmter<br />

Umgebung 1 zu verwirklichen<br />

: Einfügung der<br />

Baugruppe in den Bauplatz<br />

unter Berücksichtigung<br />

seiner Eigenart,<br />

ihre Charakterisierung<br />

im Äußeren und Inneren<br />

und eine solche Lösung<br />

des Ganzen, daß die<br />

rituellen Forderungen<br />

restlos erfüllt wurden.<br />

Der Bauplatz ist von<br />

drei Seiten umbaut und<br />

grenzt mit seiner Hauptseite<br />

an die Straße, deren<br />

Front nur wenige Häuser<br />

besaß. Gegenüber liegt<br />

heute noch ein freier<br />

Platz, der entsprechend<br />

ausgestaltet werden<br />

müßte. Aber auch so ist<br />

die gegenwärtige Wirkung<br />

in sich geschlossen,<br />

ruhig und würdig; das<br />

Ganze wird trotz der<br />

Hi n t ergru n dslage der<br />

Synagoge von dieser beherrscht,<br />

weil übergipfelt<br />

und durch das dreifache<br />

Tor in seiner sakralen<br />

Bedeutung noch betont.<br />

In strenger Symmetrie<br />

fügen sich beiderseits<br />

einfach gehaltene Gemeindebauten<br />

von straffer<br />

Form, wie zwei Wächter,<br />

an. Die Synagoge<br />

ist ein kuppelbedeckter<br />

Bau in schlichtem süddeutschen<br />

Putz, von<br />

grauen, geschlossenen<br />

Flachen und streng- gehaltenem<br />

Kubus. Ober<br />

den vier Wänden ragt je<br />

ein Giebel, hinter ihnen<br />

Abb.3 / Synagoge in Augsburg<br />

Architekten: Fritz Landauer<br />

und Heinrich Lömpel, München<br />

Grundriß des Erdgeschosses<br />

Mafistab etwa 1 :600<br />

427


erhebt sich ausdrucksvoll<br />

nach Osten, wo<br />

die<br />

sich auf erhöhter<br />

edel geformte<br />

Estrade das Allerheiligste<br />

Kuppel mit ihrem<br />

kronenartigen<br />

und der<br />

Platz für die rituellen<br />

Aufsatz. Durch<br />

Handlungen<br />

den freien Raum<br />

zwischen den Verwaltungsbauten<br />

erhebt. ImHintergrund<br />

der Torahraum<br />

und darüber<br />

ergab sich eine in<br />

die Orgel, als<br />

stimmungsvoller<br />

letzte Steigerung<br />

Dämmerung gehaltene<br />

und künstleri-<br />

Vorhalle,<br />

scher Höhepunkt,<br />

von der aus man in<br />

dessen reiche<br />

den lichterfiillten<br />

Durchbildung sich<br />

Hof (den alten<br />

aus der geistigen<br />

„Schulhof") tritt;<br />

von hier aus steigt<br />

der Bau energisch<br />

Bedeutung dieser<br />

Stelle ergibt —<br />

aber durchaus zurückhaltend,<br />

in seiner wuchtigen<br />

im<br />

Masse empor.<br />

Rechts und links<br />

Ganzen sich einordnend<br />

und doch<br />

öffnen sich säulengetragene<br />

es bekrönend.<br />

Vo r-<br />

Man kann von<br />

hallen, die auf<br />

alldem aus den<br />

der einen Seite<br />

Abbildungen<br />

zur Werktagssynagoge<br />

und dem<br />

Bild gewinnen,<br />

kein genügendes<br />

ernst feierlichen<br />

weil sie die Details<br />

überbetonen<br />

Trausaal, auf der<br />

anderen Seite zu<br />

und dieser Raum<br />

einer großen<br />

Halle führen, die<br />

zur Männergarderobe<br />

auch in Ausschnitten<br />

kaum so einzufangen<br />

ist, daß<br />

und zum<br />

man seine Gei-<br />

Tempelinneren<br />

stigkeit erahnt.<br />

geleitet. Im Hintergrund<br />

Sehr wirksam sind<br />

steigt<br />

die freischweben-<br />

die Treppe zu den<br />

Frauengalerien<br />

und deren Garderobe<br />

hinauf. Im<br />

Norden u. Osten<br />

schließen sich<br />

den Metallkugeln<br />

mit den dekorativ<br />

Wechsel reichen<br />

Glühkörpern,<br />

noch überstrahlt<br />

von einem feinen<br />

Nebenräume und Abb.4 / Synagoge in Augsburg / Architekten: Fritz Landauer und Heinrich Lompel, München /<br />

Gespinst sternenhaft<br />

leuchtender<br />

eineZuf ahrt sowie<br />

Notausgänge an. Das Innere ist von starker Stimmungskraft, im kleinerer Körper in dem oberen Raum der Kuppel — eine magische<br />

Sinne religiöser Weihe, Würde und Wärme, voll eindringlicher<br />

Helle erzeugend. Das Licht ist ja im jüdischen Kult<br />

Aufforderung zu Sammlung und Versenkung.<br />

Der besondereWert und Reiz des Baues besteht neben seiner sachlich<br />

eigenartigen und modern gerichteten Form in dem deutschen<br />

Einschlag, der sich vor allem in der durchaus diskreten, fein abgestimmten<br />

Farben- und Lichtwirkung ausprägt, in der taktvollen<br />

Art, wie der Prunk gemeistert wurde. Dieser ist allenthalben<br />

spürbar, in der Kostbarkeit des Materials wie im Aufwand des<br />

sehr beliebt und bedeutungsvoll. Es beherrscht auch als Tageslicht<br />

den Raum und leiht ihm vor allem die angedeutete Stimmung.<br />

Trotz aller Abblendung durch geschickte Auflösung der großen<br />

Fensterflächen herrscht doch soviel Helle, daß man im Gebetbuch<br />

bequem lesen kann. Außer den genannten Vorzügen, die sich in<br />

der strengen, einheitlichen Form-, Färb« und Lichtbehandlungoffenbaren,<br />

verdient die dekorative Lösung noch eine ganz besondere<br />

Plastischen, aber gleichsam verhüllt durch die obengenannten<br />

Beachtung und Anerkennung. Umsomehr, da in den<br />

Mittel und die Bändigung der Gesamtform. Der Raum wirkt vor<br />

allem durch seine Konzentrtertheit, durch die harmonische, kubische<br />

Gliederung, die klaren Flächen und die edel ruhige Dynamik.<br />

In schwerem Grau glänzen matt die vier mächtigen Eckpfeiler, über<br />

denen sich die tiefgrünenTonnen wölben, von einem feinen Netzwerk<br />

des Goldmosaik überzogen. Darüber schwebt frei und weit die<br />

Wölbung.An den beiden Seiten steigen die Sitzreihen der Galerien<br />

auf, im Westen zu großartiger Wirkung anwachsend. Darunter ist<br />

die Frauengarderobe eingebaut. Von allen Seiten geht der Blick<br />

Jahren der Entstehung des Baues auch in der modernen Baukunst<br />

sich eine starke Hinneigung zum Reichen bemerkbar machte,<br />

umsomehr als selbst gereiften Künstlern der Gegenwart das<br />

Schmuckmäßige nicht immer restlos glückt. Es will mir scheinen,<br />

daß dies hier fast ausnahmslos der Fall ist. Das gilt von den<br />

Beleuchtungskörpern,Stammschildern, der Ausstattung derOstpartie<br />

wie den Symbolen am Eingang, dem prächtigen Brunnen, den<br />

Säulen und Kapitalen und insbesondere der äußerst wirksam<br />

benutzten hebräischen Schrift.<br />

428


Abb. 5 / Synagoge in Augsburg / Architekten: Fritz Landauer und Heinrich Lompel, München / Blick in den Vorhof<br />

Man spürt allenthalben den gewählten Sinn taktvoller Architekten<br />

und außerdem Landauers Begabung für das Plastische. Diese<br />

hat er auch erwiesen in zahlreichen, vielformigen, kräftigen Juden-<br />

Grabsteinen, deren Gipfel das Kriegerdenkmal auf dem neuen<br />

israelitischen Münchener Friedhof bildet. Der trostlose Kiesplatz<br />

vor der Trauerhalle ist durch diese Anlage zu einer würdigen<br />

Umgebung geworden, in sich selbst eine Art Hain voll ehrwürdiger,<br />

bannender Wirkung, ein edler Ausdruck wuchtigen Gedenkens —<br />

ein wahrhaftes Mal, ebenbürtig- der großen Idee, für die die<br />

Gefallenen in den Tod gegangen. Und das alles wurde erreicht<br />

mit den einfachsten Mitteln der Raumgestaltung;, Formgebung-,<br />

Materialwirkung und gärtnerischen Anlage — gehalten und erfüllt<br />

von edlen Proportionen, die auch die Synagogenanlage auszeichnen.<br />

So spürt man im Großen und Kleinen Landauers Vorliebe und<br />

Begabung für sakrale Aufgaben, die er im heutigen Sinn maßvoll,<br />

bedächtig und ausdrucksvoll zu lösen weiß, Joseph Popp, München<br />

429<br />

W. M. B. X 10


Abb. 6 / Synagog-e in Augsburg / Architekten: Fritz Landauer und Heinrich LömpeJ, München<br />

Orgelempore<br />

Abb. 7 / Synagoge in Augsburg /Architekten: Fritz Landauerund H. Lampe], München<br />

Gemeinsame Vorhalle für Männer und Fraueq<br />

Abb. 8 / Synagoge in Augsburg- / Architekten: Fritz Landauerund H.Lömpe], München<br />

Allerheiligstes und Orgelempore<br />

430


Abb. 9 und 10 / Kriegermal im israelitischen Friedhof zu München<br />

Architekt: Fritz Landauer, München . ,<br />

431


Abb. 1 und 2 / Aus einem Landhausg-arten in Aachen / Gartenarchitekt: Theodor Ott, Aachen<br />

Blick vom Badeg-arten zum Wohnhaus (oben) und Lageplan im Maßstab 1:1200 (unten)<br />

BILDER AUS <strong>NEUERE</strong>N GÄRTEN <strong>VON</strong> THEODOR OTT, AACHEN UND DÜSSELDORF<br />

432


Abb. 3 und 4 / Einjahresblumengarten / Gartenarchitekt: Theodor Ott, Aachen / Blick vom Hause auf den Garten (oben) und Lageplan im Maßstab 1: 600 (unten)<br />

LE CORBUSIER<br />

Le Corbusier hat uns nach Empfang des Heftes Nr. 9 von<br />

„Wasmuths Monatsheften für Baukunst" mit dem Aufsatze<br />

Rasmussens über Le Corbusier-Jeanneret folgendes geschrieben:<br />

„Zu Seite 392: a) Das flache Dach ist billiger als ein ge-<br />

TR-<br />

PESSAC<br />

wohnliches; das in Abbildung 27 bis 29 dargestellte Haus kostet<br />

36000 Francs, das in Abbildung- 18 bis 22:46000 Francs, in<br />

Abbildung 17:42000 Francs. Dachgarten umsonst.<br />

b) Die Mauern sind nicht aus Beton sondern aus Schlackensteinen<br />

errichtet, die vollkommen isolieren; die gleiche Mauer ist<br />

in Auteuil, in Boulogne usw. verwendet.<br />

c) Es sind keine Arbeiterhäuser; sie stehen jedem Kauflustigen<br />

zur Verfügung." , :<br />

UMBAUTEN ; •<br />

ZU DEN VIER BILDERN AUF SEITE 434<br />

In der Nachkriegszeit sind Umbauten und Aufstockungen zu<br />

einer häufigen und dringenden Aufgabe geworden, die in Entwurf<br />

und Ausführung besondere Feinfühligkeit des Architekten voraussetzt.<br />

So hat Willy Krüger, Düsseldorf, die Aufgabe, aus dem in<br />

groteskem Jugendstil errichteten Geschäftshause (Abb. 1) ein<br />

neuzeitlich sachliches Gebäude zu schaffen, im Rahmen der gegebenen<br />

Möglichkeiten geschickt gelöst. Bemerkenswert scheint<br />

vor allem die Ecklösung, wobei im ersten Obergeschoß anstelle<br />

der verschnörkelten Erkerkonsolen Ruhe und Klarheit getreten ist.<br />

Anders verhält es sich mit dem Umbau der Genossenschaftsbank<br />

in Hirschberg in Schlesien, wobei sich das schlichte Wohnhaus<br />

aus der Zeit um 1800 eine „Modernisierung" unerfreulichster<br />

Art hat gefallen lassen müssen (Abb. 3 und 4). Besonders bemerkenswert<br />

ist es, wie ruhig die Fassade vor dem Umbau wirkte<br />

BILDER AUS <strong>NEUERE</strong>N GÄRTEN <strong>VON</strong> THEODOR OTT, AACHEN UND DÜSSELDORF<br />

433


und wie wenig störend die unbetonte linke Fensterachse über der<br />

Durchfahrt in die Symmetrie des ganzen schlichten Gebäudes eingriff.<br />

Durch die bei dem Umbau für nötig gefundene Betonung<br />

dieser Fensterachse ist der Zusammenhang des ganzen Gebäudes<br />

empfindlich gestört worden. Auch die neuen Dachaufbauten wirken<br />

in ihrer „putzigen" Behandlung ebenso fremd wie die Betonung<br />

des Sockelgeschosses. Die Ornamente über und zwischen den<br />

Fenstern stellen vollends eine VerlegenheitslÖsung dar, die dem<br />

schlichten alten Bau künstlerisch den Rest gegeben hat. L. A.<br />

Abb.l u.2/ Umbau des „lbach-Hauses" in Düsseldorf (links vor,rechts nach dem Umbau)<br />

Architekt: Willy Krüger, Düsseldorf<br />

Abb. 3 und 4 / Umbau der Genossenschaftsbank für Schlesien in Hirschberg i. Schi, (links vor, rechts nach dem Umbau) / Vgl. Text «uf S. 433<br />

(Wiedergabe nach: Ostdeutsche Bauzeitung)<br />

434


BERLINER OPERNHAUS UND DIE BÜROKRATIE<br />

Im Zusammenhang; mit unserer Veröffentlichung- zur Berliner<br />

Opernhausfrage in Heft 8, S.354 können wir heute dem dort<br />

angeführten Beispiel über die Schalldämpfung bei der Berliner<br />

Hoch- und Untergrundbahngesellschaft in der Steglitzer Straße<br />

ein Hamburger Beispiel anfügen.<br />

Architekt B. D. A, Hermann HÖger hat bei der Errichtung des<br />

neuen Gesundheitsamtes am Besenbinderhof in Hamburg die Aufgabe<br />

der Schalldämpfung' der durch das Grundstück geführten<br />

Untergrundbahn technisch einwandfrei gelöst. Zu beachten ist,<br />

daß es sich hierbei um ganze Züge der Untergrundbahn handelt<br />

und nicht lediglich einzelne Straßenbahnwagen, wie bei dem<br />

Opernhaus. Es ist hiermit der bündige Beweis erbracht für die<br />

Löäungsmöglichkeit dieser Aufgabe und überdies für die Leicht*<br />

fertigkeit, mit der der Kritiker der Zeitschrift „Deutsches Bauwesen"<br />

sich zu dieser Frage geäußert hat. Übrigens ist die Isolierung in<br />

Hamburg von der Berliner Firma Zorn ausgeführt worden.<br />

Zur gleichen Frage entnehmen wir einem Aufsatz Paul Orizuin Raves in<br />

Nr, 396 des „Berliner Börsen-Courier" vom 26. August 1926, folgendes;<br />

ZUM SCHICKSAL DER STAATSOPER<br />

In einem Aufsatz von Georg Stein, „Ein Kunstschutzpark für<br />

Berlin", in Nr. 372 des „Berliner-Börsen-Couriers" vom 12. August<br />

wird die eindringliche Mahnung begründet, daß man in letzter<br />

Stunde noch einhalten soll mit der sinnlosen Verschandelung des<br />

schönsten Platzes der Reichshauptstadt» den die denkwürdigen und<br />

künstlerisch hoch bedeutsamen Bauten in der Gegend der Staatsoper<br />

bilden. Es gilt, dies räumlich auf engem Ort gruppierte Kunstgut<br />

zu erhalten, das eigentlich das Herz des alten Berlin ist, und<br />

das zu sehen eine Reise von weither lohnt. Es soll als „Berliner<br />

Künstschutzpark" erklärt werden, als ein Gebiet, an dem sich niemand<br />

mehr, weder Staat noch Stadt, in aller Zukunft vergreifen darf.<br />

Die Ausführungen stützen sich auf durchaus richtige Erwägungen<br />

bauästhetischer und verkehrstechnischer Art. Dabei wird<br />

eines Planes Erwähnung getan, der von der Hand Friedrichs des<br />

Großen selbst stammt und seltsamerweise erst vor wenigen Wochen<br />

entdeckt wurde.<br />

Freilich ist das, was uns heute am östlichen Abschluß der Straße<br />

Unter den Linden erhalten blieb, ein Kompromiß. Zeigt dieser<br />

Entwurf des Königs doch, wie großzügig sein Plan in den Tagen<br />

der Thronbesteigung war. Aber gleichwohl sollte das, was schließlich<br />

zustande kam, geheiligt sein. Nicht nur, daß jeder Anbau am<br />

Opernhaus selbst verpönt sein sollte, auch das gußeiserne Regendach<br />

an der Hauptfront müßte beseitigt werden.<br />

Eben jetzt ist die Zeit, wo durch den Abbruch der später hinzugefügten<br />

seitlichen Anbauten das Gebäude, abgesehen von dem<br />

unförmlichen Schnürbodenkasten auf dem Dach, in der ganzen<br />

edlen Wohlgestalt der ersten Anlage sichtbar ist. Es ist unverständlich,<br />

daß das alles viel schlimmer werden soll, als es vor<br />

dem begonnenen Umbau war. Ein Umbau, der keineswegs ein<br />

Provisorium sein soll und gewaltige Summen verschlingt. Denn es<br />

hat sich noch inzwischen ergeben, daß der anfängliche Kostenanschlag<br />

bei weitem nicht ausreicht. Nach sachkundiger Beurteilung<br />

wird der Umbau in Wirklichkeit das Doppelte der veranschlagten<br />

Summe kosten, von der ein Bruchteil genügen würde, um ein<br />

ganz neues Opernhaus hinzustellen. Bei der Schwierigkeit nämlich,<br />

die neuen Fundamente zu legen, erweist sich die Riesenbelastung<br />

des Schnürbodens als hinderlich. Nähme man ihn weg, wäre die<br />

Sache einfacher. Aber ihn wegzunehmen, dazu haben die mit der<br />

Ausführung des Baues betrauten Architekten keinen Mut» nicht<br />

etwa aus technischen Bedenken, sondern weil sie fürchten, ihr<br />

ganzer Plan fiele ins Wasser, wenn sich der Bau erst mal vor den<br />

Augen der erstaunten Berliner im Ebenmaß seiner Urgestalt wieder<br />

darstellen sollte. Aber man wage den Rückzug. Noch ist es Zeit!<br />

Statt das Geld für die barbarische Zerstörung höchster Kulturwerke<br />

des Staates auszugeben, könnte es, und wieviel weniger,<br />

für Sinnvolleres verwandt werden. Man sollte, wie es geplant ist,<br />

damit beginnen, den früheren Zustand des „Friedrich-Forum"<br />

möglichst wieder in den Zustand zu versetzen, wie er zu Lebzeiten<br />

des Königs bestand.<br />

Es befand sich hier zwischen Opernhaus und „Kommode" ein<br />

kleiner gepflasterter Platz, den erst ein Jahrhundert, dem gänzlich<br />

der Sinn für Platzräume abhanden gekommen ist, mit Grünanlagen,<br />

Vergitterungen nnd Denkmälern grausam verstellte. Dieser<br />

Seitenplatz muß wiederhergestellt werden, und auch auf dem<br />

gegenüberliegenden Ehrenhof der heutigen Universität erweist<br />

sich ein Eingriff als notwendig: nichts ist hier sinnloser, als das<br />

Helmholtz-Standbild genau vor sich in der Achse des Haupteinganges<br />

zu haben, worauf Wölfflin vor Jahren schon hinwies.<br />

ZUSCHRIFT AN DIE HERAUSGEBER<br />

Zu dem Aufsatz von Rasmussen über Le Corbusier-Jeanneret in Heft 9 von<br />

„Wasmuths Monatsheften für Baukunst" erhallen wir folgende -wertvolle Zuschrift<br />

eines fortschrittlich gesonnenen Architekten:<br />

„Als ich den sensationellen Aufsatz von Rasmussen über Le<br />

Corbusier las, wurde es mir klar, daß hier einmal — oder vielleicht<br />

sogar das erste Mal — ein Architekt die letzten Folgerungen<br />

zog, um schonungslos sogenannt „Kommendes" zu<br />

kritisieren. Besonders wichtig erscheint mir dies, da Rasmussen<br />

die Vorteile der jungen Baukunst in jeder Beziehung erkennt und<br />

anerkennt, wenn er auch selbst aus jenem Lager kommt, das man<br />

gern als klassizistisches Dänemark' zu bezeichnen pflegt. Ich<br />

stehe auf dem Standpunkt, daß Rasmussen weniger Wert auf die<br />

Bedeutung Corbusiers und seine Einschätzung durch tout le monde<br />

legte als auf die in ihm mit verkörperte junge Architekten Schaft.<br />

Zunächst einmal ist die Tatsache erwiesen: Maler-Architekt; vielleicht<br />

auf technisch und praktisch gesicherterer Grundlage wie van<br />

Doesburg. Als Anreger ungeheuer wichtig, baukünstlerisch vielleicht<br />

erschreckend genial, in der Durchführung überraschend<br />

sicher, bei sachlichster Prüfung volkswirtschaftlich unüberlegt. Mit<br />

anderen Worten: ein neuer Typus wertvoller Architekten für anregende<br />

Versuchsbauten (bedeutsames Ergebnis von Rasmussens<br />

Aufsatz), aber gefährlich als Leitstern einer Architekten Schaft, die<br />

vom Volkswirtschaftlichen kommt, ingenieurhaft denkt, ohne verkitschte<br />

Maschinenromantik bauen will.<br />

Ich stelle zwei stark ausgeprägte Persönlichkeiten gegenüber:<br />

J, J. P. Oud und Le Corbusier! In Form bloßer Betrachtungen ist<br />

zu ihren Bauten genügend gesagt worden, Kritisches nur von<br />

Rasmussen über Corbusier. Meine Zuschrift behandelt die Feststellung,<br />

wie weit man Rasmussens Worte ,Le Corbusier, die<br />

kommende Baukunst?' untersuchen und bejahen soll.<br />

Solche Fragen erfordern, Bekenntnisse und Geständnisse, da sie<br />

stets subjektiv behandelt werden. Ich bekenne gern, daß ich in<br />

das Hnkeste Lager der Baurevolutionäre gehöre, da mich das<br />

volkswirtschaftliche Problem zwang, das Künstlerische hinter dem<br />

Organischen nicht nur in bautechnischer, sondern auch zwangsweise<br />

literarischer Tätigkeit zu verstecken, Folge hiervon: Mangel<br />

an Sentimentalität, Verständnislosigkeit für jegliche Ingenieurromantik,<br />

Interesse an modernen Arbeitsmethoden und den sich<br />

daraus entwickelnden Techniken, kritische Kühle gegenüber der<br />

Wichtigkeit von Städte- oder Straßenplanungen mit Gestaltungsmöglichkeiten<br />

im Gegensatz zum Hang, organische Wachstumprozesse<br />

zu untersuchen, technische Fortschritte, besonders hinsichtlich<br />

der Verkehrsfragen und Mechanisierungsprobleme, zu<br />

prüfen und viel Analytisches über Einwirkungen individueller oder<br />

universeller Behandlungsarten des Menschen in erzieherischer,<br />

künstlerischer und bautechnischer Hinsicht zu lesen. Paradoxes<br />

Ergebnis: ein theoretischer Praktiker. (Man verzeihe diese Ausführlichkeit,<br />

die zur Klärung der Kategorien wichtig ist).<br />

435


Es sei erlaubt» vier Einteilungen unter den neuzeitlichen Architekten<br />

vorzunehmen:<br />

a) positiv; aktive*) Architekten (bauen selten, kämpfen wichtigste<br />

Probleme aus, Veilchen im Verborgenen),<br />

b) positiv; passive 2 ) Architekten (bauen viel, kritiklos für sich<br />

selbst, schärfstes polemisches Auge auf die Kollegen, geräuschvolle<br />

Stänkerer),<br />

c) negativ; aktive 1 ) Architekten (bauen — zeitbesessen — sehr<br />

viel, lesen über Probleme, sitzen auf dem Paradetellerchen der<br />

Massen, gelten als die großen Künstler im Augenblick und<br />

werden fünf Jahre später von den gleichen Leuten der Sensation<br />

und des modischen Bluffs bezichtigt),<br />

d) negativ; passive 2 ) Architekten (,Durchschnittsware*), problemlos,<br />

eitel, voreingenommen, gut beschäftigt, der Typus für<br />

Jedermann!'<br />

Man gestatte mir festzustellen, daß ich aus diesen Anschauungen<br />

Le Corbusier als einen medial-aktiven Menschen zwischen<br />

Gruppe a und c (der Deutsche teilt gern sein Wissen in Verstandeskästchen<br />

ein!) bezeichnen muß. Ich mochte im Anschluß<br />

an Rasmussen die Frage aufwerfen, ohne Le Corbusier nahe<br />

zu treten, ob wir überhaupt von einer kommenden Architektur<br />

sprechen können, solange wir nicht einmal wissen, wieviel (Minimalmaß)<br />

cbm Raum der Normalmensch aller Längs- und Breitengerade<br />

braucht, ob das Problem »Städteplanung* vom Klimatischen,<br />

Verkehrstechnischen, Industriellen oder Politischen beherrscht und<br />

entsprechend bearbeitet werden soll, welche Maßstäbe universelltypisierter<br />

Gestaltung wir für romantisch-individuelle Bauherren<br />

benutzen sollen usw.<br />

Solange man unsere Architektenschaft in diese vier Typen<br />

gliedern kann, ohne daß eine prozentual stärkere Verschmelzung<br />

der aktiven Architekten zu verzeichnen wäre, wird man nicht von<br />

neuem Bauen, von neuer Architektur, wohl aber immer von einer<br />

neuen Architekten Schaft sprechen können. Und darin möchte ich<br />

meine einzige Kritik üben; der Titel von Rasmussens Aufsatz<br />

enthält ein Paradox: entweder man gibt die Selbstüberschätzung<br />

von Le Corbusier zu und wiederholt seinen Buchtitel, wodurch<br />

man ihn herabsetzt oder man fördert seine beachtliche Stellung<br />

zur modernen Architektur als Anreger, indem man ihn von dem<br />

Begriff einer ,neuen Baukunst mit Fragfez eichen' als wesentlichen<br />

Mitschöpfer und tätigen Baukünstler trennt."<br />

Günter Hirschel-Protsch, Breslau<br />

BÜCHERSCHAU<br />

VALDENAIRE, ARTHUR; FRIEDRICH WEINBRENNER. SEIN<br />

LEBEN UND SEINE BAUTEN. II, Auflage. C. F. Müller, Karlsruhe<br />

1926, geb. Mk.18.—, geh Mk. 16.—<br />

VALDENAIRE, ARTHUR: FRIEDRICH WEINBRENNER. BRIEFE<br />

UND AUFSÄTZE. 113 Seiten mit Abbildungen und 13 Tafeln.<br />

G. Braun, Karlsruhe 1926, geb Mk, 7.—<br />

Zu gleicher Zeit, auf den 100. Todestag Weinbrenners, hat<br />

A. Valdenaire die zweite Auflage seines bekannten Buches über<br />

Weinbrenner und eine Sammlung der Briefe und Aufsätze Weinbrenners<br />

erscheinen lassen. Das Verdienst des erstgenannten<br />

Werkes ist bekannt. Es war und ist die erste Darstellung des<br />

Lebenswerkes des großen Architekten, das die ganze Fülle seiner<br />

Leistung vor uns ausbreitet. Was diesem Buch als Gründlage<br />

der Darstellung vielfach gedient hat, die Briefe, Denkschriften,<br />

Aufsätze und theoretischen Werke Weinbrenners, wird in der an<br />

zweiter Stelle genannten Sammlung im Original vorgelegt. Wie<br />

aus Weinbrenners Bauten spricht auch aus seinen Briefen und<br />

Schriften der prachtvoll einfache Mensch, der unangekränkelt von<br />

') aktiv, d. h. produktiv in technischer und fortschrittlich-menschlicher Hinsicht,<br />

2 ) passiv, d. h. unproduktiv und abwartend kühl.<br />

des Gedankens Blässe fest auf der eingeborenen Richtung seiner<br />

Natur beharrt. Mit ganz ursprünglicher Einfachheit werden die<br />

Dinge geschaut und die Gedanken in der gleich inhaltträchtigen<br />

Knappheit ausgesprochen, womit Weinbrenner an seinen Bauten<br />

das Architektonisch-Wesentliche mit beispiellos geringem Aufwand<br />

architektonischer Mittel zu gestalten wußte. Es ist eine Wohltat,<br />

in diesen Schriften anschauliche Gedanken einfach und klar ausgedrückt<br />

zu finden, wo wir heute vielfach vor lauter Begriffsspalterei<br />

und der Sucht, eine Sache durch die andere zu erklären, oft in<br />

der Lage sind, vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr zu sehen.<br />

Hier ist wirklich, wie Goethe von Weinbrenners Bauschule sagte,<br />

der Ort, „das Echte zu finden".<br />

Wenn an dem erstgenannten Buch Valdenaires noch etwas<br />

zu wünschen bliebe, so wäre es das» daß der Verfasser bei<br />

einer künftigen Gelegenheit die Möglichkeit fände, unter Zurückdrängung<br />

mancher minder bedeutenden Einzelheiten das Wesentliche<br />

der architektonischen Gestaltungsweise Weinbrenners mit<br />

Hilfe größerer Abbildungen noch eindringlicher sprechen zu<br />

lassen. Auch die Bedeutung Weinbrenners für die Entwicklung<br />

moderner Konstruktion, besonders der Holzkonstruktion, könnte<br />

eindringender dargestellt werden und damit gerade in unserer<br />

Zeit zeigen, wie nötig ein wirkliches Verständnis des Konstruktiven<br />

ist und welche Möglichkeiten sich dem Architekten erschließen,<br />

der auf der Grundlage gesicherter künstlerischer Anschauung<br />

denkend an seine Aufgaben herantritt. Rosiger<br />

BEHNE, ADOLF: <strong>VON</strong> KUNST ZUR GESTALTUNG. EIN-<br />

FÜHRUNG IN DIE MODERNE MALEREI. Arbeiterjugend-Verlag,<br />

Berlin 1925, 86 Seiten, 24 Tafeln. Gebunden in Leinen Mk. 3.75<br />

Kartoniert Mk. 2.75<br />

Ahnungsvoll versucht Adolf Behne in einem „Erste Hilfe für<br />

Kritiker" den Einwanden zu begegnen, die seinem — übrigens<br />

gut ausgestatteten — Büchlein sich entgegenstellen würden. Es<br />

dürfte ihm kaum gelungen sein, dadurch die unerträgliche Parallel<br />

isierung von alter und moderner Kunst mit Klassenstaat und<br />

kommunistischer Gesellschaftsordnung begreiflich gemacht zu haben.<br />

Dr. Behne unterschätzt auch wohl die Intelligenz der proletarischen<br />

Jugend, wenn er sie in künstlerische Gesetzmäßigkeiten nicht<br />

anders als durch sozialpolitische Vergleiche einführen zu können<br />

glaubt* Malen ist nur „Arbeiten mit Farben"; Formprobleme<br />

scheinen in der Kunst nicht zu bestehen. Mit allen Mitteln der<br />

Technik und den Methoden der Serienherstellung muß daran gearbeitet<br />

werden, daß jedermann „sein Bild im Topf" (R. Breuer)<br />

bekommt. — Manches Wertvolle der Darstellung läßt aber vermuten,<br />

daß der Verfasser den Weg von der Ideologie des „Suprematismus"<br />

zur „Neuen Sachlichkeit" finden wird. E. C. K.<br />

JUNGE BAUKUNST IN DEUTSCHLAND. HERAUSGEBER<br />

H. DE FRIES. Verlag Otto Stollberg, Berlin. 127 Seiten. Format<br />

23>/ 2 X29. Preis, in Halbleinen gebunden 8.- Mk,<br />

Daß eine neue Baukultur im Werden sei, wird von den literarischen<br />

Bannerträgern des architektonischen Modernismus mit Eifer<br />

und Nachdruck verkündet. H. de Fries gibt auf etwa 120 Bilderseiten<br />

eine Auswahl der Arbeiten von 26 modernen Architekten.<br />

Der Wert des Buches liegt in diesen Bildern, nicht in dem etwas<br />

schwärmerisch verworrenen Text der Einführung.— Das Gemeinsame<br />

der jungen Baukunst ist etwas Negatives: Die Ablehnung<br />

der Gestaltungsmittel der Vergangenheit, der sogenannten Stilmaskerade,<br />

die Abkehr von der traditionellen Formgebung; womit<br />

aber nicht gesagt ist, daß diese Vergangenheit stets völlig überwunden<br />

worden ist. Denn, wo nur eine Änderung der Formen<br />

vorgenommen wird, wo statt etwa Palladios als Vorbild der<br />

„unamerikanische" Frank Lloyd Wright gewählt wird, ist nur der<br />

Teufel mit Beelzebub ausgetrieben. Gemeinsam ist den Modernen<br />

die Vorliebe für das flache Dach, das alle Exzesse der kubischen<br />

Massengestaltung möglich macht.<br />

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