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Eine Fallstudie am Beispiel des Vietnamesischen

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KLASSIFIKATOREN<br />

<strong>Eine</strong> <strong>Fallstudie</strong> <strong>am</strong> <strong>Beispiel</strong> <strong>des</strong><br />

Vietn<strong>am</strong>esischen<br />

Habilitationsschrift<br />

vorgelegt von<br />

Elisabeth Löbel<br />

Köln<br />

1996


1<br />

GLIEDERUNG<br />

1. Einleitung<br />

2.<br />

Die Nominalphrase im Vietn<strong>am</strong>esischen<br />

2. 1. Das Nomen<br />

2. 2. Die Nominalphrase<br />

2. 3. Das Nominalkompositum<br />

2. 3. 1. Idiomatische Komposita<br />

2. 3. 2. Syntaktische Komposita<br />

2. 3. 2. 1. Spezialisierende Komposita<br />

2. 3. 2. 2. Generalisierende Komposita<br />

2. 3. 3. Nichtsyntaktische Komposita<br />

2. 3. 3. 1. Verstärkende Komposita<br />

2. 3. 3. 2. Attributive Komposita<br />

2. 3. 4. Nominalisierungen<br />

2. 3. 5. Klassifikatoren und Komposition<br />

12<br />

22<br />

32<br />

42<br />

47<br />

50<br />

50<br />

54<br />

59<br />

59<br />

60<br />

64<br />

69<br />

3. Klassifikatoren<br />

3. 1. Die Klassifikatoren in den Gr<strong>am</strong>matiken <strong>des</strong> Vietn<strong>am</strong>esischen<br />

3. 1. 1. Status der Klassifikatoren als Head oder Modifier<br />

3. 2. Das Belegmaterial<br />

74<br />

74<br />

86<br />

91<br />

4. Quantifizierende Konstruktionen 95<br />

4. 1. Einleitung 95<br />

4. 2. Maßkonstruktionen 100<br />

4. 3. Kollektivkonstruktionen 104<br />

4. 4. Numerativ- und Klassifikatorkonstruktionen 105<br />

4. 5. Zus<strong>am</strong>menfassung 107


11<br />

5. Individualnomina und Massennomina<br />

5. 1. Ontologische Kriterien<br />

5. 2. Form- und Substanznomina<br />

5. 3. Die Teil-von-Relation<br />

5. 4. Begriffshierarchie<br />

5. 5. Taxonymie und Meronymie<br />

111<br />

111<br />

114<br />

118<br />

135<br />

148<br />

6. Unterspezifizierung<br />

6. 1. Klassifikatoren und Numerus<br />

6. 2. Unterspezifizierte und vollspezifizierte Nomina<br />

153<br />

155<br />

160<br />

7. Inhärente vs. temporäre Klassifikation<br />

7. 1.<br />

Klassifikatoren und Genus<br />

166<br />

183<br />

8. Determination 189<br />

8. 1. Funktionale Begriffe und Gattungsbegriffe 192<br />

8. 2. Funktionale und sortale Konzepte 200<br />

8. 3. Restriktivität und Kontrast 210<br />

8. 4. Textdeixis 221<br />

9. Zus<strong>am</strong>menfassung<br />

231<br />

Bibliographie<br />

238<br />

Anhang A<br />

Liste der in Emeneau (1951) und Karow (1972) enthaltenen<br />

Klassifikatoren bzw, Numerative<br />

Anhang B<br />

Liste nichtklassifizierter Nomina aus Emeneau (1951)<br />

Anhang C<br />

Nomina mit unterschiedlichen Numerativen (Karow 1972)<br />

244<br />

253<br />

254


Anhang 1<br />

Gon que va cay kht{ -<br />

111<br />

Der Rabe und der Kar<strong>am</strong>bolabaum<br />

261<br />

Anhang II<br />

Qua dus hall -<br />

Die Wassermelone<br />

268<br />

AnhangIII<br />

Thieu phu N<strong>am</strong> X/fcmg<br />

- Die Frau von N<strong>am</strong> Xirong<br />

273<br />

Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen<br />

1. 1. Terminologische Abgrenzung von Klassifikatoren 4<br />

1. 2. Semantische Merkmale nominaler Klassifikation (Allan 1977) 5<br />

1. 3. Positionsvarianten von Klassifikatoren in der NP 11<br />

2. 1. Struktur der vietn<strong>am</strong>esischen NP 35<br />

2. 2. Reihenfolge der postnominalen Attribute 39<br />

2. 3. Einteilung der vietn<strong>am</strong>esischen Komposita nach Thompson (1987) 46<br />

2. 4. Liste der Nominalisierungselemente 67<br />

4. 1. Vergleich quantifizierender Konstruktionen 108<br />

5. 1. Das Verhältnis von Form- und Substanznomina im Englischen 118<br />

und Vietn<strong>am</strong>esischen (Cao 1988)<br />

5. 2. Fragment eines assoziativen Netzwerks 152<br />

(Miller & JohnsonlLaird 1976)<br />

6. I. Minimalsystem der deutschen Artikelformen (Vater 1979[=1963]) 158<br />

6. 2. Artikelformen und Klassifikator-Position 160<br />

6. 3. Klassifikator-Position und Numerus 160<br />

6. 4. Merkmalspezifizierung von Nomina 164<br />

6. 5. Die Klassifikatorkonstruktion im Vergleich zu anderen Konstruktionen 165<br />

7. 1. Liste der wichtigsten Klassifikatoren (Kategorisierung von Gegenständen) 172<br />

nach Anhang A<br />

7. 2. Semantische Charakteristika von Nominalklassen (Heine 1982) 188<br />

8. 1. Funktionalbegriffe (Löbner 1985) 195


Das Vietn<strong>am</strong>esische ist die<br />

unlateinischste Sprache, die<br />

sich denken läßt.<br />

(MERlAN, Oktober 1995)<br />

1. Einleitung<br />

Die vorliegende Arbeit befaßt sich mit Konstruktionen vom Typ (1.1), die in den Publikationen<br />

zu Klassifikatoren' vorwiegend im Zus<strong>am</strong>menhang mit bzw. in Abgrenzung zu<br />

den in (1.2) genannten <strong>Beispiel</strong>en behandelt werden:<br />

Klassifikatorkonstruktionen<br />

(1.1) (a) möt<br />

VIET em<br />

con<br />

Tier<br />

cä<br />

Fisch<br />

(b) möt qua c<strong>am</strong><br />

ein Frucht Orange<br />

'ein Fisch'<br />

'eine Orange'<br />

(con 'Klassifikator für Lebewesen')<br />

(qua 'Frucht, Klassifikator für<br />

Früchte')<br />

~aßkonstruktionen<br />

(1.2) (a) ffiOt can ca<br />

VIET em Pfund Fisch<br />

(b) ffiOt bao carn<br />

em Tüte Orange<br />

'ein Pfund Fisch'<br />

'eine Tüte Orangen'<br />

Das Ziel dieser Untersuchung ist, eine Antwort auf die Frage "Was ist eigentlich ein<br />

Klassifikator?" zu geben. Der Leser mag sich über den Ausdruck" eigentlich" in dieser<br />

Frage wundem, aber bei genauerer Betrachtung beginnen die Schwierigkeiten schon bei<br />

der Festlegung <strong>des</strong> Begriffs Klassifikatorsprache. Allan (1977) beispielsweise faßt den<br />

Begriff Klassifikator (im folgenden abgekürzt Kif) relativ weit, wenn er zunächst einmal<br />

lHier ist neben Greenberg (1974) insbesondere Craig (ed.) (1986) und die dort zitierte Literatur<br />

als Standardwerk zu nennen, aber auch Allan (1977), Köl ver (1982), Serzisko (1982),<br />

Unterbeck (1993) und Bisang (1993).


2<br />

davon ausgeht, daß "[p]erhaps alilanguages have classifiers; e.g., English possesses<br />

nouns which correspond exactly to Thai lexemes which everyone agrees are classifiers<br />

[Bedeutungsäquivalente zu Thai 'pack', 'dozen' in englischen NPs wie 'two packs of<br />

cigarettes', two dozen cigarettes', E.L.][ ...]; but [...] some languages are more properly<br />

called 'classifier languages' than others. Thai is a classifier language, but English is not"<br />

(Allan 1977:285f).<br />

Allerdings sind die von Allan genannten Nomina wie Dutzend, Päckchen in NPs vom<br />

Typ zwei Dutzend Zigaretten, zwei Päckchen Zigaretten als typologisches Merkmal für<br />

eine KIf-Sprache nicht ausreichend, "denn solche Konstruktionen finden sich in fast<br />

allen Sprachen, wenn etwa Maßangaben bei Massennomina oder Formen der kollektiven<br />

Zählung zum Ausdruck gebracht werden wie z. B. 'ein Glas Wein', 'eine Mandel Eier"<br />

(Kölver 1982: 162).<br />

Auch semantische Selektionsrestriktionen bzw. Nomen-Verb-Kollokationen dienen in<br />

gewisser Weise der Klassifizierung: ''[...] the verb eat 'ingest solids' contrasts with the<br />

verb drink 'ingest liquids' so as to classify the object eaten as solid, whereas drink<br />

classifies the stuff drunk as liquid.[...] if a language has noun classes entailed by cooccurrence<br />

constraints between no uns and their modifiers or predicates, this does not<br />

make it a classifier language; if it did, every language wou1d be a classsifier language,<br />

and the label wou1d become meaningless" (Allan 1977:289f). Dies bedeutet, daß es<br />

sicher in jeder Sprache lexikalische Einheiten gibt, die in irgendeiner Weise klassifizieren,<br />

aber der Umkehrschluß - alles, was klassifiziert, ist ein Klassifikator - ist, wenn<br />

der KIf tatsächlich eine eigenständige, syntaktisch relevante Kategorie sein soll, nicht<br />

zu1ässig.<br />

In diesen Zus<strong>am</strong>menhang gehört auch die Frage nach den Gemeins<strong>am</strong>keiten und Unterschieden<br />

zwischen Nominalklassen und Klassifikatoren. Betrachtet man Allans Definition<br />

von Klfen, wird deutlich, daß er Nominalklassen (NKlassen) unter Klfen subsumiert,<br />

ein Indiz dafür, daß er den Begriff 'Klassifikator' sehr weit faßt:


3<br />

"[...] classifiers are defined on two criteria: (a) they occur as morphemes in surface<br />

structures under specifiable conditions; (b) they have meaning, in the sense<br />

that a classifier denotes some salient perceived or imputed characteristic of the<br />

entity to which an associated noun refers (or may refer). [...] Classifier languages<br />

can be distinguished from non-classifier languages on three criteria. [...] (a) they<br />

have classifiers, at least some of which are restricted to classifier constructions,<br />

although classifiers exist which function in other environments like nouns. (b)<br />

They belong to one of four types - (i) numeral classifier languages, (ii) concordial<br />

classifier languages, (iii) predicate classifier languages, and (iv) intra-locative<br />

classifier languages" (Allan 1977:285f.)2<br />

Selbst wenn man Typ (iii) und (iv) nicht berücksichtigt, stellt sich die Abgrenzung zwischen<br />

Typ (i) und (ii) ebenfalls nicht einheitlich dar. Allan faßt unter Typ (ii) die Nominalklassensysteme<br />

(z. B. in Bantu-Sprachen), die sich ihm zufolge eindeutig von<br />

Genussystemen unterscheiden:<br />

"If classifiers were meaningless, the use of different classifiers with the s<strong>am</strong>e noun<br />

would have no semantic effect; but in fact it does, and different classifiers are<br />

used with the s<strong>am</strong>e noun (or noun stern), [ ] to focus on different characteristics<br />

(or imputed characteristics) of the referent [ ]. No such thing is possible with<br />

European gender, which does not classify inanimate obj ects according to<br />

perceived or imputed characteristics, although it does for the most part reflect the<br />

sexual differentiation of human beings and higher animals" (All an 1977:290, Hervorhebung<br />

von mir, E.L.).<br />

Dagegen sind in Corbett (1991) sowohl Nominalklassen (NKlassen) als auch Genus'<br />

unter dem Begriff "Genus" zusarnmengefaßt, und zwar aufgrund der in beiden Systemen<br />

vorliegenden obligatorischen Kongruenz:<br />

'Typ (iii) unifaßt Verbalklassifikatoren bzw. klassifikatorische Verben (ausführlich dazu<br />

Barron (1982)). Typ (iv), in denen "noun classifiers are embedded in some of the locative expressions<br />

which obligatorily accompany nouns in most environments"(Allan 1977:287) ist ihm<br />

zufolge nur in drei Sprachen belegt. <strong>Beispiel</strong>sweise enthält das Dyirbal "four noun classifiers<br />

(one a null form), suffixed to the locative morphemes 'visible and here', 'visible and there', and<br />

'not in view"'(Allan 1977:288). Auf Typ (iii) und (iv) werde ich im folgenden nicht näher eingehen,<br />

da sie für das Vietn<strong>am</strong>esische nicht relevant sind und generell einen eigenen Untersuchungsgegenstand<br />

darstellen würden.<br />

'Zur Abgrenzung von Nominalklassen- und Genussystemen s. ausführlich Walter (1982).


4<br />

"While nouns may be classified in various ways, only one type of classification<br />

COlUltS as a gender system; it is one which is reflected beyond the nouns themselves<br />

in modifications required of 'associated words'. [...] All this means that the<br />

determining criterion of gender is agreement; this is the way in which the genders<br />

are 'reflected in the behavior of associated words'. [...] On the other hand, classifiers<br />

fall outside our study because they do not show agreement; but they are [...]<br />

a source for gender systems" (Corbett 1991:4).<br />

Dixon (1986) lUlterscheidet ebenso wie Corbett nicht zwischen NKlassen und Genus im<br />

engeren Sinne; er weist aber auf die semantischen Gemeins<strong>am</strong>keiten zwischen NKlassen<br />

und Genus einerseits und Klfen andererseits hin:<br />

"NOlUl class systems and sets of noun classifiers each provide the means for<br />

categorisation of an object in terms of relevant par<strong>am</strong>eters of world-view. They do<br />

essentially the s<strong>am</strong>e semantic task, although they do approach it in rather different<br />

ways, noun classes operating in terms of an obligatory morphological system, with a<br />

limited number of possible choices, and noun classifiers constituting a largish set of<br />

lexical items, in syntactic construction with the head noun" (Dixon 1986:108).<br />

Diese Unterschiede in der Terminologie lassen sich wie folgt zus<strong>am</strong>menfassen:<br />

Klfen NKlassen Genus<br />

Allan 1977<br />

Dixon 1986<br />

Corbett 1991<br />

(Klassifikatoren)<br />

(Klassifikatoren)<br />

(Genus)<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+ +<br />

Abb. 1.1<br />

Terminologische Abgrenzung von Klassifikatoren<br />

Obwohl, wie aus Abb. 1.1 ersichtlich, Allan den Begriff Klassifikator sehr weit faßt,<br />

stellt er doch fest, daß<br />

"[n]umeral classifier languages are the paradigm type; they are so called because a<br />

classifier is obligatory in many expressions of quantity. C..] In all numeral<br />

classifier languages, the classifiers occur in anaphoric or deictic expressions as weil<br />

as in expressions of quantity; [...] So the label 'numeral classifier' is something of<br />

a misnomer; but it will serve to identify the type" (Allan 1977:286).


5<br />

Was für eine KIf-Sprache als solche konstitutiv ist, ist "der weit ausgiebigere Gebrauch,<br />

den sie von solchen Zähleinheitsangaben [wie Glas Wein, Mandel Eier, E.L.] macht,<br />

auch bei Nomina, die, semantisch betrachtet, diskrete Entitäten bezeichnen und als solche<br />

quantifiziert werden [so o. <strong>Beispiel</strong>e (1.1) vs. (1.2), E.L.] [...], was Greenberg mit<br />

der Einführung <strong>des</strong> Terminus 'unit counter' abgrenzt von solchen in den Sprachen der<br />

Welt bis auf wenige Ausnahmen geläufigen Konstruktionen, die in irgendeiner Weise<br />

Meß- oder Gruppierungseinheiten auf das übergeordoete Nomen projizieren" (Kölver<br />

1982: 163).<br />

Die Kriterien, wonach klassifiziert und nicht quantifiziert wird, sind ausführlich in Allan<br />

(1977) beschrieben. <strong>Eine</strong> Zus<strong>am</strong>menfassung seiner Ergebnisse ist in Lee (1988) enthalten:<br />

"Allan notes that, with a few exceptions, these properties are 'inherent' properties of<br />

an object rather than contingent ones. These results suggest that the distinguishing<br />

feature of a classifier language is possession of a gr<strong>am</strong>matical system which groups<br />

nouns according to their inherent characteristics" (Lee 1988:227, Hervorhebung von mir,<br />

E.L.). Die genannten KIassifikationskriterien sind folgende:<br />

1. Material<br />

a. animacy<br />

b. abstract nouns<br />

c. material<br />

2. Shape<br />

a. saliently one-dimensional<br />

b. two-dimensional<br />

c. three-dimensional<br />

3. Consistency<br />

a. flexible<br />

b. hard or rigid<br />

c. non-discrete<br />

4. Size<br />

5. Location<br />

a. inherent location<br />

b. contingent location<br />

6. Arrangement<br />

a. objeets in specific, non-inherent<br />

configuration<br />

b. position<br />

c. objects in non-inherent distribution<br />

7. Quanta<br />

Abb.1.2: Semantische Merkmale nominaler Klassifikation (Allan 1977) (Lee 1988:227)<br />

Die in dem o. a. Zitat erwähnten "few exceptions", hier durch die gestrichelte Linie<br />

abgegrenzt, werden wie folgt kommentiert:


6<br />

"[They] serve as the basis of quantifier phrases in non-classifier languages as weil,<br />

while categories based on the first five properties are found only in classifier<br />

languages. Some ex<strong>am</strong>ples of non-inherent English 'classifiers' are given below:<br />

two loops of rope two bundles of string<br />

a piece of paper a kind of m<strong>am</strong>mal<br />

The classifier in each case refers to a temporary state of the associated nOlUL The<br />

fact that exceptions to the generalization (that classifiers refer to inherent<br />

properties) are not peculiar to classifier languages strengthens the idea that this is a<br />

defining property of such languages" (Lee 1988:242, Hervorhebung von mir,<br />

E.L.).<br />

Der hier relevante Unterschied entspricht der in Lyons (1977:463) vorgenommenen fund<strong>am</strong>entalen<br />

Einteilung in "mensural and sortal classifiers", und in diesem Zus<strong>am</strong>menhang<br />

kann schon die erste Frage gestellt werden: (1) Gibt es formale Kriterien, wonach<br />

auch in einer KIf-Sprache im engeren Sinne zwischen mensuralen und sortalen Klfen<br />

unterschieden wird? Auf den ersten Blick ist ein solcher Unterschied nicht erkennbar,<br />

wie der Vergleich von <strong>Beispiel</strong> (1.1) mit (1.2) zeigt Dieser Frage wird in Kap. 4.2.<br />

nachgegangen. Die zweite sich aus dem o. a. Zitat ergebende Frage lautet (2) Was ist<br />

unter 'inhärente Eigenschaften' zu verstehen, und gibt es syntaktische Verfahren, durch<br />

die diese festgestellt werden können? Diese Problematik wird in Kap. 7 behandelt.<br />

In Dixon «1982) und (1986)) sind die Kriterien, die Kif-Systeme von NKlassen- bzw.<br />

Genussystemen unterscheiden, systematisch aufgeführt. Anstelle eines einen weit größeren<br />

Raum erfordernden Literaturüberblicks nehme ich daher seine Beobachtungen, die<br />

die in der Literatur vertretenen Ansichten zus<strong>am</strong>menfassen, zum Ausgangspunkt'<br />

Neben der schon oben (S. 3) erwähnten semantischen Gemeins<strong>am</strong>keit, nämlich der<br />

Kategorisienmg eines Objekts nach relevanten Par<strong>am</strong>etern, nennt er eine ganze Reihe<br />

von Kriterien, wonach sich beide Systeme voneinander unterscheiden. Anhand dieser<br />

Kriterien kann ein Katalog von Fragen aufgestellt werden, die im Zus<strong>am</strong>menhang mit<br />

den Klfen entstehen. Das erste Kriterium betrifft die unterschiedliche Anzahl von<br />

NKlassen bzw. Klfen:<br />

'Hierzu auch Löbel (1995b:2-4).


7<br />

"NOlUl c1asses constitute an obligatory gr<strong>am</strong>matical system, where each noun<br />

chooses one from a small number of possibilities, Ways of marking noun c1ass<br />

inc1ude aprefix to the noun (and usually to other constituents in the noun phrase,<br />

or in the sentence, that show concord with it), as in Bantu languages; an<br />

obligatory artic1e, as in French and German; or an inflectional suffix that shows a<br />

portmanteau [sie] of case and noun class, as in Latin" (Dixon 1986:105).<br />

Im Gegensatz dazu sind Klassifikatoren<br />

"always separate lexemes, which may be inc1uded with a noun in certain syntactic<br />

environments; there is usually a largish set of classifiers (perhaps not c1early<br />

delimited in scope), but not every specific noun may be able to occur with one. In<br />

many languages classifiers are required in the context of numeral quantification of<br />

a specific noun [...], but in some languages noun classification exists independent­<br />

Iy of numeral quantification" (Dixon 1986: 106).<br />

Daraus läßt sich folgende Frage ableiten: (3) Warum ist es eigentlich so schwierig, die<br />

genaue Anzahl der Klfen in einer Sprache zu bestimmen? Diese Frage wird in Kap. 6<br />

behandelt<br />

Dixon zufolge lassen sich NKlassen- und Kif-Systeme formal in bezug auf Umfang<br />

("size"), Realisierung ("realisation") und Skopus ("scope") abgrenzen:<br />

"I. Size. Noun c1asses involve a grouping of ail the nouns of a language into a<br />

smallish number of classes (usually, from 2 to around 20). In many languages<br />

each noun belongs to just one class, Where this is not the case there are typically<br />

just a small number of nouns that may select more than one c1ass [...]. There are<br />

usually a fair number of classifiers - at least a score or so, with over 100 being<br />

common (e.g. C<strong>am</strong>bodian - Jacob, 1968; Vietn<strong>am</strong>ese - Hoä 1957» and even 400<br />

attested (Tzeltal - Berlin 1968). There are often some nouns which seem to lie on<br />

the threshold between classifiers and specific nouns, suggesting that these word<br />

classes may merge into each other. Almost always in classifier languages there are<br />

some nouns that cannot take a classifier - this may apply to n<strong>am</strong>es 01 time units<br />

andlor uncountable nouns, but sometimes also to a few of the most frequent nouns<br />

e.g. 'dog' and 'table' in C<strong>am</strong>bodian (Jacob 1968:84). Many nouns will be able to<br />

occur with more than one c1assifier (e.g. Becker's 1975 classic study of Burmese)"<br />

(Dixon 1986: 106, Hervorhebung von mir, E.L.).


8<br />

Aus diesem Zitat können die folgenden vier Fragen abgeleitet werden: (4) Gehören die<br />

'specific nouns' und die Klfen zu zwei unterschiedlichen Wortklassen, d. h. zwei Subklassen<br />

von Nomina? Wenn ja, wie ist dann zu erklären, daß manche Nomina "an der<br />

Schwelle" zwischen Klfen und Nomina liegen, und daß diese beiden Wortklassen verschmelzen<br />

können? Läßt sich zumin<strong>des</strong>t eine wenn auch kleine Gruppe von Nomina<br />

festlegen, die nicht wie alle anderen Nomina unspezifisch in bezug auf Numerus (d. h.<br />

'transnumeral') sind, sondern generell die Bedeutung 'eine Einheit' enthalten und d<strong>am</strong>it<br />

als 'echte Klfen' identifiziert werden können? (5) Ist es sinnvoll, zwischen klassifizierten<br />

und nichtklassifizierten Nomina zu unterscheiden, wie dies für Vietn<strong>am</strong>esisch in Emeneau<br />

(1951) vorgeschlagen wird? D<strong>am</strong>it korreliert auch die wichtige Frage, ob diese Unterteilung<br />

(schon) im Lexikon angelegt ist oder von syntaktischen Kriterien und d<strong>am</strong>it<br />

von der Verwendung der jeweiligen Nomina abhängig ist (s. Kap. 6). Ferner, welche<br />

Begründung steckt hinter der Beobachtung, daß gerade Zeiteinheiten anscheinend in<br />

allen KIf-Sprachen zu den nichtklassifizierten Nomina gehören, was auch für das Vietn<strong>am</strong>esische<br />

(<strong>Beispiel</strong> (1.3» gilt (s. Kap. 5.3)?<br />

(1.3) (a) hai ngay 'zwei Tage'<br />

zwei Tag<br />

(b) rnQt näm 'ein Jahr'<br />

em Jahr<br />

(6) Kann man tatsächlich wie in indoeuropäischen Sprachen zwischen zählbaren und<br />

nichtzählbaren Nomina ('(un)countable nouns') unterscheiden, oder gibt es ein anderes<br />

Kriterium, das für die primäre Einteilung in nominale Subklassen angenommen werden<br />

muß? (7) Bildet die Beobachtung, daß viele Nomina nicht nur mit einem, sondern mehreren<br />

Klfen vorkommen können, eher die Ausnahme oder die Regel (s. Kap. 7)?<br />

Bezüglich der Realisierung von NKlassen und Klfen stellt Dixon fest, daß<br />

"[n]oun classes constitute a closed grarnmatical system, on a par with number and<br />

case and tense [...]. Information about noun class may be fused in a single


9<br />

morpheme with definiteness (as in French), number (as in Bantu languages), or<br />

case (as in Latin). Noun classes may be coded as affixes, or as separate gr<strong>am</strong>matical<br />

words or clitics such as articles, or 'noun markers' [...]. Noun classifiers are<br />

always free forms. A classifier will occur in the s<strong>am</strong>e noun phrase as the noun it<br />

qualifies but it is always a separate constituent, never forming a morphological<br />

unit with the noun (although it may form a morphological unit with a numeral<br />

[....])" (Dixon 1986: 106).<br />

Auch aus diesem Zitat lassen sich einige Fragen ableiten: (8) Welche gr<strong>am</strong>matische<br />

Information ist mit einem KIf verbunden? Allgemein geht man davon aus, daß KIfen<br />

primär individualisierende Funktion haben (z. B. Kölver 1982: 176); neben dieser individualisierenden<br />

Funktion wird als sekundäre Funktion die der Identifizierung von Referenz<br />

bzw. Referentialisierung genannt (Bisang 1993:3) (<strong>Beispiel</strong> (1.4c». Diese Ansicht<br />

ist jedoch zumin<strong>des</strong>t für das Vietn<strong>am</strong>esische problematisch, da gerade in individualisierten<br />

Ausdrücken wie in (l.4a,b), in denen die Referenz eindeutig ist, ein KIf nicht erlaubt<br />

ist:<br />

(1.4) (a) vua Tau<br />

König China<br />

(b) me töi<br />

Mutter ich<br />

'der König von China'<br />

'meine Mutter'<br />

(c)' con qua<br />

1,22 KIf Rabe<br />

'der Rabe'<br />

(con 'KIf für N[+belebt]')<br />

(9) Können KIfen niemals eine morphologische Einheit mit dem klassifizierten Nomen<br />

bilden? Zumin<strong>des</strong>t für das Vietn<strong>am</strong>esische kann gezeigt werden, daß dies durchaus der<br />

Fall ist, und daß dieser Typ von Kompositum einen wichtigen Stellenwert in der vietn<strong>am</strong>esischen<br />

NP hat (hierzu insbesondere Kap. 2.3.5. und 8.4.).<br />

Der dritte in Dixon (1986) angesprochene Bereich betrifft den Skopus eines KIf:<br />

'Die Angabe [,22 bezieht sich auf das Märchen in Anhang I, Satz 22.


10<br />

"Marking of noun dass is never entirely within the noun word. If a noun indicates<br />

dass by an affix on itself, then this affix will also apply concordially to some<br />

other words in the sentence, e. g. in Swahili it goes onto allother words in the<br />

noun phrase (demonstratives, numerals, adjectives) and is also coded, for certain<br />

syntactic functions, onto the verb. Classifiers behave quite differently - there is<br />

never any reference to them outside the noun phrase in which they co-occur with<br />

the specific noun (or, sometimes, occur in place of a specific noun)" (Dixon<br />

1986: I06f.).<br />

Auch hier ist wieder zu fragen: (10) Warum haben Klfen keinen Bezug außerhalb der<br />

Nominalphrase (NP), in der sie vorkommen? In Kap. 7.1 wird gezeigt, daß diese Frage<br />

unmittelbar mit der in Corbett (1991) vorgenommenen Unterscheidung zwischen 'controller<br />

gender' und 'target gender' korreliert und sich dadurch - abgesehen von den bisher<br />

genannten Kriterien - ein prinzipieller Unterschied zwischen KIf-Systemen und Genusbzw.<br />

NKlassen-Systemen herleiten läßt<br />

Ziel der vorliegenden Arbeit ist, den hier summarisch aufgeführten Fragen bzw. Fragenkomplexen<br />

anhand einer KIf-Sprache einmal systematisch nachzugehen. Ich habe hierfür<br />

Vietn<strong>am</strong>esisch ausgewählt, da diese Sprache generell als Prototyp einer isolierenden<br />

Sprache und als typischer Vertreter einer Kif-Sprache angesehen wird. Die vorliegenden<br />

Ergebnisse gelten daher nur für diese Sprache. Diese Einschränkung ist schon <strong>des</strong>wegen<br />

erforderlich, weil man natürlich berücksichtigen muß, daß KIf-Systeme trotz gemeins<strong>am</strong>er<br />

Aspekte ebenso unterschiedlich sind wie Genussysteme. deren Vielfalt eindrucksvoll<br />

und ausführlich in Corbett (1991) dargestellt ist<br />

Ein wichtiges Kriterium für die Unterschiedlichkeit von KIf-Systemen ist vor allem die<br />

Wortfolge in der NP und d<strong>am</strong>it verbunden die unterschiedlichen Positionen, die ein Kif<br />

in einer KIf-Konstruktion einnehmen kann:<br />

"Of the six possible word orders <strong>am</strong>ong the three elements Q (quantifier), Cl<br />

(classifier), N (enumerated noun), only four occur - 1. Q-CI-N; 2. N-Q-Cl; 3. Cl­<br />

Q-N; 4. N-CI-Q. The two non-occurring orders Cl-N-Q and Q-N-Cl have the property<br />

that the quantifier and the classifier are separated by the head noun" (Greenberg<br />

1974:31).


I1<br />

<strong>Eine</strong> Übersicht über die unterschiedliche Verteilung der Konstruktionstypen in den einzelnen<br />

Sprachen gibt Kölver (1982:166) ["Num" entspricht "Q" in Greenbergs Zitat]:<br />

1. Dem Num-Klf Adj N<br />

2. Num-Klf N Adj Dem<br />

3. N Adj Num-Klf Dem<br />

4. Dem Adj N Num-Klf<br />

(Chinesisch)<br />

(Vietn<strong>am</strong>esisch, Indonesisch, Malaiisch)<br />

(Thai, Khmer)<br />

(Birmesisch, Newari, Lahu etc.)<br />

Abb. 1.3: Positionsvarianten von Klfen in der NP (Kölver 1982:166)<br />

Die unter (2.) für das Vietn<strong>am</strong>esische angegebene Struktur der NP impliziert noch eine<br />

weitere Komplikation, die teilweise schon in der o. a. Frage (4) angesprochen wurde.<br />

"In classifier languages it is impossible to draw a firm line between forms which<br />

are purely classifiers; those which function only as specific noun; and those that<br />

can be both specific noun and classifier. [...] Where a single form is repeated in<br />

both classifier and specific noun slots, it is usually a simple matter, on surface<br />

syntactic grounds, to identify these, e.g. in Burmese ?eynv hna + ?eynv 'two houses'<br />

we can identify the second occurrence of ?eynv as the classifier in terms of<br />

the regular Burmese structure Noun, Numeral + Classifier [...]. But in Vietn<strong>am</strong>ese<br />

repetition is not permitted, if a noun and classifier would be the s<strong>am</strong>e, only one of<br />

them appears [...); since the normal Vietn<strong>am</strong>ese structure is NumeraI, Classifier,<br />

Noun it is in many cases not possible to decide whether the single form following<br />

a numeral is classifier (with specific noun deleted under identity with it) or<br />

specific noun (with classifier deleted)" (Dixon 1982:214, Hervorhebung von mir,<br />

E.L).<br />

Die vorliegende Untersuchung ist bewußt theorieneutral gehalten. Die Probleme, die sich<br />

im Rahmen der DP-Syntax (Abney 1987) und allgemein für die Prinzipien- und Par<strong>am</strong>etertheorie<br />

(Chomsky 1986) ergeben, werden in Löbel (1996a) diskutiert. Insbesondere ist<br />

hier die Frage zu erwähnen, ob Klfen eine geschlossene Klasse bilden und d<strong>am</strong>it als<br />

funktionale Kategorie anzusehen sind (vgl. Tang (1990) für das Chinesische und Kitahara<br />

(1993) für Japanisch), und inwiefern sie sich von den funktionalen Kategorien D(eterminierer)<br />

und N(umerus) abgrenzen lassen.<br />

Wenn nicht anders angegeben, st<strong>am</strong>men die vietn<strong>am</strong>esischen <strong>Beispiel</strong>e von meinem<br />

Informanten Phuöc-Himg Tnnmg, Muttersprachler <strong>des</strong> Vietn<strong>am</strong>esischen und Student der


12<br />

südostasiatischen Sprachen, der mir nicht zuletzt auch durch seine fundierten Kenntnisse<br />

<strong>des</strong> Chinesischen und <strong>des</strong> Khmer viel von der Faszination dieser Sprachen vermittelt<br />

hat. Ohne seine Hilfe wäre die vorliegende Untersuchung nicht möglich gewesen, und<br />

ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bei ibm bedanken.Von ibm st<strong>am</strong>mt auch<br />

die wörtliche Übersetzung der im Anhang enthaltenen drei Märchen. Obwohl ich natürlich<br />

teilweise auf diese Texte Bezug nehme, sind sie nicht als Grundlage für eine systematische<br />

Textauswertung gedacht, sondern dienen primär dazu, dem Leser einen Eindruck<br />

von der vietn<strong>am</strong>esischen Sprache zu vermitteln."<br />

2. Die Nominalphrase im Vietn<strong>am</strong>esischen<br />

Das Vietn<strong>am</strong>esische ist eine isolierende Sprache, d. h. es besitzt keine dem Deutschen<br />

vergleichbaren morphologischen Kategorien wie Kasus, Person oder Numerus. Speziell<br />

für die NP und gr<strong>am</strong>matische Kategorien <strong>des</strong> Nomens wie Genus bedeutet dies, daß<br />

"das Genus (...) [genauer: Sexus, E.L.] <strong>am</strong> Wort nicht zu erkennen [ist]. Wenn das<br />

Genus nicht ausdrücklich genannt wird, kann man es gewöhnlich nur aus dem Zus<strong>am</strong>menhang<br />

erkennen" (Nguyen 1979:36):<br />

(21) (a) Anh ay<br />

," la sinh vien<br />

Er sem Student<br />

(b) Co ay la sinh vien<br />

Sie sem Student<br />

'Er ist Student.'<br />

'Sie ist Studentin.'<br />

(Nguyen 1979:36)<br />

Ferner gilt, daß es keine Kategorie Numerus gibt und daher gewöhnlich nicht formal<br />

unterschieden wird, ob "man von einer oder mehreren Personen, von einem oder mehreren<br />

Dingen im Allgemeinen spricht" (ibid.):<br />

'Die drei Märchen in Anhang I, II und III sind einer zweisprachigen S<strong>am</strong>mlung von zwölf<br />

Volksmärchen entnommen; Walter Bisang danke ich dafür, daß er mir diese S<strong>am</strong>mlung zur<br />

Verfügung gestellt hat.<br />

Zum Belegmaterial für die vorliegende Untersuchung s. u. Kap. 3.2.


13<br />

(2.2) (a) Töi chep Mi<br />

ich abschreiben Lektion<br />

(b) Bai dai<br />

Lektion lang (sein)<br />

I. 'Ich schreibe die Lektionen ab'<br />

2. 'Ich schreibe eine Lektion ab'<br />

1. 'Diese eine Lektion ist lang'<br />

2. 'Die Lektionen sind lang' (Nguyen 1979:36)<br />

Folgen<strong>des</strong> <strong>Beispiel</strong> aus Hoang (1990:63) zeigt neben der fehlenden Genus- bzw. Sexusunterscheidung<br />

bei meo 'KatzelKater', daß (2.3a) ohne KIf die "allgemeine Erscheinung"<br />

bezeichnet, d. h. generisch zu interpretieren ist und hier mit Plural wiedergegeben wird,<br />

während der Satz mit KIf (2.3b) eindeutig signalisiert, daß von einem Kater oder einer<br />

Katze bzw. einer Maus die Rede ist (con 'KIf für Tiere bzw. Lebewesen'):<br />

(2.3) (a) Meo Mt chuöt<br />

Katze fangen Maus<br />

'Katzen fangen Mäuse.'<br />

(b) Con meo bat con chuöt 'Die Katze/der Kater fäogt die Maus.'<br />

Kif Katze fangen KIf Maus (Hoang 1990:63)<br />

Anhand dieses <strong>Beispiel</strong>s zeigt Hoang auch, daß es für syntaktische Relationen wie Subjekt<br />

oder Objekt keine formalen Indizien gibt, d. h. die jeweilige syntaktische Funktion<br />

einer NP ist durch ihre Stellung im Satz festgelegt, wobei die GrundwortsteIlung 'Subjekt<br />

- Prädikat - Objekt' ist. Dementsprechend korreliert eine Umstellung von Subjekt­<br />

NP und Objekt-NP im Vietn<strong>am</strong>esisehen auch mit einer Änderung der jeweiligen semantischen<br />

Rollen (z. B. Agens und Patiens, vgl. (2.4a) vs. (2.4b)) und d<strong>am</strong>it notwendigerweise<br />

mit einer Änderung der Bedeutung <strong>des</strong> Satzes, was im Deutschen nicht unbedingt<br />

der Fall ist (2.4c):<br />

(2.4) (a) Con meo Mt con<br />

Die Katze/der Kater fäogt die<br />

chuöt,<br />

Maus


14<br />

(b) Con chuöt bat eon meo.<br />

Die Maus fängt die Katze/den Kater.<br />

(c) Die Katze/den Kater fängt die Maus. (Hoang 1990:63)<br />

Das verbale Prädikat kann als solches schon als Satz fungieren (2.5a), Personalpronomina<br />

(2.Sb) sind fakultativ. Die Markierung eines Zeitbezugs ist ebenfalls nicht obligatorisch,<br />

kann aber durch die beiden temporalen Partikel se 'Zukunft' oder Ba 'Vergangenheit')<br />

ausgedrückt werden (2.5e):<br />

(2.5) (a) HiIJu.<br />

verstehen<br />

'(Ich/du/er etc.) verstehe/verstehst/versteht etc.'<br />

(b)<br />

Töi hiIJu.<br />

ich verstehen<br />

'Ich verstehe'<br />

(c) Öng ay se di<br />

Er Zukunft gehen<br />

Sai-gön. 'Er wird nach Saigon gehen'<br />

Saigon (Thompson 1987:208)<br />

Während nun Subjekt- und Objekt-NP, wie oben gezeigt, nicht austauschbar sind, sind<br />

innerhalb der Verbalphrase (VP) Umstellungen möglich; das setzt aber voraus, daß die<br />

Objekt-NP 'komplex' ist, d. h. sie darf nicht aus einem einfachen Nomen bestehen, obwohl<br />

dieses auch als Objekt-NP fungieren kann (2.6a). Es gilt also folgende Bedingung<br />

für die positionelle Vertauschbarkeit innerhalb der VP: ''[...] the noun cluster in the<br />

object position must be anormal noun cluster - that is, it must include one or more<br />

preceding and/or following adjectivals modifying the nucleus noun" (Dirong 1971 196;<br />

con 'KIf für Tiere' wird von Dirong 'pre-determiner' genannt):<br />

(2.6) (a) Ba dät träu ra döng.<br />

Ba lead buffalo out to field<br />

'Ba led the buffaloes to the field'<br />

(b) Ba dät ra döng mäy eon<br />

Ba led out to field several pre-det<br />

'Ba led several buffaloes to the field'<br />

trau.<br />

buffalos<br />

(Dirong 1971:197)


15<br />

<strong>Beispiel</strong> (2.6a) zeigt gleichzeitig, daß das verbale Prädikat dat 'führen' zwar mit Präteritum<br />

übersetzt ist, aber weder eine Tempus-, Numerus- oder Personenmarkierung vorliegt.<br />

Analog dazu verhält sich das direkte Objekt trau 'Büffel', das hier mit the<br />

buffaloes wiedergegeben ist, aber je nach Kontext als the buffalo oder a buffalo bzw.<br />

(some) buffaloes übersetzt werden könnte, d. h. auch beim Nomen bzw. der NP (hier<br />

das direkte Objekt) muß, wie schon oben gezeigt, nicht notwendigerweise formal zwischen<br />

(a) einer defmiten oder indefiniten Lesart bzw. (b) Singular und Plural unterschieden<br />

werden.<br />

<strong>Eine</strong> Änderung der Grundwortstellung von 'Prädikat - Obj ekt - Adverbial' in Prädikat ­<br />

Adverbial - Objekt' hat also zur Bedingung, daß die Objekt-NP keine minimale, aus<br />

einem Nomen bestehende NP sein darf. Beim indirekten Objekt hingegen liegt eine<br />

andere Bedingung vor, wobei ich hier der Darstellung in Bisang (1992:294f.) folge.<br />

Generell gilt bei dreiwertigen Verben die strikte Reihenfolge 'Verb (V)<br />

[genauer: verbales<br />

Prädikat, E.L.] - indirektes Objekt (10) - direktes Objekt (00)':<br />

(2.7) (a) 6ng äy cho bä ay hai<br />

er geben sre zwei<br />

'Er gibt ihr zwei Häuser.'<br />

cäi nhä<br />

KIf Haus<br />

(b) 6ng ay täng bä ay hai<br />

er schenken sie zwei<br />

'Er schenkt ihr zwei Häuser'<br />

cai nhä<br />

Kif Haus<br />

(Bisang 1992:293f.)<br />

Lautet die Reihenfolge dagegen 'V - 00 - 10', muß das indirekte Objekt obligatorisch<br />

mit einem Co-Verb (CoV) eingeleitet werden: "Das neutralste Co-Verb, das an dieser<br />

Stelle erscheinen kann, ist dabei sicherlich cho, das dativisch/beriefaktivische Funktionen<br />

wahrnimmt" (Bisang 1992:314). Zu (2.7b) erhält man daher folgende Varianten:<br />

(2.8) (a) 6ng ay täng hai cai nhä cho bä ay<br />

er schenken zwei Kif Haus CoV sie


(b) öng ay täng<br />

er schenken<br />

(cho)<br />

(CoV)<br />

16<br />

bä ay hai<br />

sie zwei<br />

cai nhä<br />

Kif Haus (Bisang 1992294)<br />

Der Vergleich von (2.7a) mit (2.8) zeigt, daß cho zum einen Vollverb, zum anderen<br />

Co-Verb ist: In (2.7a) hat cho die Bedeutung 'geben', in (2.8a) signalisiert es dagegen<br />

die Rolle <strong>des</strong> Benefaktivs und ist in dieser Position obligatorisch, da eine markierte, von<br />

der GrundwortsteIlung abweichende Reihenfolge vorliegt; ohne das Co-Verb cho könnte<br />

die folgende NP nicht als indirektes Objekt mit der semantischen Rolle Benefaktiv interpretiert<br />

werden, der Satz wäre ungr<strong>am</strong>matisch. <strong>Beispiel</strong> (2.8b) zeigt, daß cho auch in der<br />

der GrundwortsteIlung entsprechenden Reihenfolge 'Verb - indirektes Obj ekt - direktes<br />

Objekt' vorkommen kann, hier aber fakultativ ist. Wie die <strong>Beispiel</strong>e zeigen, ist hierbei<br />

nicht wie beim direkten Objekt die Komplexität der NP ausschlaggebend - in beiden<br />

Fällen besteht sie aus bii ay'sie' -, sondern die Tatsache, daß das indirekte Objekt nicht<br />

adj azent zum verbalen Prädikat ist."<br />

'Die Gründe für die Umstellung von der unmarkierten Wortfolge V - 10 - DO zu V - DO ­<br />

10 liegen nach Bisang (1992:314) "zum einen darin, daß ein indefinites DO im Regelfall vor<br />

das indirekte, mit cho eingeleitete Objekt zu stehen kommt, zum anderen aber auch im stilistisch-euphonischen<br />

Bereich, wo man ein einsilbiges DO in Sätzen <strong>des</strong> Typs V - 10 - DO besonders<br />

dann, wenn das indirekte Objekt relativ lang ist, in der SatzendsteIlung zu vermeiden<br />

sucht". Dies ist so nicht zutreffend, sondern korreliert mit einem Bedeutungsunterschied. wie<br />

folgen<strong>des</strong> <strong>Beispiel</strong> zeigt:<br />

(i) Tai thöu äo cho cö L<strong>am</strong>.<br />

ich besticken Kleid für Fräulein Larn<br />

'Ich besticke Kleider für Fräulein Larn.'<br />

(genauer: 'Ich Kleid-besticke für Fräulein Larn').<br />

(ii) 'I'öi thöu cho cö L<strong>am</strong> äo,<br />

ich besticken für Fräulein L<strong>am</strong> Kleid<br />

'Ich besticke (berufsmäßig) für Fräulein L<strong>am</strong> Kleider (und nicht für jemand<br />

anderen).'<br />

Hierzu auch folgen<strong>des</strong> <strong>Beispiel</strong> aus Thompson (1987:331):<br />

(iii) Töi läm au con meo<br />

ich machen Schmerz Klf Katze<br />

'I hurt the cat ras a result of something 1 did, but it was not necessarily intentional).'<br />

(iv) Töi l<strong>am</strong> cho con meo au.<br />

'I hurt the cat (intentionally, e.g., as a punishment)'


17<br />

Die Markierung einer NP als indirektes Objekt durch ein Co-Verb zeigt ein für isolierende<br />

Sprachen allgemein gültiges Charakteristikum: Aufgnmd fehlender morphologischer<br />

Kategorien werden lexikalische Kategorien wie Nomen W1d Verb in viel stärkerem<br />

Maße für die Bezeichnung gr<strong>am</strong>matischer Informationen (genauer gesagt: dem, was in<br />

den W1S geläufigen Sprachen wie Deutsch oder Englisch als "gr<strong>am</strong>matische Information"<br />

klassifiziert wird) herangezogen, als dies in nicht-isolierenden Sprachen der Fall ist. Für<br />

die lexikalische Kategorie <strong>des</strong> Verbs ist diese Problematik ausführlich in Bisang (1992)<br />

beschrieben, wo neben Chinesisch, Hmong, Thai W1d Khmer auch das Vietn<strong>am</strong>esische<br />

beschrieben wird.<br />

<strong>Beispiel</strong>e wie (2.5a) zeigen deutlich die "große Indetenniniertheit <strong>des</strong> Verbs, das als solches<br />

alleine nur gerade eine Handlung oder einen Zustand setzt" (Bisang 1992:3). In<br />

diesem Zus<strong>am</strong>menhang hat aber" der Begriff der Tilgung nichts verloren. Es wird nichts<br />

getilgt; es wird lediglich nicht ausgesprochen, was aus dem sprachlichen oder außersprachlichen<br />

Kontext schon klar ist, also nicht relevant ist" (ibid.).<br />

Wenn jedoch eine Handlung oder ein Zustand näher determiniert werden soll, geschieht<br />

dies "oft durch SetZW1g eines weiteren Verbs", das "sich markierungslos an das zu konkretisierende<br />

Verb anschließt". D<strong>am</strong>it ist das Phäoomen der Verbserialisierung als "W1­<br />

markierte Juxtaposition zweier oder mehrerer Verben oder Verbalphrasen" gemeint. Diese<br />

Konstruktionen zeichnen sich dadurch aus, daß sie "stark analytisch sind [...], d. h.<br />

ein zusätzlich eingeführtes Verb steuert einen Teil oder gar seinen ganzen semantischen<br />

Gehalt zur von ihm ausgedrückten Funktion bei" (Bisang 1992:24f.). Dabei läßt sich<br />

Verbserialisierung einmal in einem weiteren, aber auch in einem engeren Sinne auffassen:<br />

"Das Konzept <strong>des</strong> 'einheitlichen Sachverhalts' setze ich mit der Verbserialisierung<br />

im engeren Sinne, also mit der Serialisierungsperiode, gleich, in welcher sich entweder<br />

im Falle der lexikalischen Juxtaposition mehrere Verben zu einem neuen Verb verbinden,<br />

oder in welcher im Fall der Resultativ-Konstruktion und der serialen Einheit ein<br />

bestimmter Inhalt eines bestimmten Hauptverbs durch zusätzliche Verben genauer determiniert<br />

wird" (Bisang 1992:31). Gleichzeitig weist die Verbserialisierung im engeren


Sinne auch eine "entschieden stärkere Kohäsion oder Bindungsenge zwischen ihren<br />

Elementen" auf (ibid.).<br />

18<br />

Für Verben vom Typ cho 'geben', das zum einen lediglich "eine Handlung setzt", zum<br />

anderen aber auch als"zusätzlich eingeführtes Verb" zu charakterisieren ist, sind nun m.<br />

E. speziell für die Analogie zwischen der Abgrenzung von Verb und Co-Verb einerseits<br />

und von Nomen und Klassifikator andererseits die folgenden drei in Bisang (1992: 13f.)<br />

genannten Aspekte relevant:<br />

(a) Entsemantisierung<br />

Im Rahmen der Grarnmatikalisierung (HeineIReh 1984) wird Entsemantisierung als ein<br />

funktionaler Prozess angesehen, bei dem "ein Lexem, das zu einem Funktionswort entsemantisiert<br />

und d<strong>am</strong>it gr<strong>am</strong>matikalisiert wurde, seine Position in übereinstimmung mit<br />

seiner neuen Funktion wechselt. Dieser Prozess ist in unseren fünf Sprachen absolut<br />

grundlegend, wenn ein Hauptverb gr<strong>am</strong>matikalisiert wird und so mit seiner neuen Funktion<br />

auch automatisch eine neue bzw. eine weitere Position innerhalb einer größeren<br />

Maximalstruktur einnehmen kann" (Bisang 1992:13). Bezogen auf das Verb cho heißt<br />

das, daß es als Vollverb die Bedeutung 'geben' enthält, als Co-Verb jedoch den Benefaktiv<br />

signalisiert.<br />

Ähnlich charakterisiert Tnnmg (1970:223) die von ihm "verbes perfectifs" genannten<br />

Co-Verben wie folgt:<br />

"Les verbes employes comme perfectifs ne gardent pas, pour la plupart, toute la<br />

plenitude, toute la force de leur signification; celle-ci est plus ou moins affaiblie,<br />

jusqu'ä n'avoir plus que la valeur d'une preposition en Francais. Cependant, ils ont<br />

leur propre complement d'obj et, et associes ä un verbe intransitif, peuvent rendre<br />

ce demier transitif."<br />

(b)<br />

Aufspaltung (split)<br />

Unter Aufspaltung ist nach HeinelReh (1984:82) folgender Prozess zu verstehen:


19<br />

"A characteristic of virtually all developments is that when a given linguistic unit<br />

undergoes a certain process then it does not do so in all its uses; it tends rather to<br />

be retained in its former status as well, so that there are two coexisting forms of<br />

that unit: one that still represents the old status and another that marks the new<br />

status resulting from gr<strong>am</strong>maticalization" (HeinefReh 1984:82).<br />

Diese ist nach Bisang (1992:14) die "Grundbedingung für Co-Verben, die sich ja gerade<br />

als Verben definieren, die nicht nur in der Funktion als Hauptverb, sondern auch in der<br />

Funktion als Adposition vorkommen". Als "Verben in Adpositionalfunktion (...) dienen<br />

sie der Valenzerweiterung durch Einführung weiterer, meist peripherer Aktanten und der<br />

Kasuszuweisung" (Bisang 1992:58, Hervorhebung vom Autor, E.L.)<br />

Ganz analog dazu sind die" verbes perfectifs" in Tnnmg (1970) charakterisiert. <strong>Beispiel</strong>sweise<br />

gilt für die Verben der Fortbewegung wie tii 'gehen', v,f 'zurückkommen',<br />

daß diese, "employes comme verbe principal, <strong>des</strong>ignent une action faite dans une direction<br />

bien determinee. Employes comme perfectifs, ils ont plusieurs <strong>des</strong>tinations, et leur<br />

signification non seulement devient plus ou moins faible, mais encore s'eloigne du sens<br />

originei" (Tnl


20<br />

Die in isolierenden Sprachen vorliegende Indeterminiertheit <strong>des</strong> Verbs gilt auch für Nomma:<br />

"A noun only represents a given object or concept. It remains neutral - i. e. indetermined<br />

- with respect to the following aspects: number (individualization),<br />

dass, reference, relationality (possession), case. Thus an utterance like e. g. Chinese<br />

shu can mean 'tree, trees, a tree, the tree, etc' according to a given context"<br />

(Bisang 1993:7).<br />

Die Analogie zwischen der Indeterminiertheit <strong>des</strong> Verbs und <strong>des</strong> Nomens wird in Bisang<br />

(1993) unter dem Aspekt der Gr<strong>am</strong>matikalisierung ausführlich beschrieben:<br />

"If reduction of indeterrninateness is needed because of text coherence or because<br />

of discourse pragmatics the languages to be presented in this paper very often<br />

make use of certain products of gr<strong>am</strong>maticalization in order to make a concept or<br />

an action/process more concrete. These products of gr<strong>am</strong>maticalization are derived<br />

through the influence of gr<strong>am</strong>maticalization either from no uns or from verbs"<br />

(Bisang 1993:7).<br />

In den o. a. <strong>Beispiel</strong>en gibt es NPs, in denen ein Nomen allein eine NP repräsentiert,<br />

aber auch solche, in denen noch zusätzlich ein Kif enthalten ist (man vergleiche z. B.<br />

(2.3a) mit (2.3b)), d. h. die "Indeterrniniertheit" <strong>des</strong> Nomens als solches ist reduziert.<br />

Für das Vietn<strong>am</strong>esische werden Bisangs Einteilung zufolge insbesondere Klfen, Klassennomina<br />

(KlassenN) und quantifizierende Nomina (Maßwörter im weiteren Sinne) für<br />

diese Reduzierung der Indeterminiertheit verwendet, wobei speziell die Funktion der<br />

Klfen im Vietn<strong>am</strong>esischen in der Individualisierung, Klassifizierung und Referentialisierung<br />

besteht; dabei ist ihm zufolge letztere als ein sekundäres Phänomen der Folge<br />

'Klassifikator - Nomen' anzusehen (Bi sang 1993:9), wie folgende Gegenüberstellung<br />

zeigt: "<br />

'Das ist bei Bisang in Abgrenzung zu Chinesisch einerseits (Klfen dienen nur der Individualisierung<br />

und Klassifizierung) und Hmong andererseits (neben den drei für Vietn<strong>am</strong>esisch genannten<br />

Funktionen kommt noch die Relationalisierung, d.h. Lokalangaben durch lokale Nomina,<br />

hinzu) zu sehen.


(2.9) (a) ba eon eh6<br />

VIET three CL dog<br />

(a)<br />

(b)<br />

21<br />

'three dogs (indefinite)'<br />

'the three dogs' (definite)'<br />

(b) töi rnua qüa earn<br />

I buy CL orange<br />

'I buy the orange'<br />

(Bisang 1993: 13, Hervorhebung vom Autor, E.L.)<br />

Wie weiter unten (Kap. 2.3.5) zu zeigen sein wird, ist die Objekt-NP in (2.9b) nicht auf<br />

die definite Lesart festgelegt, sondern kann abhängig vom Kontext auch indefinit interpretiert<br />

werden. An dieses <strong>Beispiel</strong> lassen sich aber gleichzeitig die o. a. Fragen nach<br />

der Entsemantisierung, der Aufspaltung und der Ablösung knüpfen, wobei letzteres in<br />

bezug auf Klfen besagen würde, daß "ein Element nur noch in seiner neuen, gr<strong>am</strong>matikalisierten<br />

Funktion vorkommt", sieb also Nomina finden lassen, die nur (noch) als<br />

Klfen vorkommen; dies wird von Bisang für das Verb verneint, und es wird zu zeigen<br />

sein, daß dies im Vietn<strong>am</strong>esischen auch für das Nomen gilt (s. u. Kap. 6).<br />

Neben diesem die lexikalische Kategorie <strong>des</strong> Nomens bzw. <strong>des</strong>sen Funktion als KIf betreffenden<br />

Aspekt gibt es aber speziell für die Analogie zur Verbserialisierung, d.h. die<br />

"merkmallose Aneinanderreihung sowie die Bildung komplexerer Verbalketten", die<br />

Thema der Monographie von Bisang (1992) sind, auch im Vietn<strong>am</strong>esischen eine analoge<br />

Serialisierung von Klfen, wie folgende <strong>Beispiel</strong>e aus Tnrong (1970:266) zeigen, wobei<br />

die Zahlen für die einzelnen "specificatifs" [= Klfen, E.L.] stehen, d. h. hier scheinbar<br />

eine Abfolge von mehreren Klfen vorliegt (eine übersetzung ist in Tnrong nicht angegeben):<br />

(2.10) (a) eäy<br />

1<br />

Pflanze<br />

rau cän<br />

2<br />

Gemüse Sellerie<br />

'der/ein Sellerie'<br />

(b)<br />

cäi thäng<br />

3 2<br />

Kif Kerl<br />

eha<br />

1<br />

Vater<br />

Giap<br />

N<strong>am</strong>e<br />

'dieser dämliche Giap' (pejorativ)<br />

Auch hier gilt wieder die Analogie zur Aneinanderreihung von Verben:


22<br />

"Die Frage, die man sich angesichts solcher <strong>Beispiel</strong>e bald einmal stellen wird,<br />

lautet schlicht und einfach: 'Wie analysiert man so etwas?' - 'Gibt es bestimmte<br />

Sequenzen, die enger zus<strong>am</strong>mengehören?' Mit diesen beiden Fragen ist ein wichtiger<br />

Teil <strong>des</strong> meiner Arbeit zugrunde liegenden Problems bereits umrissen" (Bisaug<br />

1992:9).<br />

Auch Bisangs Hinweis über Vorurteile, die bei der Untersuchung einer fremden Sprache<br />

immer bestehen, möchte ich mich anschließen:<br />

"Im Falle der Verbserialisierung zeigt sich diese Gefahr darin, daß man das, was<br />

in westlichen Sprachen monolexematisch ausgedrückt wird, einfach als geschlossenen<br />

Sachverhalt auch in den ost- und südostasiatischen Sprachen C.) ansieht, daß<br />

man also einen Vergleich von Lexikoneinheiten vornimmt Ich hoffe, daß ich<br />

diesem Vorurteil C.) nicht allzu stark auf den Leim gekrochen bin" (Bisaug<br />

199232).<br />

Dem habe ich nichts hinzuzufügen.<br />

Um meine Argumente in bezug auf die Klfen nachvollziehen zu können, ist zunächst jedoch<br />

eine Beschreibung der Nomina, insbesondere unter dem Aspekt der Abgrenzung<br />

von Wortarten, sowie der Nominalphrase erforderlich; dies ist Thema der nächsten KapiteL<br />

2. I. Das Nomen<br />

Aufgrund <strong>des</strong> isolierenden Charakters <strong>des</strong> Vietn<strong>am</strong>esischen und d<strong>am</strong>it der fehlenden<br />

morphologischen Markierung von unterschiedlichen Wortklassen lassen sich diese nur<br />

nach distributionellen Kriterien definieren: 10<br />

'T..l there are severe limitations on the type of elements which are found together<br />

in other syntactic relationships. These limitations (often signaled by markers [--.J)<br />

form the basis for definition of W ord classes. In certain positions some words are<br />

!O<strong>Eine</strong>n ausführlichen Überblick zur Problematik von Wortklassen im Vietn<strong>am</strong>esischen<br />

geben Raitzka (1989:13-90) und Duong (1971:17-47).


23<br />

found to occur, while others do not: all the words that occur there belong to the<br />

word dass defined by that position. Those word dasses which involve the severest<br />

limitations are the most helpful in making clear the syntactic structure of the<br />

language" (Thompson 1987:125).<br />

Auf die Schwierigkeit der Bestimmung von Wortarten ("form-dasses") weist auch Emeneau<br />

(1951: 79f.) hin: 11<br />

"The lack of morphological inflection [ ] makes it necessary to dass each word<br />

by a study of its syntactic occurrences.[ ] The chief problem is to assign substantives<br />

and verbs to their respective classes. Usually, ex<strong>am</strong>ination of a reasonable<br />

large number of occurrences of a word will suffice. Not all syntactic positions,<br />

however, are un<strong>am</strong>biguous; e.g., an attribute after a noun may be either a noun or<br />

a verb [...], and a verb may be followed either by a noun object or by another<br />

verb in series [...]."<br />

Emeneau führt in seiner Gr<strong>am</strong>matik 70 Lexeme auf, die sowohl den Nomina wie den<br />

Verben zugeordnet werden können. Dieses Phänomen der Konversion hat allerdings<br />

nicht den Stellenwert, den es beispielsweise im Englischen einnimmt: "The complete list<br />

of seventy such words in the basic vocabulary is probably not as long as the similar one<br />

would be for a basic English vocabulary of about two thousand words" (Emeneau<br />

1951:80). Im folgenden sind einige <strong>Beispiel</strong>e aufgeführt;'?<br />

"Zur (Nicht-)Distinktion lexikalischer Kategorien und der d<strong>am</strong>it verbundenen Problematik s.<br />

insbesondere Sasse (1993), aber auch Wunderlich (I 995),<br />

Steinitz (1995) und, speziell für das Tonganische, Broschart (1995).<br />

12S0 auch Spencer (1991:478): "ln some languages (Chinese, Chukchee) it's notoriously<br />

difficult to decide what the 'real', 'basic' syntactic category of a word or root is since the rules of<br />

syntax or morphology frequently don't permit us to define a base form from which other word<br />

types are derived. Indeed, this is illustrated by certain English noun-verb pairs: is the noun or<br />

the verb basic injump, sleep, seai, rain, work ...? What criteria would a1low us to decidc?"


(2.U)<br />

24<br />

Substantive (c1assified noun)<br />

Verb<br />

Mo<br />

Gon<br />

tißng<br />

muäi<br />

räo<br />

viel;<br />

xe<br />

newspaper<br />

child<br />

winter<br />

salt<br />

fence, hedge<br />

writing implement<br />

conveyance on wheels<br />

to announce, report<br />

to be young, small<br />

to freeze (intr.]<br />

to salt<br />

to be enclosed, fenced,<br />

to enclose with a fence<br />

to write<br />

to carry in wheeled vehicle<br />

(Emeneau 1951:80ffY'<br />

Für die Wortklasse Verb sind nach Thompson (1987:206) die schon im Zus<strong>am</strong>menhang<br />

mit <strong>Beispiel</strong> (2.5) erwähnten Tempusmarker se'Zukunft' und aa 'Vergangenheit' konstitutiv,<br />

aber auch das "Hilfswort" tiang 'gerade (im Begriff sein)' (Raitzka 1989: 117).<br />

Im Zus<strong>am</strong>menhang d<strong>am</strong>it, daß "[i]n manchen Fällen erst durch den Kontext und d<strong>am</strong>it<br />

auf Grund bestimmter syntaktischer Merkmale erkannt werden [kann], ob es sich bei<br />

dem betreffenden Wort um das Verb/Adjektiv oder um ein Substantiv handelt", werden<br />

in Raitzka (1989) die folgenden Distributionskriterien anband von <strong>Beispiel</strong> (2.1.2) aufgelistet:<br />

(2.1.2) (a) D6 lä nhüng cÖ gäng cüa nhän dän ta."<br />

Dies sind Anstrengungen unseres Volkes.<br />

"Merkmale, die die Wortart Substantiv anzeigen:<br />

- das Prädikat(snomen) wird durch die Kopula ta eingeleitet<br />

- vor dem untersuchten Wort steht nhilng als Hilfswort zum Ausdruck der<br />

Mehrzahl bei Substantiven<br />

- hinter dem Wort steht ein durch GUa [= Possessivmarker, E.L.]<br />

eingeleitetes Attribut."<br />

"Nach Auskunft meines Informanten handelt es sich dabei vorwiegend um sinovietn<strong>am</strong>esisehe<br />

Lexeme; rein vietn<strong>am</strong>esische Lexeme sind bezüglich ihrer Wortklassenzugehörigkeit viel<br />

stärker festgelegt. Dies gilt auch für sinojapanische vs. rein japanische Lexeme im Japanischen<br />

(diesen Hinweis verdanke ich Johanna Mattissen),<br />

"Sowohl Glfals auch gang sind im Wörterbuch von Karow (1972) mit 'sich anstrengen, sich<br />

bemühen' übersetzt; hier handelt es sich um einen Konstruktionstyp (ein Kompositum, das aus<br />

zwei verbalen Lexemen besteht), der Intensivierung bezeichnet.


25<br />

(b) B>;In t6i dang cö gang hQC giöi.<br />

Mein Freund bem üht sich, ausgezeichnet zu lernen.<br />

"Merkmale, die die Wortart Verb anzeigen:<br />

- das Prädikat wird ohne Kopula gebildet<br />

- das Wort steht hinter dem Hilfswort dang, das die Zeitstufe in der<br />

Gegenwart bzw. den Bezug zum Redemoment angibt."<br />

(Raitzka 1989:116f.)<br />

Der Pluralmarker nhungwiederum gehört zu den "two sets of markers [...] which help<br />

identify substantival elements. They are plural markers ([...]) and demonstrative markers<br />

([...]). [...] All those words which are found in some instances directly following a sentence<br />

initial plural marker and/or which occur as head with a demonstrative marker as<br />

complement are substantives" (Thompson 1987: I 79, Hervorhebungen vom Autor, E.L.).<br />

Diese Marker werden wie folgt angegeben:<br />

(2.1.3) PIoral MarkersI'<br />

nh/mg plural<br />

cac plural (all of a given set)<br />

moi every<br />

mtJi each<br />

timg each (in turn)<br />

Demonstrative Markers<br />

neo which(ever)<br />

nay this<br />

no that, (an)other<br />

.i1y (the one) just referred to<br />

n.i1y (this one) just mentioned<br />

(Thompson 1987:179)<br />

Wie aus dem o.a. Zitat ersichtlich, stehen Pluralmarker präoominal, Demonstrativmarker<br />

dagegen postnominal:<br />

(2.1.4) (a) moi ngiröi<br />

jede(r) Mensch<br />

'jede Person'<br />

(b)<br />

süa<br />

Milch<br />

näy<br />

diese(r)<br />

'diese Milch'<br />

(Thompson 1987:179)<br />

"Der Begriff "Pluralmarker" ist, wie die englischen Übersetzungen zeigen, sehr weit gefaßt<br />

und gilt genau genommen nur für nh/mg und cec, während die restlichen drei entsprechend als<br />

"Singularmarker" interpretiert werden müßten. Gemeins<strong>am</strong> ist ihnen, daß die Kombination dieser<br />

Marker mit dem transnumeralen Nomen eine "singularische" bzw. "pluralische" Bedeutung der<br />

NP signalisieren.


26<br />

Ein weiteres distributionelIes Kriterium sind - wie oben in (2.1.2) schon angedeutet ­<br />

nach Raitzka (1989: 100) die folgenden Satzrahmen:<br />

(2.1.5.) (a) Bay lä .<br />

(b) B6 lä .<br />

"Das (dies/hier) ist/sind "<br />

"Das (jenes/dort) ist/sind "<br />

Dieses Kriterium basiert"auf der Eigenschaft von Substantiven, nur mit Hilfe der<br />

Kopula ta das Prädikat bilden zu können" (op.cit.:101).<br />

Als zusätzliches Merkmal für die Wortklasse Nomen wird in Raitzka (op.cit.:102) noch<br />

darauf hingewiesen, daß die "zentrale Satzgliedfunktion" <strong>des</strong> Substantivs das Subjekt ist:<br />

"Nach statistischen Untersuchungen wird das Subjekt im Vietn<strong>am</strong>esischen zu 99% durch<br />

ein Substantiv/eine Substantivgruppe oder deren Stellvertreter (Prowörter) ausgedrückt<br />

[...]" .<br />

Die Unterteilung der Nomina in Subklassen wird in den einzelnen Gr<strong>am</strong>matiken recht<br />

unterschiedlich gehandhabt So unterscheidet Thompson (1987: 181) zwischen "various<br />

subtypes of substantives": "The plural markers are numerators. Substantives which serve<br />

as numerators are numero/so Other substantives are nomina/s". Die 'nominals' sind also<br />

diej enigen Nomina, die nicht Numeratoren sind. Erstere werden wie folgt unterteilt:<br />

(2.1.6) Nominals<br />

(a) Categoricals (b)<br />

- general categoricals<br />

- classifiers<br />

nouns<br />

- relator nouns<br />

- mass nouns<br />

- indefinite nouns<br />

- item no uns (Thornpson 1987:192)<br />

Der syntaktische Unterschied zwischen den Gruppen (a) und (b) besteht darin, daß Substantive<br />

der Gruppe (a) unmittelbar mit Zahlwörtern verbunden werden können, Nomina<br />

der Gruppe (b) hingegen nicht:<br />

"There are important differences in the dass meanings of different kinds of nominals.<br />

Categoricals refer to general classes or categories of things, while nouns


27<br />

refer to more specific kinds of things. On the other hand, categoricals generally<br />

<strong>des</strong>ignate particular individual items (although they do not <strong>des</strong>cribe them specifically)<br />

while nouns (at the s<strong>am</strong>e time that they <strong>des</strong>cribe items more specifically)<br />

are vague about the exact number of iterns involved and about which ones are<br />

referred to" (Thompson 1987:193).<br />

Massennomina sind analog zum Deutschen oder Englischen nur mit Maßwärtern quantifizierbar<br />

(vgl. *zwei Sand vs, zwei Tonnen Sand); 'indefinite nouns' wie ai 'who(ever)'<br />

kommen nur mit dem Pluralmarker nhilng vor und haben normalerweise kein Komplement;<br />

die 'relator no uns' wie trong 'place inside, time within which, or total capacity'<br />

(Thompson 1987:201) sind, so suggeriert jedenfalls die Übersetzung, sicher aus semantischen<br />

Gründen nicht quantifizierbar. " Die wichtigste Gruppe stellen die 'item nouns'<br />

dar, d. h. Nomina, die diskrete Entitäten bezeichnen, "which occur with all kinds of<br />

numerators except numerals (other than ml)t)"17 (op.cit.:192). Diese 'items nouns' können<br />

Thompson zufolge nur mittels Nomina der Gruppe (a), d. h. einem 'general categorical'<br />

oder einem 'classifier', mit einem Zahlwort verbunden werden:<br />

(217) (a) Mi cai ban 'zwei Tische' (cai, con 'classifiers")<br />

zwei klf Tisch<br />

(b) Mi con ch6 'zwei Hunde'<br />

zwei klf Hund<br />

(21.8) (a) hai nguiti 'two people' (ngztm 'general categorical')<br />

ZWei Person<br />

"In Hoimg (1990:94f.) ist trong als lokale und temporale Präposition klassifiziert.<br />

l'Der Zusatz "other than mot:" wird in Thompson (1987:205) wie folgt präzisiert: "As with<br />

certain other nouns there are occasional occurrences of item nouns numerated by the number<br />

mät 'one'; in these cases the forms convey the notion 'a kind of, one sort of'", wozu folgende<br />

<strong>Beispiel</strong>e gegeben werden:<br />

(i) mot cho tot dep a handsome (breed of) dog<br />

(ii) möt c<strong>am</strong> ngon ngot a good, sweet (kind of) orange<br />

Diese <strong>Beispiel</strong>e sind allerdings für meinen Infonnanten nicht akzeptabel. Thompson (ibid.)<br />

schreibt selbst zu diesen <strong>Beispiel</strong>en in einer Fußnote: "Some linguists consider this phenomenon<br />

to be ideolectic." Weiter unten (Kap. 7) wird allerdings zu zeigen sein, daß Nomina wie ch6<br />

'Hund' und c<strong>am</strong> 'Orange' durchaus ohne Kif, und dies auch in Kombination mit anderen Zahlen,<br />

vorkommen können.


28<br />

(b) ngiröi ban<br />

Person Freund<br />

'a friend'<br />

Das wichtigste Einteilungskriterium für 'nominals' ist Thompson zufolge also, ob diese<br />

unmittelbar mit Zahlen verbindbar sind C'categoricals') oder nicht (uouns').<br />

Bei Emeneau (1951:45) ist ebenso wie in Thompson (1987) die Einteilung in klassifizierte,<br />

d. h. nicht unmittelbar mit Zahlen verbindbare, und nichtklassifizierte Nomina<br />

primär, wobei er den Unterschied wie folgt kommentiert:<br />

"Both the noun subc1asses [~ 'classified nouns' und 'nonclassified nouns', E.L.]<br />

have the s<strong>am</strong>e c1ass meaning; roughly stated, it is: 'such and such a species'. In<br />

neither subc1ass is number part of the c1ass meaning [...]. The classified noun class<br />

adds to this c1ass meaning: 'numerable only when preceded by a unit indicator<br />

(i.e., a classifier).' The nonclassified nouns, on the other hand, are 'direetly<br />

numerable' (Emeneau 1951:94).<br />

In diesem Zus<strong>am</strong>menhang weist Emeneau (ibid.) gleichzeitig darauf hin, daß "the Vietn<strong>am</strong>ese<br />

noun does not mean 'object [or specimen] of such and such a species'; it merely<br />

identifies the species without any number reference." Seine Einteilung der 'substantives'<br />

siebt wie folgt aus:<br />

(2.1.9) Substantives: (a) nouns<br />

(i) classified nouns<br />

(ii) nonclassified nouns<br />

(b) classifiers<br />

(c) numerators<br />

(d) demonstrative numerators<br />

(e) personal and place n<strong>am</strong>es<br />

(f) pronouns<br />

(i) personal and status pronouns<br />

(ii) demonstrative and interrogative pronouns<br />

(Emeneau 1951:84f)<br />

Die 'classified nouns' (a) entsprechen den o. a. '(item and mass) nouns' von Thompson.<br />

In bezug auf (a.ii) und (b) jedoch gibt es keine Entsprechung, derm beispielsweise wird<br />

cau 'Satz' von Emeneau zu den 'nonclassified nouns' gerechnet, von Thompson


29<br />

(1987: 199) dagegen zu den 'general categoricals'; Maßausdrücke wie ki-16 'Kilo' dagegen<br />

werden bei Emeneau (1951: 111) unter 'classifiers', bei Thompson (1987: 199) dagegen<br />

unter 'general categoricals' eingeordnet. Auf diese Problematik wird in Kap. 3.1.<br />

eingegangen.<br />

'Numerators' und 'demonstrative numerators' (d. h. Demonstrativ- und Pluralmarker, vgl.<br />

(2.1.3») werden zwar von Emeneau den Substantiven zugeordnet, haben aber, wie die<br />

Argumentation von Thompson (s.o.) zeigte, primär die Funktion zu signalisieren, daß<br />

das nach dem Pluralmarker (= 'numerator') bzw. vor dem Demonstrativmarker (= 'demonstrative<br />

numerator') stehende Element als Nomen zu kategorisieren ist. Dies spricht<br />

m. E. aber nicht unbedingt dafür, sie selbst zu den Nomina im engeren Sinne zu zählen.<br />

Für die Problematik der Abgrenzung von nominalen Subklassen sind noch die 'status<br />

pronouns' von besonderem Interesse. Dies sind 'nouns used as pronouns' (Emeneau<br />

1951:116), nämlich Verwandtschaftsbezeichnungen wie 6ng 'Großvater', ba 'Großmutter'.<br />

Diese werden von Thompson (1987: 198) den 'general categoricals' zugeordnet und finden<br />

sich bei Emeneau (1951:110f) auch in der Liste der 'c1assifiers' Sowohl die 'personal<br />

pronouns' wie no (uthird person singular, anaphoric; its c1ass meaning is 'an object<br />

which is thing, animal, or child', i.e., 'anything but an adult person''', S.134) als auch die<br />

o. a. 'status pronouns' sind dadurch charakterisiert, daß sie "nearly all indicate number; i.<br />

e. when not pluralized they indicate that what is referred to is one in number" (Emeneau<br />

1951: 116). Diese 'status pronouns' werden von Emeneau (1951: 116f) wie folgt beschrieben:<br />

U[...] there are cases (the vast majority) in which no uns are used as pronouns.[...]<br />

All of these status pronouns denote persons (occasionally personified animals in<br />

stories); most of them are identical with nouns denoting consanguineal relatives.<br />

They are pluralized only by cäc [= Pluralmarker, E.L.]. This word occurs also<br />

with other nouns, and these have no classifier even when they are classified<br />

nouns. [...] They can, however, be numerated by the serial numerals. In this construction<br />

they are like nonclassified nouns, and the hom onym ous nouns denoting<br />

consanguineal relatives are classified nouns" (Emeneau 1951: 116f, Hervorhebungen<br />

von mir, E.L.).


30<br />

Folgen<strong>des</strong> <strong>Beispiel</strong> wird in diesem Zus<strong>am</strong>menhang genannt:<br />

(2.1.10) (a) hai anh<br />

zwei älterer Bruder<br />

(b) hai nguöi anh<br />

zwei KIf älter.B.<br />

'the two of you' (males under forty years of age;<br />

or, eider brothers)<br />

'two eider brothers' (i. S. v. 'zwei Männer')<br />

(nglt&i 'Person, Mensch')<br />

(Emeneau 1951:117)<br />

In (2.1.10a) ist ihm zufolge anh ein nichtklassifiziertes 'Pronomen', in (2.1.1 Ob) dagegen<br />

ein klassifiziertes Nomen. Allerdings ist Emeneau selbst nicht zufrieden mit dem Begriff<br />

"It must be emphasized that, though these status pronouns are translated by<br />

English or French personal pronouns, they have as their dass meaning only 'substitution'<br />

and 'status', in the main either within areal kinship system or in a fictitious<br />

extension of this. They do not have 'person' as part of their meaning, in spite<br />

of the necessity of providing this sort of reference in English or French translation,<br />

The 'personal' reference is provided only by the context, some-times verbal<br />

[...], sometimes nonverbal [...]. Hence, the need for avoiding the term 'personal<br />

pronoun' for this subclass, and the difficulty in finding a suitable terminology - a<br />

difficulty which I feel has not been completely solved" (Emeneau 1951:117, Hervorheburigen<br />

von mir, E.L.).<br />

Die Vielfalt der unterschiedlichen Bedeutungsäquivalente in bezug auf das Deutsche<br />

bzw. die Funktionen von VerwandtschaftsbezeichnWlgen zeigt <strong>am</strong> besten ein Blick in<br />

das deutsch-vietn<strong>am</strong>esische Wörterbuch von Karow (1972:6). Dort zeigt sich, daß für<br />

das o. a. anh allenfalls Polysemie, nicht aber Homonymie vorliegt, denn Homonymie ist<br />

nur unter 11., d. h in bezug auf die chinesische Lesart, gegeben:


31<br />

(21.11) anh<br />

I. (mit Numerativ [ = KIf, E.L.] ngr1di [= 'Person', E.L.])<br />

I. älterer Bruder<br />

2. die Älteren, Notabeln<br />

3. du (a) unter Gleichaltrigen<br />

(b) Ehefrau zu Ehemann, Mädchen zum Geliebten<br />

(c) Vorgesetzter zum Untergebenen<br />

(d) pejorativ<br />

4. ich (a) älterer Bruder zu jüngeren Geschwistern<br />

(b) Mann zur Geliebten<br />

5. er (anh Ay) [~ 'dieser, jener, d.h. anaphorisch, EL.])<br />

6. Allgemeinbezeichnung für Männer (bestimmte Berufe)<br />

7. scherzhaft-liebkosend zu Tieren<br />

Ir. chinesisch:<br />

I. Blume, Blüte<br />

2. tüchtig, hervorragend<br />

3. England, englisch (Karow 1972:6)<br />

Daß Verwandtschaftsbezeichnung vs. 'status pronoun' nicht, wie von Emeneau angenommen,<br />

mit der An- vs. Abwesenheit eines KIf bzw. mit der Einordnung in klassifizierte<br />

bzw. nichtklassifizierte Nomina korreliert, zeigt folgen<strong>des</strong> <strong>Beispiel</strong>:<br />

(2.1.12) (a) öng töi 'mein Großvater/meine Großväter'<br />

Großvater ich<br />

(b) ngiröi öng ngoai töi 'mein Großvater mütterlicherseits'<br />

KIf Großvater mütterlich ich<br />

(c) hai öng ban 'zwei (alte) Freunde' (respektvoll)<br />

zwei alter Mann Freund (ong = KIf für 'Freund')<br />

(d) hai öng 'Ihr beiden (alten Männer)'<br />

zwei alter Mann<br />

Während Emeneau von 'homonymen Nomina' spricht, skizziert Thompson den o. a.<br />

Bedeutungsunterschied wie folgt:<br />

"In striking contrast to English and other European languages, the category of<br />

person is nearly an optional one in Vietn<strong>am</strong>ese [...]. On the other hand, the status<br />

of the various persons involved must nearly always be clearly stated. There is a<br />

good deal of talking in the third person, making use of nouns and general catego-


32<br />

rieals denoting f<strong>am</strong>ily relationships, professions and the like, when actually the<br />

speaker may refer to him self or 10 his hearer. This is not unlike the practice in<br />

many American f<strong>am</strong>ilies of using third person forms (rather than I and you) with<br />

small children - 'Johnny can do it if he tries,' 'Daddy has to go to work now', etc.<br />

But while this is 'baby talk' in English, it is an integral part of the normal system<br />

in Vietn<strong>am</strong>ese" (Thompson 1987:293, Hervorhebungen von mir, E.L.).<br />

Auch in Nguyen (1979:75) wird auf die Komplexität der Verwendung von Verwandtschaftsbezeichnungen<br />

hingewiesen. Wichtig ist für eine angemessene Situierung der<br />

Rede, daß "der Sprecher die eigene soziale Position sowie die <strong>des</strong> Hörers richtig einschätzen<br />

muß." Der Satz Ich gehe m it dir kann abhängig vom Verwandtschaftsverhältnis<br />

wie folgt ausgedrückt werden (ba 'Vater', con 'Kind', me 'Mutter', em 'jüngerer Bruder',<br />

anh 'älterer Bruder',<br />

i 'gehen', vdi 'mit'):"<br />

(2.1.13)<br />

(a) Der Vater zum Kind<br />

(b) Die Mutter zum Kind<br />

(c) Das Kind zum Vater<br />

(d) Das Kind zur Mutter<br />

(e) Der jüngere Bruder zum älteren<br />

(f) Der ältere Bruder zum jüngeren<br />

Sprecher<br />

Ba di vdi<br />

M


33<br />

minimalen NPs werden von Emeneau (1951:85) wie folgt kommentiert: "A nonnumerated<br />

substantive phrase has neither numerator nor demonstrative numerator and lacks any<br />

indication of number or individuation; that is, when there is no explicit indication of<br />

number, a noun is entirely free from reference to the number category".<br />

(2.2.1) chim bay<br />

Vogel fliegen<br />

(2.2.2) töi muön mua säch<br />

ich wollen kaufen Buch<br />

'Birds fly'<br />

'I want to buy book( s).'<br />

(DUC1ng 1971:122)<br />

(Emeneau 1951: 85)<br />

Nun ist genau genommen (2.2.1) außerhalb <strong>des</strong> Kontextes nicht nur als Satz, sondern<br />

auch als NP interpretierbar, nämlich als 'Vögel, die fliegen'. Wenn derartige Ambiguitäten<br />

auftreten, muß die NP als solche formal gekennzeichnet werden; darin besteht die<br />

syntaktische Funktion der in (2.1.3) aufgeführten Demonstrativmarker, die <strong>am</strong> Ende<br />

einer NP stehen bzw. diese als solche identifizieren und gleichzeitig die Konstituentengrenze<br />

markieren; alle auf diese Demonstrativmarker folgenden Elemente können also<br />

nicht mehr Bestandteil derselben sein.<br />

Auf die potentielle Ambiguität von Satz, NP und Kompositum und die d<strong>am</strong>it einhergehende<br />

fehlende formale Unterscheidung zwischen Satz-, NP- und Wortebene wird u. a.<br />

auch in Hoang (1990: 14) hingewiesen, der dies an folgenden <strong>Beispiel</strong>en erläutert:<br />

"Hilfswörter brauchen nicht verwendet zu werden, wenn die Bedeutung aus dem Kontext<br />

oder der Situation eindeutig hervorgeht oder das (Voll-)Wort in seiner Bedeutung<br />

eindeutig ist":<br />

(2.2.3) (a) BQ läm<br />

Vater machen<br />

'Vater macht es.'<br />

(b)<br />

BQ<br />

Vater<br />

cay<br />

pflügen<br />

ruöng<br />

Feld<br />

'Vater pflügt das Feld'


Obwohl die nun folgenden <strong>Beispiel</strong>e "formal die gleiche Struktur" haben wie (2.2.3),<br />

sind diese "ohne (Situations-)Kontext jedoch nur Wortverbindungen oder Komposita"<br />

34<br />

(2.2.4) (a) ngiröi Iäm 'Lohnarbeiter'<br />

Mensch arbeiten<br />

(b) riguöi cay ruöng 'Pflüger'"<br />

Mensch pflügen Feld<br />

Um eine eindeutige Lesart wie 'Der Mensch arbeitet', 'Der Mensch pflügt das Feld' zu<br />

erhalten, "müssen Hilfswörter verwendet werden":<br />

(2.2.5) (a) Ng1iili<br />

~<br />

ay dang lärn 'Der Mensch arbeitet.'<br />

Mensch dies Zeitp artikel arbeiten<br />

(Gegenwart)<br />

(b)<br />

Ngiröi<br />

~<br />

ay dang cay däm ruöng 'Der Mensch pflügt das Feld.'<br />

Mensch dies Zeitp. pflügen Kif Feld<br />

Auf die Relevanz der Demonstrativpartikel zur NP-Markierung weist auch Dl1C11lg<br />

(1971:191f.) hin, und zwar im Zus<strong>am</strong>menhang mit possessiven NPs; <strong>Beispiel</strong> (2.2.6a) ist<br />

systematisch <strong>am</strong>big zwischen einer Lesart als NP oder Satz, da das Lexem cua sowohl<br />

als Nomen ('Besitz') als auch als Verb ('gehören') interpretiert werden kann. Diese Ambiguität<br />

kann entweder durch die Kopula Ja. (cUa ist dann nominal zu interpretieren, vgL<br />

(2.2.6b» oder eine Demonstrativpartikel wie na.y'diese(r)' aufgelöst werden, wobei in<br />

letzterem Fall ciie das verbale Prädikat bildet (2.2.6c):<br />

(2.2.6) (a) cai 8.0 cUa t6i (i) 'This dress is mine'<br />

Kif Kleid gehören/Besitz ich (ii ) 'This dress of mine'<br />

(b) cai 8.0 la cUa t6i 'This dress is mine'<br />

Kif Kleid Kopula Besitz ich<br />

"Nach Auskunft meines Inform anten sind auch diese <strong>Beispiel</strong>e als vollständige Sätze interpretierbar<br />

('Leute arbeiten', 'Leute pflügen Felder'). Komposita vom Typ (2.2.4) werden in Kapitel<br />

(2.3) beschrieben.


35<br />

(c) cai ao näy cüa töi<br />

Kif Kleid dies gehören ich<br />

"This dress is mine'<br />

Die Struktur einer komplexen NP bzw. die Anordnung der einzelnen Lexeme ist in<br />

Emeneau wie folgt dargestellt:<br />

Numerator<br />

I<br />

Classifier Classified noun I<br />

I<br />

I±Attribute(s)<br />

I<br />

Nonclassified Noun I<br />

Demonstrative<br />

numerator<br />

Abb, 2.1 Struktur der vietn<strong>am</strong>esischen NP (Emeneau 1951:85)<br />

Dabei urnfaßt 'Numerator' neben den in (2.1.3) angegebenen Pluralmarkern auch sämtliche<br />

Kardinalzahlen. <strong>Eine</strong> ausführliche Liste aller in dieser Position möglichen 'plural<br />

particles' ist in Duong (1971: 113f.) enthalten. Dabei unterscheidet sie zwischen 21 einfachen<br />

Pluralpartikeln (z. B. ca 'all') und 27 zus<strong>am</strong>mengesetzten Pluralpartikeln (z. B. tiit<br />

ca 'all'], wobei sie allerdings selbst darauf hinweist, daß die in Thompson genannten<br />

Pluralmarker (s. o. (2.1:3» die <strong>am</strong> häufigsten vorkommenden sind. Auch bei ihr ist der<br />

Ausdruck 'Plural' i. S. v . 'quantitative Angabe zu verstehen, denn in der Liste sind auch<br />

Partikeln wie moi 'each' bzw. mYa 'half' enthalten. Diese Partikeln unterscheiden sich z.<br />

T dadurch, daß sie nur "before countable nouns" stehen können, andere dagegen "before<br />

countable and uncountable nouns", wieder andere wie cäc 'all' sind "vague". Was sie<br />

genau unter zählbaren und nichtzählbaren Nomina versteht, ist nicht klar. <strong>Beispiel</strong>e wie<br />

die in (2.2.7) (s. u.) angegebenen weisen jedoch darauf hin, daß sie diese Begriffe semantisch<br />

interpretiert, es sich also um diskrete bzw. nicht-diskrete Entitäten bezeichnende<br />

Nomina handelt, denn nhi§ll ist mit 'many (occurring before countable and uncountable<br />

nouns)' glossiert.<br />

Auch in Tnrong (1971 :295ff.) werden Partikel wie nhtsu 'grande quantite, beaucoup de'<br />

bzw. ft 'petite quantite, peu de' ausführlich beschrieben: "Le substantif principal etant


pris dans le sens indetermine, n'a ni specificatif [= Kif, E.L.], ni numeral de mesure"<br />

(ibid.), wie die folgenden <strong>Beispiel</strong>e zeigen:<br />

36<br />

(2.2.7) (a) nhieu nha<br />

viel Haus<br />

'beaucoup de maisons'<br />

(b)<br />

nhiöu ntqu<br />

viel Alkohol<br />

'beaucoup d'alcool'<br />

(c) ft sach<br />

wenig Buch<br />

'une petite quantite de livres'<br />

(Truong 1971:295)<br />

Gerade aber im Zusanrmenhang mit nhieu, das ja nach Duong (1971:113) sowohl mit<br />

zählbaren als auch mit nichtzählbaren Nomina kombiniert werden kann, wird deutlich,<br />

daß zwischen einer kollektiven und einer distributiven Interpretation der NP unterschieden<br />

werden kann (was sich auch im Deutschen nachvollziehen läßt):<br />

(2.2.8) (a) bao nhieu<br />

wieviel<br />

c<strong>am</strong><br />

Orangenbaum<br />

'wieviel Orangenbäume?'<br />

(b) bao nhieu cäy c<strong>am</strong><br />

wieviel Kif Orangenbaum<br />

'wieviele Orangenbäume?'<br />

(eay 'PflanzeIBaum und KIf für<br />

Pflanzen/Bäume'} (Tnrong 1971:299)<br />

Hierzu gehört auch cäc, in Duong (1971:113) glossiert mit 'all (vague)':<br />

(2.2.9) (a) cac 20 ban<br />

alle Freund<br />

'alle Freunde'<br />

(b) cäc ngiröi ban 'jeder Freund'<br />

alle Kif Freund<br />

Für die in Abb. 2.1: genannte Variation zwischen klassifizierten und nichtklassifizierten<br />

Nomina gibt Emeneau folgende <strong>Beispiel</strong>e, die gleichzeitig die NP-Struktur verdeutlichen<br />

sollen:<br />

"Entsprechend sind in Karow (1972:83) folgende Übersetzungsäquivalente angegeben: cdc<br />

'I. jeder (einzelne); 2. alle (Pluralbildner)'.


37<br />

(2.2.1 0) klassifizierte Nomina:<br />

(a)<br />

hai<br />

zwei<br />

-e<br />

cal cong<br />

KIf Eingangstor<br />

'two gates'<br />

(b)<br />

~ ~<br />

cai cong ay<br />

Kif Eingangstor<br />

dies<br />

'that gate'<br />

R<br />

(c) hai cäi cong<br />

zwei Kif Eingangstor<br />

(2.2.11) nichtklassifizierte Nomina<br />

ay<br />

dies<br />

'those two gates'<br />

(a) hai chuyen 'two stories'<br />

zwei Geschichte<br />

(b) chuyen ay<br />

~ 'that story'<br />

Geschichte dies<br />

(c) hai chuyi[\n<br />

~<br />

ay 'those two stories'<br />

zwei Geschichte dies (Emeneau 1951:84)<br />

Die von Emeneau als 'numerator' bezeichneten lexikalischen Angaben, d, h. solche, die<br />

in irgendeiner Weise quantitative Bedeutung haben, stehen pränorninal; alle Arten von<br />

Attribut sind auf die postnominale Position festgelegt:<br />

(2.2.12) cai cÖng<br />

KIf Eingangstor<br />

go<br />

Holz<br />

Ion<br />

groß(sein)<br />

kia 'that big wooden gate'<br />

Jenes (Emeneau 1951:84)<br />

Auch bei diesen <strong>Beispiel</strong>en zeigt sich, welch wichtigen Stellenwert die Demonstrativmarker<br />

als Signalisierung der Konstituentengrenze einer NP haben: "If a post-determiner<br />

[= Demonstrativmarker. E.L] occurs in a noun cluster, it must occur as the last item<br />

[...[. Any lexeme or construction occurring after a pdst-determiner, therefore, cannot<br />

belong to the preceding cluster" (Dinmg 1971:135). Ohne Einfügung von kia 'jene(s)'<br />

wäre dieses <strong>Beispiel</strong> auch als Satz ('Das hölzeme Eingangstor ist groß') zu interpretieren.<br />

Der Grund dafür liegt in der Tatsache, daß die Wortklasse Adjektiv im Vietn<strong>am</strong>esischen<br />

nicht existiert Lexeme wie Mn 'groß (sein)',<br />

ep 'schön (sein)' sind statische


Verben, die Eigenschaften bezeichnen. Sie unterscheiden sich von anderen statischen<br />

Verben dadurch, daß sie nach Honey (1972) mit rat 'sehr' modifizierhar sind:<br />

38<br />

(2.2.13) Ng6i 21 nhä nay rat hep<br />

wmg house this very small<br />

'This house is very small.'<br />

(Honey 1972:278)<br />

Während bei nominalen Prädikaten die Kopula Ja der Des<strong>am</strong>biguierung zwischen NP<br />

und Satz dient (s. o. (2.2.6)), wird bei dieser Art von Ambiguität, bei der ein statisches<br />

Verb sowohl prädikativ als auch attributiv interpretierbar ist, die Partikel thJ verwendet,<br />

die in Karow (1972:782) als Konsekutivpartikel: '(wenn) ... dann', glossiert ist. Darauf<br />

wird auch in Duong (1971: 161) hingewiesen, wo es heißt, daß der "special 'subject-complement<br />

separator thi is frequently used to mark the borderline between a subject and a<br />

complement". Die Ambiguität wird an folgendem <strong>Beispiel</strong> illustriert:<br />

(2.2.14) Gän rmjc thi Elen, gän Elen thl rang.<br />

Near ink then black near l<strong>am</strong>p then bright<br />

'(What is) near ink (becomes) black, (what is) near a l<strong>am</strong>p (becomes) bright.'<br />

(DI1C111g 1971:161)<br />

Dazu heißt es:<br />

"The 'subject-complement separator' thi marks the boundary between the subject and<br />

the complement [= Prädikat, E.L.] in each clausid [~ Teilsatz, E.L.]. Without the thi,<br />

the modifiers den and rilng would become part of the objects of the prepositions gan<br />

and gan - that is, they would become part of the noun clusters [= NP, EL] nWc den<br />

'black ink' and den TillJg'(a bright) l<strong>am</strong>p', with den and rilngfunctioning as adjectivals<br />

modifying the nucleus nouns m!fc and den" (DI1C111g 1971:161).<br />

Soweit zur Abgrenzung der NP vom Satz und zu den beiden Markern, die für die NP­<br />

Grenze konstitutiv sind. Das in Abbildung 2.1 genannte (postnominale) Attribut "may be<br />

noun, numerator (rarely), pronoun, personal n<strong>am</strong>e (rarely), verb or verb phrase, or COIDplete<br />

predication (sometimes introduced by ma [= Relativpartikel, E.L.])[...]" (Emeneau<br />

1951:45). Noch genauer sind die einzelnen Positionen in der NP in Direng (1971:112)<br />

"Zu ngdi als KIf für Häuser s. Anhang C, Nr. 65.


39<br />

aufgeführt; ihr zufolge unterscheiden sich die einzelnen Attribute durch ihre relative<br />

Position zueinander (die Positionen (5) bis (10) entsprechen den Attributen von Emeneau):<br />

(I) A plural particle andJor a cardinal number<br />

(2) An identifier [= 'identifier cät bzw. 'extra cäi, E.L.]<br />

(3) A pre-deterruiner [= Kif, E.L.]<br />

(4) The nucleus (or 'Head Word')<br />

(5) An adjunct<br />

(6) Modifiers of shape andJor color<br />

(7) An ordinal numeral cluster<br />

(8) A phrase<br />

(9) A possessive<br />

(10) An included clausid [= Teilsatz, E.L.]<br />

(11) A post-determiner [= Demonstrativmarker, E.L.]<br />

Abb. 2.2<br />

Reihenfolge der postnominalen Attribute innerhalb der NP<br />

(Duong 1971: 112f.)<br />

Die direkt dem nominalen 'Head' der NP folgende Position ('adjlll1ct') (5) hat, wie die<br />

<strong>Beispiel</strong>e in Dirong (1971 :122ff.) zeigen, unterschiedliche Funktionen. Zum einen umfaßt<br />

sie Maß- bzw. Kollektivangaben (2.2.15a und b); dabei wird interessanterweise die<br />

Maßangabe als Nukleus ('Head Word') der Konstruktion angesehen, während Klfen im<br />

engeren Sinne als 'Pre-determiners' (prd) und d<strong>am</strong>it nicht als Nuklei aufgefaßt werden<br />

(2.2.16), d.h. hier wird im Gegensatz zu Emeneau eine klare Abgrenzung zwischen Maßund<br />

KIf-Konstruktionen gemacht:<br />

(22.15) (a) mi)t miöng banh 'one slice of bread'<br />

one prece bread<br />

nucleus adjunct (Dirong 1971:122)<br />

(b) mi)t dan t<strong>am</strong> con chim 'a flock of eight birds'<br />

one flock eight elf bird<br />

nucleus adjunct (Duong 1971:124)


40<br />

(2.2.16) (a) nhüng con ngua<br />

plural prd horse<br />

[= klf, E.L.) nucleus<br />

'many horses'<br />

(b)<br />

näm cäi<br />

five prd<br />

[= klf, EL.)<br />

ghe<br />

chair<br />

nucleus<br />

'five chairs'<br />

(Duong 1971:117)<br />

Femer finden sich in dieser Position "gender particles" für Pflanzen, Tiere und Menschen,<br />

d. h. Sexus wird, wenn nötig, in dieser Position markiert:<br />

(2.2.17) (a) cäy du du cM 22<br />

tree papaya<br />

female<br />

'a female papaya tree'<br />

(b)<br />

nginri<br />

person<br />

dän öng<br />

male<br />

'a man'<br />

(Duong 1971:123)<br />

Die Adjunktposition kann auch durch ein Verb besetzt sein; da aber hier der besondere<br />

Bereich der Abgrenzung von Nominalkomposita zur NP angesprochen ist, möchte ich<br />

diese Frage in einem separaten Abschnitt (s. u. (2.3)) behandeln.<br />

Die anderen von Direng (1971) in Abbildung 2.2 genannten Positionen (6) bis (10) sind<br />

relativ unproblematisch. Der Vollständigkeit halber wird im folgenden jeweils ein <strong>Beispiel</strong><br />

genannt: <strong>Beispiel</strong> (2.2.18) zeigt die Verwendung von Modifikatoren (Form bzw.<br />

Farbe), wobei schon oben (<strong>Beispiel</strong> (2.2.13)) darauf hingewiesen wurde, daß es sich bei<br />

diesen 'Adjektiven' um statische Verben handelt (2.2.19):<br />

"Die Schwierigkeit, Lexeme im Vietn<strong>am</strong>esischen einzelnen Wortarten zuzuordnen, zeigt<br />

sich besonders an Lexemen wie cai, das in seiner 'nominalen' Bedeutung als 'Ding' übersetzt<br />

werden kann und als der sog. 'generelle Klassifikator' angesehen wird (zu diesem generellen Kif<br />

s. u. Kap. 5.3 und 5.4).


(2.2.18) (a) cai bän vuöng den<br />

prd table square black<br />

[= klf, E.L.]<br />

41<br />

'a square black table'<br />

(DI101lg 1971:128)<br />

(2.2.19) (a) me hien töi<br />

Mutter gütig ich<br />

(b) me töi hiön<br />

Mutter ich gütig<br />

'meine gütige Mutter'<br />

'meine Mutter ist gütig'<br />

Kardinalzahlen, die als solche pränominal verwendet werden (2.2.20a), entsprechen in<br />

postnominaler Position und in Verbindung mit Nomina wie thd'Rang' oder hiwg 'Klasse'<br />

unseren Ordinalzahlen (2.2.20b):<br />

(2.2.20) (a) ba con ch6 träng<br />

drei klf Hund weiß<br />

'drei weiße Hunde'<br />

(b) con ch6 träng<br />

k1f Hund weiß<br />

thtr ba 'der dritte weiße Hund'<br />

Rang drei (DI101lg 1971129)<br />

Wie schon aus (2.2.19b) ersichtlich, gilt generell, daß in Possessivkonstruktionen der<br />

Possessivrnarker cM' nicht ausgedrückt zu werden braucht, wenn ein Personalpronomen<br />

bzw. eine der als Anredeform verwendeten Verwandtschaftsbezeichnungen (s. o.<br />

(2.1.13) vorliegt:<br />

(2.2.21) (a) lang cüa töi" 'my village'<br />

village belonging to me<br />

(b) lang töi<br />

village me<br />

'my village'<br />

(DI101lg 1971:131)<br />

"Die Wortart von cua ist umstritten; dieses Lexem wird teils als 'Besitz', teils als 'gehören<br />

zu' glossiert und ist wohl den in (2.1.1) genannten zuzurechnen; in Karow (1972:173) wird<br />

neben diesen beiden Lesarten noch die Funktion "Genitivbildner" angegeben.<br />

24Das Personalpronomen" toi 'ich' ist ebenfaJls ein Nomen und wird auch noch in seiner<br />

ursprünglichen Bedeutung 'Untertan, Diener, Knecht' verwendet.


42<br />

Ein <strong>Beispiel</strong> für ein 'inc1uded c1ausid' bzw. einen Attributsatz ist in (2.2.22) aufgeführt.<br />

Zur Verdeutlichung kann zwischen NP und Attributsatz noch ms eingefügt werden:<br />

"The clausid inc1uder ms is sometimes omitted if its omission does not cause <strong>am</strong>biguity.<br />

(Cf. the frequent omission of the inc1uder that in adjectival c1auses in English)" (Dirong<br />

1971:134):<br />

(2.222) (a) nhä<br />

house<br />

chüng'"<br />

plural<br />

töi<br />

I<br />

a<br />

live<br />

'the house we live (in)'<br />

(b) con bö töi mua<br />

prd cow I buy<br />

[= KIf, E.L.]<br />

hörn qua<br />

day past<br />

'the cow I bought yesterday'<br />

Soweit zu den einzelnen Positionen innnerhalb der NP. Am <strong>Beispiel</strong> der in Abb. 2.2.<br />

aufgeführten Adjunktposition (5) möchte ich im nächsten Abschnitt auf die Probleme<br />

eingehen, die sich bei der Abgrenzung zwischen (komplexer) Wortebene (Kompositum)<br />

und syntaktischer Ebene (NP) ergeben.<br />

2. 3. Das Nominalkompositum<br />

An der Adjunktposition läßt sich, wie die bisherige Diskussion zeigte, besonders deutlich<br />

die Schwierigkeit erkennen, zwischen komplexer Wortebene und syntaktischer<br />

Konstruktion zu unterscheiden. In diesem Sinne argumentiert auch Thompson<br />

(1987: 127) "Compounds are perhaps the least understood elements of Vietn<strong>am</strong>ese<br />

gr<strong>am</strong>mar." Die Probleme, die bei der Abgrenzung zwischen Kompositum und NP auftauchen,<br />

lassen sich <strong>am</strong> besten anhand <strong>des</strong> Französischen erklären, denn in beiden Sprachen<br />

gilt, daß sowohl in der NP als auch bei den hier relevanten Komposita die Reihenfolge<br />

Head-Modifier vorliegt, in dieser Hinsicht also keine Unterschiede zwischen den<br />

"Das hier mit Plural glossierte Lexem clning' wird bei den als Pronomina verwendeten<br />

Nomina wie z. B. toi 'ich' zur Signalisierung von Mehrzahl verwendet und bedeutet eigentlich<br />

'(Menschen-)Menge', daher chling täi 'wir'. In Karow (1972:150) ist als eine der gr<strong>am</strong>matischen<br />

Funktionen entsprechend auch 'Pluralbildner' angegeben.


43<br />

beiden Ebenen vorliegen. Die Unterschiede zwischen beiden Ebenen zeigen sich im<br />

Französischen zum einen durch die Präposition de (Kompositum), zum anderen durch<br />

den Teilungsartikel <strong>des</strong> (NP). Derartige formale Unterscheidungen existieren im Vietn<strong>am</strong>esischen<br />

nicht, d. h. (2.3.2) ist zunächst systematisch <strong>am</strong>big:<br />

(2.3.1) (a) un bouquet de fleurs<br />

FRZ (b) un bouquet <strong>des</strong> fleurs rouges<br />

'ein Blumenstrauß<br />

'ein Strauß rote(r) Blumen'<br />

(2.3.2)<br />

VIET<br />

möt b6 hoa<br />

ein Strauß Blume<br />

(i) 'ein Blumenstrauß'<br />

(ii) 'ein Strauß Blumen'<br />

Daß aber auch im Französischen die Präposition de nicht konstitutiv für ein Kompositum<br />

ist, zeigt folgender Vergleich:<br />

(2.3.3) (a)<br />

FRZ (b)<br />

(c)<br />

la robe de nuit<br />

la robe de Louise<br />

la robe de ma mere<br />

'das Nachthemd' (Kompositum)<br />

'das Kleid von Luise' (NP)<br />

'das Kleid meiner Mutter' (NP)<br />

Dieses <strong>Beispiel</strong> illustriert, daß für den Status als Kompositum zum einen die Wortart<br />

(Gattungs- vs. Eigenn<strong>am</strong>e), zum anderen der Status <strong>des</strong> Attributs als referentielle und<br />

d<strong>am</strong>it syntaktisch bezugsfähige NP wie in (2.3.3b und c) (Louise, ma mere) ausschlaggebend<br />

ist, während nuit ohne Artikel keine referentielle NP bildet, (2.3.3a) dementsprechend<br />

nur als Kompositum interpretierbar ist. Wie schon oben gezeigt, muß dagegen<br />

im Vietn<strong>am</strong>esischen eine referentielle NP nicht als solche markiert sein, d.h. ein Nomen<br />

kann sowohl als minimale (referentielle) NP als auch als reines Nomen und d<strong>am</strong>it als<br />

Bestandteil eines Kompositums interpretiert werden. Wie weit diese Ambiguität geht,<br />

zeigt folgen<strong>des</strong> <strong>Beispiel</strong>: nglf(Jj fianh ce, wörtl. 'Mensch fangen Fisch' ist je nach Kontext<br />

sowohl als Satz, als NP und auch als Kompositum interpretierbar. <strong>Eine</strong>n Hinweis<br />

zur Unterscheidung gibt die Intonation: In (2.3.4a) wird die Grenze zwischen Subjekt<br />

und Prädikat durch eine Pause signalisiert (symbolisiert durch "I"), was in dem entsprechenden<br />

Kompositum (2.3.4c) nicht möglich ist:<br />

(2.3.4) (a) ngttai 1 dänh cä<br />

Mensch fangen Fisch<br />

'ein MenschlLeute fängt/fangen Fische'


44<br />

(b) ngu'iJi aanh ca<br />

Mensch fangen Fisch<br />

(c) ngl1iJi äänh ca<br />

Mensch fangen Fisch<br />

'ein MenschlLeute, der/die Fische fängt/fangen'<br />

'(professionelle(r)!) Fischer'<br />

<strong>Beispiel</strong> (2.3.4c) mit seiner habituellen Interpretation zeigt deutlich, daß der 'übersummative'<br />

Charakter, der Komposita von den entsprechenden NPs auch in anderen Sprachen<br />

unterscheidet, durchaus im Vietn<strong>am</strong>esischen vorhanden ist. Die Schwierigkeit besteht<br />

darin, daß keine formale bzw. graphische Markierung vorliegt, sondern lediglich<br />

die Intonation bzw. der Kontext eindeutig macht, welche Interpretation von den in<br />

(2.3.4) genannten Möglichkeiten vorliegt. Daß auch nicht von Lexikalisierung gesprochen<br />

werden kann, zeigen die nächsten beiden <strong>Beispiel</strong>e, denn ngzfCli 'Mensch' ist durch<br />

ong'alter Mann' bzw. be 'alte Frau' ersetzbar; die Interpretationsmöglichkeiten entsprechen<br />

denen in (2.3.4):<br />

(2.3.5) (a) öng danh cä<br />

alter Mann fangen Fisch<br />

(b) bä danh cä<br />

alte Frau fangen Fisch<br />

'alter Fischer'<br />

'alte Fischersfrau'<br />

Dieser Typ von Kompositum, der in etwa den Rektionskomposita <strong>des</strong> Deutschen entspricht,<br />

ist sehr produktiv, daher noch folgende <strong>Beispiel</strong>e:<br />

(2.3 .6) ngl1iJi ban<br />

Mensch verkaufen<br />

sach<br />

Buch<br />

(i) 'ein Mensch/Leute, der/die Bücher verkauft/<br />

verkaufen'<br />

(ii) 'Buchhändler'<br />

(2.3.7) ngtröi di du lieh bang mäy bay<br />

Mensch gehen reisen mit Flugzeug<br />

(i) ein MenschlLeute, der/die mit dem Flugzeug reist/reisen'<br />

(ii) Flugreisende(r)<br />

Folgt dieser komplexen NP (2.3.8a) bzw. dem Kompositum (2.3.8b) ein verbales Prädikat,<br />

schließt dies normalerweise die Möglichkeit aus, daß es als Satz interpretiert wird


(2.3.8) (a) [nguiri Idänh ca]yp]NP cr bien<br />

Mensch fangen Fisch sich befinden Meer<br />

'Auf dem Meer ist ein Mensch/sind Leute, der/die Fische fängt/fangen.'<br />

45<br />

(b) lngiröi sänh ca]N1NP cr bi13n<br />

Fischer sich befinden Meer<br />

'Auf dem Meer ist ein Fischer/sind Fischer.'<br />

Zumin<strong>des</strong>t potentiell sind die <strong>Beispiel</strong>e in (2.3.8) allerdings auch als 'Menschen fangen<br />

Fische und befinden sich auf dem Meer' o. ä. interpretierbar, was aber in diesem Fall<br />

auch semantisch nicht sinnvoll ist. Derartige <strong>Beispiel</strong>e zeigen deutlich, daß die Konstituentengrenzen<br />

mehr oder weniger je nach Bedarf 'verschiebbar' sind. Um nun eine derartige<br />

Des<strong>am</strong>biguierung, wenn sie nötig ist, zu vermeiden, wenn also zwischen Satz und<br />

Kompositum unterschieden werden muß, gibt es zur Des<strong>am</strong>biguierung einen Konstruktionstyp,<br />

der in den vietn<strong>am</strong>esischen Gr<strong>am</strong>matiken als m


46<br />

"Every language seems to have some troublesome borderline cases (in English, for<br />

ex<strong>am</strong>ple, are jack-in-the-pulpit and jack 0/ all tra<strong>des</strong> words or phrases?). Perhaps<br />

there seem to be more problems of this sort in Vietn<strong>am</strong>ese because investigation<br />

of them has been so limited to date. The pattern which emerges is not too clear,<br />

and precise definitions are difficult to make. However, it seems useful to present<br />

the salient facts here with the w<strong>am</strong>ing that this aspect 0/ the language invites a<br />

great deal more study" (Thompson 1987:126, Hervorhebung von mir, EL.).<br />

Komposita werden natürlich in allen Gr<strong>am</strong>matiken <strong>des</strong> Vietn<strong>am</strong>esischen beschrieben. Im<br />

folgenden werde ich der systematischen Einteilung in Thompson (1987:126ff.) folgen,<br />

der diese wie folgt untergliedert."<br />

Compounds<br />

idiom compounds syntactic compounds nonsyntactic compounds<br />

generalizing compounds reinforcing cornpounds<br />

specializing compounds<br />

attributive compounds<br />

Abb. 2.3: Einteilung der vietn<strong>am</strong>esischen Komposita nach Thompson (1987)<br />

Mit der Unterscheidung zwischen syntaktischen und nichtsyntaktischen Komposita ist<br />

die schon o. a. Gemeins<strong>am</strong>keit bezüglich der Anordnung Head - Modifier sowohl auf<br />

Phrasen- als auch auf Wortebene gemeint: "[S]yntactic compounds typically are paralleled<br />

by syntactic phrases which contain the s<strong>am</strong>e elements in the s<strong>am</strong>e order; nonsyntactic<br />

compounds have no such parallel phrases" (Thompson 1987: 126f.). Im folgenden<br />

werden die einzelnen Kompositionstypen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der<br />

Abgrenzung zur NP, skizziert<br />

"Neben den Komposita beschreibt Thompson (1987:133-138) auch sog. 'Pseudokomposita'.<br />

Diese haben einen wichtigen Stellenwert im Vietn<strong>am</strong>esischen und werden in allen einschlägigen<br />

Gr<strong>am</strong>matiken ausführlich behandelt. Sie zeichnen sich dadurch aus, daß zumin<strong>des</strong>t eines der<br />

beiden Kompositionselemente nur gebunden vorkommt. Da dieser Kompositionstyp für die<br />

vorliegende Untersuchung nicht relevant ist, werde ich darauf nicht näher eingehen.


47<br />

2. 3. I. Idiomatische Komposita<br />

Bei den idiomatischen Komposita liegt ebenfalls die auf Phrasenebene vorliegende Reihenfolge<br />

vor; sie werden aber von Thompson separat behandelt, da sie "irregularity in<br />

correspondence of meanings" besitzen; dagegen sind die syntaktischen Komposita dadurch<br />

ausgezeichnet, daß bei ihnen "a more or less consistent relationship between the<br />

meanings of the compounds and the phrases they parallel" vorliegt. Dies bedeutet, daß<br />

die vorliegende Abgrenzung zwischen idiomatischen und syntaktischen Komposita vorwiegend<br />

semantisch begründet ist. Ein weiterer Unterschied zwischen beiden Kompositionstypen<br />

besteht ihm zufolge darin, daß "[c]ompounds are morpheme sequences with<br />

two immediate constituents generally occurring with a heavier stress on the second<br />

constituent [...]. One kind of compound is further marked phonologically: Idiom compounds<br />

have weak stress with their first syllable in ordinary (non-contrastive) contexts"<br />

(op.cit.: 126). Hier ist natürlich schon zu fragen, wo eigentlich der Unterschied zwischen<br />

"schwachem Akzent auf der ersten Silbe" (Komposita) und "stärkerem Akzent auf der<br />

zweiten Konstituente" (idiomatische Komposita) liegen soll. Zunächst zwei von Thompson<br />

(l987:127f) genannte <strong>Beispiel</strong>e (""" signalisiert den schwachen, " , " den starken<br />

Akzent):<br />

(2.3.10) (a) -bä con<br />

(b) bä eon<br />

'[be] related: biJ. grandmother, con child' (Kompositum)<br />

'[al ehild's grandmother' (NP)<br />

(a') Öng äy<br />

er<br />

"bä 'con<br />

verwandt<br />

"vdi<br />

mit<br />

töi<br />

ich<br />

'He's related to me'<br />

(b') Ba eon "ai 'ehe röi<br />

Großmutter ich gehen Markt schon<br />

'My grandmother's gone to market (said by a child to its parent)'<br />

(Thompson 1987127)<br />

Die Argumentation bezüglich der Intonationsunterschiede ist für meinen Iuformanten<br />

allerdings nicht nachvollziehbar; die jeweilige Interpretation zwischen 'verwandt sein'<br />

und 'meine Großmutter' ist davon völlig unabhängig. <strong>Beispiel</strong> (2.3.lla) zeigt, daß trotz<br />

einer mit (2.3.1 Da') identischen Position und Intonation eine Lesart vorliegt, die der in


48<br />

(2.3.1 Ob) entspricht; umgekehrt ist es auch möglich, die in (2.3.lOa) angegebene Intonation<br />

als NP zu interpretieren, und zwar mit kontrastiver Bedeutung (2.3.11b):<br />

(2.311) (a) Ba con vdi töi lä öng Giäp.<br />

verwandt mit ich sein Herr Giap<br />

'Der mit mir Verwandte ist Herr Giap.'<br />

(b)<br />

°Ba<br />

Großmutter<br />

, con<br />

ich<br />

'meine Großmutter'<br />

(c) Ba (cua) con<br />

Großmutter (Besitz) ich<br />

'meine Großmutter, die Großmutter von mir'<br />

Daraus ergibt sich, daß die einem (verbalen) Prädikat entsprechende Lesart 'verwandt<br />

sein (mit)' erstens von der Position im Satz, d. h. der nach dem Subjekt folgenden Prädikatsposition<br />

abhängt (in (2.3.IOa') ist die Konstituentengrenze <strong>des</strong> Subjekts eindeutig<br />

durch den Demonstrativmarker aymarkiert), und zweitens in der Subjektposition selbst<br />

nur eine nominale Lesart möglich ist, die wiederum zwei Interpretationen ('der mit mir<br />

Verwandte' bzw. 'meine Großmutter') zuläßt. Intonation ist dafür nicht entscheidend. Ein<br />

wesentlich handfesteres Kriterium ist dagegen die Möglichkeit, bei einer NP wie in<br />

(2.3.llb) den Possessivmarker ciis 'Besitz, gehören' einzufügen (2.3.llc), der aber meistens,<br />

d. h. wenn die Lesart eindeutig ist, weggelassen wird." Ein weiteres <strong>Beispiel</strong>:<br />

(2.3.12) (a) "nha 1lI1lJc '(federal) govemment': (nhii building, establishment,<br />

ntnic 'country'; cf. phrase<br />

(b) nhä mröc 'building belonging to the nation'<br />

(a') Öng ay läm "cho "nha 'mröc<br />

Er arbeiten für Regierung<br />

'He works for the (federal) government.'<br />

(b') NM chüng töi 'ij -Iä nhä 'nudc<br />

Haus wir leben ist Haus Regierung<br />

'The house we live in is government property.' (Thompson 1987: 128)<br />

'"So auch Tnrong (1970:245): "Pour donner plus de precision ou pour eviter l'<strong>am</strong>phibologie,<br />

le complement [possessif] peut etre precede de l'auxiliaire cua"


49<br />

Auch hier ist die Intonation nicht ausschlaggebend. Zum einen handelt es sich bei nhe<br />

nuäc, insbesondere in Verbindung mit cho 'für', um eine feste Redewendung ('für die<br />

Regierung'); zum anderen ist nuäc 'Land, Staat, Nation' systematisch homonym zu uuäc<br />

'Wasser'; als Phrase ist nhe I1lfde für meinen Informanten nur in dieser Lesart möglich.<br />

So erhält man neben 'Er arbeitet bei der Regierung' (Kompositum) nur folgende Interpretation<br />

als Phrase:<br />

(2.3.13) (a) Öng ay läm Mi nhä (chua) mröc<br />

Er arbeiten Ort Haus enthalten Wasser<br />

'Er arbeitet beim Wasserwerk (genauer: 'Haus mit Wasser').'<br />

Am <strong>Beispiel</strong> von runic 'Wasser' läßt sich aber sehr sehön der Unterschied zwischen<br />

Kompositum und NP illustrieren:<br />

(2.3.14) (a) nUGe (rat) lanh<br />

Wasser (sehr) kalt( sein)<br />

(b) [nuöc lanh];<br />

Wasser kalt<br />

'(sehr) kaltes Wasser' (NP)<br />

'nicht (ab)gekochtes Wasser' (wörtl,<br />

'Kaltwasser') (Kompositum)<br />

(2.3.15) (a) mröc (rat) n6ng '(sehr) heißes Wasser'<br />

Wasser (sehr) heiß(sein)<br />

(b) [niröc nöng],<br />

Wasser heiß<br />

'(ab)gekochtes Wasser, Koehwasser'<br />

(wört!. 'Heißwasser') (Kompositum)<br />

Bei den in (b) genannten Komposita sind die statischen Verben 'heiß sein' bzw. 'kalt<br />

sein' nicht durch rat'sehr' modifizierbar. Dieser Kompositionstyp entspricht den 'specializing<br />

compounds', einer Untergruppe der syntaktischen Komposita, die im nächsten Abschnitt<br />

behandelt werden.


50<br />

2. 3. 2. Syntaktische Komposita<br />

2. 3. 2. 1. Spezialisierende Komposita<br />

Die 'specializing compounds' werden von Thompson wie folgt charakterisiert: "In noncontrastive<br />

contexts their initial syllable nearly always has weak stress. [...] The status<br />

of this category is the most doubtful of all" (Thompson 1987:129f.). Er nennt u. a.<br />

folgen<strong>des</strong> <strong>Beispiel</strong>:<br />

(2.3.16) (a) [Odäy thep]N<br />

Seil Stahl<br />

'Telegr<strong>am</strong>m'<br />

(b)<br />

[däy thep]NP<br />

Seil Stahl<br />

'Seil aus Stahl, Stahlseil'<br />

(Thompson 1987:129)<br />

(c) [däy (bang) thep]NP<br />

Seil «bestehen) aus) Stahl<br />

'Seil aus Stahl, Stahlseil'<br />

Auch hier ist für meinen Informanten kein Unterschied in der Intonation festzustellen.<br />

(2.3.16b) kann, wie (c) zeigt, ebenfalls durch das statische Verb bang 'bestehen aus'<br />

<strong>des</strong><strong>am</strong>biguiert werden.:" Kompositum und NP unterscheiden sich also lediglich dadurch,<br />

daß in der NP die vorliegende semantische Relation zwischen Nomen und Attribut<br />

explizit gemacht werden kann, und zwar ohne Bedeutungsunterschied, wie der Vergleich<br />

von (b) mit (c) zeigt. Diese statischen Verben werden aber, wenn möglich, nicht verwendet,<br />

weil dann nämlich wieder systematische Ambiguität zum Satz besteht, d. h.<br />

(2.3.16c) ist auch als 'das Seil besteht aus Stahl' interpretierbar. Daß aber bei den statischen<br />

Verben selbst bei der Des<strong>am</strong>biguierung von Kompositum und NP Vorsicht geboten<br />

ist, zeigt folgender Kontrast, der allerdings auf die semantische Relation 'Teil-von'<br />

beschränkt ist (s. u. Kap. 5.3):<br />

"So auch Tnnrng (1970:246), der folgen<strong>des</strong> <strong>Beispiel</strong> nennt:<br />

(i) bän go 'Holztisch' ("table en bois")<br />

Tisch Holz<br />

(ii) bän häng go 'Holztisch'<br />

Tisch aus Holz


51<br />

(2.3.17) (a) [canh däo];<br />

Zweig Pfirsich(baum)<br />

'Pfirsich(baum)zweig, Zweig eines<br />

Pfirsichbaums' (Kompositum)<br />

(b) cänh cüa däo 'Zweig von einem Pfirsichbaum' (d h.<br />

Zweig Possessiv Pfirsich(baum) 'abgeschnittener Zweig') (NP)<br />

(2.3.18) (a) [hoa ääo];<br />

Blüte Pfirsich<br />

(b) hoa cüa däo<br />

Blume Poss. Pfirsich(baum)<br />

'Pfirsichblüte'<br />

'Blüte von einem Pfirsichbaum'<br />

(herabgefallene Blüte, etc.)<br />

Bei der Teil-von-Relation korreliert also der Unterschied zwischen Kompositum und NP<br />

mit einer relationalen vs. derelationalen Lesart. Ansonsten wird cüa 'Besitz, gehören'<br />

(meist als Possessivmarker glossiert) nur dann verwendet, wenn Ambiguität entsteht:<br />

(2.3.19) (a) chi (cüa) töi<br />

Schwester (von) ich<br />

(b) chi Lan<br />

Schwester Lan<br />

(c) chi cüa Lan<br />

Schwester von Lan<br />

'meine Schwester'<br />

'Schwester Lan'<br />

'die Schwester von Lan'<br />

(Hoang 1990: 16)<br />

Ein weiteres <strong>Beispiel</strong> für 'specializing compounds' ist<br />

(2.3.20) (a) "ngiröi cr 'servant' (Kompositum)<br />

Person wohnen<br />

(b) ngl1i'1i cr 'person residing' (NP)<br />

Person wohnen (Thompson 1987: 129)<br />

Bevor dieser Kontrast näher erläutert wird, soll an einem anderen <strong>Beispiel</strong> gezeigt werden,<br />

daß die Interpretation kontextabhängig ist und auch hier die Intonation keine wichtige<br />

Rolle spielt. Die Verschiebbarkeit der Konstituentengrenzen, die primär durch Pausen<br />

signalisiert werden, zeigt folgen<strong>des</strong> zu (2.3.20) analoges <strong>Beispiel</strong>


52<br />

(2.3.21) (a) [nguöi l~]N<br />

Person fremd (sein)<br />

'der/die Fremde(n)'<br />

(b)<br />

[ngliai I [I~]]NP<br />

Person fremd sein<br />

'Mensch, der (mir) fremd sind'<br />

(dto, Plural)<br />

(c) [[ngliai 1:j.]N I a 9ac]NP<br />

Person fremd wohnen D.<br />

(d) [ngliai I [I:j. te 9acJJNP<br />

Person fremd sein in D.<br />

'Fremder, der in Deutschland wohnt'<br />

(dto. Plural)<br />

'Mensch, der in D. fremd ist'<br />

(dto. Plural)<br />

Ein wesentlich stichhaltigeres Kriterium für die jeweilige Lesart ist nicht die Intonation,<br />

sondern die Pausen. Wie im Zus<strong>am</strong>menhang mit <strong>Beispiel</strong> (2.3.4) schon angedeutet, ist<br />

die wichtigste (und d<strong>am</strong>it längste) Pause diejenige zwischen Subjekt und Prädikat. In<br />

den Fällen, in denen l{l 'fremd sein' als Prädikat (und nicht als Bestandteil eines Kompositums)<br />

fungiert, liegt daher eine wenn auch minimale Pause VOL Diese ist in (2.3.21)<br />

durch "I" markiert. So auch Hoang (1990:71): "Das Adjektiv [= statisches Verb, E.L.]<br />

kann syntaktisch die Funktion <strong>des</strong> Attributs und <strong>des</strong> Prädikats übernehmen. In beiden<br />

Fällen folgt es dem Substantiv. [...] Um die beiden syntaktischen Funktionen <strong>des</strong> Adjektivs<br />

zu unterscheiden, werden beim Sprechen Pausen gemacht:"<br />

(2.3.22) (a) ca! ban möi<br />

1<br />

klf Tisch neu (sein)<br />

'der neue Tisch'<br />

(b) cai ban<br />

klf Tisch<br />

möi<br />

neu (sein)<br />

'der Tisch ist neu'<br />

(Hoimg 1990:71)<br />

Auf die Pausen zur Signalisierung von Konstituentengrenzen und deren graduelle Abstufung<br />

weist auch Truong (1970) hin:<br />

"[...] <strong>des</strong> pauses plus ou moins longues qui sont en meme temps <strong>des</strong> pauses de<br />

respiration, servent ä la dem arcation <strong>des</strong> molecules primaires ou secondaires qui<br />

se suivent, l'affaiblissement de la pause marquant une relation plus etroite entre<br />

deux molecules, et inversement. [...] La pause [...] qui separe le sujet du predicat,<br />

est plus longue que celles qui delimitent les molecules noyaux et accessoircs, Il<br />

est a remarquer, en outre, que la pause qui separe le verbe transitif [...] de son<br />

objet est la plus courte, la relation entre eux etant la plus etroite. Le discours est


53<br />

donc constitue de segments delimites par <strong>des</strong> pauses de longueur inegale [...] 'une<br />

bonne lecture est une veritable analyse gr<strong>am</strong>maticale" (Tnrong 1970: 192, Hervorhebungen<br />

von mir, E.L.).<br />

<strong>Beispiel</strong> (2.3.20) unterscheidet sich nun von (2.3.21) dadurch, daß - zumin<strong>des</strong>t aus der<br />

Perspektive <strong>des</strong> Deutschen und Englischen - zwischen 'servant' und 'person residing' ein<br />

Bedeutungsunterschied besteht, der größer ist als der zwischen 'Fremder' und 'Person,<br />

die fremd ist'. Thompson (1987:121) illustriert die in (2.3.20) vorliegende Ambiguität an<br />

folgenden <strong>Beispiel</strong>en, wobei der Unterschied zwischen Kompositum (d. h. 'Diener',<br />

wörtlich 'Wohnperson') und NP ('Person, die (an einem bestimmten Ort) wohnt') wieder<br />

mit unterschiedlicher Intonation begründet wird (hier durch Fettdruck hervorgehoben):<br />

(2.3.23) (a) Nguöi '(J nhä näy "lä 'ban töi<br />

Person wohnen Haus dies ist Freund ich<br />

'The servant in this house is my friend.'<br />

(b) NgI1ai "(J nhä näy -lä 'ban töi<br />

Person wohnen Haus dies ist Freund ich<br />

'The person (living) in this house is my friend.' (Thompson 1987: 121)<br />

Auch hier gelten mögliche Pausen als sicheres Indiz für die Abgrenzung zwischen NP<br />

und Kompositum. In beiden Interpretationen liegt die primäre Pause zwischen Subjekt<br />

und Prädikat, d. h zwischen nay'dies' und 1iI 'ist'iin (b) liegt zusätzlich noch eine "sekundäre"<br />

Pause zwischen ng7.fi'li 'Person' und d"'wohnen' vor, da d"hier als verbales Prädikat<br />

und nicht als Bestandteil eines Kompositums wie in (a) fungiert; gleichzeitig ist<br />

nbe nay 'dieses Haus' direktes Objekt zu cl" 'wohnen', was sich darin auswirkt, daß hier<br />

keine Pause möglich ist (vgl. das o. a. Zitat von TrI1C11lg), während nhe nay in (a) als<br />

Attribut zu 'Diener' fungiert. Demnach erhält man folgende "demarcations":<br />

(2.3.24) (a) Ngiröi (J I nhä näy I lä ban töi (Kompositum)<br />

'Der Diener dieses Hauses ist mein Freund.'<br />

(b) NgI1ai I i1 nhä näy I la ban töi (NP)<br />

'Die Person, die in diesem Haus wohnt, ist mein Freund'


54<br />

Diese potentiellen Pausen sind auch für folgende <strong>Beispiel</strong>e von 'specializing cornpounds'<br />

relevant «23.25 und (2.3.26)). Da dieser Kompositionstyp sehr produktiv ist, nachfolgend<br />

noch einige <strong>Beispiel</strong>e:<br />

(2.3.25) (a) [gM [(rat)<br />

Hocker (sehr)<br />

(b) [ghe diii]N<br />

Hocker lang<br />

diiill NP<br />

lang (sein)<br />

'(sehr) langer HockerlBank ohne Lehne'<br />

'Schulbank (für zwei Kinder)' ('Langhocker')<br />

(23.26) (a) [äo [(rat) dili]]NP<br />

Kleid sehr lang (sein)<br />

(b) [ao dai];<br />

Kleid lang<br />

(2.3.27) (a) [con Ion},<br />

Kind groß<br />

(b) [con nhöl.,<br />

Kind klein<br />

'(sehr) langes Kleid/GewandJHemd'<br />

'das typisch asiatische Kleid mit Seitenschlitz<br />

und Stehbündchen' ('Langkleid')<br />

'Erstgeborener' ('Großkind')<br />

'Letztgeborener' ('Kleinkind')<br />

(2.3.28) (a) [nguöi lönl<br />

Mensch groß<br />

(b) [ngiröt [thän<br />

Mensch Gestalt<br />

cao]] NP<br />

groß<br />

'Erwachsener' ('Großmensch')<br />

'ein großer Mensch'<br />

(23.29) (a) [muÖng<br />

Löffel<br />

(b) [muöng<br />

Löffel<br />

(c) [rnudng<br />

Löffel<br />

Idn]N<br />

groß<br />

Ion]; t6<br />

groß groß (sein)<br />

nhö];<br />

klein<br />

'Suppenlöffel' ('Großlöffel')<br />

'großer Suppenlöffel' ('großer Großlöffel')<br />

'Kaffeelöffel' ('Kleinlöffel')<br />

Der zweite Typ von Komposita, bei denen die Reihenfolge auf NP- und Wortebene<br />

identisch ist, sind die 'generalizing compounds'.<br />

2. 3. 2. 2. Generalisierende Komposita<br />

Dieser Typ entspricht den auch im Deutschen vorhandenen Koordinationskomposita<br />

vom Typ Dichterfürst, Hosenrock, usw.; sie werden wie folgt charakterisiert "[T]he


55<br />

forms have the general meaning 'these two items and other similar ones, making up a<br />

general dass'. [...]These forms are very often written with a hyphen connecting their two<br />

parts. They frequently occur with weak stress on their first syllable, while the parallel<br />

additive phrases do not" (Thompson 1987: 128). Er nennt u. a. folgende <strong>Beispiel</strong>e:<br />

(2.3.30) (a) [ban-ghelN 'fumiture'<br />

Tisch-StuhllHocker<br />

(b) [bän ghelNP 'tables and chairs'<br />

(2.3.31) (a) [quän-äo]; 'clothes'<br />

Hose-HemdlKleid<br />

(b) [quän aO]NP 'trousers and shirts' (Thompson 1987:128)<br />

Die unter (b) angegebenen NPs sind allerdings für meinen Informanten nur wie folgt<br />

akzeptabel:<br />

(2.3.32) (a) bän vä gM<br />

Tisch und Stuhl<br />

(b) quän vä ao<br />

Hose und Hemd<br />

'Tische und Stühle'<br />

'Hosen und Hemden'<br />

Teilweise soll Thompson zufolge die Interpretation als Kompositum auch mit einer zur<br />

NP unterschiedlichen Bedeutung korrelieren, wie folgen<strong>des</strong> <strong>Beispiel</strong> zeigt:


S6<br />

(2.3.33) (a) [güly-but]N<br />

Papier-Pinsel<br />

(b) [giäy bUt]NP<br />

Papier Pinsel<br />

'stationery goods'"<br />

'paper and pencil'<br />

(Thompson 1987: 128)<br />

(2.3.34) (a)<br />

(b)<br />

[giäy vä bUt]NP<br />

Papier und Pinsel<br />

[giäy büt];<br />

Papier Pinsel<br />

'Papier und Pinsel'<br />

'Papier, das sich gut für Tuschezeichnungen eignet'<br />

(wört!.: 'Pinselpapier')<br />

Daß Thompson diese <strong>Beispiel</strong>e selbst als problematisch in bezug auf Intonation und<br />

Status als Kompositum ansieht, zeigt folgende Bemerkung: "This classification is<br />

troublesome in one respect: there are a number of morpheme sequences of this general<br />

aspeet which seem not to be paralleled by phrases with coordinating construction. [..] It<br />

is often difficult to establish whether one is dealing with a compound or a phrase"<br />

(Thompson 1987:129). Diese Unsicherheit bestätigt sich dadurch, daß nicht (2.3.33b),<br />

sondern nur (2.3.34a) als NP zu interpretieren ist; würde man eine Konstruktion analog<br />

zu (2.3.33b), d. h. ohne Bin<strong>des</strong>trich, als Kompositum interpretieren wollen, erhielte man<br />

allenfalls die in (2.3.34b) angegebene Lesart, nämlich 'Pinselpapier' (ein zwar mögliches,<br />

aber nicht übliches Kompositum). Daß bei diesem Typ sogar zumin<strong>des</strong>t übersetzungsunterschiede<br />

(a) innerhalb einer NP-Lesart und (b) innerhalb eines Kompositums bestehen<br />

können, zeigt folgen<strong>des</strong> <strong>Beispiel</strong> (die englische Übersetzung von <strong>Beispiel</strong> (2.3.3Sb)<br />

entspricht wieder (2.3.36b), d.h. va 'und' ist für diese Interpretation obligatorisch):<br />

"Diese Bildung ist die Abkürzung einer Lehnübersetzung aus dem Chinesischen:<br />

(i) vän phöng W Mo 'die vier Schätze <strong>des</strong> Schreibzimmers'<br />

Literatur Zimmer vier Schatz<br />

Diese sind Papier (gil(y), Pinsel (hUt), Tuschestein (nghien m!fc) und Tuschefaß (binh m!"c).<br />

<strong>Beispiel</strong> (i) zeigt gleichzeitig, daß hier ein Nomen mit einer Zahl verbunden ist, und zwar ohne<br />

Klf; diese Konstruktion verlangt in der deutschen Übersetzung den definiten Artikel und widerspricht<br />

d<strong>am</strong>it der schon in der Einleitung<br />

(S. 7) erwähnten Annahme, daß eine der Funktionen <strong>des</strong> Kif die 'Referentialisierung' ist (s. u.<br />

Kap. 7), denn diese NP ist auch ohne Kif referentiell.


(2.3.35) (a) [con-chau]; 'youngsters, ehildren' [genauer: 'Nachkommen']<br />

Kind-Enkel<br />

57<br />

(b) [eon ehau]NP 'ehildren and grandchildren (of a particular person)'<br />

(Thompson 1987:128)<br />

(2.3.36) (a) [eon chäul; töi rat döng<br />

Nachkommen ich sehr zahlreich<br />

'Meine Nachkommen sind sehr zahlreich; ich habe viele Nachkommen'<br />

(b) Öng ay e6 eon vä chau<br />

er haben Kind und Enkel<br />

'Er hat Kinder und Enkel'<br />

(2.3.37) (a) töi cö möt Icon Ichäul [tre]JNP<br />

ich haben em Kind Enkel jung (sein)<br />

'Ich habe eine(n) kleine(n) (jungemj) Enkel(in)lEnkelkind.'<br />

(b) [eon chäul; t6i<br />

Kind Enkel ich<br />

'mein Enkel(kind)'<br />

In (2.3.36a) entspricht das Kompositum con cheu der Bedeutung 'Nachkommen' und<br />

d<strong>am</strong>it einem Kollektivum, in (2.3.37b) dagegen der Bedeutung 'Enkel' und d<strong>am</strong>it einem<br />

Individualnomen. In (2.3.35b) entspricht die NP con cluiu; zumin<strong>des</strong>t nach Thompson,<br />

der Bedeutung 'Kinder und Enkel', in (2.3.37a) der von 'Enkelkind'. Das Numeral mot.<br />

'ein' signalisiert ferner, daß die vorliegende NP eine Klf-Konstruktion ist (con 'Kind',<br />

aber auch Klf für N[+belebtJ). Bei dieser Art von Ambiguität ist nun tatsächlich die<br />

Intonation für die Abgrenzung entscheidend, und zwar mit folgender Begründung:<br />

Grundsätzlich gilt, daß bei einer Klf-Konstruktion, analog zu deutschen Maß- bzw. Kollektivkonstruktionen,<br />

folgende Akzentverteilung vorliegt ("1"signalisiert den Hauptakzent,<br />

"3" den schwächsten Akzent, vgl. Löbel (1986:95»:<br />

(2.3.38) (a) 2 3 I<br />

em Pfund Fisch<br />

em Strauß Blumen<br />

(b) 2 3<br />

möt bö hoa<br />

em Strauß Blumen


58<br />

(c) 2<br />

mQt<br />

em<br />

3 I<br />

con chäu<br />

Kind Enkel<br />

Daher erhält man folgende Opposition, die tatsächlich nur durch die Intonation <strong>des</strong><strong>am</strong>biguiert<br />

werden kaon, denn in beiden Fällen können keine weiteren Elemente zwischen<br />

con und cheu eingefügt werden (der primäre Akzent ist durch Kursivschrift hervorgeheben):<br />

(2.3.39) (a) töi cö (rnöt) [eon chau]NP<br />

ich haben (ein) Kind Enkel<br />

'Ich habe einen EnkelIEnkelkind'<br />

(b) töi cö [can-chau]N<br />

ich haben Nachkommen<br />

'Ich habe Nachkommen.'<br />

Das Numeral mät 'einee)' wird meist nur daon ausgedrückt, wenn eine Opposition zu<br />

anderen Zahlen beabsichtigt ist, da der Kif selbst schon 'Einheit' signalisiert. Durch die<br />

Intonation kaon auch das eingangs unter (2.3.1) erwähnte <strong>Beispiel</strong> 'Strauß Blumen/Blumenstrauß'<br />

<strong>des</strong><strong>am</strong>biguiert werden:<br />

(2.3.40) (a) (rnöt) bö hoa<br />

em Strauß Blumen<br />

(b) b6 hoa<br />

Strauß Blumen<br />

'(ein) Strauß Blumen'<br />

'(der) Blumenstrauß'<br />

Diese <strong>Beispiel</strong>e zeigen deutlich, daß die Intonation sehr wohl eine wichtige Rolle spielt,<br />

jedocb primär für die Abgrenzung zwischen KIf-Konstruktionen und dazu parallelen<br />

Komposita vom Typ 'N + N' relevant ist. Auf diese Unterscheidung werde ich daher<br />

weiter unten (s. Kap. 2.3.5) zurückkommen. Zunächst sollen jedoch die von Thompson<br />

als 'nichtsyntaktische Komposita' analysierten Wortbildungen beschrieben werden, die in<br />

'verstärkende ('reinforcing') und attributive Komposita unterteilt sind.


59<br />

2. 3. 3. Nichtsyntaktische Komposita<br />

2. 3. 3. 1. Verstärkende Komposita<br />

Diese Wortbildungen sind charakterisiert als "compounds containing two apparent heads;<br />

these two components usually denote identical or very similar items of reality" (Thompson<br />

1987:130). Aus diesem Grund wird dieser Kompositionstyp auch 'synonym compounds'<br />

genannt. Außer der Bemerkung, daß "they seldom occur with weak stress on the<br />

first element" (S. 132), finden sich keine Hinweise auf mögliche Intonationsunterschiede.<br />

Seine <strong>Beispiel</strong>e enthalten vor allem Komposita vom Typ 'V + V' (2.3.41); der Typ<br />

'N + N' ist nur mit zwei <strong>Beispiel</strong>en (2.3.42) vertreten:<br />

(23.41) (a) ken chon<br />

'choose carefully';<br />

ken 'choose', chon 'choose'<br />

(b)<br />

ca hat<br />

'to sing'<br />

ce 'sing', hat 'sing'<br />

(2.3.42) (a) ngäy giö<br />

'time (in general)'<br />

ngay 'day(time)', gi& 'time, hour'<br />

(b)<br />

chäi-hröi<br />

'(occupation of) fishing'<br />

chai fish net, lilcfi 'net, netting'<br />

(Thompson 1987:130f.)<br />

Diese zur Intensivierung benutzte Synonymität spielt im Vietn<strong>am</strong>esischen eine große<br />

Rolle: "[T]he impression of the foreigner le<strong>am</strong>ing the language is that there are more<br />

forms referring to more or less the s<strong>am</strong>e bits of reality than in other languages with<br />

which he has dealt" (Thompson 1987: 131). Daß dies auch für die Satzebene gilt, und<br />

daß sogar identische und nicht nur synonyme lexikalische Einheiten Intensivierung<br />

bezeichnen, zeigt folgen<strong>des</strong> <strong>Beispiel</strong>:<br />

(2.3.43) (a) Co ta cö [con cail.,<br />

sie haben Kinder<br />

'Sie hat Kinder.' (genauer: 'Sie Kinder-hat.')


60<br />

(b) Co ta cö con cö<br />

sie haben Junge haben<br />

'Sie hat wirklich Kinder.'<br />

~ ·31<br />

cai<br />

Mädchen<br />

Wesentlich relevanter für die Problematik der Klfen ist allerdings der folgende Typ von<br />

nichtsyntaktischen Komposita.<br />

2. 3. 3. 2. Attributive Komposita<br />

Die attributiven Komposita sind Thompson zufolge 'nichtsyntaktisch', da sie die Reihenfolge<br />

'modifier - head' aufweisen, also nicht der im Vietn<strong>am</strong>esischen obligatorischen<br />

Reihenfolge 'head - modifier' entsprechen. In den meisten Fällen handelt es sich um<br />

Lehnwörter bzw. Lehnübersetzungen aus dem Chinesischen, und in dieser Sprache ist<br />

die Reihenfolge 'modifier - head' die 'syntaktische': "This construction is the s<strong>am</strong>e as<br />

that of the vast majority of pseudo-compounds borrowed from Chinese, where the order<br />

complement-head is the regular one. [...] A great many of these compounds are, in fact,<br />

composed of Chinese borrowed elements which have come to be used individually as<br />

free forms in Vietn<strong>am</strong>ese. [...] Some of these contain one form of Chinese origin and<br />

one native Vietn<strong>am</strong>ese form; others contain no Chinese borrowed forms" (Thompson<br />

1987: 132). Er nennt u. a. folgende <strong>Beispiel</strong>e (das chinesische Lehnwort ist hervorgehoben):<br />

(2.3.44) (a) h(JC trö 'schoolchild, pupi!'<br />

h9C 'to study', tro 'school-age child'<br />

(b) N<strong>am</strong>-A 'South Asia'<br />

n<strong>am</strong> 'south', A 'Asia'<br />

"Daß bei con 'Junge' (auch KIf für N[+beIebt))bzw. cäi 'Mädchen' (auch genereller Kif für<br />

N[-belebt)) nicht die Kif-Lesart vorliegt, zeigt nochmals die Relevanz distributioneller Kriterien,<br />

denen sicher in isolierenden Sprachen ein noch höherer Stellenwert eingeräumt werden muß, als<br />

dies schon für andere Sprachtypen erforderlich ist. Zu cdi und con als KIfen s. u. Kap.5, <strong>Beispiel</strong>e<br />

(5.27) und (5.43).


61<br />

(c) Bae-My 'North America'<br />

bae 'north', My'America'<br />

(Thompson 1987:132f.)<br />

Zumin<strong>des</strong>t die unter (b) und (c) genannten Komposita sind daher durchaus 'syntaktisch',<br />

da sie aus chinesischen Lexemen bestehen und nach der chinesischen Syntax gebildet<br />

sind. Interessant sind vor allem Mischformen vom Typ (a) (hoc sinovietn<strong>am</strong>esisch, tro<br />

vietn<strong>am</strong>esisch). Daß bei der Analyse dieser Komposita äußerste Vorsicht geboten ist,<br />

zeigt folgen<strong>des</strong> <strong>Beispiel</strong>:<br />

(2.3.45) (a) cQt aa<br />

Säule Stein<br />

vietn. vietn.<br />

head rnodifier<br />

(b) tru aa<br />

Säule Stein<br />

sinovietn. vietn.<br />

head modifier<br />

(c) thach tru<br />

Stein Säule<br />

sinovietn. sinovietn.<br />

modifier head<br />

'Steinsäule'<br />

(vietn.Wortstellung)<br />

'Steinsäule'<br />

(vietn. Wortstellung)<br />

'Steinsäule' (f 'Säulenstein')<br />

(chin Wortstellung)<br />

Die Verwendung von sinovietn<strong>am</strong>esischen vs. rein 'vietn<strong>am</strong>esischen Komposita ist abhängig<br />

von stilistischen Faktoren. Chinesische Lehnwörter entsprechen in etwa den in<br />

unseren Sprachen gebräuchlichen lateinischen bzw. griechischen Fremdwörtern (Geographie<br />

vs. Erdkunde usw.) und setzen d<strong>am</strong>it einen gewissen Bildungsstand voraus. Daraus<br />

resultiert auch, daß für viele Vietn<strong>am</strong>esen diese Bildungen nicht 'transparent', d.h. nicht<br />

analysierbar sind. Das wirkt sich unmittelbar auf die (fakultative) Verwendung von<br />

Klfen aus, bzw. die in den Gr<strong>am</strong>matiken in diesem Zus<strong>am</strong>menhang zitierten <strong>Beispiel</strong>e<br />

lassen sich in dieser Hinsicht interpretieren. So wird beispielsweise in Hoang (1990:66)<br />

auf Folgen<strong>des</strong> hingewiesen: "Bei zweisilbigen Substantiven, die Personen bezeichnen, ist<br />

der Klassifikator nicht obligatorisch" (Hervorhebung vom Autor, E.L.); man hat also<br />

ohne Bedeutungsunterschied folgende Alternative


62<br />

(2.3.46) (a) möt [sinh vien]; 32<br />

ein unerfahren Mann<br />

[= Student]<br />

smov. smov.<br />

'ein Student, eine Studentin'<br />

(b)<br />

rni.\t<br />

em<br />

ngiröi<br />

Mensch<br />

vietn.<br />

[sinh vien]N<br />

Student<br />

sinov.<br />

'ein Student, Studentin'<br />

(nguo-i = KIf N[+human])<br />

(Hoang 1990:66)<br />

Analog dazu verhalten sich auch<br />

(2.3.47) (a) hai lbäc sl]N<br />

zwei gebildet Gelehrter<br />

[ = Arzt]<br />

smov. smov.<br />

'zwei Ärzte, Doktoren (auch im Sinne<br />

von 'Dr')<br />

(b) Mn [giao SIi)N<br />

vier lehren Meister<br />

[ = Professor]<br />

. .<br />

smov. smov.<br />

'vier Professoren'<br />

(Hoang 1990:66)<br />

Allen diesen <strong>Beispiel</strong>en ist gemeins<strong>am</strong>, daß das Head der Komposita schon die Bedeutung<br />

'Mensch' bzw. das Merkmal [+human] enthält, eine Klassifikation durch vietn.<br />

nglto-i 'Mensch; KIf für N[ +human]' daher überflüssig ist, falls man diese Komposita als<br />

transparente Bildungen erkennt. Diese Alternative ist nun nicht auf N[+human] beschränkt,<br />

wie folgen<strong>des</strong> <strong>Beispiel</strong> zeigt:<br />

(2.3.48) (a) hai [ly-ngl1]N<br />

zwei Karpfen-Fisch<br />

sinovietn.<br />

'zwei Karpfen' (in zoologischer Fachliteratur)<br />

(b) hai ca<br />

zwei Fisch<br />

vietn.<br />

Iy-ngu<br />

Karpfen-Fisch<br />

smov.<br />

'zwei Karpfen'<br />

"Diese sinovietn<strong>am</strong>esischen Nomina sind in Karow (1972) wie folgt glossiert:<br />

(i) vien 'Mann, Angestellter, Be<strong>am</strong>ter'<br />

(ii) si 'Gelehrter, Gebildeter, Offizier'<br />

(iii) str 'Mönch, Lehrer, Meister'


(c) hai cä<br />

zwei Fisch<br />

vietn.<br />

cbep<br />

Karpfen<br />

vietn.<br />

63<br />

'zwei Karpfen'<br />

Die o. a. Begründung gilt auch für die in Tnrong (1970:262) genannten <strong>Beispiel</strong>e. In<br />

diesem Zus<strong>am</strong>menhang heißt es: "On a egalement tendance a omettre le specificatif [=<br />

KIf, E.L.] devant <strong>des</strong> locutions sino-vietn<strong>am</strong>iennes." Seine <strong>Beispiel</strong>e zeigen das gleiche<br />

Bild:<br />

(2349) (a) närn lhänh khäch]N 'fünf Fahrgäste'<br />

fünf reisen Gast<br />

[~ Fahrgast]<br />

smov, smov.<br />

(b) näm nginri hanh khäch 'fünf Fahrgäste'<br />

fünf Mensch Fahrgast<br />

vietn. smov.<br />

Daß dieses fakultative Vorkommen <strong>des</strong> KIf nicht auf Komposita beschränkt ist, sondern<br />

auch für NPs (hier: enge Apposition) gilt, zeigen folgende <strong>Beispiel</strong>e von Truong<br />

(1970:266), der in diesem Zus<strong>am</strong>menhang von"emploi pleonastique de specificatif<br />

spricht, da sie einen "double emploi avec leurs equivalents en sino-vietn<strong>am</strong>ien" darstellen:<br />

"Cet emploi est tres courant dans la langue, parlee comme litteraire, et l'habitude en<br />

est telle que les sujets parlants, meme ceux qui connaissent bien les caracteres chinois,<br />

ont parfois l'impression que le discours n'est pas complet si l'on supprime I'un <strong>des</strong> deux<br />

mots synonymes" (Hervorhebungen von mir, E.L.):<br />

(2350) (a) vua Hung vuong 'Ie roi Hung'<br />

König Himg König<br />

vietn. smov.<br />

(b) mii Nüng san 'le mont Nung'<br />

Berg Nimg Berg<br />

vietn. smov.


(c) söng Nhj hä<br />

Fluß Nhi Fluß<br />

vietn smov.<br />

64<br />

'le fleuve Nhi'<br />

(Tnrong 1970:266)<br />

Die in diesem Abschnitt behandelten Fälle zeigen, daß der Begriff 'nichtsyntaktische<br />

Komposita' problematisch ist und streng genommen nur auf die in (2.3.45b) erwähnten<br />

'Mischtypen' zutrifft. Ferner konnte schon eine der Bedingungen für das fakultative Vorkommen<br />

von Klfen gezeigt werden, die im Zus<strong>am</strong>menhang mit den (sehr zahlreichen)<br />

chinesischen Lehnwörtern bzw, Lehnübersetzungen steht. D<strong>am</strong>it dürfte klar sein, daß bei<br />

einer Einteilung in klassifizierte und nichtklassifizierte Nomina, wie sie z. B. Emeneau<br />

(1951) vornimmt, dieser Aspekt unbedingt berücksichtigt werden müßte.<br />

Ein weiterer für die KIf-Problematik wichtiger Bereich sind Verbalabstrakta, die durch<br />

Nomina gebildet bzw, abgeleitet sind, die in den Gr<strong>am</strong>matiken teilweise zum Bereich<br />

der Klfen gezählt werden, davon aber abgegrenzt werden müssen. Dies ist Thema <strong>des</strong><br />

nächsten Abschnitts.<br />

2. 3. 4. Nominalisierungen<br />

In Abbildung 2.4. (s.u. S. 67) ist eine Liste der Nomina enthalten, die (a) entweder nur<br />

mit Verben kombinierbar sind und daher ausschließlich nominalisierende Funktion haben,<br />

oder (b) nur mit Verben und Nomina, die abstrakte Begriffe bezeichnen, verbunden<br />

werden können. Das bedeutet, daß letztere neben der nominalisierenden auch 'singulative'<br />

Funktion haben und d<strong>am</strong>it etwa dt. -fall, -stück in Komposita vom Typ Krankheitsfall,<br />

Unglücksfall, Musikstück etc, entsprechen. Diese werden in Raitzka (1989: 115-118)<br />

als 'Substantivbildungen' beschrieben. Dort ist auch eine Liste der wichtigsten Elemente<br />

enthalten (in Abb. 2.4 durch (R) gekennzeichnet), die ich noch durch meine eigene<br />

Materialauswertung ergänzt habe" Die in der Abbildung 2.4. enthaltenen Nomina sind<br />

"Die in den Listen in Anhang A, Bund C enthaltene Materials<strong>am</strong>mlung wird weiter unten<br />

(Kap. 3.2) erläutert.


65<br />

entweder in der Liste der Klfen von Emeneau (1951) enthalten, oder gehören zu den<br />

von Karow (1972) mit 'Numerativ' bezeichneten Lexemen, zu denen auch Klfen, quantifizierende<br />

Nomina etc. gehören. Daß aber beispielsweise (c) cuoc 'Veranstaltung' nicht<br />

nur, wie in Raitzka (ibid.) beschrieben, nominalisierende Funktion hat, zeigt folgende<br />

Gegenüberstellung:<br />

(2.3.51) (a) cuöc h9P 'Vers<strong>am</strong>mlung'<br />

Veranstaltung vers<strong>am</strong>meln<br />

(b)<br />

cuöc<br />

Veranst.<br />

däu tranh<br />

kämpfen<br />

'K<strong>am</strong>pf'<br />

(Raitzka 1989: 118)<br />

(2.3.52) (a) cUQC cö<br />

Spiel Schach<br />

'Schachspiel<br />

(b)<br />

cuöc<br />

Veranst.<br />

säm banh<br />

Sekt<br />

'Sektp arty'<br />

« frz. 'ch<strong>am</strong>pagne') (Emeneau 1951:105)<br />

Ähnlich verhält sich auch bdn:<br />

(2.3.53) (a) Mn hat 'Lied'<br />

Stück singen(V)<br />

(b) Mn nhac 'Musikstück'<br />

Stück Musik(N)<br />

Daß die Singulativbildung nicht nur für abstrakte Begriffe wie Musik, sondern auch für<br />

Bezeichnungen von meteorologischen Erscheinungen wie Wind, Nebel, Rauch usw. gilt<br />

und d<strong>am</strong>it dt. -schw aden, -guß, -stoß in Nebelschwaden, Regenguß, Windstoß entspricht,<br />

zeigen folgende <strong>Beispiel</strong>e:<br />

(2.3.54) (a) CO'n rmra<br />

Anfall regnen (V)<br />

'Regenguß'<br />

(b) con benh 'Krankheitsanfall'<br />

Anfall krank (sein) (V)


66<br />

(2.3.55) (a) con gi6<br />

Anfall Wind (N)<br />

(b) con bäo<br />

Anfall Taifun (N)<br />

(c) trän bäo<br />

Anfall Taifun<br />

'Windstoß'<br />

'(schwacher) Orkan, Taifun'<br />

'(starker) Orkan, Taifun'<br />

(Emeneau 195l:l05)<br />

Diesen Lexemen ist gemeins<strong>am</strong>, daß die Nomina, mit denen sie kombinierbar sind,<br />

etwas bezeichnen, das keine fest umrissene Gestalt hat bzw, als solches im Vietn<strong>am</strong>esischen<br />

konzeptualisiert ist Sie entsprechen daher syntaktisch gesehen den Massennomina<br />

(MassenN) wie Wasser, Erde usw., die sich im Vietn<strong>am</strong>esischen von Individualnomina<br />

(IndN) wie Buch, Tisch usw. auch syntaktisch unterscheiden lassen. Diesen Unterschied<br />

habe ich mit N[± strukturiert] bezeichnet, was genauer in Kap. 5.3 erläutert wird.<br />

<strong>Eine</strong>s der Kriterien zur Unterscheidung besteht darin, daß N[-strukturiert] niemals unmittelbar<br />

mit Zahlen kombinierbar sind, was bei IndN, d. h. N[+strukturiert], unter bestimmten<br />

syntaktischen Bedingungen (s. u. Kap. 7) durchaus der Fall sein kann:<br />

(2.3.56) (a) "hai gio 'zwei Winde' (im 01. gr<strong>am</strong>matisch, im Vietn. nicht)<br />

zwei Wind<br />

(b) 'hai mröc 'zwei (Portionen, Gläser) Wasser'<br />

zwei Wasser<br />

(b) hai sach '(die) zwei Bücher' (s. Kap. 7)<br />

zwei Buch<br />

Im folgenden werde ich auf die in der u. a. Abb. 2.4 aufgelisteten Nomina nicht näher<br />

eingehen. Syntaktisch verhalten sich diese wie quantifizierende Nomina vom Typ Klumpen<br />

(Erde), Barren (Gold), die in Abschnitt 4.4. beschrieben werden.


67<br />

Kombination mit<br />

Verb N[-strukturiert]<br />

AnhangA<br />

(a) ban '(Gesangs)Stück' +<br />

(b) cern 'Anfall, Zeitraum' +<br />

(c) curc 'Veranstaltung, Spiel' +<br />

(d) dieu 'Sache, Angelegenheit' +<br />

(e) Mn '(Wind- )Stoß etc.' +<br />

(f) 1&i 'für Erklärungen etc.' +<br />

(g) m6n 'Gegenstand, Angelegenh.' +<br />

.,<br />

(h) niem 'für (angenehme) Gefühle' +<br />

(i) ndi, na' 'Angelegenheit!" +<br />

(j) 81/ 'Sache, Aktion' +<br />

(k) tnJn 'Anfall, (Regen)-Guß' +<br />

(1) viljc 'Sache, Arbeit' +<br />

(m) V!1 'Unglück, Angelegenheit' +<br />

(n) cäi 'Gegenstand' +<br />

(genereller Klassifikator)<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

Nr. 7<br />

Nr. 36<br />

Nr. 38, R<br />

Nr. 50<br />

Nr. 68<br />

Nr. 73<br />

Nr. 81<br />

R<br />

Nr. 98, R<br />

R<br />

Nr. 141<br />

R<br />

Nr. 147<br />

Nr. 20, R<br />

Abb. 2. 4<br />

Liste der Nominalisierungselemente<br />

Auf einen wichtigen Punkt ist allerdings noch hinzuweisen: In Raitzka (1989:118) ist als<br />

Nominalisierer auch der generelle KIf cäi 'Ding, Stück, KIf für N[-belebt]' aufgeführt.<br />

Dieser hat in (2.3.57a bis c) nominalisierende Funktion, fungiert aber in (2.3.57d und e)<br />

als KIf:<br />

(2.357) (a) [cai Rl;lP]N<br />

Ding schön (sein)<br />

(b) [ca i phäi];<br />

Ding wahr (sein)<br />

'Schönheit'<br />

'das Wahre', neben:<br />

(Raitzka 1989118)<br />

(c) [SI! phäi trai], 'die Wahrheit, Richtigkeit'<br />

Sache wahr (V) falsch (V)<br />

(d) cai bän<br />

Ding Tisch<br />

'Tisch' (Sg.)<br />

"Der Unterschied ist regional bedingt: nai südvietn<strong>am</strong>esisch, fl(fnordvietn<strong>am</strong>esisch.


68<br />

(e) cai ghe<br />

Ding Stuhl<br />

'Stuhl, Hocker' (Sg.)<br />

Auch andere Klfen verhalten sich dementsprechend, d. h. sie können neben ihrer 'klassifizierenden'<br />

auch nominalisierende Funktion haben:<br />

(2.3.58) (a) [ngtti'Ji benhl.,<br />

Mensch krank (sein)(V)<br />

(b) [con b~nh]N<br />

Lebewesen krank (sein)<br />

(c) löng b~nh]N<br />

alter Mann krank (sein)<br />

'Kranke(r)' (neutral)<br />

'Kranke(r)' (abwertend, aber auch in Statistiken<br />

usw., d. h. der Kranke als 'Nr. x')<br />

(con 'Kif für N[+belebt])<br />

'Kranke(r)' (respektvoll, aber auch 'Privatpatient')<br />

Demgegenüber gibt es nun die folgenden Kif-Konstruktionen:<br />

(2.3.59) (a) nguöi ban<br />

Mensch Freund<br />

(b) öng ban<br />

alter Mann Freund<br />

'ein Freund' (neutral)<br />

'ein Freund' (respektvoll)<br />

Man mag sich nun in bezug auf (2.3.59) fragen, wo eigentlich die Unterschiede zu<br />

(2.3.58) liegen, und daß es vielleicht die berüchtigte 'europäische Brille' ist, mit der hier<br />

ein Unterschied gemacht wird, der dem Vietn<strong>am</strong>esischen nicht gerecht wird.Man könnte<br />

z. B. argumentieren, daß dt. Freund vietn. 'Freun<strong>des</strong>mensch' und dt. Kranker vietn.<br />

'Krankmensch' o. ä. entspricht, das Ganze also eher eine Frage der Übersetzungsäquivalenz<br />

ist: "Les specificatifs [= Klfen, E.L.] ne se traduisent pas" (Tnrong 1970:51). Abgesehen<br />

von der Tatsache, daß ben 'Freund' als Nomen in der Lage ist, eine eigene minimale<br />

NP zu repräsentieren, was für die Verben in (2.3.57) und (2.3.58) natürlich nicht<br />

gilt, liegt der entscheidende Unterschied zwischen (2.3.58) und (2.3.59) darin, daß erstere<br />

'transnumeral' sind, d. h. sowohl eine singularische als auch eine pluralische Lesart<br />

zulassen (vgl. dazu die analogen <strong>Beispiel</strong>e in (2.3.4)), während letztere (a) sowohl als


69<br />

NP als auch als Kompositum interpretierbar sind und (b) in beiden Fällen eindeutig nur<br />

singularisch interpretiert werden können.<br />

Die <strong>Beispiel</strong>e zeigen gleichzeitig, daß der Terminus 'Klassifikator' nicht für ein Nomen<br />

als solches gelten kann, sondern nur dann angebracht ist, wenn dieses Nomen (i) eine<br />

bestimmte Distribution aufweist (d. h. es ist nur in dem Fall KIf, in dem es mit einem<br />

weiteren Nomen kombiniert ist, das zumin<strong>des</strong>t nicht zu den o. a. N[-strukturiert] gehört),<br />

und wenn es (ii) eine bestimmte Position einnimmt, nämlich den schon in Abb. 2.l.<br />

erwähnten 'classifier slot',<br />

Das Verhalten von Klfen in der Komposition ist Thema <strong>des</strong> nächsten Abschnitts.<br />

2. 3. 5. Klassifikatoren und Komposition<br />

Mit dem zu klassifizierenden bzw. individuierenden Nomen bilden Klfen obligatorisch<br />

dann ein Kompositum, wenn die Position vor dem KIf nicht besetzt ist; diese Position<br />

kann, wie die Struktur der NP in Abb. 2.1 zeigt, durch ein Numeral oder eine andere<br />

quantitative Angabe bzw. durch einen der Pluralmarker besetzt sein. Ist sie besetzt, bilden<br />

die Klfen normalerweise mit dieser syntaktisch. eine Konstituente." <strong>Eine</strong> Ausnahme<br />

dazu bildet das (fakultative) Vorkommen <strong>des</strong> Numerals mot 'ein', das nur dann obligatorisch<br />

ist, wenn (i) ein neuer Referent in den Diskurs eingeführt wird, oder (ii) es in<br />

Opposition zu anderen Zahlen steht (vgl. (c) vs. (dj):<br />

(2.3.60) (a) [[rnQt qUä]NP carn]NP 'eine Orange' (vs. zwei usw.)<br />

em Frucht Orange (qlIa 'Frucht, Kif für Früchte')<br />

(b) [rnQt qUä]NP 'eine' (elliptisch)<br />

em Frucht<br />

"Diese Bedingung gilt z. B. nicht für anaphorische Komposita (Kap. 8.).


70<br />

(c) [[(mQt) qualNP c<strong>am</strong>lNP<br />

ein Frucht Orange<br />

(d) [qua c<strong>am</strong>]N]NP<br />

Frucht Orange<br />

'(irgend)eine Orange'<br />

'(die) Orange'<br />

<strong>Beispiel</strong> (2.3.60d) steht stellvertretend dafür, daß es auch Fälle gibt, in denen die Position<br />

vor dem KIf nicht besetzt sein darf. Das ist der Fall in (i) generischen Kontexten,<br />

(ii) bei Aufzählungen und insbesondere (iii) bei Vorerwähntheit, d. h. in anaphorischer<br />

Funktion. Diese werden in Kap. 8. beschrieben. Man könnte jetzt natürlich einwenden,<br />

daß der Unterschied zwischen (2.3.60c und d) eventuell gar nicht existiert, da in beiden<br />

Fällen graphisch gesehen die identische Abfolge qua c<strong>am</strong> 'Frucht Orange' vorliegt. Daß<br />

sich (c) und (d) tatsächlich unterscheiden, und daß (d) nicht nur in den o. a. Fällen (i)<br />

bis (iii) vorkommt, in denen ein Kompositum obligatorisch ist, läßt sich zum einen an<br />

der unterschiedlichen Intonation und zum anderen an der d<strong>am</strong>it korrelierenden unterschiedlichen<br />

Interpretation bzw. Bedeutung zeigen (" 1" signalisiert, wie in (2.3.38)<br />

gezeigt, den Hauptakzent, "3" den schwächsten Akzent):<br />

(2.3.61) (a) lban [(Clla) Will<br />

Freund (von) ich<br />

'mein Freund, meine Freunde'<br />

2 3 1<br />

(b) [[mQt ngltCrilNP [ban (WiJl NP] 'ein Freund (von mir)' (vs. zwei usw.)<br />

ein Mensch Freund ich<br />

2 3 I<br />

(c) [[(mQt) ngltCril [ban [(töiJl]] '(irgend)ein Freund (von mir)'<br />

(ein) Mensch Freund (ich)<br />

(d) 0<br />

1<br />

[[nguCri<br />

Mensch<br />

3<br />

b,ml<br />

Freund<br />

2<br />

[(töill]<br />

(ich)<br />

'mein (bester) Freund'<br />

(in etwa: 'der Freund von mir')<br />

Verkürzt dargestellt erhält man daher folgende Opposition (der primäre Akzent ist kursiv<br />

markiert):


71<br />

(2.3.62) (a) [nguai [biln töi]NP]<br />

Mensch Freund ich<br />

(b) [[ngutli banl., töiJ<br />

Mensch Freund ich<br />

'ein Freund von mir'<br />

'mein (bester) Freund'<br />

Analog dazu auch die folgenden <strong>Beispiel</strong>e:<br />

(2.3.63) (a) quyi\n sach tOP6<br />

Band Buch ich<br />

'ein Buch von mir, eines meiner Bücher'<br />

(quyen 'Band, KIf für Bücher')<br />

(b)<br />

quyen säch töi<br />

Band Buch ich<br />

'mein (Lieblings-)Buch; Buch, an dem<br />

ich gerade arbeite' usw.<br />

(2.3.64) (a) cha töi<br />

Hund ich<br />

(b) con cho töi<br />

Lebewesen Hund ich<br />

(c) con chO töi<br />

Lebewesen Hund ich<br />

'meinee) Hund(e)'<br />

'einer meiner Hunde'<br />

(con 'KIf für N[+belebt])<br />

'mein (einer) Hund, mein (Lieblings-)<br />

Hund'<br />

Klfen in der Komposition gibt es auch im Chinesischen, allerdings mit unterschiedlicher<br />

Reihenfolge und einer anderen Interpretation; hier ein <strong>Beispiel</strong> aus Unterbeck (1993):<br />

(2.3.65) (a)<br />

CIDN<br />

yi ben shu<br />

I KIf Buch<br />

ein Buch<br />

shuben<br />

Buch-Kif<br />

Bücher (*"Ge-büch") (Unterbeck 1993:156)<br />

36An dieser Stelle eine generelle Bemerkung zu den Possessiva: Nach Auskunft meines<br />

Informanten ist es im Vietn<strong>am</strong>esischen nicht üblich, von mein Buch, dein Buch etc. zu sprechen.<br />

Das wird eher als unhöflich empfunden. Possessiva werden nur wenn unbedingt nötig<br />

verwendet, d. h. um Ambiguität zu vermeiden. Dies bringt natürlich einen wichtigen Aspekt für<br />

die linguistische Analyse allgemein ins Spiel, nämlich den <strong>des</strong> Stellenwerts einer Konstruktion<br />

in den jeweiligen Sprachen - ein Aspekt, der meines Wissens weder systematisch untersucht<br />

worden ist noch in sprachlichen Beschreibungen gebührend berücksichtigt wird.


72<br />

Wie schon im Zus<strong>am</strong>menhang mit (2.3.40) gezeigt, läßt sich d<strong>am</strong>it auch im Vietn<strong>am</strong>esisehen<br />

der im Deutschen" systematisch vorhandene Unterschied zwischen Strauß Blumen<br />

vs. Blumenstrauß, Klumpen Gold vs. Goldklumpen etc. nachvollziehen:"<br />

(2.3.66) (a) ct.Jc vang 'Klumpen Gold'<br />

Klumpen Gold<br />

(b) C!lC vimg 'Goldklumpen'<br />

Klumpen Gold<br />

(2.3.67) (a) gic;>t nutfc 'Tropfen Wasser'<br />

Tropfen Wasser<br />

(b) gipt nuöc 'Wassertropfen'<br />

Tropfen Wasser<br />

Dieser Kontrast ist sogar möglich in den Fällen, in denen im Deutschen ein Kompositum<br />

systematisch ausgeschlossen ist, nämlich bei Maßbezeichnungen (*Mehlkilo, *Wasserliter):"<br />

(2.3.68) (a) [1ft [sanlNP]NP rat ni<br />

Liter Benzin sehr billig (sein)<br />

(b) [[1ft sanlN1NP rat re<br />

Liter Benzin sehr billig (sein)<br />

'ein Liter Benzin ist sehr billig'<br />

'der Liter Benzin ist sehr billig'<br />

(wörtl. 'Ölliter')<br />

Wie kompliziert bzw. komplex diese Unterscheidung ist, sobald ein Numeral auftritt,<br />

zeigt folgen<strong>des</strong>, allerdings ohne Kommentar versehenes <strong>Beispiel</strong> aus Thompson (1987):<br />

"Zu diesen Konstruktionen im Deutschen s. ausführlich Löbel (1986:67-76).<br />

"Daß in den (auf Französisch bzw. Englisch verfaßten) Gr<strong>am</strong>matiken <strong>des</strong> Vietn<strong>am</strong>esischen<br />

auf diesen Aspekt nicht hingewiesen wird, läßt sich wohl nur dadurch erklären, daß in diesen<br />

Sprachen ein solcher Unterschied nicht systematisch vorliegt bzw. auch nicht formal eindeutig<br />

mit einer unterschiedlichen Wortstellung wie im Deutschen korreliert (raindrop vs. ??drop of<br />

rain, drop ofwater vs. Ttw aierdrop, etc.). Dieser Umstand ist für mich ein Indiz dafür, wie sehr<br />

die (eigene) Beschreibungssprache die Analyse einer fremden Sprache beeinflußen kann.<br />

"Hierzu ausführlich Löbel (1986:127-132).


73<br />

(2.3.69) (a) näm cay höng<br />

fünf Pflanze Rose<br />

(b) hai (cäi) hoa hang<br />

zwei (KIf) Blume Rose<br />

(e) hai hoa hörig<br />

zwei Blume Rose<br />

'five rose bushes'<br />

(cay'Pflanze, Baum; Klf für PflanzenlBäume')<br />

'two roses (flowers)'<br />

(hoa 'Blume; Klf für Blumen')<br />

(Thompson 1987:205)<br />

'zwei Rosen(blumen)'<br />

Während (c) den Normalfall darstellt, ist (b) mit dem zusätzlichen generellen Klf cai<br />

insofern systematisch <strong>am</strong>big, als es zwei Lesarten erlaubt, die aber durch den Kontext<br />

bzw. durch die Intonation <strong>des</strong><strong>am</strong>biguiert werden können. In (2.3.70a) und (2.3.70b) ist<br />

hoa hang eindeutig ein Kompositum, da die Abfolge zweier Klfen im Vietn<strong>am</strong>esischen<br />

nicht erlaubt ist. In (2.3.70a) trägt der Klf wie üblich den schwächsten Akzent:<br />

2 3 1<br />

(2.3.70) (a) hai cai [hoa hangl N<br />

zwei Klf Blume Rose<br />

2 1 3<br />

(b) hai cai [hoa höngl.,<br />

zwei Kif Blume Rose<br />

'zwei Rosen(blumen)' (vs. andere Blumen)<br />

'zwei Rosen(blumen) [in Kontexten wie:<br />

'die eine (ist rot), die andere (ist gelb)']<br />

In (2.3.70b) liegt das sog. "extra ca!' (Emeneau 1951) bzw, "identifier cM' (DuC111g<br />

1970: 117) vor, das den Hauptakzent trägt. Mit dieser Konstruktion wird dem<br />

Hörer/Leser signalisiert, daß nachfolgend noch etwas Kontrastives über die betreffenden<br />

Gegenstände ausgesagt wird. Dieses cäi ist nicht zu verwechseln mit dem schon oben<br />

(<strong>Beispiel</strong> (2.3.9)) erwähnten cdi als meo-tü 'aufgesetztes Wort, Kronenwort' (MT), das<br />

eine andere Distribution und auch Funktion hat (s. u. Kap 8.3.).<br />

<strong>Beispiel</strong> (2.3.69) zeigt aber noch einen anderen Aspekt: Wie steht es mit der mehrfachen<br />

Klassifikation? In (a) ist hang 'Rose' mit cay'Pflanze' klassifiziert, in (b,c) dagegen mit<br />

hoa 'Blume', mit den entsprechenden Bedeutungsunterschieden. Die Fragen, die nun


74<br />

generell für das Lexikon relevant und in der Einleitung schon angesprochen worden<br />

sind, lauten konkret für dieses <strong>Beispiel</strong>: Sind für hi5ng zwei unterschiedliche Lexikoneinträge<br />

anzunehmen? Welcher der beiden Klfen ist der 'inhärente', welcher der<br />

'temporäre' (Serzisko 1982), oder gibt es für hi5ng eventuell noch andere Klfen, was<br />

dieses Problem natürlich noch komplizierter machen würde? Die nachfolgenden Kapitel<br />

haben u. a. zum Ziel, diese Fragen zu beantworten.<br />

3. Klassifikatoren<br />

Abgesehen von den beiden Einführungen in die vietn<strong>am</strong>esische Sprache - (Nguyen<br />

(1979) und Hoang (1990) -, basieren die folgenden Beobachtungen auf fünf mir zur<br />

Verfügung stehenden Gr<strong>am</strong>matiken <strong>des</strong> Vietn<strong>am</strong>esischen, nämlich Cadiere (1958),<br />

Dirong (1971), Emeneau (1951), Thompson (1987) und Truong (1970). In diesem Zus<strong>am</strong>menhang<br />

ist auch Raitzka (1989) zu erwähnen; diese Arbeit befaßt sich speziell mit<br />

dem Problem der Wortarten. Im folgenden werde ich kurz die unterschiedlichen<br />

Auffassungen zu Klfen darstellen.<br />

3. 1. Die Klassifikatoren in den Gr<strong>am</strong>matiken <strong>des</strong> Vietn<strong>am</strong>esischen<br />

Für Cadiere (1958:3) sind die Kriterien, wonach klassifiziert wird, entscheidend; unterschiedliche<br />

Klassen werden nicht wie in indoeuropäischen Sprachen nach Kriterien wie<br />

Femininum, Maskulinum, Neutrum etc, gebildet, sondern nach solchen wie 'belebt',<br />

'unbelebt', 'paarweise' usw.: "L'idee de 'bovin' (boeuf, vache, veau, genisse, taureau) doit,<br />

POUf etre bien comprise, etre classee d'abord dans l'idee plus vaste, dans la categorie<br />

d' "etres animes". Ce classement en categories s'exprime dans la langue par les substantifs<br />

Je categorie exprimant l'idee que l'on veut rendre" (Cadiere 1958:3, Hervorhebung<br />

vom Autor, E.L.). Ferner stellt Cadiere diese 'substantifs de categorie' den 'substantifs<br />

d'espece' gegenüber, d. h. der taxonomische Aspekt steht im Vordergrund. Es wird dar-


75<br />

auf hingewiesen, daß diese "substantifs de categorie" sehr zahlreich sind, einige jedoch<br />

wesentlich häufiger vorkommen, wobei er die folgenden sieben 'substantifs de categorie'<br />

aufzählt: cai'genereller KIf, con 'für Lebewesen', cay'Pflanzen, Bäume', chiec'(Einzel)stück',<br />

br 'Set, Ensemble', e'6i 'Paar' und cu 'Knolle, Zwiebel'; dieses Substantiv sieht<br />

er in Abgrenzung zu rau 'Gemüse, Salat', das ihm zufolge kein 'substantif de categorie',<br />

sondern vielmehr ein 'substantif simple' ist. Demgegenüber steht natürlich das unter<br />

(2.10) genannte <strong>Beispiel</strong> von Tnrong (1970:266), in dem rau 'Gemüse' eindeutig als<br />

'specificatif', d. h. als KIf, eingeordnet wird. Worin allerdings genau der Unterschied<br />

zwischen 'kategorialen' und 'einfachen' Substantiven besteht, wird nicht thematisiert. Ferner<br />

wird noch darauf hingewiesen, daß es eine große Zahl von weiteren 'substantifs de<br />

categorie' gibt, die weniger gebräuchlich sind und "qui relevent plus du dictionnaire que<br />

de la gr<strong>am</strong>maire" (Cadiere (1958:8); von diesen spezielleren 'substantifs de categorie'<br />

nennt er noch folgende: bä'c 'für Bilder, Vorhänge', ddm 'für Felder', e'iJ'a 'für Kinder und<br />

'individus du commun', khffu 'für Gewehre und Kanonen, süc 'für Holzstücke', Um 'für<br />

Bretter und Stoffstücke', vien 'für Steine, Ziegel, Tabletten'. Gar nicht thematisiert wird<br />

die Abgrenzung zu Maßwörtern. Insges<strong>am</strong>t wird das Thema nur auf sieben Seiten erörtert<br />

(Cadiere 1958:3-9).<br />

Wesentlich detaillierter behandelt Emeneau das Problem der Klfen. Wie schon in (2.1.)<br />

illustriert, unterscheidet er zwischen klassifizierten .und nichtklassifizierten Nomina,<br />

wobei letztere 'direkt zählbar' sind; beide Typen von Nomina bezeichnen 'such and such<br />

a species'; Numerus ist nicht Bestandteil der Bedeutung, die Nomina sind transoumeral<br />

(hierzu Biermann 1982) bzw. numerusindifferent. Daneben gibt es die Klassifikatoren<br />

als separate Klasse, deren Grundbedeutung als "one unit quantity or number of that<br />

denoted by the noun that it prece<strong>des</strong>" angegeben wird (Emeneau 1951:93), d. h. diese<br />

sind nicht transnumeraI, sondern bezeichnen 'eine Einheit'. Hierzu werden auch Maßwörter<br />

wie Liter, Kilo etc. gerechnet. Allerdings wird in vielen Aufsätzen, die sich mit der<br />

KIf-Problematik beschäftigen, darauf hingewiesen, daß Maßwörter bzw. Mensurative<br />

von den Klfen im engeren Sinne zu trennen sind (z. B. in Kölver 1982, Drossard 1982,<br />

Serzisko 1982), was sich auch für das Vietn<strong>am</strong>esische zeigen läßt (s. u. Kap. 4. 2.). Dies<br />

bedeutet, daß der KIf zwar ein "unit indicator" (Emeneau 1951:94) ist, aber nicht der


76<br />

Umkehrschluß gilt, daß alles, was eine Einheit bezeichnet, notwendigerweise ein KIf<br />

sein muß. Daß es abgesehen von diesem Problem auch bei anderen Nomina funktionale<br />

Überlappungen gibt, zeigt folgen<strong>des</strong> Zitat:<br />

"The nouns and classifiers in the basic vocabulary number 770. Of these, 121 are<br />

classifiers, 471 are classified nouns, and 178 are nonclassified nouns. Each substantive<br />

that occurs as a member 01 more than one 01 these subclasses has been<br />

counted separately in each to obtain these figures" (Emeneau 1951:93, Hervorhebung<br />

von mir, E.L.).<br />

Nichtklassifizierte Nomina und Klfen haben also gemeins<strong>am</strong>, daß sie beide 'direkt zählbar'<br />

sind, sie unterscheiden sich aber dadurch, daß für erstere gilt, daß "number is not<br />

part of their dass meaning", während dies genau für Klfen der Fall sein soll. Betrachtet<br />

man dagegen die Liste der nichtklassifizierten Nomina bei Emeneau (1951:100), fällt<br />

auf, daß ein Großteil von ihnen ebenso wie die Klfen mit Singular glossiert sind: cäu '0<br />

sentence', pbong '0 room', tuiJi'0 year of age' usw. (vgl. dazu Anhang B), d. h. diese<br />

demnach "number as part of their dass meaning" haben und allem Anschein nach nicht<br />

transnumeral sind. Daraus läßt sich zunächst der Schluß ziehen, daß die primäre Unterscheidung<br />

bei vietn<strong>am</strong>esischen Nomina nicht die zwischen klassifizierten und nichtklassifizierten<br />

Nomina einerseits und Nomina vs. Klassifikatoren andererseits sein kann, und<br />

daß d<strong>am</strong>it auch die Abgrenzung zwischen 'unit indicator' und 'Transnumeralität' problematisch<br />

bzw. zumin<strong>des</strong>t sehr fragwürdig ist.<br />

Wie in (2.1.6) gezeigt, führt auch Thompson (1985: 192) die Klfen als separate Kategorie<br />

auf; sie bilden zus<strong>am</strong>men mit den 'general categoricals' eine Unterklasse der 'Categoricals'.<br />

Der Unterschied zwischen diesen mit 'nominals' bezeichneten Nomina und<br />

'nouns' ('mass nouns', 'item nouns' usw.) wird wie folgt beschrieben:<br />

"There are important differences in the dass meanings of different kinds of nominals.<br />

Categoricals refer to general classes or categories of things, while nouns<br />

refer to more specific kinds of things. On the other hand, categoricals generally<br />

<strong>des</strong>ignate particular individual items (although they do not <strong>des</strong>cribe them specifically),<br />

while nouns (at the s<strong>am</strong>e time that they <strong>des</strong>cribe items more specifically)<br />

are vague about the exact number of items involved and about which ones are


77<br />

referred to. [...] It is especially important for English speakers to keep in mind that<br />

Vietn<strong>am</strong>ese nouns do not in themselves contain any notion of number or <strong>am</strong>ount.<br />

In this respect they are all somewhat like English mass nouns such as milk, water,<br />

flour, etc." (Thompson 1987: 193, Hervorhebungen von mir, E.L.).<br />

Die Unterscheidung beruht, wie das Zitat zeigt, auf einem primär semantischen Kriterium:<br />

Wenn ein Nomen 'nicht spezifisch' ist, bezeichnet es eine Einheit, ist es dagegen<br />

'spezifischer', ist es (eher) transnumeral:<br />

"Thus in the phrase cä! bsn 'the table', cdi 'object' makes clear that one particular<br />

object is involved, although it does not specify what kind of object; bsn 'table', on<br />

the other hand, <strong>des</strong>cribes a specific sott of object, but by itself it might refer to<br />

any number of tables, or tables in general, but none in particular" (Thompson<br />

1987:193).<br />

Dabei entsteht natürlich das Problem, wo genau die Grenze zwischen 'nicht spezifischer'<br />

und 'spezifischer' Bedeutung eines Nomens liegt. Positioneil unterscheiden sich die<br />

Klfen von den 'general categoricals' dadurch, daß sie nicht als '<strong>des</strong>criptive complement'<br />

vorkommen können: "Classifiers are categoricals which do not occur as single-word<br />

<strong>des</strong>criptive complements. They are most common as heads in <strong>des</strong>criptive phrases"<br />

(Thompson 1987:193). Berücksichtigt man in diesem Zus<strong>am</strong>menhang, daß Klfen wie cai<br />

'Ding' oder con 'Lebewesen' eine sehr allgemeine Bedeutung haben, ist dies wohl eher<br />

als ein semantisches denn als ein syntaktisches Kriterium zu werten, denn auch im<br />

Deutschen ist es schwer vorstellbar, daß derart abstrakte Begriffe eine begriffsdifferenzierende<br />

Funktion (z. B. als Determinans in einem Kompositum) haben können.<br />

Wichtig ist aber in diesem Zus<strong>am</strong>menhang, daß Thompson die Klfen eindeutig als 'head'<br />

einer Phrase definiert: "[...] a head consisting of a classifier complemented by a following<br />

noun" (Thompson 1987: 193). Ferner haben diese Klfen die Eigenschaft, daß "they<br />

are specific in identifying single, individual units; without a preceding number to specifiy<br />

a given quantity the meaning is clearly one unit. (In this they are much clearer than<br />

general categoricals)" (ibid., Hervorhebung von mir, E.L.).<br />

Abgesehen von dem generellen KIf cei kommen die meisten Klfen nur mit bestimmten<br />

Nomina vor, d. h es gibt unterschiedliche Subklassen von klassifizierten Nomina, wozu


78<br />

es auch eine gewisse Parallelität im Englischen gibt: "This usage in Vietn<strong>am</strong>ese is not<br />

unlike a far less extensive classification system in English, where we say, for exarnple,<br />

aflock 01 sheep, a herd 01 cattle, (so many) head 01 cattle (note that cattle really has no<br />

singular), a school offish, and so on In Vietn<strong>am</strong>ese the system is simply much more<br />

extended; it embraces all nouns in the language" (Thompson 1987:193f.).<br />

Im folgenden nennt Thompson 15 häufig vorkommende Klfen, wobei er sich explizit auf<br />

das Material von Emeneau bezieht, aber auch darauf hinweist, daß er zum Teil eine<br />

andere Einteilung vornimmt: "Note that many words listed as classifiers by other gr<strong>am</strong>marians<br />

do not appear here because they are, rather, general categoricals [...] in terms of<br />

this analysis" (Thompson 1987: 194). Er weist aber selbst darauf hin, daß keine eindeutige<br />

Abgrenzung zwischen Klfen und 'general categoricals' vorgenommen werden kann:<br />

"Tbe phenomenon of classification extends beyond the elements identified by classifiers<br />

in this system. In many instances general categoricals serve much the s<strong>am</strong>e function"<br />

(ibid.). Diese 'general categoricals', "[l]ike classifiers, [...] usually refer to a single entity,<br />

but this reference is less specific and definite, except where a restrictive complement<br />

(i.e. a numerator [z. B. ein Pluralmarker, E.L.]) makes it clear" (Tbompson 1987197).<br />

Daß die Abgrenzung zu Klfen eher auf semantischen Kriterien beruht, zeigt folgen<strong>des</strong><br />

Zitat: "While classifiers constitute a rather small class of words which tend to be relatively<br />

colorless, categoricals include a great number.of words w hich are translated by<br />

English nouns; they are generally more specific than classifiers in reference to type,<br />

more <strong>des</strong>criptive, more colorful" (Tbompson 1987, ibid., Hervorhebungen von mir,<br />

EL.). Folgende <strong>Beispiel</strong>e zeigen aber, daß auch hier syntaktisch gesehen keine klare<br />

Abgrenzung möglich ist:<br />

(3.1) (a) hai cäi höp sua<br />

zwei KIf Kanne Milch<br />

(b) hai hQp süa<br />

zwei Karme Milch<br />

(3.2) (a) miröi cai chai<br />

zehn KIf Flasche<br />

'two milk cans'<br />

'two cans of milk'<br />

'ten bottles'


(b) miröi eh ai nrou<br />

zehn Flasche Wein<br />

79<br />

'ten bottles of wine'<br />

(Thompson 1987 197)<br />

Die Nomina hrp 'Kanne' und chai 'Flasche' gehören zu den 'general categorieals': "Many<br />

general categoricals are common as <strong>des</strong>eriptive eomplements to classifiers. In this<br />

position they seem to Junetion very mueh like classified nouns. This feature of strueture<br />

suggests for at least these general categoricals a status intermediate between that of<br />

classifiers and that of nouns" (Thompson 1987, ibid., Hervorhebungen von mir, E.L.).<br />

Daß dies nicht nur für die in den o. a. <strong>Beispiel</strong>en genannten 'container nouns' gilt, zeigen<br />

folgende Fälle, die als "generally connoting a more technical kind of entity" interpretiert<br />

werden; ferner wird darauf hingewiesen, daß hier eine"<strong>des</strong>ignation of function<br />

by position" vorliegt, die Funktion eines 'general eategorical' als KIf also von seiner<br />

Position abhängig ist:<br />

(3.3) (a) näm eai aen<br />

fünf Kif L<strong>am</strong>pe<br />

'five l<strong>am</strong>ps'<br />

(b)<br />

närn aen<br />

fünf L<strong>am</strong>pe<br />

'five tubes (for a radio)'<br />

(3.4) (a) ba cai nhä<br />

drei KIf Haus<br />

'three houses'<br />

(b) ba nhä cho 'three market stalls'<br />

drei Haus Markt (Thompson 1987: 198)<br />

Hier wird allerdings in bezug auf beide <strong>Beispiel</strong>e in (b) von der übersetzung her etwas<br />

suggeriert, was so nicht zutreffend ist:<br />

(3.5) (a) mäy radio näm aen<br />

Maschine Radio 5 L<strong>am</strong>pe<br />

'Radio mit fünf Leuchtdioden'<br />

(genauer: 'ein fünf-I<strong>am</strong>piges Radio')<br />

(b)<br />

näm aen<br />

fünf L<strong>am</strong>pe<br />

'fünf Leuchtdioden' (elliptisch zu (a))<br />

(c) ba nhii ehq<br />

drei Sektion Markt<br />

'drei Marktabteilungen' (für Fleisch,<br />

Fisch, Gemüse o.ä.)


80<br />

(d) gian häng<br />

Stand Ware<br />

'Marktbude'<br />

Die 'nichtklassifizierten' Nomina (Emeneau 1951) bzw. 'general categoricals' Ben 'L<strong>am</strong>pe'<br />

und nhü 'Haus, Gebäude, Raum' in den <strong>Beispiel</strong>en (3.5) bezeichnen jeweils Teile<br />

eines größeren Ganzen; ich werde auf diesen wichtigen Aspekt weiter unten zurückkommen<br />

(Kap. 5.3).40<br />

In der Liste der 'general categoricals' sind folgende semantische Gruppierungen enthalten:<br />

"[k]inship terms, a number of other terms of reference for human beings, containers,<br />

gra<strong>des</strong> and classes, meals and dishes, various measuring units (of time, space, money,<br />

quantity), items of discourse (sound, word, senten ce). The following list is suggestive<br />

rather than in any sense exhaustive" (Thompson 1987:198f.). Diese Liste enthält Nomina,<br />

die teilweise von Emeneau (1951) den 'classifiers' (z. B. alle Maßbezeichnungen),<br />

teilweise den nichtklassifizierten Nomina zugeordnet werden, wie phong 'Zimmer', träi<br />

'Himmel'. Auch für die Gr<strong>am</strong>matik von Thompson gilt daher, daß die Einordnung bzw.<br />

Abgrenzung von Nomina und Klfen problematisch ist.<br />

Sehr ausführlich werden die Klfen in Tnrong (1970) behandelt. Er unterteilt die Klfen in<br />

vier allgemeine und zahlreiche spezifische Klfen: "La langue actuelle divise les etres en<br />

trois gran<strong>des</strong> especes: les etres humains, les animaux et les choses concretes ou abstraites.<br />

Elle emploie pour servir de specificatifs a ces trois gran<strong>des</strong> classes les substantifs<br />

suivants: nglfVi 'personne, ötre humain', con 'SIre anirne, animaI', cei 'chose', s(fou viec<br />

'chose, fait', que nous appelons specificatifs generaux. Chacune de ces gran<strong>des</strong> especes<br />

comporte <strong>des</strong> classes ou categories plus restreintes pour lesquelles on se sert de specificatifs<br />

dits particuliers" (Tnrong 1970:252, Hervorhebungen von mir, E.L.). Ferner gibt<br />

es noch die 'specificatifs assimiles', die Artangaben bezeichnen, wie 10iJ.i, giöng 'espece,<br />

40In Emeneau (1951:112) ist nh« in der Liste der Klfen enthalten, nicht aber Ben; in<br />

Thompson (1987) dagegen sind in der Liste der 'general categoricals' beide Nomina nicht<br />

aufgeführt.


81<br />

genre, race' und hf;Wg, thä"genre, sorte, categorie' (ibid.), die ähnlich wie dt. Art, Sorte"<br />

verwendet werden. Die hier unter 'allgemeine Klfen' aufgeführten Lexeme s(fllild<br />

vi?c, die weder in den Listen von Emeneau (1951) noch bei Thompson (1987) vorkommen<br />

und die ich unter 'Nominalisierungselemente' (Abb. 2.4) eingeordnet habe, zeigen<br />

aber schon, daß hier wieder unterschiedliche Kriterien für die Zuordnung als KIf angewendet<br />

werden bzw. es schon aufgrund der in den einzelnen Gr<strong>am</strong>matiken verwendeten<br />

unterschiedlichen Terminologie schwierig ist, überhaupt eine Vergleichsbasis zu finden.<br />

Daß der Begriff 'specificatif bei Tnrong weiter gefaßt ist als in den anderen Gr<strong>am</strong>matiken<br />

und nicht nur für Klfen im engeren Sinne gilt, zeigen folgende <strong>Beispiel</strong>e (auch bei<br />

enger Apposition, bei der das 'klassifizierte' Nomen ein Eigenn<strong>am</strong>en ist, spricht Tnrong<br />

von 'specificatif")."<br />

(3.6) (a) öng At<br />

alter Mann A.<br />

(b) cö Dinh<br />

Fräulein D.<br />

(3.7) (a) nuöc Viet-N<strong>am</strong><br />

Land V.<br />

(b) däo Phu-Quöc<br />

Insel P.-Q.<br />

'Herr At' (respektvoll)<br />

'Fräulein Dinh'<br />

'das Land Vietn<strong>am</strong>'<br />

'die Insel Phu-Quöc'<br />

Femer nennt er noch eine Reihe von Kriterien dafür, wann nicht klassifiziert wird. Diese<br />

Gr<strong>am</strong>matik ist übrigens die einzige, die das Problem überhaupt anspricht, obwohl für<br />

eine genaue Analyse der Funktion und der Abgrenzung eines Kif von anderen Nomina<br />

der Aspekt, wann ein Kif nicht vorkommen darf; genauso wichtig ist wie die Kriterien<br />

für sein obligatorisches Vorkommen. Nach Tnnmg (1970:258ff.) werden Unikate wie<br />

"Zu Massennomina und dem Bedeutungsäquivalent zum Artenplural (Wein vs. Weine) s. u.<br />

Kap. 4.1.<br />

42Diese <strong>Beispiel</strong>e zeigen, daß Nomina wie Land, Fräulein usw. zwar klassifizieren, aber der<br />

hier vorliegende Umkehrschluß, daß alles, was klassifiziert, notwendigerweise ein Kif sein muß,<br />

nicht zwingend ist.


82<br />

trai 'Himmel', (tat 'Erde' nicht klassifiziert, obwohl es kurz darauf beißt: "On dit pourtant<br />

qua dilt [...] etc., [= 'Frucht Erde', E.L.]." Ferner wird ein 'specificatif nicht verwendet<br />

vor (i) 'substantifs collectifs' (3.8a), (ii) 'substantifs partitifs' (3.8b), (iii) Teilvon-Bezeichnungen<br />

(3.8.c) und vor (iv) Maßwörtern bzw. Behälternomina (3.8d und e):<br />

(3.8) (a) mQt Elan [bOl 'lID troupeau [de boeufs]'<br />

em Herde Rind<br />

(b) mQt mänh lgiäyl 'un morceau [de papier]'<br />

em Stück Papier<br />

(c) mQt müi [c<strong>am</strong>] 'lID quartier [d'orange]'<br />

eme Spalte Orange<br />

(d) mQt thiröc [vai] 'lID metre [de tissu]'<br />

em Meter Stoff<br />

(e) mQt bat lcoml 'une bolee [de riz]'<br />

eme Schüssel Reis (Trl1


83<br />

wird dies d<strong>am</strong>it, daß "[d]ie vietn<strong>am</strong>esischen Substantive nicht individuelle Gegenstände<br />

[bezeichnen], sondern allgemeine Klassenbegriffe [sind], die man mit deutschen Mitteln<br />

<strong>am</strong> ehesten durch Kollektivbildungen nachvollziehen kann. So heißt z. B. ghireigentlich<br />

eher 'Gestühl' oder dergl. als 'Stuhl'. Entsprechend gibt es auch keinen gr<strong>am</strong>matischen<br />

Plural" (Wurzel 1986:79, Hervorhebung von mir, E.L.). Dort werden die Klfen <strong>des</strong> Vietn<strong>am</strong>esischen<br />

auch als "substantivische Elemente ('sub-nouos')" (ibid.) bezeichnet. Die<br />

drei <strong>am</strong> häufigsten gebrauchten Klfen sind cäi 'allgemeiner KIf', con 'KIf für Belebtes'<br />

uod chiiJ(: 'Stück', auch: 'Stück eines Paares'. Außerdem gibt es, wie auch in den anderen<br />

Gr<strong>am</strong>matiken erwähnt, noch zahlreiche Klfen für "spezielle, semantische Klassen, z. B.<br />

quyln (cu6n) für Hefte, Bücher u. ä., btic für 'flächige' Dinge (Wand, Bild, Brief u.ä.)<br />

oder ta für blattförmige Gegenstände. Bei allen diesen Wörtern ist der Prozeß der<br />

Demantisierung (in unterschiedlichem Grade) schon relativ weit fortgeschritten" (Raitzka<br />

1989:108, Hervorhebung von mir, E.L.). In diesem Zus<strong>am</strong>menhang heißt es, daß insbesondere<br />

die allgemeinen Klfen eine "sehr gering ausgeprägte lexikalische Bedeutung"<br />

haben; daher kann man sich fragen, ob diese Nomina tatsächlich '<strong>des</strong>emantisiert' sind<br />

oder einfach von Hause aus eine sehr allgemeine Bedeutung wie dt. Stück, Ding, -fall,<br />

Sache etc. haben. Allerdings weist auch sie darauf hin, daß es im "konkreten Einzelfall<br />

manchmal schwer erkennbar [ist], ob es sich bei dem betreffenden Wort um einen Klassifikator,<br />

um ein Glied eines Kompositums oder um ein Substantiv einer anderen Subklasse<br />

handelt" (Raitzka 1989: 108). Als <strong>Beispiel</strong> dafür nennt sie (3.9a), anband <strong>des</strong>sen<br />

gezeigt werden soll, daß Beobachtungen der Art, daß "auch verschiedene Substantive<br />

anderer Subklassen in bestimmten Kontexten die Funktion eines Klassifikators übernehmen"<br />

(ibid.), problematisch sein können (hier ist die Subklasse der Gattuogsn<strong>am</strong>en<br />

gemeint, d.h. tos als Gattungsn<strong>am</strong>e fungiert als KIf):<br />

(3.9) (a) töa 'Gericht, Gerichtshof'<br />

als Klassifikator: töa nhä '(das) Haus' [nha 'Haus']<br />

(Raitzka 1989:108)<br />

(b)<br />

töa '(Thron)sitz'<br />

(Karow 1972:817)


84<br />

(c) töa lbach-öcl; 'das Weiße Haus' (Washington)"<br />

Sitz weiß Haus (Karow 1972:817)<br />

Die Frage ist, wie es zu 'Gerichtshof' als KIf für 'Haus' kommt. Die in Raitzka angegebene<br />

Übersetzung suggeriert eine Bedeutungsbeziehung, die in dieser Weise nicht<br />

korrekt ist. Die Grundbedeutung von toa ist '(Thron)siti; die d<strong>am</strong>it assoziierte Bedeutung<br />

ist 'sehr groß, bedeutend, (vier)eckig'. Daher wird tos als Kif für derartige Gebäude<br />

verwendet. Zu der Bedeutung 'Gerichts(hof)' (genauer: to« an, wörtl. 'Urteils-, Untersuchungssitz')<br />

kommt es u. a. dadurch, daß Gerichtshöfe normalerweise in großen, bedeutenden<br />

Gebäuden untergebracht sind. Das heißt, daß toa nicht im Sinne von 'Gerichtshof'<br />

als KIf fungiert, sondern im Sinne von 'großes, bedeuten<strong>des</strong> Gebäude'; die<br />

Verwendung von toa signalisiert, daß es sich nicht um irgendein (unbedeuten<strong>des</strong>, kleines)<br />

Haus handelt (dies wäre cäi nha 'allgemeiner Klf + Haus'), sondern um ein großes,<br />

bedeuten<strong>des</strong> Haus bzw. Gebäude." Dieses <strong>Beispiel</strong> zeigt gleichzeitig, daß auch in Raitzka<br />

kein eindeutiges Kriterium vorliegt, wonach zwischen 'Gattungsn<strong>am</strong>en', 'Gattungsn<strong>am</strong>en<br />

als Zähleinheitswörter' oder 'Zähleinbeitswörter' unterschieden werden könnte.<br />

Kurz und bündig wird das Problem der Klfen in Direng (1971) behandelt, nämlich auf<br />

genau zwei Seiten. Ihr zufo1ge gibt es "only two pre-deterrniners in Vietn<strong>am</strong>ese: con,<br />

the pre-determiner for nouns referring to animate (living) things or animals (excluding<br />

human beings), and cäi, the pre-deterrniner for notins referring to inanimate things such<br />

as tables and houses" (Duong 1971:115). Diese 'pre-determiners' signalisieren, daß Nomina<br />

wie bün 'Tisch' oder nha 'Haus' "are used as count nouns; its [ = 'pre-determiner',<br />

E.L.] omission before these no uns suggests that the latter are used as mass no uns referring<br />

to the who1e species'' (ibid.). Sie werden "used to suggest 'countability' or 'units' in<br />

the nouns that follow it" (Dirong 1971:116). Bezüglich der Tatsache, daß es außer den -<br />

4JHier liegt ein Kompositum aus sinovietn<strong>am</strong>esischen Lexemen vor, das nach der chinesischen<br />

Syntax gebildet ist und entsprechend die auch im Deutschen übliche Reihenfolge Modifier-Head<br />

aufweist; das entsprechende rein vietn<strong>am</strong>esische Lexem oe dagegen die Bedeutung<br />

'Schnecke, Muschel', aber auch (davon abgeleitet) 'Schraube'.<br />

"Die unterschiedlichen Klfen für nh» 'Haus' sind in Anhang C, Nr. 65, aufgeführt.


85<br />

allerdings <strong>am</strong> weitaus häufigsten vorkommenden - Klfen cäi und con auch noch andere<br />

Klfen gibt, heißt es lediglich:<br />

"But it is noted that not a11 the nouns referring to inanimate things in Vietn<strong>am</strong>ese<br />

need to be preceded by the pre-determiner cäi. For ex<strong>am</strong>ple, the nOIll1S cay'tree',<br />

tre 'b<strong>am</strong>boo' and c<strong>am</strong> 'orange' do not need to be preceded by the predeterminer<br />

cai. Without cei they are actually mass nOIll1S. To suggest the idea of 'countability'<br />

or 'units', these nonns are used in conjunction with other nouns 01 the s<strong>am</strong>e kind"<br />

(Duong 1971:116, Hervorhebung von mir, E.L.).<br />

So erhält man folgende unterschiedliche Zuordnung:<br />

(3.10) (a) cäy tre 'a b<strong>am</strong>boo plant'<br />

nucleus<br />

nOIll1 noun<br />

(b) qua c<strong>am</strong> 'an orange'<br />

nucleus<br />

nOIll1 noun<br />

(3.11) (a) cäi bän<br />

nucleus<br />

prd noun<br />

'a table'<br />

[prd ~<br />

'pre-determiner']<br />

(b)<br />

cäi thuyön<br />

nucleus<br />

prd noun<br />

'a boat'<br />

(Duong 1971: 116)<br />

Der Feststellung, daß "[s]ome verbs or modifiers become nouns when they are preceded<br />

by the pre-determiner cai' (ibid.) entspricht genau die in (3.11) gegebene Analyse, d. h.<br />

es wird kein Unterschied gemacht zwischen Nominalisierungen und der Kombination<br />

von 'prd + noun':<br />

(3.12)(a)<br />

(to) die<br />

cäi chöt<br />

nucleus[=<br />

prd noun<br />

Verb, E.L.]<br />

'death'


86<br />

(b)<br />

beautiful [als 'modifier' glossiert]<br />

cai dep<br />

'beauty'<br />

nucleus [= Verb, B.L.]<br />

prd noun (Dirong 1971:116)<br />

Sowohl chef 'sterben' als auch dfJp 'schön (sein)' sind eindeutig Verben, d. h. sie gehören<br />

nicht zu den in (2.1.1) genannten Lexemen, die sowohl den Nomina als auch den<br />

Verben zugeordnet werden können. Dies bedeutet, daß erst die Kom bination mit dem<br />

'pre-determiner' zu einer nominalen Interpretation führt. Daher ist es äußerst fragwürdig,<br />

diese beiden Lexeme als 'noun' einzuordnen, da ja nur der ges<strong>am</strong>te Ausdruck einem<br />

(zus<strong>am</strong>mengesetzten) Nomen entspricht.<br />

Interessant an Duongs im Rahmen <strong>des</strong> Tagmemik-Modells vorgenommenen Analyse ist<br />

(i) die o. a. Bemerkung, daß Nomina "in conjunction with other nouns of the s<strong>am</strong>e<br />

kind" zählbar gemacht werden können, sowie (ii) der Begriff <strong>des</strong> Nukleus. Daher möchte<br />

ich im nächsten Abschnitt darstellen, mit welchen Argumenten die o. a. Gr<strong>am</strong>matiken<br />

die Klfen als Head oder als Modifier einordnen.<br />

3. 1. 1. Status der Klassifikatoren als Head oder Modifier<br />

Die o. a. <strong>Beispiel</strong>e (3.10) vs. (3.11) zeigen, daß Dirong ein in den anderen Gr<strong>am</strong>matiken<br />

zu den Klfen gerechnetes Nomen wie qua in qua c<strong>am</strong> 'Frucht Orange' als Nomen klassifiziert,<br />

gleichzeitig aber auch als Nukleus und d<strong>am</strong>it Head der Konstruktion (3.10). Im<br />

Gegensatz dazu wird in dem analog konstruierten <strong>Beispiel</strong> (3.11) das klassifizierte Nomen<br />

ben 'Tisch' von Dirong als Nukleus und d<strong>am</strong>it Head angesehen Das gilt auch für<br />

die in (3.12) genannten Nominalisierungen: Das statische Verb dfJp 'schön (sein)' ist<br />

Head der Konstruktion und wird als Nomen klassifiziert, obwohl es erst zus<strong>am</strong>men mit<br />

dem 'pre-determiner' cal ein (zus<strong>am</strong>mengesetzes) Nomen bildet. Dagegen wird bei anderen<br />

Nominalisierungen das nominalisierende Lexem als Head angesehen:


87<br />

(3.13) (a) cuöc bau ci'!<br />

nucleus<br />

noun verb<br />

event elect<br />

'the election'<br />

(b) cäch xep aij.t 'the organization'<br />

nucleus<br />

noun verb<br />

way organize (Du


88<br />

Ihm zufolge ist also das klassifizierte Nomen das Head, was bedeutet, daß er 'substantif<br />

principal' in einem semantischen Sinne versteht, also von semantischem Head die Rede<br />

ist; syntaktisch gesehen liegt aber im Vietn<strong>am</strong>esischen allgemein in der NP eindeutig di e<br />

Reihenfolge Head - Modifier vor, so daß demnach, wie von Thompson aogenommen,<br />

der Kif das syntaktische Head darstellt." Dieses Problem wird auch in Emeneau<br />

(1951:45) angesprochen; im Zus<strong>am</strong>menhaog mit der Struktur der NP heißt es, daß "the<br />

noun is preceded by a numerator or followed by a demonstrative numerator, or both,<br />

with a classifier imm ediately preceding the noun if the latter belongs to the subclass<br />

called classified" (Hervorhebung von mir, E.L.); 'noun' steht also hier für semantisches<br />

Head. An aoderer Stelle dagegen wird dieser Aspekt durchaus problematisiert:<br />

"In a number of instances, a classifier acts as head followed by a verb attribute;<br />

e.g., flglf(}i l{l 'a straoger' (literally: person who is straoge) [...]. This suggests a<br />

<strong>des</strong>cription in w hich classifier and classified noun are treated as head noun and<br />

attribute respectively, but the equality 01 classifier plus classified noun with nonclassified<br />

noun in a numerated construction puts this suggested type of attribution,<br />

though real enough, on a different level from that just treated, aod makes it an<br />

uneconomical marmer of statement" (Emeneau 1951:85, Hervorhebungen von mir,<br />

EL.).<br />

Allerdings gibt es auch folgende Variation: "A number of nouns belong both to the<br />

classified subclass aod to the nonclassified, usually but not always with a different<br />

meaoing. For instance, cua with the classifier cäi means 'door (the physical object)',<br />

nonclassified it means 'door (as a means of entrance or exit)'; [ ] g6f with the classifier<br />

cei means 'heel of shoe', nonclassified it means 'heel of foot'; [ ]" (Emeneau 1951:95).<br />

Daß für die An- vs. Abwesenheit eines Kif jedoch nicht die Bedeutung ausschlaggebend<br />

ist bzw. dieser nicht eine bestimmte Lesart auslöst, zeigt folgende Gegenüberstellung:<br />

(3.15) (a) con nginri cö hai grit (chän)<br />

Kif Mensch haben zwei Fersen (Fuß)<br />

'Der Mensch hat zwei Fersen.'<br />

"Diese Diskrepanz von semantischem und syntaktischem Head existiert auch im Deutschen<br />

in Konstruktionen wie zwei Liter Wein, eine Gruppe Studenten, usw., was ausführlich in Löbel<br />

(1986:88-97) gezeigt wird.


(b) chiöc giay c6 möt g6t (chiäc 'Kif für Einzelstücke')<br />

KIf Schuh haben ein Absatz<br />

'Der Schuh hat einen Absatz.'<br />

89<br />

(c) chiec giay c6 möt cäi g6t cao<br />

KIf Schuh haben ein Kif Absatz hoch<br />

'Der Schuh hat einen hohen Absatz'<br />

<strong>Beispiel</strong> (3.15b) zeigt, daß g6t auch in der Bedeutung 'Absatz' ohne KJf vorkommt. Analog<br />

gilt dies für cäa 'Tür vs. Eingang'. Während (3.16a) noch beide Interpretationen zuläßt,<br />

zeigen (3.16b) (hier ist nur die Lesart 'Tür' möglich) lUld (3.16c) (hier nur als 'Eingang'<br />

interpretierbar), daß die Lesart nicht von dem Vorkommen <strong>des</strong> KJf cei abhängt,<br />

denn er ist in beiden Fällen obligatorisch:<br />

(3.16) (a) phöng hai cüa<br />

Zimmer zwei Tür<br />

'Zimmer mit zwei Türen/Eingängen'<br />

(b) Töi se mua möt cäi ci'ta cäy<br />

ich Zukunft kaufen ein KIf Tür Holz<br />

'Ich werde eine Holztür kaufen.'<br />

(c) Nhä thuong näy c6 hai cäi cüa,<br />

Krankenhaus dies haben zwei KIf Eingang,<br />

cäi cüa sau düng chö<br />

KIf Eingang hinten benutzen transportieren<br />

benh nhän, cai cüa trinrc düng 411<br />

Kranke KIf Eingang vorne benutzen um zu<br />

tiep khäch.<br />

empfangen Gast<br />

'Dieses Krankenhaus hat zwei Eingänge, der hintere Eingang dient zum<br />

Transport der Kranken, der vordere zum Empfang der Gäste.'<br />

Emeneau (1951: 10Iff.) nennt aber selbst noch zahlreiche <strong>Beispiel</strong>e, in denen die An- vs.<br />

Abwesenheit eines KIf nicht mit einem Bedeutungsunterschied korreliert, sondern nach<br />

seiner Analyse zum einen ein Kif, zum anderen ein klassifiziertes Nomen vorliegt:<br />

(3.17) (a) hai cai nu<br />

zwei KIf Knospe<br />

'two buds'


90<br />

(b) hai n\l sen<br />

zwei Knospe Lotus<br />

(c) hai n\l böng<br />

zwei Knospe Blume<br />

'two lotus buds'<br />

'two (tlower)buds'<br />

(Emeneau 1951:107)<br />

Daher ist ihm zufolge "nu bOng ['Knospe Blume', E.L.] = cai nu [Ding (KIf) Knospe,<br />

E.L.]" (ibid.). Korreliert man nun den KIf mit der Eigenschaft, eine Einheit zu bezeichnen,<br />

und das klassifizierte Nomen entsprechend mit der Eigenschaft, transnumeral (d. h.<br />

numerusindifferent) zu sein, erhält man folgende Zuordnungsmöglichkeiten:<br />

(3.18) Numeral Klassifikator klassifiziertes Nomen<br />

[eine Einheit] [transnumeral]<br />

(a) hai cai n\l 'zwei Knospen'<br />

zwei Kif Knospe<br />

(b) hai n\l böng 'zwei (Blumen)knospen'<br />

zwei Knospe Blume<br />

Das in (3.18) angesprochene Problem der Zuordnung gilt übrigens auch für die Nomina,<br />

die Emeneau (1951:100) zu den "nichtklassifizierten Nomina" zählt und die ich in Anhang<br />

B aufgeführt habe, um die Argumentation für den Leser besser nachvollziehbar zu<br />

machen. <strong>Beispiel</strong> (3.19) zeigt, daß phong'Zimmer' (Anhang B, NT. 24) durchaus mit KIf<br />

vorkommt:<br />

(3.19) (a) nhä ba<br />

Haus drei<br />

phOng<br />

Zimmer<br />

'Haus mit drei Zimmern'<br />

(b) nhä vöi ba<br />

Haus mit drei<br />

cäi phöng<br />

Kif Zimmer<br />

'Haus mit drei Zimmern (plus Küche, Diele,<br />

Bad)'<br />

(c) töi muön muön möt cai phöng lön<br />

ich wollen mieten ein KIf Zimmer groß<br />

'Ich möchte ein großes Zimmer mieten'<br />

Der Kontrast zwischen (3.19a) und (3.19b,c) zeigt, daß die im Zus<strong>am</strong>menhang mit<br />

(3.18) skizzierte Frage wie folgt verallgemeinert werden kann: Ist für eine syntaktische


91<br />

Analyse der 'nichtklassifizierten Nomina' und insbesondere im Hinblick auf den Status<br />

eines KIf als Head und eines klassifizierten Nomens als Modifier eine Zuordnung gemäß<br />

(3.20b) oder (3.20c) vorzunehmen? Welchen Status hat dann dieses Head, insbesondere<br />

aufgrund der Tatsache, daß es offensichtlich nicht obligatorisch ist, wenn man den Kontrast<br />

zwischen (3.20a) und (3.20b) berücksichtigt? Oder ist (3.20c) einfach als elliptische<br />

Konstruktion zu interpretieren (symbolisiert durch "?")?<br />

Head<br />

Modifier<br />

Numeral I.Klf klassizifiertes Nomen<br />

2. nichtklassifiziertes<br />

Nomen<br />

[eine Einheit] [transnumeraI]<br />

(3.20) (a) hai cäi phOng<br />

zwei KIf Zimmer<br />

(b) hai 0 phiing<br />

zwei<br />

Zimmer<br />

(c) hai phiing ?<br />

zwei Zimmer<br />

Die folgenden Kapitel haben zum Ziel, diese Fragen zu beantworten. Dabei ist vor allem<br />

zu klären, ob es trotz der bisher genannten <strong>Beispiel</strong>e nicht doch Nomina gibt, die auf<br />

einen der beiden in (3.20) ausgewiesenen "slots" festgelegt sind, d. h. eindeutig den<br />

(eine Einheit bezeichnenden) Klfen bzw. nichtklassifizierten Nomina oder den klassifizierten<br />

(transnumeralen) Nomina zuzuordnen sind. Zunächst soll jedoch das Belegmaterial,<br />

anhand <strong>des</strong>sen ich diese Fragen untersucht habe, vorgestellt und erläutert werden.<br />

3. 2. Das Belegmaterial<br />

Da in allen hier besprochenen Gr<strong>am</strong>matiken die Zuordnung von (eine Einheit bezeichnenden)<br />

Klfen bzw. nichtklassifizierten Nomina und (transnumeralen) bzw. klassifizierten<br />

Nomina sehr unterschiedlich ist, habe ich zunächst untersucht, wie diese Einteilung


92<br />

in einem Wörterbuch gehandhabt wird. Hier konnte ich auf das umfangreiche, über<br />

40.000 Stichwörter umfassende vietn<strong>am</strong>esisch-deutsche Wörterbuch von Karow (1972)<br />

zurückgreifen; es enthält insges<strong>am</strong>t 64 als 'Numerative' bezeichnete Nomina, wobei<br />

dieser Begriff leider nicht erläutert wird. Sie sind in Anhang A aufgeführt und mit K<br />

(für 'Karow') gekennzeichnet. Diese Liste habe ich mit den 117 Klfen, die in Emeneau<br />

(l951:11 0-113) aufgeführt sind, verglichen und entsprechend mit E (für 'Emeneau')<br />

gekennzeichnet. Alle diese Nomina sind, wie mir mein Informant bestätigte, "direkt<br />

zählbar" und daher auch in der Lage, eine Einheit zu bezeichnen. Sofern ein Bedeutungsunterschied<br />

zwischen Klf/Numerativ und der Verwendung <strong>des</strong> entsprechenden<br />

Nomens als klassifiziertes Nomen angegeben wurde, habe ich dieses unter der Rubrik<br />

'klassifiziertes Nomen' notiert. Derartige Unterschiede sind allerdings sehr fragwürdig,<br />

da es sich eher um Übersetzungsäquivalente als tatsächlich um Bedeutungsunterschiede<br />

handelt. <strong>Beispiel</strong>sweise kann man sich fragen, ob NI. 3 bil i. S. v. 'eine alte Frau' (gilt<br />

für Frauen ab 30(!» wirklich derart unterschiedlich zu ba i. S. v. 'Großmutter' ist, wie<br />

dies die deutsche Übersetzung suggeriert, oder ob hier nicht einfach konzeptuelle Verschiebung<br />

vorliegt (vgl. dt. ein altes (Groß-)Mütterchen vs. meine Großmutter). Besonders<br />

deutlich wird dies bei den zahllosen in dieser Liste enthaltenen Behälternomina<br />

(NI. 59 giG 'ein Korb(voll)', vgl. dt. ein Korb vs. ein Korb Apfel).<br />

Interessant ist nun, daß die Anzahl der Klfen bzw..Numerative, die von beiden Autoren<br />

als solche angesehen werden, relativ gering ist: Dies gilt insges<strong>am</strong>t nur für 33 Nomina,<br />

die ich entsprechend mit 'EIK' gekennzeichnet habe. Das entspricht in etwa einem Fünfte!<br />

der Nomina, die Emeneau und Karow zus<strong>am</strong>mengenommen angeben. Demgegenüber<br />

gibt es 31 Nomina, die nur von Karowals Numerativ, und 84 Nomina, die nur von<br />

Emeneau als Kif eingeordnet werden. Besonders auffällig ist dabei, daß Emeneau eine<br />

ganze Reihe von Maßwörtern wie ki 16 'Kilogr<strong>am</strong>m' (NI. 66) aufführt, aber auch Behälternomina<br />

wie beo 'Tüte (voll)' (NI. 8) oder hop 'Kiste (voll)' (NI. 65) und Kollektiva<br />

wie b6 'Bündel, Strauß' (NI. 13), wobei aus diesem Bereich lediglich ;im 'ein Kessel<br />

(voll)' (NI.2) auch von Karowals Numerativ ausgewiesen ist. Berücksichtigt man ferner


93<br />

die Tatsache, daß Emeneaus Korpus 770 Nomina umfaßt'", während Karows Literaturliste<br />

35 Titel (Wörterbücher etc.) enthält," ergibt sich daraus, daß aus einem wesentlich<br />

kleineren Korpus (770 Nomina) eine wesentlich größere Anzahl von Klfen (nämlich<br />

117) resultiert. Das legt gleichzeitig aber auch die Vermutung nahe, daß die Liste der<br />

Klfen (im Sinne von Emeneau) zumin<strong>des</strong>t potentiell noch wesentlich länger sein könnte,<br />

wenn das Korpus entsprechend größer wäre. Diese Vermutung gilt auch für die Liste der<br />

29 nichtklassifizierten Nomina aus Emeneau (1951:100) (Anhang B), der in diesem<br />

Zus<strong>am</strong>menhang selbst darauf hinweist, daß "[t]he refinements of the system require<br />

more research on much more voluminous material" (ibid.). In <strong>Beispiel</strong> (3.19) habe ich<br />

anband von phong' 'ein Zimmer' (Nr. 24) schon gezeigt, daß Nichtklassifizierung zumin<strong>des</strong>t<br />

für dieses <strong>Beispiel</strong> keine Frage <strong>des</strong> Lexikons ist; hier spielen unterschiedliche<br />

Kriterien eine Rolle, die in Kap. 5.3. und Kap. 5.4. behandelt werden.<br />

Berücksichtigt man in diesem Zus<strong>am</strong>menhang ferner, daß Maßwörter oder Behälternomina<br />

nicht zu den Klfen im engeren Sinne gehören (s, u. Kap. 4.2.), bleibt doch immerhin<br />

noch das Kriterium, daß diese wie alle anderen in Anhang A genannten Nomina in<br />

der Lage sind, eine Einheit zu bezeichnen. M. a. W.: Daß ein Nomen nicht transnumeral<br />

ist, scheint unabhängig von der Tatsache zu sein, daß es zu den Klfen im engeren Sinne<br />

gehört.<br />

Zu den Kriterien, die für die Festlegung von 'Kif im engeren Sinne' relevant sind, gehört<br />

auch das Konzept der inhärenten vs, temporären Klassifikation (hierzu insbesondere<br />

Serzisko (1982)) Um diesen Unterschied untersuchen zu können, habe ich in Anhang C<br />

die Nomina aufgeführt, die in Karow (1972) mit unterschiedlichen Numerativen angegeben<br />

sind. Dies sind zunächst 54 Nomina mit zwei Numerativen, wobei ich einen rein<br />

regional bedingten Unterschied nicht berücksichtigt habe, nämlich den zwischen nordv,<br />

qua (sinovietn<strong>am</strong>esisch) und südv. träi 'Frucht':<br />

46"The nouns and classifiers in the basic vocabulary num ber 770" (Emeneau 1951:93).<br />

47Karow (1972:xiv-xv).


(3.21) (a) hai qua c<strong>am</strong> 'zwei Orangen' (nordvietn<strong>am</strong>esisch)<br />

zwei Frucht Orange<br />

(b) hai trai c<strong>am</strong> 'zwei Orangen' (südvietn<strong>am</strong>esisch)<br />

zwei Frucht Orange<br />

94<br />

Ferner enthält die Liste noch 10 Nomina mit drei und drei Nomina mit vier Numerativen.<br />

In der rechten Spalte unter 'Inhärenz' ist für je<strong>des</strong> Nomen angegeben, ob bzw. wenn<br />

ja welches Numerativ in Kombination mit Zahlen unter bestimmten Bedingungen nicht<br />

ausgedrückt zu werden braucht; dies ist mit "+" markiert So erhält man beispielsweise<br />

folgenden Kontrast:<br />

(3.22) (a) thuyän buöm<br />

Schiff Segel<br />

(b) thuyän hai hi buöm<br />

Schiff zwei Blatt Segel<br />

(c) thuyen hai buöm<br />

Schiff zwei Segel<br />

(d) thuyen hai "(cänh) buöm<br />

Schiff zwei Flügel Segel<br />

'Segelboot, Segelschiff<br />

'Schiff mit zwei Großsegeln'<br />

'Schiff mit zwei. Segeln'<br />

(wörtL: 'Zweisegelschiff')<br />

'Schiff mit zwei Seitensegeln'"<br />

Entsprechend ist bei bu6m 'Segel' (NT. 7) lti 'Blatt' 'mit "+" markiert, cenh 'Flügel' dagegen<br />

mit "-"; <strong>des</strong>sen Bedeutung ist in bezug auf das Nomen bzw. das Konzept 'Segel'<br />

nicht erschließbar und muß daher ausgedrückt werden. Das Problem der Inhärenz von<br />

Klfen ist Thema von Kap. 7.<br />

Im folgenden Kapitel werden quantifizierende Konstruktionen und im Zus<strong>am</strong>menhang<br />

d<strong>am</strong>it das syntaktische Verhalten von Massennomina beschrieben.<br />

"Dies ist ein bei den vietn<strong>am</strong>esischen Dschunken übliches kleines Segel, das nicht vertikal,<br />

sondern horizontal angebracht ist und daher mit den Flügeln eines Vogels vergleichbar ist


95<br />

4. Quantifizierende Konstruktionen<br />

4. 1. Einleitung<br />

Im folgenden wird untersucht, wie sich Klf-Konstruktionen wie mot con ca 'ein<br />

Klf[N+belebt] Fisch' von anderen quantifizierenden Konstruktionen unterscheiden. Dabei<br />

können letztere eingeteilt werden in: (i) Maßkonstruktionen vom Typ mot cän ca 'ein<br />

Pfund Fisch, mot 1ft sua 'ein Liter Milch', (ii) Kollektivkonstruktionen wie mot Ii(ji<br />

ouau 'eine Gruppe Soldaten', mot nai chuoi 'ein Büschel Bananen', und (iii) Konstruktionen<br />

vom Typ mät C!1C vang 'ein Klumpen Gold', lll(jt girt nuac 'ein Tropfen Wasser',<br />

bei denen das quantifizierende Nomen eine bestimmte Form bezeichnet und die ich in<br />

Anlehnung an Löbel (1986) Numerativkonstruktionen nenne.<br />

Zunächst ein <strong>Beispiel</strong> aus Tntong (1970:251)<br />

(4.1) (a) Ba<br />

Frau<br />

Giäp mua c<strong>am</strong><br />

Giap kaufen Orange<br />

'Mad<strong>am</strong>e Giap achete <strong>des</strong> oranges'.<br />

(b)<br />

Ba<br />

Frau<br />

Giäp mua miröi qua c<strong>am</strong><br />

Giap kaufen zehn Frucht Orange<br />

'Mrne Giap achete dix oranges'.<br />

Dieser Kontrast wird wie folgt erläutert: In (4.la) ist cem 'Orange' "pris dans le sens<br />

indetermine"; um diese Indeterminiertheit zu beseitigen bzw. um "plus de precision" zu<br />

erhalten, ist in (4.1b) qua 'fruit' "employe comme specificatif [= Klf, EL]. [...] Le specificatif<br />

est donc un substantif servant d'auxiliaire a un autre substantif employe dans le<br />

sens particulier ou determine, 11 indique en merne temps aquelle espece logique appartient<br />

l'etre <strong>des</strong>igne par le möt principal, et c'est suivant cette espece qu'on emploie le<br />

specificatif approprie" (Tnrong 1970:251f., Hervorhebungen von mir, E.L).<br />

Andererseits wird aber auch darauf hingewiesen, daß viele dieser Klfen als quantifizierende<br />

Nomina (uumeral de mesure') verwendet werden können, was schon darauf hinweist,<br />

daß die Abgrenzung zwischen einer Kif-Konstruktion und einer quantifizierenden


96<br />

Konstruktion nicht von dem Kif bzw. Numerativ selbst abhängt, sondern vielmehr von<br />

einer Eigenschaft <strong>des</strong> zu klassifizierenden bzw. quantifizierenden Nomens:<br />

"Beaucoup de mots s'emploient tantör comme specificatif[> KIf, E.L.], tantöt<br />

comme numeral de mesure [~ quantif. Nomen, E.L.], tels: [ ] tarn 'se dit d'objets<br />

plats, longs et minces', Gay 'se dit d'objets ä forme allongee' .<br />

Ainsi, en disant: [...] tarn 80 'habit', [...] eay Mt 'pinceau', täm [...] et Gay sont<br />

specificatifs, Mais les memes mots sont numeraux dans: [...] t<strong>am</strong> h!a 'piece de<br />

soie', Gaynhieu 'piece de crepon'.<br />

Il est facile, cependant, de se rendre compte de l'emploi <strong>des</strong> termes cites, comme<br />

specificatifs ou comme numeraux, [...] 80 'habit', [...] büt 'pinceau' sont <strong>des</strong> objets<br />

qui ont leur propre jonne, tandis que lFa 'soie' [...] et nhieu 'crepon' sont <strong>des</strong> matieres<br />

qui n'ont de forme et de limites bien definies que gräce au numeral (a remarquer<br />

qu'on ne traduit pas le specificatif mais obligatoirement le numeral)"<br />

(Tnrong 1970:291, Hervorhebungen von mir, E.L.).<br />

Diese Nomina sind Truong zufolge also 'specificatifs' bzw. KJfen, wenn Form selbst<br />

Bedeutungsbestandteil <strong>des</strong> klassifizierten Nomens ist, d. h. wenn dieses eine diskrete<br />

Entität bezeichnet und d<strong>am</strong>it ein 'entity-denoting noun' (Individualnomen, IndN) im<br />

Sinne von Lyons (1977) ist; trifft dies nicht zu, ist das entsprechende Nomen ein 'numeral<br />

de mesure' bzw. Numerativ, das einem 'mass-denoting noun' eine bestimmte Form<br />

zuordnet, d. h. Form ist nicht Bedeutungsbestandteil von Massennomina (MassenN).<br />

Formal zeigt sich der Unterschied Tnrong zufolge darin, daß erstere nicht übersetzt<br />

werden (können), während letztere übersetzt werden müssen, was natürlich kein für die<br />

Beschreibung <strong>des</strong> Vietn<strong>am</strong>esischen relevantes Kriterium sein darf.<br />

Auch T'sou (1976), zitiert in Bisang (1993:9ff.), rekurriert bei seiner Abgrenzung der<br />

einzelnen Konstruktionstypen auf ein Merkmal <strong>des</strong> zu klassifizierenden bzw. quantifizierenden<br />

Nomens. Er benutzt die beiden Merkmale [±exact] und [±entity], um Klfen im<br />

engeren Sinne, Maßwörter, Kollektiva und Artbezeichnungen wie Sorte, Art voneinander<br />

abzugrenzen, wobei sich das Merkmal [±exact] darauf bezieht, ob "the quantity of the<br />

object to be determined by the numerative is exactly defined or not" (ibid.), während<br />

[±entity] sich auf eine Eigenschaft <strong>des</strong> zu zählenden Objekts bezieht, nämlich seine<br />

"countability or discreteness" (ibid). Aufgrund der Kombination der beiden Merkmale<br />

erhält man folgende vier Konstruktionstypen:


97<br />

(4.2) (a) [+exact]<br />

[+entity]<br />

"refers to an exact quantity and<br />

involves discrete physical entities" (classifiers)<br />

hai qua c<strong>am</strong><br />

zwei KIf Orange<br />

'zwei Orangen'<br />

[qua 'Frucht']<br />

(b)<br />

[+exact]<br />

[-entity ]<br />

"the measure is exact, but it refers<br />

to no discrete physical entity" (measures)<br />

m(it 1(1ng vilng<br />

em Unze Gold<br />

'eine Unze Gold'<br />

(c)<br />

[-exact]<br />

[+entity1<br />

"there is a definite sense of well<br />

defined discrete entity or entities, but the<br />

quantity is not exact.,." (co//ectives)<br />

m(it 8(ii qtuin<br />

em Truppe Soldat<br />

'eine Truppe Soldaten'<br />

(d)<br />

[-exact]<br />

[-entity]<br />

"which characterizes mainly abstract<br />

nouns, the measure is neither exact nor does it<br />

refer to a discrete physical entity" (kind)<br />

mot thü ca<br />

ein Sorte Fisch<br />

'eine Sorte Fisch'<br />

Zunächst eine Bemerkung zu (d): Im Vietn<strong>am</strong>esischen ist eine Artenlesart wie dt. zwei<br />

Weine, zwei Äpfel (i. S. v. zwei Apfelsorten) nicht möglich; diese muß durch entsprechende<br />

Nomina wie thä, 10(1i 'Art, Sorte' ausgedrückt werden:<br />

(4.3) (a) hai 10(1i ntQ'U fhxc<br />

zwei Art Wein deutsch<br />

(b )49 ffiQt loai cäy sai trai<br />

1,5 em Art Baum reich Frucht<br />

'zwei deutsche Weine'<br />

'ein sehr fruchtbarer Baum'<br />

Während Maß-, Kollektiv- und Artbezeichnungen auch ohne das entsprechende zu zählende<br />

Objekt allein aufgrund ihrer (eigenen) Bedeutung schon als Maßwörter etc. anzu-<br />

49Die Ziffern beziehen sich auf das Märchen in Anhang I, Satz Nr. 5.


98<br />

sehen sind, ergibt sich für die Klfen, daß erst mit Bezug auf das zu zählende Objekt das<br />

entsprechende Nomen als Kif (hier: qua 'Frucht') anzusehen ist, obwohl die syntaktischen<br />

Konstruktionen in allen vier Fällen identisch sind ('Zahl + N + N'). Für den Status<br />

eines Nomens als KIf ist daher eine Eigenschaft <strong>des</strong> zu zählenden Nomens relevant,<br />

nämlich die Eigenschaft, eine diskrete Entität zu bezeichnen; diese Bedingung gilt für<br />

die anderen drei Konstruktionstypen nicht bzw, ist irrelevant. D<strong>am</strong>it ist die Frage, ob ein<br />

KIf vorliegt oder nicht, nur unter Rekurs auf das klassifizierte Nomen möglich und<br />

d<strong>am</strong>it auf die Verbindung 'N + N'. Das ist dahingehend zu interpretieren, daß Klfen im<br />

Vietn<strong>am</strong>esischen, da hier eine Opposition zwischen qua als Nomen mit der Bedeutung<br />

'Frucht' und als KIf für Früchte existiert (4.4a vs. b), erst aufgrund ihrer (i) Position vor<br />

und aufgrund ihrer (ii) Kombination mit einem lndN als solche anzusehen sind bzw. als<br />

solche fungieren, es sich also um ein syntaktisches Phänomen handelt.<br />

(4.4) (a) hai quä c<strong>am</strong> 'zwei Orangen' (qua: Klassifikator)<br />

zwei Frucht Orange<br />

(b) hai cäi quä 'zwei Früchte' (qua: klassifiziertes Nomen)<br />

zwei KIf Frucht<br />

Diese Beobachtung gilt auch für andere Kif-Sprachen wie z. B. Hmong:<br />

"The affmity between dass nouns and numeratives is particularly evident in cases<br />

where one and the s<strong>am</strong>e word can occur in both roles. Thus, we can find zaj [with<br />

nouns like 'story, song', etc. E.L.] functioning as a classifier or as a dass noun,<br />

phau [quantifier used for piled-up/accumulated objects, E.L.] and 10 [quantifier<br />

(measure) with the meaning 'one mouthful', E.L.] functioning in at least one case<br />

almost like classifiers [...], pob as a quantifier and a dass noun [denoting predominantly<br />

round or lump-like objects, E.L.], and qhov [= 'place, location; thing,<br />

article; hole', E.L.] as a classifier, a quantifier, and a dass noun" (Bisang<br />

1993: 20f.).<br />

Ein analoges <strong>Beispiel</strong> im Vietn<strong>am</strong>esischen ist cay:


99<br />

(4.5) csy I. Baum, 2. Pflanze<br />

3. Stock, Stab, Stange<br />

4. Numerativ für Bäume und stabartige Gegenstände (wie Kerzen usw.)<br />

[= KIf, E.L.]<br />

5. Numerativ für Stoffrollen<br />

6. Stück (Holz, Kleiderstoff) (Karow 1972:105)<br />

ad I. (a) cäy con 'junger Baum, Schößling' (Karow 1972:105)<br />

Baum klein<br />

(b) möt cai cay 'ein Baum, Pflanze'<br />

em KIf Baum<br />

ad 2. (c) mQt cäy rau 'eine Gemüsepflanze, Gemüse'<br />

em Pflanze Gemüse<br />

ad 3. (d) mQt cäy lau nhii 'ein Schrubber'<br />

em Stab säubern Haus<br />

ad 4. (e) mQt cäy c<strong>am</strong> 'ein Orangenbaum'<br />

em Baum Orange<br />

(f) mQt cäy Mt 'ein Pinsel'<br />

em Stab Pinsel<br />

ad 5. (g) mQt cay väi 'eine Rolle Stoff'<br />

em Rolle Stoff<br />

ad 6. (h) möt cäy nhiöu 'ein Stück Krepp'<br />

em Stück Krepp<br />

Betrachtet man im Zus<strong>am</strong>menhang mit diesen <strong>Beispiel</strong>en das eingangs erwähnte Zitat<br />

von Tnrong, müßten in (b), (c), (e) und (f) KIf-Konstruktionen vorliegen, da die zu klassifizierenden<br />

Nomina Baum, Gemüsepflanze, Orange und Pinsel jeweils Objekte bezeichnen,<br />

die "ont leur propre forme";" für (g) und (h) dagegen dürfte dies nicht der<br />

,oDas gilt natürlich auch für cay lall nhe 'Schrubber'; hier liegt ein Kompositum analog zu<br />

ngifiii denb ce 'Fischer' vor (s. o. <strong>Beispiel</strong>e (2.3.4) bis (2.3.7)), d. h, cayist eindeutig Bestandteil<br />

dieses Kompositums. Dieses müßte streng genommen mit cay klassifiziert werden, da es<br />

einen 'stabartigen Gegenstand' bezeichnet (i ). Derartige 'repeaters' sind jedoch im Vietn<strong>am</strong> esisehen<br />

nicht erlaubt, so daß man entsprechend (ii) erhält:


100<br />

Fall sein, da es sich um Substanzbezeichnungen handelt, "qui n'ont de formes et de limites<br />

bien definies que gräce au numeral" (s.o.). Diese Maßkonstruktionen werden im<br />

nächsten Abschnitt behandelt.<br />

4. 2. Maßkonstruktionen<br />

Insbesondere in Kölver (1982) und Drossard (1982) wird darauf hingewiesen, daß sich<br />

in einer Klf-Sprache wie Chinesisch Klf-Konstruktionen von Maßkonstruktionen dadurch<br />

unterscheiden, daß bei letzteren die Partikel de stehen kann (<strong>Beispiel</strong>e aus Chao<br />

1968:505 und 555):<br />

(4.6) (a) leang-banq (de) row<br />

CHIN two-pound (of) meat<br />

'two pounds of meat'<br />

(b) leang-wey shian.sheng 'two gentlemen'<br />

two-clf gentleman (Drossard 1982: 104)<br />

(4.7) (a) i-sheng de mii<br />

CHIN I-Scheffel von Reis<br />

(b) l-g ren<br />

I-Klf Mensch<br />

'ein Scheffel Reis'<br />

'ein Mensch'<br />

(c )*i-g de ren<br />

(Kölver 1982:163)<br />

Diese als "spezielle Partitivkonstruktion" (Kölver 1982:163) glossierte Konstruktion mit<br />

der Partikel de zeigt, daß die syntaktische Verbindung zwischen Maßwort und MassenN<br />

weniger eng ist als die zwischen KIf und IndN. In dem Zus<strong>am</strong>menhang ist natürlich zu<br />

(i) möt cäy [cäy lau nhäl 'ein Schrubber'<br />

ein Klf Schrubber<br />

(ii) möt 0, lcäy, lau nha] 'ein Schrubber'


fragen, wie das Vorkommen von de zu begründen ist. Man betrachte dazu folgende<br />

Konstruktionen."<br />

101<br />

(4.8) (a)<br />

CHIN<br />

yr jia" ren<br />

em F<strong>am</strong>ilie Mensch<br />

'ein F<strong>am</strong>ilienmitglied'<br />

(b) yi jia de ren<br />

ein Haus Part. Mensch<br />

'ein Haus (von) Menschen' (Maßkonstruktion)<br />

Die Partikel de ist allerdings nicht auf derartige Konstruktionen beschränkt, denn man<br />

erhält folgende Unterschiede:<br />

(4.9) (a) Yl<br />

CHIN em<br />

ben hao de<br />

KIf gut Part.<br />

shu<br />

Buch<br />

'ein gutes Buch' (i. S. v, 'ein gut aussehen<strong>des</strong>,<br />

unbeschädigtes Exemplar')<br />

(b)<br />

yt<br />

em<br />

ben hao shu<br />

KIf gut Buch<br />

'ein gutes Buch' (vom Inhalt her)"<br />

Die Anwesenheit der Partikel signalisiert also, daß das Attribut hao 'gut (sein)' ein äußeres<br />

Merkmal bezeichnet (extensional), die Abwesenheit von de dagegen, daß hao ein<br />

qualitatives Merkmal bezeichnet (intensional). Ganz analog argumentiert Zhou, der im<br />

Zusanrmenhang mit der Partikel de von 'Attributmarkiemng' spricht Auch seine <strong>Beispiel</strong>e<br />

weisen auf den o. a. Unterschied hin:<br />

"Die nachfolgenden <strong>Beispiel</strong>e und Erläuterungen verdanke ich Hsin-Yun Liu,<br />

"Zu der unterschiedlichen Bedeutung vonjia '(a) F<strong>am</strong>ilie, (b) Haus' kommt es dadurch, daß<br />

jia i, S. v . 'F<strong>am</strong>ilie' eine lexikalisierte Verkürzung votv jia-dinh 'F<strong>am</strong>ilie, wörtl. Haus-Hof' ist.<br />

Die entsprechende Lehnübersetzung im Vietn. ist gia-dinh 'F<strong>am</strong>ilie' (wörtl. 'Haus-Hof', sinovietn.),<br />

während die rein vietn. Entsprechung nh« elfa 'Haus Hof' lautet, lexikalisiert zu nb«<br />

'F<strong>am</strong>ilie'. Daher auch der Unterschied zwischen (nichtklassifiziertern ) mät nbe 'eine F<strong>am</strong>ilie' vs.<br />

(klassifiziertem) mot cäi nhe 'ein Haus' (s, Duong 1971:117).<br />

"Nach Ansicht meines Informanten, der in Vietn<strong>am</strong> Chinesisch (als erste Fremdsprache)<br />

gelernt hat, ist hao shu sogar als Kompositum i. S. v, 'Bestseller ('Gut-Buch')' interpretierbar,<br />

eine Feststellung, die sich mit den in (4.10) von einem Muttersprachler <strong>des</strong> Chinesischen angegebenen<br />

<strong>Beispiel</strong>en decken würde.


102<br />

(4.10) (a) da chengshi 'Großstadt'<br />

CIDN groß Stadt<br />

(b) da de chengshi 'große Stadt'<br />

groß Part. Stadt (Zhou 1993:222)<br />

(4.11) (a) JI dan 'Hühnerei'<br />

Huhn Ei<br />

(b) yige JI de dan 'ein Ei von einem Huhn'<br />

ein-KIf Huhn Part. Ei (Zhou 1993:225)<br />

Interpretiert man vor diesem Hintergrund die <strong>Beispiel</strong>e in (4.6), bedeutet dies, daß chin.<br />

banq 'Pfund' etc. das Nomen row 'Fleisch' nicht qualitativ, sondern lediglich quantitativ<br />

determiniert, was sich darin zeigt, daß die Attributmarkierung de zwischen den beiden<br />

Nomina auftreten kann. Ähnliches zeigt sich auch im Vietnarnesischen, denn bei Maßkonstruktionen<br />

kann fakultativ das (statische) Verb 8'Ay'voll, ganz (sein)' oder ein Nomen<br />

wie nll1j'Hälfte (von)' eingefügt werden; dies ist bei den entsprechenden KIf-Konstruktionen<br />

in (4.12b) und (4.13c) nicht möglich, denn KIf und klassifiziertes Nomen<br />

können nicht getrennt werden:<br />

(4.12) (a) m(lt can ruäi chö<br />

em Pfund Hälfte Hund<br />

(b) ffi(lt con ch6 ruöi<br />

em KIf Hund Hälfte<br />

(4.13) (a) hai bao n:täi däo<br />

zwei Tüte Hälfte Pfirsich<br />

(b) hai bao aay aao<br />

zwei Tüte voll Pfirsich<br />

(c) hai qua aao ruäi<br />

zwei Kif Pfirsieh Hälfte<br />

(4.14) (a) ffi(lt 1ft aay süa<br />

em Liter ganz Milch<br />

'I 1/2 Pfund Hund(efleisch)'<br />

'I 1/2 Hunde' (Kontext: Metzgerei)<br />

'2 1/2 Tüten Pfirsi che'<br />

'zwei Tüten voller Pfirsiche'<br />

'2 1/2 Pfirsiehe'<br />

'ein ganzer Liter Milch'


103<br />

In Kap. 3.1., <strong>Beispiel</strong>e (3.1) und (3.2), ist das unterschiedliche Verhalten von Behälternomina<br />

illustriert worden, die nicht klassifiziert werden, wenn sie ein (abstraktes) Maß<br />

bezeichnen. Auch hier ist, wie die folgenden <strong>Beispiel</strong>e zeigen, eine Einfügung möglich.<br />

Gleichzeitig wird aber auch deutlich, daß im Grunde genommen je<strong>des</strong> Nomen als<br />

Behältemomen fungieren kann, sofern dies semantisch sinnvoll ist. Darauf weist auch<br />

Nguyen (1957:128) hin (seine <strong>Beispiel</strong>e (4.17b) und (4.17c)):<br />

(4.15) (a) rn(it cai nha rUai<br />

em KIf Haus Hälfte<br />

(b) rn(it nha ll.äy vang<br />

em Haus voll Gold<br />

(4.16) (a) hai cai hi<br />

zwei KIf Blatt<br />

(b) hai hi ll.äy kien<br />

zwei Blatt voll Ameise<br />

(4.17) (a) rn(it cai ban<br />

em KIf Tisch<br />

(b) rn(it ban t*<br />

em Tisch Festmahl<br />

(c) m(it nha nie<br />

em Haus Müll<br />

'1 112 Häuser'<br />

'ein Haus voll Gold'<br />

'zwei Blätter'<br />

'zwei Blätter voller Ameisen'<br />

'ein Tisch'<br />

'a tableful of food (in a banquet)'<br />

'a houseful of refuse or wastepaper'<br />

(Nguyen 1957:128)<br />

Entsprechend verhält sich auch das eingangs erwähnte <strong>Beispiel</strong> (4.5g), hier wiederholt:<br />

(4.18) (a) möt cäy aay väi<br />

em Rolle voll Stoff<br />

'eine ganze Rolle Stoff<br />

Nomina, die ein Maß bezeichnen, bzw. Behältemomina, die eine derartige Lesart zulassen,<br />

habe ich entsprechend in Anhang A unter der Spalte 'Attribut' mit "+" markiert.<br />

Demgemäß ist cay in der Lesart 'Rolle' (Nr. 25) mit einem "+" versehen, in den anderen<br />

Lesarten hingegen mit "-".


104<br />

4. 3. Kollektivkonstruktionen<br />

Für diesen Konstruktionstyp gilt ebenfalls, daß Kollektiva etwas bezeichnen, was nicht<br />

Bedeutungbestandteil <strong>des</strong> zu quantifizierenden Nomens ist, d. h. in eine Gruppe Soldaten<br />

ist Gruppe nicht Bedeutungsbestandteil von Soldat; dies gilt auch im Vietn<strong>am</strong>esisehen<br />

und zeigt sich darin, daß analog zu Maßkonstruktionen eine Einfügung möglich<br />

ist:<br />

(4.19) (a) mQt chuc Eiäy c<strong>am</strong> 'ein ganzes Dutzend Orangen:"<br />

em Dutzend voll Orangen<br />

(b) mQt däy däy cay 'eine Reihe voller Bäume'<br />

em Reihe voll Baum<br />

(c) mQt b6 My b6ng 'ein ganzer Strauß Blumen'<br />

em Strauß ganz Blume<br />

(d) mQt näi Eiäy chuöi 'ein ganzes Büschel (sehr kleine) Bananen'<br />

em Büschel voll Banane<br />

Auch diese Nomina habe ich entsprechend in Anhang A unter der Spalte 'Attribut' mit<br />

"+" markiert. Anders hingegen verhält sich das Nomen ruäi 'Hälfte', das bei Kollektivkonstruktionen<br />

im Gegensatz zu den o. a. Maßkonstruktionen nicht zwischen Kollektiv<br />

und quantifiziertem Nomen eingefügt werden kann:<br />

(4.20) (a) liai döi quan ntäi '2 1/2 Truppen Soldaten'<br />

zwei Truppe Soldat Hälfte<br />

(b) ba nM chuöi nröi '3 1/2 Büschel Bananen'<br />

drei Büschel Banane Hälfte<br />

(c) mQt b6 bang nröi 'I 1/2 Sträuße Blumen'<br />

em Strauß Blume Hälfte<br />

l4Genau genommen entspricht ohne frz. 'une dizaine', d. h. um 10 Stück; wegen der Analogie<br />

zum Deutschen habe ich 'Dutzend' als Übersetzung gewählt. Auf dieses Nomen werde ich<br />

weiter unten (Kap.6.) zurückkommen.


105<br />

(d) hai chuc ruöi c<strong>am</strong> '2 1/2 Dutzend Orangen'<br />

zwei Dutzend Hälfte Orangen<br />

Wie (4.20d) zeigt, ist dies nur möglich bei chuc 'Dutzend', welches sich daher syntaktisch<br />

wie ein Maßwort verhält; die Opposition, die hier relevant zu sein scheint, ist also<br />

eher die zwischen abstrakten Maß- bzw. Kollektivnomina - wobei zu ersteren auch die<br />

Behältemomina in der entsprechenden Verwendung gehören - und solchen Nomina wie<br />

Strauß, Groppe, die eine bestimmte kollektive Konfiguration bzw. Form bezeichnen.<br />

Zus<strong>am</strong>menfassend kann festgehalten werden, daß Maß- und Kollektivkonstruktionen formal<br />

von KIf-Konstruktionen abgegrenzt werden können.<br />

4. 4. Numerativ- und Klassifikatorkonstruktionen<br />

Die bisher genannten Tests sind bei Numerativkonstruktionen wie mot gir)t nuäc 'ein<br />

Tropfen Wasser', hai C(lC vimg'zwei Klumpen Gold', hei ls gan 'zwei Scheiben Leber'<br />

nicht möglich, was sicher semantisch begründet ist, da diese Numerative nur die Form<br />

<strong>des</strong> quantifizierten Nomens bezeichnen. Auch im Deutschen ist Tein Tropfen voller<br />

Wasser, Tein Klumpen voller Gold, 'tzw ei Scheiben voller Leber wenn nicht ungr<strong>am</strong>matisch,<br />

dann zumin<strong>des</strong>t semantisch abweichend. Aber auch der Test mit ruäi 'Hälfte' ist<br />

nicht anwendbar, so daß sich Numerativkonstruktionen in dieser Hinsicht völlig parallel<br />

zu Klf-Konstruktionen verhalten:<br />

(4.21) (a) mQt con ch6 riröi '1 1/2 Hunde'<br />

em KIf Hund Hälfte<br />

(b) mQt mieng ch6 nröi '1 1/2 Stück Hund(efleisch)'<br />

em Stück Hund Hälfte


106<br />

(4.22) (a) hai qua ääo ntiJi<br />

zwei Kif Pfirsich Hälfte<br />

(b) hai mieng däo ntäi<br />

zwei Stück Pfirsich Hälfte<br />

'2 1/2 Pfirsiche'<br />

'2 1/2 Stückehen Pfirsich'<br />

(4.23 ) (a) hai giQt ruröc ntai '2 1/2 Tropfen Wasser'<br />

zwei Tropfen Wasser Hälfte<br />

(b) mi;lt Cl.'C vang ntai 'I 1/2 Klumpen Gold'<br />

em Klumpen Gold Hälfte<br />

Im Hmong gibt es nun in bezug auf die Abgrenzung zwischen Numerativ- und Klf­<br />

Konstruktionen ein formales Indiz: "The distinction between the two terms ['dassifier'<br />

und 'quantifier', E.L.] is justified in Hmong by the fact that there is a special dass of<br />

prenominal adjectives which can only determine quantifiers, whereas classifiers remain<br />

entirely undeterminable" (Bi sang 1993:8). Dazu zwei <strong>Beispiel</strong>e:<br />

(4.24) (a)<br />

HMONG<br />

ib me pab noog<br />

one small group bird<br />

'a small grouplflight of birds'<br />

(b) ib me teem dei<br />

one small Q.drop water<br />

'one small drop of water' (Bisang 1993:9)<br />

<strong>Eine</strong> derartige Unterscheidung ist im Vietn<strong>am</strong>esischen nicht möglich, da alle Attribute<br />

nur postnominal vorkommen können, wie die entsprechenden übersetzungen ins Vietnarnesische<br />

zeigen; in (4.25a) kann sich nho 'klein (sein)' sogar auf beide Nomina beziehen:"<br />

(4.25) (a) möt dan chim nhö<br />

em Schwarm Vogel klein<br />

(i) 'ein kleiner Schwarm Vögel'<br />

(ii) 'ein Schwarm kleiner Vögel'<br />

"Weiter unten (Kap. 5.1.) wird gezeigt, daß dies nicht nur für Kollektivkonstruktionen<br />

(4.25a), sondern auch für Numerativkonstruktionen wie (4.25b) gilt, wenn eine entsprechende<br />

semantische Interpretation möglich ist.


107<br />

(b) möt giot, mröc nhö<br />

ein Tropfen Wasser klein<br />

'ein kleiner Tropfen Wasser'<br />

(426) (a) m9t con chim nhö 'ein kleiner Vogel'<br />

em Kif Vogel klein<br />

(b) hai qua c<strong>am</strong> lan 'zwei große Orangen'<br />

zwei KIf Orange groß<br />

KIf-Konstruktionen unterscheiden sich formal auch in dieser Beziehung nicht von Numerativkonstruktionen,<br />

wie (4.26) zeigt. Sind also Nomina wie cetn 'Orange' oder chitn<br />

'Vogel' tatsächlich syntaktisch als MassenN zu klassifizieren, wie diese Beobachtungen<br />

nahelegen? Bevor diese Frage im nächsten Kapitel untersucht wird, möchte ich die<br />

bisherigen Ergebnisse kurz zus<strong>am</strong>menfassen.<br />

4. 5. Zus<strong>am</strong>menfassung<br />

Die folgende Übersicht zeigt, daß bei Klassifikator- und Nurnerativkonstruktionen kein<br />

Attribut zwischen das quantifizierende Nomen (Klassifikator bzw. Nurnerativ) und das<br />

zu quantifizierende Nomen (indN bzw. MassenN) eingefügt werden kann. Bei abstrakten<br />

Maßwörtern bzw. bei dem ebenfalls abstrakten Kollektiv cbuc 'Dutzend' sind sowohl das<br />

(statische) Verb gay 'voll, ganz (sein)' als auch das Nomen ruäi 'Hälfte' einfügbar, bei<br />

Kollektivkonstruktionen dagegen nur das Verb:


108<br />

quantifizieren<strong>des</strong><br />

Nomen<br />

Attribut<br />

(/Ay ruäi<br />

'voll, ganz' 'Hälfte'<br />

quantifiziertes<br />

Nomen<br />

1. Maßkonstruktionen<br />

+ +<br />

2. Kollektivkonstruktionen<br />

+<br />

3. Numerativkonstruktionen<br />

4. Klassifikatorkonstruktionen<br />

Abb. 4.1:<br />

Vergleich quantifizierender Konstruktionen<br />

In Ergänzung zu der in (3.18) und (3.20) vorgenommenen Zuordnung zeigt (4.27) unten<br />

nochmals deutlich, daß die quantifizierenden Nomina als 'eine Einheit' zu interpretieren<br />

sind, denn die Zahl mot 'eins' ist fakultativ; entsprechend argumentiert auch Greenberg<br />

(1974):<br />

''[...] in even the most elaborate system, all the elassifiers are from the referential<br />

point of view merely so many ways of saying 'one' or, more accurately, 'times<br />

one'. The latter expression is to be preferred because taken pragmatically there is a<br />

difference between numerals proper and mo<strong>des</strong> of quantifying even when the<br />

latter involve a number. [...] Hence unit counting is to be distinguished from 'one'<br />

as a numeral although the connection between the two is a elose one" (Greenberg<br />

1974:21).<br />

Dementsprechend erhält man folgende Zuordnung:<br />

(4.27) Zahl quantifizieren<strong>des</strong> quantifiziertes<br />

Nomen Nomen<br />

[eine Einheit] [transnumeral]<br />

(a) (rnöt) cai bao 'eine Tüte'<br />

em Klf[N-belebt] Tüte<br />

(b) (möt) bao c<strong>am</strong> 'eine Tüte Orangen'<br />

em Tüte Orange


109<br />

(c) (rnöt) cai quä 'eine Frucht'<br />

em Klf[N-belebt] Frucht<br />

(d) rn(it quä carn 'eine Orange'<br />

em Klf [='Frucht'] Orange<br />

Der Vergleich von (4.27a, c) mit (4.27b, d) zeigt, daß ein und dasselbe Nomen entweder<br />

(a) eine nicht näher spezifizierte Menge bzw. Anzahl von Objekten bezeichnet, d. h.<br />

transnumeral ist, oder (b) eine Einheit, d. h. es ist nicht transnumeral. Das bedeutet, daß<br />

die primäre Funktion, die die gr<strong>am</strong>matische Kategorie Numerus erfüllt, nämlich den<br />

Unterschied zwischen der Bezeichnung von einer Einheit (Singularität) vs. mehr als eine<br />

Einheit (Pluralität) zu signalisieren, auch im Vietn<strong>am</strong>esischen vorhanden ist und mit<br />

'eine Einheit' vs. 'transnumeral' wiedergegeben werden kann. Ein Nomen wie bao 'Tüte'<br />

oder qua 'Frucht' ist daher in dieser Beziehung unterspezifiziert (s.u. Kap. 6.); welche<br />

der beiden Interpretationen vorliegt, ist abhängig von distributionellen und d<strong>am</strong>it syntaktischen<br />

Kriterien. Man könnte jetzt natürlich in bezug auf die in (a) und (b) angesprochenen<br />

Behältemomina sagen, daß auch im Deutschen diese Nomina zum einen ein<br />

(abstraktes) Maß, zum anderen einen (konkreten) Gegenstand bezeichnen (eine Tüte vs.<br />

eine Tüte (Orangen)), d. h. konzeptuelle Verschiebung i. S. v. Bierwisch (1982) vorliegt.<br />

Der wesentliche Unterschied zwischen Deutsch und Vietn<strong>am</strong>esisch besteht jedoch darin,<br />

daß die beiden Verwendungsweisen im Deutschen nicht mit der Opposition 'Singular vs.<br />

Plural' korrelieren, d. h. diese immer markiert werden muß." Die allgemein vertretene<br />

Ansicht, daß Nomina in Sprachen wie Vietn<strong>am</strong>esisch generell transnumeral sind, ist<br />

daher so nicht zutreffend, da sie in den hier zur Diskussion stehenden Konstruktionen<br />

eben nicht transnumeral interpretiert werden können, wenn sie als quantifizierende<br />

Nomina fungieren. Wir haben es also hier mit Nomina zu tun, die sich durchaus analog<br />

zu denjenigen Nomina in Sprachen mit gr<strong>am</strong>matischer Kategorie Numerus verhalten, die<br />

'number opposition' aufweisen:<br />

56Zur Neutralisierung von Numerus in quantifizierenden Konstruktionen<br />

vom Typ zwei Glas/Glaser Wein usw. s. Löbel (1986:43-51).


I 10<br />

"It is normal for languages to have a 'number-differentiability' threshold, below<br />

which nouns fall outside the number opposition. In English, 'mass' nouns like ice,<br />

snow, water and so on are below the threshold. Different languages put the<br />

threshold at very different points. When investigating the dominant number system<br />

of a given language we look at those cases where number is differentiated - the<br />

'count' nouns of the particular language. However, it is normal, as in English, for<br />

some nouns to fall outside the system, in that they do not express the contrasts<br />

available, and so in this sense express general number" (Corbett 1992:13, Hervorhebungen<br />

von mir, E.L.).<br />

Unter 'general number' versteht Corbett folgen<strong>des</strong>:<br />

"In English we are generally forced to chose between singular and plural whenever<br />

we use a noun. However, there are languages for which number appears less<br />

dominant, languages in which the meaning of the noun can be expressed without<br />

reference to number. We shall call such uses 'general' by which we mean that they<br />

are outside the number system" (Corbett 1992:7).<br />

Das erstgenannte Zitat impliziert zumin<strong>des</strong>t für das Englische, daß mit dem Begriff<br />

'count noun' die 'entity-denoting nouns' und somit IndN gemeint sind. Zwar ist es in<br />

vielen Fällen möglich, auch MassenN und Abstrakta im Singular und Plural zu verwenden;<br />

dies bedeutet aber in jedem Fall, daß das, was diese Nomina bezeichnen, als diskrete<br />

Entität konzipiert ist (z. B. der Artenplural wie in Weine oder der entsprechende<br />

Singular ein Wein)."<br />

Übertragen auf die Verhältnisse im Vietn<strong>am</strong>esischen bedeutet dies, daß es, wie aus<br />

(4.27) ersichtlich, in dieser Sprache Nomina gibt, die eine 'number opposition' aufweisen<br />

bzw. aufgrund ihres Vorkommens in dem entsprechenden 'slot' diese Opposition aufweisen<br />

können. Die Frage ist nun, für welchen Typ von Nomina dies gilt. Die primäre<br />

Unterscheidung innerhalb der vietn<strong>am</strong>esischen Nomina kann jedenfalls nicht 'klassifiziert<br />

vs. nichtklassifiziert' lauten, da dies voraussetzen würde, daß sie auf einen der beiden in<br />

(4.27) enthaltenen 'slots' festgelegt wären. Transnumeralität wiederum besagt, daß vietn<strong>am</strong>esische<br />

Nomina im Vergleich zu Sprachen mit Numerus als gr<strong>am</strong>matischer Katego-<br />

"Wie im Zus<strong>am</strong>menhang mit <strong>Beispiel</strong> (4.3) gezeigt, ist eine derartige Artenlesart im Vietn<strong>am</strong>esischen<br />

nicht möglich; diese muß lexikalisch ausgedrückt werden.


ll I<br />

rie in gewisser Weise 'defektiv' sind. Dagegen spricht wiederum die Eindeutigkeit der<br />

<strong>Beispiel</strong>e in (4.27), denn im Vietn<strong>am</strong>esischen ist man genauso 'gezwungen', den Nomina<br />

in diesen <strong>Beispiel</strong>en entweder eine Einheits- oder eine transnumerale Lesart zuzuordnen.<br />

Im folgenden Kapitel wird nun gezeigt, daß ganz analog zum Deutschen bzw. Englischen<br />

auch im Vietn<strong>am</strong>esischen zwischen Nomina mit und solchen ohne 'number opposition'<br />

im Sinne von Corbett unterschieden werden muß; ebenfalls analog zu Deutsch<br />

bzw, Englisch ist hierfür ausschlaggebend, ob das entsprechende Nomen eine diskrete<br />

Entität bezeichnet, genauer: etwas bezeichnet, was im Victn<strong>am</strong>csischen als diskret konzeptualisiert<br />

ist.<br />

5. IndividuaJnomina und Massennomina<br />

5. I. Ontologische Kriterien<br />

Obwohl sich KIf- und Numerativkonstruktionen formal nicht unterscheiden, zeigt jedoch<br />

schon die Tatsache, daß es Kollektivkonstruktionen vom Typ eine Groppe X, ein Dutzend<br />

X gibt, daß zumin<strong>des</strong>t ontologisch zwischen IndN und MassenN unterschieden<br />

werden kann, denn Konstruktionen vom Typ "eine Groppe Gold, "ein Dutzend Sand<br />

sind auch im Vietn<strong>am</strong>esischen ungr<strong>am</strong>matisch.<br />

Ein weiteres ontologisches Kriterium kann für MassenN genannt werden. Da sie gestaltlose<br />

Substanzen bezeichnen, sind sie nicht mit limitierenden Adjektiven oder Forrnadj<br />

ektiven verbindbar. Derartige Adjektive können sich bei MassenN nur auf die Konsistenz<br />

beziehen, während sie bei quantifizierenden Nomina den Umfang bezeichnen. So<br />

erhält man im Deutschen folgende Unterschiede:


I 12<br />

(5.1) (a) ein dickes Knäuel Wolle<br />

(b) ein dünner Stapel Papier<br />

(c) ein dickes Bündel Kleider<br />

ein Knäuel dicke Wolle<br />

ein Stapel dünnes Papier<br />

ein Bündel dicke Kleider<br />

(5.2) (a) ein schwerer Klumpen Teig - ein Klumpen schwerer Teig<br />

(b) ein schwerer Ballen Seide - ein Ballen schwere Seide<br />

(c) eine schwere Flasche Wein - eine Flasche schwerer Wein<br />

(Löbel 1986:62ff.)<br />

Dieses Verhalten von Adjektiven gilt auch im Vietn<strong>am</strong>esischen. Statische Verben wie<br />

da} 'lang (sein)', ldn 'groß (sein)', nhö 'klein (sein)' sind durchaus mit MassenN verbindbar,<br />

wie folgende <strong>Beispiel</strong>e zeigen; werden diese Verben mit MassenN kombiniert,<br />

können sie ebenso wie im Deutschen nur qualitativ interpretiert werden, d. h. sie beziehen<br />

sich auf die Konsistenz. Ferner ist noch zu beachten, daß diese Verben natürlich<br />

zum einen als Prädikat fungieren (5.3a) oder einem Relativsatz entsprechen (5.3b) können;<br />

in beiden Fällen behalten sie ihre ursprüngliche (verbale) Funktion, es sind VPs.<br />

Sie können auch Teil eines Kompositums (5.3c) sein und sind dann natürlich nicht mehr<br />

als VPs interpretierbar. Die einem attributiven Adjektiv im Deutschen entsprechende<br />

Lesart ist dagegen nur möglich mit einem quantifizierenden Nomen, so daß man die in<br />

(5.4) aufgeführten Unterschiede erhält. Weitere <strong>Beispiel</strong>e sind (5.5) und (5.6):<br />

(5.3) (a) [vang]NP [lan]yp<br />

Gold groß sein<br />

(b) lväng [lcrn]YP]NP<br />

Gold groß sein<br />

'Gold ist von guter Qualitätlhochkarätig'<br />

'Gold, das von guter Qualitätlhochkarätig ist'<br />

(c)<br />

[väng ldn];<br />

Gold groß<br />

wörtl. 'Großgold', d.h. 'hochkarätiges Gold'<br />

(5.4) (a) möt [cuc lvängl lan]NP]NP<br />

em Klumpen Gold groß<br />

(b) möt [cuc [vang lan]N]NP<br />

em Klumpen Gold groß<br />

'ein großer Klumpen Gold'<br />

wörtl. 'ein Klumpen Großgold', d. h.<br />

'ein Klumpen hochkarätiges Gold'<br />

(5.5) (a) [cat]NP [nhö]yp<br />

Sand klein sein<br />

'Sand ist feinkörnig'


113<br />

(b) lcat [nh6]vP]NP<br />

Sand klein sein<br />

'Sand, der feinkörnig ist'<br />

(c)<br />

leät<br />

Sand<br />

nhöl.,<br />

klein<br />

wörtl. 'Kleinsand', d.h. 'feinkörniger Sand'<br />

(5.6) (a) möt [Mng [cat] nhö]NP]NP<br />

ein Haufen Sand klein<br />

(b) möt [Mng lcat nhö]N]NP<br />

ein Haufen Sand klein<br />

'ein kleiner Haufen Sand'<br />

wört. 'ein Haufen Kleinsand', d.h.<br />

'ein Haufen feinkörniger Sand'<br />

Bei IndN, die eine diskrete Entität bezeichnen und daher Form als Bedeutungsbestandteil<br />

haben, haben diese statischen Verben eine qualitative Lesart nur dann, wenn sie Teil<br />

eines Kompositums sind (5.7c) und (5.8b):"<br />

(5.7) (a) [aO]NP [dil.i]yp 'ein KleidIKleider ist/sind lang'<br />

Kleid lang sein<br />

(b) [800 [dil.i] vr-]NP 'KleidlKleider, das/die lang ist/sind'<br />

Kleid lang sein<br />

(c) [800 dail N wörtl. 'Langkleid', d. h. das typisch asiatische<br />

Kleid lang Kleid mit Seitenschlitz und Stehbündchen<br />

(5.8) (a) lchuyen [ngan]yp]NP 'Geschichte(n), die kurz ist/sind'<br />

Geschichte kurz sein<br />

(b) lchuyen ngänl; 'Kurzgeschichte' (auch 'Lebenslauf in<br />

Geschichte kurz tabellarischer Form, Vorwort' usw.)<br />

Es zeigt sich also, daß auch im Vietn<strong>am</strong>esischen ontologisch zwischen MassenN und<br />

IndN unterschieden werden muß. Syntaktisch gesehen können diese statischen Verben<br />

nur dann ein IndN modifizieren, wenn sie noch verbal interpretierbar sind, d. h. als<br />

Relativsatz. Sollen diese Verben jedoch analog zu den deutschen Adjektiven einem Attribut<br />

entsprechen, das nicht mehr verbal interpretierbar ist, verhalten sich IndN wie<br />

MassenN, d. h. eine derartige Interpretation ist nur möglich in Verbindung mit einem<br />

"Zu diesen Komposita s.o. Kap. 2.3.1., <strong>Beispiel</strong>e (2.3.14) und (2.3.15), sowie Kap. 2.3.2.1.,<br />

<strong>Beispiel</strong>e (2.3.25) bis (2.3.29).


114<br />

quantifizierenden Nomen, so daß man folgende Parallelität erhält (diese wird im Zus<strong>am</strong>menhang<br />

mit <strong>Beispiel</strong> (5.11) näher erläutert):<br />

Massennomina.<br />

(5.9) (a) [mtac]NP [l:,mh]vp 'Wasser ist kalt'<br />

Wasser kalt sein<br />

(b) [mtac [1(1nh]vp ]NP 'Wasser, das kalt ist' (1o 'kaltes Wasser')<br />

Wasser kalt sein<br />

(c) [iit [miac [1(1nh]]NP '(ein) Liter kaltes Wasser'<br />

Liter Wasser kalt<br />

Individualnomina<br />

(5.10) (a) [nliil NP [cao]vp<br />

Berg hoch sein<br />

(b) lnüi [cao]VP]NP<br />

Berg hoch sein<br />

(c) lcäi [mii [cao]]NP<br />

Klf Berg hoch<br />

'ein BergIBerge ist/sind hoch'<br />

'ein BergIBerge, der/die hoch ist/sind'<br />

(1o 'hohe(r) Berg(e)')<br />

'(ein) hoher Berg'<br />

Dieses parallele Verhalten legt natürlich nahe, sowohl IndN als auch MassenN trotz der<br />

ontologischen Unterschiede, die sich in der Kombination und Interpretation statischer<br />

Verben zeigen, syntaktisch zus<strong>am</strong>menzufassen gemäß der von Thompson getroffenen<br />

Feststellung, daß IndN "are all somewhat like English mass nouns" (Thompson<br />

1987: 193). Dieser Standpunkt wird ganz explizit in Cao (1988) vertreten, <strong>des</strong>sen Ansatz<br />

ich stellvertretend für diese in der Literatur zu Klfen häufig vertretene Ansicht etwas<br />

ausführlicher darstellen möchte.<br />

5. 2. Form- und Substanznomina<br />

In seinem Artikel mit dem bezeichnenden Titel "The count/rnass distinction and the concept<br />

of 'classifier" listet Cao sorgfältig die Bedingungen auf, bei denen quantifizierende


ll5<br />

Nomina (in seiner Terminologie 'count nouns'), darunter auch Klfen, syntaktisch obligatorisch<br />

sind, u. a. Zahlen, "adjuncts implying singleness, plurality, discreteness in space<br />

and/or time", sowie "epithethae [sie] omantiae, in particular absolute superlatives and<br />

impressive adjectives or verbs" (Cao I988:40f.). Er bringt hierfür folgen<strong>des</strong> <strong>Beispiel</strong>:<br />

(5.ll) a. may mät chie(!9 (üo dsi) rift dep<br />

sew a elf (gown) very beautiful<br />

'made a very beautiful gown'<br />

b. *may 80 dei ritt dep<br />

*sew gown very beautiful<br />

'makes gown very beautifully'<br />

(Cao 1988:40)<br />

<strong>Beispiel</strong> (5.11) wird von ihm wie folgt kommentiert: "The last ex<strong>am</strong>ple [~5.11b, E.L.]<br />

is gr<strong>am</strong>matical, but means 'makes gown very beautifully' because when an adjective<br />

(which cannot function as an adjunct to mass nouns [~ quantifiziertes Nomen, E.L.])<br />

follows one of them, it is never perceived as its qualifier, but either as the adverbial<br />

modifier of the verb or as the predicate of its logical object"; m. a. W.: (5.11b) ist<br />

"grarnmatical only as predicative construction" (Cao 1988:41). <strong>Beispiel</strong> (5.11b) kann<br />

demzufolge wie folgt interpretiert werden:<br />

(5.12) (a) Prädikat<br />

may<br />

nähen<br />

Objekt<br />

80 dsi<br />

Kleid(er)<br />

Subjekt<br />

eo dsi<br />

Kleid(er)<br />

Prädikat<br />

rift dep<br />

ist/sind schön<br />

l'<br />

'Kleider nähen, die schön sind'<br />

'schöne Kleider nähen'<br />

(b) may 80 dsi<br />

nähen Kleid<br />

'Kleider nähen, wörtl. 'Kleid(er)nähen'<br />

"Der Kif chiec bezeichnet "an individual item (with things which usually come in sets of<br />

two or more, extended to a large number of manufaelured or eonstrueted items, of which there<br />

are generally produeed a great number more or less the s<strong>am</strong>e" (Thompson 1987:194).


116<br />

Die Erläuterung Caos zeigt, daß die Objekt-NP zu mal' 'nähen' syntaktisch nicht bezugsfähig<br />

und d<strong>am</strong>it syntaktisch inert ist; dies läßt vermuten, daß hier (eine Art) Nominalinkorporation<br />

vorliegt, was ich aber nicht weiter untersucht habe. Feststeht jedenfalls, daß<br />

das statische Verb lif'p 'schön sein' sich nicht auf die (inerte) Objekt-NP sio dei<br />

'Kleid(er)' beziehen kann, sondern nur auf das verbale Prädikat mal' 'nähen', d. h. es ist<br />

nur adverbial interpretierbar. Für das statische Verb dä! 'lang sein' gilt diese Argumentation<br />

nicht, denn dieses Verb fungiert hier als Bestandteil <strong>des</strong> Kompositums ao dsi<br />

'Langkleid' und ist daher ebenfalls syntaktisch inert. Das in Zus<strong>am</strong>menhang mit (5.11)<br />

genannte Zitat von Cao zeigt, daß er dieses Kompositum explizit als MassenN ansieht,<br />

was wie folgt begriindet wird:<br />

"The structure of mal' cäi dao 'some knives' (litt. 'some things-knife') and of miry<br />

gi(Jt dau 'some drops of oil' is exactly one and the s<strong>am</strong>e: in both cases we have<br />

NPs with a count noun as the head followed by a mass noun as its qualifier. [...]<br />

But may Mi dao 'some thing knife' is commonly analysed as having 'classified'<br />

dao as its head, cä! being its adjunct-classifier, while may gi(Jt dau 'some drop oil'<br />

is commonly analysed as having 'unclassified' gi(Jt as head, which is qualified by<br />

'unclassified' dsu. [ __ .1 too frequently what is analysed or interpreted on the<br />

graunds of rigorous formal criteria is not the Vietn<strong>am</strong>ese phrase or word itself, but<br />

its French, English or Russian translation" (Cao 1988:41).<br />

Das folgende Zitat zeigt, daß mit 'mass nouns' nicht 'mass-denoting nouns' gemeint sind,<br />

sondern auch 'entity-denoting nouns' wie Kollektiva vom Typ fumiture bzw, das schon<br />

erwähnte ao dei 'Kleid':<br />

"Almost all 'object' nouns in Vietn<strong>am</strong>ese are of the lightning or fumiture type, so<br />

that the exact equivalents of all European object nouns in Vietn<strong>am</strong>ese are NPs of<br />

the flash 0/ lightning and piece 0/ fumiture type, with a count noun conveying<br />

unitness as the head and a mass noun for its qualifier. [...1One conceives easily<br />

that in such astate of things nouns of the piece type must be much more numeraus<br />

than in Eurapean languages, and that therefore many of them have no equivalent<br />

in European languages and are ipso facto declared to be classifiers" (Cao<br />

1988:42).<br />

Ihm zufolge gibt es nur zwei Möglichkeiten, wie Objekte bzw. Eigenschaften von Objekten<br />

perzipiert werden können, nämlich als "that of the form of existence as a discrete


117<br />

unit or item" oder "that of substance or content, which inclu<strong>des</strong> quality and stuff" (Cao<br />

1988:43). Aus diesen beiden Möglichkeiten leitet er drei Verfahren ab, wie Objekte benannt<br />

werden können:<br />

"I. <strong>des</strong>ignating the form, i. e. the unitness, only (nouns of the piece, item , pair<br />

type, which I will call 'form nouns' or 'pure form nouns'); 2. <strong>des</strong>ignating the substance<br />

i. e. quality, the stuff or the species properties only (nouns of the courage,<br />

w ater, lightning type, which I will call 'substance nouns'); 3. <strong>des</strong>ignating both<br />

form and substance conjugatedly (nouns of the knife, horse, chief type, which I<br />

will call 'form-substance nouns')" (Cao 1988:43-44).<br />

Dementsprechend sieht er den Unterschied zwischen Sprachen wie Vietn<strong>am</strong>esisch und<br />

Englisch wie folgt:<br />

"Thus Vietn<strong>am</strong>ese chooses to refer to objects analytically by distributing the properties<br />

to be <strong>des</strong>ignated between two nouns, i. e. by using NPs of the flash of<br />

lightning or piece offumiture type (remaining meanwhile free to use either of the<br />

two nouns without the other in appropriate situations), while European languages<br />

prefer to n<strong>am</strong>e things synthetically by count nouns of the eclair or rneuble type,<br />

reserving the use of such NPs to bodies of matter. As a corollary of this, there is<br />

in Vietn<strong>am</strong>ese no gr<strong>am</strong>matical distinction between nouns for obj ects (at least in<br />

their quasi-totality) and no uns for stuffs, while that between unit nouns (pure form<br />

nouns) and the two formers is rigorously clearcut; in European languages, on the<br />

other hand, the semantic difference between pure form nouns and object nouns is<br />

weakly reflected on the gr<strong>am</strong>maticallevel, while the distinction between object<br />

nouns and stuff nouns is generally clearcut semantically and gr<strong>am</strong>matically, but<br />

when used in a mass sense, object nouns become semantically similar to Vietn<strong>am</strong>ese<br />

mass no uns referring to objects" (Cao 1988:46).<br />

Dieses ausführliche Zitat zeigt, daß Cao zwar semantisch zwischen MassenN und IndN<br />

unterscheidet, nicht aber syntaktisch, d. h. in dieser Beziehung verhalten sich beide<br />

Subklassen von Nomina gleich. Der unterschiedliche Stellenwert von for.mbezeichnenden<br />

und substanzbezeichnenden Nomina im Englischen und Vietn<strong>am</strong>esischen nach Cao<br />

(1988) ist in Unterbeck (1993: 142) wie folgt zus<strong>am</strong>mengefaßt:


118<br />

"Objekt"<br />

11Substanz"<br />

Englisch<br />

Form<br />

semantische Unterschiede<br />

nur schwach gr<strong>am</strong>matisch<br />

reflektiert<br />

Form/Substanz<br />

N<strong>am</strong>en für Gegenstände<br />

synthetisch<br />

I Substanz<br />

I<br />

i<br />

I<br />

klare semantische und<br />

gr<strong>am</strong>matische Grenze<br />

Vietn<strong>am</strong>esisch<br />

Form<br />

I<br />

I<br />

II<br />

Form + Substanz<br />

N<strong>am</strong>en für Gegenstände<br />

analytisch<br />

Substanz<br />

klare semantische<br />

und gr<strong>am</strong>matische<br />

Grenze<br />

(in der überwiegenden Mehrzahl<br />

der Fälle) keine Unterscheidung<br />

von Substantiven, die mit Gegenständen,<br />

und Substantiven, die mit Stoffen in<br />

Verbindung stehen<br />

Abb. 5.1: Das Verhältnis von Form- und Substanznomina im Englischen und<br />

Vietn<strong>am</strong>esischen (Cao 1988, aus Unterbeck 1993: 142)<br />

Zus<strong>am</strong>menfassend läßt sich festhalten, daß sich Numerativ- und Klf-Konstruktionen<br />

nicht formal unterscheiden. Der Umkehrschluß. den Cao stellvertretend für viele aus dieser<br />

Beobachtung zieht, daß nämlich auch die entsprechenden quantifizierten Nomina<br />

selbst, nämlich MassenN und IndN, <strong>des</strong>wegen gleich sein müssen, ist allerdings nicht<br />

zwingend. Dafür, daß beide Subklassen von Nomina eindeutig auch syntaktisch unterschieden<br />

werden müssen, gibt es zunächst zwei Kriterien, die in den folgenden Abschnitten<br />

behandelt werden: (i) Teil-von-Relation (Meronymie) und (ii) Begriffshierarchie<br />

(Taxonymie).<br />

5. 3. Die Teil-von-Relation<br />

Obwohl sich Klf- und Numerativkonstruktionen formal nicht unterscheiden, wird doch<br />

in allen bisher zitierten Gr<strong>am</strong>matiken Wert darauf gelegt, daß Klfen im engeren Sinne


119<br />

auf das Vorkommen mit IndN beschränkt sind, d. h. Nomina, die diskrete Objekte bezeichnen<br />

und d<strong>am</strong>it den 'object nouns' von Cao entsprechen: "Classifiers are semantically<br />

distinguisbed from unit n<strong>am</strong>es such as meter in the following respect: classifiers<br />

are used to indicate the number of entities in a naturally discrete unit, while unit n<strong>am</strong>es<br />

are used to measure an entity or group of entities in terms of a human!y detennined<br />

unit" (Matsurnoto 1993:706, Hervorhebungen von mir, E.L.). Auf diesen Aspekt verweist<br />

schon Greenberg (1974:22) im Zus<strong>am</strong>menhang mit der Diskussion englischer<br />

<strong>Beispiel</strong>e vom Typ a head 01 cattle (wobei catt!e als Kollektivum ebenfalls diskrete<br />

Entitäten bezeichnet) vs. a sheet 01 paper, "[y]et their presence in English and many<br />

other languages is not, in itself, generally considered a basis for considering the<br />

language a numeral classifier language. On the other hand, the nouns themselves in<br />

English [z. B. paper, E.L.] are gr<strong>am</strong>matically mass nouns in these constructions, but so<br />

is 'cattle" (ibid.). Der Unterschied in der Bedeutung von Nomina wie paper im Gegensatz<br />

zu cattle wird durch folgen<strong>des</strong> <strong>Beispiel</strong> illustriert:<br />

"Is there any basis for this intuitive feeling? It may be proposed that it is a certain<br />

arbitrariness as to what constitutes an individual in such instances which underlies<br />

this reaction, an arbitrariness not present in such instances as 'one dog' or 'one<br />

automobile'. A homely conceptual experiment may serve to pinpoint this<br />

difference. If I cut a piece of meat in two, I have two pieces of meat, but if I cut<br />

a dog in two, I still have only one dog, a dead one. The property that<br />

distinguishes dogs and automobiles in these cases is evidently internal<br />

organization into an integrated and organic whole, wh ether natural in the case of<br />

the dog or artificial in the case of the automobile. We might call this feature<br />

±structured" (Greenberg 1974:23).<br />

Für derartige, in Emeneaus Terminologie klassifizierte Nomina wie cJ16 'Hund' und xe<br />

jwj'Auto, Wagen' (wörtl. 'D<strong>am</strong>pffahrzeug') gibt es nun folgende Möglichkeiten, diese<br />

mit Zahlen zu kombinieren. Um je<strong>des</strong> Mißverständnis zu vermeiden: Es geht nicht<br />

darum, wie Hunde und Autos als solche im Vietn<strong>am</strong>esischen gezählt werden, sondern


120<br />

darum, wie diese ein strukturiertes Ganzes bezeichnenden, numerusindifferenten Nomina<br />

'zählbar' gemacht werden können:"<br />

(5.13) (a) (möt) con ch6 'ein Hund' (con 'Lebewesen', Klf für N[+belebt])<br />

(ein) Klf Hlllld<br />

(b) (möt) chän ch6 'ein Bein eines Hun<strong>des</strong>/Hundebein'<br />

(ein) Bein Hund<br />

(c) (rnöt) lihu ch6 'ein Kopf eines Hun<strong>des</strong>/Hundekopf<br />

(ein) Kopf Hund<br />

(d) (rnöt) duöi ch6 'ein Schwanz eines Hun<strong>des</strong>/Hun<strong>des</strong>chwanz'<br />

(ein) Schwanz Hlllld<br />

usw.<br />

Es ist also möglich, nicht nur mit dem Kif con 'Lebewesen' das Nomen cho 'Hund'<br />

zählbar zu machen, sondern auch mit Nomina, die (Körper-)Teile bezeichnen. Nun<br />

könnte man einwenden, daß dies auf Körperteilbezeichnungen wie Bein, Kopf usw. beschränkt<br />

ist, die auch im Vietn<strong>am</strong>esischen inhärent relational sind. Das folgende <strong>Beispiel</strong><br />

zeigt jedoch, daß nicht Relationalität als solche dafür ausschlaggebend ist, sondern die<br />

Tatsache, daß etwas als relational konzipiert ist (im Gegensatz zu Körperteilbezeichnungen<br />

sind Nomina wie kien 'Spiegel' (5.14c) und thiing'Bremse' (5.14f) im Vietn<strong>am</strong>esischen<br />

ebensowenig inhärent relational wie im Deutschen):<br />

(5.14) (a) (rnöt) chiec xe hoi<br />

(ein) Klf Wagen<br />

(b) (rnöt) cüa xe hoi<br />

(ein) Tür Wagen<br />

(c) (möt) kien xe hoi<br />

(ein) Spiegel Wagen<br />

'ein Wagen' (chiec 'Kif für Maschinen<br />

usw., vgl. (5.11))<br />

'eine Tür eines Wagens/Wagentür'<br />

'ein Spiegel eines Wagens/Wagenspiegel'<br />

6°D<strong>am</strong>it verfolge ich einen komplementär zu Seiler (1986:97) gewählten Ansatz und nehme<br />

nicht die Klassifikation selbst als "operation of subsumplion such that 'an object falls under a<br />

concept X"'(ibid.) zum Ausgangspunkt, sondern das zu klassifizierende Nomen.


121<br />

(d) (rnöt) [kien phiä truöcl xe hoi<br />

(ein) Spiegel Seite vom Wagen<br />

(e) (möt) va xe hrri<br />

(ein) Schale Wagen<br />

(f) (rnöt) thäng xe hoi<br />

(ein) Bremse Wagen<br />

usw.<br />

'ein Rückspiegel eines Wagens"<br />

'eine Karosserie' (wörtl, 'Wagenschale')<br />

'eine Bremse eines Wagens/<br />

Wagenbremse'<br />

Bei allen diesen <strong>Beispiel</strong>en ist mrt 'eins' fakultativ, und dennoch erhält man die Lesart<br />

'eine Einheit', d. h. nicht nur die Klfen con bzw. chiec sind als 'eine Einheit' zu interpretieren,<br />

sondern auch die anderen Teil-von-Bezeichnungen. Ist dagegen keine Teil-von­<br />

Lesart möglich (5.15a und c) oder dient ein Nomen nicht zur Bezeichnung <strong>des</strong> Teils<br />

eines größeren Ganzen (5.15b und d), ist der allgemeine KIf cäi für kien 'Spiegel' bzw.<br />

con für ch6 'Hund' obligatorisch (san 'jagen' ist nicht Bestandteil <strong>des</strong> Konzepts<br />

'Hillld'):61<br />

(5.15) (a) mQt cäi thäng chän<br />

em KIf Bremse Fuß<br />

(b) mQt cai kien<br />

em KIf Spiegel<br />

(c) mQt con ch6 sän<br />

em KIf Hillld Jagen<br />

(d) mQt con ch6<br />

em Kif Hillld<br />

'eine Fußbremse' (cai 'allgem KIf)<br />

'ein Spiegel' (cai 'allgern. KIf)<br />

'ein Jagdhund' (con 'Kif für N[+belebt]')<br />

'ein Hund'<br />

Diese Beobachtungen entsprechen genau der schon in Kap. 3.1. erwähnten Feststellung<br />

von Truong (1970:259): "On n'emploie pas le specificatif [= KIf, E.L.] devant [...] les<br />

substantifs <strong>des</strong>ignant les parties constituantes ou organiques d'un meme corps" (Hervorhebung<br />

von mir, E.L.). Hierfür gibt er folgende <strong>Beispiel</strong>e:<br />

"Daß auch Tiere als Bestandteil eines größeren Ganzen (z. B. Ställe) konzipiert sein können,<br />

wird in Kap. 7., <strong>Beispiel</strong> (7.6) gezeigt.


122<br />

(5.16) (a) mOt cänh (cäy) 'ein Zweig eines Baumes/(Baum-)Zweig'<br />

em Zweig (Baum)<br />

(b) mOt bänh (xe) 'ein Rad eines WagenslW agenrad'<br />

em Rad (Wagen) (Tnrong 1970:259)<br />

Werden, wie in (5.16) angedeutet, cay'Baum' und xe 'Wagen' nicht ausgedrückt, impliziert<br />

dies, daß mit csnb 'Zweig' und benh 'Rad' auf einen Teil eines durch den Kontext<br />

erschließbaren Ganzen Bezug genommen wird. Ist dies jedoch nicht der Fall, ist der KIf<br />

cäi wiederum obligatorisch:<br />

(5.17) (a) mOt cäi canh<br />

em Klf Zweig<br />

(b) mOt cai bänh<br />

em Klf Rad<br />

'ein Zweig'<br />

'ein Rad'<br />

Dies gilt auch für die <strong>Beispiel</strong>e in (5.13) und (5.14): Während für (5.l5b) mit Kif gilt,<br />

daß nicht auf einen spezifischen Spiegel, der Teil eines Ganzen ist, referiert wird, gilt<br />

genau dies für (5.18). Die NP ohne KIf clii signalisiert, daß kien 'Spiegel' relational<br />

verwendet ist:<br />

(518) (a) mOt kiön (...) 'ein Spiegel (von X)'<br />

em Spiegel<br />

(b) mOt thäng (...) 'eine Bremse (von X)'<br />

em Bremse<br />

Man könnte nun einwenden, daß Referenz auf das Ganze ((5.13a) und (5.14a)) oder auf<br />

Teile eines Ganzen zwei unterschiedliche syntaktische Konstruktionen sind. Dies ist<br />

jedoch nicht der Fall, wie die folgende Gegenüberstellung zeigt Das statische Verb Mn<br />

'groß sein' kann, wie schon mehrfach illustriert, auch mit xe hdi 'Wagen' ein Kompositum<br />

mit der Bedeutung 'Luxuslimousine (wörtl. 'Großwagen')' bilden und d<strong>am</strong>it eindeutig<br />

Bestandteil <strong>des</strong> klassifizierten Nomens xe hdi 'Wagen' sein, sich aber auch auf das


123<br />

Nomen beziehen, mit dem xe 111fi 'Wagen' zählbar gemacht bzw. individuiert wird, nämlich<br />

auf ell'a 'Tür':<br />

(5.19) (a) mQt [ch iec [xe hoi ldn]N]NP 'eine Luxuslimousine' (wörtl. 'Großwagen')'<br />

em KIf Wagen groß<br />

(b) mQt lchiee [xe heil lan]NP]NP 'ein großer Wagen'<br />

eill KIf Wagen groß<br />

(5.20) (a) mQt lcüa [xe hoi lan]N]NP 'eine Tür einer Luxuslimousine'<br />

eill Tür Wagen groß<br />

(b) rnQt lcüa [xe heil lan]NP]NP 'eine große Wagentür'<br />

eill Tür Wagen groß<br />

Für Nomina vom Typ eh6 'Hund' bzw. xe hai 'Wagen' gibt es also zwei Strategien,<br />

diese zählbar zu machen: (i) Mit einem Nomen, das sich auf das zu zählende Objekt als<br />

Ganzes bezieht, d. h. mit einem KIf bzw. 'unit counter' im Sinne Greenbergs (1974),<br />

(ii) mit einem Nomen, das einen Teil <strong>des</strong> zu zählenden Objekts bezeichnet. Der Vergleich<br />

von (5.14f) (nichtklassifiziertes thang'Bremse') mit (5.15a) (thangehiin 'Fußbremse'<br />

mit KIf eal) zeigt, daß die Teil-von-Beziehung entscheidend ist, denn es gibt<br />

keine derartige Bedeutungsbeziehung zwischen dem Konzept 'Fuß' und dem Konzept<br />

Der Vergleich von (5.14c) mät kien xe hoi 'ein Wagenspiegel' mit (5.15b) mät cäi kien<br />

'ein Spiegel' zeigt aber auch folgen<strong>des</strong>: In (5.15b) ist kien 'Spiegel' numerusindifferent,<br />

während eai'eine Einheit' bezeiclmet, in (5.14c) dagegen ist kien 'Spiegel' nicht numerusindifferent,<br />

es bezeichnet selbst eine Einheit. Das schon in (4.27) illustrierte Verhalten<br />

von Behälternomina wie beo 'Tüte' und Klassenbezeiclmungen wie qua 'Frucht', die<br />

beide (als quantifizierende Nomina) eine Einheit bezeiclmen, aber auch (als quantifizierte<br />

Nomina) numerusindifferent sein können, gilt also auch für Nomina, wenn sie einen<br />

Teil eines Ganzen denotieren. Von Teilen zu sprechen ist natürlich nur möglich, wenn<br />

es auch ein Ganzes gibt, wovon etwas Teil sein kann, d. h. es müssen Nomina sein, die<br />

eine diskrete Entität und keine gestaltlose Substanz bezeichnen. In Anlehnung an das


124<br />

eingangs erwähnte Zitat von Greenberg (1974:23) handelt es sich also um Nomina, die<br />

ein strukturiertes Ganzes bezeichnen, genauer: etwas, das als solches konzeptualisiert ist<br />

(s. u. <strong>Beispiel</strong>e (5.35)ff.). Allein die Tatsache, daß es möglich ist, diesen Typ von Nomina<br />

durch Bezug auf das (diskrete) Objekt als Ganzes oder durch Bezug auf eines der mit<br />

diesem Objekt assoziierten Teile zählbar zu machen, zeigt schon, daß diese Nomina keinerlei<br />

Affinität zu MassenN wie dt. Wasser, Sand usw. oder zu Kollektiva wie eng!<br />

cattle haben können. Greenbergs Vorschlag folgend ordne ich diesen Nomina das Merkmal<br />

[+strukturiert] zu, während MassenN bzw, Nomina, die gestaltlose Substanzen<br />

bezeichnen, entsprechend das Merkmal [-strukturiert] enthalten."<br />

Die Teil-von-Relation wird auch deutlich in folgendem <strong>Beispiel</strong> aus Nguyen (1957: 127),<br />

der dazu notiert: "It is clear then that a good dictionary of the Vietn<strong>am</strong>ese language<br />

should give all instances of usage for each classifier, and also note each time the classifier<br />

to be used with each classified noun". Er selbst spricht nicht von Teil-von-Bezeichnungen,<br />

sondern von "ex<strong>am</strong>ples to show how the meaning changes with the classifier":<br />

(5.21) (a) bäo 'newspaper'<br />

Zeitung<br />

(b) sö' bäo 'issue, number, copy of newspaper'<br />

Zahl Zeitung<br />

(c) trang Mo 'page in newspaper'<br />

Seite Zeitung<br />

(d) mät bao 'page in newspaper' (genauer: 'Titelseite')<br />

Gesicht Zeitung<br />

(e) cöt bao 'column in newspaper'<br />

Säule Zeitung<br />

(f) bäi bäo 'newspaper article'<br />

Artikel Zeitung<br />

(Nguyen 1957:127)<br />

62Hierzu auch Kap. 2.3.4, Tab. 2.4.


125<br />

Aus diesem <strong>Beispiel</strong> wird ersichtlich, daß bao" lediglich das (als strukturiert konzeptualisierte)<br />

Ganze 'Zeitung' denotiert. Die englischen Glossen zeigen deutlich, daß bei den<br />

'classifiers' Teil-von-Bezeichnungen vorliegen. Von diesen ist in Anhang A lediglich be!<br />

(Nr. 4) als Kif (bzw. Numerativ in Karows Terminologie) aufgeführt."<br />

Besonders illustrativ sind in dieser Beziehung Nomina, die Konzepte von Pflanzen bzw.<br />

Bäumen denotieren. Truong (1970:273-278) widmet diesem Aspekt ein eigenes Kapitel.<br />

Zunächst wird darauf hingewiesen, daß Pflanzenn<strong>am</strong>en nicht nur die entsprechende<br />

Pflanze, sondem auch deren Früchte, Blüten usw. denotieren können, wenn diese eßbar<br />

(Früchte) oder anderweitig verwertbar sind (z. B. Blüten zur Dekoration, Blätter für Tee,<br />

usw.):<br />

(5.22) (a) tröng<br />

pflanzen<br />

ääo 'planter <strong>des</strong> pechers': dso est nom de plante;<br />

Pfirsich<br />

(b) än ääo 'manger <strong>des</strong> peches': BaO est nom de fruit;<br />

essen Pfirsich<br />

(c) aao na 'les fleurs de pecher s'epanouissent':<br />

Pfirsich erblühen<br />

BaO est nom de fleur.<br />

(Tnnrng 1970:274)<br />

Ähnlich argumentiert auch Thompson (1987:205): "This is much the s<strong>am</strong>e as the use in<br />

English of certain words like wa/nut now to <strong>des</strong>ignate the nut itself, sometimes to refer<br />

to the tree, and very often specify the kind of wood of which something is made. The<br />

Vietn<strong>am</strong>ese classification system allows somewhat more range". Dieses Verhalten von<br />

Nomina, nämlich konzeptuelle Verschiebung, gibt es auch im Deutschen:<br />

63Beo ist sinovietn<strong>am</strong>esisch und gehört zu den Lexemen, die Konversion aufweisen (s. o.<br />

<strong>Beispiel</strong> (2 1.1))<br />

"Zwar ist auch Si;' (Nr. 118) in dieser Liste enthalten, aber nur i. S. v . 'eine Anzahl (von)',<br />

was nicht der hier in Frage kommenden Lesart entspricht.


126<br />

(5.23) (a) Er weiß noch nicht, ob er Kaffee, Tee oder Bananen anpflanzen soll.<br />

(b) Die Kirschen blühen schon.<br />

(c) ?? Zwei KirschenfKirschbäume blühen schon.<br />

(d) Diese Kommode ist aus Kirsche.<br />

Tnrong unterscheidet nun zwischen Ja'Blatt' in Ja ehe 'Teeblatt' und Ja 'Blatt' in Ja<br />

chuäi 'Bananenblatt'. In ersterem ist Ja ein 'specificatif'[> KIf, E.L.] zu dem 'nom principal'<br />

ehe 'Tee', da die Blätter der Teepflanze als Tee verwertbar sind, im zweiten Fall<br />

dagegen selbst ein 'nom principal' und ehuai' 'Banane' das dazugehörende 'complement<br />

determinatif'. In bezug auf diese feine Unterscheidung sagt er aber selbst, daß "la discrimination<br />

sera trop subtile, bien qu'elle soit conforme a l'esprit de la langue. Aussi, dans<br />

un but de simplification, nous considerons sans distinction aucune, comme specificatifs<br />

les termes qua ou tra! 'fruit', hOB ou bang 'fleur', Ja 'feuille', bet 'graine', cii 'tubercule'<br />

places devant un nom de plante" (Tnrong 1970:275f.). Es ist auch von der Übersetzung<br />

her nachvollziehbar, daß alle diese 'specificatifs' Teile eines Konzepts 'Pflanze' bezeichnen,<br />

und ich werde auf diesen Aspekt bei der Frage der inhärenten Klassifikation (Kap.<br />

7.) nochmals zurückkommen. Diese feine, hier angesprochene Unterscheidung scheint<br />

m. E, eher mit Fragen der Übersetzungsäquivalenz zus<strong>am</strong>menzuhängen (Tee(baum) blatt<br />

= Tee, aber Bananen(baum)blatt *Banane vs. Bananen(baum)frucht = Banane),<br />

Andere Teilbezeichnungen wie Wurzel, Blutenblatt. Schale und das schon in (5.15) erwähnte<br />

Nomen cänh 'Zweig', deren Bedeutung nicht aufgrund konzeptueller Verschiebung<br />

erschließbar ist (so ist dao zwar in Kombination mit einern Verb wie erblühen als<br />

'Pfirsichblüte', nicht aber als 'Pfirsichblütenblatt' interpretierbar), werden generell als 'termes<br />

principaux' und nicht als 'specificatifs' angesehen:<br />

(5.24) (a) re<br />

Wurzel<br />

da<br />

Feige(nbaum)<br />

'racine de banian'<br />

(b) canh däo 'petale de fleur de pecher'<br />

Blütenblatt Pfirsich(blüte)<br />

(c)<br />

cänh<br />

Zweig<br />

dao<br />

Pfirsich(baum)<br />

'branche de pecher'<br />

(Tnnmg 1970276)


127<br />

Die von Tnrong vorgenommene Analyse, daß ein Nomen in Verbindung mit einem<br />

Pflanzenn<strong>am</strong>en einerseits als 'specificatif', andererseits als 'nom principal' angesehen<br />

wird, liegt m. E. darin begründet, daß 'nom principal' bei ihm mit semantischem Head<br />

gleichzusetzen ist (s. o. Kap. 3.1.1.): Das, was aufgrund <strong>des</strong> Kontextes erschließbar ist,<br />

ist 'specificatif', was nicht, ist 'nom principal'.<br />

Betrachtet man nun die in Arihang A genannten Klfen bzw. Numerative unter diesem<br />

Teil-von-Aspekt, wird ersichtlich, daß eine ganze Reihe von ihnen entweder selbst einen<br />

Teil bezeichnen, wie ben 'Seite' (Nr. 12) (z. B. in Mn mep 'Mundwinkel') oder cbom<br />

'Gipfel' (Nr. 30), oder zumin<strong>des</strong>t als Teilbezeichnungen interpretierbar sind (z. B. tElng<br />

'Stockwerk' (Nr. 126) oder noc 'Dach' (Nr. 97». Letzteres erscheint übrigens auch in der<br />

Liste der 'Nomina mit unterschiedlichen Nurnerativen' (aus Karow 1972, Anhang C)<br />

unter Nr. 65: Es ist Numerativ bzw. KIf für aha 'Haus'. Analog dazu verhält sich ngrn<br />

'Spitze', das in Nr. 66 als KIf für nüi 'Berg' aufgeführt ist (ngrn ntii 'Bergspitze'), aber<br />

natürlich nicht auf dieses Nornen beschränkt ist; ngon 'Spitze' ist ebenfalls in Anhang A<br />

aufgeführt (Nr. 93), und die dort angegebenen Kontexte zeigen, daß auch hier eine Teilvon-Relation<br />

vorliegt (Kerzenspitze (d. h. Docht), Baumw ipfel, Fahnenspitze usw.).<br />

Alle diese <strong>Beispiel</strong>e sind von der Übersetzung her durchaus als Teil-von-Relation erkennbar,<br />

was aber nicht immer so eindeutig der Fall ist. Das läßt sich anband von ben<br />

'Fläche, Ebene' (Arihang A, Nr. 6) zeigen:<br />

(5.25) (a) möt cai ban 'ein Tisch'6~<br />

em Kif Fläche<br />

(b) mQt ban chän 'ein Fuß'<br />

em Fläche BeinfFuß<br />

Dazu heißt es in Emeneau (1951:103): "Ban, as a classified noun, with c1assifier csi<br />

means 'table'. As a classifier it is used with chün 'leg, foot, lower limb' and tay'arm,<br />

"Die Bedeutung 'Tisch' resultiert daraus, daß ein typisch asiatischer Tisch sehr niedrig und<br />

flach ist.


128<br />

hand', bsn cluin meaning 'a foot' and ben tay 'a hand"'. <strong>Beispiel</strong> (5.25b) heißt also<br />

wörtlich 'Fläche von BeinlFuß' oder 'Bein/Fuß-Fläche, d. h. 'flacher Teil von BeinlFuß',<br />

womit der Fuß selbst bezeichnet wird. In dieser Weise ist auch folgen<strong>des</strong> <strong>Beispiel</strong> von<br />

Cao (1988) zu interpretieren:<br />

(5.26) (a) hön bän tay xinh xän<br />

kiss elf hand pretty<br />

'kiss the pretty hand'<br />

(b)<br />

*h6n tay xinh xän<br />

*'kiss hand pretty'<br />

(Cao 1988:40f)<br />

Analog zu <strong>Beispiel</strong> (5.1 Ib) ist (5.26b) nur gr<strong>am</strong>matisch im Sinne von 'hand-kissing in a<br />

pretty way', d. h. xinh xan 'hübsch' ist nur adverbial interpretierbar. Aber auch hier gilt,<br />

daß tay'ArmfHand' bedeutet, eine wörtliche Übersetzung von (5.26a) daher in etwa 'die<br />

ArmfHand-Fläche küssen' lauten müßte. Hier ist ebenfalls der (flache) Teil eines Ganzen,<br />

nämlich die Hand selbst, gemeint."<br />

D<strong>am</strong>it kann an einem in Caos eigenem Artikel enthaltenen <strong>Beispiel</strong> illustriert werden,<br />

daß 'object nouns' wie tay'Arm, Hand' keine 'mass nouns' sind, sondern das Merkmal<br />

[+strukturiert] ausschlaggebend ist. Cao erwähnt übrigens selbst in einer Fußnote, daß<br />

"many MNs [= mass nouns, E.L.) when referring to parts of the s<strong>am</strong>e whole (organs or<br />

members of one and the s<strong>am</strong>e animal, person, machine, farnily, etc.) occur after numerals<br />

(and only exceptionally, if ever, after other quantifiers). These occurrences, the<br />

conditions of which are statable in rigorous terms (see Cao 1982), are frequently used as<br />

counterex<strong>am</strong>ples against the claim about the uncountability of the MNs involved" (Cao<br />

1988:43)67<br />

"Das Fehlen von mot 'ein' sowie die Übersetzung mit dem definiten Artikel legt übrigens<br />

nahe, bsn tay in <strong>Beispiel</strong> (5.26) als Kompositum und nicht als NP zu interpretieren, was aber<br />

auf die hier vorgebrachte Argumentation keinen Einfluß hat.<br />

67Der in diesem Zitat erwähnte, in Vietn<strong>am</strong>esisch verfaßte und in Vietn<strong>am</strong> erschienene<br />

Aufsatz war mir leider nicht zugänglich.


129<br />

Noch schwieriger als Teil-von-Relation zu erkennen sind folgende, in Emeneau (1951)<br />

zitierte Fälle:<br />

"Many classified nouns occur with two or more different classifiers without<br />

difference in meaning. Those nouns, not being n<strong>am</strong>es of plant species, which are<br />

classified with cay, are near/y a// also classified with some other classifier, usually<br />

cdi; e.g. cay riu ot cei riu 'an ax', [...] cay gU{fJJ1 or cäi gl(lf111 or thanh gU{fJJ1 'a<br />

sword'. This probably indicates dialect mixture (...)" (Emeneau 1951:96, Hervorhebung<br />

von mir, E.L.).<br />

Die folgenden <strong>Beispiel</strong>e zeigen jedoch, daß hier keinesfalls dialektale Variation vorliegt<br />

Hierzu ist zunächst ein Blick auf den allgemeinen KIf cei notwendig, <strong>des</strong>sen Lexikoneintrag<br />

in Karow (1972) wie folgt aussieht (römische Ziffern beziehen sich auf Homonymie,<br />

arabische auf Polysemie):<br />

(5.27) cäi (Karow 1972:84)68<br />

1. 1. Numerativ für unbelebte Gegenstände; 2. zur Bildung von Demonstrativpronomma;<br />

3. a) Stück, b) Sprung, c) Schlag<br />

II 1. groß; 2. Haupt-<br />

III 1. (Tier-)Weibchen, 2. (veraltet) Mutter<br />

IV Substanz (im Gegensatz zur Flüssigkeit)<br />

V inh« cal) I: Bankhalter, Croupier, 2. Bordell, Spielhölle<br />

VI chin. I. betteln, 2. Bettler<br />

VII chin. etwas bedecken, verhüllen<br />

Entscheidend für die in dem o. a. Zitat genannten <strong>Beispiel</strong>e ist die Lesart (3a), nämlich<br />

'Stück', so daß man folgenden Unterschied erhält:"<br />

·'Das in Emeneau (1951:97f.) und in Duong (l971:117ff.) beschriebene 'extra cal bzw.<br />

'identifier cal ist bei Karow nicht erwähnt.<br />

"Sowohl thsnh in (5.30a) als auch ltliJi in (5.30b) sind in Anhang A aufgeführt, wobei<br />

thsnh (Nr. 130) von Emeneau (als KIf) und von Karow (als Numerativ) genannt ist, hltJi (Nr.<br />

75) dagegen nur von Karow.


130<br />

(5.28) (a) llli)t cily riu 'eine Axt (als Ganzes, d. h. mit Stiel)'<br />

ern Stab Axt<br />

(b) mi)t cai du 'eine Axt (ohne Stiel), d. h. der aus Metall<br />

ern Stück Axt bestehende Teil der Axt'<br />

(5.29) (a) llli)t cily guorn 'ein Schwert (mit Griff)'<br />

ern Stab Schwert<br />

(b) llli)t cai guorn 'eine Schwertklinge. ein Schwert'<br />

ern Stück Schwert<br />

(5.30) (a) llli)t thanh girom 'ein (großes K<strong>am</strong>pf-)Schwert (mit Griff)' (literaern<br />

Stab Schwert risch, veraltet)<br />

(b) llli)t Ilfai guom 'eine große Schwertklinge, großes Schwert'<br />

ern Klinge Schwert<br />

Dieser Unterschied ist, wie mir mein Informant versicherte, systematisch und gilt für<br />

alle Arten von Gegenständen wie Werkzeuge usw, Demgemäß sind auch die folgenden<br />

in Karow (Anhang C) genannten <strong>Beispiel</strong>e zu interpretieren: 70<br />

(5.31) (a) cäy du 'Schirm (mit Griff)' (Anhang C, NT. 12)<br />

Stab Schirm<br />

(b) cäi du 'oberer Teil <strong>des</strong> Schirms' (d. h. der Schirm im engeren Sinne)<br />

Stück Schirm<br />

(5.32) (a) cäy du<br />

Baum Schaukel<br />

(b) cäi au<br />

Stück Schaukel<br />

'Schaukel(baum, -gerüst)'7! (Anhang C, NT. 16)<br />

'Schaukel(sitz)'<br />

70Weitere <strong>Beispiel</strong>e finden sich in Emeneau (1951:104).<br />

7!Hier ist cayals 'Baum' wiederzugeben, da hier die Vorstellung der Verzweigung bzw,<br />

Verästelung vorliegt. Analog dazu ist folgen<strong>des</strong> <strong>Beispiel</strong>:<br />

(i) möt cäy Mi 'Kartenbaum', d. h. Spielkarten in einer bestimmten Konein<br />

Baum Karte figuration (z. B. bei Patiencen).


131<br />

(5.33) (a) cäy cheo<br />

Stab Ruder<br />

'Ruder' (Anhang C, Nr. 56)<br />

(b) cäi<br />

Stück<br />

cheo<br />

Ruder<br />

'Ruder(blatt)'<br />

Die Begründung dafür, warum in den Gr<strong>am</strong>matiken <strong>des</strong> Vietn<strong>am</strong>esischen auf diese<br />

Systematik nicht hingewiesen bzw. wie bei Emeneau (1951) als regionaler Unterschied<br />

erklärt wird, ist wieder in der (eigenen) Beschreibungssprache zu suchen: Cruse (1995)<br />

zufolge gibt es nicht nur bei taxonomischen, sondem auch bei meronomischen Relationen<br />

lexikalische Lücken (die dort genannten englischen <strong>Beispiel</strong>e gelten auch für das<br />

Deutsche):72<br />

"In the case of meronomies, the most inclusive term is never covert: there are no<br />

meronomies of unn<strong>am</strong>ed wholes. One type of covert part does however occur<br />

relatively frequently: there often is no separate n<strong>am</strong>e for the major, essential<br />

functional part, especially of artefacts. Take the ex<strong>am</strong>ple of spoon. A spoon has a<br />

handle, but what do we call the other part, which corresponds to the blade of a<br />

knife? Informants when questioned about this usually search for a while, then<br />

either say, 'But that 1S the spoon', or suggest something like bow l. But this, while<br />

fairly apt, is obviously an ad hoc creation - there simply is no everyday n<strong>am</strong>e"<br />

(Cruse 1995: 171, Hervorhebungen von mir, E.L.).<br />

Mit der Teil-von-Relation läßt sich nun auch das in Kap. 3.1., <strong>Beispiel</strong> (3.20) diskutierte<br />

Nomen phong 'Zimmer' erklären: Es ist nicht klassifiziert, wenn es abhängig vom Kontext<br />

den Teil eines Ganzen bezeichnet (in diesem Fall nh» 'Haus'); ist dies nicht der<br />

Fall, ist der allgemeine KIf cei obligatorisch (<strong>Beispiel</strong> (3. 19c)). Die Teil-von-Relation ist<br />

allerdings nicht allein ausschlaggebend für die An- vs. Abwesenheit von csi, wie folgender<br />

Kontrast zeigt: In (5.34a) ist die NP Mn cäi chün (mit KIf) syntaktisch bezugsfähig,<br />

in (5 .34b) dagegen nicht:<br />

(5.34) (a) Con chö töi cö bön cai chän cao<br />

Kif Hund ich haben vier Kif Bein groß<br />

'Mein Hund hat vier lange Beine.'<br />

72ZU Taxonymie und Meronymie s. u. Kap. 5. 5.


132<br />

(b) Con chö c6 bön chän<br />

Kif Hund haben vier Bein<br />

'Der/ein Hund hat vier Beine' (generisch)<br />

wörtl. 'Der/ein Hund ist vierbeinig.'<br />

Ich werde auf diesen Unterschied in Kap. 7. zurückkommen. Abschließend jedoch noch<br />

ein anderes <strong>Beispiel</strong>, in dem die Teil-von-Relation eine Rolle spielt. In Emeneau<br />

(1951:1 IOff) gibt es eine Reihe von Nomina, die entweder in der Liste der nichtklassifizierten<br />

Nomina (s. Anhang B) oder in der Liste der Klfen (Anhang A) aufgeführt sind.<br />

Ihnen ist gemeins<strong>am</strong>, daß sie ohne Kif mit Zahlen kombinierbar sind. Dies sind Bezeichnungen<br />

für Zeit-, Währungs- und sprachliche Einheiten wie fiong 'ein Piaster' (Anhang<br />

A, NT. 54), cäu 'ein Satz' (Anhang B, NT. 3) oder ngay'ein Tag' (Anhang B, NT.<br />

23). Greenberg (1974: 18) zufolge gilt dies für alle KIf-Sprachen: "There are in fact<br />

particular classes of nouns, e. g. measures," units of time, and the word 'time' in such<br />

phrases as 'three times' which hardly occur with classifiers. In some languages, always<br />

considered to be numeral classifier languages, the group of nouns which do not take<br />

classifiers is still more extensive (e. g. Vietn<strong>am</strong>ese)". Diese Subklassen von Nomina<br />

"commonly appear without classifiers. [...] As can be seen, these can all be interpreted<br />

as measures" (Greenberg 1974:3If). In Kap. 6. wird jedoch gezeigt, daß Maßwörter von<br />

derartigen Einheitsbezeichnungen wie Tag, Satz usw. unterschieden werden müssen, da<br />

letztere auch transnumeral verwendet werden können. Nomina wie ngay'Tag' werden in<br />

Truong (1970:285) wie folgt charakterisiert: "Outre les unites de mesure citees ä<br />

l'article<br />

precedent [= Maßwörter wie Unze, Pfund, E.L.], sont encore employes comrne numeraux<br />

de mesure, <strong>des</strong> substantifs qui <strong>des</strong>ignent les unites monetaires, linguistiques, temporelles,<br />

etc., ou qui renferment l'idee d'unite de mesure", wozu er u. a. folgende <strong>Beispiel</strong>e<br />

gibt:<br />

(5.35) (a) möt döng bac<br />

ein Piaster Silbergeld<br />

'une piastre de monnaie d'argent'<br />

73ZU Maßwörtem s. Kap. 6.


133<br />

(b) mQt cau n6i 'une phrase de parole'<br />

em Satz Sprache<br />

(c) mQt bai vän 'un texte de litterature'<br />

em Text Literatur<br />

(d) mQt ngäy tröi 'un jour de temps'<br />

em Tag Himmel (i. S. v. 'Zeit')<br />

(e) möt näm tröi 'une annee de temps'<br />

em Jahr Himmel<br />

Dazu heißt es, daß diese "substantifs peuvent etre employes seuls, et de ce fait, ils n'ont<br />

ni specificatif, ni numeral de mesure'' (Tnrong 1970:285), so daß man folgende Konstruktionen<br />

erhält:<br />

(5.36) (a) möt döng<br />

ein Piaster<br />

(b) möt cäu<br />

ein Satz<br />

usw.<br />

'une piastre'<br />

'une phrase'<br />

Die angedeutete Interpretation als Maßkonstruktion gibt es auch im Deutschen:<br />

(5.37) (a) Er hat noch drei Tage (Zeit), diese Arbeit fertigzustellen.<br />

(b) Ich habe keinen Pfennig (Geld) mehr.<br />

(c) *Er war drei Tage (Zeit) nicht da.<br />

(d) *Ich habe dreißig Pfennig (Geld) dafür bezahlt.<br />

Dieser Unterschied existiert ebenfalls im Vietn<strong>am</strong>esischen:<br />

(5.38) (a) N6 läm viec möt ngäy<br />

er machen Sache ein Tag<br />

'Er arbeitet einen Tag.'


134<br />

(b) N6 läm viec möt ngäy tröi74<br />

er machen Sache ein Tag Zeit<br />

'Er arbeitet einen ganzen Tag lang I während eines ganzen Tages.'<br />

Wenn es jedoch. diesen Bedeutungsunterschied gibt, heißt dies gleichzeitig, daß die in<br />

(5.35) genannten Konstruktionen und entsprechend die in (5.38a) vorliegende keine<br />

Maßkonstruktionen sein können. Es handelt sich m. E. eher um Teilbezeichnungen eines<br />

als strukturiert konzeptualisierten Ganzen wie 'Sprache', 'Zeit', 'Geld' usw., die einen derartigen<br />

Gegensatz wie den in (5.38) <strong>des</strong>wegen erlauben, weil das Ganze, von dem sie<br />

einen Teil denotieren, lexikalisch festgelegt, d. h. eindeutig und nicht vom Kontext<br />

abhängig ist. Das ist der fund<strong>am</strong>entale Unterschied zu Maß- und Numerativkonstruktionen,<br />

denn Nomina wie Liter oder Klumpen sind auch im Vietn<strong>am</strong>esischen nicht auf die<br />

Kombination mit einem eine bestimmte Substanz bezeichnenden MassenN festgelegt.<br />

Die in (5.35) genannten <strong>Beispiel</strong>e sind daher eher im Sinne von (Sprach-) Satz,<br />

(Zeit-)Jahr, (Literatur-) Text usw. zu interpretieren. <strong>Eine</strong> derartige Analyse wird noch<br />

unterstützt dadurch, daß zwar tien 'Geld' keine"chose nombrable" ist (Truong<br />

1970:299), wohl aber das in (5.35a) erwähnte bec 'Silbergeld', welches mit chuc<br />

'Dutzend' kombinierbar ist:<br />

(5.39) (a) mäy ngiröi 'wieviele Menschen?' (combien de personnes?')<br />

wieviele Mensch<br />

(b) "rnäy tien *'wieviele Geld?'<br />

wieviele Geld<br />

(c)<br />

~<br />

may<br />

chuc'" bac 'combien de dizaines de piastres?'<br />

wieviele Dutzend Silbergeld<br />

(Tnrong 1970:299)<br />

Die Tatsache, daß derartige Nomina allem Anschein nach in allen Kif-Sprachen nicht<br />

klassifiziert werden, deutet darauf hin, daß nicht nur im Vietn<strong>am</strong>esischen das Konzept<br />

7'Hierzu auch Karow (1972:296).<br />

7'ZU chuc 'Dutzend' (frz. 'dizaine') als Test für N[+strukturiert] s. u. Kap. 6.


135<br />

der Strukturiertheit eine wesentliche Rolle spielen dürfte und d<strong>am</strong>it einer der wesentlichen<br />

Unterschiede zu Sprachen wie Deutsch oder Englisch darin besteht, daß in letzteren<br />

diese Nomina als Einheiten, in Kif-Sprachen dagegen als Teile konzeptualisiert sind.<br />

Neben der Teil-von-Relation gibt es für N[+strukturiert] noch eine andere Strategie,<br />

diese zählbar zu machen, welche in der Literatur zu Klfen gut dokumentiert ist, nämlich<br />

die Begriffshierarchie. Diese ist Thema <strong>des</strong> nächsten Abschnitts.<br />

5. 4. Begriffshierarchie<br />

In Ergänzung zu der im Zus<strong>am</strong>menhang mit (4.27) getroffenen Beobachtung, daß ein<br />

und dasselbe Nomen abhängig von distributionellen Kriterien zum einen transnumeral,<br />

zum anderen singularisch interpretiert werden muß, ist folgen<strong>des</strong> <strong>Beispiel</strong> aus Tnrong<br />

(1970:256) zu sehen:<br />

(5.40) (a) cai cäy<br />

Ding BaumlPflanze<br />

[~ allg KIf]<br />

(b)<br />

(c)<br />

cäy<br />

BaumlPflanze<br />

[= KIf]<br />

rau<br />

Gemüse<br />

rau cän<br />

Gemüse Sellerie<br />

[= KIf]<br />

Dazu heißt es:<br />

"[...] le specificatif [~ KIf, E.L.] est un terme generique, tandis que le substantif<br />

principal [= klassifiziertes Nomen, E.L.] est un terme individuel <strong>des</strong>ignant un etre<br />

qui appartient ä la categorie, classe ou espece exprimee par le specificatif. Cependant,<br />

[...] ces notions de 'generique' et 'individuel' sont tout ä fait relatives. [...] un<br />

meme substantif peut etre employe tantöt comme terme generique, tantöt comme<br />

terme individuel: terme generique par rapport ä un terme considere comme indivi-


136<br />

duel, et terme individuel par rapport ä un terme generique plus large" (TnlC111g<br />

1970:256).<br />

Dieses Zitat zeigt, daß ein Nomen dann Klf ist bzw. als KIf fungiert, wenn es in einer<br />

bestimmten Relation zum klassifizierten Nomen steht, nämlich in einer taxonomischen<br />

Beziehung. Dies bedeutet, daß in einem solchen Fall der KIf eine bestimmte Klasse<br />

denotiert, das klassifizierte Nomen dagegen eine entsprechende Subklasse; die beiden<br />

Nomina stehen im Verhältnis 'Art - Gattung' zueinander. Dieses Verfahren ist auf lndN<br />

beschränkt, genauer: auf die Klasse von Nomina, die ich in (5.3) als N[+strukturiert]<br />

charakterisiert habe. <strong>Eine</strong> derartige Bedeutungsbeziehung ist bei N[-strukturiert] nicht<br />

gegeben ('eine Flüssigkeit Wasser, 'eine Erde Sand sind im Vietn<strong>am</strong>esischen nicht<br />

möglich). <strong>Beispiel</strong> (5.40) zeigt gleichzeitig, daß ein Nomen wie cay'Baum, Pflanze'<br />

nicht notwendigerweise 'such and such a species as dass meaning' (Emeneau 195194)<br />

haben muß, was in (5.40b) zwar der Fall ist, nicht aber in (5.40a): Hier ist die Klassenbedeutung<br />

'such and such a subspecies' der übergeordneten Klasse cäi 'Ding, allgem. KIf<br />

für N[-belebt]'. Dementsprechend signalisiert cai in (5.4la), daß das klassifizierte Nomen<br />

zur Klasse der nichtbelebten Objekte gehört. Es kann dementsprechend interpretiert<br />

werden als 'bezeichnet die Eigenschaft, ein nichtbelebtes Objekt zu sein', und diese<br />

Eigenschaft trifft genau für cay'BaumlPflanze' zu; präziser formuliert: Bäume bzw.<br />

Pflanzen sind im Vietn<strong>am</strong>esischen als 'nicht belebt' konzeptualisiert. In (5Alb) hingegen<br />

signalisiert cay, daß das klassifizierte Nomen zur Klasse der Bäume/Pflanzen gehört und<br />

entsprechend als 'bezeichnet die Eigenschaft, ein Baum/eine Pflanze zu sein', zu interpretieren<br />

ist. Beide Klfen bezeichnen daher eine Komponente, genauer: eine der Komponenten,<br />

die der Bedeutung <strong>des</strong> klassifizierten Nomens inhäriert. ln dieser Beziehung<br />

ergibt sich eine gewisse Analogie zur semantischen Genuszuweisung i. S v. Corbett<br />

(1991). Wichtig ist in diesem Zus<strong>am</strong>menhang sein Hinweis, daß eigentlich je<strong>des</strong> Genussystem<br />

einen semantischen Kern hat (Corbett 19918). Strikt semantische Zuweisungssysteme<br />

sind "systems in which the meaning of a noun determines its gender and in<br />

which, equally, given the gen der of a noun we can infer something about its rneaning"


137<br />

(ibid.): 76<br />

(5.41) (a) hai caii[+Klasse [nichtbel.Dbjekf]] caYifcai (nicbtbeLObjekt)] 'zwei Bäume/Pflanzen'<br />

zwei Kif Baum<br />

(b) hai<br />

zwei Kif<br />

cäy i[+Klasse (BaumlPflanze)]<br />

raUi{cay (BaurnIPflanze)]<br />

Gemüse<br />

'zwei Gemüse(pflanzen)'<br />

Die primäre Unterscheidung für Klfen im Vietn<strong>am</strong>esischen ist die zwischen Nomina, die<br />

unbelebte, und solchen, die belebte, genauer: als beweglich konzeptualisierte Begriffe<br />

bezeichnen; diese bilden die Spitze der Begriffshierarchie:<br />

(5.42) N[+strukturiert] (IndN)<br />

/ \<br />

N[-belebt]<br />

N[+belebt]<br />

Mi 'Ding' (nicht beweglich) con 'Lebewesen (beweglich)'<br />

/<br />

N[-human]<br />

\<br />

N[+human]<br />

(i) chim 'Vogel' ngltiri 'Mensch'<br />

(genauer: 'Tier in der Luft') .....<br />

(ii) ca 'Fisch'<br />

(genauer: 'Tier im Wasser')<br />

Diese Einteilung entspricht der schon in 3.1. erwähnten Beschreibung von Drrong<br />

(1971), derzufolge es nur zwei 'pre-determiners' im Vietn<strong>am</strong>esischen gibt, nämlich cei<br />

und con. Der Lexikoneintrag in Karow (1972) für con ist wie folgt (zu cei s. o. <strong>Beispiel</strong><br />

(5.27)):<br />

7'Nach Corbett (1991:9) ist dies z. B. im T<strong>am</strong>il der Fall, wo zwischen "rational" und "nichtrational<br />

11 unterschieden wird.


(5.43) Gon (Karow 1972:160)<br />

1. [Numerativ nglftYl~ tiLi'a, th!!ing (nur für Söhne)] Kind<br />

2. Numerativ für weibliche Personen in niedriger Stellung, Tiere und gewisse<br />

Gegenstände (z. B. Messer, Spielkarten, Fluß, Zahl, etc.)<br />

3. du (liebevolle Anrede von Kindern und Untergebenen)<br />

4. Mädchen (bis zu 10 Jahren, sonst pejorativ gebraucht)<br />

5. a) klein, b) jung; cho Gon junger Hund, Hündchen<br />

138<br />

Daß nglfOi 'Mensch' nicht nur als KIf für N[+human] verwendet wird, sondern selbst mit<br />

Gon klassifiziert werden kann, zeigen folgende <strong>Beispiel</strong>e:<br />

(5.44) Gon nglfOi 'human being' (ngLftYI '<strong>des</strong>criptive complement to classifier')<br />

(Thompson 1987: 197)<br />

. (5.45) (a) dung cö bän, lä con nguöi<br />

aufhören haben schießen sein KIf Mensch<br />

'ne tire pas, c'est un homrne'<br />

'Nicht schießen, es ist ein Mensch (und kein Affe o.ä.).'<br />

(b) ... lä möt ngmri<br />

sein ein Mensch<br />

'...es ist ein Mensch (und nicht zwei)'<br />

(Cadiere 1958:6)<br />

(c)<br />

lä nguai<br />

.. es sind Menschen'<br />

Im Gegensatz dazu:<br />

(d) hai nguöi con<br />

zwei Mensch Kind<br />

'zwei Kinder'<br />

Ferner gibt es zahlreiche Begriffe, die anders als im Deutschen nicht als unbelebt, sondern<br />

als beweglich und d<strong>am</strong>it als "belebt" konzeptualisiert sind:<br />

(5.46) (a) con duang 'Straße, Weg' (schlangenförmige Gestalt)<br />

KIf Straße<br />

(b)<br />

con sang<br />

Kif Fluß<br />

'fluß'<br />

(Wasser bewegt sich)


(c)<br />

con sö<br />

Kif Zahl<br />

139<br />

'Zahl' (ist als veränderlich und d<strong>am</strong>it 'beweglich' konzeptualisiert)<br />

Insofern muß Behauptungen der Art, wie sie in Wurzel (1986:80) aufgestellt werden,<br />

daß Klassifizierungen im Vietn<strong>am</strong>esischen nach N[+belebt] "jeweils einen intakten<br />

Kern von Substantiven mit gemeins<strong>am</strong>en Eigenschaften [haben], aber auch Substantive<br />

mit abweichenden Bedeutungen [enthalten]" (Hervorhebungen von mir, E.L.), entschieden<br />

widersprochen werden. Ferner gibt es Metaphern wie die in (5.47):<br />

(5.47) (a) con cö<br />

Kif Storch<br />

1. 'Storch', 2. 'Briefmarke' (der Storch als Nachrichtenüberbringer)<br />

(b) con tem 'Briefmarke' « frz. 'timbre de poste', in Analogie<br />

KIf Briefmarke zu (a))<br />

Die folgenden Gegenüberstellungen zeigen, daß sogar auf dieser abstrakten Ebene der<br />

Begriffshierarchie die Einteilung in N[-belebt] (Kif cliI) oder N[+belebtfbeweglich] (Klf<br />

con) nicht rigide ist. Während Homonymie wie in (5.48) dafür kein Gegenbeispiel wäre,<br />

zeigen die anderen Fälle, daß selbst mit diesen abstrakten Klfen eine Bedeutungsänderung<br />

einhergeht bzw. möglich ist:<br />

(5.48) (a) cai kien<br />

Kif Spiegel<br />

'Spiegel', aber auch: 'Ameise' (bei sehr kleinen Tieren<br />

möglich)<br />

(b) con kien 'Ameise'<br />

Klf Ameise<br />

(5.49) (a) cai dao<br />

Kif Messer<br />

(b) cäy dao<br />

Stab Messer<br />

'Messer' (kleines Messer, aber auch 'Messer(klinge)'<br />

s. o. <strong>Beispiel</strong>e (5.31) bis (5.33))<br />

'Messer (mit Griff)'<br />

(c)<br />

con dao<br />

KIf Messer<br />

'Messer' (in Bewegung, auch i. S. v. 'Hackmesser')<br />

In bezug auf (5.49) erhält man daher folgenden Kontrast:


140<br />

(5.50) (a) 6 trön ban cö hai cäi dao<br />

Auf Tisch haben zwei Kif Messer<br />

'Auf dem Tisch liegen zwei Messer.'<br />

(b) No müa con dao<br />

Er schwingen Kif Messer<br />

'Er schwingt das Messer (beim Messertanz).'<br />

Analog dazu ist die o. a. erwähnte Variation zwischen GM kien 'Ameise als N[-belebt]'<br />

und Gon kien 'Ameise als N[+belebt]' zu erklären (vgl. Nguyen 1957: 111). Während<br />

man (5.5Ib) im Vergleich zu (5.5Ia) noch als Metapher erklären könnte, ist es bei<br />

(5.52) schon sehr schwierig zu entscheiden, was denn nun eigentlich 'inhärent' ist: Ist es<br />

die Tatsache, daß eine Spielkarte eine bestimmte Form oder einen bestimmten Zahlenwert<br />

hat, und welcher der beiden Aspekte ist dann in der Begriffshierarchie der "übergeordnete"?<br />

(5.51) (a) con mät 'Auge' (beweglich)<br />

KIf Auge<br />

(b) cäi mät 'Astknoten' (Auge im Holz)<br />

KIf Auge<br />

(5.52) (a) lä bäi<br />

Blatt[~ KIf] Karte<br />

(b) con Mi<br />

KIf Karte<br />

'Spielkarte'<br />

'Spielkarte' (i S.v. 'aufgedruckter Wert bzw. Zahl';<br />

Zahlen werden mit Gon klassifiziert)<br />

Aus diesen und zahlreichen anderen <strong>Beispiel</strong>en muß man sich fragen, ob es tatsächlich<br />

der Fall ist, daß "lndividualnomina in KIf-Sprachen mit einem bestimmten Kif verbunden<br />

werden", und daß "[djie Zuordnung eines KIfs zu einem lndividualnomen im Lexikon<br />

[erfolgt], während die Wahl eines Mensurativs abhängig ist von der jeweiligen Aussage"<br />

(Serzisko 1982: 148). Problematisch erscheint mir daher auch die Behauptung, daß<br />

"der Variationsspielraum in der Auswahl von KIf sehr eng begrenzt ist" bzw. "solche<br />

Variation, wenn sie überhaupt möglich ist, eher die Wahl der stilistischen Ebene (...)<br />

betrifft als regelrechte Bedeutungsmodifikation der Nomina" (Kölver 1982: 179). Viel


141<br />

eher scheint zumin<strong>des</strong>t für (5.52) die Beobachtung zuzutreffen, daß es sich "bei vielen<br />

solchen Varianten nicht eigentlich strikt um Bedeutungsmodifikation zu handeln<br />

[scheint], sondern um die Akzentuierung je verschiedener, aber doch immer inhärenter<br />

Merkmale der Bedeutungsstruktur <strong>des</strong> Bezugsnomens" (Kölver ibid.).<br />

Schon bei cäi und con ist es problematisch, Feststellungen der Art, daß durch Klfen die<br />

"Nomina einer Sprache in disjunkte Klassen eingeteilt und zugleich individuiert werden"<br />

(Serzisko 1982: 147), für das Vietn<strong>am</strong>esische zu rechtfertigen. Diese Probleme werden<br />

noch deutlicher, wenn man andere Klfen hinzuzieht <strong>Beispiel</strong>sweise kann das eingangs<br />

erwähnte <strong>Beispiel</strong> csn 'Sellerie' wie folgt klassifiziert werden:<br />

(5.53) (a) rau cän 'Sellerie(gemüsepflanze)'<br />

Gemüse Sellerie<br />

(b)<br />

ciiy<br />

Stiel<br />

'~<br />

can<br />

Sellerie<br />

'Selleriestange'<br />

(c)<br />

(d)<br />

~<br />

lä can<br />

Blatt Sellerie<br />

~<br />

cu can<br />

Knolle Sellerie<br />

'Sellerieblatt'<br />

'Sellerie(knolle)'<br />

Wie steht es bei diesen <strong>Beispiel</strong>en mit der Begriffshierarchie? Das Problem besteht wohl<br />

eher darin, welche Bedeutungsnuance im Deutschen primär mit 'Sellerie' assoziiert wird,<br />

die ganze Pflanze oder eher (nur) die Knolle (Analoges gilt für Zwiebeln, Kartoffeln<br />

usw.), Dieses <strong>Beispiel</strong> zeigt deutlich die enge Verflechtung zwischen Teil-von-Beziehung<br />

und Begriffshierarchie, die sich aber gerade in bezug auf hierarchische Ordnung<br />

unterscheiden:<br />

"The terms of both types of hierarchy [= Taxonomie und Meronomie, E.L] denote<br />

classes of entities. The classes denoted by the terms in a taxonomy form a hierarchy<br />

which is more or less isomorphous with the corresponding lexical hierarchy.<br />

However, the classes denoted by the elements of a meronomy - toes, fingers,<br />

legs, heads, etc. - are not hierarchically related; that is to say, the hierarchical<br />

structuring of a meronomy does not originate in a hierarchy of classes. [...] A


142<br />

meronomy thus has closer links with concrete reality than a taxonomy" (Cruse<br />

1995:178).<br />

Ich werde auf diesen Aspekt in Kap. 5.5. näher eingehen.<br />

Auch bei den Tierbezeichnungen, denen Truong (1970:271-273) wiederum ein eigenes<br />

Kapitel widmet, ist die Zuordnung zu einem bestimmten Kif z. T. variabel:<br />

(5.54) (a)<br />

(i)<br />

(ii)<br />

chim<br />

Vogel<br />

KIf<br />

sö (se)<br />

onomat.<br />

Spatz<br />

'Spatz' (sö (se): onomatopoetisch, vgl. dt. 'piep')<br />

(b)<br />

(c)<br />

se<br />

Spatz<br />

con se<br />

KIf Spatz<br />

'Spatz'<br />

'(ein) Spatz'<br />

(d)*con chim<br />

KIf Vogel<br />

se<br />

Spatz<br />

(5.55) (a) chim sau<br />

Vogel Insekt<br />

'Fliegenschnäpper' ('gobe-mouches')<br />

(b) con chim sau '(ein) Fliegenschnäpper'<br />

KIf Vogel Insekt (Tnrong 1970:272f)<br />

Tnrong zufolge war historisch gesehen sese 'Spatz zunächst rein onomatopoetisch (vgl.<br />

dt. Kuckuck), so daß man zunächst (5.54a.i) als Kompositum erhält, das sich im Deutschen<br />

<strong>am</strong> besten mit Piepvogel wiedergeben läßt. Im Laufe der Sprachentwicklung hat<br />

sich sese zu se reduziert und selbst die Bedeutung 'Spatz' übernommen. Entsprechend<br />

erhält man dann die Interpretation (5.54aji): "Par suite de cette evolution, a l'heure<br />

presente, dans les molecules chim so, cä me [= Fisch Schleie, E.L.], cliim et cä sont<br />

devenus <strong>des</strong> specificatifs, ils se seraient donc transformes de möt principal en möt auxiliaire"<br />

(Tnrong 1970:273). Diese Argumentation gilt nicht für cbim sau 'Fliegenschnäpper'<br />

(wörtl. 'Insektenvogel'), hier ist chim Bestandteil eines Kompositums.


143<br />

Ich habe diese <strong>Beispiel</strong>e so ausführlich dargestellt, da nämlich eine falsche interpretation<br />

dieser Daten zu falschen syntaktischen Aussagen führt. <strong>Beispiel</strong> (5.55) aus Cadiere<br />

(1958:6) wird in Kölver (1982:170) zitiert: "Will man dagegen das Nomen tatsächlich<br />

als Benennung einer Art bzw. als generalisierten Ausdruck verstanden wissen, wird das<br />

isolierte Nomen verwendet". Während es bei chim se se noch umstritten sein kann, ob<br />

chim als Klf oder als Head eines Kompositums anzusehen ist, ist in den anderen Fällen<br />

eindeutig klar, daß es sich bei chim jeweils um einen KIf handelt, denn en bedeutet<br />

'Schwalbe', th,J riu 'Wiedehopf:<br />

(5.55) töi nuöi<br />

Ich halten<br />

au<br />

genug<br />

thtr chim, chim en<br />

Art Vogel Vogel Schwalbe<br />

[= KIf]<br />

chim thÖ rtu, chim se se<br />

Vogel Wiedehopf Vogel Spatz<br />

[= KIf] [~ ?KIf]<br />

'Ich halte Vögel aller Art, Schwalben, Wiedehopfe, Sperlinge'. (Kölver 1982: I 70)<br />

Dieses <strong>Beispiel</strong> zeigt, daß hier, um die Benennung einer Art oder Generalisierung zu<br />

bezeichnen, nicht das isolierte Nomen verwendet wird, sondern die Konstruktion<br />

'KIf + N'. Da die Position vor dem KIf nicht besetzt sein darf (auch nicht durch einen<br />

Pluralmarker, wie die deutsche Übersetzung suggerieren könnte), sind es Komposita <strong>des</strong><br />

Typs 'KIf + N'. Dieses <strong>Beispiel</strong> zeigt d<strong>am</strong>it genau das Gegenteil von der im o. a. Zitat<br />

aufgestellten Behauptung, nämlich die obligatorische Verwendung eines Kif in generalisierenden<br />

Ausdrücken. Ein Kif ist <strong>des</strong>wegen obligatorisch, weil es sich um Aufzählung<br />

handelt; in dem o. a. <strong>Beispiel</strong> ist im Deutschen der Plural, im Vietnarnesischen dagegen<br />

der Kif obligatorisch. Aufzählung wiederum ist referentielle Gliederung," und ich werde<br />

auf diesen Aspekt, der konstitutiv für die ges<strong>am</strong>te NP-Syntax im Vietnarnesischen ist, in<br />

Kap. 8.4. zurückkommen.<br />

"Den Begriff der Gliederung habe ich aus Vater (1979) übernommen. Gliederung ist im<br />

Deutschen u. a. ein Merkmal <strong>des</strong> Plurals, im Vietn<strong>am</strong>esischen dagegen ein Merkmal <strong>des</strong> KIf,<br />

und das ist der gemeins<strong>am</strong>e Nenner zwischen beiden Sprachen in <strong>Beispiel</strong> (5.55).


144<br />

Nachfolgend wird illustriert, daß im Grunde genommen alle IndN, d. h. N[+strukturiert],<br />

als Klfen fungieren können, wenn sie in der Lage sind, eine Klasse bzw. Art einer entsprechenden<br />

Subklasse bzw. Gattung zu bezeichnen. Nomina wie ch6 'Hund', ao 'Kleid',<br />

stich 'Buch', die alle zu den sog. klassifizierten Nomina gehören, können so verwendet<br />

werden; daher sind auch diese Nomina nicht notwendigerweise auf Transnumeralität<br />

festgelegt:<br />

(556) (a) hai chiöc xe 'zwei Wagen'<br />

zwei Kif Wagen<br />

(b) hai xe thiet giap 'zwei Panzer'<br />

zwei Wagen Eisen Waffe<br />

[= KIf]<br />

(5.57) (a) hai con ch6 'zwei Hunde'<br />

zwei KIf Hund<br />

(b) hai ch6 eskimo 'zwei Schlittenhunde'<br />

zwei Hund Schlittenhund<br />

[= KIf]<br />

(558) (a) hai quyen<br />

zwei Kif<br />

.-<br />

sach<br />

Buch<br />

'zwei Bücher'<br />

(qayen 'Band', KIf für<br />

Bücher)<br />

(b) hai säch tii'!n-tuyet<br />

zwei Buch Roman<br />

[= KIf]<br />

(5.59) (a) mQt cäi nha<br />

em KIf Haus<br />

(b) mQt nha bil-ding<br />

em Haus 'building'<br />

[= KIf]<br />

(c) mQt nha biet-thu<br />

em Haus Villa<br />

[= KIf]<br />

'zwei Romane'<br />

'ein Haus'<br />

'eine Mietskaserne, Wohnblock'<br />

'eine Villa'<br />

Die Begriffshierarchie gilt nun nicht nur für Nomina, sondern auch für die Kombination<br />

eines Nomens mit einem restriktiven Attribut; in (5.60a) ist chlec '(Einzel)stück' die


145<br />

Klasse zur Subklasse 80 118m '(europäisches) D<strong>am</strong>enkleid', in (5.60b) dagegen ist 80<br />

'Kleid' Klasse zur Subklasse 80 118m '(europäisches D<strong>am</strong>enkleid'); da eine Repetition<br />

identischer Lexeme, nämlich *80 80 118m 'Kleid D<strong>am</strong>enkleid' nicht erlaubt ist, ist<br />

(5.60b) wie (5.60c) zu analysieren:<br />

(5.60) (a) hai chiec äo däm<br />

zwei KIf Kleid weiblich7'<br />

'zwei (europäische) D<strong>am</strong>enkleider'<br />

(b) hai äo däm may?J Viet-N<strong>am</strong><br />

zwei Kleid weiblich nähen in V.<br />

'zwei in V. hergestellte (europäische) D<strong>am</strong>enkleider'<br />

(c) hai Iil i<br />

äo, däm may?J Viöt-N<strong>am</strong><br />

zwei Kleid weiblich nähen in V.<br />

(5.61) (a) möt nhä (rnä) IÖp bäng la Eil.ia xanh<br />

ein Haus (Rel.) bedeckt aus Blatt Kokos grün<br />

'ein Haus mit einem Dach aus grünen Kokosblättem'<br />

(5.62) (a) möt chö mä thjt än ngon nhät<br />

ein Hund Rel. Fleisch essen schmecken sehr<br />

'ein Hund, <strong>des</strong>sen Fleisch sehr gut schmeckt'<br />

Der Vergleich von (5.62a) mit (5.63a) zeigt, daß abhängig vom Kontext eine NP auch in<br />

Verbindung mit einem Numeral als Funktionalbegriff (s. u. Kap. 8.) zu interpretieren ist,<br />

der im Gegensatz zum Gattungsbegriff die Identifizierung <strong>des</strong> jeweiligen Referenten<br />

leistet und dementsprechend im Deutschen mit dem definiten Artikel wiedergegeben<br />

werden muß. Dies ist in (5.63a) aufgrund <strong>des</strong> identifizierenden Prädikats 'ist der<br />

Schwarzhund' der Fall. Die Abwesenheit eines Kif ist, wie weiter unten zu zeigen sein<br />

wird, geradezu ein Indiz dafür, daß ein Funktionalbegriff vorliegen kann.<br />

(563) (a) mQt ch6 ma thjt an ngon<br />

em Hund Rel. Fleisch essen schmecken<br />

nhät Ja ch6 rnüc<br />

sehr sem Hund Tinte<br />

78Das Lexem li<strong>am</strong> ist eine Entlehnung aus frz. '(ma)d<strong>am</strong>e'.


146<br />

'Der (eine) Hund, <strong>des</strong>sen Fleisch sehr gut schmeckt, ist<br />

der Schwarzhund.'<br />

Dieser Gegensatz wird besonders deutlich bei Märchen III, Satz I (vgl. Anhang III), das<br />

in der deutschen Übersetzung mit 'in dem Dorf N<strong>am</strong>-Xuong' wiedergegeben wird.<br />

Genauer ist (5.64a) mit 'das (eine) Dorf in der Gemeinde N<strong>am</strong>-Xuong' wiederzugeben,<br />

was wiederum impliziert, daß diese kleine Gemeinde nur ein Dorf hat und 'Dorf' dementsprechend<br />

einen Funktionalbegriff darstellt. Wie (5.64b) zeigt, korreliert die Verwendung<br />

<strong>des</strong> Kif cäi mit der Lesart 'ein Dorf in der Gemeinde N<strong>am</strong>-Xuong', d. h. 'Dorf ist<br />

hier kein Funktional-, sondern ein Gattungsbegriff:<br />

(5.64) (a) möt lang ij huyen N<strong>am</strong>-Xirong<br />

III,I ein Dorf in Gemeinde N<strong>am</strong>-Xuong<br />

'das (eine) Dorf in der Gemeinde N<strong>am</strong>-Xuong'<br />

(b) möt cäi lang i'J huyen N<strong>am</strong>-Xinrng<br />

ein KIf Dorf in Gemeinde N<strong>am</strong>-Xuong<br />

'ein Dorf in der Gemeinde N<strong>am</strong>-Xuong (d. h. eines der Dörfer)'<br />

(c) möt cäi lang 'ein Dorf<br />

em Kif Dorf<br />

(d) *mät lang 0 'ein Dorf'<br />

ein Dorf<br />

<strong>Beispiel</strong> (5.64d) ist ungr<strong>am</strong>matisch, wenn kein eine Subklasse denotieren<strong>des</strong> Attribut<br />

vorhanden bzw. nicht aus dem Kontext erschließbar ist. Dieser letztgenannte Aspekt ist<br />

insofern wichtig, da auch hier die Begriffshierarchie eine Rolle spielt, was an folgender<br />

Gegenüberstellung ansatzweise gezeigt werden soll: In (5.65b) signalisiert der allgemeine<br />

Kif cäi ('Ding, Objekt'), daß kein kontextueller Bezug zu einer bestimmten Klasse<br />

von Gegenständen vorliegt. Genau dies ist aber in (5.66b) der Fall: kien als Kif signalisiert,<br />

daß aufgrund <strong>des</strong> Kontextes von Spiegeln die Rede ist, d. h kieu 'Spiegel' ist Art<br />

bzw. Klasse, kier: phui truäc die entsprechende Subklasse. Im Deutschen kann dieser<br />

Unterschied nur durch eine entsprechende Betonung wiedergegeben werden (Rückspiegel<br />

vs. Rückspiegel).


147<br />

(5.65) (a) Anh mua mäy cai kien xe?<br />

du kaufen wieviel Ding Spiegel Wagen<br />

'Wieviele Wagenspiegel hast du gekauft?'<br />

(b) ba cai<br />

drei Kif<br />

(Kontext: Spiegel vs. andere Dinge)<br />

(5.66) (a) Anh mua mäy cäi lkien phia trinrc]?<br />

du kaufen wieviel KIf Rückspiegel<br />

'Wieviele Rückspiegel hast du gekauft?'<br />

(b) ba kien<br />

drei Spiegel<br />

(Kontext: Rückspiegel vs. andere Spiegel)<br />

Analog dazu verhält sich der Gegensatz in (5.67b) vs. (5.67c). Je nach Kontext ist sowohl<br />

(b) als auch (c) als Antwort auf die Frage in (a) möglich.<br />

(5.67) (a) Anh mua mäy cai [bän an<br />

du kaufen wieviel Ding Flache essen<br />

'Wieviele Eßtische hast du gekauft?'<br />

com]?<br />

Reis<br />

(b) ba cai (Kontext: Eßtisch vs. andere Gegenstände)<br />

drei Kif<br />

(c) ba ban (Kontext: Eßtisch vs. andere Tische)<br />

drei Tisch<br />

Bezogen auf das o. a. <strong>Beispiel</strong> (5.64d) mot lang 'ein Dorf' bedeutet dies, daß eine solche<br />

NP nur akzeptabel ist in einem Kontext, der analog zu (5.66b) oder (5.67c) zu interpretieren<br />

ist. Derartige Unterschiede bedürfen natürlich größerer Textkorpora, um die<br />

genaueren Gesetzmäßigkeiten herauszuarbeiten, sie zeigen aber deutlich die Relevanz<br />

der Begriffshierarchie auch auf der Diskursebene, d. h. die Begriffshierarchie ist nicht<br />

nur auf der konzeptuellen, die Nomina selbst betreffenden Ebene von Bedeutung.<br />

Im Laufe dieses Abschnitts wurde gezeigt, daß die Teil-von-Beziehung zwar einerseits<br />

von der Begriffshierarchie zu trennen ist, sich andererseits aber zahlreiche Überlappungen<br />

ergeben. Insbesondere aus der Perspektive <strong>des</strong> Deutschen wird deutlich, daß (5.68b)


148<br />

1. S. v. Begriffshierarchie interpretiert wird, während im Vergleich dazu im Vietn<strong>am</strong>esischen<br />

in (a) Begriffshierarchie, in (b) jedoch eine Teil-von-Beziehung vorliegt:<br />

(5.68) (a) möt cai bü-long 'eine Schraube'<br />

em Kif Schraube<br />

(b) möt bü-long xe höi 'eine Autoschraube'<br />

eme Schraube Wagen<br />

Aus den bisherigen Beobachtungen ziehe ich zwei Schlußfolgerungen: (1) Die Unterscheidung<br />

zwischen 'klassifizierten' und 'nichtklassifizierten' Nomina ist nur insofern<br />

eine Frage <strong>des</strong> Lexikons, als sie lediglich Nomina der Subklasse N[+strukturiert] betrifft.<br />

(2) Im Prinzip ist je<strong>des</strong> Nomen dieser Subklasse in der Lage, eine Einheit zu bezeichnen,<br />

wenn es aufgrund seiner Bedeutung in der Lage ist, entweder in einer Teil-von­<br />

Beziehung oder in einer taxonomischen Beziehung mit dem klassifizierten Nomen zu<br />

stehen. Die Fälle, in denen dies nicht möglich ist, sind sicher semantischer Natur und<br />

m. E. eher als zufällige denn als systematische Lücken für den unter (1) genarmten<br />

Aspekt anzusehen.<br />

1m nächsten Abschnitt wird der Frage nachgegangen, wie sich die angedeutete Überlappung<br />

zwischen Teil-von-Beziehung und Begriffshierarchie im Vietnarnesischen erklären<br />

läßt.<br />

5. 5. Taxonymie und Meronymie<br />

Wie Dinge benarmt und kategorisiert werden, wird in Tversky (1986) thematisiert:<br />

"[T[he explanation for a preferred level of reference does not lie in language, but rather<br />

in cognition. When we n<strong>am</strong>e things, we place them into the categories that have the<br />

greatest utility accross a wide range of situations" (Tversky 1968:64). Diese Ebene,<br />

('basic level' nach Rosch (1976)) wurde von ihr als Ausgangspunkt für die Frage genommen,<br />

welche Kriterien auf der dazu übergeordneten und der dazu untergeordneten Ebene


149<br />

für die Kategorisienmg relevant sind. Dabei spielt insbesondere eine Eigenschaft eine<br />

Rolle, nämlich die Referenz auf Teile von Objekten:<br />

"Inspection of the norms [i.e. the attribute norms collected by Rosch et a1. (1976),<br />

E.L.] revealed that the few attributes listed for superordinate categories tended to<br />

refer to abstract features, in particular, functions, whereas those listed for basic<br />

and subordinate categories tended to refer to appearance as well as function,<br />

hinting at a qualitative difference between the levels. Further inspection suggested<br />

that one kind of attribute was particularly prevalent at the basic level, n<strong>am</strong>ely, attributes<br />

referring to parts of objects" (Tversky 1986:66, Hervorhebung von der<br />

Autorin, EL).<br />

Auf der Gnmdlage von Experimenten konnte sie feststellen, daß Teil-von-Bezeichnungen<br />

auf allen drei Ebenen relevant und auf derjenigen <strong>des</strong> 'basic level' sogar dominant<br />

sind: "In our norms, plant and animal were superordinate categories, tree,jlower, bird<br />

and fish were basic level, and kinds of trees, flowers, birds and fish were subordinate<br />

categories. For both object and organism categories, we found that parts dominated<br />

attributes listed at the basic level" (Tversky 1986:67). Die Begründung für die Frage<br />

"Why parts?" liegt ihrer Ansicht nach darin, daß "n<strong>am</strong>es of parts enjoy a duality not<br />

apparent in n<strong>am</strong>es of other attributes; they frequently refer both to a perceptual entity<br />

and to a functional role. [...] The configuration of parts deterrnines the shape of objects<br />

to a large degree, so that objects sharing the s<strong>am</strong>e parts have similar shapes" (Tversky<br />

1986:70). Das bedeutet, daß "the basic level of categorization for common objects and<br />

organisms is distinguished by a prevalence of knowledge of parts" (Tversky 1986:71).<br />

Sie zieht daraus den Schluß, daß es zwei Strategien für die Kategorisierung von Wissen<br />

gibt, die gleichermaßen relevant sind, die taxonomische und die partonomische:79<br />

"[t]axonomies of objects and organisms are one useful way of organizing<br />

knowledge. By reflecting the inclusion relations <strong>am</strong>ongst categories, they allow<br />

inferences. [...] Another useful form of organizing knowledge is partonomy [...].<br />

?"Nach Cruse (1995:180) ist der Begriff Partonomie in der anthropologischen Literatur<br />

gebräuchlich; er selbst spricht von Meronomie bzw. Meronymie: "Note that a meronomy is a<br />

lexical hierarchy whose relation of dominance is the lexical relation of meronymy (cf. taxonomy<br />

and taxonymy)" (ibid.). In der europäischen Literatur zur strukturellen Semantik wird die Teil­<br />

Ganzes-Beziehung Cruse zufolge allerdings überhaupt nicht berücksichtigt (ibid.).


150<br />

[O]bjects and organisms can be represented as partonomies. So can some interesting<br />

abstract concepts. Govemment [...] is composed of judicial, legislative, and<br />

executive branches. [...] At the basic level, at the highest level of abstraction<br />

where entities are perceived to have parts, both taxonomie and partonomie<br />

organization oj knowledge, along with the injerenees they support, are available<br />

and salient" (Tversky 1986:73, Hervorhebung von mir, E.L.).<br />

Auf die Interaktion zwischen diesen beiden Strategien wird auch in Cruse (1995[=1986])<br />

hingewiesen:<br />

"Although there are differences between meronomies and taxonomies, it is perhaps<br />

the similarities between them which are the more striking. Both involve a kind of<br />

sub division, a species of inclusion between the entity undergoing division and the<br />

results of the division, and a type of exclusion between the results of the division.<br />

Any taxonomy can be thought oj in part-whole terms (although the converse is<br />

not true): a class can be looked on as a whole whose parts are its subclasses"<br />

(Cruse 1995:179, Hervorhebungen von mir, E.L.).<br />

Diese Beobachtung trifft auch für das Vietn<strong>am</strong>esische zu. Die folgenden <strong>Beispiel</strong>e können<br />

sowohl taxonomisch als auch meronomisch interpretiert werden:<br />

(5.69) (a) hai chän ch6<br />

zwei Bein Hund<br />

(i) 'zwei Beine eines Hun<strong>des</strong>' (Meronymie)<br />

(ii) 'zwei Beine eines Hun<strong>des</strong> (i. Ggs. zu einer<br />

Katze), zwei Hundebeine' (Taxonymie)<br />

(b) hai hoa<br />

zwei Blüte<br />

c<strong>am</strong><br />

Orange(nbaum)<br />

(i)<br />

(ii)<br />

'zwei Blüten eines Orangenbaums'<br />

(Meronymie)<br />

'zwei Blüten eines Orangenbaums (i. Ggs.<br />

zu Pfirsichbaum usw.), eine Orangenblüte'<br />

(Taxonymie)<br />

Daß die Zuordnung zur einen oder anderen Relation im Vietn<strong>am</strong>esischen und Deutschen<br />

unterschiedlich sein kann und d<strong>am</strong>it eher das Problem der übertragbarkeit von bzw.<br />

übersetzung in die jeweils andere Sprache betrifft, zeigt folgende Gegenüberstellung:<br />

(5.70) (a) möt cäy hänh<br />

ein Pflanze Zwiebel<br />

'eine Zwiebel(pflanze)'


151<br />

(b) möt cu hänh<br />

ein Knolle Zwiebel<br />

'eine Zwiebel(knolle)'<br />

Die von Cruse aufgestellte Hypothese, daß beide Relationen Manifestationen eines gemeins<strong>am</strong>en<br />

zugrundeliegenden Prinzips sind, läßt sich daher auch im Vietn<strong>am</strong>esischen<br />

beobachten:<br />

"Could it be that they [= Taxonymie und Meronymie, E.L.] are alternative manifestations<br />

of a single underlying principle? Up to a point, this is plausible: in both<br />

cases, sub-division is carried out in such a way as to create elements in which two<br />

par<strong>am</strong>eters are maximised, n<strong>am</strong>ely, internal cohesiveness and external distinctiveness.<br />

[...] This dual principle works quite weil for both meronymy and taxonymy,<br />

and expresses in a satisfying way the close connection between the two" (Cruse<br />

1995:179, Hervorhebung von mir, E.L.).<br />

Diese Korrelation kann auch aus der Perspektive der assoziativen Netzwerke hergestellt<br />

werden. Hinsichtlich der Frage nach semantischen Strukturen und deren potentiellen<br />

Generalisierungen heißt es in Miller & Johnson-Laird (1976:271), daß "the best place to<br />

look would seem to be in the ways lexical concepts can be put together rather than in<br />

the shapes of the finished products". Allgemein wird ihnen zufolge in der Psychologie<br />

nicht nur angenommen, daß "semantically related items are in some sense close together<br />

in memory", sondern auch, "that they are actually connected to one another in some<br />

way. These connections between memory items are called associations" (ibid.). Assoziationen<br />

sind zweistellige Relationen, die mit anderen Assoziationen zu assoziativen Netzwerken<br />

verknüpft werden. Dabei geht man von der Annahme aus, daß, "when some item<br />

is activated by recall, the activation spreads over these connections to all related words,<br />

which are thereby more readily accessible for subsequent recall" (Miller & Johnson­<br />

Laird 1976:272). Ein Fragment eines assoziativen Netzwerks für das Konzept TABLE<br />

ist in Abb. 5.2. dargestellt. Ihr Vorschlag besteht darin, daß<br />

"[...] one way to integrate concepts into larger structures would be to include<br />

specific statements of each relation in the information available about each concept,<br />

as in the two-term relation [ISA(Y,X)]. This cross-referencing scheme can be<br />

thought of as an associative network. In figure 4.3 [= Abb. 5.2. unten, E.L.] a<br />

fragment of such a network is represented diagr<strong>am</strong>matically, where the no <strong>des</strong>


152<br />

represent the concepts and the arrows are cross-references labeled according to the<br />

relation between the concepts. [...] The hypothesis is that the conceptual system<br />

can search through an associative network for a concept having certain specified<br />

characteristics" (Miller & Johnson-Laird 1976:272).<br />

In diesem Fragment symbolisiert ISA die 'is a'-Relation (Taxonymie), PPRT die 'has a'­<br />

Relation (Meronymie; PPRT steht für 'proper part'):<br />

TOP


153<br />

(d) bän ghe'<br />

Tisch Stuhl<br />

'Möbel' (wörtl. 'Tisch-Stuhl', Kollektivnomen)<br />

Diese Beobachtungen zeigen, daß Taxonymie und Meronymie generell zwei für die<br />

Kategorisierung grundlegende Relationen darstellen. Dies gilt auch für das Vietn<strong>am</strong>esische.<br />

Der fund<strong>am</strong>entale Unterschied zu Sprachen wie Deutsch und Englisch besteht<br />

jedoch darin, daß diese Relationen für syntaktische Zwecke genutzt werden: Nomina,<br />

die in taxonomischer oder meronomischer Relation zu einem ein strukturiertes Konzept<br />

bezeichnenden Nomen stehen, gliedern dieses Nomen und machen es d<strong>am</strong>it zählbar. Im<br />

nächsten Abschnitt wird gezeigt, daß dieser Aspekt der Gliederung auch in einem anderen<br />

Zus<strong>am</strong>menhang eine wichtige Rolle spielt.<br />

Die bisherigen Beobachtungen gelten nur für IndN, d. h. N[+strukturiert], nicht aber für<br />

MassenN, d. h. N[-strukturiert], und ebenfalls nicht für Maßwörter. Das ist Thema <strong>des</strong><br />

nächsten Abschnitts.<br />

6. Unterspezifizierung<br />

Die in der generativen Phonologie entwickelte Theorie der Unterspezifizierung hat zum<br />

Ziel, "language particular alternations which allow the underspecified matrices and the<br />

redundancy rules to simplify the gr<strong>am</strong>mar" herauszuarbeiten (Archangeli 1984: 12, Hervorhebung<br />

von mir, E.L.). Die in Archangeli (1988:183) gestellte Frage nach Unterspezifizierung<br />

in der Phonologie, nämlich "Which values for which features may be underspecified?"<br />

kann natürlich auch für andere Bereiche der Gr<strong>am</strong>matik gestellt werden,<br />

insbesondere für den <strong>des</strong> Lexikons. Diesbezügliche Untersuchungen sind in der Literatur<br />

allerdings nur spärlich vertreten." In diesem Kapitel möchte ich zeigen, daß das KonsoAn<br />

Arbeiten, die sich speziell mit Unterspezifizierung in lexikalischen Einträgen befassen,<br />

sind u a. zu nennen: Farkas (1990), Fassi Fehri (1992), Lumsden (1992), und Schiller (1989)


154<br />

zept der Unterspezifizierung in sinnvoller Weise auf die Nomina <strong>des</strong> Vietn<strong>am</strong>esischen<br />

angewendet werden kann."<br />

Im Rahmen der Autolexikalischen Syntax argumentiert Schiller (1989) anhand einer<br />

anderen isolierenden Sprache, dem Khmer, daß das Lexikon einer solchen Sprache<br />

systematisch unterspezifiziert ist; das Lexem bann, glossiert mit 'to get, obtain', "is used<br />

as a main verb, an auxiliary verb, a noun, and in other positions as weil" (Schiller<br />

1989:278). Er schlägt daher vor, daß "the lexicon of a language which has this phenomenon<br />

is un- or at least under-specified with regard to syntactic category membership"<br />

(ibid.), und schlägt zwei Strategien vor: "1. List every syntactic usage in the lexicon"<br />

und "2. Allow for some sort of underspecification which allows the lexical item to<br />

remain syntactically promiscuous" (Schiller 1989:282). Ein Lexikoneintrag für das o. a.<br />

bann ist ihm zufolge dadurch charakterisiert, daß "the phonological form Ibaanl has a<br />

general meaning something like 'get' [...] which can appear in any syntactic environment<br />

which forms a verb phrase", und daß, "when found in a given syntactic slot the semantic<br />

function is that which is appropriate to that position" (Schiller 1989:283).<br />

Diese Feststellungen beziehen sich also auf distributionelle Kriterien. In Kap. 4.5. habe<br />

ich schon darauf hingewiesen, daß die letztgenannte Beobachtung von Schiller auch für<br />

das Vietn<strong>am</strong>esische gilt: Ein Nomen wie vietn. beo 'Tüte' kann in Abhängigkeit von<br />

seiner Position und Distribution sowohl ein quantifizieren<strong>des</strong> als auch ein quantifiziertes<br />

Nomen sein. Was von Schiller nicht berücksichtigt wird, für das Lexikon aber entscheidend<br />

ist, sind nicht derartige distributionelle Beobachtungen, sondern vor allem die<br />

Frage: Welche Nomina sind überhaupt in der Lage, in einem derartigen 'given syntactic<br />

slot' - für den hier vorliegenden Untersuchungsbereich der 'classifier slot' - stehen zu<br />

können? Anders formuliert, welche Nomina können aufgrund ihres potentiellen Vorkommens<br />

in dieser Position eine Einheit bezeichnen und d<strong>am</strong>it als 'unit counter' im Sinne<br />

von Greenberg (1974) fungieren?<br />

"Hierzu auch Löbel (l995d).


155<br />

D<strong>am</strong>it ergeben sich für die Charakterisierung vietn<strong>am</strong>esischer Nomina" im Lexikon drei<br />

Fragen, denen im folgenden nachgegangen werden soll:<br />

(1) Worin besteht die wichtigste Unterscheidung bei der Einteilung in nominale<br />

Sub klassen?<br />

(2) Welche distinktiven Merkmale müssen für Lexikoneinträge angenommen werden?<br />

(3) Welche dieser Merkmale sind voll spezifiziert, d. h. haben entweder einen positiven<br />

oder negativen Wert, und welche sind unterspezifiziert?<br />

In den Abschnitten 5.3. und 5.4. habe ich schon auf die Unterscheidung zwischen Nomina,<br />

die strukturierte Konzepte bezeichnen (IndN), und solchen, für die dies nicht gilt,<br />

hingewiesen und entsprechend das Merkmal [± strukturiert] angenommen, Neben der<br />

Strukturiertheit gibt es noch ein zweites Kriterium, das unmittelbar relevant ist, nämlich<br />

das der Gliedenmg und dementsprechend das Merkmal [± gegliedert], was ich im folgenden<br />

Abschnitt begründen möchte.<br />

6. 1. Klassifikatoren und Numerus<br />

Im allgemeinen werden KIf-Konstruktionen wie folgt charakterisiert: "Als konstitutiv für<br />

den typologischen Ansatz der Klassifikatorsprache gilt die besondere Form der Zählkonstruktion,<br />

bei der Nomen und Zahlwort unter Verwendung eines 'unit counter' zu<br />

einer quantifizierenden Konstruktion vereinigt werden" Kölver (1982: 161). In diesem<br />

Sinne beschreibt auch Serzisko (1982:147) diese Konstruktionen, die für Sprachen typisch<br />

ist, in denen "Nomina nicht direkt mit Numeralia verbunden werden können", sondem"zusätzlich<br />

eine obligatorische Konstituente zwischen Numeral und Nomen tritt.<br />

Mittels dieser Konstituente, <strong>des</strong> Klassifikators, werden Nomina in disjunkte Klassen<br />

eingeteilt und zugleich individuiert." In diesen und ähnlichen Charakterisienmgen ist<br />

"Mit dieser Einschränkung möchte ich das Problem der Konversion, auch wenn es eine<br />

wichtige Rolle im Vietn<strong>am</strong>esischen spielt (s. o. Kap. 2.1.), explizit auskl<strong>am</strong>mern.


156<br />

zumin<strong>des</strong>t implizit enthalten, daß in Sprachen wie Deutsch Nomina direkt mit Zahlen<br />

verbunden werden. Das bedeutet wiederum, daß Nomina in Klf-Sprachen in dieser Hinsicht<br />

'defektiv' sind. Man erhält also zunächst folgenden Kontrast:<br />

(6.1) (a) Vietn<strong>am</strong>esisch: möt con meo<br />

(b) Deutsch: em-e 0 Katze<br />

(6.2) (a) Vietn<strong>am</strong>esisch: hai con meo<br />

(b) Deutsch: zwei 0 Katze-n<br />

Betrachtet man jedoch die in Zählkontexten" vorliegenden Verhältnisse im Deutschen<br />

genauer, muß die Kombination von Zahlen mit Nomina sehr wohl formal markiert werden,<br />

und zwar entweder (a) im Singular <strong>am</strong> indefiniten Artikel bzw. Zahlwort" ein(e)<br />

durch das Genus, oder aber (b) im Plural <strong>am</strong> Nomen mittels der Pluralendung." Dies<br />

bedeutet im Vergleich zum Vietn<strong>am</strong>esischen, daß in beiden Sprachen eine formale Markierung<br />

vorliegt, allerdings an unterschiedlicher Position und durch unterschiedliche<br />

Mittel (durch Nomina im Vietn<strong>am</strong>esischen, durch den indefiniten Artikel bzw. Quantor<br />

oder die Pluralendung im Deutschen). Auch die involvierten Oppositionen sind<br />

unterschiedlich: 'eine Einheit vs. numerusindifferent (transnumeral)' (Vietn<strong>am</strong>esisch) und<br />

'eine Einheit vs. mehr als eine Einheit' (Deutsch).<br />

Nach Vater (1979[=1963]) ist Gliederung das gemeins<strong>am</strong>e Merkmal von ein(e) und<br />

Plural. Der Singular ist dem Plural gegenüber in dieser Hinsicht merkmallos:<br />

"Aus Gründen der Vergleichbarkeit beschränke ich mich explizit auf Zählkontexte und<br />

lasse andere Probleme wie SingularIPlural beim definiten Artikel usw. außer acht. Zur Determination<br />

s. Kap. 8.<br />

"Zum 'unbestimmten Artikel' als Quantor s. Vater (1982) und (1984).<br />

"Konstruktionen wie zwei Salat sind nur scheinbare Gegenbeispiele für fehlende Markierung,<br />

denn diese sind elliptisch, wie folgender Gegensatz zeigt:<br />

(a) ein Salat (i) 'ein Salat'<br />

(ii) 'eine Portion Salat'<br />

(b) zwei 0 Salat (i) 'zwei (Portionen) Salat'<br />

# 'zwei Salate'


157<br />

"Der Plural setzt Gliederung - gleich welcher Art - voraus. Das trifft für den<br />

Singular nicht zu. Im Singular finden wir Gegliedertes: Haus, Bewegung und<br />

Ungegliedertes: Gold, Geduld. 'Gliederung' ist also ein Merkmal <strong>des</strong> Plurals, während<br />

der Singular nicht sagt, ob dieses Merkmal zutrifft oder nicht. Es handelt sich<br />

also um eine Opposition, bei der dem merkmalhaften Plural [...] ein merkmalloser<br />

Singular [...] gegenübersteht" (Vater 1979:51).<br />

Allerdings ist nicht je<strong>des</strong> Nomen im Deutschen pluralisierbar, denn Pluralisierbarkeit<br />

setzt voraus, daß die entsprechenden Nomina etwas bezeichnen, das gliederungsfähig ist.<br />

Für das Deutsche läßt sich"eine gewisse sprachimmanente Gliederung der Substantive"<br />

(op.cit.:49) dadurch erzielen, daß man ihr Verhalten zum Numerus berücksichtigt. Dabei<br />

kann unterschieden werden zwischen (a) Substantiven, die beide Numeri haben (Haus ­<br />

Häuser), (b) Substantiven, die nur im Singular vorkommen (Gold, Ruhe, Geduld), und<br />

(c) solchen, die nur im Plural vorkommen (Leute, Ferien) (ibid.). In bezug auf die<br />

Ges<strong>am</strong>tbedeutung <strong>des</strong> Plurals heißt es dazu:<br />

"Nehmen wir einige Substantive der Gruppe b): Gold, Ruhe, [...] und fragen uns:<br />

Warum bilden diese Substantive keinen Plural? Die Antwort läßt sich leicht finden:<br />

Sie bezeichnen - im Gegensatz zu Substantiven wie Haus - eine Menge, die<br />

nicht in Einheiten untergliedert ist. Die Substantive der Gruppen a) und c) dagegen<br />

bezeichnen stets in Einheiten gegliederte Mengen. Die Gliederung, die Teilbarkeit<br />

in gleichartige Einheiten scheint also eine unbedingte Voraussetzung für<br />

den Plural zu sein" (Vater 1979:50, Hervorhebung von mir, E.L.).<br />

Gliederung (bzw. Gliederungifähigkeit) ist nun nicht nur ein Merkmal <strong>des</strong> Nomens, sondern<br />

auch <strong>des</strong> indefiniten Artikels:<br />

"Ein zeigt stets Gliederung an [...]. Plural und ein haben also ein gemeins<strong>am</strong>es<br />

Merkmal: Gliederung. Daß die Art der Gliederung keine Rolle spielt, [...] zeigt<br />

sich auch bei ein: Es kann sich um räumliche Gliederung handeln: ein Haus, um<br />

zeitliche: eine Bewegung, um eine Gliederung nach Arten: ein Wein" (Vater<br />

1979:58).86<br />

86In Kap. 4.1., <strong>Beispiel</strong> (4.3), habe ich schon darauf hingewiesen, daß eine Artenlesart analog<br />

zu dt. zwei Weine im Vietn<strong>am</strong> esischen nicht möglich ist.


158<br />

Von den insges<strong>am</strong>t dreizehn Artikelformen <strong>des</strong> Deutschen, die in Vater (1979) beschrieben<br />

werden, stellen nun der definite, der indefinite und der Null-Artikel die drei "merkmalärmsten<br />

Formen [dar]; sie schließen die Bedeutung aller anderen Formen in sich ein<br />

und bilden sozusagen ein Minimalsystem, dem die drei Merkmale a [~ Gliederung,<br />

E.L.], b [~ Vielheit, mehr als eine Einheit, BoL.] und c [= begrenzende Ges<strong>am</strong>theit,<br />

E.L.] zugrunde liegen" (op.cit.: 113f). Für diese drei Artikelformen erhält man nach<br />

Vater folgende Merkmalsverteilung;"<br />

ein<br />

der<br />

o<br />

a [Gliederung] b [Vielheit] c[Ges<strong>am</strong>theit]<br />

+<br />

o<br />

o<br />

o<br />

o<br />

o<br />

o<br />

+<br />

o<br />

Abb. 6.1: Minimalsystem der deutschen Artikelformen nach Vater (1979:114)<br />

Der Null-Artikel ist die merkmalloseste Form, er sagt über eventuelle Oppositionen<br />

nichts aus. In diesem Minimalsystem ist jedoch auch [Vielheit] merkmallos; von besonderem<br />

Interesse für die Analogie zu Klfen ist dabei die Merkmallosigkeit beim indefiniten<br />

Artikel ein, was wie folgt begründet wird:<br />

"Die Ges<strong>am</strong>tbedeutung von ein besteht darin, daß es stets Gliederung anzeigt [...1.<br />

Über alle anderen Merkmale sagt ein nichts aus, doch ist das Auftreten oder<br />

Nicht-Auftreten einiger Merkmale nur in Abhängigkeit von anderen Merkmalen<br />

möglich. So impliziert c (Ges<strong>am</strong>theit) stets Vielheit: ein Tisch ist ein Möbelstück<br />

bezeichnet Ges<strong>am</strong>theit und Vielheit, ein Tisch steht im Zimmer dagegen Nicht­<br />

Ges<strong>am</strong>theit und Nicht-Vielheit" (Vater 1979:114).<br />

Die für den generischen Satz ein Tisch ist ein Möbelstück angenommene 'Vielheit' läßt<br />

sich ID.<br />

E. aber auch anders interpretieren, nämlich im Sinne von Chesterman<br />

'"Die in Vater (1979) verwendete Notation (Kleinbuchstaben für positive und Großbuchstaben<br />

für negative Merkmalspezifizierung sowie griechische Buchstaben für Merkmallosigkeit)<br />

habe ich durch 11+", "_11 und non ersetzt.


159<br />

(1991:74f.), <strong>des</strong>sen Argumentation für das Englische in diesem Aspekt auch auf das<br />

Deutsche übertragbar ist"<br />

(6.3) (a) An otter lives almost exclusively on fish.<br />

(b) Ein Otter ernährt sich fast ausschließlich von Fisch.<br />

(Chesterman 1991:75)<br />

In diesem Zus<strong>am</strong>menhang wird darauf hingewiesen, daß "[i]n generic contexts this<br />

individual [= 'one member of a set', E.L.] is given the reading 'typical member', and thus<br />

comes to represent the genus" (Chesterman 1991:75). Da 'Vielheit' in Vaters Terminologie<br />

mit 'mehr als eine Einheit' gleichgesetzt wird, entspricht die Umkehrung dazu dem<br />

Merkmal '(eine) Einheit', die eben abhängig vom Kontext auch generisch interpretiert<br />

werden kann.<br />

Diese Änderung impliziert, daß ein im Deutschen mit den folgenden Merkmalen charakterisiert<br />

werden kann: [+ Gliederung, + Einheit, 0 Ges<strong>am</strong>theit]. Diese Merkmalspezifizierung<br />

entspricht nun genau der eines KIf, genauer: der KIf-Position, denn anders als<br />

im Deutschen ist eine solche Merkmalspezifizierung nicht an eine bestimmte Artikelform,<br />

nämlich ein(e), gebunden, sondern muß abhängig vom klassifizierten Nomen<br />

durch unterschiedliche Nomina besetzt sein:<br />

"Diese bei ein mögliche generische Interpretation wird in Vaters o. a. Zitat durch das<br />

Merkmal 'begrenzende Ges<strong>am</strong>theit' geleistet, das für diesen Fall dann positiv zu spezifizieren<br />

wäre. In der nichtgenerischen Verwendung von ein ('ein Tisch steht im Zimmer') liegt 'begrenzende<br />

Ges<strong>am</strong>theit' nicht vor, d. h. dieses Merkmal ist, wie in dem o. a. Zitat angegeben, negativ<br />

zu spezifizieren; demnach ist ein in bezug auf 'begrenzende Ges<strong>am</strong>theit' merkmallos.


160<br />

a [Gliederung] b [Einheit] c [Ges<strong>am</strong>theit]<br />

ein + + 0<br />

der 0 0 +<br />

0 0 0 0<br />

Kif-Position + + 0<br />

Abb. 6.2.: Artikelformen und Klassifikator-Position<br />

Aufgrund der o. a. Merkmale erhält man nun auch folgende Korrelation zwischen Klf­<br />

Position und der gr<strong>am</strong>matischen Kategorie Numerus (nach Vater (1979:50ff.)):<br />

Singular KIf-Position Plural<br />

[Gliedenmg] 0 + +<br />

[Einheit] 0 +<br />

[Vielheit] 0 +<br />

Abb. 6.3.: Klassifikator-Position und Numerus<br />

Die Frage lautet nun, welche Subklassen von Nomina im Vietn<strong>am</strong>esischen diese Klf­<br />

Position einnehmen und d<strong>am</strong>it eine derartige Merkmalspezifizienmg erhalten können,<br />

und welche nicht. Ferner ist noch das Verhältnis zwischen dem Merkmal [± gegliedert]<br />

mit dem schon in Kap. 5. 3. eingeführten Merkmal [± strukturiert] zu untersuchen.<br />

6. 2. Unterspezifizierte und vollspezifizierte Nomina<br />

Zwischen MassenN, d. h. Nj-strukturiert], und Maßwörtern einerseits sowie zwischen<br />

IndN, d. h. N[+strukturiert], gibt es nun einen fund<strong>am</strong>entalen Unterschied, der sich mit<br />

Hilfe <strong>des</strong> Nomens chuc illustrieren läßt. Dieses Nomen erlaubt zwei Lesarten: (a) Es ist<br />

ein Zahlwort und bezeichnet 'ca. zehn' (i. Ggs. zu muäi '(genau) zehn)); (b) es kann aber<br />

auch in der Bedeutung 'eine kleine Gruppe von (ca.) zehn' (vgl. frz. 'une dizaine') ver-


161<br />

wendet werden und verhält sich dann wie ein Kollektivnomen, vergleichbar mit dt.<br />

Dutzend (Thompson 1987: 187), das hier als Glosse für chuc verwendet wird. In (6.4a)<br />

und (6.5a) bildet dieses Nomen zus<strong>am</strong>men mit hai 'zwei' eine komplexe Zahl, und für<br />

das zu klassifizierende Nomen ist dementsprechend ein Kif erforderlich. In (6.4b) und<br />

(6.5b) dagegen fungiert es als ein Kollektivnomen:<br />

(6.4) (a) hai chuc cäi bän<br />

zwei zehn KIf Tisch<br />

(b) hai chuc ban<br />

zwei Dutzend Tisch<br />

(65) (a) hai chuc qua c<strong>am</strong><br />

zwei zehn KIf Orange<br />

(b) hai chuc carn<br />

zwei Dutzend Orange<br />

'ca. zwanzig Tische'<br />

'zwei Dutzend Tische'<br />

'ca. zwanzig Orangen'<br />

'zwei Dutzend Orangen'<br />

In diesen <strong>Beispiel</strong>en sind bsn 'Tisch' und c<strong>am</strong> 'Orange' numerusindifferent. Im Gegensatz<br />

dazu erlauben Nomina, die Zeit-, Währungs- und Spracheinheiten bezeichnen, wie<br />

ngay'ein Tag', oder cau'ein Satz', und die zunächst, wie in Kap. 5.3. gezeigt, eine<br />

Einheit bezeichnen, zwei Lesarten, d. h. sie sind nicht auf die Bedeutung 'eine Einheit'<br />

festgelegt, sondern können auch numerusindifferent verwendet werden:<br />

(6.6) (a) hai chuc ngäy 'ca. zwanzig Tage'<br />

zwei zehn<br />

Tag<br />

(b) hai chuc ngay 'zwei Dutzend Tage'<br />

zwei Dutzend Tag<br />

(6.7) (a) hai chuc cäu 'ca. zwanzig Sätze'<br />

zwei zehn<br />

Satz<br />

(b) hai chuc cäu 'zwei Dutzend Sätze'<br />

zwei Dutzend Satz<br />

Dieser Unterschied gilt auch für die große Gruppe von formbezeichnenden Nomina wie<br />

hon 'Stein, ein steinartiges Objekt', qud 'Frucht, ein run<strong>des</strong> Objekt' sowie für Nomina,<br />

die Korifigurationen bezeichnen wie cluun 'ein Strauß', dang 'ein Haufen, Stapel', die


162<br />

alle in der Liste der Klfen in Anhang A aufgeführt sind und von denen entsprechend behauptet<br />

wird, daß sie eine Einheit bezeichnen. Die folgenden <strong>Beispiel</strong>e zeigen jedoch,<br />

daß auch diese Nomina nurnerusindifferent verwendet werden können, was ebenfalls für<br />

die a1lgem. Kif cei für N[-belebt] sowie con für N[+belebt] gilt:<br />

(6.8) (a) hai Chl.JC cäi (... )<br />

zwei zehn KIf<br />

(b) hai chuc cai (... )<br />

zwei Dutzend Kif<br />

(6.9) (a) hai chuc con ( ..)<br />

zwei zehn Kif<br />

(b) hai chuc con (...)<br />

ZWeI Dutzend Kif<br />

(6.10)(a) hai chuc chüm (... )<br />

ZWeI zehn Strauß<br />

'ca. zwanzig (Dinge)'<br />

'zwei Dutzend (Dinge)'<br />

'ca. zwanzig (Lebewesen o. ä.)'<br />

'zwei Dutzend (Lebewesen o. ä.)"9<br />

'ca. zwanzig Strauß/Sträuße'<br />

(b)<br />

hai<br />

zwei<br />

chuc chüm (...)<br />

Dutzend Strauß<br />

'zwei Dutzend Sträuße'<br />

(6.1l)(a)<br />

hai<br />

zwei<br />

chue cuöc (...) 'zwei Dutzend (Veranstaltungen)'<br />

Dutzend Veranstaltung<br />

(b) hai chuc<br />

zwei zehn<br />

cuöc (...) 'ca. 20 Veranstaltungen'<br />

Veranstaltung<br />

<strong>Beispiel</strong> (6.11) steht exemplarisch dafür, daß nicht nur allgemeine Klfen wie csi und<br />

con, sondern auch die in Kap. 2.3.4., Abb. 2.4. genannten Nominalisierungselemente<br />

numerusindifferent verwendet werden können und d<strong>am</strong>it nicht auf den Numerativ-Slot<br />

festgelegt sind.<br />

''<strong>Eine</strong> Verwechslung mit con i. S. v. 'Kind' ist nicht möglich, da chuc i. S. v. 'Dutzend' nur<br />

mit N[-human] kombinierbar ist:<br />

(i) hai chuc nguöi con 'ca. 20 Kinder'<br />

zwei zehn Mensch [= KIf] Kind<br />

Ansonsten verhalten sich N[+human] in Kombination mit Kollektiva wie Bim 'Gruppe' analog zu<br />

oben.


163<br />

Dieser Kontrast ist jedoch nicht möglich mit abstrakten Maßwörtern wie 1ft 'Liter', csn<br />

'Pfund':<br />

(6.12) (a) hai chuc 1ft (süa) 'ca, zwanzig Liter (Milch)'<br />

zwei zehn Liter (Milch)<br />

(b) *hai chuc 1ft *'zwei Dutzend Liter'<br />

zwei Dutzend Liter<br />

(6.13) (a) hai chuc can carn 'ca. zwanzig Pfund Orangen'<br />

zwei zehn Pfund Orange<br />

(b) *hai chuc can 'zwei Dutzend Pfund'<br />

zwei Dutzend Pfund<br />

Diese <strong>Beispiel</strong>e zeigen, daß abstrakte Maßwörter immer eine Einheit bezeichnen. Sie<br />

können nicht nurnerusindifferent verwendet werden, sind daher 'inhärent gegliedert' und<br />

auf die Verwendung im Nurnerativ-Slot festgelegt Diesen Nomina kann daher das<br />

Merkmal [+gegliedert] zugeordnet werden. Das entscheidende Minimalpaar hierfür, bei<br />

dem eine unterschiedliche Bedeutung involviert ist, sind Behälternomina. In Verbindung<br />

mit chuc in der Lesart 'Dutzend' ist nur deren konkrete Bedeutung, nicht aber die Bezeichnung<br />

eines Maßes möglich:<br />

(6.14) (a) hai chuc cM baD 'ca. zwanzig Tüten'<br />

zwei zehn KIf Tüte<br />

(b) hai chuc bao 'zwei Dutzend Tüten'<br />

zwei Dutzend Tüte<br />

(6.15) (a) hai chuc bao carn 'ca. zwanzig Tüten Orangen'<br />

zwei zehn Tüte Orange<br />

(b) *hai chuc baD *'zwei Dutzend Tüten(voll)' .<br />

zwei Dutzend Tüte<br />

Im Gegensatz zu diesen Maßwörtern können MassenN[-strukturiert] niemals in dem<br />

Numerativ-Slot stehen; selbst elliptische Konstruktionen wie drei (Glas) Bier, zwei<br />

(Fassen) Tee sind nicht akzeptabel:


164<br />

(6.16) (a) ba cöc bia<br />

drei Glas Bier<br />

(b) *ba bia<br />

drei Bier<br />

(6.17) (a) hai tach ehe<br />

zwei Tasse Tee<br />

(b) *hai ehe<br />

zwei Tee<br />

'drei Gläser Bier'<br />

'drei Bier'<br />

'zwei Tassen Tee'<br />

'zwei Tee'<br />

MassenN können daher nur als quantifizierte Nomina fungieren, während Maßwörter im<br />

Gegensatz dazu nur als quantifizierende Nomina vorkommen können, d. h. sie stehen in<br />

komplementärer Verteilung. Alle anderen Subklassen von Nomina sind jedoch nicht auf<br />

eine der beiden Positionen festgelegt, und dies gilt auch für die o. a. Behältnemomina<br />

und sogar für die Klfen im engeren Sinne. Das bedeutet, daß diese Nomina in bezug auf<br />

Gliederung systematisch unterspezifiziert sind. Daher sind die folgenden Merkmalskombinationen<br />

möglich:<br />

L MassenN: [+N, -strukturiert, -gegliedert]<br />

IL Maßwörter: [+N, -strukturiert, +gegliedert]<br />

m IndN: [+N, ±strukturiert, ±gegliedert]<br />

(i)<br />

in der KIf-Position, d. h. als Klassifikatoren und/oder Teil-von-Bezeichnungen:<br />

(ii) als Individualnomina:<br />

[+N, -strukturiert, +gegliedert]<br />

[+N, +strukturiert,<br />

-gegliedert]<br />

Tab. 6.4: Merkmalspezifizierung von Nomina<br />

Für IndN gilt also folgende Implikation: Sind diese in der Kif-Position (was dann der<br />

Fall ist, wenn sie in einer taxonomischen oder meronomischen Relation zum klassifizierten<br />

Nomen stehen), enthalten sie die Merkmale unter (i); ist dies nicht gegeben, dann<br />

die unter (ii). Liegt die Spezifizierung unter (i) vor, enthalten die Nomina das Merkmal


165<br />

[-strukturiert] <strong>des</strong>wegen, weil sie in diesem Fall selbst eine strukturelle Eigenschaft <strong>des</strong><br />

klassifizierten Nomens bezeichnen (Form, Teil, usw.).<br />

Der in Kap. 4.5., Abb. 4.1. vorgenommene Vergleich quantifizierender Konstruktionen<br />

kann daher wie folgt präzisiert werden:<br />

quantifizieren<strong>des</strong><br />

Nomen<br />

Attribut<br />

[+gegliedert] gay nl{li<br />

[-strukturiert] 'voll' 'Hälfte'<br />

quantifiziertes<br />

Nomen<br />

[-gegliedert]<br />

[±strukturiert]<br />

1. Maßkonstruk- " + + N[±strukturiert]<br />

tionen<br />

2. Kollektivkon- " + N[±strukturiert]<br />

struktionen<br />

3. Numerativkon- " N[-strukturiert]<br />

struktionen<br />

4. Klassifikator- " N[+strukturiert]<br />

konstruktionen<br />

Abb. 6.5.: Die Klassifikatorkonstruktion im Vergleich zu anderen Konstruktionen<br />

In (6.16) und (6.17) wurde gezeigt, daß MassenN nur mittels eines quantifizierenden<br />

Nomens (Maßwort oder 'quasi-unit counter' im Sinne von Greenberg (1974)) mit Zahlen<br />

verbunden werden können. Entgegen den zu Anfang dieses Kapitels erwähnten Behauptungen,<br />

daß IndN nur mittels eines 'unit counter' bzw. Klf mit Zahlen verbindbar sind,<br />

liegt interessanterweise der primäre Unterschied zwischen MassenN und IndN genau<br />

darin, daß gerade dies der Fall sein kann: IndN, d. h. N[+strukturiert], sind auch 'direkt<br />

zählbar', und das ist Thema <strong>des</strong> nächsten Kapitels.


166<br />

7. Inhärente und temporäre Klassifikation<br />

Entgegen der allgemein vorherrschenden Annahme, daß Nomina in KIf-Sprachen nicht<br />

direkt mit Zahlwörtern usw. verbunden werden können, sondern dies nur mittels eines<br />

KIf möglich ist, gibt es nicht nur im Vietn<strong>am</strong>esischen zahlreiche <strong>Beispiel</strong>e dafür, daß<br />

gerade dies der Fall sein kann, wie die folgenden Kontraste zwischen (a) und (b) zeigen:<br />

(7.1) (a) go-tairiku<br />

JAP fünf-Kontinent<br />

(b) huta-tu no tairiku<br />

zwei-KIf Attr. Kontinent<br />

'die Fünf Kontinente'<br />

'zwei Kontinente'<br />

(7.2) (a) sishu<br />

CHIN vier-Buch<br />

'die Vier Bücher' (genauer: 'die Vier Klassischen Schriften')<br />

(b) siben shu<br />

vier-KIf Buch<br />

(7.3) (a) bön M<br />

VIET vier Meer<br />

'vier Bücher'<br />

'die Vier Meere'<br />

(Dragunov 1960:203)<br />

(b) möt cäi M a huöng<br />

ein Kif Meer sich befinden Richtung<br />

'ein Meer/Ozean befindet sich im Osten'<br />

döng<br />

Osten<br />

Die <strong>Beispiel</strong>e unter (a), bei denen kein Kif erlaubt ist, sindfeststehende Ausdrücke und<br />

fungieren als Eigenn<strong>am</strong>en (das japanische und das vietn<strong>am</strong>esische <strong>Beispiel</strong> sind Lehnübersetzungen<br />

aus dem Chinesischen)." Diese <strong>Beispiel</strong>e zeigen, daß weder die Zahlen<br />

selbst noch die Nomina in diesen Sprachen in bezug auf ihre unmittelbare Kombinierbarkeit<br />

miteinander in irgendeiner Weise 'defektiv' sind. Nomina der Klasse N[+strukturiert]<br />

können auch ohne KIf mit einem Zahlwort verbunden werden, wobei die An- vs.<br />

Abwesenheit eines Kif mit einem Bedeutungsunterschied korreliert. Nun könnte man<br />

einwenden, daß diese lexikalisierten Ausdrücke nicht unbedingt als ein Argument gegen<br />

'"Hier ist besonders interessant, daß im Deutschen in (7.1a) bis (7.3a) der definite Artikel<br />

bei der Übersetzung obligatorisch ist, da hier Funktionalbegriffe vorliegen, die in Kap. 8 beschrieben<br />

werden.


167<br />

das ansonsten obligatorische Vorkommen eines KIf bei Zahlen anzusehen sind. Die<br />

Abwesenheit eines Kif ist jedoch nicht auf derartige lexikalisierte Ausdrücke beschränkt.<br />

Selbst in einer agglutinierenden Sprache wie Japanisch läßt sich folgende Verteilung<br />

eines KIf feststellen:<br />

(7.4) (a)<br />

JAP<br />

manjyuu-o jyuugo-ko<br />

bean-j<strong>am</strong>-bun-Obj 15-CL<br />

'(I) ate 15 bean-j<strong>am</strong> buns'<br />

tabeta<br />

ate<br />

(b) sono heya-ni-wa isu-ga<br />

the room-Loc-Top chair-Nom<br />

'There are 17 chairs in the room.'<br />

jyuunana-ko/0<br />

17-CL<br />

. aru<br />

exist<br />

(c) sono hon-ni-wa hanashi-ga jyuuni-ü<br />

the book-Loc-Top story-Nom 12-CL<br />

'There are 12 stories in the book'<br />

aru.<br />

exist<br />

(Zubin/Shimojo 1993:499)<br />

Das hier relevante <strong>Beispiel</strong> ist (7.4b), in dem der KIffakultativ ist. In Zubin/Shimojo<br />

(1993:499) wird diese Fakultativität d<strong>am</strong>it begründet, daß "these differences are largely<br />

controlled by lexical selection"; Nomina wie isu 'Stuhl' "lack one or more core semantic<br />

properties of ko" [= allgemeiner Kif, beschränkt auf N[-belebt], die etwas Konkretes<br />

bezeichnen, E.L.]. Sie weisen allerdings darauf hin, daß bei rein japanischen Zahlen, die<br />

immer einen Wert unter zehn haben, ein KIf immer obligatorisch ist und die in (7.4b)<br />

illustrierte Variation nur für sinojapanische Zahlen 'mit einem Wert über zehn gilt. Hier<br />

liegen also zusätzliche komplexe Bedingungen vor (Kombination von min<strong>des</strong>tens zwei<br />

Morphemen), auf die ich nicht näher eingehen möchte, Ferner führen sie eine Liste von<br />

Nomina an, die "occur with either ko or 0 Classifier", z. B. kaban 'bag', booru 'bowl',<br />

sowie andere Nomina, die "occur only with 0-Classifier" wie honoo 'fl<strong>am</strong>e', gakubuchi<br />

'picture fr<strong>am</strong>e', usw. Letztere "completely violate the semantic core of ko, with few<br />

exceptions. This distribution clearly shows the semantic restrictedness of ko, provided,<br />

of course, that we allow a semantic explanationfor the existence of the O-classifier<br />

construction" (Zubin/Shimojo 1993:500, Hervorhebung von mir, E.L.). Leider konnte ich<br />

trotz Befragung einiger Muttersprachler <strong>des</strong> Japanischen nicht herausfinden, mit welchem<br />

Bedeutungsunterschied die An- vs. Abwesenheit <strong>des</strong> KIf in (7.4b) korreliert. Die


168<br />

entsprechende Übersetzung ins Vietn<strong>am</strong>esische zeigt jedoch deutlich, daß zumin<strong>des</strong>t in<br />

dieser Sprache die An- vs. Abwesenheit <strong>des</strong> KIf mit einem Unterschied hinsichtlich <strong>des</strong><br />

syntaktischen Status der klassifizierten NP korreliert: Ohne KIf ist die NP syntaktisch<br />

nicht bezugsfähig (7.5a), während die entsprechende NP mit Klf (<strong>Beispiel</strong> (7.5b» syntaktisch<br />

bezugsfähig ist und durch einen Relativsatz oder ein anderes Attribut modifiziert<br />

werden kann:<br />

(7.5) (a) Trong nhä hat näy cö muöi My<br />

in Kino dies haben zehn sieben<br />

'In diesem Kino gibt es 17 Stühle.'<br />

(genauer: 'Dieses Kino ist siebzehnstühlig.')<br />

ghe,<br />

Stuhl<br />

(b) Trong nhä hat näy cö 17 cäi glie läm<br />

in Kino dies haben 17 Klf Stuhl gemacht<br />

bäng cäy tat.<br />

aus Holz wertvoll<br />

'In diesem Kino gibt es 17 Stühle aus wertvollem Holz.'<br />

(wört!.: 'In diesem Kino gibt es 17 Stühle, die aus wertvollem Holz gemacht<br />

sind.')<br />

Im Vietn<strong>am</strong>esischen ist diese Opposition nicht - wie allem Anschein nach im Japanischen<br />

- auf eine semantische Subklasse von Nomina beschränkt. Die An- vs. Abwesenheit<br />

eines KIf ist bei jedem N[+strukturiert] möglich." Auch hier wieder spielt die Teilvon-Beziehung<br />

eine Rolle, denn sowohl in (7.5) als auch in (7.6) bezeichnen die Klf­<br />

Konstruktionen Teile, die konstitutiv für das dazugehörende Ganze sind:<br />

"Das einzige Gegenbeispiel, das ich hierzu gefunden habe, ist<br />

(a) nghin väng (i) '1000 Goldstücke' (Karow 1972:522) (vietn<strong>am</strong>esisch)<br />

1000 Gold (ii) (fig.) 'unschätzbar, wertvoll'<br />

Hierbei handelt es sich um einen Teil eines idiomatischen Ausdrucks, der eine Entlehnung aus<br />

dem Altchinesischen ist und in dieser Sprache wie folgt lautet:<br />

(b) nhät tieu thiön-kim 'ein Lächeln 1000 Gold(stücke)' (sinovietn<strong>am</strong>esisch)<br />

ein Lächeln 1000-Gold (s. auch Karow 1972:768)<br />

Diese Wendung st<strong>am</strong>mt aus einem (historisch belegten) Bericht über einen König, der demjenigen,<br />

der seine Konkubine zum Lächeln bringt, 1000 Goldstücke verspricht. Dieser Bericht<br />

st<strong>am</strong>mt aus dem Altchinesischen, d. h. aus einer Zeit, als es im Chinesischen noch keine Klfen<br />

gab.


169<br />

(7.6) (a) Trong chuöng näy co rmnri Iäm M.<br />

In Stall dies haben zehn fünf Vieh<br />

'In diesem Stall gibt es 15 Stück Vieh.'<br />

(genauer: 'Dieser Stall ist für 15 Stück Vieh gemacht', d. h. 'in diesem Stall<br />

ist Platz für 15 Stück Vieh')"<br />

(b) Trong chuöng näy cö muöi läm con M,<br />

In Stall dies haben zehn fünf Kif Vieh<br />

näm con bö cai vä nnröi con M con.<br />

fünf KIf Vieh weiblich und zehn KIf Vieh Jung<br />

'In diesem Stall sind 15 Stück Vieh, fünf Kühe und 10 Kälber.'<br />

Zumin<strong>des</strong>t für das Vietn<strong>am</strong>esische zeigen diese <strong>Beispiel</strong>e deutlich, daß die primäre<br />

Funktion eines KIf nicht Quantifizierung sein kann, sondern vielmehr Gliederung sein<br />

muß, die wiederum eine Objekt-NP syntaktisch bezugsfähig macht. Folgender Kontrast<br />

zwischen einem generischen (7.7a) und einem nicht-generischen Satz (7.7b) zeigt nochmals<br />

diese referentielle Funktion <strong>des</strong> KIf (Komposita vom Typ con cho '(der) Hund'<br />

werden in Kap. 8 beschrieben):<br />

(7.7) (a) Con chö cö Mn chän<br />

KIf Hund haben vier Bein<br />

'Ein Hund hat vier Beine'<br />

(genauer: 'Ein Hund ist vierbeinig.')<br />

(b) Con chö töi cö bön cai chän lön.<br />

KIf Hund ich haben vier KIf Bein groß<br />

'Mein Hund hat vier lange Beine'<br />

(7.8) (a) mQt chän bän<br />

ern Bein Tisch<br />

(b) mQt cai ban<br />

eill Kif Tisch<br />

(7.9) (a) möt cai chän bän<br />

ein KIf Bein Tisch<br />

'ein Tischbein/Bein eines Tisches'<br />

'ein Tisch'<br />

'ein Tischbein (vs. andere Beine bzw.<br />

Gegenstände)'<br />

"lnteressantelWeise ist in diesen <strong>Beispiel</strong>en sowohl im Englischen als auch im Deutschen<br />

ein "Klassifikator" obligatorisch (*15 Vieh), im Vietn<strong>am</strong>esischen dagegen nicht!


170<br />

(b) möt cäi chän cüa cai bän<br />

ein Kif Bein Poss. Kif Tisch<br />

'ein (bestimmtes) Bein eines (bestimmten)<br />

Tisches'<br />

Der KIf in (77b) signalisiert, daß hier nicht die (Teil-von-)Relation 'Hund - Beine' primär<br />

ist, sondern die Opposition 'lange Beine vs. andere (kurze o. ä.) Beine'. Gleiches<br />

gilt für (7.8) und (7.9): In (7.8a) und (7.8b) liegt Gliederung <strong>des</strong> Konzepts ban 'Tisch'<br />

vor, in (7.9a) dagegen Gliederung <strong>des</strong> Konzepts cluin bsn 'Tischbein'. In (7.9b) ist sowohl<br />

cluin 'Bein' als auch ban 'Tisch' klassifiziert, und dadurch werden beide Konstituenten<br />

dieser NP zu syntaktisch bezugsfähigen, referentiellen NPs. Das läßt sich wiederum<br />

an der Bezugsmöglichkeit statischer Verben wie Mn 'groß (sein)' zeigen:<br />

(710) (a) nhä ba phöng rnä rat Mn"<br />

Haus drei Zimmer Re!. sehr groß (sein)<br />

'Haus mit drei Zimmern, das/*die sehr groß ist/*sind'<br />

(b) nhä ba cai phöng mä rat Mn<br />

Haus drei KIf Zimmer Re!. sehr groß (sein)<br />

'Haus mit drei Zimmern, *das/die sehr groß *ist/sind'<br />

Analog zu (7.9a) ist nun auch das schon in Kap. 2.3.5., hier wiederholte <strong>Beispiel</strong><br />

(2.3.69b) von Thompson (1987:205) zu interpretieren:<br />

(7.11.) (a) hai hoa hÖng<br />

zwei Blume Rose<br />

[~ KIf]<br />

(b) hai cai hoa hÖng<br />

zwei KIf Blume Rose<br />

'zwei Rosen(blumen)'<br />

'zwei Rosen (vs. andere Blumen bzw.<br />

Gegenstände)'<br />

[= (2.369)]<br />

Es gibt aber noch einen anderen Konstruktionstyp, der nicht von Verben vom Typ co<br />

'haben, es gibt' abhängig ist; es handelt sich hierbei um postnominale Attribute vom Typ<br />

'Zahlwort (Kif) Nomen', die ebenfalls Teile eines entsprechenden Ganzen bezeichnen:<br />

93Auch hier ist zusätzlich die schon in Kap. 2.3.2.1. illustrierte Analyse von phong ldn als<br />

Kompositum i. S. v. 'Großraum, Luxuszimmer(wohnung) (wörtl. 'Großzimmer)' möglich:<br />

(i) nhä ba [phöng 1&11 N<br />

'Haus mit drei Luxuszimmem (wörtl. 'Dreigroßzimrnerhaus')


171<br />

(7.12) (a) may bay bön E1.Qng CCI<br />

Flugzeug vier Motor<br />

'avion a quatre moteurs'<br />

(wörtL: 'viermotoriges Flugzeug')<br />

(Tnnmg 1970:246)<br />

(b) mäy bay vöi bön chiec E1.Qng CCI I6n<br />

Flugzeug mit vier KIf Motor groß<br />

'Flugzeug mit vier großen Motoren'<br />

(7.13) (a) nhä ba phöng<br />

Haus drei Zimmer<br />

'maison a trois pieces'<br />

(wörtl.: 'Dreizimmerhaus')<br />

(Truong 1970:246)<br />

(b) nhä vöi ba cäi phöng<br />

Haus mit drei KIf Zimmer<br />

'Haus mit drei Zimmern (plus Küche, Diele, Bad)'<br />

Die Opposition zwischen klassifiziertem und nichtklassifiziertem Nomen könnte nun als<br />

Test dafür dienen, um herauszufinden, mit welchem KIf ein Nomen "normalerweise"<br />

vorkommt bzw. welcher KIf dadurch, daß er etwas bezeichnet, das dem klassifizierten<br />

Nomen bedeutungsmäßig inhäriert, aus dem Kontext erschließbar ist. In (7.5) ist es der<br />

KIf cäi für N[-belebt], in (7.6) con für N[+belebtlbeweglich]. Diese beiden Klfen sind<br />

diejeoigeo, die <strong>am</strong> weitaus häufigsten vorkommen und die Spitze der Begriffshierarchie<br />

bildeo (s. o. <strong>Beispiel</strong> (542))." Für a'rngcO"Motor' in (7.13) ist chiec'Einzelstück, KIf<br />

für in Serie produzierte Gegenstände' der erschließbare KIf. Im folgenden sind noch<br />

einige <strong>Beispiel</strong>e aufgeführt, wobei der jeweils aus dem Kontext erschließbare KIf in<br />

eckigen Kl<strong>am</strong>mem hinzugefügt ist:<br />

(7.14) (a) gi6 näm [quäl c<strong>am</strong><br />

Korb fünf [Frucht] Orange<br />

(b) hQp ba [cäy] Mt<br />

Schachtel drei [Stab] Pinsel<br />

(c) ban ba [hon] bi<br />

Tisch drei [Kugel] Kugel<br />

'Korb für fünf Orangen'<br />

(genauer: 'Fünforangenkorb')<br />

'Schachtel für drei Pinsel'<br />

(genauer: 'Dreipinselschachtel')<br />

'(Billard)tisch für drei Kugeln'<br />

(genauer: 'DreikugeItisch')<br />

"<strong>Eine</strong> Einteilung von Nomina in N[±belebt] liegt auch in anderen Klassifikationssystemen,<br />

z. B. Nominalklassen, vor.


172<br />

(d) täp ba [ta] bäo<br />

Stapel drei [Blatt] Zeitung<br />

(e) höp sau [quäl trimg<br />

Schachtel sechs KIf Ei<br />

'Stapel aus drei Zeitungen'<br />

(genauer: 'Dreizeitungstapel')<br />

'Schachtel für 6 Eier'<br />

(genauer: 'Sechseierschachtel')<br />

<strong>Beispiel</strong> (7.15) illustriert nochmals den hier relevanten Gegensatz:<br />

(7.15) (a) m<strong>am</strong> ba bat 'Tablett für drei Schüsseln'<br />

Tablett drei Schüssel (genauer: 'Dreischüsseltablett')<br />

(b) m<strong>am</strong> vdi ba cai bat 'Tablett mit drei Schüsseln'<br />

Tablett mit drei KIf Schüssel<br />

<strong>Eine</strong> nach derartigen <strong>Beispiel</strong>en vorgenommene Durchsicht der in Anhang A genannten<br />

Klfen bzw. Numerative von Emeneau (1951) und Karow (1972) ergab nun, daß von den<br />

144 dort aufgeführten Nomina genau zehn den o. a. Kontrast erlauben, d. h. eine Bedeutungskomponente<br />

bezeichnen, die dem (nicht)klassifizierten Nomen inhäriert. D<strong>am</strong>it<br />

könnte man nun diese zehn Nomina eigentlich als den Kembereich der Klfen im Vietn<strong>am</strong>esischen<br />

bezeichnen (Näheres jedoch weiter unten):"<br />

(1)<br />

(2)<br />

(3)<br />

(4)<br />

(5)<br />

(6)<br />

(7)<br />

(8)<br />

(9)<br />

(10)<br />

Tab. 7.1:<br />

cai<br />

ciiy<br />

chiec<br />

con<br />

hon<br />

qua<br />

quyen<br />

s(/i<br />

tiim<br />

tiJ<br />

'ein Gegenstand, Ding'<br />

'ein Baum bzw. Pflanze, stabförmiger Gegenstand'<br />

'ein (in Serie hergestelltes) Einzelstück'<br />

'ein Lebewesen, als beweglich konzipierter Gegenstand'<br />

'ein kugelförmiger oder steinartiger Gegenstand'<br />

'eine Frucht, nmder Gegenstand' (nordv. tral)<br />

'ein Band (für Bücher)' (nordv. Cl/On)<br />

'ein Haar, Faden usw'<br />

'ein flacher Gegenstand'<br />

'ein Blatt (Papier), Schriftstück'<br />

Liste der wichtigsten Klassifikatoren (Kategorisierung von Gegenständen)<br />

nach Anhang A<br />

"Den Glossen nach entspricht diese Liste auch den <strong>am</strong> häufigsten als Klfen verwendeten<br />

Morphemen im Japanischen (p. c. Johanna Mattissen).


173<br />

Dieses Zahlenverhältnis (144 zu 10 Klfen) entspricht nun ziemlich genau der von Berlin<br />

(1968) vorgenommenen Unterscheidung zwischen 'inherent state classifiers' und 'temporary<br />

state classifiers' im Tzeltal (hierzu Serzisko (1982: 150ff.». In dieser Sprache - in<br />

der Serzisko (1982:150) zufolge für Klfen "grosso modo die gleichen Bedingungen wie<br />

in den 'klassischen' Klf.-Sprachen Südostasiens'' gelten - lassen sich 148 Klfen unterscheiden,<br />

von denen 9 sich von den übrigen 139 Klfen dadurch auszeichnen, daß "mit<br />

ihnen alle Nomina eindeutig klassifiziert werden können. Sie konstituieren ein System<br />

disjunkter Nominalklassen, wobei jedem Nomen nur ein KIf zukommt. Die durch diese<br />

inhärenten Klfen gebildeten Nominalklassen stellen sozusagen den Ausgangspunkt dar<br />

für eine inhärente Charakterisierung aller Nomina, und es bleibt dann zu untersuchen,<br />

'what are the potential non-inherent states that such a noun may assume"'(Serzisko<br />

1982:152, Hervorhebung vom Autor, E.L.).<br />

Um dieser Fragestellung im Vietn<strong>am</strong>esischen nachgehen zu können, habe ich die in<br />

Karow (1972) mit zwei oder mehr Numerativen angegebenen Nomina dahingehend<br />

untersucht, welcher der angegebenen Klfen unter den o. a. Bedingungen als 'inhärent',<br />

lllld welcher als 'temporär' anzusehen ist. Die Ergebnisse, die in Anhang C aufgeführt<br />

sind, möchte ich im folgenden kurz erläutern.<br />

Zunächst einmal ist festzuhalten, daß bei N[+humanl die o. a. Nichtklassifizierung als<br />

Indiz für Inhärenz nicht möglich ist, weil prinzipiell (und das nicht nur in dem hier vorliegenden<br />

Kontext mit Zahlen) immer der soziale Status angegeben werden muß, der in<br />

allen Gesellschaften, in denen KIf-Sprachen gesprochen werden, eine wichtige Rolle<br />

spielt. Das in der KIf-Position stehende Nomen macht also immer eine 'zusätzliche'<br />

Aussage über das klassifizierte Nomen und entspricht daher den temporären Klfen i. S.<br />

von Serzisko (1982)'6 Hier nur zwei <strong>Beispiel</strong>e, die gleichzeitig zeigen, daß die einzel-<br />

'6Daß diese Behauptung auch für nglJl'Ii 'Mensch' gilt, wird weiter unten gezeigt.


174<br />

nen Nomina auch in diesem Bereich nicht auf die Kif-Position festgelegt sind «7.16b)<br />

vs. (7.17a) oder (7.16c) vs. (7.16d)):97<br />

(7.16) (a) con ngl1di<br />

KIf Mensch<br />

(b) hai nguöi ban<br />

zwei Mensch Freund<br />

'der Mensch' (s. o. (5.44))<br />

'zwei Freunde' (neutral)<br />

(c) hai öng b;;ln 'zwei Freunde' (älter)<br />

zwei alter Mann Freund<br />

(d) hai ngiröi öng 'zwei alte Männer'<br />

zwei Mensch alter Mann<br />

(e) hai dira b;;ln 'zwei Freunde' (jung, gleichaltrig)<br />

zwei Kind Freund<br />

(f) hai thäng b;;ln 'zwei Freunde, Kumpel' (gleichaltrig)<br />

zwei Kerl Freund<br />

(7.17) (a) hai b;;ln döng-nghiöp 'zwei Kollegen' (freundschaftlich)<br />

zwei Freund Kollege<br />

(b) hai nguöi aong-nghi(Jp 'zwei Kollegen' (neutral)<br />

zwei Mensch Kollege<br />

(c) hai vi döng-nghiöp 'zwei Kollegen' (sehr respektvoll)<br />

zwei Person Kollege<br />

(d) hai öng döng-nghiöp 'zwei Kollegen' (älter, respektvoll)<br />

zwei alter Mann Kollege<br />

Bei den Nomina in Anhang C, bei denen keines der angegebenen Numerative in Kombination<br />

mit Zahlen in dem o. a. Sinne 'inhärent' ist, handelt es sich um N[-strukturiert]<br />

(z. B. Nr. 5 bäo 'Taifun, Orkan' oder Nr. 23 glaY'Papier'). Wenn jedoch bei verschiede-<br />

97Die in Kap. 6. 2., Abb. 6. 4. angegebene Merkmalspezifizierung [-strukturiert] für Nomina,<br />

die in der Kif-Position stehen und selbst eine strukturelle Eigenschaft <strong>des</strong> durch das klassifizierte<br />

Nomen bezeichneten Begriffs bezeichnen, gilt auch für diese <strong>Beispiel</strong>e mit N[+human]:<br />

Das Merkmal [-strukturiert] kann dahingehend interpretiert werden, daß z. B. ben 'Freund' als<br />

KIf (<strong>Beispiel</strong> (7.17a)) eine 'gesellschtiftsstrukturelle' Eigenschaft ausdrückt.


175<br />

nen Lesarten aufgrund <strong>des</strong> Kontextes eindeutig klar ist, welche Lesart gemeint ist (z. B.<br />

Nr. 51 tnmg '), Ei, 2. (Fisch-, Frosch-)Laich'), können beide Klfen 'inhärent' sein.<br />

Allerdings gilt, daß nicht nur aus den o. a. offensichtlichen Gründen, sondern generell<br />

der Kontext und nicht die Bedeutung der (nichtklassifizierten) Nomina als solche ausschlaggebend<br />

dafür ist, was als 'inhärent' angesehen werden kann. Das läßt sich an Anh<br />

'Bild, Fotografie' (Anhang C, Nr. I) mit den bei den Klf titm und btic illustrieren:<br />

(7.18) (a) album hai rnuoi änh 'Album mit 20 Fotos'<br />

Album zwei zehn Foto (genauer: 'Zwanzigfotoalbum')<br />

(b) album hai muoi tarn anh cüa töi 'Album mit 20 Fotos von mir'<br />

Album zwanzig Klf Foto von ich<br />

(7.19) (a) phöng hai mmri [buc] änh<br />

Raum zwei zehn Kif Bild<br />

'Raum mit zwanzig Bildern'<br />

Dagegen:<br />

(b) phöng rüa 50 [tarn] änh<br />

Raum entwickeln 50 Kif Foto<br />

'Entwicklungslabor für 50 Fotos'<br />

Ein anderes <strong>Beispiel</strong> ist ve 'Karte, Billet' (Anhang C, Nr. 53) mit cäi und tfim:<br />

(7.20) (a) säp muöi ve<br />

C<strong>am</strong>et zehn Fahrschein<br />

'Carnet mit zehn Tickets'<br />

(b) säp muöi cäi ve<br />

C<strong>am</strong>et zehn Klf F.<br />

di<br />

gehen<br />

metro<br />

Metro<br />

'C<strong>am</strong>et mit 10 Tickets für die Metro'<br />

Dagegen:<br />

(c) thiep möi hai ve<br />

Einladung zwei Karte<br />

'Einladung mit zwei Karten'<br />

(d) thiöp mci hai tarn ve cho [nginri Ion];<br />

Einladung zwei Kif Karte für Mensch groß<br />

'Einladung mit zwei Karten für Erwachsene'


176<br />

Abschließend noch ein <strong>Beispiel</strong>, woraus ersichtlich ist, daß je nach Kontext beide angegebenen<br />

Klfen möglich sind, und das bei identischem Bezugsnomen, nämlich chue<br />

'Tempel' mit den Klfen ng6i und cai (Anhang C, NT. 8)(vgl. auch (7.19):<br />

(7.21) (a) cung 8.i~n hai chüa 'Palast mit zwei Tempeln'<br />

Palast zwei Tempel (genauer: 'Zweitempelpalast')<br />

(b) cung 8.i~n hai cai chüa 'Palast mit zwei (einfachen) Tempeln'<br />

Palast zwei KIf Tempel<br />

(c) cung 8.i~n hai ngöi chüa 'Palast mit zwei (prachtvollen, großen)<br />

Palast zwei KIf Tempel Tempeln'<br />

Je nach Kontext, d. h. ob cung' di~n 'Palast' auf einen großen, prachtvollen oder eher<br />

kleinen Palast referiert, impliziert dies, daß auch die dazugehörigen Tempel entsprechend<br />

sind. Das Ganze läuft, salopp gesprochen, nach der Devise 'prachtvoller Palast -><br />

prachtvoller Tempel, einfacher Palast -> einfacher Tempel', und danach richtet sich der<br />

'inhärente' bzw. potentiell zu ergänzende KIf.<br />

Nun könnte man einwenden, daß bei den genannten syntaktischen Kontexten, die ich als<br />

Evidenz für potentiell inhärente Klfen herangezogen habe (postnominale Attribute bzw.<br />

Verben vom Typ co'haben, es gibt'), jeweils die Bezeichnung von Teilen eines Ganzen<br />

und daher spezielle Bedingungen vorliegen. Das theoretische Konzept der inhärenten vs.<br />

temporären Klfen bezieht sich jedoch auf Bezeichnungen von Gegenständen (Ganzen).<br />

Dementsprechend könnte man argumentieren, daß lediglich die eingangs erwähnten <strong>Beispiel</strong>e<br />

(7.1) bis (7.3) zu berücksichtigen wären. Die in Serzisko (1982: 150f.) vorgenommene,<br />

auf Berlin (1968) basierende Argumentation für die Unterscheidung zwischen<br />

inhärenten und temporären Klfen lautet wie folgt:<br />

"Die Basis für diese Unterscheidung ist, 'that some objects in the world are inherently<br />

characterized by one particular classifier', wobei der kritische Test zur Auffindung<br />

dieser Klfen die Antwort auf die Frage ist:<br />

'Which words do we use when we want to count __ (something) as it appears in<br />

its natural environment on earth?" (Serzisko 1982:151).


Aufgrund dieser Fragestellung erhält Berlin, wie schon oben erwähnt, für das Tzeltal<br />

177<br />

folgende Liste von 9 Klfen, die er 'natural state classifiers' nennt:<br />

(7.22) (a) Ic'isl<br />

(b) Icohtl<br />

(c) !kohtl<br />

(d) lIehcl<br />

(e) lIihk-hil!<br />

(f) Ip'ehl<br />

(g) Ipehcl<br />

(h) Itehkl<br />

(i) Itul!<br />

'Iong, slender, nonflexible pointed object'<br />

'upright, legged, inanimate object'<br />

'animals'<br />

'thin, broad, generally nonflexible obj ect'<br />

'sIender, flexible object'<br />

'certain round-like solid/non-solid objects'<br />

'flat, broad, nonflexible object'<br />

'living plant'<br />

'humans' (Berlin 1968: 177)<br />

Die Analogie zu der in Tab. 7.1. genannten Klfen ist offensichtlich. Mit diesen 9 Klfen<br />

können Berlin zufolge alle Nomina eindeutig klassifiziert werden, und d<strong>am</strong>it unterscheiden<br />

sie sich von den übrigen 139 temporären Klfen. Die Frage lautet nun, wie es zu<br />

einer derartigen Diskrepanz zwischen 9 bzw. 139 Klfen korurnen kann, und worauf diese<br />

Einteilung beruht. Die 9 inhärenten Klfen sind wie folgt charakterisiert:<br />

"Das semantische Charakteristikum dieser Klfen, das auch bereits in dem Terminus<br />

'inhärent' impliziert ist, besteht darin, daß sie keinerlei Aussage über das klassifizierte<br />

Nomen machen, die nicht bereits in dem Nomen selbst enthalten ist. Sie<br />

bezeichnen inhärente semantische Merkmale <strong>des</strong> jeweiligen Nomens und verhalten<br />

sich in dieser Hinsicht genauso wie die Klf'en in anderen KIf.-Sprachen. Ein <strong>Beispiel</strong><br />

hierfür ist das Thai, wo 'der Klassifikator lexikalisch zur Bedeutung der NP<br />

charakteristischerweise nichts [beiträgt]...'. Eben diese festgelegte Relation zwischen<br />

N und KIf macht den Sinn <strong>des</strong> Terminus Kif aus" (Serzisko 1982: 152).<br />

Die Verhältnisse im Tzeltal sind mir nicht bekannt, aber für die von Berlin vorgeschlagene<br />

Testfrage, wie etwas in seiner natürlichen Umgebung gezählt wird, und die darin<br />

implizierte potentielle Inhärenz ergibt sich im Vietn<strong>am</strong>esischen folgen<strong>des</strong> Problem:<br />

(7.23) (a) möt cäy c<strong>am</strong><br />

ein Baum Orange<br />

[= KIf]<br />

'ein Orangenbaum'


178<br />

(b) mQt qua c<strong>am</strong> 'eine Orange'<br />

ern Frucht Orange<br />

[= Klf]<br />

(c) mQt cänh tay 'ein Arm'<br />

ern Flügel ArmIHand<br />

[~ KIf]<br />

(d) mQt ban tay 'eine Hand'<br />

ern Fläche ArmIHand<br />

[= KIf]<br />

Welcher der beiden Klfen in (7.23) ist nun der inhärente(re) für c<strong>am</strong> bzw. tay, und wie<br />

steht es mit der o. a. festgelegten Relation zwischen KIf und Nomen bzw. der Tatsache,<br />

daß 'der KIf lexikalisch zur Bedeutung der NP charakteristischerweise nichts beiträgt'?<br />

Beide Klfen können unter entsprechenden Bedingungen, auch in ihrer 'natürlichen Umgebung',<br />

potentiell inhärent sein (vgl. <strong>Beispiel</strong> (7.13a), wo aus semantischen Gründen<br />

die Lesart 'Baum' ausgeschlossen ist).<br />

Folgt man Berlins Argumentation, ergibt sich für (7.23a) cay'Klasse der BäumefPflanzen',<br />

für (7.23b) dagegen qua 'Klasse der Früchte'. Bei genauer Betrachtung erhält man<br />

jedoch mit einer derartigen Argumentation eine Kategorisierung von Gegenständen (in<br />

Früchte, Bäume, Tiere, lange Objekte usw., d. h. außersprachlicher Bezug) und deren<br />

Bezeichnungen - so auch die Intention der Dimension der APPREHENSION als<br />

sprachliche Erfassung von Gegenständen (Seiler 1986), und in diesem theoretischen<br />

Rahmen ist der Artikel von Serzisko (1982) verfaßt Ob eine derartige Kategorisierung<br />

von Gegenständen aber übertragbar auf die Klassifikation von N om ina ist bzw. mit einer<br />

solchen gleichgesetzt werden kann, erscheint mir mehr als fraglich. Man erhält mit<br />

Listen wie die in Tab. 7.1. oder in (7.22) genannten m E. eher ein 'System disjunkter<br />

Gegenstandsklassenbezeichnungen' als ein 'System disjunkter Nominalklassen' (vgL das<br />

o. a. Zitat)." Der Grund dafür ist darin zu suchen, daß bei einem derartigen, generell in<br />

der KIf-Literatur verfolgten Ansatz die Klfen und nicht die zu klassifizierenden Nomina<br />

als Ausgangspunkt genommen werden.<br />

"Daher auch die offensichtliche Parallelität'inhärenter Klfen' zwischen Tzeltal, Japanisch<br />

und Vietn<strong>am</strong>esisch


179<br />

Die Probleme, die man mit Fragestellungen wie der o. a. von Berlin erhält, sollen nochmals<br />

an folgendem <strong>Beispiel</strong> mit rau 'Bart(haare)' (Anhang C, Nr. 44) und den beiden<br />

Klfen bi) 'Set, Ensemble' sowie S(fi 'Faden, Haar' illustriert werden:<br />

(7.24) (a) möt bö rau<br />

ein Set Barthaar<br />

(b) BQ rau cüa nö rät<br />

Set Barthaar Poss. er sehr<br />

'Sein Bart ist sehr schön.'<br />

'ein Bart'<br />

dep.<br />

schön (sein)<br />

(7.25) (a) ca hai (soi) rau 'Wels'<br />

Fisch zwei (Haar) Barthaar (genauer: 'Zwcibarthaarfisch')<br />

(b) meo hai (soi) rau 'Katze mit zwei Schnurrhaaren'<br />

Katze zwei (Haar) Barthaar (genauer: 'Zweischnurrhaarkatze',<br />

eine bestimmte Katzenart)<br />

(c) mäy may hai (cai) sei<br />

Maschine nähen zwer KIf Faden<br />

'Nähmaschine für zwei Fäden'<br />

('Zweifadermähmaschine')<br />

Fragt man nun mit Berlin, wie Bärte "normalerweise" gezählt werden, erhält man natürlich<br />

die Klasse bi) 'Set, Ensemble'; fragt man dagegen, wie Schnurrhaare o. ä. gezählt<br />

werden, erhält man dafür die Klasse s(fi 'Haar, Faden', wobei letzteres Nomen wiederum<br />

selbst klassifiziert werden kann (<strong>Beispiel</strong> (7.25c)). Beide Klassen, genauer: Kategorien<br />

von Gegenständen sind natürlich disjunkt, woraus aber nicht folgt, daß d<strong>am</strong>it auch das<br />

Nomen rau 'Bart(haare)' eindeutig einer dieser disjunkten Klassen zugeordnet werden<br />

kann.<br />

Aus den o. a. Beobachtungen schließe ich, daß das Konzept der Inhärenz im Vietn<strong>am</strong>esischen<br />

gegeben ist. Welche Bedeutungskomponente jedoch jeweils die relevante ist, ist<br />

abhängig vom Kontext und nur durch diesen erschließbar bzw. wiederauffindbar.<br />

Das schließt aber nicht aus, daß Klfen, genauer: Nomina in der KIf-Position, im Vietn<strong>am</strong>esischen<br />

nicht doch in der Lage wären, zusätzliche Information zu liefern und d<strong>am</strong>it<br />

'temporär' zu sein. Diese temporären Klfen werden in Serzisko (1982:152) wie folgt


180<br />

definiert: "1. Sie [sind] relativ frei mit allen Nomina kombinierbar, d. h. sie bilden keine<br />

disjunkten Klassen. 2. [Sie bezeichnen] jeweils eine spezifische Eigenschaft, die nicht<br />

bereits durch das Nomen ausgedrückt ist. D. h. sie machen stets eine Aussage über das<br />

Nomen, sind also prädikativ". BerlinlRomney (1964:79) stellen in bezug auf temporäre<br />

Klfen fest, daß<br />

"Semantically these fonns function very m uch as adjectivals in English, specifying<br />

certain qualitative features of the referents of nouns. If it were not for the long<br />

precedent in linguistic circles to refer to such forms as 'numeral classifiers', a<br />

more functionally and <strong>des</strong>criptively appropriate term would be 'nominal qualifier'"<br />

(Hervorhebung von mir, E.L.).<br />

Das läßt sich an folgendem Gegensatz zeigen: Das Nomen qua 'Frucht' bezeichnet die<br />

Klasse der Früchte, ist aber auch mit tuii 'Berg' kombinierbar und ist dann temporär:"<br />

(7.26) (a) hai (cäi)<br />

zwer Klf<br />

nüi<br />

Berg<br />

'zwei Berge'<br />

(b)*hai qua um 'zwei (kleine) Berge, Hügel'<br />

zwei Frucht Berg<br />

[~ KIf]<br />

(c) hai qua um ?1 gän biä ritng<br />

zwei Frucht Berg sem nahe Grenze Wald<br />

[= KIf]<br />

'zwei Hügel in der Nähe <strong>des</strong> Wal<strong>des</strong>'<br />

Dieser spezielle Klf qua ist allerdings, wie die Ungr<strong>am</strong>matikalität von <strong>Beispiel</strong> (7.26b)<br />

zeigt, nur dann möglich, wenn zusätzlich etwas über nüi 'Berg' ausgesagt wird. Das<br />

bedeutet, daß ein 'temporärer', eine zusätzliche Information liefernder Klf auch eine zu-<br />

99Das impliziert allerdings, daß ich für (7.26b) von einer Struktur wie der unter (i) und nicht<br />

unter (ii) angegeben ausgehe:<br />

(i) hai qua nüi 'zwei Hügel' (wörtl. 'zwei Frucht Berg')<br />

zwei Frucht [~Klf] Berg<br />

(ii) hai 0, [qua, nüil; 'zwei Hügel' (wörtl. 'zwei Frucht Bergfrucht')<br />

zwei Frucht Berg<br />

Ich möchte das Problem offenlassen; die u. a. syntaktische Bedingung jedoch, daß ein nominales<br />

Attribut obligatorisch ist, spricht eher für (i).


181<br />

sätzliche Information in bezug auf das klassifizierte Nomen erfordert, d. h. ein Attribut<br />

ist obligatorisch. Ein anderes <strong>Beispiel</strong>:<br />

(7.27) (a) hai cai/*chiec may<br />

zwei KIffKIf Maschine<br />

'zwei Maschinen' (ce! 'allg. KIf',<br />

chiec 'spezieller Klf')<br />

(b)<br />

hai "oai/chieo<br />

zwei KlffKlf<br />

may bay<br />

Maschine fliegen<br />

'zwei Flugzeuge'<br />

(7.28) (a) *hai bö may<br />

zwei KIf Maschine<br />

*'zwei Maschinen' (hr 'spez. KIf für<br />

Maschinen, die aus verschiedenen<br />

Teilen bestehen')<br />

(b) hai bö may lön/nhö 'zwei großeIkleine Maschinen'<br />

zwei KIf Maschine großIklein (sein)<br />

(c) hai bö may Ccm-pü-to<br />

zwei Kif Maschine Computer<br />

'zwei Computer'<br />

Auch hier zeichnet sich die schon im Zus<strong>am</strong>menhang mit (7.21) illustrierte Systematik<br />

ab: Je spezieller der Begriff, <strong>des</strong>to spezieller der KIf - und umgekehrt. Würde man<br />

nänilich in (7.28c) den speziellen KIf br 'Set, Ensemble' durch den allgemeinen KIf cei<br />

ersetzen, erhielte man automatisch das sog. 'extra ca] (s. u. Kap. 8.), das Kontrast signalisiert<br />

und dem Hörer zu verstehen gibt, daß noch etwas über den betreffenden Gegenstand<br />

ausgesagt wird. Im Gegensatz zum allgern. Kif ist dieses 'extra ca] betont:<br />

(7.29) 'I'öi c6 hai cäi may<br />

ich haben zwei extra KIf Maschine<br />

Ccm- pu-tc,<br />

Computer<br />

möt cai Ion, möt cäi nhö.<br />

ein KIf groß (sein) ein Kif klein (sein)<br />

'Ich habe zwei Computer, einen großen 1U1d einen kleinen.'<br />

Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, daß im Vietn<strong>am</strong>esischen durchaus zwischen<br />

(mehr oder weniger) inhärenten und (mehr oder weniger) temporären Klfen unterschieden<br />

werden kann. <strong>Eine</strong> genauere Analyse würde natürlich größere Textauswertungen<br />

erforderlich machen. Mit welcher Vorsicht jedoch die Begriffe 'inhärent' und 'temporär'<br />

in einer Sprache wie Vietn<strong>am</strong>esisch benutzt werden müssen, möchte ich an den beiden


182<br />

zunächst unkontrovers erscheinenden <strong>Beispiel</strong>en illustrieren, mit denen Tnrong (1970)<br />

die Klfen als solche in seiner Gr<strong>am</strong>matik einführt:<br />

(7.30) (a) Ba Giap duoc hai nguöi con<br />

Frau Giap erhalten zwei Mensch Kind<br />

[= KIf]<br />

'Mad<strong>am</strong>e Giap a deux enfants.' (TnlC111g 1970:251)<br />

<strong>Beispiel</strong> (7.30) ist insofern unkontrovers, als der KIf nglfiJi 'Mensch' zunächst ein Merkmal<br />

bezeichnet, das dem klassifizierten Nomen con 'Kind' 'inhäriert'. Bedenkt man jedoch,<br />

daß in einer patriarchalischen Gesellschaft wie der vietn<strong>am</strong>esischen nur Söhne,<br />

nicht aber Töchter wichtig sind (letztere werden nur als finanzielle Belastung empfunden),<br />

wird klar, daß hier primär von Söhnen die Rede ist. So heißt es auch bei Emeneau<br />

(1951:99) in bezug auf den KIf ngztOi 'Mensch': ''[...] when the species of adult human<br />

beings is left unidentified, it usually can be assumed that men, not women, are involved."!"<br />

Dieses <strong>Beispiel</strong> betrifft die Frage der übertragbarkeit und Vergleichsbasis von<br />

Merkmalen wie [± human] bzw.das Problem der Gleichsetzung von ngztiJi 'Mensch' mit<br />

einem solchen Merkmal.<br />

Ein anderes Problem läßt sich mit (7.31) zeigen:<br />

(7.31) (a) Ba Giäp mua rrnröi qua c<strong>am</strong><br />

Frau Giap kaufen zehn Frucht Orange<br />

'Mad<strong>am</strong>e Giap achete dix oranges'<br />

(TrLtC1l1g 1970:251)<br />

(b) Horn qua, töi Eta di ehe vä Eta<br />

Gestern ich Verg. gehen Markt und Verg.<br />

mua nuröi qua c<strong>am</strong> vä rmröt quyön sach.<br />

kaufen zehn Frucht Orange und zehn Band Buch<br />

[= Kif] [~ Kif]<br />

'Gestern war ich auf dem Markt und habe zehn Orangen und zehn Bücher<br />

gekauft'<br />

100Man vergleiche in diesem Zus<strong>am</strong>menhang auch cai 'allgemeiner KIf, Ding, Stück; weiblich<br />

(als nominales Attribut)' (s. o. Kap. 2.2., <strong>Beispiel</strong> (2.2.17), sowie Kap. 2.3.3.1, <strong>Beispiel</strong><br />

(2.3.43), sowie Kap. 5., <strong>Beispiel</strong> (5.27».


183<br />

(c) Rom qua, töi dä<br />

Gestern ich Verg.<br />

ai<br />

gehen<br />

chq<br />

Markt<br />

vä<br />

dä<br />

und Verg.<br />

mua mt1Cri cäi c<strong>am</strong> vä mt1i1i cäi säch.'?'<br />

kaufen zehn Kif Orange und zehn Kif Buch<br />

'Gestern war ich auf dem Markt und habe sowohl zehn Orangen als auch<br />

zehn Bücher gekauft.'<br />

Der Unterschied zwischen den <strong>Beispiel</strong>en (b) und (c) besteht darin, daß in ersteren die<br />

Konzepte 'Orange' bzw. 'Buch' gegliedert werden, in (c) hingegen die Handlung <strong>des</strong><br />

Kaufenst'" Hier spielt wieder die Ebene der Begriffshierarchie bzw. <strong>des</strong> 'basic level'<br />

nach Rosch (1976) eine Rolle, denn Orangen gehören sowohl zur (Gegenstands-)Klasse<br />

der 'Dinge' als auch zu derjenigen der 'Früchte'.<br />

Vor diesem Hintergrund bietet sich nun ein Vergleich zu Genus- bzw. Nominalklassensystemen<br />

an, was Thema <strong>des</strong> nächsten Abschnitts ist.<br />

7. 1. Klassifikatoren und Genus<br />

In der Einleitung (Kap. 1.) habe ich schon Allan (1977) erwähnt, <strong>des</strong>sen Charakterisierung<br />

für KIf-Sprachen ich hier wiederholen möchte:<br />

"[n]umeral classifier languages are the paradigm type; they are so called because a<br />

classifier is obligatory in many expressions of quantity. [...] In all numeral classifier<br />

languages, the classifiers occur in anaphoric or deictic expressions as weil as<br />

in expressions of quantity."<br />

Im vorigen Abschnitt wurde gezeigt, daß zumin<strong>des</strong>t im Vietn<strong>am</strong>esischen weder Zahlwörter<br />

noch Nomina bezüglich ihrer Verbindbarkeit miteinander in irgendeiner Weise<br />

IOlDiese Verwendung von cäi ist nicht mit dem sog. "extra cei' zu verwechseln, denn dann<br />

hälte man hai aii qua cem 'zwei Orangen' bzw. hai cei quytfn sech 'zwei Bücher'.<br />

lO2Diese Idee verdanke ich Fritz Serzisko.


184<br />

defektiv sind. Das gilt auch für die Demonstrativmarker, denn im Gegensatz zu der<br />

Feststellung in dem o. a. Zitat sind Klfen auch in diesen Kontexten nicht obligatorisch:<br />

(7.32) (a) meo näy 'diese Katze, diese Katzen'<br />

Katze dies<br />

(b) con meo näy 'diese Katze (vs. jene)'<br />

Kif Katze dies<br />

(c) möt con meo näy 'diese eine Katze (vs. jene zwei anderen usw.)'<br />

em KIf Katze dies<br />

Klfen sind also unabhängig von dem Vorkommen von Zahlen und Demonstrativmarkem.<br />

Aufgrund dieser Beobachtung karm nun der Unterschied zu Genus- bzw. Nominalklassen<br />

näher bestimmt werden. Genus im weiteren Sinne ist in Corbett (1991:4) wie<br />

folgt charakterisiert:<br />

"While nouns may be c1assified in various ways, only one type of c1assification<br />

counts as a gender system; it is one which is refleeted beyond the nouns themselves<br />

in modifications required of 'associated words'. [...] All this means that the<br />

determining criterion of gender is agreement; this is the way in which the genders<br />

are 'refleeted in the behavior of associated words'. [...] On the other hand, classifiers<br />

fall outside our study because they do not show agreement; but they are [...]<br />

a source for gender systems."<br />

Klassifikatoren dagegen werden wie folgt von Genussystemen abgegrenzt:<br />

''[...] since gen der systems have agreement as their defining charaeteristic, classifiers<br />

are a different phenomenon; classifiers do not show variation of a formal<br />

property (as is the case when, say, an adjective marks agreement in gender), rather<br />

the se1ection of one classifier as opposed to others is involved. Classifiers are<br />

independent items, selected largely according to semantic criteria, while gender<br />

markers typically appear attached to agreement targets. [...] the two systems may<br />

perform similar roles in languages of different morphological type" (Corbett<br />

1991:136-137).<br />

Im Zus<strong>am</strong>menhang mit Genus im Rumänischen weist Corbett nun explizit darauf hin,<br />

daß sorgfältig zwischen zwei unterschiedlichen Arten von Genus unterschieden werden


muß: (i) das Genus <strong>des</strong> Nomens ('controller gender') und (ii) die Genusmarkierung an<br />

185<br />

den vom Nomen abhängigen Kategorien (Adjektive, Artikel usw., d. h. 'target gender'):<br />

"[...] the agreement class approach leads us to the number of sets into which<br />

nouns are to be divided or, in a feature-based approach, to the number of different<br />

feature specifications which are required on nouns to enable gender agreement to<br />

operate correctly. [...] Nevertheless the morphology of agreeing forms (targets) is<br />

simpler than is implied by the statement that Rumanian has three genders. We<br />

shou1d therefore differentiate controller genders, the genders into which nouns are<br />

divided, from target genders, the genders which are marked on adjectives, verbs<br />

and so on [...]" (Corbett 1991:151, Hervorhebungen vom Autor, E.L.).<br />

Aufgrund dieser Beobachtungen und angesichts der Tatsache, daß im Vietn<strong>am</strong>esischen<br />

ein KIf weder in Verbindung mit Zahlwörtern noch mit Demonstrativmarkern obligatorisch<br />

ist, schließe ich daraus, daß die Klfen als solche weder Affinität zu den 'controller<br />

genders' noch zu den 'target genders' haben, sondern selbst ein 'target' darstellen. Dieses<br />

'target' ist auf die Position vor dem zu klassifizierenden Nomen festgelegt. Ist diese KIf­<br />

Position lexikalisch belegt, signalisiert sie Gliederung. Dabei kann zwischen (eher)<br />

temporären Klfen unterschieden werden, die "very much as adjectivals in English" fungieren<br />

(vgl. das o. a. Zitat von BeriinlRornney 1964:79), während (eher) inhärente Klfen<br />

eine Eigenschaft bezeichnen, die der Bedeutung <strong>des</strong> klassifizierten Nomens inhärent ist.<br />

Auf diese Weise erhält man eine Art 'semantische Kongruent zwischen dem in der KIf­<br />

Position stehenden Nomen und dem klassifizierten 'Nomen, d. h. beide müssen in gewisser<br />

Weise semantisch 'kompatibel' sein. Die primäre Funktion beider Typen von Klfen<br />

ist dabei die schon in Kap. 6.1. erwälmte Gliederung. Die lexikalische Belegung der<br />

Kif-Position und d<strong>am</strong>it der Kif als 'target' ist in den Fällen obligatorisch, in denen sonst<br />

die entsprechende NP syntaktisch nicht bezugsfähig wäre, was vor allem in der Objekt­<br />

Position bei Verben wie co 'haben, es gibt', aber auch in der attributiven, postnominalen<br />

Position der Fall sein kann. Wie oben (Kap. 6.1.) gezeigt, bezeichnet der Kif gleichzeitig<br />

'Einheit', und in dieser Beziehung ist er trotz seiner Zugehörigkeit zur Kategorie <strong>des</strong><br />

Nomens vergleichbar mit der Funktion <strong>des</strong> indefiniten Artikels bzw. Quantors im Deutschen.<br />

Letzterer ist wiederum im Sinne von Corbett ein 'target', das in Anlehnung an<br />

Vater (1979:50) die Merkmalspezifizierung [+ Gliederung, + Einheit, 0 Ges<strong>am</strong>theit] ent-


186<br />

hält. Die fund<strong>am</strong>entalen Unterschiede zwischen den Klfen und dt. ein(e) sind dabei folgende:<br />

(i) die indefiniten Artikel sind nicht auf die Kombination mit N[+strukturiert] beschränkt,<br />

während genau dies bei den Klfen der Fall ist;<br />

(ii) die indefiniten Artikel bilden eine geschlossene Klasse (drei Genera), die Klfen<br />

jedoch nicht;<br />

(iii) die indefiniten Artikel kongruieren mit dem Nomen; Klfen hingegen zeigen<br />

semantische Kongruenz entweder (a) mit dem Nomen (inhärente Klfen, <strong>Beispiel</strong>e<br />

(7.33) und (7.34)), oder (b) sie haben eine NP bzw. ein komplexes Nomen als<br />

Skopus (spezielle bzw. temporäre Klfen, <strong>Beispiel</strong>e (7.35)). Dieser Kontrast ist<br />

nochmals in (7.36) illustriert:<br />

(7.33) (a) ein-0 Tisch<br />

[+maskulin;, +Gliederung] [+N, +maskulin;, 0 Gliederung]<br />

(b)<br />

(rnöt)<br />

(ein)<br />

cai<br />

[+N, -belebt., +gegliedert]<br />

ban<br />

[+N, -belebt., -gegliedert]<br />

(7.34) (a)<br />

em-e<br />

[+feminin;, +Gliederung]<br />

Katze<br />

[+N, -ifeminin., 0 Gliederung]<br />

(b)<br />

(rnöt)<br />

(ein)<br />

con<br />

[+N, --belebt., +gegliedert]<br />

meo<br />

[+N, -rbelebt., -gegliedert]<br />

(7.35) (a) (möt) bö [may lanl NP<br />

[+N, +gegliedert]<br />

[+NP, -gegliedert]<br />

(ein) Set Maschine groß<br />

'eine große Maschine'<br />

(b) (möt) quä [mii er gän bia rimg]NP<br />

[+N, +gegliedert]<br />

[+NP, -gegliedert]<br />

(ein) Frucht Berg sein nahe Grenze Wald<br />

'ein Hügel in der Nähe <strong>des</strong> Wal<strong>des</strong>'<br />

(vgL (7.28))<br />

(vgL (7.26))


(7.36) (a)<br />

187<br />

(möt) cai<br />

(ein) [+N, -belebt., +gegliedert]<br />

'eine Flöte'<br />

sao<br />

(+N, -belebt, -gegliedert]<br />

(b) (möt) öng [jsao däil; khäc böng]NP<br />

(+N, +gegliedert]<br />

(+NP, -gegliedert]<br />

(ein) Rohr Flöte lang schnitzen Blume<br />

'eine mit Blumenschnitzerei verzierte Langflöte'<br />

Diese Kif stehen jedoch nicht, wie schon in (7.31) gezeigt, in freier Variation. Sie sind<br />

dann obligatorisch, wenn eine zusätzliche Angabe über das Head-Nomen vorliegt, d. h.<br />

wenn die NP komplex ist, wie folgende kleine Textpassage zeigt: 103<br />

(7.37) (a) Harn qua töi cö rnua möt<br />

Gestern ich haben kaufen ein<br />

cm äo<br />

KIf Hemd<br />

vä möt cai non.<br />

und ein KIf Hut<br />

'Gestern habe ich ein Hemd und einen Hut gekauft'<br />

(b) [ehMe aO]N rnay rat dep, song<br />

KIf Hemd nähen sehr schön aber<br />

[chiec nönl; thi läm rat sän<br />

KIf Hut sein machen sehr uneben<br />

'Das Hemd ist sehr gut genäht, der Hut aber ist schlecht verarbeitet'<br />

Alternativ zu (7.37a) erhält man natürlich auch (7.38), wenn eine zusätzliche Aussage<br />

über den Begriff, den das Head-Nomen bezeichnet, gemacht wird (komplexe NP, parallel<br />

zu (7.35)):<br />

[03 Z U anaphorischen Komposita mit Kif s. u. Kap. 8.3.


188<br />

(7.38) Hörn qua töi c6 mua möt chi/fe n6n läm<br />

Gestern ich haben kaufen ein Kif Hut machen<br />

bang da vä möt chitJ(: 8.0 thöu bang höng.<br />

aus Fell und ein Kif Hemd sticken Blume Rose<br />

'Gestern habe ich einen Hut aus Fell und ein mit Rosen besticktes<br />

Hemd gekauft.'<br />

Um diese Art von Variation genauer untersuchen zu können, sind natürlich größere<br />

Textkorpora erforderlich. Die <strong>Beispiel</strong>e zeigen aber deutlich die Abhängigkeit <strong>des</strong> KIf<br />

vom Kontext bzw. Diskurs, was bei Genus- bzw. Nominalklassensystemen nicht der Fall<br />

ist.<br />

Vor diesem Hintergrund kann nun auch der Unterschied zwischen Vietn<strong>am</strong>esisch als<br />

Vertreter für KIf-Sprachen und Sprachen mit Nominalklassen (z. B. Swahili) präzisiert<br />

werden. Nominalklassen lassen sich ebenso wie KIf-Systeme im Sinne von Tab. 7.1 und<br />

(7.22) dahingehend interpretieren, daß sie eine Kategorisierung von Gegenständen leisten,<br />

wie folgende (verkürzte) Übersicht aus Heine (1982:192) für 'nature-based systems'<br />

zeigt: "The number of genders in languages of this type [= 'nature-based' systems] varies<br />

between two and forty - in most cases it exceeds five. The following is a catalogue of<br />

semantic and grarnmatical characteristics which form the basis of gender classification<br />

in 'nature-based' systems:"<br />

Human, Non-Human<br />

Animate, Inanimate<br />

Kinship<br />

Animals<br />

Plants<br />

Trees<br />

Fruits<br />

Tools<br />

Wooden objects<br />

Liquids<br />

Elongated objects<br />

Augmentative concepts<br />

Parts of body<br />

Tab. 7. 2.: Semantische Charakteristika von Nominalklassen (Heine 1982)<br />

Der fund<strong>am</strong>entale Unterschied zu Klfen besteht jedoch darin, daß bei Nominalklassen<br />

mit einer derartigen Kategorisierung von Gegenständen bzw. Gegenstandsbezeichnungen<br />

auch tatsächlich eine Klassifikation von N om ina einhergeht, da (Nominal-)Stämme erst


189<br />

durch die entsprechenden Klassenpräfixe zu Nomina werden. Dies kann an folgendem<br />

<strong>Beispiel</strong> aus Corbett (1991:44) aus dem Swahili illustriert werden: "The root ti is associated<br />

with wood; the prefix is required to establish the meaning of the particular lexical<br />

item as well as its number. [...] The s<strong>am</strong>e root may also occur with different prefixes to<br />

indicate augmentative or diminutive meaning" (ibid., Hervorhebungen von mir, E.L.).<br />

(7.39) (a) ki-ti '(wooden) stool' vi-ti '(wo oden) stools"?'<br />

SWA Kl.7-ti Kl.8-ti<br />

(b) m-ti 'tree' mi-ti 'trecs'<br />

Kl.3-ti<br />

KlA-ti<br />

Die bisherigen Überlegungen dienten u. a. dazu festzustellen, welcher Bedeutungsunterschied<br />

mit der An- vs. Abwesenheit eines KIf korreliert, und dies insbesondere im<br />

Zus<strong>am</strong>menhang mit Zahlwörtern. Dabei konnte festgestellt werden, daß die primäre<br />

Funktion <strong>des</strong> KIf darin besteht, Gliederung zu signalisieren. Um jedoch das Phänomen<br />

der Klfen genauer charakterisieren zu können, ist es m. E. ebenso wichtig zu sehen,<br />

wann ein Kif nicht verwendet werden darf. Im nächsten Kapitel soll daher der Frage<br />

nachgegangen werden, womit Nichtgliederung korreliert.<br />

8. Determination<br />

In Kap 2. wurde schon verschiedentlich darauf hingewiesen, daß ein Nomen ohne weitere<br />

formale Markierung eine minimale NP repräsentieren kann, die numerusindifferent<br />

ist. Das gilt auch für die definite vs. indefinite Interpretation einer solchen, d. h. auch<br />

bezüglich dieses Aspekts kann die minimale NP indifferent sein, wobei die jeweilige<br />

Interpretation vom Kontext abhängig ist (8.1). Es ist jedoch möglich, diese Indifferenz<br />

zu <strong>des</strong><strong>am</strong>biguieren (8.2):<br />

!04Die Zahlen stehen für die entsprechenden Nominalklassenpräfixe.


190<br />

(8.1) Töi viet thu<br />

ich schreiben Brief<br />

(a) 'Ich schreibe Briefe (genauer: 'Ich Brief-schreibe'):<br />

(b) 'Ich schreibe einen/den Brief, (die) Briefe:<br />

(82) (a) Töi viet möt cai thu<br />

ich schreiben em Kif Brief<br />

(b) Töi viet nhiäu thu<br />

ich schreiben viel Brief<br />

(c) Töi viöt cai thu nay<br />

ich schreiben Kif Brief Dem.<br />

'Ich schreibe einen Brief'<br />

'Ich schreibe Briefe.'<br />

'Ich schreibe den Brief'<br />

(d) Töi viet nhüng cäi thu näy 'Ich schreibe die Briefe'<br />

ich schreiben Plural KIf Brief Dem.<br />

Diese Art der Desarnbiguierung wird nun in Cao (1988:39) mit Definitheit und Indefinitheit<br />

im Englischen gleichgesetzt Das Nomen dao 'Messer' "means either 'the knife' or<br />

'a knife', or 'the knives', or 'knives', or 'knife' (as a specifying adjunct)". Für dieses Massennomen<br />

(in seiner Terminologie) gibt es laut ihm folgende Entsprechungen im Vietn<strong>am</strong>esischen<br />

für (In- )Definitheit im Englischen:<br />

(8.3) cäi (dao)<br />

thing (knife)<br />

means unarnbiguously 'the knife (thing)' (singular, definite)<br />

cai ay<br />

thing that<br />

"<br />

.that thing'<br />

(singular, definite)<br />

möt<br />

a<br />

cäi<br />

thing<br />

"<br />

'a thing'<br />

(singular, indefinite)<br />

cäc<br />

DEF PL<br />

cai<br />

thing<br />

" "<br />

'the things'<br />

(plural, definite)<br />

nhüng cäi (mä..) "<br />

DEF PL thing<br />

'those things (which)' (plural, definite)<br />

mäy cäi<br />

INDEF PL thing<br />

" 'Ca few) things' (plural, indefinite)<br />

(Cao 1988:39)


191<br />

Zu dieser Korrelation ist allerdings folgen<strong>des</strong> zu sagen: Die NP in (8.3a) ist zwar nur<br />

singularisch, aber durchaus nicht nur definit interpretierbar, da Cal dao auch im Sinne<br />

von (mot) cä: dao '(irgend)ein Messer' möglich ist. Die Gleichsetzung von (8.3b) mit<br />

'Singular, definit' ist ebenfalls irreführend, da die Partikel 81' ein sog. Demonstrativmarker<br />

ist, d. h. Cal 81' kann nicht mit dem definiten Artikel im Englischen gleichgesetzt<br />

werden, sondern allenfalls mit Demonstrativa. Zu (8.3c) kann angemerkt werden, daß<br />

auch hier die Entsprechung zu eng!. a(n) nicht korrekt ist, denn mät 'eins' ist Zahlwort;<br />

m(it cei entspricht daher eher engl, 'one (thing)'. Für (8.3d) gilt, daß der definite Plural<br />

lexikalisch ausgedrückt ist, denn cäc bedeutet 'alle', genauer 'all (of a given set)'<br />

(Thompson 1987:179). Analog gilt dies für (8.3d), aber hier zeigt schon die in der Glosse<br />

enthaltene quantitative Angabe 'a few', daß hier keine genaue Entsprechung zum<br />

indefiniten Plural im Englischen gegeben ist.<br />

Sowohl (8.2) als auch (8.3) zeigen, daß in den expliziten Konstruktionen die für Klfen<br />

typischen Bedingungen vorliegen, nämlich quantitative Angaben wie Zahlen und Pluralmarker<br />

sowie Demonstrativrnarker. <strong>Eine</strong> derartige Des<strong>am</strong>biguierung von (8.1) ist jedoch<br />

nicht in allen Fällen möglich. Die von Cao vorgenommene Gleichsetzung von z. B. cM<br />

aymit 'that thing (definite)' und m Er geht zunächst davon aus, daß EindeulO'Vgl.<br />

auch Löbel (1990), wo Löbners Einteilung bzw. Argumentation auf die<br />

Abgrenzung von enger Apposition (die Stadt Köln) und loser Apposition (die Ehefrau<br />

von Hans, Susanne vs. 'die Ehefrau Susanne von Hans) im Zus<strong>am</strong>menhang<br />

mit der X-bar-Syntax angewendet wird.


192<br />

tigkeit der Referenz (eng!. "non-<strong>am</strong>biguity of reference") das wesentliche Merkmal von<br />

Definitheit bzw. konstitutiv für Definitheit ist. Dabei nimmt er nicht wie Hawkins<br />

(1978) und Heim (1982) die anaphorische bzw. deiktische Funktion definiter NPs ("definite<br />

<strong>des</strong>criptions" (DD)) zum Ausgangspunkt, sondern die Fälle, in denen der definite<br />

Artikel aus semantischen Gründen erforderlich ist:<br />

"I believe that the path taken by Hawkins and Heim - i. e. starting from the anaphoric<br />

and deictic uses of DDs as the basic pattern - is a dead-end. instead, I<br />

shall take, as it were, the opposite starting point: those cases where the definite<br />

artic/e is necessary for semantic reasons. It is these uses which should provide the<br />

clue to the semantics of the definite article. For a proper definition of these cases<br />

and a systematic c1assification of DD uses we first need an appropriate semantic<br />

subcategorization of nouns" (Löbner 1985:2911., Hervorhebungen von mir, E.L.)<br />

Die semantische Einteilung von Nomina basiert auf der Beobachtung, daß es Subklassen<br />

von Nomina gibt, "that differ in the range of determiners with which they combine in<br />

certain contexts. Some nouns, in asense, require the definite article. Also, some nouns,<br />

such as father, occur with possessive complementations while others, e. g. man, do not"<br />

(op.cit.:292). Demnach schlägt er eine Einteilung der Nomina in Funktional- und Gattungsbegriffe<br />

vor (Kap. 8.1.). <strong>Eine</strong> solche Einteilung ist allerdings nicht absolut: ''[...]<br />

although there are certainly typical nouns that exemplify the distinctions in question,<br />

nouns, taken as lexical units, cannot be subcategorized in a strict way. The distinetions<br />

rather apply to (types of) uses of nouns" (op.cit.:295, Hervorhebung vom Autor, E.L.),<br />

und in dem Zus<strong>am</strong>menhang spricht Löbner von funktionalen, relationalen und sortalen<br />

Konzepten (Kap. 8.2.).'06<br />

8. 1. Funktionale Begriffe und Gattungsbegriffe<br />

Die Nomina werden von Löbner nach Behaghel (1923:22f.) zunächst in "absolute Begriffe"<br />

und "relative Begriffe" eingeteilt. So ist w ife (of someone) ein relationaler BelO6Hierzu<br />

auch Löbel (1995a).


193<br />

griff, während w oman ein Gattungs- bzw. sortaler Begriff ist. Hierbei ist besonders<br />

relevant, daß diese Einteilung der Nomina nicht absolut ist, sondern primär von ihrer<br />

Verwendung abhängt:<br />

"When I enter a fumiture shop and ask for 'a table' I use table as a sortal neun.<br />

As such it contains certain con ventional characteristics [...] that distinguish tables<br />

from beds, trunks or an orange box. But if lohn invites Mary to his sort of improvised<br />

room, it may weil happen that he points to an orange box and teils Mary:<br />

'This is my table. Please, take a seat.' In this case he is using the noun as a relational<br />

noun. The object in question [...] plays the role a table plays, itfunctions as<br />

a table" (Löbner 1985:293, Hervorhebung vom Autor, E.L.).<br />

Auf die Frage der Verwendung von Nomina als Funktional- und als Gattungsbegriffe<br />

werde ich in Kap. 8. 2. eingehen. Zunächst ist für die semantische Subklassifizierung innerhalb<br />

der relationalen Nomina die Abgrenzung zwischen funktionalen und anderen<br />

relationalen Nomina relevant:<br />

"The most important subclass is that of functional nouns. For functional nouns,<br />

the relation that defines their reference is a function, Functions relate objects<br />

unarnbiguously (or one-to-one) to others. Hence, functional nouns are inherently<br />

un<strong>am</strong>biguous [...]. Functional nouns [...] always identify a referent. Soltal nouns<br />

[= Gattungsbegriffe, E.L.], in contrast, only ciassify their referents. Under certain<br />

circumstances it may happen that there is exactly one object which fits the classification.<br />

But this would be accidental. Functional concepts, e.g. mother of John,<br />

do not allow for more than one referent" (op.cit.:293, Hervorhebungen von mir,<br />

E.L.).<br />

Mit einem Gattungsbegriff "kann in einem besonders vorgegebenen Universum ein<br />

einzelnes Individuum auch durch klassifizierende Merkmale identifiziert werden, wenn<br />

es zufällig nur ein Individuum mit dieser Merkmalskombination gibt" (Löbner 1979:34).<br />

Demgegenüber stehen Nomina, die nicht zufällig, sondern systematisch aufgrund ihrer<br />

Bedeutung identifizierende Funktion haben:<br />

"Anders bei typischen Funktionalbegriffen wie Rektor der Universität Dusseldorf.<br />

Der Begriff beinhaltet zwar in diesem Fall eine Funktion, die stets nur ein Individuum<br />

erfüllt. Dadurch identifiziert der Begriff stets seinen Repräsentanten. Die<br />

Identifikation ist inhaltlicher Bestandteil <strong>des</strong> Funktionalbegriffs. nicht ein gelegentliches<br />

Zufallsprodukt wie bei Gattungsbegriffen'{Löbner 1979:34).


194<br />

Innerhalb der Funktionalbegriffe unterscheidet Löbner (1979) zwischen Funktionalbegriffen<br />

mit einer bestimmten Stelligkeit (= SF) und relationalen Funktionalbegriffen (= SR).<br />

Funktionalbegriffe vom Typ SF können einstellig sein (SFI (= S.ubstantiv, funktional,<br />

einstellig) wie z. B. Bürgermeister, Bun<strong>des</strong>kanzler, Schiedsrichter, aber auch zweistellig<br />

(SF2) (Ehemann, Mutter, Schachgegner) oder dreisteIlig (Unterschied, Verhältnis).<br />

Die einstelligen Funktionalbegriffe wie Bürgermeister, Schiedsrichter ergeben "Nominalphrasen<br />

mit einer stets eindeutigen Kernintension" dadurch, daß diese Kernintension<br />

''[. ..] zu jedem Welt/Zeit-Punkt den einzigen Repräsentanten <strong>des</strong> Begriffs (ergibt)" (Löbner<br />

1979:35). Das bedeutet aber, daß der jeweilige Welt/Zeit-Punkt bzw. der Kontext, in<br />

dem diese Begriffe verwendet werden, als bekannt vorausgesetzt wird. So wird in (8.4a)<br />

vorausgesetzt, daß von dem Bürgermeister einer bestimmten Stadt die Rede ist; ähnlich<br />

muß in (8.4b) vom Kontext her gewährleistet sein, um welches Spiel es sich handelt:<br />

(8.4) (a) Der Bürgermeister kommt morgen.<br />

(b) Der Schiedsrichter hat schon gepfiffen.<br />

BürgermeistertSchiedsrichter sind also zu interpretieren als Bürgermeister von<br />

X/Schiedsrichter von X, da dieses "von X" zu der Funktion, Bürgermeister bzw.<br />

Schiedsrichter zu sein, gehört: Aufgrund der Tatsache, daß (zumin<strong>des</strong>t im Normalfall)<br />

Bürgermeister, wenn der entsprechende Welt/Zeit-Punkt bzw. Kontext gegeben ist, eine<br />

eindeutige Kemintension besitzt, kann man festhalten. daß die Relation "Bürgermeister<br />

von" eine ein-eindeutige Relation darstellt. Diese SF-Begriffe können, wenn sie als<br />

solche verwendet werden, nur mit dem definiten Artikel vorkommen. Der indefinite<br />

Artikel ist bei diesen Nomina ein Indiz dafür, daß ein Gattungsbegriff vorliegt (Ein Bürgermeister<br />

kann sich so etwas nicht erlauben) (Löbner 1979:44). Ein <strong>Beispiel</strong> für einen<br />

Funktionalbegriff ist Gewicht: "Weight is clearly a relational noun. [...] And since every<br />

object has only one weight at a time, w eight is a functional noun" (Löbner 1985:293).<br />

Neben diesen eine ein-eindeutige Relation bezeichnenden SF-Begriffen gibt es auch<br />

solche, die eine ein-mehrdeutige Relation bezeichnen, wie etwa Mutter (von x, y, z,...)<br />

oder Vater (von x, y, z,...). Eindeutig ist diese Relation insofern, als eine Person ledig-


195<br />

lieh einen Vater bzw. eine Mutter haben kann, während umgekehrt ein Vater bzw. eine<br />

Mutter mehrere Söhne bzw. Töchter haben kann.<br />

Daneben gibt es noch Begriffe, die mehr-eindeutige und mehr-mehrdeutige Relationen<br />

bezeichnen; dies sind "relationale Funktionalbegriffe" vom Typ SR (= Substantiv, relationaler<br />

Funktionalbegriff); SRI-Begriffe, d. h. einstellige SR-Begriffe sind z. B. Minister,<br />

Dekan. Zu den SR2-Begriffen gehören viele Verwandtschaftsbegriffe wie Sohn,<br />

Tochter, aber auch Konkurrent, Nachbar. "SR-Begriffe sehen ein Nebeneinander von<br />

mehreren Repräsentanten vor und gestatten d<strong>am</strong>it im Gegensatz zu den SF-Begriffen<br />

alle Artikel" (Löbner 1979:43, Hervorhebungen von mir, E. L.). Während Vater (von X)<br />

eine ein-mehrdeutige Relation bezeichnet, bezeichnet Sohn (von X) eine mehr-eindeutige<br />

Relation, da jemand mehrere Söhne haben kann. Vater ist also ein eindeutiger SF-Begriff,<br />

während z. B. Sohn oder Großvater einen SR-Begriff darstellen. Aufgrund der<br />

potentiellen Mehrdeutigkeit bzw. <strong>des</strong> potentiellen Nebeneinanders von mehreren Repräsentanten<br />

leisten diese Nomina selbst keine eindeutige Identifizierung bzw. referentielle<br />

Festlegung.<br />

In Tab. 8.1. ist Löbners Einteilung zus<strong>am</strong>mengefaßt:<br />

Relative Begriffe:<br />

(a)<br />

(b)<br />

Funktionalbegriffe (SF-Begriffe)<br />

Wetter, Sonne, Mond, Erde (situatives Argument)<br />

- Ehefrau, Präsident, Braut (eins-zu-eins-Relation)<br />

- Kopf, Dach, Oberfläche, Spitze, Gewicht<br />

- Haar, Blut,Eigentum, Gepäck, N<strong>am</strong>e, Alter<br />

- Geburt, Tod, Anfang, Ende<br />

relationale Nomina (Relation eins-zn-viele oder viele-zu-viele)<br />

(relationale Funktionalbegriffe)<br />

- Schwester, Freund, Großmutter, Freund, Nachbar<br />

- Hand, Auge, Teil<br />

Tab. 8. 1.: Funktionalbegriffe (Löbner 1985)<br />

Die in (a) genannten Funktionalbegriffe unterscheiden sich, wie erwähnt, durch die An-


196<br />

zahl ihrer Argumente: "There are a number of functional nouns which involve only a<br />

situational argument. Weather is one, time another (in uses like w hat time is it), sun,<br />

moon, earth are used in this way [...]" (op.cit.:294). Diese situativen Argumente werden<br />

unterschiedlich realisiert: "Situational arguments take the form of prepositional, adverbial,<br />

or adjectival attributes: the w eather today, the present situation, the temperature in<br />

Bangkok" (op. cit.:296).<br />

Funktionalbegriffe wie Ehefrau, Präsident, Oberfläche usw. erfordern neben dem situativen<br />

noch ein weiteres Argument: "The non-situational argument of FC2 nouns [= relationale<br />

Nomina vom Typ Vater, Mutter usw., E.L.) is specified by means of various<br />

possessive constructions: my father, John's address, the n<strong>am</strong>e of the tow n. The relation<br />

between the second argument and the value is generally treated as possession: a country<br />

has a government; a person has a father, a head, hands, a profession, etc. [...]. Conversely,<br />

the value is said to belong to its 'possessor''' (op.cit.:296, Hervorhebungen vom<br />

Autor, E.L.).<br />

Folgende Beziehung zwischen dem definiten Artikel uod Possessivpronomina einerseits<br />

und indefinitem Artikel sowie Demonstrativa andererseits ist nun für das potentielle<br />

Vorkommen von Klfen im Vietn<strong>am</strong>esischen von besonderer Relevanz:<br />

"Since functional nouns are inherently un<strong>am</strong>biguous, they do not allow the indefinite<br />

article as long as it can be presupposed that they have a referent. [...] All<br />

determiners, with the exception of the definite article and the possessive pronoun,<br />

require the noun to be taken as a sortal or relational concept. They all involve the<br />

possibility of several objects of the s<strong>am</strong> e kind. Numerals and the indefinite article<br />

count objects of one kind; demonstratives select between objects of the s<strong>am</strong>e kind,<br />

but in different regions [...]" (opcit.:297, Hervorhebuogen von mir, E.L.).<br />

Mit der in o. a. Zitat getroffenen Unterscheiduog läßt sich nun auch das zunächst widersprüchlich<br />

erscheinende Zitat aus Tnrong (1970:258) bezüglich <strong>des</strong> Vorkommens von<br />

Klfen erklären:<br />

''[...] il resulte qu'un substantif employe dans le sens particulier ou determine est


197<br />

precede d'un specificatif [= KIf, E.L.], tandis que pris dans le sens general ou<br />

indetermine il n'en a pas besoin. Cependant, la regle n'est pas absolue, et l'emploi<br />

<strong>des</strong> specificatifs est beaucoup plus souple [...]. On verra, en effet, que <strong>des</strong> substantifs<br />

a sens general sont employes avec un specificatif, tandis que <strong>des</strong> substantifs, a<br />

sens particulier ou determine, en sont depourvus" (Hervorhebung von mir, E.L.).<br />

Hierzu zwei <strong>Beispiel</strong>e:<br />

(8.5) (a) C\I Giap lä öng<br />

(Alter) Herr Giap Kopula Großvater<br />

'M. Giap est le grand-pere de Ti.'<br />

anh Ti<br />

Herr Ti<br />

(b) Öng ay Iä thäy hoc chung toi<br />

Er Kopula Lehrer Gruppe ich<br />

'Il est notre professeur.' (Tnrong 1970:262)<br />

Sowohl 6ng 'Großvater' als auch thlly hoc 'Lehrer' sind hier als Funktionalbegriffe verwendet,<br />

die ihren Referenten identifizieren. Die Des<strong>am</strong>biguierung eines Gattungsbegriffs<br />

wie thll'Brief' (s. o. <strong>Beispiel</strong> (8.1), interpretierbar als 'ein/der Brief, (die) Briefe') mit<br />

Hilfe von Zahlwörtern, Plural- oder anderen quantitativen Markern sowie Demonstrativmarkern<br />

ist bei diesen Nomina nicht möglich. Diese Marker beinhalten, wie in dem<br />

oben genannten Zitat von Löbner angegeben, "the possibility of several obj ects of the<br />

s<strong>am</strong>e kind". Da diese ebenso wie die Zahlwörter konstitutiv für die Verwendung von<br />

KIfen sind, kann festgehalten werden, daß bei Funktionalbegriffen aufgrund der diesen<br />

Nomina inhärierenden identifizierenden Bedeutung' die genannten Elemente, die die<br />

Anwesenheit eines KIf auslösen, nicht möglich sind. Dies ist m. E. etwas völlig anderes<br />

als zu behaupten, diese Nomina seien "nicht klassifiziert", was eine entsprechende, aber<br />

nicht zutreffende Festlegung im Lexikon suggeriert (vgl. Thompson 1987:198f., aber<br />

auch Tnrong (1970:262): "Les substantifs exprimant les relations f<strong>am</strong>iliales ou sociales<br />

sont generalement employes sans specificatif").<br />

Vergleicht man die vietn<strong>am</strong>esischen Entsprechungen der anderen o. a. Funktionalbegrif-<br />

J<br />

fe mit Gattungsn<strong>am</strong>en wie thlf'Brief', kann man festhalten, daß diese beiden Typen von<br />

Nomina sich dadurch unterscheiden, daß bei Gattungsbegriffen prinzipiell ein KIf möglich<br />

ist, wenn der Kontext eine explizite Beschreibung <strong>des</strong> Sachverhalts erforderlich


198<br />

macht (fakultative Nichtverwendung eines Klf), während bei Funktionalbegriffen ein Kif<br />

nicht stehen darf (obligatorische Nichtverwendung eines Kif).<br />

Diese Beobachtung gilt nun nicht nur für den Singular, sondern auch für den Plural:<br />

"Relational nouns, when used in the plural with the definite article, also give rise to<br />

functional concepts - cf. her arms, his parents, the Members of Parli<strong>am</strong>ent" (op.cit.:<br />

297). Da Nomina im Vietn<strong>am</strong>esischen transnumeral sind, können diese, soweit dies<br />

semantisch Sinn macht, sowohl singularisch als auch pluralisch interpretiert werden,<br />

auch wenn ein bestimmter Welt/Zeit-Punkt vorliegt:<br />

(86) (a) rn~ töi<br />

Mutter ich<br />

(b) vua Tau<br />

König China<br />

(c) öng tOi<br />

Großvater ich<br />

'meine Mutter'<br />

'der König von China'<br />

'mein Großvater/meine Großväter'<br />

(vgl. Kap. 1., (1.4a»<br />

(vgl, Kap. I, (l.4b)<br />

(d) ban<br />

Freund<br />

töi<br />

ich<br />

'mein Freund/meine Freunde'<br />

Im folgenden sind einige Textbelege für Funktionalbegriffe aus den im Anhang enthaltenen<br />

Märchen aufgeführt; in allen Fälleo ist nach Auskunft meines Informanteo ein KIf<br />

nicht erlaubt:<br />

(8.7) (a)<br />

1,12<br />

ben bäo vq rnay tüi<br />

dann sagen Ehefrau nähen Tasche<br />

. dann sagte er zu seiner Frau, sie solle eineo Sack nähen...'<br />

(b) röi leo len hrng qua trö ve.<br />

1,14 danach klettern auf Rückeo Rabe kehren zurück<br />

.. danach kletterte er auf den Rückeo <strong>des</strong> Raben und kehrte zurück.'<br />

(8.8) (a) Cäi lenh vua eha<br />

II,2 widersetzeo Befehl König Vater<br />

.. er widersetzte sich dem Befehl <strong>des</strong> Königs, seines Vaters, ..'


199<br />

(b) An-Tiern khäc tön mlnh<br />

II,1O An- Ti em gravieren N<strong>am</strong>e eigen<br />

'An-Tiem gravierte seinen eigenen N<strong>am</strong>en ein<br />

'<br />

(8.9) (a)<br />

1Il,4<br />

häng ngäy vq chäng 10 buön<br />

jeden Tag Frau j.Mann sorgen traurig<br />

'... jeden Tag war die Frau <strong>des</strong> jungen Mannes traurig und sorgte sich<br />

(b) Töi däu cön lä chöng cüa bä nüal"<br />

1Il,15 Ich Fragep. noch sein Ehemann Poss. du mehr<br />

'Ich bin nicht mehr dein Mann, nicht wahr?'<br />

Im Gegensatz zu den SF-Begriffen m(! 'Mutter' (8.6a) und vus 'König' (8.6b) gehören<br />

öng 'Großvater' (8.6c) und ben 'Freund' (8.6d) zu den SR-Begriffen, die auch zu einem<br />

gegebenen WeltiZeit-Punkt ein Nebeneinander von mehreren Repräsentanten zulassen.<br />

Speziell für das Vietn<strong>am</strong>esische, <strong>des</strong>sen Nomina transnumeral sind, bedeutet dies, daß<br />

die entsprechenden NPs sowohl singularisch als auch pluralisch interpretiert werden<br />

können. Neben den <strong>Beispiel</strong>en (8.6c) und (8.6d), die auch eine pluralische Interpretation<br />

erlauben, ist daher die Verwendung eines KIf möglich bzw, in den folgenden Fällen<br />

obligatorisch:<br />

(8.10)(a)<br />

(b)<br />

ngiröi<br />

Mensch<br />

[~ KIf]<br />

nguöi<br />

Mensch<br />

[~ KIf]<br />

öng ngoai töi 'mein Großvater mütterlicherseits'<br />

Großvater mütterlicherseits ich<br />

b>;tn<br />

Freund<br />

töi<br />

ich<br />

'ein Freund von mir'<br />

Aufgrund der Tatsache, daß SR-Begriffe wie Großvater, Freund ein potentielles Nebeneinander<br />

mehrerer Repräsentanten erlauben, sind diese Nomina trotz der Verwendung<br />

eines Kif immer noch relational; die ges<strong>am</strong>te NP bezeichnet jeweils ein Element einer<br />

Ges<strong>am</strong>tmenge, d. h. eine Teilmenge.<br />

Aber auch relationale SF-Begriffe wie Mutter oder König, die kein potentielles Neben~~<br />

einander mehrerer Repräsentanten zu einem gegebenen Zeitpunkt zulassen, können mit<br />

KIf vorkommen, ohne daß zunächst eine entsprechende Interpretation der NP als Teilmenge<br />

einer Ges<strong>am</strong>tmenge in Analogie zu den o. a. <strong>Beispiel</strong>en möglich ist Das Verhal-


200<br />

ten dieser Nomina wird im nächsten Kapitel beschrieben.<br />

8. 2. Funktionale und sortale Konzepte<br />

In der Einleitung zu diesem Kapitel habe ich schon darauf hingewiesen, daß die Einteilung<br />

der Nomina in Funktional- und Gattungsbegriffe Löbner zufolge nicht absolut ist,<br />

sondern primär von ihrer Verwendung abhängt:<br />

"Nouns can contribute to the meaning of a sentence as concepts of one of these<br />

kinds [= funktionale oder sortale Konzepte, E.L.]. Some nouns represent sortal<br />

concepts and others represent relational concepts. But relational meaning always<br />

involves also sortal specification, and accordingly many relational nouns can also<br />

be used as sortal concepts. On the other hand, sortal concepts can also turn into<br />

functional concepts, i. e. if in a special environment certain sortal characteristics<br />

become tant<strong>am</strong>ount to a specific role" (op.cit.:295, Hervorhebungen von mir,<br />

E.L.).<br />

Im folgenden möchte ich nun die These vertreten, daß ein KIf dann obligatorisch ist,<br />

wenn ein Funktionalbegriff als Gattungsbegriff verwendet wird. Hierzu sind folgende<br />

<strong>Beispiel</strong>e zu nennen:<br />

SF-Begriffe:<br />

(8.11) (a) me hiön töi<br />

Mutter lieb ich<br />

(b) ngl1C1i me hien<br />

Mensch Mutter lieb<br />

[= KIfJ<br />

(c) hai ngiröi me<br />

zwei Mensch Mutter<br />

[~ KIfJ<br />

(8.12) (a) vua Tau<br />

König China<br />

'meine liebe Mutter'<br />

(Mutter = SF-Begriff)<br />

'eine gute Mutter''"<br />

(Mutter ~ Gattungsbegriff)<br />

'zwei Mütter!<br />

(Mutter = Gattungsbegriff)<br />

'der König von China'<br />

(König ~ SF-Begriff)<br />

107Aus Tnrong (1970:251):<br />

Ci) Ba Giap Ja nguöi me hien<br />

Frau Giap sein Mensch Mutter lieb<br />

'Mad<strong>am</strong>e Giap est une mere vertueuse.'


(b) mQt öng vua<br />

em Herr König<br />

[= KIf]<br />

(c) hai öng vua<br />

zwei Herr König<br />

[= Kif]<br />

SR-Begriffe:<br />

(8.13) (a) öng töi<br />

Großvater ich<br />

nuöc Tau<br />

Land China<br />

Tau<br />

China<br />

201<br />

'ein König aus China'<br />

(König = Gattungsbegriff)<br />

'zwei chinesische Könige'<br />

(König = Gattungsbegriff)<br />

'mein Großvater/meine Großväter'<br />

(Großvater = SR-Begriff)<br />

(b)<br />

hai<br />

ZWei<br />

ngtiai<br />

Mensch<br />

[= KIf]<br />

öng<br />

Großvater<br />

(i) 'zwei Großväter'<br />

(Großvater = Gattungsbegriff)<br />

(ii) 'zwei alte Männer'<br />

(Gattungsbegriff)<br />

(c)<br />

nguöi<br />

Mensch<br />

[= Kif]<br />

öng<br />

Großvater<br />

hfen<br />

lieb<br />

(i) 'ein lieber Großvater'<br />

(ii) 'ein lieber alter Mann'<br />

Die <strong>Beispiel</strong>e unter (a) repräsentieren funktionale Konzepte. Die SF-Begriffe me 'Mutter'<br />

und vua 'König' sowie der SR-Begriff 6ng 'Großvater' sind relational, das von ihnen<br />

geforderte Argument bezeichnet, wie oben erwähnt, eine possessive Beziehung. Aufgrund<br />

dieses possessiven Arguments ist die Identifizierung <strong>des</strong> jeweiligen Referenten<br />

eindeutig gewährleistet. Dagegen stellen die unter (b) und (c) genannten <strong>Beispiel</strong>e sortale<br />

Konzepte dar; potentielle Ergänzungen wie in (8.12b) und (8.13c) haben keine identifizierende,<br />

sondern lediglich charakterisierende Funktion. Diese unterschiedliche Verwendung<br />

korreliert nun eindeutig mit der obligatorischen Nichtverwendung (<strong>Beispiel</strong>e<br />

(a)) vs. obligatorischen Verwendung <strong>des</strong> KIf (<strong>Beispiel</strong>e (b) und (c)). Insbesondere <strong>Beispiel</strong><br />

(8.11 b) entspricht genau der folgenden Beobachtung von Löbner:<br />

"Two-place functional nouns do, however, occur with other determiners. [...] If the<br />

additional argument of a two-place functional noun is implicitly or explicitiy existentially<br />

bound (or left open), the result is a sortal concept. This sort of existential<br />

closure is present when a functional concept is combined with an inherentiy<br />

comparative adjective (all scalar adjectives are of this sort).<br />

(6) She is a good mother." (Löbner 1985:297)<br />

Neben dieser Verwendung von Funktionalbegriffen als Gattungsbegriffe gibt es den<br />

dazu entgegengesetzten Fall, nämlich die Verwendung von Gattungsbegriffen in funktio-


202<br />

nalen Konzepten. Diese können Löbner zufolge in "semantisch definite NPs" und "pragmatisch<br />

definite NPs" eingeteilt werden:<br />

"Roughly speaking, there are two kinds of uses for definites. In those cases which<br />

I want to call 'semantic defmites' the referent of the definite is established independently<br />

of the immediate situation or context of utterance. [...] 'Pragmatically<br />

definite' NPs, on the other hand, are essentially dependent on special situations<br />

and contexts for the non-<strong>am</strong>biguity (and existence) of a referent. [...] Semantic<br />

definites refer un<strong>am</strong>biguously due to general constraints; pragmatic definites depend<br />

on the particular situation for un<strong>am</strong>biguous reference" (Löbner 1985:298f.,<br />

Hervorhebungen von mir, E.L.).<br />

Zu den semantisch definiten NPs gehören zunächst einmal die Eigenn<strong>am</strong>en, aber auch<br />

enge Appositionen vom Typ the year J984, the word 'the', the opera Rigoletto; diese<br />

sind funktionale Konzepte "in the s<strong>am</strong>e way as proper n<strong>am</strong>es [...] thanks to the proper<br />

n<strong>am</strong>e they contain" (Löbner 1985:299). Neben den Eigenn<strong>am</strong>en sind hier auch die Unikate<br />

vom Typ the moon, the earth zu nennen, sowie Nomina, die Hawkins unter "Iarger<br />

situational use based on general knowledge" einordnet (Hawkins 1978:118ff.). D<strong>am</strong>it<br />

sind Kontexte gemeint, die "require a unique role for the respective object" (Löbner<br />

1985:301). Hierzu gehören u. a.<br />

"public institutions which fulfill a specific function for a particular district: the<br />

post office, the station, the laundry. There are general constraints which allow<br />

speakers to presuppose the existence and uniqueness of a referent in an arbitrary<br />

location. [...] Within anormal size appartment there is nonnally one toilet, one<br />

kitchen, one living room etc., and it is due to that general constraint that the toilet,<br />

the kitchen, the living room can be used as functional concepts. Crucial for the<br />

FC [~ functional concept, E.L] character of a DD [= definite <strong>des</strong>cription, E.L.],<br />

and hence for the possibility to use it without former explicit introduction of a<br />

referent, is [...] the existence of some general constraint due to which the denotated<br />

object has a certain function in that environment" (Löbner 1985:301).<br />

Eigenn<strong>am</strong>en und Unikate im Vietn<strong>am</strong>esischen gehören, wie schon in Kap. 3.1., <strong>Beispiel</strong><br />

(3.8) erwähnt, zu den Nomina, die nach Tnrong (1970:259) nicht klassifiziert werden:<br />

"Les substantifs <strong>des</strong>ignant <strong>des</strong> choses uniques de leur espece, tels que träi 'cie!' [...] qui<br />

sont, par leur sens meme, entierement determines, n'ont pas besoin, cependant, de specificatif"<br />

(<strong>Beispiel</strong> (8.14a) aus Tnrcng ibid.). Wenn ein Unikat wie tnri'Himme!' jedoch


203<br />

als Gattungsbegriff verwendet wird, ist ein KIf obligatorisch:<br />

(8.14) (a) tröi mira<br />

Himmel regnen<br />

(b) tröi xanh<br />

Himmel blau (sein)<br />

(c) möt bäu tröi xanh<br />

em Kif Himmel blau<br />

'Es regnet' (wörtL: 'Der Himmel regnet.')!"<br />

'Der Himmel ist blau.'<br />

'ein blauer Himmel'!"<br />

Daß auch im Vietn<strong>am</strong>esischen die Definition Löbners (1985:299), daß "[a]n NP is a<br />

semantic definite iff it represents a functional concept, independently of the particular<br />

situation referred to", für das (obligatorische) Nichtvorkommen von Klfen ausschlaggebend<br />

ist, zeigt folgen<strong>des</strong> Set von <strong>Beispiel</strong>en. In (8.15a) könnte abhängig davon, ob At<br />

eine oder mehrere Jacken besitzt, ein KIf verwendet werden, in (8.15b) ist der KIf obligatorisch,<br />

da 'schwarze Jacke' präsupponiert, daß At auch andere Jacken besitzt:<br />

(8.15) (a) Giap mäc äo cüa At<br />

Giap tragen Jacke Besitz At<br />

'Giap porte I'habit de At'<br />

(b) Giap mäc cäi äo Elen cüa At<br />

Giap tragen KIf Jacke schwarz Besitz At<br />

'Giap porte l'habit no ir de At'<br />

(c) Giäp mäc äo di rmra cüa At<br />

Giap tragen Regenjacke Besitz At<br />

'Giap porte l'impermeable de At'<br />

(Trl1allg 1970:261)<br />

(d) Giäp mua möt cai ao di rmra<br />

Giap kaufen ein Kif Regenjacke<br />

'Giap kauft eine Regenjacke.'<br />

'''Das Nomen trifi 'Himmel' ist in Anhang B (Liste der nichtklassifizierten Nomina<br />

aus Emeneau (1951:100)) enthalten (Nr. 29), sowie eine Reihe anderer Nomina,<br />

die aufgrund ihrer Bedeutung als Funktionalbegriffe angesehen werden können,<br />

z. B. Nr, 7 dinh 'official residence of a high official', Nr. 11 ho 'f<strong>am</strong>ily n<strong>am</strong>e',<br />

Nr. 25 56'place where one works', und Nr, 26 ten '(personal) n<strong>am</strong>e'.<br />

I09Nach Karow (1972:48) hat Mu folgende Bedeutungen: '1. (Flaschen-)Kürbis<br />

(mit Numerativ qua [= 'Frucht']), 2. Numerativ für kugelrunde Gegenstände'.


204<br />

Entscheidend für die vorliegende Argumentation ist (8.15c), denn dazu heißt es bei<br />

Tntang (ibid.):<br />

"Ao est employe avec le sens indetermine dans la phrase (a) [~(8.15a), E.L.],<br />

mais il est pris avec le sens determine dans les autres. Cependant, on n'emploie<br />

pas de specificatif dans la phrase (c), parce que generalement une personne n'a<br />

qu'un seul impermeable (ao Bi llum)" (Hervorhebung von mir, E.L.).<br />

In (8.15c) ist ein Kif nicht erlaubt, da 'Regenjacke' im Vietn<strong>am</strong>esischen im Kontext 'Bekleidung'<br />

ein funktionales Konzept darstellt; die NP äo Bi mua cua At 'die Regenj acke<br />

von At' ist nach Löbners Definition 'semantisch definit'.'!" Die Verwendung eines KIf in<br />

diesem <strong>Beispiel</strong> würde die (nicht zutreffende) Präsupposition enthalten, daß die erwähnte<br />

Person mehr als eine Regenjacke besitzt. Daß ao Bi mim 'Regenjacke' auch als Gattungsbegriff<br />

verwendet werden kann und sich dann analog zu dem IndN tha'Brief' in<br />

(8.1) bzw. (8.2) verhält, zeigt (8.15d).<br />

Durch die Unterscheidung zwischen funktionalen und sortalen Konzepten lassen sich<br />

nun auch die von Emeneau beobachteten Bedeutungsunterschiede erklären:<br />

"A number of nouns belong both to the classified subclass and to the nonclassified,<br />

usually but not always with a different meaning. For instance, cii'a with the<br />

classifier cai means 'door (the physical object)', nonclassified it means 'door (as a<br />

means of entrance or exit)" (Emeneau 1951:95).<br />

Das Nomen cua wird in der Bedeutung 'Tür' mit KIf verwendet, da im Kontext 'Haus'<br />

ein Haus normalerweise mehrere Türen hat. In der Bedeutung 'Eingang' ist es jedoch<br />

'nichtklassifiziert', da ein Haus normalerweise nur einen (Haupt-)Eingang hat; die letzt-<br />

1lODie Einordnung von 'Regenjacke' als funktionales Konzept ist kulturspezifisch,<br />

d. h. außersprachlich bedingt, und gehört d<strong>am</strong>it zu den in Löbner erwähnten<br />

'general constraints'. Ein anderes von ihm erwähntes <strong>Beispiel</strong> ist w ife 'Ehefrau', ''[...]<br />

which is one-to-onc only under an additional (non-sem antic) monog<strong>am</strong>y constraint"<br />

(Löbner 1985:298). Man vergleiche in diesem Zus<strong>am</strong>menhang das ungr<strong>am</strong>matische<br />

<strong>Beispiel</strong> (i) mit (ii):<br />

(i) *Die Ehefrau Susanne von Hans<br />

(i)(a) Die Ehefrau von Hans, Susanne<br />

(ii) Die Ehefrau Suleika <strong>des</strong> Sultans (vs. Fatima)<br />

Hierzu Löbel (1993:162ff.).


205<br />

genannte Bedeutung stellt daher ein funktionales Konzept dar.'!'<br />

Löbner zufolge sind auch Pronomina der I. und 2. Person semantisch definite NPs:<br />

"They are (non-constant) Fels [= funktionale Konzepte, einstellig, EL] restricted<br />

to situations of utterance. I assigns the utterer, you the addressee to the situation<br />

of utterance. I take I and you to be semantic defmites, as there are effective general<br />

procedures to determine the utterer and addressee of an utterance" (Löbner<br />

1985:300).<br />

Vor diesem Hintergrund ist auch zu erklären, warum Verwandtschaftsbegriffe, werm sie<br />

als Anredeformen verwendet werden und dann wie 'Pronomina' fungieren, nicht klassifiziert<br />

werden (vgl. Kap. 2.1.):<br />

(8.16) (a) hai anh<br />

zwei älterer Bruder<br />

'the two of you' (males under<br />

forty years of age; or, eider brothers)<br />

[~ (2.1.10)]<br />

(b) hai ngtnri anh 'two eider brothers' (i.S.v. 'zwei Männer')<br />

zwei Kif ält. Bruder (Emeneau 1951:116)<br />

(8.17) (a) con di vöi ba<br />

Kind gehen mit Vater<br />

'Ich gehe mit dir.' (Kind zum Vater)<br />

[~ (2 U3c)]<br />

(b)<br />

em<br />

jüngerer Bruder<br />

'Ich gehe mit dir'<br />

Eli vöi anh<br />

gehen mit älterer Bruder'<br />

(jüngerer zum älteren Bruder)<br />

[= (2U3e)]<br />

(8.18) (a)<br />

III,6<br />

...con Elttng sq nüa...<br />

Kind nicht brauchen fürchten nicht mehr<br />

'... du brauchst dich nicht mehr zu fürchten ... ' (Mutter zum Kind)<br />

III,9 (b) Cha Iä cha cüa con däy]<br />

Vater sein Vater Besitz Kind hier<br />

'Ich bin dein Vater!' (Vater zum Kind)<br />

Besonders interessant ist in diesem Zus<strong>am</strong>menhang, daß in dem Märchen 'Der Rabe und<br />

IllDaß dies nicht notwendigerweise der Fall sein muß, zeigt <strong>Beispiel</strong> (3.16),<br />

Kap. 3.1.1., in dem von einem Krankenhaus mit zwei Eingängen die Rede ist und<br />

dementsprechend ct1l1 auch im Sinne von 'Eingang' einen KIf erfordert.


206<br />

der Kar<strong>am</strong>bolabaum' (Anhang I) das Nomen qW;J. 'Rabe' auch als Anrede fungiert und im<br />

Deutschen entsprechend mit einem Pronomen übersetzt werden muß. Das ist <strong>des</strong>wegen<br />

möglich, weil bei que 'Rabe' Personifizierung vorliegt:<br />

(8.19) ('.1) "QU? öi! QU? Elling an khä cüa töi .<br />

1,10 Rabe Partikel Rabe nicht essen Kar<strong>am</strong>bola Besitz ich<br />

[= Pron.]<br />

"Rabe! Bitte iß meine Früchte nicht,<br />

r,1O (b) ..., neu qua an Mt träi, .<br />

wenn Rabe essen auf Frucht<br />

[= Pron.]<br />

11 .. wenn Du alle Früchte ißt, ..."<br />

Neben den semantisch definiten NPs, die aufgrund situationsunabhängiger Kriterien<br />

definit sind, ist Löbner zufolge bei 'pragmatisch definiten NPs' die jeweilige Situation<br />

für eindeutige Referenz ausschlaggebend. Das folgende Zitat aus Tnnrng zeigt nun, daß<br />

im Vietn<strong>am</strong>esischen bei diesen 'pragmatisch definiten NPs' ebenfalls kein KIf erlaubt ist:<br />

"Nous avons dit qu'en regle generale les substantifs [...] pris dans UD sens particulier<br />

ou detcrmine sont prece<strong>des</strong> d'un specificatif [= Kif, E.L.]. II est, cependant,<br />

<strong>des</strong> cas Oll ce demier n'est pas employe. Citons en premier lieu celui d'etres deja<br />

presentes ou assez connus par eux-memes, lorsque le context ou les circonstances<br />

empöchent toute equivcque" (Tnrong 1970:260f.).<br />

In diesem Zus<strong>am</strong>menhang werden folgende <strong>Beispiel</strong>e genannt:<br />

(8.20) ('.1) D'.lY räng: auili trau ra thäo da<br />

befehlen Partikel!" jagen Büffel hinaus Land<br />

'Le proprietaire donne I'ordre de conduire le buffle aux ch<strong>am</strong>ps'<br />

(b) Dät trau ra döng, Eli!<br />

führen Büffel hinaus Feld gehen<br />

'Conduisez le [ou: les] buffle[s] '.lUX ch<strong>am</strong>ps'<br />

(c) Dilt con trau träng ra döng,<br />

führen Klj Büffel weiß hinaus Feld<br />

'Conduisez le buffle blanc '.lUX eh<strong>am</strong>ps'<br />

Eli!<br />

gehen<br />

(Tnrong 1970:261)<br />

lI2Partikel zur Einleitung der direkten oder indirekten Rede (Karow 1972:659).


207<br />

<strong>Beispiel</strong> (8.20a) wird auch ohne KIf als Singular interpretiert, denn "toute meprise est<br />

impossible, puisque dans le texte, il ne s'agit que d'un buffle" (ibid.). Aufgrund der<br />

Numerusindifferenz vietn<strong>am</strong>esischer Nomina ist allerdings auch, wie (8.20b) zeigt, eine<br />

pluralische Interpretation möglich: "[L]e sujet ecoutant comprendra le substantif trdu au<br />

singulier ou au pluriel, suivant qu'il y a un seul ou plusieurs buffles. Dans ce demier<br />

cas, il devra conduire tous les buffles aux ch<strong>am</strong>ps" (ihid., Hervorhebung von mir, E.L.).<br />

Entscheidend dafür, daß kein Kif verwendet wird, ist also die Tatsache, daß mit der entsprechenden<br />

NP auf eine Ges<strong>am</strong>tmenge Bezug genommen wird, wobei es irrelevant ist,<br />

ob diese aus einem oder mehreren Elementen besteht. Dies zeigt deutlich <strong>Beispiel</strong><br />

(8.20c), denn der KIf signalisiert, daß nur auf ein Element einer (bekannten) Ges<strong>am</strong>tmenge<br />

referiert wird: "[E]t c'est seulement si l'on veut preciser un de ces buffles que<br />

l'on dira: Dat con träu trifng ra dang, di' 'Conduisez le buffle blanc aux ch<strong>am</strong>ps', en<br />

employant le specificatif con" (ibid, Hervorhebung von mir, E.L.).1J3<br />

Daß das Vorkommen von Zahlen und die Interpretation als funktionales Konzept sich<br />

nicht gegenseitig ausschließen, zeigen folgende <strong>Beispiel</strong>e:<br />

(821) (a) biln b§ 'die Vier Meere' [= (73)]<br />

VIer Meer<br />

(b) mQt cBi b§ 'ein Meer'<br />

em Kif Meer<br />

(8.22) (a)<br />

III,1<br />

möt lang i't huyen N<strong>am</strong>-XI1


208<br />

'die beiden Brüder'<br />

(b) hai nglfiYi anh em<br />

zwei Kif älterer Bruder jüngerer Bruder<br />

'zwei (von mehreren) Brüder(n) (nämlich der ältere und der jüngere)'<br />

In den <strong>Beispiel</strong>en unter (a) liegen funktionale Konzepte vor, d. h. die Referenz der<br />

jeweiligen NP ist eindeutig, und dementsprechend ist ein Kif nicht erlaubt.<br />

In diesem Zus<strong>am</strong>menhang sind auch folgende <strong>Beispiel</strong>e zu sehen, bei denen der KIf<br />

fakultativ ist und <strong>des</strong>sen An- vs. Abwesenheit Tnrong zufolge nicht mit einem Bedeutungsunterschied<br />

korrelieren soll:<br />

"On peut omettre le specificatif devant les substantifs accompagnes d'un complement<br />

determinatif marquant la specialisanon [...], ou de l'un <strong>des</strong> mots suivants<br />

neo, nay, kia, 8Y, no (ces mots correspondent aux adjectifs demonstratifs en francais).<br />

Ainsi, on dira indifferemment.i ~ (8.21)]" (Tntong 1970:261, Hervorhebung<br />

von mir, E.L).<br />

(8.24) (a) (Cai) nhä kia cüa öng Giäp<br />

(KIf) Haus Dem. gehören Herr Giap<br />

'Cette maison-la est celle de M. Giap.'<br />

(b) (Cäi) äo anh mäc däi qua<br />

(Kif) Jacke er tragen lang zu sehr<br />

'L'habit que vous portez est trop long.'<br />

(Tnrong 1970:261f.)<br />

Der Unterschied zwischen der An- bzw. Abwesenheit <strong>des</strong> KIf, der sich in der französischen<br />

Übersetzung nicht auswirkt, korreliert sehr wohl mit einem Bedeutungsunterschied,<br />

und zwar mit unterschiedlichen Präsuppositionen. Die Übersetzung von kia als<br />

Demonstrativpronomen im Französischen entspricht nämlich nicht genau dem Vietn<strong>am</strong>esischen,<br />

da die Demonstrativmarker keine Pronomina sind l 14 Interessant ist nun Löbners<br />

1I4Hierzu aueh Thompson (1987:253f.), der u. a. folgen<strong>des</strong> <strong>Beispiel</strong> bringt:<br />

(i) Kia eng ay l<strong>am</strong> gt? '[Look] over there, what's he doing?'<br />

Dem. er machen was<br />

Dies ist nach Auskunft meines Informanten zwar nicht direkt ungr<strong>am</strong>matiseh,<br />

korrekter wäre aber (ii):<br />

(ii) (chö) kia eng ay larn gt?<br />

(Ort) dort er machen was


209<br />

Charakterisierung der Demonstrativa, die sich von den definiten und possessiven, funktionale<br />

Konzepte repräsentierenden NPs wie folgt unterscheiden:<br />

"Also NPs with a demonstrative determiner taken as a w hole represent functional<br />

concepts. But the roles of the noun and the determiner are quite different. The<br />

noun must be taken as a sortal or relational concept, and the determiner instructs<br />

the hearer to pick out one of the possible referents. The choice, however, is not<br />

arbitrary but un<strong>am</strong>biguous. Usually demonstratives distinguish degrees of closeness<br />

or remoteness. The demonstrative is then tant<strong>am</strong>ount to a functional specification<br />

such as the N at a certain distance" (Löbner 1985:321, Hervorhebung von<br />

mir, E.L.).<br />

Die in diesem Zitat für Demonstrativa angegebene Paraphrase the N at a certain distance<br />

läßt sich wie folgt auf die Demonstrativmarker im Vietn<strong>am</strong>esischen übertragen:<br />

Während die Übersetzung von nhe kia in (8.24) 'dieses Haus'lautet, ist cai nhe kia<br />

genauer mit 'dieses Haus (und nicht jenes)' wiederzugeben. Das Problem besteht darin,<br />

daß Demonstrativmarker wie kia nicht mit den entsprechenden lokalen Adverbien, hier<br />

kiil 'dort' zu verwechseln sind. So auch Thompson (1987:253), der darauf hinweist, daß<br />

"[t]his category has certain troublesome features". Demonstrativmarker (kia) und lokales<br />

Adverb (kiil 'dort') können sogar kombiniert werden, so daß man nhe kia kia 'dieses<br />

Haus dort' und entsprechend cäi nlui kia kiil 'dieses Haus dort (vs. 'jenes Haus hier')'<br />

erhält. Für alle diese <strong>Beispiel</strong>e gilt, daß die NP mit cai der Instruktion an den Hörer<br />

entspricht, einen der möglichen Referenten auszuwählen (hierzu auch Kap. 8.3.).<br />

Das bedeutet, daß die Demonstrativa <strong>des</strong> Deutschen und Englischen zwei Bedeutungskomponenten<br />

enthalten (einen der möglichen Referenten auszuwählen und etwas über<br />

Distanz auszusagen), die im Vietn<strong>am</strong>esischen getrermt realisiert sind (erstere durch den<br />

Kif cei, letztere durch kia). Auf diese Weise erklärt sich auch die Fakultativität <strong>des</strong> Kif<br />

in (8.24a): Die Anwesenheit <strong>des</strong> Kif impliziert, daß mehrere mögliche Referenten vorhanden<br />

sind, von denen eben 'jenes Haus' auszuwählen ist, während das Fehlen <strong>des</strong> Kif<br />

signalisiert, daß die Referenz eindeutig ist. Letzteres ist <strong>des</strong>wegen möglich, weil auch in<br />

Vietn<strong>am</strong> eine Person normalerweise nur ein Haus hat (d. h. nh« 'Haus' entspricht in diesem<br />

Satz einem funktionalen Konzept), und somit ist die singularische Interpretation<br />

auch olme Kif gewährleistet, da hier nach Löbner eine 'semantisch definite NP' vorliegt.


210<br />

Die bisherigen <strong>Beispiel</strong>e haben gezeigt, daß eine gewisse Parallelität zwischen dem<br />

obligatorischen Vorkommen <strong>des</strong> definiten Artikels bzw. <strong>des</strong> Possessivs im Deutschen<br />

und Englischen und der Nichtklassifikation von Nomina im Vietn<strong>am</strong>esischen besteht.<br />

Das Nichtvorhandensein eines KIf korreliert d<strong>am</strong>it, daß funktionale Begriffe bzw. Konzepte<br />

den Referenten der jeweiligen NP identifizieren, d. h. die Referenz dieser NPs ist<br />

eindeutig. Im Vietn<strong>am</strong>esischen wird ein KIf <strong>des</strong>wegen nicht verwendet, weil es, salopp<br />

gesprochen, "nichts zu gliedern gibt". 11'<br />

Obwohl die Parallelität zwischen dem obligatorischen Vorkommen eines definiten Artikels<br />

und der Nichtklassifikation für die o. a. Fälle offensichtlich ist, gibt es auch einen<br />

fund<strong>am</strong>entalen Unterschied, und zwar in der Textdeixis (Kap. 8.4.). Zunächst möchte ich<br />

jedoch noch zwei besondere Konstruktionen im Vietn<strong>am</strong>esischen vorgestellt, die ebenfalls<br />

(referentielle) Gliederung signalisieren, nämlich Restriktivität und Kontrast.<br />

8. 3. Restriktivität und Kontrast<br />

Welche Schwierigkeiten sich insbesondere im Zus<strong>am</strong>menhang mit dem allgemeinen KIf<br />

cäi für die Beschreibung der vietn<strong>am</strong>esischen NP ergeben, möchte ich an dem letztgenannten<br />

<strong>Beispiel</strong> (8.24a), hier unter (8.25a) wiederholt, demonstrieren. Dieses ist nämlich,<br />

wenn man einmal vom Kontext absieht, nicht nur als Satz, sondern auch als NP<br />

interpretierbar (8.25b):<br />

(8.25) (a) CM nhä kia cüa öng Giap<br />

KIf Haus Dem. gehören Herr Giap<br />

'Dieses (eine) Haus gehört Herrn Giap.'<br />

[= (8.24a)]<br />

lI'Diese treffende Formulierung st<strong>am</strong>mt von Barbara Unterbeck.


211<br />

(b) [Cai [riha kia cüa öng Giap],•.JN/ 16<br />

MT Haus Dem. gehören/Besitz Herr Giap<br />

'Das(jenige) Haus dort, das Herrn Giap gehört,<br />

'Das(jenige) Haus von Herrn Giap,<br />

(c) [Nhüng Inhä kia cüa öng Giäp],at JNP<br />

MT Haus Dem. gehörenlBesitz Herr Giap<br />

'Die(jenigen) Häuser, die Herrn Giap gehören, ...'<br />

Die pluralische Entsprechung zu (8.25b) ist der Pluralmarker nhilng(8.25c). Bei dieser<br />

Konstruktion handelt es sich um das schon in Kap. 2.3. im Zus<strong>am</strong>menhang mit <strong>Beispiel</strong><br />

(2.3.9) erwähnte m,lO-tu(sinovietn<strong>am</strong>esisch, wörtlich 'falsches, aufgesetztes Wort' oder<br />

'Kronenwort', abgekürzt MT). Diese Konstruktion wird unter der Bezeichnung 'identifier<br />

ce! ausführlich in Direng (1971: 117-122) beschrieben. Die Funktion dieser Konstruktion<br />

wird von ihr wie folgt charakterisiert:<br />

''[...] the identifier cei in Vietn<strong>am</strong>ese is used before the nucleus noun in a noun<br />

cluster to signal a person or thing that is about to be ideotified in that cluster. A<br />

noun that does not ordinarily require a pre-deterrniner [~ KIf, E.L] may be preceded<br />

by the identifier eäi when the speaker wishes to show what is about to be<br />

identified" (Duong 1971: 117).<br />

Sie nennt u. a. folgen<strong>des</strong> <strong>Beispiel</strong> (8.26b) [~<br />

NP]. Der entsprechende Satz ist in (8.26a)<br />

angegeben, die pluralische Variante in (8.26c); letztere ist <strong>des</strong>wegen möglich, weil Ba<br />

ähnlich wie dt. Müller, Schmitz usw. ein sehr häufig vorkormnender Nachn<strong>am</strong>e ist:<br />

(8.26) (a) Öng Ba a phö' Gia Long<br />

Herr Ba wohnen (in) Straße Gia Long<br />

'Herr Ba wohnt in der Gia-Long-Straße.'<br />

(b) cäi öng Ba a phö'<br />

MT Herr Ba wohnen (in) Straße<br />

'the Mr. Ba on Gia Long Street'<br />

Gia Leng<br />

Gia Long<br />

(Duong 1971:118)<br />

(c) nhüng öng Ba a phö Gia Long<br />

MT Herr Ba wohnen (in) Straße Gia Long<br />

'die (Herren) Bas, die in der Gia-Long-Straße wohnen'<br />

Jl6Zu cUa 'gehören, Besitz' s. oben Kap. 2.2, Fußnote 23 sowie <strong>Beispiel</strong> (2.2.6).


212<br />

Diese Konstruktion wird Direng zufolge vor allem dann verwendet, wenn "one of the<br />

post-determiners [= Demonstrativmarker wie nay'diese(r) (hier)', kia 'diese(r) (dort)'<br />

usw., E.L] cannot be used - that is, a noun cluster in which a prepositional phrase, a<br />

possessive, or a clausid [...] is used as an adjectival following the nucleus noun" (DI1C1I1g<br />

1971:118). J17 Der Grund dafür ist, daß die genannten postnominalen Ergänzungen alle<br />

verbal interpretierbar sind (vgl. ctis 'Besitz, gehören' zur Signalisierung von 'possessiv')<br />

und d<strong>am</strong>it auch als Prädikat eines Satzes fungieren können (vgl. die o. a. <strong>Beispiel</strong>e<br />

(8.25a) und (8.26a)), worauf sie - allerdings an anderer Stelle und in einem anderen<br />

Zus<strong>am</strong>menhang - selbst hinweist:<br />

"Another function of the identifier cai is to make a free non-introduced clausid [~<br />

Satz, E.L.] into an included or bound clausid. Gon cho gtim XU(lIJg 'A dog chews<br />

bones', for ex<strong>am</strong>ple, is a free sentence or clausid. With the addition of the identifier<br />

cäi, it becomes an included clausid, that is, a clausid which cannot occur<br />

alone as a sentence. This type of included clausid usually occurs in the subject<br />

position in a sentence" (Duong 1971:119, Hervorhebung von mir, E.L).<br />

Dies kann an folgendem Set von <strong>Beispiel</strong>en illustriert werden:<br />

(8.27) (a) con ch6 gäm xinrng<br />

KIf Hund kauen Knochen<br />

'Ein Hund kaut Knochen.'<br />

(b) lcäi [con ch6 gärn xUClI1g]s." lur-: lä con Ven<br />

MT KIf Hund kauen Knochen sein KIf Yen<br />

'Der(jenige) Hund, der Knochen kaut, ist Yen'<br />

(Duong 1971:119)<br />

(c) lnhüng [con ch6 gärn xUClI1g]S",]NP lä<br />

MT KIf Hund kauen Knochen sem<br />

con Ven va con Micky.<br />

KIf Yen und KIf Micky<br />

'Die(jenigen) Hunde, die Knochen kauen, sind Yen und Micky.'<br />

117Zur Relevanz der Demonstrativmarker, die die Konstituentengrenze der NP markieren, s.<br />

o. Kap. 2.2., <strong>Beispiel</strong>e (2.2.5) und (2.2.6.).


213<br />

Diese vorwiegend in der Subjektposition vorkommende Konstruktion gibt es mitunter<br />

auch in der Objektposition. wie folgen<strong>des</strong> <strong>Beispiel</strong> aus Emeneau (1951) zeigt:'"<br />

(8.28) (a) Öng ngö thäy c;ii ngon cäy cao kia, Iä ...<br />

Sie gucken sehen MT Spitze Baum groß dort sein<br />

'Take a look at that tall treetop over there, which is ...' (Emeneau 1951:98)<br />

Die Unterschiede, die sich zwischen der ll1,w-tä·Konstruktion mit cäi (singularisch) und<br />

nhung (pluralisch) und einer Kif-Konstruktion ergeben, zeigt (8.29):<br />

(8.29) (a) mäy bay<br />

Maschine fliegen<br />

My '<strong>am</strong>erikanische(s) Flugzeug(e)'<br />

<strong>am</strong>erikanisch<br />

Mf}o-til-Konstruktion:<br />

(b) cäi mäy bay My 'das(jenige) <strong>am</strong>erikanische Flugzeug, das ...'<br />

MT Flugzeug <strong>am</strong>erikanisch<br />

(c) nhüng may bay My 'die(jenigen) <strong>am</strong>erik. Flugzeuge, die .<br />

MT Flugzeug <strong>am</strong>erikanisch<br />

KIf-Konstruktion:<br />

(d) (rnöt) cäi mäy bay My '(irgend)ein <strong>am</strong>erikanisches Flugzeug'<br />

ein KIf Flugzeug <strong>am</strong>erik.<br />

118Allerdings ist nach Ansicht meines Informanten die Subjektposition eindeutig akzeptabler:<br />

(i) [cai [ngon cäy mä öng ngö thäy kiaJNPJNP Ja _<br />

MT Spitze Baum Rel, Sie gucken sehen Dem. Kopula


214<br />

(e) nhi1ng cäi mäy bay My '<strong>am</strong>erikanische Flugzeuge (vs. andere)'!"<br />

Plural Kif Flugzeug <strong>am</strong>erik.<br />

Die Konstruktion cäi rruiy bayMy ist daher, wie der Vergleich von (8.29b) mit (8.29d)<br />

zeigt, systematisch <strong>am</strong>big, da mot 'eins' fakultativ ist. Dies ist einer der Gründe, warum<br />

statt <strong>des</strong> allgemeinen Klf cai in derartigen Konstruktionen häufig ein spezieller Klf, hier<br />

cbiec 'Einzelstück' verwendet wird:<br />

(8.30) (a) chiec<br />

Kif<br />

mäy bay My<br />

Flugzeug <strong>am</strong>erikanisch<br />

'ein <strong>am</strong>erikanisches Flugzeug'<br />

(b)<br />

cäi may bay My<br />

MT Flugzeug <strong>am</strong>erikanisch<br />

'das(jenige) <strong>am</strong>erikanische Flugzeug, das .<br />

In diesem Zus<strong>am</strong>menhang ist auch das in Kap. 2, <strong>Beispiel</strong> (2.1 Ob) erwähnte <strong>Beispiel</strong> aus<br />

Tntang (1970:266) zu nennen, der derartige Fälle lediglich als eine Aneinanderreihung<br />

von mehreren Klfen ('plusieurs specificatifs') ansieht:<br />

1I9Die Lesart '<strong>am</strong>erikanische Flugzeuge' (ohne Kontrast) entspricht (8.29a).<br />

Daher sind Feststellungen der Art wie in Kölver (1982:170), daß die Anwesenheit eines Kif mit<br />

definiter und das Fehlen eines Kif mit indefiniter Referenz korreliert, woraus eine referenzfestIegende<br />

Funktion <strong>des</strong> Kif abgeleitet wird, nicht korrekt:<br />

(i)<br />

(ii)<br />

nhi1ng<br />

Plural<br />

nhi1ng<br />

con chö<br />

[KIf] Hund<br />

chö<br />

'die Hunde'<br />

'Hunde' (Kölver 1982:170)<br />

Diese <strong>Beispiel</strong>e st<strong>am</strong>men nach Kölver (ibid.) aus Thompson (1987 [= 1965]:180), der die o. a.<br />

Konstruktionen nicht beschreibt, sondern lediglich darauf hinweist, daß "[i]n such phrases,<br />

where c;ii is followed by another cIassifer (any one but cdi itself), there is often a connotation of<br />

depreciation, especially if persons are referred to" (Thompson 1987:193).<br />

Bei diesen <strong>Beispiel</strong>en kommt noch hinzu, daß nhilng als Pluralmarker homonym (oder polysem")<br />

ist mit nhilng'nur': 'I. Pluralbildner; 11. nur, ausschließlich' (Karow 1972:569). Hierzu<br />

auch Emeneau (1951:88): "There is another ward nhüng; a verb meaning 'to do only, nothing<br />

but; to have only; there is only' When it has a noun object, that is, of course, not cIassified:"<br />

(i) cai nrong ay däy nhi1ng sach<br />

KJf Koffer Dem. voll nur Buch<br />

'That trunk is full of nothing but books' (Emeneau 1951:88)


215<br />

(8.31) cai [thäng chal; Giap<br />

MT Kerl<br />

Giap<br />

'dieser dämliche Giap'!"<br />

Man erhält demgemäß folgende referentielle Abstufungen:<br />

nicht-restriktive NPs:<br />

(8.32) (a) ch6 äy<br />

HlUld Dem.<br />

'dieser Hund, diese Hunde'<br />

restriktive NPs:<br />

(b) (möt) con ch6 ay 'dieser (eine) Hund'<br />

(ein) Klf HlUld Dem.<br />

(8.33) (a) car lchö aylNP<br />

MT HlUld Dem.<br />

(b) nhtJng [ch6 aY]NP<br />

MT HlUld Dem.<br />

'dieser Hund'<br />

'diese Hunde'<br />

(Bezug auf eine Ges<strong>am</strong>tmenge)!"<br />

(Bezug auf eine Ges<strong>am</strong>tmenge)<br />

(8.35) (a) cai [con chö aY]NP<br />

MT KIf Hund Dem.<br />

'dieser (eine) Hund (vs. jener)' (Teilmenge)<br />

(b) nhüng [con chö aY]NP 'diese Hunde (vs. jene)'<br />

MT Klf Hund Dem.<br />

(Teilmenge)<br />

Die m;w-tä-Konstruktion ist, wie in (8.36) gezeigt, auch mit MassenN möglich. Interessanterweise<br />

sind in diesem Fall sogar die Numerative fakultativ:<br />

(8.36) (a) cai [(hQp) süa aY]NP<br />

MT (Kanne) Milch Dem.<br />

(b) cai lcuc väng aY]NP<br />

MT Klumpen Gold Dem.<br />

'diese (Kanne) Milch (vs. jene)'<br />

'dieser Klumpen Gold (vs. jener)'<br />

'20Nach Karow (1972: 105) hat thling cha zwei Bedeutungen: (a) Anrede verheirateter Manner<br />

niederen Stan<strong>des</strong>; (b) (pej.) 'dieser Kerl, dieses Individuum'.<br />

121 Auch hier gilt wieder: Der Bezug auf eine Ges<strong>am</strong>tmenge korreliert mit Nichtgliederung<br />

(kein KIf), derjenige auf eine Teilmenge dagegen mit Gliederung (der KIf ist obligatorisch).


216<br />

(c) cai [kilö c<strong>am</strong> aY)NP 'dieses Kilo Orangen (vs. jenes)'<br />

MT Kilo Orange Dem.<br />

(d) cäi [(th{() vang aY)NP 'dieses Gold (vs. jenes)'<br />

MT (Art) Gold Dem. (Artenlesart)<br />

Wichtig ist in diesem Zus<strong>am</strong>menhang, daß dieser Konstruktionstyp nicht mit Zahlen<br />

oder Zählen assoziiert ist, sondern mit Restriktivität (referentielle Gliederung).<br />

Von diesen m


217<br />

Betrachtet man <strong>Beispiel</strong> (8.37) genauer, fällt auf, daß hier eigentlich zwei Klfen vorliegen,<br />

sowohl cai als auch cay'Baum' als KIf zu tre 'B<strong>am</strong>bus(pflanze)'. Da dieses cäi auf<br />

quantitative Kontexte beschränkt ist uud gleichzeitig noch ein weiterer KIf vorliegt,<br />

würde das bedeuten, daß man im Prinzip "zweimal" zählen würde, was im Vietn<strong>am</strong>esisehen<br />

nicht erlaubt ist. 123 Aus diesem Grunde wird cay'Baum' in (8.37) nicht als separater<br />

KIf interpretiert, sondern zus<strong>am</strong>men mit tre 'B<strong>am</strong>bus' als Kompositum. Für diesen<br />

Typ von Kompositum gibt es in den auf Vietn<strong>am</strong>esisch verfaßten Gr<strong>am</strong>matiken der<br />

vietn<strong>am</strong>esischen Sprache zwei Begriffe, die deutlich machen, daß es sich hier um syntaktisch<br />

bedingte Komposita handelt, uud im folgenden werde ich daher von 'syntaktischen<br />

Komposita' sprechen: 124<br />

(a) tarn gla<br />

zeitweilig falsch<br />

dinh loai W<br />

bestimmen Art Wort<br />

(b) cuöng<br />

zwrngen<br />

dinh loai W<br />

bestimmen Art Wort<br />

In Kap. 2.3.5. habe ich schon darauf hingewiesen, daß ein KIf mit dem klassifizierten<br />

Nomen ein Kompositum bilden kann. Diesem Typ von Kompositum kann ebenso wie<br />

dem KIf in der entsprechenden Kif-Konstruktion das Merkmal [+gegliedert] zugeordnet<br />

werden, so daß <strong>Beispiel</strong> (8.37) wie folgt zu analysieren ist.<br />

(8.38) näm cai [cäy tre]NITg,gli'd'rtl<br />

fünf 'extra ca! Baum B<strong>am</strong>bus<br />

'diese fünf Barnbuspflanzen'<br />

nay<br />

Dem.<br />

Da das Kompositum aus 'Kif + N' besteht uud daher schon 'gegliedert' ist, uud das 'extra<br />

ca! im Zus<strong>am</strong>menhang mit Zahlen ebenfalls Gliederung markiert, erhält man eine Art<br />

doppelte Gliederuug (um dieses Wortspiel zu gebrauchen), was eine kontrastive oder<br />

auch vergleichende Lesart zur Folge hat. Diese Lesart ist im Deutschen schwer wieder-<br />

123Hierzu auch die Ungr<strong>am</strong>matikalität von "chuc fiti. S. v. '(ein) Dutzend Liter', s. o. Kap. 6.2.<br />

!"Ein ähnliches Phänomen, allerdings nicht im Zus<strong>am</strong>menhang mit KIf-Konstruktionen, gibt<br />

es im Japanischen, nämlich das sog. 'post-syntactic compounding' (Shibatani & Kagey<strong>am</strong>a<br />

(1988».


218<br />

zugeben und zeigt sieb insbesondere dadurch, daß nachfolgend noch etwas über die<br />

genannten Objekte ausgesagt wird. Ferner ist diese Konstruktion nicht auf Komposita<br />

mit Klfen (8.39) beschränkt, sondern auch auf solche mit Numerativen anwendbar<br />

(8.40).125 Wie subtil, aber gleichzeitig systematisch diese Unterscheidung ist, zeigt sich<br />

wieder an der Intonation, denn in (8.39b) und (8.40b) trägt cäi als KIf den schwächsten<br />

Akzent der jeweiligen NP, in (8.39c) und (8.40c) als 'extra ca} den stärksten:<br />

(8.39) (a) Töi cö hai cäy hörig<br />

ich haben zwei Pflanze Rose<br />

'Ich habe zwei Rosenstauden.'<br />

(b) T6i cö hai cäi [cäy höng];<br />

ich haben zwei KIf Pflanze Rose<br />

'Ich habe zwei Rosenstauden (vs. andere Stauden).'<br />

(c) T6i cö hai cei [cäy hang]N, möt<br />

ich haben zwei ex, cai Pflanze Rose ein<br />

cai mau väng vä möt cäi mau s.o.<br />

ex. C81 Farbe Gold und ein ex. cei Farbe rot<br />

'Ich habe zwei Rosenbüsche, einen gelben und einen roten.'<br />

(8.40) (a) T6i cö hai C1,1C väng.<br />

ich haben zwei Klumpen Gold<br />

'Ich habe zwei Klumpen Gold.'<br />

(b) T6i cö hai cai [C1,1C vängl.;<br />

ich haben zwei KIf Klumpen Gold<br />

'Ich habe zwei Goldklumpen (vs. Silberklumpen usw.)'.<br />

"'Das in Bisang (1993:22) genannte <strong>Beispiel</strong> aus dem Hmong (Sprache eines Hirtenvolks,<br />

die u. a. in den südlichen Provinzen Chinas, aber auch in den Bergen Nordvietn<strong>am</strong>s gesprochen<br />

wird) läßt vermuten, daß es in dieser Sprache eine ähnliche Konstruktion gibt, sozusagen ein<br />

'extra lub'. Nach Bisang (1993:31) ist lub der allgemeine KlffürN[-belebt], entspricht daher in<br />

dieser Funktion genau vietn. cdi 'allgem , KIf für N[-belebt]':<br />

(i) ib pob ab 'a elod (of earth)' (pob = Numerativ)<br />

a elod earth<br />

(ii) ib lub pob ab 'a elod (of earth)'<br />

a elf elod earth<br />

Dazu heißt es (Fn. 10, S. 47): "I can find no difference in meaning between ib pob av and ib<br />

lub pob av." Nach meiner Analyse würde (i) dt. 'Klumpen Erde', (ii) dagegen 'Erdklumpen'<br />

entsprechen; diese Alternation gibt es im Englischen nicht.


(c)<br />

Töi cö<br />

ich haben<br />

219<br />

hai cai [Ct.IC<br />

zwei ex.cäi Klumpen<br />

vang]N,<br />

Gold<br />

möt cäi Irin vä möt cäi nhö.<br />

ein ex.cet groß und ein ex.car klein<br />

'Ich habe zwei Goldklumpen, einen großen und einen kleinen.'<br />

Die Schwierigkeit bei der syntaktischen Analyse besteht nun darin, daß dieses Kontrast<br />

signalisierende 'extra cal und der allgemeine KIf cäi sich systematisch überlappen können,<br />

da die Abfolge zweier identischer Lexeme im Vietnarnesischen nicht erlaubt ist:<br />

"The identifier cäi and the pre-determiner cei [~ Kif, E.L.] have the sarne form<br />

and occur in neighboring positions. Ambiguity may result, therefore, since only<br />

one cdi can occur in a single noun cluster and it is sometimes difficult to determine<br />

which of the two cei's a given cäi is" (Duong 1971:121, Hervorhebung von<br />

mir, EL.).<br />

Während also in (8.4la) keine derartige Ambiguität vorliegen kann, ist genau dies in<br />

(8.4lb) der Fall:<br />

(8.41) (a) cai qua chuöi<br />

ex.csi KIf Banane<br />

(b) närn cäi nhä<br />

fünf Klf/ex.ca/ Haus<br />

(nach Dirong 1971:121)<br />

Zu <strong>Beispiel</strong>en wie (8.41 b) heißt es:<br />

"But in the case of nouns which are used with the pre-determiner cäi [~ KIf, E.L.]<br />

and which may or may not be used with the identifier csi [= 'extra csii; E.L.], it is<br />

hard to determine which cei a given cäi is. The simplest solution is to consider cai<br />

in these intermediate cases as performing two functions at the s<strong>am</strong>e time: that of<br />

identifier and that of pre-determiner" (Duong 1971: 121, Hervorhebung von mir,<br />

E.L.).<br />

Dem <strong>Beispiel</strong> (8.41 b) können daher zwei Strukturen zugeordnet werden; der Unterschied<br />

zeigt sich auch hier vorwiegend in der Intonation: In (8.42a) trägt nhe, in (8.42b) dagegen<br />

cäi den Hauptakzent (Repetition von *c;ii cäi ist ungr<strong>am</strong>matisch):


220<br />

2 3 I<br />

(8.42) (a) närn cai nhii<br />

fünf KIf Haus<br />

2 3<br />

(b) näm cai [*(cai) nhä],<br />

fünf ex.cä: Kif Haus<br />

'fünf Häuser'<br />

'fünf Häuser'<br />

('extra ca!)<br />

Folgen<strong>des</strong> <strong>Beispiel</strong> illustriert nochmals die Distribution von Kif und 'extra ca! sowie die<br />

funktionale überlappung identischer Lexeme:<br />

(8.43) (a) *hai cäy [cäy lau nhäl;<br />

zwei KIf Stab säubern Haus<br />

(b) hai 0, [cäy, lau nhäl;<br />

ZWei Stab säubern Haus<br />

(c) hai cai [cäy lau nhä];<br />

zwei ex.csi Stab säubern Haus<br />

'zwei Schrubber'<br />

'zwei Schrubber'<br />

'zwei Schrubber' ('extra ca!)<br />

Abschließend möchte ich noch anband <strong>des</strong> folgenden <strong>Beispiel</strong>s die Interaktion von Teilvon-Bezeichnungen,<br />

Nichtgliederung «8.44a) und (8.44b)), KIf-Konstruktion (8.44c) und<br />

'extra ca! (8.44d) illustrieren; gleichzeitig soll d<strong>am</strong>it zus<strong>am</strong>menfassend darauf hingewiesen<br />

werden, welche Vielfalt von Faktoren bei einer syntaktischen Beschreibung von<br />

Klfen zu beachten ist:<br />

(8.44) (a) Trong vüng näy cö (tlnr) rän hai Elll.u. 126<br />

In Gegend Dem. haben (Art) Schlange zwei Kopf<br />

'In dieser Gegend gibt es eine Schlange(nart) mit zwei Köpfen (genauer:<br />

'Zweikopfschlange').'<br />

(b) Con rän näy cö hai däu.<br />

KIf Schlange Dem. haben zwei Kopf<br />

'Diese Schlange hat zwei Köpfe (genauer: 'ist zweiköpfig').'<br />

(c) Con rän nay c6 hai cai däu lön.<br />

Kif Schlange Dem. haben zwei KIf Kopf groß<br />

'Diese Schlange hat zwei große Köpfe.'<br />

12'Dies ist kein fiktives <strong>Beispiel</strong>, denn solche Schlangen gibt es tatsächlich in Vietn<strong>am</strong>.


(d)<br />

Con<br />

Kif<br />

ran<br />

Schlange<br />

nay<br />

Dem.<br />

cö<br />

haben<br />

221<br />

hai cai [*(cail€lll.ulN,<br />

zwer ex. cäi KIf Kopf<br />

möt cai (all.u) nhö vä möt cai (däu) Ion.<br />

em KIf (Kopf) klein und ein Kif (Kopf) groß<br />

'Diese Schlange hat zwei Köpfe, einen kleinen und einen großen'<br />

Bei den o. a. 'extra cal-Konstruktionen liegen Komposita vor, die nur aufgrund dieses<br />

Konstruktionstyps als solche zu interpretieren sind (von der Konstruktion 'erzwungene',<br />

syntaktische Komposita, vg!. hierzu die o. a vietn<strong>am</strong>esische Terminologie).<br />

Im letzten Abschnitt möchte ich noch auf Komposita vom Typ 'Kif + N' als solche und<br />

insbesondere auf deren referentielle Funktion in der Textdeixis eingehen, d. h. auf Komposita<br />

mit anaphorischer bzw. kataphorischer Funktion.<br />

8. 4. Textdeixis<br />

In Kap. 2.3.5., <strong>Beispiel</strong> (2.3.62) habe ich schon darauf hingewiesen, daß zwischen einer<br />

KIf-Konstruktion und dem entsprechenden Kompositum 'Kif + N' ein systematischer Bedeutungsunterschied<br />

vorliegt:<br />

(8.45) (a) (möt) nguöi b~n töi '(irgend)ein Freund von mir' [= (2.362)]<br />

em Mensch Freund ich<br />

[= KIf]<br />

(b) [ngI1ai banl., töi 'mein (bester) Freund'<br />

Mensch Freund ich<br />

Dieses <strong>Beispiel</strong> zeigt freie Variation zwischen einer NP (nglt&j ben wört!. 'Mensch<br />

Freund') und einem Kompositum (nglt&j ben wörtl. 'Freundmensch'). Ich habe diesen<br />

Typ von Komposita bisher mit 'Kif + N' charakterisiert, um die Analogie zwischen beiden<br />

Verwendungsweisen zu betonen. Da ich aber davon ausgehe, daß es sich bei Klfen<br />

um Nomina handelt, die in einer bestimmten Position (der Kif-Position) stehen, und<br />

nicht um eine (mehr oder weniger geschlossene) Wortklasse, die auf diese Position<br />

festgelegt ist, kann auch dieser Typ von Kompositum ebenso wie je<strong>des</strong> andere Nominalkompositum<br />

mit 'N + N' charakterisiert werden. Die Parallelität zum Deutschen ist


222<br />

dabei teilweise gegeben (Klumpen Gold vs. Goldklumpen, s. o. <strong>Beispiel</strong> (8.40)), teilweise<br />

nicht (*Mensch Freund, *Freundmensch). Dieser spezielle Typ von Komposita zeichnet<br />

sich jedoch von anderen 'N+N'-Komposita dadurch aus, daß erstere ebenso wie die<br />

entsprechende Kif-Konstruktion das Merkmal [+gegliedert] enthalten, d. h. sie bezeichnen<br />

jeweils eine Einheit ('Singulativkomposita'). Dieser Kompositionstyp kommt in<br />

generischen Sätzen vor (8.46) und ist bei Aufzählungen obligatorisch «8.47) und<br />

(8.48)). Bei<strong>des</strong> sind Kontexte, in denen ein quantifizieren<strong>des</strong> Element (wie z. B. fakultatives<br />

mot 'eins', das dann eine Kif-Konstruktion erforderlich machen würde) obligatorisch<br />

ausgeschlossen ist, d. h. nicht vorkommen darf:<br />

Generische Sätze:<br />

(8.46) (a) [con calN thi söng<br />

Lebewesen Fisch Kopula leben<br />

'Ein/der Fisch lebt im Wasser.'<br />

i'J nuöc,<br />

in Wasser<br />

(b) [con ngttlfil N ai cüng chet.<br />

Lebewesen Mensch jeder auch sterben<br />

'Jeder Mensch muß sterben/ist sterblich.'<br />

(c) [con ch61N c6 bön chän.<br />

Lebewesen Hund haben vier Bein<br />

'Ein/der Hund hat vier Beine (genauer: 'ist vierbeinig')'<br />

Aufzählung:<br />

(8.47) töi nuoi<br />

ich halten<br />

au thü chim, [chim enl N<br />

genug Art Vogel Vogel Schwalbe<br />

[~ (5.55)]<br />

[chim thÖ riulN, [chim se Se]N<br />

Vogel Wiedehopf Vogel Spatz<br />

'Ich halte Vögel aller Art, Schwalben, Wiedehopfe, Sperlinge.'<br />

(8.48) [Chiec vaylN mau chärn b6 sät thän,<br />

Stück Rock Farbe Indigo binden eng Körper<br />

[ch iec aol N cänh hmg cüng mau chäm,<br />

Stück Hemd Ärmel kurz auch Farbe Indigo


223<br />

lchiec that]N hmg' xanh, [chiec khänl; träng ...<br />

Stück Gürtel kurz blau Stück Tuch weiß<br />

'Der indigofarbene Rock ist eng gebunden, die kurzärmelige Bluse ist auch<br />

indigofarben, der kurze Gürtel ist blau, das (Kopfjtuch weiß, ...'<br />

Nguyen (1990:184)<br />

Dieser systematisch vorhandene Unterschied zwischen Kompositum und NP spielt nun<br />

vor allem in der Textdeixis eine wichtige Rolle. Die Gesetzmäßigkeit besteht darin, daß<br />

ein in den Diskurs obligatorisch als gegliedert eingeführter Referent (8.49a) auch als gegliedert<br />

wieder aufgenommen werden muß, und zwar durch das entsprechende Kompositum<br />

(8.49b); dies ist meist bedingt durch einen Wechsel <strong>des</strong> textuellen Rahmens<br />

('fr<strong>am</strong>e'), wie die Distanz zwischen (8.49a) (Märchen 1, Satz 8) und (8.49b) (Märchen I,<br />

Satz 22) zeigt:<br />

(8.49) (a)<br />

1,8<br />

mÖi ngäy aeu c6 möt con qua<br />

jeder Tag alle haben ein Tier Rabe<br />

[= KIf]<br />

aen aij.u tren cäy an het trai.<br />

kommen setzen auf Baum essen alle Frucht<br />

'Jeden Tag k<strong>am</strong> ein Rabe, setzte sich auf den Baum und fraß alle Früchte'<br />

1,22 (b) Hang ngäy [con qUf!.]N vän aen an khä,<br />

Jeden Tag Tier Rabe immer noch kommen essen Kar<strong>am</strong>bola<br />

'Der Rabe k<strong>am</strong> immer noch und fraß die Kar<strong>am</strong>bola.'<br />

Diese Komposita finden sich auch in der entsprechenden pluralischen Variante. Wäre<br />

statt von einem Raben von dreien die Rede, würde man (8.50) erhalten:<br />

(8.50) (a) ba con qua ...<br />

drei Tier Rabe<br />

[=Klf]<br />

'... drei Raben ...'<br />

(b) ... nhüng [con qual;<br />

Plural Tier Rabe<br />

'... die Raben ..'<br />

Um diesen Typ von Kompositum für den Leser besser nachvollziehbar zu machen, habe<br />

ich in Märchen 1 die relevanten Komposita mit "[...]/ markiert. Hier noch ein <strong>Beispiel</strong>,


224<br />

welches gleichzeitig zeigt, daß diese Distribution von NP und Kompositum nicht nur auf<br />

die Subjektposition beschränkt ist:<br />

(8.51) (a) ... M cho [nginri em]N möt cäy khö.<br />

1,4 zurücklassen für jüng.Bruder ein Baum Kar<strong>am</strong>bola<br />

[= KIf]<br />

, ... ließ dem jüngeren Bruder (nur) einen Kar<strong>am</strong>bolabaum übrig.'<br />

1,6 (b) ... chäm Mn [cäy khel N<br />

" .<br />

konzentrieren düngen Baum Kar<strong>am</strong>bola<br />

'... sorgte gut für den Kar<strong>am</strong>bolabaum ...'<br />

In folgendem <strong>Beispiel</strong> (8.52) werden die Hauptfiguren <strong>des</strong> Märchens, zwei Brüder,<br />

durch eine Kif-Konstruktion in den Diskurs eingeführt (8.52a); in (8.52b) ist ein KIf<br />

nicht möglich, da mit der NP auf eine Ges<strong>am</strong>tmenge referiert wird, was sich in der<br />

deutschen Übersetzung neben dem in diesem Zus<strong>am</strong>menhang obligatorischen definiten<br />

Artikel auch durch die Übersetzung von hai 'zwei' mit 'beide' widerspiegelt; (8.52c) und<br />

(8.52d) sind NPs, die jeweils auf einen dieser Brüder referieren:<br />

(8.52) (a) . hai<br />

1,1 zwei<br />

nginri<br />

Mensch<br />

[= KIf]<br />

con trai ".<br />

Kind männlich<br />

1,2 (b) hai anh em 127<br />

zwei älterer Bruder jüngerer Bruder<br />

.. die beiden Brüder<br />

1,3 (c) [ngiröi anh];<br />

Mensch älterer Bruder<br />

'der ältere Bruder'<br />

121Hier liegt wieder Bezeichnung einer Ges<strong>am</strong>tmenge vor (kein KIf). Vgl. d<strong>am</strong>it Kap. 8.2.,<br />

<strong>Beispiel</strong> (8.16).


225<br />

1,3 (d) [ngiröi em];<br />

Mensch jüngerer Bruder<br />

'der jüngere Bruder'<br />

Diese Interaktion von Kompositum und NP bzw. die anaphorische Funktion <strong>des</strong> Kompositums<br />

mag zunächst erstaunlich sein; sie ist es aber nicht, wenn man bedenkt, daß<br />

dieselbe Interaktion auch in einer uns wesentlich vertrauteren Sprache vorliegt - nämlich<br />

dem Deutschen. Dieses Phänomen habe ich in Löbel (1986:188-191) beschrieben,<br />

woraus auch die folgenden <strong>Beispiel</strong>e st<strong>am</strong>men: 128<br />

(8.53) Für den Weihnachtsstern brauchen wir drei Blätter Papier, etwas Goldfarbe<br />

und Klebstoff.<br />

?? Das Papier wird }<br />

* Die Blätter } werden aufeinandergelegt und in der Mitte gefaltet<br />

Die Papierblätter }<br />

(8.54) Für die Cocktailspießehen wird der Käse in kleine Würfel und die Gewürzgurken<br />

in Scheiben geschnitten.<br />

?? Der Käse wird }<br />

* Die Würfel } werden dann in Paprika gewälzt und abwechselnd mit<br />

Die Käsewürfel }<br />

n den Gurken }<br />

* den Scheiben } auf kleine Spießehen gesteckt<br />

den Gurkenscheiben} (Löbel 1986:190)<br />

Bei diesen quantitativen Konstruktionen verhält sich das Vietn<strong>am</strong>esische ebenso, wie<br />

folgende annähernde Übersetzungen von (8.53) und (8.54) in (8.55) und (8.56) zeigen:<br />

12'Diese anaphorische Funktion gibt es auch im Englischen:<br />

"Stir 1/4 cup of Port wine into the cornstarch. Remove braising liquid from heat and beat into it<br />

the cornstarch-Port mixture; [...] Place the egg yolks in the STARCH BOWL, and [...]"<br />

(Downing 1977:839, Hervorhebung von der Autorin, E.L.).<br />

Der Artikel von Downing (1977) ist m. W. der einzige, der ausführlich auf diese Funktion von<br />

Komposita hinweist <strong>Eine</strong> systematische Erforschung dieser direkten Anaphern ist mir nicht bekannt;<br />

eine Untersuchung zu indirekten Anaphern ist in Arbeit (p. c. Monika Schwar}}


226<br />

(8.55) Muön läm<br />

wollen machen<br />

den trung-thu chung ta cän<br />

L<strong>am</strong>pe Mitte-Herbst wir brauchen<br />

ba tarn<br />

.~<br />

giay, rn(it chüt mau vang vä hö.<br />

drei Blatt Papier em wenig Farbe Gold und Klebstoff<br />

Nhüng [tarn giäyl., ay phäi dan chöng<br />

Plural Blatt Papier Dem. müssen kleben stapeln<br />

lön nhau vä xep a chinh giUa.<br />

auf gegenseitig und falten in genau Mitte.<br />

'Um eine Herbst-Lateme zu basteln, brauchen wir drei Blatt Papier, ein wenig<br />

Goldfarbe und Klebstoff Die Papierblätter müssen genau aufeinander geklebt<br />

und in der Mitte gefaltet werden'<br />

(8.56) Muön läm thjt nirdng thi phäi cät thjt thanh<br />

wollen machen Fleisch rösten dann müssen schneiden Fleisch Gestalt<br />

nhüng cuc nhö vä trai dira leo cät<br />

Plural Würfel klein und Frucht Gurke schneiden<br />

ra thänh nhüng mieng nhö.<br />

heraus Gestalt Plural Scheibe klein<br />

'Um einen Rostbraten (auf einem Spieß) herzustellen, muß man Fleisch in kleine<br />

Würfel und eine Gurke in kleine Scheiben schneiden.'<br />

Nhüng [C1}C thjt]N ay vä nhüng lmiöng dua leo]; ay<br />

Plural Würfel Fleisch Dem. und Plural Scheibe Gurke Dem.<br />

se augc gäm väo möt cäy tre<br />

werden bekommen stecken hinein em Stab B<strong>am</strong>bus<br />

nhö röi dem di mrdng.<br />

klein fertig nehmen gehen rösten<br />

'Die Fleischwürfel und die Gurkenscheiben werden auf einen kleinen B<strong>am</strong>busspieß<br />

gesteckt und geröstet.'<br />

Daß diese Komposita nicht nur anaphorische, sondern auch kataphorische Funktion<br />

haben können, zeigen die beiden Titel von Märchen I und Märchen II; ebensowenig wie<br />

im Deutschen wäre auch im Vietn<strong>am</strong>esischen eine Interpretation wie 'Ein Rabe und ein<br />

Kar<strong>am</strong>bolabaum' (8.57b) bzw. '<strong>Eine</strong> Wassermelone' (8.58b) als Titel nicht sinnvoll:


227<br />

(8.57) (a)<br />

I,Titel<br />

lcon qU/?']N vä [cäy khe]N<br />

Tier Rabe und Baum Kar<strong>am</strong>bola<br />

'Der Rabe und der Kar<strong>am</strong>bolabaum'<br />

Dagegen:<br />

(b)<br />

(8.58) (a)<br />

II,Titel<br />

con [qua] vä cäy [khe]<br />

Tier Rabe und Baum Kar<strong>am</strong>bola<br />

[= KIfJ<br />

'Ein Rabe und ein Kar<strong>am</strong>bolabaum'<br />

[qua dua häul;<br />

Frucht (Wasser-)Melone<br />

'Die Wassermelone'<br />

Dagegen:<br />

(b) qua ldüa hau]<br />

Frucht (Wasser-)Melone<br />

[= KlfJ<br />

'<strong>Eine</strong> Wassermelone'<br />

Aufgrund dieser Interaktion zwischen NP und Kompositum sind Interpretationen von<br />

Klfen wie die folgenden für Vietn<strong>am</strong>esisch nicht zutreffend:<br />

"In Vietn<strong>am</strong>ese and in Hmong, classifiers can occur as the only determinative of<br />

the noun in the sequence CL-N. If the classifier occurs in this particular sequence<br />

as the only determinative it expresses referentiality (specificity or definiteness) as<br />

a secondary function [...]" (Bisang 1993a:12).<br />

In Bisang (ibid.) wird als Evidenz dafür <strong>Beispiel</strong> (8.59) genannt. Dieses ist jedoch systematisch<br />

<strong>am</strong>big und nur aufgrund <strong>des</strong> Kontexts als indefinit (genauer: nicht vorerwähnt,<br />

vgl. (8.59b)) oder definit (genauer: vorerwähnt, vgl. (8.59c)) zu interpretieren:<br />

(8.59) (a) töi mua qua c<strong>am</strong><br />

ich kaufen Frucht Orange<br />

'I buy the orange' [= (2.9)]<br />

(Bisang 1993a:13)<br />

(b) töi mua (möt) qua c<strong>am</strong><br />

ich kaufen ein Frucht Orange<br />

[= KIf]<br />

'Ich kaufe eine Orange.'


228<br />

(c) töi mua [qua c<strong>am</strong>l.,<br />

ich kaufen Frucht Orange<br />

'Ich kaufe die Orange.'<br />

Nimmt man für (8.59a) noch die pluralische Variante hinzu, zeigt sich deutlich, daß<br />

'Definitheit' nicht mit dem Kif als solchem korreliert, sondern mit der Position vor dem<br />

Kompositum, die·in der singularischen Interpretation nicht besetzt sein darf: 129<br />

(8.60) töi mua nhüng [qua<br />

ich kaufen Plural Frucht<br />

'Ich kaufe die Orangen'<br />

Dementsprechend erhält man folgende Opposition:<br />

(8.61) (a) [0 [qua c<strong>am</strong>]N[+g,gl;'d'''1 ]NP<br />

Frucht Orange<br />

(b) [nhüng [qua c<strong>am</strong>]N[+g",';'d'rtl ]NP<br />

Plural Frucht Orange<br />

'die Orange' [+NP, +vorerwähnt]<br />

'die Orangen' [+NP, +vorerwäbnt]<br />

In diesem Sinne ist auch folgende kleine Textsequenz (8.62) aus Tnrong (1970:308) zu<br />

interpretieren, mit dem die Funktion <strong>des</strong> Pluralmarkers nhüngillustriert wird.!"<br />

"Nhllng, exhaustif, peut en outre repondre ä<br />

une totalite precise qui a ete denombree<br />

12'Gegen die Korrelation von qua' (a) KIf für Früchte, (b) Frucht' mit der Signalisierung<br />

von 'definit' bzw. 'spezifisch' sprechen natürlich auch die o. a. <strong>Beispiel</strong>e (8.46) bis (8.48). In<br />

generischen Sätzen ist die normalerweise vorliegende Opposition zwischen den einzelnen Artikelformen<br />

im Deutschen neutralisiert ('Ein/der Mensch ist sterblich' bzw. '(Die) Menschen sind<br />

sterblich'). Bei Aufzählung erhält man im Deutschen eher den Plural (vgl. die Übersetzung von<br />

(8.47)); ebenso könnte auch (8.48) im Deutschen mit Plural wiedergegeben werden.<br />

l30Die Entsprechung zu 'Ich kaufe Orangen' lautet<br />

(i) töi mua c<strong>am</strong> 'Ich kaufe Orangen'<br />

ich kaufen Orange<br />

'''Nach Tnrong (1970:307) ist nhilngder einzige Pluralmarker, der sowohl eine exhaustive<br />

als auch eine partitive Lesart erlaubt. Was Tnrong genau unter 'partitif versteht, wird aus seinen<br />

Ausführungen nicht klar. Es ist aber anzunehmen, daß er d<strong>am</strong>it die in Kap. 8.3. beschriebene<br />

milo-tll'Konstruktion meint, bei der nhwJg restriktiv im Sinne von 'die(jenigen) ..., die' wiederzugeben<br />

ist.


229<br />

plus haut ou le sera plus bas. Dans ce cas, le substantif principal peut avoir un specificatif,<br />

etant pris dans le sens deterrnine":<br />

(8.62) (a) C6 närn qua carn thöi.<br />

haben fünf Frucht Orange faul<br />

[= KIf)<br />

'11 y a cinq oranges pourries.'<br />

(b) Nhüng [qua c<strong>am</strong>l., thöi, vüt<br />

Plural Frucht Orange faul wegwerfen<br />

'Les oranges pourries, jetez-les.'<br />

nö 8.i<br />

Sie gehen[=<br />

Imperativ]<br />

In allen diesen <strong>Beispiel</strong>en ist übrigens nhrlngobligatorisch. Dies ist ein Indiz dafür, daß<br />

pluralische Markierung keineswegs so fakultativ ist, wie dies in den Gr<strong>am</strong>matiken suggeriert<br />

wird. Das zeigt auch folgende Gegenüberstellung, wobei nh(iJ1g in (8.63b) als<br />

eine Art 'Kongruenz im Numerus' mit der koordinierten Subjekt-NP interpretiert werden<br />

kann:<br />

(8.63) (a) Ba Giäp lä nginri me hfön<br />

Frau Giap Kopula Mensch Mutter lieb<br />

[= KIf)<br />

'Mad<strong>am</strong>e Giap est une mere vertueuse' Tnrong (1970251)<br />

At<br />

(b) Ba Giap vä bä la nhüng ngttai me hien<br />

Frau G. und Frau At Kop. Plural Mensch Mutter lieb<br />

. [~ KIf)<br />

'Frau Giap und Frau At sind gute Mütter.'<br />

Die bisherigen <strong>Beispiel</strong>e zeigen, daß anaphorische Komposita im Vietn<strong>am</strong>esischen ebenso<br />

wie im Deutschen und Englischen (s. 0 Fn. 128) als syntaktisch bedingte Komposita<br />

anzusehen sind, da sie als Anaphern nicht in freier Variation mit einer entsprechenden<br />

NP stehen können.<br />

Daß auch in anderen Kif-Sprachen ein dem Vietn<strong>am</strong>esischen vergleichbares Phänomen<br />

vorliegt, zeigt folgen<strong>des</strong> <strong>Beispiel</strong> von Chao (1968:396) aus dem Kantonesischen (Südchina):


230<br />

(8.64) (a) Kiw koh yan<br />

KANT rufen Kif Mann<br />

(b) Koh yan muxag<br />

Kif Mann nicht-wollen<br />

'Call a man'<br />

lai 'The man won't come'<br />

kommen<br />

Dazu heißt es: ''[. ..] since the subject position has definite reference, the M[~ Kif, E.L.]<br />

translates also into 'the' instead of 'a'", Der entscheidende Unterschied ist jedoch, daß in<br />

(a) potentiell yat 'eins' eingefügt werden kann, was eine KIf-Konstruktion auslöst; in (b)<br />

dagegen ist das nicht möglich, werm man beide Sätze, wie von Chao intendiert, als<br />

Textsequenz auffaßt:<br />

(8.65) (a) Kiw (yat) koh yan<br />

KANT rufen (ein) Mensch Mann<br />

[= Klf]<br />

'Rufe einen Mann.'<br />

(b) [Koh yan]; muxag lai 'Der Mann will nicht kommen.'<br />

Mensch Mann nicht-wollen kommen<br />

Die durch die Yorerwähntheit bedingte definite Interpretation von (b) korreliert also<br />

nicht d<strong>am</strong>it, daß "the M [= Kif, E.L.]translates" als definit, sondern mit der (obligatorisch<br />

nicht besetzten) Position davor und mit der Folge koh yan 'Mensch Mann' als<br />

Kompositum.<br />

Für derartige Phänomene sind natürlich größere Textuntersuchungen erforderlich, doch<br />

die zumin<strong>des</strong>t im Vietn<strong>am</strong>esischen vorliegende Systematik wird schon durch diese wenigen<br />

<strong>Beispiel</strong>e deutlich und unterstützt gleichzeitig die These, daß der KIf keine separate<br />

Wortklasse, sondern eine syntaktische Funktion ist und die entsprechenden Nomina<br />

demgemäß auch Bestandteil eines Kompositums sein können. Diese Komposita sind in<br />

ihrer anaphorischen Funktion im Deutschen nachvollziehbar, wenn Quantifizierung von<br />

N[-strukturiert] (MassenN) durch entsprechende Numerative vorliegt (vgl.<br />

vs. Papierblätter in (8.55)), aber nicht bei IndN, d. h. bei N[+strukturiert].<br />

Blätter Papier


231<br />

Die Beobachtungen in diesem Kapitel zeigen gleichzeitig, daß auch in einer streng<br />

isolierenden Sprache wie dem Vietn<strong>am</strong>esischen zwischen syntaktischer (NP-) Ebene und<br />

(komplexer) Wortebene nicht nur unterschieden werden kann, sondem auch unterscbieden<br />

werden muß.<br />

9. Zus<strong>am</strong>menfassung<br />

Die vorliegende Untersuchung zu Klassifikatoren hat gezeigt, daß Gliederung (vs. Nichtgliederung)<br />

für die ges<strong>am</strong>te NP-Syntax <strong>des</strong> Vietn<strong>am</strong>esischen konstitutiv ist. D<strong>am</strong>it<br />

ergeben sich interessante Korrelationen zu einer Typologie von Nominalphrasen im<br />

Sinoe von Chesterrnan (1991), wonach für Englisch Lokalisierbarkeit und Inklusivität,<br />

für Finoisch dagegen Teilbarkeit die NP-relevanten Kriterien bilden (hierzu Löbel<br />

(1996b, in Vorb.)).<br />

Gliederung kann im Vietn<strong>am</strong>esischen wiederum unterteilt werden in einen konzeptuellen<br />

Aspekt (KIf-Konstruktionen und d<strong>am</strong>it Gliederung strukturiert konzeptualisierter Begriffe)<br />

und einen die Referenz betreffenden Aspekt (Restriktivität, Kontrast bzw. Vergleich,<br />

Anapher). Ferner korreliert dieses Prinzip mit der Verwendung von Nomina als sortale<br />

Begriffe bzw. Konzepte (Gliederung) im Gegensatz zu funktionalen Begriffen bzw.<br />

Konzepten (Nichtgliederung). Diese Kriterien, die <strong>am</strong> Deutschen entwickelt wurden<br />

(Vater (1979[=1963]) und Löbner (1979) bzw. (1985)), lassen sich d<strong>am</strong>it in sinovoller<br />

Weise auf das Vietn<strong>am</strong>esische anwenden, was als Indiz für deren universalen Charakter<br />

gewertet werden kann.<br />

Aufgrund der vorliegenden Untersuchung können nun die in der Einleitung formulierten<br />

Fragen beantwortet werden. Dabei möchte ich nochmals betonen, daß diese Antworten<br />

- wie schon in der Einleitung erwähnt - speziell für das Vietn<strong>am</strong>esische gelten, denn<br />

es ist davon auszugehen, daß Kif-Systeme ebenso unterschiedlich sind wie Genus- bzw.<br />

Nominalklassensysteme (hierzu Corbett (1991)). Ein hierfür relevantes Kriterium ist


nicht zuletzt die unterschiedliche Reihenfolge von Konstituenten innerhalb der NP in<br />

232<br />

den einzelnen KIf-Sprachen (vgl. Abb. 1.3, S. 11).<br />

Bezüglich der formalen Abgrenzung quantifizierender Konstruktionen (Frage I) kann<br />

festgehalten werden, daß sich Maßkonstruktionen vom Typ mot l(1ng vang'eine Unze<br />

Gold' und Kollektivkonstruktionen wie mät d(ji quan 'eine Truppe Soldaten' formal von<br />

KIf- und Numerativkonstruktionen abgrenzen lassen Die Tatsache, daß Maßwörter und<br />

Kollektiva etwas bezeichnen, das nicht Bestandteil der Bedeutung der quantifizierten<br />

Nomina ist, spiegelt sich darin wider, daß quantifizieren<strong>des</strong> und quantifiziertes Nomen<br />

durch Lexeme wie day'voll (sein), ganz (sein)' bzw. rLfiJi 'Hälfte (von)' getrennt werden<br />

können (Kap. 4.2. und 4.3.). Demgegenüber können Numerativkonstruktionen wie m(jt<br />

C(1C viing 'ein KIumpen Gold' und KIf-Konstruktionen wie mät qua c<strong>am</strong> 'eine Orange'<br />

nicht formal unterschieden werden (Kap. 4.4.).<br />

Aus der formalen Identität dieser beiden Konstruktionen muß aber nicht notwendigerweise<br />

gefolgert werden, daß dementsprechend auch die quantifizierten Nomina wie viing<br />

'Gold' bzw. c<strong>am</strong> 'Orange' als solche identisch sind, m. a. W. daß zwischen Substanzen<br />

bezeichnenden und diskrete Entitäten bezeichnenden Nomina syntaktisch nicht unterschieden<br />

wird. Identisch sind beide Typen von Nomina insofern, daß sie nur in Kombination<br />

mit einem Numerativ bzw. KIf mit statischen Verben wie Mn 'groß (sein)', dsi<br />

'lang (sein)' verbunden werden können, wenn letztere eine den deutschen Adjektiven<br />

entsprechende attributive Lesart haben sollen, d. h. nicht mehr als verbale Prädikate<br />

interpretierbar sind (Kap. 5.1.). Dieses Kriterium wird z. B. von Cao (1988) für deren<br />

syntaktisch identischen Status als Massennomina herangezogen (Kap. 5.2.). Ferner ist<br />

beiden Typen von Nomina gemeins<strong>am</strong>, daß sie transnumeral, d. h. numerusindifferent<br />

sind, was ich mit dem Merkmal [-gegliedert] bezeichnet habe (Kap. 6.1.). Dies sind die<br />

Kriterien, die für beide nominalen Subklassen gleich sind.<br />

Das Kriterium, das für die Unterscheidung beider Typen von Nomina ausschlaggebend<br />

ist (Frage 6), ist Strukturiertheit (so schon Greenberg (1974») (Kap. 6.). Nomina, die<br />

strukturiert konzeptualisierte Begriffe bezeichnen, können 'zählbar' (i. S. v. 'kombinierbar


233<br />

mit Zahlen') gemacht werden entweder durch den Bezug auf das mit diesen Nomina<br />

denotierte Ganze oder auf <strong>des</strong>sen Teile (Kap. 5.3.). Diese Eigenschaft impliziert, daß<br />

diese Nomina weder Affinität zu Massennomina noch zu Kollektiva haben. Die Teilvon-Bezeichnungen<br />

sind im Deutschen teilweise nachvollziehbar, teilweise jedoch nicht.<br />

Dabei bin ich nicht - wie in der Literatur zu Klfen üblich - von den Klfen als solchen<br />

ausgegangen, sondern von den zu klassifizierenden Nomina. Dieser Aspekt ist insofern<br />

relevant, als man anderenfalls nicht in der Lage ist, systematisch zwischen der Kategorisierung<br />

von Gegenständen und deren Bezeichnungen (kognitiver Aspekt) und der eigentlichen<br />

Klassifikation von Nomina im engeren Sinne zu unterscheiden (Kap. 7.). Darin<br />

liegt m. E. auch der Grund, warum es so schwer ist, die genaue Anzahl von Klfen in<br />

einer Sprache festzulegen (Frage 3). Für das Vietn<strong>am</strong>esische ergibt sich jedenfalls, daß<br />

im Prinzip je<strong>des</strong> Nomen mit dem Merkmal [+strukturiert] in der Lage ist, ein zu klassifizieren<strong>des</strong><br />

Nomen zählbar zu machen bzw. zu 'klassifizieren', wenn es entweder in einer<br />

taxonomischen oder einer meronomischen Relation zu diesem steht. Taxonymie und<br />

Meronymie spielen auch in anderen Sprache eine wesentliche Rolle (Kap. 5.5.). Der<br />

entscheidende Unterschied zum Vietn<strong>am</strong>esischen besteht jedoch darin, daß beide Relationen<br />

für syntaktische Zwecke genutzt werden, nämlich 'eine Einheit' zu signalisieren.<br />

Dementsprechend sind Nomina, die strukturiert konzeptualisierte Begriffe bezeichnen,<br />

systematisch unterspezifiziert und enthalten die Merkmale [+N, ± strukturiert, ± gegliedert].<br />

Die Spezifizierung dieser Merkmale ist abhängig von der Position dieser Nomina<br />

in der jeweiligen NP: Als klassifizierende Nomina bzw. Klfen, die auf die Position vor<br />

dem zu klassifizierenden Nomen festgelegt sind, enthalten sie die Merkmale [+N, -strukturiert,<br />

+gegliedert], als klassifizierte Nomina dagegen [+N, +strukturiert, -gegliedert]<br />

(Kap. 6.2.). Die Abhängigkeit der Merkmalspezifizierung von der Position der jeweiligen<br />

Nomina impliziert, daß es sich bei Klfen im Vietn<strong>am</strong>esischen um eine syntaktische<br />

Funktion handelt, d. h. ein Nomen fungiert als KIf unter den o. a. Bedingungen. D<strong>am</strong>it<br />

kann Frage 3 dahingehend beantwortet werden, daß Klfen im Vietn<strong>am</strong>esischen eine<br />

offene Klasse darstellen und es wenig sinnvoll ist, nach einer festgelegten Anzahl zu<br />

suchen. Dementsprechend gilt auch, daß ein zu klassifizieren<strong>des</strong> Nomen nicht nur durch<br />

einen bestimmten KIf bzw. Nomen klassifiziert werden kann (Frage 7), d. h. die Klassi-


234<br />

fikation eines Nomens mittels mehrerer Klfen bildet eher die Regel als die Ausnahme<br />

(Kap. 7).<br />

D<strong>am</strong>it laßt sich auch Frage 5 bezüglich der Unterscheidung von klassifizierten und<br />

nichtklassifizierten Nomina (Emeneau 1951) dahingehend beantworten, daß diese keine<br />

Frage <strong>des</strong> Lexikons ist, sondern eine Frage der Verwendung von Nomina, wobei insbesondere<br />

die Unterscheidung zwischen sortalen und funktionalen Begriffen bzw. Konzepten<br />

eine Rolle spielt (Kap. 8.1. und 8.2.).<br />

Für N[-strukturiert] gilt diese Systematik hingegen nicht. Sie sind nur als quantifizierte<br />

Nomina verwendbar und können nie vor einem zu quantifizierenden Nomen stehen.<br />

Dementsprechend sind sie voll spezifiziert und enthalten die Merkmale [+N, -strukturiert,<br />

-gegliedert]. Komplementär dazu können abstrakte Maßbezeichnungen wie 1ft 'Liter',<br />

cän 'Pfund' nicht als quantifizierte Nomina verwendet werden; sie sind auf die Position<br />

vor dem zu quantifizierenden Nomen festgelegt und enthalten entsprechend die<br />

Merkmale [+N, -strukturiert, +gegliedert]. D<strong>am</strong>it kann Frage 4, ob es eine Gruppe von<br />

Nomina gibt, die auf die Bedeutung 'eine Einheit' festgelegt sind, dahingehend beantwortet<br />

werden, daß diese Frage für Maßbezeichnungen bejaht werden kann, für Klfen<br />

jedoch nicht, da letztere, wie in Kap. 6.2. gezeigt, auch numerusindifferent sein können.<br />

Der Frage 2, inwiefern sich Klfen auf inhärente Eigenschaften beziehen, bin ich in Kap.<br />

7 nachgegangen. Auch hier ist wieder zu fragen, worauf sich 'Inhärenz' bzw. 'inhärente<br />

Eigenschaft' eigentlich bezieht, auf die Kategorisierung von Gegenständen als solchen<br />

und deren Bezeichnungen, oder auf die Klassifikation von Nomina. Bei der Kategorisierung<br />

von Gegenständen (in lange Objekte, runde Objekte, Tiere, Pflanzen usw.) erhält<br />

man natürlich eine Anzahl disjunkter Klassen i. S. v. 'disjunkte Gegenstände und deren<br />

Bezeichnungen' (Abb, 7.1.), was aber wiederum zu trennen ist von der Klassifikation<br />

von Nomina im engeren Sinne. So ist beispielsweise fraglich, welcher Kif in bezug auf -_.<br />

das Nomen csm 'Orange' der inhärentere ist, der Kif qua 'Frucht' in qua c<strong>am</strong> 'Frucht<br />

Orange/Orangenfrucht' oder der KIf cay in cay c<strong>am</strong> 'Baum Orange/Orangenbaum'. Beide<br />

Klfen bezeichnen natürlich zwei disj unkte Klassen von Gegenständen; nimmt man je-


235<br />

doch das Nomen csm als Ausgangspunkt, das lediglich das Konzept 'Orange' bezeichnet,<br />

sind beide Klfen in gleicher Weise 'inhärent' bzw. 'temporär'. Sinnvoller erscheint<br />

mir daher der in Kap. 7 vorgeschlagene Test, wonach Klfen in bestimmten Konstruktionen<br />

nicht realisiert werden. Welcher KIf und d<strong>am</strong>it welche Bedeutungskomponente <strong>des</strong><br />

(nicht-)klassifizierten Nomens jeweils vorliegt, ist nur aufgrund <strong>des</strong> Kontextes erschließbar<br />

und daher nur bedingt eine Frage <strong>des</strong> Lexikons. Daß es aber tatsächlich KIfen gibt,<br />

die nicht aus dem Kontext erschlossen werden und daher auch nicht unausgedrückt bleiben<br />

können, habe ich <strong>am</strong> <strong>Beispiel</strong> von qua ruii 'Hügel (wörtlich 'Frucht BergIBergfrucht')<br />

gezeigt. Diese 'speziellen', eine zusätzliche Information liefernden KIfen setzen<br />

allerdings voraus, daß auch das klassifizierte Nomen eine zusätzliche Information enthält,<br />

d. h. ein attributive Ergänzung ist obligatorisch.<br />

In bezug auf Frage 8, welche gr<strong>am</strong>matische Information mit einem KIf, genauer: der<br />

KIf-Position korreliert, habe ich gezeigt, daß diese die Funktion hat, Gliederung zu<br />

signalisieren. Im Zus<strong>am</strong>menhang d<strong>am</strong>it steht auch Frage 10, warum Klfen keinen Bezug<br />

außerhalb der NP haben, in der sie vorkommen. Sie sind hinsichtlich der in Corbett<br />

(1991) vorgenommenen Unterscheidung weder dem 'controller gen der' (Genus <strong>des</strong> Nomens)<br />

noch einem 'target gender' (Genus der vom Nomen abhängigen Kategorien) zuzuordnen,<br />

sondern bilden ein eigenes 'target', das ähnlich wie der indefinite Artikel bzw.<br />

Quantor im Deutschen Gliederung und d<strong>am</strong>it syntaktische Bezugsfähigkeit signalisiert.<br />

Daß KIfen keine morphologische Einheit mit dem klassifizierten Nomen bilden können<br />

(Frage 9), muß für das Vietn<strong>am</strong>esische verneint werden. Komposita vom Typ 'KIf + N'<br />

sind im Unterschied zu anderen Komposita vom Typ 'N + N' ebenso wie die entsprechenden<br />

KIf-Konstruktionen gegliedert, d. h. sie bezeichnen jeweils eine Einheit. Diese<br />

Komposita sind obligatorisch bei anaphorischer oder kataphorischer Verwendung (Textdeixis,<br />

Kap. 8.4.), aber auch bei Aufzählung und Kontrast ('extra cai) (Kap. 8.3.); ferner<br />

können sie auch in generischen Sätzen vorkommen. Hierbei handelt es sich um syn- -,.',<br />

taktisch bedingte Komposita, da sie in den genannten Fällen nicht wie sonst in freier<br />

Variation mit einer entsprechenden Kif-Konstruktion stehen können.


236<br />

Mit diesen Beobachtungen können nun auch die in Kap. 2. genannten Aspekte der Entsemantisierung,<br />

Aufspaltung und Ablösung, die den Unterschied zwischen Verben und<br />

Co-Verben betreffen (Bisang 1992), für den nominalen Bereich im Vietn<strong>am</strong>esischen wie<br />

folgt kommentiert werden: Die für Verben getroffene Feststellung, daß sich <strong>Beispiel</strong>e für<br />

Ablösung ('shift') in dem von ihm untersuchten fünf Sprachen kaum finden lassen, gilt<br />

auch für N[+strukturiert] im Vietn<strong>am</strong>esischen, da diese systematisch unterspezifiziert<br />

sind und in der Klf-Position vorkommen können. Selbst allgemeine KIfen wie cäi 'Ding'<br />

oder chj{fc 'Einzelstück' sind nicht auf die KIf-Position festgelegt, sondern können auch<br />

numerusindifferent verwendet werden. Diese Beobachtung gilt auch für die Aufspaltung.<br />

die die "Grundbedingung für Co-Verben ist, die sich ja gerade als Verben definieren, die<br />

nicht nur in der Funktion als Hauptverb, sondern auch in der Funktion als Adposition<br />

vorkommen" (Bisang 1992: 14, s. o. Kap.2.). Übertragen auf Nomina und Klfen bedeutet<br />

dies, daß N[+strukturiert] nicht auf die Funktion als klassifiziertes Nomen festgelegt<br />

sind, sondern auch als KIfen fungieren können. Entsemantisierung jedoch, wonach<br />

z. B. cho als Vollverb die Bedeutung 'geben' enthält, als Co-Verb jedoch den Benefaktiv<br />

signalisiert, liegt m. E. bei dem Vergleich von Nomina mit KIfen nicht vor. Es handelt<br />

sich entweder um Nomina, die generell eine abstrakte, allgemeine Bedeutung haben wie<br />

cäi 'Ding, Stück', oder um Metaphern (vgl. Jti 'a leaf, a leaf-shaped object' (Emeneau<br />

1951: 111); in Fällen wie Jti bu<strong>am</strong> 'Großsegel' (wörtlich 'Blatt Segel/Segelblatt') von<br />

Entsemantisierung zu sprechen, erscheint mir wenig sinnvoll (vgl. dt. Ruder vs. Ruderblatt).<br />

Aufgrund dieser Überlegungen möchte ich die eingangs gestellte Frage "Was ist eigentlich<br />

ein Klassifikator?" für das Vietn<strong>am</strong>esische wie folgt beantworten:<br />

Definition von Klassifikator im Vietn<strong>am</strong>esischen:<br />

Ein Klassifikator ist keine (mehr oder weniger geschlossene) lexikalische Klasse,<br />

sondern eine syntaktische Funktion zur Gliederung strukturiert konzeptualisierter<br />

Begriffe.


237<br />

Die Intention dieser Arbeit ist es, einen Beitrag zur Erforschung sprachlicher Universalien<br />

zu leisten, und dies sowohl im Sinne von Seiler (1986), nämlich Apprehension in<br />

der wörtlichen Bedeutung von 'outils de saisie' (Guillaume 1975[~19l9]), hier speziell<br />

die Kategorisierung von Gegenständen und deren Bezeichnungen vs. Klassifikation von<br />

Nomina, aber auch im Sinne von Chomsky (1986), nämlich (Konstruktions-)Prinzipien<br />

und deren Par<strong>am</strong>etrisierung, hier speziell Gliederung.


238<br />

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244<br />

Anhang A<br />

Liste der in Erneneau (1951) (E) und Karow (1972) (K)<br />

enthaltenen Klassifikatoren bzw. Nurnerative<br />

(geordnet nach dem vietn<strong>am</strong>esischen Alphabet)<br />

Lexem<br />

als<br />

Klassifikator/<br />

Numerativ<br />

klassifiziertes<br />

Nornen<br />

Bedeutung<br />

Attribut<br />

Bedeutung<br />

1. äng<br />

K<br />

2. <strong>am</strong><br />

E/K<br />

eine Personengruppe<br />

Anhäufung, Menge<br />

berühmtes Werk<br />

(veraltet,literarisch)<br />

ein Kessel (voll)<br />

+<br />

Kessel<br />

3. bä<br />

E<br />

eine alte Frau<br />

Großmutter<br />

4. bai<br />

K<br />

ein Artikel (Zeitung)<br />

Abschnitt (Buch)<br />

(Musik-)Stück etc.<br />

Aufgabe,<br />

Lektion<br />

5. Mi<br />

E/K<br />

ein Terrain, Ebene<br />

Plateau<br />

+<br />

Sandbank,<br />

Schwemmland<br />

6.<br />

biln<br />

E/K<br />

(ch, )<br />

eine Fläche, Ebene<br />

Tisch<br />

7.<br />

Mn<br />

K<br />

(ch, )<br />

ein (Gesangs-,<br />

Theater-usw.)Stück<br />

Wurzel,<br />

Quelle,<br />

Buch<br />

8 . bao eine Tüte (voll )<br />

E<br />

(eh, )<br />

9. bat eine Schale(voll)<br />

E<br />

10. bäc<br />

E/K<br />

11. bäy<br />

E<br />

eine berühmte<br />

Person<br />

eine Herde,Gruppe<br />

+<br />

+<br />

+<br />

Tüte<br />

Schale<br />

Treppenstufe<br />

Rang, Stand<br />

Herde<br />

12. ben<br />

E<br />

eine Seite<br />

Seite I<br />

Partei<br />

13. b6<br />

E<br />

ein Bündel,<br />

Strauß<br />

+<br />

Bündel,<br />

Strauß


14. bon<br />

E<br />

15. b9<br />

E<br />

(ch. )<br />

eine Gruppe,<br />

Bande<br />

ein Sortiment,<br />

S<strong>am</strong>nlung, Werkzeug,<br />

Teil<br />

245<br />

+ Gruppe,<br />

Bande<br />

Sortiment<br />

S<strong>am</strong>nlung,Werkzeug,<br />

Teil<br />

16. bui<br />

E<br />

ein Gebüsch,<br />

Dickicht<br />

+<br />

Gebüsch,<br />

Dickicht<br />

17. bung<br />

E<br />

ein Bauch(voll)<br />

+ Bauch<br />

18. buöng ein Büschel<br />

E (Bananen)<br />

1. Büschel<br />

2. Zirrrner<br />

19.<br />

birc<br />

(ch. )<br />

E/K<br />

eine Rolle<br />

(Bild, Vorhang)<br />

Bild<br />

20.<br />

cai<br />

E/K<br />

ein Gegenstand<br />

(genereller Klf)<br />

Stück<br />

21.<br />

cänh<br />

E<br />

ein Zweig, Ast<br />

Zweig, Ast<br />

22.<br />

canh<br />

E<br />

ein flacher<br />

Gegenstand<br />

Flügel<br />

23. eaP<br />

E<br />

ein Paar<br />

Ehepaar<br />

(für nichttrennbare Teile wie Augen (paar), Ehepaar etc.)<br />

24. cän<br />

E<br />

Pfund (Gewichtseinheit,ca.600g)<br />

+<br />

Waage<br />

25. cäy<br />

E/K<br />

Lein Baum<br />

2.stabartiger Gegenstand<br />

3. Rolle (Stoff)<br />

+<br />

Baum,<br />

Pflanze,<br />

Stock<br />

26. ehai<br />

E<br />

eine Flasche(voll)<br />

+<br />

Flasche<br />

27. chen<br />

E<br />

eine Eßschale(voll)<br />

+<br />

Eßschale<br />

28. chiec<br />

E<br />

29.<br />

30.<br />

E/K<br />

chöm<br />

E<br />

chöm<br />

E<br />

1. ein Stück<br />

(eines Paares von trennbaren Teilen wie Eßstäbchen, Schuhe etc.)<br />

2. für Boote,<br />

Flugzeuge, Brücken, Kleidung etc.<br />

eine Gruppe,<br />

Büschel<br />

Schwarm<br />

ein (Berg-) Gipfel,<br />

(Baum-) Wipfel<br />

+ Büschel<br />

Berggipfel<br />

31.<br />

chli<br />

K<br />

Onkel<br />

Onkel


32. chuc<br />

E<br />

33. chüm<br />

E<br />

eine Anzahl von zehn<br />

(frz. 'dizaine')<br />

ein Strauß, Bund<br />

Traube<br />

+<br />

246<br />

+ Bund, Traube<br />

34. eon<br />

E/K<br />

35. cö<br />

36.<br />

K<br />

co<br />

K<br />

Lebewesen, als<br />

beweglich konzipierter<br />

Gegenstand<br />

junge Frau<br />

1.für Gegenstände<br />

in einer Reihe<br />

2. für Wagen, Särge,<br />

Sänften<br />

Kind<br />

(von jmd.)<br />

junge Frau<br />

37. cöc<br />

E<br />

ein Glas (voll)<br />

+<br />

Glas<br />

38. c


50. "ieu<br />

E<br />

51. "ieu<br />

E<br />

52. döi<br />

E<br />

53. ,,(li<br />

E<br />

eine Sache,<br />

Angelegenheit,<br />

Wort, Sprache, Rede<br />

247<br />

eine Zigarette +<br />

(elliptisch, Ergänzllilg thu6c<br />

ein Paar (für<br />

trennbare Gegenstände)<br />

eine Kompanie,<br />

Marmschaft<br />

dto.<br />

'Tabak')<br />

54. "ong ein Piaster<br />

E<br />

(ch. )<br />

55. Mng<br />

E<br />

56. "tIa<br />

E/K<br />

ein Haufen,<br />

Stapel,Klunpen<br />

ein Kind, sozial<br />

niedrigstehende<br />

Person<br />

57. gänh ein Tragejoch(voll)<br />

E<br />

58. giäc<br />

K<br />

59. giö<br />

E<br />

ein Feind, Räuber<br />

Aggressor<br />

ein Korb (voll)<br />

Kupfer, Bronze,<br />

Messing<br />

+ Last, Bürde<br />

+<br />

1. Seeräuber<br />

2. Krieg<br />

Korb<br />

60. giot<br />

E<br />

ein Tropfen<br />

+<br />

Tropfen<br />

61. göc<br />

E<br />

eine Ecke, Winkel<br />

Stück (Kuchen)<br />

62. göi<br />

E<br />

ein Paket,<br />

Päckchen<br />

+<br />

63. hat<br />

E<br />

ein Tropfen,<br />

Korn,<br />

+<br />

64. hün<br />

E/K<br />

ein kugelförmiger<br />

oder steinerner<br />

Gegenstand<br />

Kugel,<br />

Ball<br />

65. hQp<br />

E<br />

eine Kiste,<br />

Büchse (voll)<br />

+<br />

Kiste,<br />

Büchse<br />

66. ki Ja<br />

E<br />

ein Kilograrrrn<br />

+<br />

67. Ja<br />

E/K<br />

I.ein blattförmiger<br />

Gegenstand<br />

2.langer, dünner<br />

Gegenstand<br />

Blatt


248<br />

68. lan<br />

K<br />

ein (Wind-) Stoß,<br />

(Rauch-)fahne etc.<br />

69. lät eine Scheibe,<br />

E Schnitte<br />

(südv. )<br />

70. lien<br />

E<br />

71. lit<br />

E<br />

eine Schüssel (voll)<br />

ein Liter<br />

+<br />

+<br />

Schüssel<br />

72. loai<br />

E<br />

eine Rasse, Art,<br />

Sorte<br />

73. Im. für Aussagen,<br />

K Erklärungen<br />

Wort (e)<br />

74. luöng eine StrÖTmmg, Welle<br />

E<br />

+<br />

75 . htm für Messer,<br />

K Schwerter,Bajonette<br />

Zunge,<br />

Klinge<br />

76. hnrng' eine Unze<br />

E<br />

77 . ly ein Millimeter<br />

E<br />

+<br />

+<br />

78. mänh ein (Bruch- ) Stück<br />

E<br />

79. mau<br />

E<br />

(ch. )<br />

vietn. Flächenmaß<br />

(3600-4000 qm)<br />

+<br />

80. mieng ein Stück (Land, +<br />

E Fleisch,Brot) ,Bissen<br />

81. mön<br />

E/K<br />

82. möi<br />

E/K<br />

ein Gang (Mahlzeit);<br />

für versch. Gegenstände,Angelegenheiten<br />

l.ein Ende, Knoten(E)<br />

2. für Gefühle, Beziehungen<br />

(K)<br />

83. mön für Medizin, Drogen,<br />

K Medik<strong>am</strong>ente<br />

(ch , )<br />

84. mui eine Spalte (Frucht), +<br />

E Fruchtsegment<br />

Grund,<br />

Ursache<br />

85. muöng ein Löffel (voll)<br />

E<br />

+ Löffel


249<br />

86. nai<br />

E<br />

ein Büschel (Früchte) +<br />

87. näm eine Handvoll<br />

E<br />

88. näm<br />

K<br />

89. nen<br />

K<br />

90. nen<br />

K<br />

91. net<br />

E<br />

für Grabhügel<br />

für Weihrauchstäbchen<br />

für kulturelle,<br />

politische Begriffe<br />

ein (Pinsel-)Strich<br />

+ in der Hand halten<br />

(Verb)<br />

+<br />

Erdhaufen,<br />

Hügel<br />

(Gold- ,Silber-)<br />

Barren<br />

Grundlage,<br />

Basis, Fund<strong>am</strong>ent<br />

Strich, Linie,<br />

Gesichtszüge<br />

92. ng6n<br />

E<br />

ein Finger,<br />

Zehe<br />

+<br />

Trick, Verfahren,<br />

Verhalten<br />

93.<br />

ngon<br />

E/K<br />

l.eine Spitze,Gipfel<br />

2.für Berge, Kerzen,<br />

Bäume, Fahnen etc.<br />

94.<br />

ngöi<br />

E/K<br />

für Sterne,Hügel,<br />

Gräber, Tell!'el<br />

Thron (sitz) ,<br />

Rang, Würde<br />

95.<br />

nguöi<br />

E/K<br />

ein Mensch,Person<br />

Mensch,<br />

Leute<br />

96.<br />

nha<br />

E<br />

ein Gebäude<br />

1.Haus , Raum<br />

2.F<strong>am</strong>ilie<br />

(vgl.C,Nr.65)<br />

97.<br />

98.<br />

n6c<br />

K<br />

no<br />

K<br />

für Häuser<br />

eine best. Menge,<br />

Gruppe<br />

Dach, First<br />

Bedachung<br />

Angelegenheit<br />

99.<br />

n\!<br />

E<br />

eine Knospe<br />

Knospe,<br />

Knopf<br />

100. mrong ein Feld<br />

E<br />

101. 6'<br />

E/K<br />

102. öm<br />

E<br />

1.für Brote,<br />

Schlösser, Maschinen;<br />

2.ein Nest (voll) +<br />

ein Armvoll +<br />

Te=assenfelder<br />

Nest<br />

im Arm halten<br />

(V)<br />

103.<br />

öng<br />

E<br />

ein alter Mann<br />

(respektvoll )<br />

Großvater<br />

104.<br />

phai<br />

E<br />

(ch . )<br />

eine Partei,Gruppei<br />

Rezept,Bescheinigung<br />

+


250<br />

105. phäm Ding I Sache,<br />

K<br />

(eh. )<br />

Artikel<br />

106. phan ein Zentimeter +<br />

E<br />

(eh. )<br />

107. phan ein Teil,Anteil +<br />

E<br />

(eh. )<br />

108. pho für Bücher und<br />

K Statuen<br />

109. pM für Handwerker<br />

K<br />

llO. qua 1.eine Frucht Frucht<br />

E/K<br />

(eh. )<br />

2.rllilder Gegenstand<br />

(Hügel, Ball,Kugel etc.)<br />

111. quan 1.eine Geldschnur<br />

E (100 Sapeken)<br />

2. Franken (Geldstück)<br />

112. que ein dünner,langer kleiner Zweig,<br />

K Gegenstand (Streieh- Hölzchen<br />

holz, Eßstäbchen)<br />

~<br />

113. quyen ein Band (Buch,<br />

E/K Schriftrolle etc.)<br />

114. rä ein Korb(voll) + Korb<br />

E<br />

llS. räng eine Linie, Reihe +<br />

E<br />

116. ruöng ein Feld + Reisfeld<br />

E/K<br />

117. sao ein Flächenmaß +<br />

E (400 qm)<br />

118.<br />

~.<br />

so<br />

E<br />

eine Anzahl<br />

zahl<br />

119. sei ein Haar,Faden, (Textil- )<br />

E/K Schnur faser<br />

120. tach eine Tasse (voll) + Tasse<br />

E<br />

121. täc 1.ein Dezimeter +<br />

E 2.kleines Stück<br />

122. tang ein (Stein- , Fels- )<br />

K<br />

(eh. )<br />

Block


251<br />

123. tim ein großes Blatt Blatt<br />

K (Bananen etc.)<br />

124. tarn 1. (Bruch- )Stück<br />

E/K<br />

2. flacher Gegenstand<br />

(Kleidung,Bretter,<br />

Bilder etc.)<br />

125. tan für Theaterstücke<br />

K<br />

126. täng Stockwerk,Geschoß +<br />

E<br />

127. ten sozial niedrig- (Vor-)N<strong>am</strong>e,<br />

K stehende Person (Buch) Titel<br />

128. thän ein St<strong>am</strong>m,Stengel Körper,<br />

E<br />

(ch , )<br />

Halm Leib,<br />

Rwupf<br />

129. thäng für Knaben;Männer<br />

K aus sozial niedrigen<br />

Volksschichten<br />

130. thanh (l.ein langes,dünnes<br />

E/K Stück, (veraltet) )<br />

2.für Stangen,Schwer- -<br />

ter,Stäbe<br />

131. thia ein Löffel (voll) + Löffel<br />

E<br />

132. thimg ein Karton, Faß, + Karton,Faß<br />

E Kiste, Eimer (voll) Kiste/Eimer<br />

133. tlnr' eine Art, Sorte<br />

E<br />

(ch. )<br />

134. thita für Felder, Gärten,<br />

K Land<br />

135. thudc eine Maßeinheit +<br />

E (0,4m)<br />

136. tia ein Strahl (Licht,<br />

E Blitz)<br />

137. töa für Gebäude,Tempel Sitz, Amtsgebäude<br />

K<br />

138. ti1 Lein Blatt (Papier) Blatt<br />

E/K 2.für Zeitungen,<br />

Schriftstücke<br />

139. ti) eine Suppenschüssel + Suppenschüssel<br />

E (voll) (nordv.)<br />

tö (südv. )<br />

140. trai 1.eine Frucht Frucht<br />

E/K 2.ein runder Gegenstand


252<br />

141.<br />

trän<br />

E<br />

(ch. )<br />

ein Anfall (Krankheit) ,<br />

(Wind-) Stoß, (Rauch-)<br />

Schwaden, (Regen-) Guß<br />

Schlacht,<br />

Wettka~f<br />

142.<br />

väng<br />

K<br />

für Sonnen und Monde<br />

(astr.) Scheibe,<br />

Ring, Halo<br />

143.<br />

vj<br />

K<br />

für Götter und hochstehende<br />

Personen<br />

144.<br />

viön<br />

E/K<br />

(ch, )<br />

für Be<strong>am</strong>te,Offiziere<br />

Mann, Mitarbeiter<br />

145.<br />

146.<br />

viön<br />

E/K<br />

(ch. )<br />

va<br />

K<br />

ein runderjregelll'äßig<br />

geformter Gegenstand<br />

(Pille,Geschoß,Ziegel)<br />

f. Theaterstücke<br />

(Schreib-) Heft,<br />

Textbuch (Theater)<br />

147.<br />

V\l<br />

E/K<br />

(ch , )<br />

ein Unglück,Katastrophe<br />

Angelegenheit,<br />

Aufgabe<br />

148.<br />

viing<br />

E<br />

ein Tümpel,<br />

Lache<br />

Pfütze,<br />

149. vuön eine Plantage (voll)<br />

E/K<br />

+<br />

+ Garten


253<br />

Anhang B<br />

Liste nichtklassifizierter Nomina aus Emeneau (1951:100)<br />

1. budi<br />

2. bü»<br />

3. du<br />

4. ehfiu<br />

5. eho<br />

6. chuyen<br />

7. dinh<br />

8. dem<br />

9. güi<br />

10. giii<br />

11. ho<br />

12. lang<br />

13. Ie<br />

14. Je<br />

15. 10<br />

16. Iiii<br />

17. luc I/l'd11.g<br />

18. mau<br />

19. miJa<br />

20. miJi<br />

21. mim<br />

22. nudc<br />

23. ngay<br />

24. phong'<br />

25. sO'<br />

26. ten<br />

27. t/lai"<br />

28. thsnh<br />

29. triij<br />

'half a day'<br />

'a meal'<br />

'a sentence l<br />

la continent'<br />

'a place'<br />

'a story'<br />

'official residence of a high official'<br />

'night'<br />

'price '<br />

'haur'<br />

'extended f<strong>am</strong>ily, f<strong>am</strong>ily n<strong>am</strong>e ,<br />

'village'<br />

'reason, cause'<br />

'religious ceremony'<br />

'hole'<br />

"spoken word'<br />

'strength, force'<br />

'color'<br />

la season; harvest, crop'<br />

'a smell'<br />

'year'<br />

'COlU1try, state l<br />

'day (as a unit) , daytime'<br />

'a rCX)ffi'<br />

'place where one works'<br />

'(personal) n<strong>am</strong>e'<br />

'a year of age'<br />

'city wall, citadel, fortification'<br />

Isky, heaven'


254<br />

ANHANG C<br />

Nomina mit unterschiedlichen Numerativen (Karow 1972)<br />

(Zusätzliche Angaben meines Informanten sind in eckige Klarrmern gesetzt. )<br />

1. Nomina mit zwei Numerativen<br />

Inhärenz<br />

Nomen Numerativ <strong>Beispiel</strong> (bei zahlen weglaßbar)<br />

1. cinh (chin. ) tarn t<strong>am</strong> cinh +<br />

(Schatten-) Bild, flacher ein Foto<br />

Fotografie Gegenstand<br />

bU'c (chin. ) bU'e-cinh +<br />

Rolle ein Gemälde<br />

2. anh-hiJng ~e{südv.) ~e anh-hrJng<br />

Held, Krieger berühmte P. ein Held<br />

adrIg<br />

sang anh-hiJng<br />

Held, Gott ein Held<br />

[ngu'o' i] (neutral)<br />

Mensch<br />

3. M (sinov.)<br />

Oheirn(älterer Bruder<br />

<strong>des</strong> Vaters) ,<br />

Graf<br />

4. Me<br />

Onkel, Tante<br />

5. Mo<br />

Taifun, Wirbelsturm<br />

6.~<br />

Krank (heit)<br />

7. buan<br />

Segel<br />

8. ehiia<br />

Terrvel,<br />

9. dep<br />

Sandale<br />

Pagode<br />

ngu'o'i<br />

Mensch<br />

6ng<br />

alter Mann<br />

ngu'(j'i<br />

Mensch<br />

6ng<br />

alter Mann<br />

co'n<br />

Anfall<br />

tr/ln (chin.)<br />

(Wind-) Stoß<br />

ngu'ö'i<br />

Mensch<br />

eon<br />

Lebewesen<br />

[6ng]<br />

alter Mann<br />

la<br />

Blatt<br />

ednh<br />

Flügel<br />

ngoi<br />

(Thron-) Sitz<br />

cai<br />

allgern. Klf<br />

ehiee<br />

Einzelstück<br />

Eloi<br />

Paar<br />

(neutral)<br />

(respektvoll)<br />

(neutral)<br />

(respektvoll)<br />

co'n bao<br />

ein Wirbelsturm<br />

tr/ln Mo<br />

starker Wirbelsturm<br />

ngu'o'i ~<br />

Kranker, Patient<br />

con'~<br />

Kranker (pejorativ)<br />

Bng~<br />

Privatpatient (respektvoll)<br />

1d buan<br />

Großsegel<br />

cdnh buan<br />

Seitensegel<br />

ngBi chiia<br />

Terrvelanlage<br />

cai ehiia<br />

(einfacher) Tempel<br />

chiee dep<br />

eine Sandale<br />

aBi dep<br />

ein Paar Sandalen<br />

+<br />

+<br />

+


255<br />

10. di bA Wm<br />

Tante alte Frau eine Tante (höflich)<br />

ngu'o'i ngu'o'i di<br />

Mensch eine Tante (neutral)<br />

11. illern que (nordv. ) que illern +<br />

Streichholz Hölzchen ein Streichholz<br />

12. du cai cai du<br />

cäi: (südv.) csi illern +<br />

allgem.Klf ein Streichholz<br />

Schirm allg.Klf ein Schirm<br />

Stück (oberer Teil)<br />

cay cay dU +<br />

Stab ein Schirm<br />

(mit Stange)<br />

13. aan (chin. ) cai cai aan<br />

(Saiten- ) a]}gem.Klf ein Saiteninstr.<br />

Instrument cay cayaan +<br />

Stab Gita=e (Saiteninstr. mit Stab)<br />

14. i'1fm (chin. ) hon Mn d;m<br />

Kugel, Geschoß, Kugel eine Gewehrkugel<br />

Pille vien vien äpn +<br />

Patrone eine Patrone<br />

15. de-nghi (chin. ) 10'i 10'i. äe-nghi<br />

vorschlagen Wort mündlicher Vorschlag<br />

bcin<br />

ren äe-nghi<br />

Tabelle schriftlicher V.<br />

16. du cm cai du<br />

schaukeln Stück eine Schaukel (Sitz)<br />

cay cay äu +<br />

Stab eine Schaukel (Gerüst)<br />

17. äua chiec chiec dua<br />

Eßstäbchen Einzelstück ein Eßstäbchen<br />

äi5i<br />

ä6i äiia<br />

Paar ein Paar Eßstäbchen<br />

18. dui5c ngon ngon dui5c<br />

Fackel Spitze Fackel (oberer Teil)<br />

b6<br />

00 dui5c<br />

Bündel ein Bündel Fackeln<br />

[cay] Fackel +<br />

Stab<br />

19. g"ch vien vien g"ch +<br />

Ziegel, Mauerstein runder ein Ziegel(künstlich<br />

Gegst. hergestellt)<br />

hön<br />

hön gach<br />

kugelf . ein (Mauer- )Stein<br />

Gegst. (natürliche Form)<br />

20. gan buong buong gan +<br />

Leber Büschel eine Leber (Organ)<br />

ld<br />

lfi gan<br />

Scheibe eine Scheibe Leber


21. gian-aiep (chin. )<br />

Kundschafter, Spion<br />

22. giao<br />

Lanze,<br />

23. giay<br />

Papier<br />

24. gi6<br />

Wind<br />

25. gU'ng<br />

Ingwer<br />

26. gu'o'ng<br />

Spiegel<br />

Speer<br />

27. hem<br />

Koffer, Kiste<br />

(nordvietn. ) ,<br />

Sarg (südvietn.)<br />

28. hö (chin.)<br />

1. See,<br />

2. Fuchs<br />

29. kich (chin. )<br />

Schauspiel,<br />

Dr<strong>am</strong>a<br />

30. kien<br />

1. Ameise (vietn.)<br />

2. Glas, Spiegel<br />

(chin. )<br />

31. may<br />

:Maschine,<br />

Apparat<br />

ten<br />

Person (pej . )<br />

tay<br />

Person<br />

ngon<br />

Spitze<br />

cay<br />

Stab<br />

ca.i<br />

Stück<br />

w'<br />

Blatt<br />

co'n<br />

Anfall<br />

tran<br />

(Wind-) Stoß<br />

cU<br />

Knolle<br />

nhat<br />

Scheibe<br />

cai<br />

allgem.Klf<br />

tarn<br />

flacher<br />

Gegst.<br />

cai<br />

allgem.Klf<br />

chiec<br />

Einzelstück<br />

cai<br />

allgem.Klf<br />

con<br />

für N [+bel. ]<br />

256<br />

vO'<br />

Heft<br />

t§n<br />

(Theat . ) stück<br />

con<br />

für N [+bel. ]<br />

ceil<br />

allgem.Klf<br />

1:>9<br />

Set<br />

o'<br />

Nest<br />

cai<br />

allgem.Klf<br />

ten gian-aiep<br />

ein Spion<br />

tay gian-aiep<br />

ein Top-Agent<br />

ngon giao<br />

eine Speerspitze<br />

cay giao<br />

ein Speer<br />

cai giay<br />

ein Stück Papier<br />

W' giay<br />

ein Blatt Papier<br />

co'n gi6<br />

ein schwacher Wind<br />

tran gi6<br />

ein starker Wind<br />

ai gU'ng<br />

eine Knolle Ingwer<br />

nhat gU'ng<br />

eine Scheibe Ingwer<br />

cai gu'o'ng<br />

ein (Hand-) Spiegel<br />

tarn gu'o'ng<br />

1. ein Wandspiegel<br />

2. Vorbild, <strong>Beispiel</strong><br />

cei. hem<br />

ein Sarg<br />

chiec hem<br />

ein (einzelner) Sarg<br />

cai hö<br />

ein See<br />

con hö<br />

ein Fuchs<br />

vo ' kich<br />

Textbuch (Theater)<br />

t§n kich<br />

Schauspiel<br />

con kien<br />

eine Ameise<br />

cai kien<br />

ein Spiegel, Glas<br />

b9 may<br />

(große) Maschine<br />

o' mäy<br />

(kleine, runde) Maschine<br />

z , B. (Fahrrad-)Dyn<strong>am</strong>o<br />

cai may (neutral)<br />

eine Maschine<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+


32. may<br />

Wolke<br />

33. rmeu (chi.n . )<br />

1.Terrpel,<br />

2.Palasthalle<br />

34. mieu<br />

l.kleiner Terrpel<br />

2.kleiner Schrein<br />

35. mu'a<br />

Regen<br />

36. nen<br />

Kerze<br />

37. ngoi<br />

(Dach-) Ziegel<br />

38. nhdn<br />

(Finger-) Ring<br />

39. m.em (chin.)<br />

Siegel,<br />

versiegeln<br />

40. nit<br />

Gürtel,<br />

Strumpfband<br />

41. non<br />

1. vietn. Hut<br />

2. europ. Hut<br />

a<strong>am</strong><br />

Haufen<br />

ang<br />

Anhäufung<br />

toa<br />

ngoi<br />

[caij<br />

allgern.Klf<br />

tOa<br />

(Thron) Sitz<br />

ngoi<br />

Anlage<br />

[caij<br />

allgern.Klf<br />

tran<br />

Ausbruch<br />

ca'n<br />

Schauer<br />

cay<br />

Stab<br />

ngon<br />

Spitze<br />

vien<br />

kugelt.<br />

Gegst.<br />

hon<br />

runder Gegst.<br />

ctii:<br />

allgern.Klf<br />

chiec<br />

Einzelstück<br />

con<br />

für N[+bel. j<br />

cäi.<br />

allgern.Klf<br />

cai<br />

allgern.Klf<br />

chiec<br />

Einzelstück<br />

ca.i<br />

allgern.Klf<br />

chiec<br />

Einzelstück<br />

257<br />

a<strong>am</strong> rnay<br />

Wolkengruppe<br />

ang may<br />

Wolkenballung<br />

(literarisch)<br />

tOa mieu<br />

ein Terrpel<br />

(dekoriert)<br />

ng8i mieu<br />

eine Terrpelanlage<br />

cai mieu<br />

einfacher Terrpel<br />

tOa mieu<br />

kleiner Terrpel(dekoriert)<br />

ng8i mieu<br />

eine Anlage kleiner<br />

Terrpel<br />

einfacher Terrpel +<br />

tran mu'a<br />

ein starker Regenfall<br />

co rn mu'a<br />

ein schwacher<br />

Regenfall<br />

cay nen<br />

eine (ganze) Kerze<br />

ngon nen<br />

eine Kerzenspitze,<br />

Flarrrne<br />

vien ngoi<br />

ein Ziegel (künstlich<br />

hergestellt)<br />

hon ng6i<br />

ein Ziegel (natürliche<br />

Form, aus<br />

Gest,ein gehauen)<br />

cai nhan<br />

ein Ring<br />

chiec nhän<br />

ein Ring (von zweien,<br />

z.B. Ehering)<br />

con niän<br />

ein Sterrpel(z.B.<br />

cai niän<br />

ein Sterrpel(aufdruck)<br />

cei. nit<br />

ein Gürtel<br />

chiec nit<br />

ein Strumpfband<br />

(von zweien)<br />

ctii. non<br />

ein Hut<br />

chiec non<br />

ein einzelner Hut<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+


42. oein<br />

Klebreiskuchen<br />

43. oe<br />

1. Schnecke, Muschel<br />

2.Schraube<br />

44. rau<br />

l.Bart<br />

2. Barthaare<br />

45. ruong<br />

Naßfeld,Reisfeld<br />

46. sach (chin.)<br />

1.Urkunde, Liste<br />

2.Buch (vietn.)<br />

47. tem<br />

Briefrrarke<br />

(frz. timbre)<br />

48. thu' (chin. )<br />

Brief,<br />

schreiben<br />

49. tieu (chin.)<br />

klein, jung<br />

(gebundenes Lexem)<br />

50. tu'o'ng (chin.J<br />

Standbild, Statue<br />

cai<br />

allgern.Klf<br />

pJJ<strong>am</strong><br />

(chin. )<br />

con<br />

für N [+bel. ]<br />

cai<br />

allgem.Klf<br />

b8<br />

Set<br />

sori<br />

Haar<br />

a<strong>am</strong><br />

Menge, gr. zahl<br />

thU'a<br />

für Felder<br />

cuon<br />

Band(nordv, )<br />

guyen<br />

Band(südv . )<br />

con<br />

Lebewesen<br />

cai<br />

allgern. Klf<br />

bU'c<br />

(chin. )<br />

Ja<br />

(vietn. )<br />

chu<br />

Onkel<br />

co<br />

junge Frau<br />

bU'c<br />

Rolle<br />

pho<br />

f.Statuen<br />

258<br />

cäi. oan<br />

ein Klebreiskuchen<br />

pMm oan<br />

(veraltet)<br />

con oe<br />

eine Schnecke<br />

ca.i oe<br />

eine Schraube<br />

b8 rau<br />

ein Bart<br />

so t i. rau<br />

ein Barthaar<br />

a<strong>am</strong> ruong<br />

eine Reisfeldan1age<br />

thu 'a ruong<br />

ein (einzelnes, abgegrenztes)<br />

Reisfeld<br />

cuOn sach +<br />

ein Buch<br />

quyen sach +<br />

ein Buch<br />

con tem +<br />

Briefrrarke (metaphorisch)<br />

cai tem<br />

eine Briefrrarke<br />

ru'e thu'<br />

ein Brief (formell)<br />

1a thu'<br />

ein Brief (persönlich)<br />

chU tieu<br />

jun~er Mönch,<br />

Nov~ze<br />

co tj.eu<br />

junge Nonne<br />

bU'e tu '9 'ng<br />

Standbild (Wand)<br />

pho tu'o'ng<br />

Statue (freistehend)<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

51. t..n1'ng<br />

l.Ei<br />

2. (Fisch-, Frosch-)<br />

Laich<br />

ca.i<br />

allgern.Klf<br />

qua<br />

Frucht<br />

csi. trU'ng<br />

Fischlaich<br />

qua trU'ng<br />

ein Ei<br />

+<br />

+<br />

52. va 1i (frz.<br />

va1ise<br />

'Koffer'<br />

53. ve<br />

Karte, Billet<br />

ceil<br />

allgem.Klf<br />

chi"k<br />

Einzelstück<br />

cai<br />

allgem.Klf<br />

tarn<br />

flacher Ggst.<br />

cai va 1i<br />

ein Koffer<br />

chi.ec va 1i<br />

ein Koffer<br />

cai ve<br />

(kleines) Ticket<br />

tarn ve<br />

(große) Fahrkarte<br />

+<br />

+<br />

+


54. vO'<br />

Strurrpf<br />

chiec<br />

Einzelstück<br />

dBi<br />

Paar<br />

259<br />

chiec vo '<br />

ein Strurrpf (von<br />

zweien)<br />

dBi vo '<br />

ein Paar Strümpfe<br />

II. Nomina mit drei Numerativen<br />

Nomen<br />

Numerativ<br />

<strong>Beispiel</strong><br />

Inhärenz<br />

55. cau<br />

Brücke (vietn.)<br />

Kugel,Ball<br />

(chän. )<br />

chiec<br />

Einzelstück<br />

[cai]<br />

allg.Klf<br />

cai<br />

allg.Klf<br />

qua<br />

runder Gegst.<br />

chiec cäu<br />

eine Brücke<br />

csii. cau<br />

eine Brücke<br />

ctii. cäu<br />

eine Kugel, Ball<br />

qua cau<br />

eine Kugel, Ball<br />

+<br />

+<br />

56. cheo<br />

I.Ruder<br />

2.Komödie<br />

cai<br />

allg.Klf<br />

cay<br />

Stab<br />

be<br />

(Thron) stufe<br />

caz cheo<br />

ein Ruder(blatt)<br />

cäy cheo<br />

ein Ruder<br />

be cheo<br />

Lustspiel<br />

+<br />

57. con<br />

Kind (von jmd.)<br />

ngu'ö'i<br />

aura<br />

tMng<br />

Junge<br />

ngu'ö'i con<br />

ein (großes) Kind<br />

dU'a con<br />

ein (kleines)Kind<br />

thmlg con<br />

ein Junge<br />

58. da<br />

1. Stein<br />

2. Felsen<br />

59. narr,<br />

l.boxen<br />

2.Faustschlag<br />

3.Faust<br />

hon<br />

Kugel<br />

vien<br />

(chin. )<br />

tiing<br />

gr.Block<br />

[qlC]<br />

Klumpen<br />

qua<br />

runder Gegst.<br />

cai<br />

allg.Klf<br />

näm<br />

Hand(voll)<br />

bon da<br />

ein (natürlicher) Stein<br />

vien da<br />

(küllstlicher) Stein<br />

tcingda<br />

Felsblock<br />

cuc aa<br />

ein Felsklotz<br />

qua a<strong>am</strong><br />

eine Faust (stark)<br />

cäi. a<strong>am</strong><br />

l.eine Faust (neutral)<br />

2.Faustschlag<br />

nifuJ a<strong>am</strong><br />

Faustschlag(veraltet)<br />

+<br />

+<br />

60. den<br />

1. L<strong>am</strong>pe<br />

2. Licht<br />

cai<br />

allgern.Klf<br />

cay<br />

Stab<br />

ngon<br />

Spitze<br />

(bOng]<br />

Blume<br />

cei: den<br />

(kleine) (Wand-) L<strong>am</strong>pe<br />

diy den<br />

Stehl<strong>am</strong>pe<br />

ngon den<br />

(L<strong>am</strong>pen, Kerzen-) Docht<br />

Mng den<br />

Glühbirne<br />

+


260<br />

61. ainh (chin.)<br />

1. Palast, Halle<br />

2. aufhören<br />

62. aM<br />

Anhöhe,<br />

Hügel<br />

63. piuio<br />

1. klo Eierfrucht<br />

[ca pMo,Numerativ<br />

qua 'Frucht']]<br />

2. Feuerwerkskörper<br />

(chin.)<br />

64. tim<br />

1.Herz<br />

2.Mittelpunkt<br />

ngßi<br />

Anlage<br />

ca.i<br />

allg.Klf<br />

cuße<br />

Veranstaltung<br />

qua<br />

rund.Ggst.<br />

trai<br />

rund.Ggst.<br />

ngon<br />

Spitze<br />

cai<br />

allg.Klf<br />

eay<br />

Stab<br />

eon<br />

N[+belebt]<br />

qua<br />

rund.Ggst.<br />

con<br />

N[+belebt]<br />

trai<br />

rund.Ggst.<br />

ng8i ilinh<br />

TeTll)elanlage<br />

eai ilinh<br />

ein TernpeL<br />

cuße ilinh-chien.<br />

(Veranst. Krieg-beenden)<br />

Waffenstillstand<br />

qua aoi<br />

ein Hügel (südvv l ,<br />

trM (iM<br />

ein Hügel<br />

ngon (iM<br />

Hügelk<strong>am</strong>n<br />

(nordv.)<br />

eai pMo<br />

ein Feuerwerkskörper (klein)<br />

eay pMo<br />

großer F., Kanone<br />

con pMo<br />

eine Kanone (chin.<br />

Schachfigur, dt. 'Turm')<br />

qua tim<br />

ein Herz (südv.)<br />

eon tim<br />

ein Herz (metaphorisch,<br />

literarisch)<br />

trai tim<br />

ein Herz (nordv.)<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

III. Nomina mit 4 Numerativen<br />

Nomen<br />

Numerativ<br />

<strong>Beispiel</strong><br />

Inhärenz<br />

65. nha<br />

1. Haus, Raum<br />

2. F<strong>am</strong>ilie<br />

cai<br />

allg.Klf<br />

ngßi<br />

Thron(sitz)<br />

n6e<br />

Dach<br />

wa<br />

(Thron) sitz<br />

cai nha<br />

ein Haus<br />

ngßi nha<br />

kleipes, eckiges Haus<br />

noe nha<br />

Hausdach<br />

töa nha<br />

großes, bedeuten<strong>des</strong><br />

Gebäude<br />

+<br />

66. niii.<br />

Berg<br />

qua<br />

rund.Ggst.<br />

trai<br />

rund.Ggst.<br />

ngon<br />

Spitze<br />

hon<br />

Kugel<br />

qua nui (nordv.)<br />

ein kleiner Berg,Hügel<br />

trai nui (südv. )<br />

ein kleiner Berg, Hügel<br />

ngon nui<br />

Bergspitze<br />

hon nr1i<br />

ein hoher Berg<br />

+<br />

+<br />

67. tien (chin.)<br />

1.Geist, Fee<br />

2.überirdisch<br />

ong<br />

alter Mann<br />

bä<br />

alte Frau<br />

co<br />

junge Frau<br />

nang<br />

Mädchen<br />

ong tier,<br />

(alter) Geist<br />

N. tier,<br />

(alte) Fee<br />

ca tien<br />

junge Fee (ca. 30 J.)<br />

nang tier,<br />

junge Fee (bis 30 J.)


1. [CON QUA] N<br />

Tier Rabe<br />

KU<br />

1.<br />

vi:<br />

und<br />

[cAy<br />

Baum<br />

Klf<br />

261<br />

KHE] N<br />

Car<strong>am</strong>bolabaum<br />

Ngay xua d möt; [lang que] N cö VCI chOng<br />

Tag früher in ein Dorf Heimat haben Ehefrau Ehemann<br />

t.ri.äu phü chet äi a.e lai cho hai<br />

Milliardär sterben weg lassen zurück für zwei<br />

trai lI'Öt gia tai ke su.<br />

männlich ein Vennägen riesig<br />

ngUöi<br />

Mensch<br />

Klf<br />

rnöt, ngUöi<br />

ein Mensch<br />

Klf<br />

con<br />

Kind<br />

'Es war einmal ein sehr reicher Mann, der lebte in einem Dorf.<br />

Als er starb, hinterließ er seinen heiden Sölmen ein riesiges<br />

VermSgen. '<br />

2 . Nhttng hai anh em tinh nät, trM ngttdc<br />

Aber zwei älterer Bruder jüngerer Bruder Charakter widersprechen<br />

Mn nhau,<br />

total gegenseitig<br />

'Die heiden Brüder aber waren ganz verschieden. '<br />

3 . [NgttCli anh] N thi th<strong>am</strong> L<strong>am</strong>, [ngUöi em] N thi<br />

Mensch ält.Bruder sein habgierig, Mensch jü.Bruder sein<br />

rat hien Länh ,<br />

sehr gütig<br />

'Der ältere war habgierig, der jüngere jedoch war gütig.'<br />

4 . vi vf


262<br />

'Der jüngere Bruder sorgte gut für den Baum, er goß ihn<br />

jeden Tag und hoffte, daß er viele Früchte tragen würde.<br />

Die wollte er dann verkaufen und von dem Erlös leben. '<br />

7. Träi lai [ngt1oi anh] N thi: qua sung Sl1&1g vai cüa cää<br />

Dagegen Mensch ält.Br. sein sehr MJhlhabend mi t Vennägen<br />

cüa cha me de lai cho neu khönq phai<br />

Possessiv Vater Mutter lassen zurück <strong>des</strong>wegen nicht müssen<br />

10 gi: ca,<br />

kürrmern was alles<br />

'Der ältere Bruder dagegen war glücklich mit seinem Erbe<br />

und brauchte sich keinerlei Sorgen zu machen. '<br />

8. Nhl1ng nii thay cho [nguOi em]N' khi Icäy khe]N<br />

Aber Pech so für Mensch jü.Bruder, als Baum Car. -Baum<br />

bat däu c6 ttiii ngot thi: mm nqäy deu c6 rröt,<br />

anfangen haben Frucht süß sein jeder Tag alle haben ein<br />

con qua<br />

Tier Rabe<br />

Klf<br />

den däu treu cäy än het t.rä i. .<br />

kcmnen aufsetzen auf Baum essen alle Frucht<br />

'Als die Früchte reif waren, flog zum Leidwesen <strong>des</strong><br />

jüngeren Bruders ein Rabe herbei, setzte sich auf den Baum<br />

und fraß die Früchte.'<br />

9 . [Ngl1c'Ji em] N buön qua khönq biet Läm sao<br />

Mensch jü.Bruder traurig sehr nicht wissen machen wie<br />

ben dUng dl10i lcäy khe] N<br />

daraufhin stehen unten Baum Car. -Baum<br />

rilng:<br />

Zitierpartikel<br />

n6i vai qua<br />

sprechen mit Rabe<br />

[= er, Personif .]<br />

'Der jüngere Bruder war sehr unglücklich, als er das jeden<br />

Tag mitansehen mußte, aber er wußte ,nicht, was er tun<br />

sollte. <strong>Eine</strong>s Tages beschloß er, unter dem Baum stehenzubleiben<br />

und mit dem Raben zu sprechen. '<br />

10. "Qua oi ! Qua dllng.'ln khe cüa t.ö.i,<br />

"Rabe Partikel Rabe nicht essen Car<strong>am</strong>bola Possessiv ich<br />

[= du, Persqnifizierung]<br />

gia tai cua t.ö i. chi c6 m6t cäy khe öö,<br />

Vennägen Possessiv ich nur haben ein Baum Car. -Baum jener<br />

Klf<br />

neu<br />

wenn<br />

qua än het t rä i. thi<br />

Rabe essen auf Frucht dann<br />

[= du, Personifizierung]<br />

d6L"<br />

chät;<br />

sterben hungern<br />

gia di:nh tai se<br />

F<strong>am</strong>ilie ich werden<br />

lllRabe", rief er, IIbitte iß meine Früchte nicht. Dieser<br />

Obstbaum ist mein einziges Vermögen. Wenn du alle Früchte<br />

ißt, wird meine F<strong>am</strong>ilie verhungern. 111<br />

11. Qua nghe xong ren t ra lc'Ji<br />

Rabe hören zu Ende darauf sntwortzen<br />

[= er, Personifizierung, sonst [con<br />

rilng:<br />

Zi tatpartikel :<br />

qua) N]


263<br />

"Bllng cö 10 chi. Än khe se t.rä<br />

Nicht haben kümnern was. Essen Car<strong>am</strong>bola werden wiedergeben<br />

vänql May t.ü i, ba gang dem di mä<br />

Gold! nähen Tasche drei Maß bringen gehen um zu<br />

[Drei-Maß-Tasche]<br />

attng."<br />

hineinlegen<br />

'''Mach dir keine Sorgen", antwortete der Rabe. "Ich will<br />

sie dir in Gold zurückzahlen. Geh und nach dir einen Sack,<br />

der zwei Ellen lang ist, um das Gold hineinzulegen. " ,<br />

12. [Ng1iCJi<br />

Mensch<br />

KU<br />

em] N nghe xong mltng qua, ben 000<br />

jü.Bruder hören zu Ende glücklich sehr, dann sagen<br />

vd may tui ba gang.<br />

Ehefrau nähen Tasche drei Maß<br />

'Als er diese Worte härte, war er sehr aufgeregt und sagte<br />

zu seiner Frau, sie solle einen zwei Ellen langen Sack<br />

nähen. I<br />

13. HOrn sau y<br />

Tag danach gemäß<br />

14 . [NgUCJi em] N<br />

Mensch jü.Bruder<br />

lCJi qua den rot ncd, My vang .<br />

Wort Rabe karmen ein Ort voll Gold<br />

[; er,Personifizierung,sonst[con<br />

nhet; vänq My tUi rOi<br />

einstecken Gold voll Tasche danach<br />

leo len hing qua trd ve .<br />

klettern auf Rücken Rabe kehren zurück<br />

'Am nächsten Tag k<strong>am</strong> der Rabe wie versprochen. Er flog bis<br />

zum Tor, ließ den j~eren Bruder auf seinen Rücken sitzen<br />

und flog mit ihm zu eanern Ort, der voller Gold war. r<br />

15. Tl! 00 [ngUCii eml , trd nen gJ.au cö nhrtng<br />

Seither Mensch jü.Bruder werden zu »ohlhabend, aber<br />

vän möt; Lönq k.inh trang vä .ooi xt'! tti te<br />

iIrmer noch ein Herz respektvoll und behandeln aufrichtig<br />

vöä anh minh.<br />

rni t Bruder eigen<br />

'Und so wurde er nun sehr reich. Aber immer noch liebte und<br />

ehrte er seinen älteren Bruder. '<br />

16. Mat h6m [ngUCii em] N bao vd Läm con<br />

Ein Tag Mensch jü.Bruder sagen Ehefrau machen Mahlzeit<br />

Cle iliii vd chönq [ngUCli anhl N'<br />

um zu einladen Ehefrau Ehemann Mensch Bruder<br />

'Deshalb sagte er zu seiner Frau, sie solle ein gutes Essen<br />

kochen für seinen Bruder und <strong>des</strong>sen F<strong>am</strong>ilie. '<br />

17. Nhrtng khi duoc mCJi vd chönq [ngliCJi anhl<br />

Aber als erhalten einladen Ehefrau Ehemann Mensch Bruder<br />

che nhä em ngheo khönq t.hem tdi .<br />

ablehnen Haus jü.Bruder arm nicht »ollen karmen


264<br />

[NgtiCfi eml N phai. het löi nän ni [ngUöi anh] N<br />

Mensch jü.Bruder müssen alle Wörter bitten Mensch Bruder<br />

rroi chiu den<br />

erst dann einverstanden kcmnen<br />

'Aber als er seinen Bruder einlud, lehnte dieser zuerst<br />

ab. Erst als er ihn wieder und wieder bat, nahm der<br />

ältere Bruder die Einladung an. '<br />

18. Toi ndi. t.häy nhä cüa cua em aä<br />

Ankorrrnen Ort sehen Haus TI1r Possessiv jü.Bruder schon<br />

hoän t.oän BOi khäc, khOOg cön nqhäo khö nhu<br />

vollständig werden anders nicht iIrmer noch azrn wie<br />

xua nön [ngtiCfi<br />

früher <strong>des</strong>halb Mensch<br />

Klf<br />

nguyendc.<br />

Grund<br />

anh] N rät ngac nhi.err, ben hö.i<br />

Bruder sehr erstaunt dann fragen<br />

'Als der ältere Bruder im Haus <strong>des</strong> jüngeren ank<strong>am</strong>, wunderte<br />

er sieh, wie verändert alles war. Das war nicht mehr das<br />

armselige Haus, das er von früher kannte. Dehalb fragte er<br />

seinen jüngeren Bruder, wie das gekonmen sei. '<br />

19 . [NgUöi em] N ciing thiet tinh t.huät, lai cho anh<br />

Mensch jü.Bruder auch aufrichtig erzählen wieder für Bruder<br />

nghe.<br />

hören<br />

'Dieser erzählte ihm alles, was geschehen war. '<br />

20. Lang th<strong>am</strong> lai noa len, [ngtiCfi anhl , lieu<br />

Herz gierig wieder steigen auf Mensch Bruder daraufhin<br />

xin ooi ca gia tai cua minh de Läy<br />

bitten tauschen alle Vezm5gen Possessiv eigen um zu holen<br />

[cäy khe] N da.<br />

Baum Car. -Baum jener<br />

'Als der ältere Bruder alles gehört hatte, bct er dem<br />

jüngeren sein ganzes Vermögen für den Car<strong>am</strong>bolabaum an.'<br />

21. [NgtiCfi em]N cünq vui 100g döi eho anh.<br />

Mensch jü.Bruder auch freudig tauschen für Bruder<br />

'Der gute Bruder nahm das Angebot freudig an. '<br />

22. Häng ngay [con qua] N vän den än khe,<br />

Jeden Tag Tier Rabe irrrner noch kcxrrnen essen Car<strong>am</strong>bola<br />

[ngtiCfi anh] N ding noa lai vö.i. qua nhu [ngtiöi<br />

Mensch Bruder auch sprechen wieder mi t Rabe wie Mensch<br />

[= er]<br />

em] N' va qua ciing t.ra löi nhu väy, nhl1ng lang<br />

jü.Bruder und Rabe auch an=rten wie so aber Herz<br />

[= er]<br />

th<strong>am</strong> khöng bao giCf bo duoc nen thay vi may<br />

gierig nicht niemals aufgeben können <strong>des</strong>wegen anstatt nähen


265<br />

t.u.i, ba gang [ngt1Cii anh] N


266<br />

DER RABE UND DER CARAMBOLABAUM<br />

Es war einmal ein sehr reicher Mann, der lebte in einern Dorf. Als er starb,<br />

hinterließ er seinen beiden Söhnen ein riesiges Vermögen.<br />

Die beiden Brüder waren aber ganz verschieden. Der ältere war habgierig,<br />

der jüngere jedoch war gütig. Nachdem nun die Eltern gestorben waren,<br />

verlangte der ältere das ganze Vermögen und ließ seinem jüngeren Bruder<br />

nur einen Car<strong>am</strong>bolabanrn, einen sehr fruchtbaren Baum, der süße Früchte<br />

trug. Der jüngere Bruder sorgte gut für den Baum, er goß ihn jeden Tag und<br />

hoffte, daß er viele Früchte tragen würde. Die wollte er dann verkaufen und<br />

von dem Erlös leben.<br />

Der ältere Bruder dagegen war glücklich mit seinem Erbe und brauchte sich<br />

keinerlei Sorgen zu machen. Als die Früchte reif waren, flug zum Leidwesen<br />

<strong>des</strong> jüngeren Bruders ein Rabe herbei, setzte sich auf den Baum und fraß die<br />

Früchte. Der jüngere Bruder war sehr unglücklich, als er das jeden Tag mitansehen<br />

mußte, aber er wußte nicht, was er tun sollte. <strong>Eine</strong>s Tages beschloß<br />

er, unter dem Baum stehenzubleiben und mit dem Raben zu sprechen.<br />

"Rabe", rief er, "bitte iß meine Früchte nicht. Dieser Obstbaum ist mein<br />

einziges Vermögen. Wenn du alle Früchte ißt, wird meine F<strong>am</strong>ilie verhungern".<br />

"Mach dir keine Sorgen", antwortete der Rabe. "Ich will sie dir in<br />

Gold zurückzahlen. Geh und mach dir einen Sack, der zwei Ellen lang ist,<br />

um das Gold hineinzulegen."<br />

Als er diese Worte hörte, war er sehr aufgeregt und sagte zu seiner Frau, sie<br />

solle einen zwei Ellen langen Sack nähen. Am nächsten Tag k<strong>am</strong> der Rabe<br />

wie versprochen. Er flog bis zum Tor, ließ den jüngeren Bruder auf seinen<br />

Rücken sitzen und flog mit ihm zu einem Ort, der voller Gold war. Hier<br />

füllte der jüngere Bruder seinen Sack mit Gold. Dann flog er auf dem Rükken<br />

<strong>des</strong> Raben wieder nach Hause zurück.<br />

Und so wurde er nun sehr reich. Aber immer noch liebte und ehrte er seinen<br />

älteren Bruder. Deshalb sagte er eines Tages zu seiner Frau, sie solle ein<br />

gutes Essen kochen für seinen Bruder und <strong>des</strong>sen F<strong>am</strong>ilie. Aber als er seinen<br />

Bruder einlud, lehnte dieser zuerst ab. Erst als er ihn wieder und wieder bat,<br />

nahm der ältere Bruder die Einladung an.<br />

Als der ältere Bruder im Haus <strong>des</strong> jüngeren ank<strong>am</strong>, wunderte er sich, wie<br />

verändert alles war. Das war nicht mehr das armselige Haus, das er von<br />

früher kannte. Deshalb fragte er seinen jüngeren Bruder, wie das gekommen<br />

sei. Dieser erzählte ihm alles, was<br />

geschehen war. Als der ältere Bruder alles gehört hatte, bot er dem jüngeren<br />

sein ganzes Vermögen für den Car<strong>am</strong>bolabaum an. Der gute Bruder nahm<br />

das Angebot freudig an.


267<br />

Der Rabe k<strong>am</strong> wie gewöhnlich. Der habgierige Bruder sprach dieselben<br />

Worte zu dem Raben wie sein Bruder und erhielt von dem Raben dieselbe<br />

Antwort. Aber er war so habgierig, daß er statt einem Sack von zwei Ellen<br />

Länge, einen viel größeren machte.<br />

Am nächsten Tag k<strong>am</strong> der Rabe, um ihn an den Ort mit dem Gold zu bringen.<br />

Nachdem er den Sack gefüllt hatte, füllte er auch noch alle seine Taschen,<br />

ehe er auf den Rücken <strong>des</strong> Raben kletterte, um eimzufliegen. Aber die<br />

Last war so schwer für den Raben, daß er über dem Meer seine müden Flügel<br />

senkte und ihn ins Meer fallen ließ.<br />

Seine Frau und der jüngere Bruder warteten und warteten, aber er k<strong>am</strong> nicht<br />

zurück. Deshalb beschlossen sie, den Raben zu fragen. Und so erfuhren sie,<br />

was geschehen war.


268<br />

II. [~ DlJA HAu] N<br />

Frucht Melone<br />

Klf<br />

1. Ngay XI.1a, cö vi HOOng ten Lä An-Tiem,<br />

Tage früher haben Platz Prinz N<strong>am</strong>e sein An-Tiem<br />

Klf<br />

con thu sau CUa vua Hling VUdng.<br />

Kind Rang sechs Possessiv König Hzmg Vilong<br />

ngUCli<br />

Mensch<br />

Klf<br />

2. Cäi. lenh vua cha bi däy ra<br />

Widersetzen Befehl König Vater Passiv verbannen nach<br />

hoang 000.<br />

verlassen Insel<br />

'König Hilllg Vuongs sechster Sohn An-Tiem gehorchte einmal<br />

dem Befehl <strong>des</strong> Kaisers nicht und wurde auf eine eins<strong>am</strong>e<br />

Insel verbannt.'<br />

3. An-Tiem phaa tu Läm leu de Cl, 00.0<br />

An-Tiem müssen selber machen Zelt um zu M:>hnen graben<br />

g~eng Läy nuöc uönq, cäu cä vä sän thli<br />

Brzmnen holen Wasser trinken angeln Fisch und jagen Tier<br />

Lärn t.hüc an.<br />

machen Ding essen<br />

'Der Prinz mußte sich selbst eine Hütte bauen, selbst<br />

einen Br'unneri graben und für seinen Lebensunterhalt<br />

fischen und jagen. '<br />

4. Mot höm, OOg tim tM.y m6t Load. [trai cay] N Lön<br />

Ein Tag er finden sehen eine Art Frucht Pflanze groß<br />

Klf<br />

bäng trai banh mäu xanh, OOg ben b6 ra<br />

wie Frucht Ball Farbe grün er dann schneiden auf<br />

Klf<br />

xem thi trong lai mau do ,<br />

sehen sein innen aber Farbe rot<br />

'<strong>Eine</strong>s Tages fand er eine grüne Frucht, groß und rund wie<br />

ein Ball. Er teilte die Frucht in zwei Hälften und sah,<br />

daß sie innen rot war. r<br />

5 . Nhltng OOg khönq ct<strong>am</strong> an vi so trai döc ,<br />

Aber er nicht wagen essen weil fürchten Frucht giftig<br />

'Er wagte nicht, von der Frucht zu essen, derm er<br />

fürchtete, daß sie giftig sein kOnnte. '<br />

6. Ngay thang qua rmia nänq den, trdi<br />

Tag Monat vergehen Jahreszei t sonnig komnen Himnel<br />

nänq gat cäy co khö khan, gieng khOng cön nuöc ,<br />

sonnig sehr Baum Gras trocken Brzmnen nicht noch Wasser<br />

'Die Tage vergingen und die trockene, sonnige Jahreszeit<br />

k<strong>am</strong>. Es war so heiß, daß alle Pflanzen vertrockneten und<br />

im Brunnen kein Wasser mehr war. '


269<br />

7. Mot höm An-Tü,m met La ngUOi vi knät , 6ng Herr<br />

Ein Tag An-Tiem müde kraftlos weil durstig er sofort<br />

an thl1 loai [trih cäy] N ngoai xanh trong do .<br />

essen probieren Art Frucht Pflanze außen grün innen rot.<br />

Klf<br />

'<strong>Eine</strong>s Tages war An-Tiem so erschöpft und durstig, daß er von<br />

der Frucht aß. '<br />

8 . Träi cäy äy rat ngon vä ngot, vä 6ng kh6ng<br />

Frucht Pflanze diese sehr köstlich und süß und er nicht<br />

Klf<br />

cön 10 khät, nüa ,<br />

wieder fürchten durstig wieder<br />

'Er merkte, daß sie köstlich schmeckte und den Durst<br />

löschte. '<br />

9. 'I\i' a6 An-Tiem cö cong vun dät, trong xunq<br />

Seit dies An-Tiem bemühen Mühe häufen Erde pflanzen um<br />

quanh nhä, chänq bao lau trai xanh däy cä dao<br />

herum Haus nicht viel lang Frucht grün voll ganz Insel<br />

hoang.<br />

verlassen<br />

'Da versuchte er, solche Früchte rund um seine Hütte anzubauen.<br />

Bald war die ganze Insel mit den grünen Früchten bedeckt. '<br />

10. An-Tiem khäc ten minh vä dao hoang treu<br />

An-Tiem gravieren N<strong>am</strong>e eigen und Insel verlassene auf<br />

trai cäy roi dem t.ha xu6ng bien.<br />

Frucht Pflanze danach bringen setzen unter Meer<br />

Klf<br />

'An-Tiem grub den N<strong>am</strong>en der Insel und seinen eigenen<br />

N<strong>am</strong>en in einige Früchte und war sie ins Meer. '<br />

11. Dan dän nhllng nguoi di bien tim t.häy nhllng<br />

Allmählich Plural Mensch gehen Meer finden sehen Plural<br />

trai la cö teu An-Tiem troi lenh denh<br />

Frucht selts<strong>am</strong>e haben N<strong>am</strong>e An-Tiem schwinmen treiben<br />

treu bien.<br />

auf Meer<br />

'Einige Zeit danach fanden Seeleute die selts<strong>am</strong>e Frucht,<br />

die auf dem Meer schw<strong>am</strong>n und An-Tiems N<strong>am</strong>en trug. '<br />

12. Ho an t.rä i, dö vä t.häy ngot diu lai<br />

Sie essen Frucht jene und fühlen süß angenehm dazu noch<br />

c<strong>am</strong> thäy khöng cön khät, nuöc trong khi<br />

fühlen sehen nicht wieder durstig Wasser in Zeit<br />

troi nönq nuc ,<br />

Hirrmel heiß<br />

'Sie aßen diese Frucht und merkten, daß sie süß schmeckte<br />

und in der trockenen Jahreszeit den Durst löschte.'


270<br />

13. Ho ben aat ten cho [trai cäyl N öäc biet<br />

Sie daraufhin benennen N<strong>am</strong>e für Frucht Pflanze besondere<br />

a6 Lä trai dua häu.<br />

jene als Frucht Wassermelone<br />

Klf<br />

'Diese besondere Frucht nannten sie Wassermelone. '<br />

14. Ch.äng bao lau tin t.räf, dua häu<br />

Nicht viel lange Nachricht Frucht Wassermelone<br />

Klf<br />

dän väo Mt lien, cäc t.huyän buön bän<br />

allmählich nach Festland viel Schiff Handel<br />

den hoang Mo.<br />

nach verlassen Insel<br />

lan<br />

ausbreiten<br />

tim<br />

suchen<br />

'Bald e=eichte die Nachricht von der Frucht auch das<br />

Festland und viele Kaufleute suchten den Weg zu der<br />

Insel. '<br />

15. Bien hoang Mo thiinh hai, Mo thl.ic1ng mai.<br />

Verändexn verlassene Insel zu Meer Insel Handel<br />

'So wurde aus der eins<strong>am</strong>en Insel ein geschäftiger<br />

Handelsplatz. '<br />

16. Hai Mo bäy giO döng dän cu vä thuyen be qua lai.<br />

Meer Insel nun voll EinMJhner und Schiffe verkehren<br />

'Die Insel war nun voller Menschen. Viele Schiffe k<strong>am</strong>en<br />

und gingen. '<br />

17. An-Tiem lien gmp nhÜtlg nglioi näo muön<br />

An-Tian sofort helfen Plural Mensch welche .-.ollen<br />

len Mo Läp nghiep.<br />

betreten Insel gründen Unternehmen<br />

'An-Tiem half jedem,<br />

wollte. '<br />

der sich auf der Insel ansiedeln<br />

18. Tin äy dön tai vua cha.<br />

Nachricht diese verbrei ten Ohr König Vater.<br />

'Bald erfuhr auch der Kaiser davon. '<br />

19. Vua HUng Vudng Läy Läm hänh dien cö nöt, dUa<br />

König Hung Vuong betrachten als stolz haben ein Kerl<br />

Klf<br />

Klf<br />

con My Lönq can d<strong>am</strong> vä nghi Iuc vl1dt SlJ:Ia ca<br />

Kind voll Herz mutig und standhaft winden über- alle<br />

nhifnq trd ngai, kh6ng nho va rröt, nglidi khäc .<br />

Plural Hindernisse niCht aufstützen ein Mensch anderen<br />

'Kaiser Hung Vuong war sehr stolz auf seinen Salm, der<br />

seine schwierige Lage ohne fremde Hilfe gemeistert<br />

hatte. '<br />

20. Vua lien t.ruyän quän linh di goi con<br />

König sofort schicken Armee Soldaten gehen rufen Kind


271<br />

ve.<br />

ZUIÜckkonmen<br />

'An-Tiem wurde sofort an den Hof zurückgerufen. '<br />

21. An-Tiem aem theo<br />

An-Tiem bringen mit<br />

ve bieu cha.<br />

ZUIÜckkonmen schenken Vater<br />

nhilng trai<br />

Plural Frucht<br />

Klf<br />

dua häu<br />

Wassermelone<br />

'Er brachte seine Frucht mit und bot sie dem Kaiser,<br />

seinem Vater, an.'<br />

22. Ong duoc vua cha truyen ngOi vua.<br />

Er bekonmen König Vater erben Thron König<br />

23. An-Tiem Lä vua H\Jng Vl1drlg thli sau.<br />

An-Tiem sein König Hung Vi.long Rang sechs<br />

'Der Kaiser gab ihm seine Krone und An-Tiem wurde Kaiser<br />

Hung Vuong der Sechste. '<br />

24. m a6 dua hau tl1drlg tr11ng cho s11 may män<br />

Seither Wassennelone symbolisieren für Sache glückbringen<br />

nän ngl1Cji ta thUdng dUng dua häu Läm<br />

<strong>des</strong>halb Leute oft benutzen Wassennelone machen<br />

qua bieu nnän dip xuän ve.<br />

Geschenk schenken während Gelegenhei t Frühling kcmnen<br />

'Seither wurde diese Frucht, die man 'Wassermelone' nannte, zum<br />

Symbol <strong>des</strong> Glücks, und man gibt sie oft Verwandten und Freunden<br />

als Neujahrsgeschenk. t<br />

Die Wassermelone<br />

König Hung Vuongs sechster Sohn n<strong>am</strong>ens An-Tiem gehorchte einmal dem<br />

Befehl <strong>des</strong> Kaisers nicht und wurde auf eine eins<strong>am</strong>e Insel verbannt.<br />

Der Prinz mußte sich selbst eine Hütte bauen, selbst einen Brunnen<br />

graben und für seinen Lebensunterhalt fischen und jagen.<br />

<strong>Eine</strong>s Tages fand er eine grüne Frucht, groß und rund wie ein Ball. Er<br />

teilte die Frucht in zwei Hälften und sah, daß sie innen rot war.<br />

Er wagte nicht, von der Frucht zu essen, denn er fürchtete, daß sie<br />

giftig sein könnte. Die Tage verbingen und die trockene, sonnige Jahreszeit<br />

k<strong>am</strong>. Es war so heiß, daß alle Pflanzen vertrockneten und im<br />

Brunnen kein Wasser mehr war. <strong>Eine</strong>s Tages war An-Tiem so erschöpft und<br />

durstig, daß er von der Frucht aß.<br />

Er merkte, daß sie köstlich schmeckte und den Durst löschte. Da versuchte<br />

er, solche Früchte rund um seine Hütte anzubauen. Bald war die<br />

ganze Insel mit den grünen Früchten bedeckt.<br />

An-Tiem grub den N<strong>am</strong>en der Insel und seinen eigenen N<strong>am</strong>en in einige<br />

Früchte und warf sie ins Meer. Einige Zeit danach fanden Seeleute die<br />

selts<strong>am</strong>e Frucht, die auf dem Meer schw<strong>am</strong>n und An-Tiems N<strong>am</strong>en trug.<br />

Bald e=eichte die Nachricht von der Frucht auch das Festland und viele<br />

Kaufleute suchten den Weg zu der Insel. So wurde aus der eins<strong>am</strong>en


272<br />

Insel ein geschäftiger Handelsplatz.<br />

Die Insel war nun voller Menschen. Viele Schiffe k<strong>am</strong>en und gingen. An­<br />

Tiem half jedem, der sich auf der Insel ansiedeln wollte. Bald erfuhr<br />

auch der Kaiser davon.<br />

Kaiser Hung Vuong war sehr stolz auf seinen Sohn, der seine schwierige<br />

Lage ohne fremde Hilfe gemeistert hatte. An-Tiem wurde sofort an den<br />

Hof zurückgerufen. Er brachte seine Frucht mit und bot sie dem Kaiser,<br />

seinem Vater, an.<br />

Der Kaiser gab ihm seine Krone und An-Tiem wurde Kaiser Hung Vuong der<br />

Sechste.<br />

Seitdem wurde diese Frucht, die man "Wassermelone" nannte, zum Symbol<br />

<strong>des</strong> Glücks, und man gibt sie oft VerW


273<br />

III . TIUEu PHU NI\M X!.i-oNG<br />

Junge Frau N<strong>am</strong> Xuong<br />

1. Duö.i, t.hö.i. vua Le-TIJanh-Too tai rot Länq o huyän N<strong>am</strong>-XUcJng,<br />

Unter Ära König Le-Thanh-Ton in ein Dorf im Kreis N<strong>am</strong>-Xuong<br />

t.Lnh Hä-N<strong>am</strong>, cö döi vd chönq tre ho TrUdng vua m:3i<br />

Provinz Ha.-N<strong>am</strong>, haben Paar Ehepaar jung N<strong>am</strong>e Truong gerade<br />

cö rot aua con däu Lönq.<br />

haben ein Kerl. Kind erste Geburt<br />

Klf<br />

'Unter der Regierung Le-Than-Ton lebte in dem Dorf N<strong>am</strong> Xuong, der<br />

Han<strong>am</strong> Provinz, das junge Ehepaar Truong mit ihrem kleinen Baby.'<br />

2 . Gap Lüc nuöc nhä trong ccn binh bien, tat ca trai trang<br />

Gerade Zeit Land in Welle Meuterei, alle jung Männer<br />

deu len &.iCfng cUu m1Oc, trong dö cö cä cnänq<br />

el.Le machen Weg retten Land darunter haben auch junger Mann<br />

TrUdng.<br />

Truong<br />

'Als der Krieg das Land überzog, mußten alle jungen Männer ihr<br />

Land verteidigen. Truong blieb keine Ausnahme. '<br />

3. Luc chäng<br />

Mcrnent er<br />

dai.<br />

unerfahren<br />

ra di thi [&Ja<br />

weggehen Mcrnent Kerl<br />

Klf<br />

be] N My cön tiho<br />

Kind gerade noch jung<br />

'Er verließ sein Haus, als sein Sohn noch ein kleines Kind war. '<br />

4. Ndi que nhä Mng ngay vo<br />

Ort Heimat jeden Tag Frau<br />

chänq 10 buön bän<br />

j.Mann sorgen traurig verkaufen<br />

t.ao t.än d" nuoa, con chö nqäy chOng<br />

Alge Kleefarn um zu aufziehen Kind warten Tag Ehemann<br />

(= hart arbei ten)<br />

tro ve.<br />

wiederkomnen<br />

'Als Truongs Frau mit ihrem Kind alleine war, mußte sie hart<br />

arbeiten, um ihren Sohn zu ernähren. Täglich wartete sie auf<br />

die Rückkehr ihres Mannes. '<br />

5 . M6t höm trdi gi6ng bäo säm set., QUa be<br />

Ein Tag Hirrrnel stünnisch heftiger Donnerschlag Kerl Kind<br />

Klf<br />

so qua kh6c, nglidi me dö mä i<br />

fürchten sehr weinen Mensch Mutter beruhigen irrrner wieder<br />

Klf<br />

con ciinq kh6ng nin, nänq rroi t.häp cäy den<br />

Kind auch nicht aufhören sie beginnen anzünden Baum L<strong>am</strong>pe<br />

, Klf<br />

däu Len, chi böng minh in t ren väch vä noi .<br />

Erdöl an zeigen Schatten Person spiegeln auf Wand und sagen<br />

'In einer stürmischen Nacht blitzte und donnerte es. Der kleine<br />

Junge wachte auf und war sehr erschrocken. Er weinte und weinte<br />

und härte trotz der besänftigenden Worte der Mutter nicht auf.


274<br />

Dann zündete sie eine Öllanpe an und zeigte auf den Schatten an<br />

der Wand und sagte sanft:'<br />

6. "Iläy, cha con aa: ve, con dilng<br />

Hier, Vater dein schon zurückkomnen, du nicht brauchen<br />

!eKisid)<br />

!=Kind)<br />

sd nüa, My ngli


275<br />

10. Ell1a be xö chäng ra vä noa :<br />

Kerl Kind stoßen j.Mann weg und sagen<br />

Klf<br />

'Aber der Jtmge war erschrocken. Er stieß seinen Vater weg und<br />

sagte: '<br />

11. "Cha tai Bau pha i Lä<br />

Vater ich nicht sein<br />

m:3i vä , Ir<br />

erst dann zuruckkcmnen<br />

önq, cha tai dem toi<br />

Sie, Vater ich Nacht dtmkel<br />

(=Herr)<br />

'''Nein, du bist nicht mein Papa. Mein Papa korrrnt nur in der Nacht<br />

nach Hause. 11 1<br />

12. Nghe con noa väy chäng äem lang nghi ngd lang<br />

Hören Kind sagen so j.Mann bringen Herz verdächtigen Herz<br />

chunq t.huy cua vo minh bäy lau nay.<br />

treu Possessiv Frau eigen seit lange her.<br />

'Nachdem der Vater diese Worte gehört hatte, begann er an der<br />

Treue und Redlichkeit seiner Frau zu zweifeln. '<br />

13. Den khi vo chäng Tn:idng vä, t.häy chönq näng<br />

Als Frau j.Mann Truong zurückkorrrnen sehen Ehemann sie<br />

milng qua chay lai hOi han thi bi chöng<br />

glücklich sehr laufen zu begrüßen dann Passiv Ehemann<br />

t.hö cJ lanh nhat.<br />

gleichgültig kal t<br />

'Als seine Frau zurückkehrte, war sie sehr glücklich, daß ihr<br />

Mann heirrgekorrmen war. Sie stellte ihm alle mSglichen Fragen,<br />

aber sie fand ihn nur kalt und gleichgültig. '<br />

14. Nang cön &mg tu ho.i. vi sao chOng minh<br />

Sie noch gerade selbst fragen weshalb Ehemann eigen(er)<br />

lai dOi Xli vOi minh nhu väy,<br />

aber behandeln mi t ich auf diese<br />

(=Person)<br />

m6t rm1c thUdng yeu vä kinh trong<br />

stets lieben und verehren<br />

chönq thOt Len .<br />

Ehemann sprechen aus<br />

trong khi minh vän<br />

Weise, während ich iJrrner<br />

(=Person)<br />

chöng, thi ngliOi<br />

Ehemann<br />

dann Mensch<br />

Klf<br />

'Sie begann sich über das Verhalten ihres Mannes zu wundern, da<br />

sie ihn doch liebte und tief verehrte. Da schrie er plötzlich:'<br />

15. "Tai Bau CÖIl Lä chöng<br />

Ich Fragep. noch sein Ehemann<br />

cua bä<br />

Possessiv du<br />

(=alte<br />

nüa t !'<br />

mehr<br />

Frau)<br />

1"Ich bin nicht dein Mann,<br />

nicht wahr?11 r<br />

16. NgUai vd<br />

Mensch Ehefrau<br />

Klf<br />

chänq hieu chuyän gi Ba<br />

nicht verstehen Vorfall welcher schon<br />

xay ra, näng cö güii thich the näo chöng cünq<br />

geschehen sie hartnäckig erklären wie Ehemann auch


276<br />

khong nghe.<br />

nicht hören<br />

'Während sie rätselte und nicht wußte was passiert war, versuchte<br />

sie sich ihm verständlich zu machen. Erfolglos.'<br />

17. Buön qua näng rrdi ra gioo.g song lao<br />

Traurig sehr sie<br />

erst kcmnen Stran FLuß hineinspringen<br />

Klf<br />

minh xuOng tu tu: chik de minh<br />

Körper hinunter Selbs=rd begehen sterben um zu beweisen<br />

oan cho lang chung t.huy cüa minh.<br />

Unschuld für Herz treu Possessiv selbst<br />

(=Person)<br />

'In Verzweiflung ging sie zum FLuß in der Nähe und stürzte sich<br />

ins Wasser. Es war der einzige Weg, ihm Mann ihre Unschuld zu<br />

beweisen. '<br />

18. Sau khi vo cnät, chäng Tn1dng phai, chiu canh<br />

Nachdem Ehefrau sterben j.Mann Truong müssen leiden Situation<br />

gä tr6ng nuoi<br />

Hahn aufziehen<br />

con.<br />

Küken<br />

(=Kind)<br />

'Nach dem Tod seiner Frau mußte Truong für seinen Sohn sorgen. '<br />

19. Bem ve chäng Läy den ra t.häp Len,<br />

Nacht ZUIÜckkcmnen j.Mann herausholen L<strong>am</strong>pe heraus zünden an<br />

den vua sang, b6ng chäng cilng vua h.i.en t.rän<br />

L<strong>am</strong>pe gerade hell Schatten j.Mann auch gerade erscheinen auf<br />

Wich thi dila<br />

Wand dann Kerl<br />

Klf<br />

b€ mllng ra keu Len.<br />

Kind freuen sich rufen auf<br />

'Als die Nacht k<strong>am</strong>, zündete er die Öll<strong>am</strong>pe an. Sobald der Schatten<br />

auf der Wand erschien, rief der k'Leine Junge glücklich: '<br />

20. !lAI My cha t.ö.i, aä ve! n<br />

Schau hier Vater ich schon ZUIÜckkcmnen<br />

I "Schau, mein Papa ist zurück, mein Papa ist zurück. 11 ,<br />

21. Luc äy chäng TrUc:Jng rrdi hieu OOi oan<br />

Moment dieser j.Mann Truong erst verstehen Lage Unschuld<br />

Klf<br />

cua vc thi aa: qua rnuön ,<br />

Possessiv Ehefrau dann schon zu sehr spät<br />

'Erst jetzt wurde Truong die Unschuld seiner Frau klar. Aber es<br />

war zu spät! I<br />

22. Ng110i trong lang nghe t.ruyän nay cäm thuong cho<br />

Leute im Dorf erfahren Vorfall diese fühlen Mitleid für<br />

nöi oan<br />

Lage Unschuld<br />

Klf<br />

cua<br />

ng1.!Oi<br />

Possessiv Mensch<br />

Klf<br />

thieu phu neu aa<br />

jilllg Frau <strong>des</strong>halb schon


277<br />

Läp rru.eu t.ho näng CI ben g1.ong sönq ,<br />

aufstellen Altar verehren sie im Ufer Strom Fluß<br />

Klf<br />

'Als die Leute vom Dorf diese Geschichte härten, hatten sie<br />

Mitleid mit der unschuldigen Frau, und sie stellten <strong>am</strong> Fluß,<br />

dort wo sie hineingesprungen war, einen Altar auf.'<br />

23. Mieu äy goi 1.3. "Mieu Vd Chäng Tnidng".<br />

Altar dieser benennen nach "Altar Ehefrau j.Mann Truong<br />

'Sie benannten den Altar nach der Frau.'<br />

DIE FRAU VON NAM XUONG<br />

Unter der Regierung Le-Than-Ton lebte in dem DorfN<strong>am</strong> Xuong, der Han<strong>am</strong> Provinz,<br />

das junge Ehepaar Truong mit ihrem kleinen Baby.<br />

Als der Krieg das Land überzog, mußten alle jungen Männer ihr Land verteidigen.<br />

Truong blieb keine Ausnahme. Er verließ sein Haus, als sein Sohn noch ein kleines<br />

Kind war. Als Truongs Frau mit ihrem Kind alleine war, mußte sie hart arbeiten, um<br />

ihren Sohn zu ernähren. Täglich wartete sie auf die Rückkehr ihres Mannes.<br />

In einer stürmischen Nacht blitzte und donnerte es. Der kleine Junge wachte auf und<br />

war sehr erschrocken. Er weinte und weinte und hörte trotz der besänftigenden Worte<br />

der Mutter nicht auf. Dann zündete sie eine Öll<strong>am</strong>pe an und zeigte auf den Schatten<br />

an der Wand und sagte sanft: "Schau, Papa ist zurück, habe keine Angst mehr, schlafe<br />

mein Kindchen, schlafe."Der Junge glaubte seiner Mutter, hörte auf zu weinen und<br />

ging schlafen.Tag für Tag, wenn die Mutter die Öll<strong>am</strong>pe anzündete, zeigte er natürlich<br />

auf den Schatten an der Wand und rief: "Schau, Papa ist zurück, Papa ist zuruck!<br />

11<br />

Als der Krieg vorüber war, bek<strong>am</strong> Truong die Erlaubnis, in sein Dorf zurückzukehren<br />

und seine F<strong>am</strong>ilie zu besuchen.Als er heimk<strong>am</strong>, war seine Frau nicht zu Hause. Er<br />

sah nur seinen kleinen Sohn beim Spielen. Nachdem er seinen Jungen erkannt hatte,<br />

lief er zu ihm, umarmte ihn und sagte:"Ich bin dein Papa." Aber der Junge war erschrocken.<br />

Er stieß seinen Vater weg und sagte: "Nein, du bist nicht mein Papa.<br />

Mein Papa kommt nur in der Nacht nach Hause."<br />

Nachdem der Vater diese Worte gehört hatte, begann er an der Treue und Redlichkeit<br />

seiner Frau zu zweifeln.<br />

Als seine Frau zurückkehrte, war sie sehr glücklich, daß ihr Mann wieder heimgekommen<br />

war. Sie stellte ihm alle möglichen Fragen, aber sie fand ihn nur kalt und<br />

gleichgültig. Sie begann sich über das Verhalten ihres Mannes zu wundern, da sie ihn<br />

doch liebte und tief verehrte.<br />

Da schrie er plötzlich: "Ich bin nicht dein Mann, nicht wahr?" Während sie rätselte<br />

und nicht wußte, was passiert war, versuchte sie sich verständlich zu machen. Erfolglos.<br />

ln Verzweiflung ging sie zum fluß in der Nähe und stürzte sich ins Wasser. Es war


278<br />

der einzige Weg, ihrem Mann ihre Unschuld zu beweisen.<br />

Nach dem Tod seiner Frau mußte Truong für seinen Sohn sorgen. Als die Nacht<br />

k<strong>am</strong>, zündete er die Öll<strong>am</strong>pe an Sobald der Schatten auf der Wand erschien, rief der<br />

kleine Junge glücklich: "Schau, mein Papa ist zurück, mein Papa ist zurück"<br />

Erst jetzt wurde Truong die Unschuld seiner Frau klar. Aber es war zu spätl<br />

Als die Leute vom Dorf diese Geschichte hörten, hatten sie Mitleid mit der unschuldigen<br />

Frau, und sie stellten <strong>am</strong> Fluß, dort wo sie hineingesprungen war, einen Altar<br />

auf. Sie benannten den Altar nach der Frau.

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