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theodor baums rechtsfragen der innenfinanzierung im aktienrecht

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THEODOR BAUMS<br />

RECHTSFRAGEN DER INNENFINANZIERUNG IM AKTIENRECHT<br />

WORKING PAPER SERIES NO. 62


PROF. DR. THEODOR BAUMS<br />

PROF. DR. ANDREAS CAHN<br />

INSTITUTE FOR LAW AND FINANCE<br />

JOHANN WOLFGANG GOETHE-UNIVERSITÄT<br />

SENCKENBERGANLAGE 31<br />

D-60054 FRANKFURT AM MAIN<br />

TEL: +49 (0)69 / 798-28941<br />

FAX: +49 (0)69 / 798-29018<br />

(INTERNET: HTTP://WWW.ILF-FRANKFURT.DE)


Theodor Baums<br />

Rechtsfragen <strong>der</strong> Innenfinanzierung <strong>im</strong> Aktienrecht<br />

Institute for Law and Finance<br />

WORKING PAPER SERIES NO. 62<br />

06/ 2007


Rechtsfragen <strong>der</strong> Innenfinanzierung <strong>im</strong> Aktienrecht<br />

Theodor Baums<br />

I. Begriff und Fälle <strong>der</strong> Innenfinanzierung<br />

II.<br />

Innenfinanzierung, Gläubigerschutz und „Residualberechtigung“ <strong>der</strong> Aktionäre<br />

1. Rücklagenbildung aufgrund gläubigerschützen<strong>der</strong> Vorschriften<br />

2. Innenfinanzierung und Residualberechtigung <strong>der</strong> Aktionäre<br />

III.<br />

Innenfinanzierung durch Gewinnrücklagen<br />

1. Wirtschaftswissenschaftliche Erwägungen zu Rücklagenbildung und Ausschüttung<br />

2. Die Rücklagenbildung durch Vorstand und Aufsichtsrat gemäß § 58 Abs. 2 AktG<br />

3. Die Rücklagenbildung durch die Hauptversammlung gemäß § 58 Abs. 3 AktG<br />

IV.<br />

Innenfinanzierung durch stille Reserven<br />

1. Gesetzliche „Zwangsreserven“<br />

2. Schätzungs- und Ermessensreserven<br />

3. „Willkürreserven“<br />

V. Innenfinanzierung durch an<strong>der</strong>weitige Verwendung des Bilanzgewinns<br />

VI.<br />

Zusammenfassung


I. Begriff und Fälle <strong>der</strong> Innenfinanzierung<br />

Mit „Innenfinanzierung“ von Unternehmen bezeichnet man folgenden Vorgang: Finanzielle<br />

Mittel, die dem Unternehmen aus seiner Geschäftstätigkeit, genauer, als positiver Saldo<br />

zwischen Einzahlungen aus Nichtfinanzierungsmärkten (zum Beispiel Erträge aus dem<br />

Absatz von Produkten und Dienstleistungen) und Auszahlungen an diese Märkte (zum<br />

Beispiel Aufwand für Rohstoffe, Lohnaufwand usw.) in einer Periode zugeflossen sind,<br />

werden nicht an die Kapitalgeber ausgezahlt, son<strong>der</strong>n einbehalten 1 . Vier Gestaltungen sind<br />

insoweit zu unterscheiden: Die Innenfinanzierung durch Gewinnrücklagen; die<br />

Innenfinanzierung durch stille Reserven; die Innenfinanzierung durch an<strong>der</strong>weitige<br />

Verwendung des Bilanzgewinns, und die Innenfinanzierung durch Vermögensumschichtung.<br />

Die Innenfinanzierung durch Bildung von Gewinnrücklagen wird oft auch als „offene<br />

Selbstfinanzierung“ bezeichnet. Sie erfolgt aus dem mittels des Einzelabschlusses ermittelten<br />

Ergebnis <strong>der</strong> Gesellschaft (vgl. § 272 Abs. 3 HGB). Vor allem ist damit <strong>der</strong> Fall gemeint, daß<br />

das zuständige Gesellschaftsorgan beschließt, den erzielten Jahresüberschuß ganz o<strong>der</strong> zum<br />

Teil nicht an die Anteilseigner auszuschütten, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> Gesellschaft zu belassen. So<br />

können Vorstand und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft <strong>im</strong> Fall des § 58 Abs. 2 AktG<br />

einen Teil des Jahresüberschusses in „an<strong>der</strong>e Gewinnrücklagen“ einstellen, und die<br />

Hauptversammlung kann in ihrem Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinns<br />

weitere Beträge in Gewinnrücklagen einstellen o<strong>der</strong> als Gewinn vortragen (§ 58 Abs. 3<br />

AktG).<br />

Zur Selbstfinanzierung rechnet sodann die stille Selbstfinanzierung o<strong>der</strong> Innenfinanzierung<br />

durch stille Reserven. Stille Reserven entstehen, wenn Vermögensgegenstände in <strong>der</strong> Bilanz<br />

nicht angesetzt o<strong>der</strong> unterbewertet sind; wenn nicht bestehende Verbindlichkeiten angesetzt,<br />

o<strong>der</strong> wenn Verbindlichkeiten überbewertet sind; o<strong>der</strong> auch durch die Bildung von<br />

Rückstellungen (vgl. § 249 Abs. 1 HGB). Rückstellungen bewirken <strong>im</strong> Ergebnis eine<br />

Ausschüttungssperre und dadurch eine vorzeitige Bindung <strong>der</strong>jenigen Mittel, die u. U. für<br />

eine spätere Zahlung benötigt werden. Der Begriff <strong>der</strong> Bildung einer „stillen“ Reserve ist<br />

dabei nicht mißzuverstehen. Nur <strong>im</strong> Fall des Nichtansatzes o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Unterbewertung eines<br />

Vermögensgegenstands auf <strong>der</strong> Aktivseite werden aus <strong>der</strong> Bilanz nicht ersichtliche stille<br />

Reserven gelegt; stille Reserven auf <strong>der</strong> Passivseite führen dagegen zum Ausweis <strong>der</strong><br />

entsprechenden Bilanzpositionen und verkürzen das in <strong>der</strong> Bilanz ausgewiesene<br />

Eigenkapital 2 . Zur Bildung stiller Reserven kann es aus verschiedenen Gründen kommen. So<br />

können Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften den Ansatz eines Vermögensgegenstands<br />

in <strong>der</strong> Bilanz zu einem niedrigeren als dem Verkehrswert vorschreiben (vgl. §§ 253, 254 i. V.<br />

mit §§ 279, 280 HGB), o<strong>der</strong> sie können die Bildung einer Rückstellung erzwingen, obwohl<br />

die Inanspruchnahme <strong>der</strong> Gesellschaft nach Grund o<strong>der</strong> Höhe noch nicht feststeht (vgl. § 249<br />

HGB). In diesen Fällen werden gewissermaßen gesetzliche „Zwangsreserven“ gebildet.<br />

Ferner können sich stille Reserven dadurch ergeben, daß Ansatz- o<strong>der</strong><br />

Bewertungsvorschriften Wahlrechte zubilligen, die von den Beteiligten <strong>im</strong> Sinne <strong>der</strong> von<br />

ihnen eingeschlagenen Bilanzpolitik genutzt werden dürfen („Ermessensreserven“). Eine<br />

beson<strong>der</strong>e Fallgruppe stellen sogenannte „Schätzungsreserven“ dar, die sich aus <strong>der</strong> Natur<br />

notwendig unvollkommener Prognosen ergeben. So mag zum Beispiel die Nutzungsdauer<br />

von Vermögensgegenständen bei <strong>der</strong> Anlage des Abschreibungsplans falsch eingeschätzt,<br />

o<strong>der</strong> es mögen zu hohe drohende Verluste bei <strong>der</strong> Bildung von Rückstellungen angenommen<br />

werden. Schließlich können stille Reserven auch durch Verstöße gegen Ansatz- und<br />

Bewertungsvorschriften entstehen („Willkürreserven“).<br />

1 Eingehend zum Begriff <strong>der</strong> Innenfinanzierung etwa Drukarczyk, Finanzierung, 9. Auflage 2003, S. 8 ff; Rudolph,<br />

Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, 2006, S. 6 f.<br />

2 S. dazu auch Wöhe, Bilanzierung und Bilanzpolitik, 9. Auflage 1997, S. 602.<br />

2


Ein dritter, praktisch allerdings wenig bedeutsamer Fall <strong>der</strong> Innenfinanzierung von<br />

Unternehmen ist die Innenfinanzierung durch an<strong>der</strong>weitige Verwendung des Bilanzgewinns.<br />

So mag den Arbeitnehmern eine Gewinnbeteiligung in <strong>der</strong> Form versprochen worden sein,<br />

daß sie einen best<strong>im</strong>mten Prozentsatz des Jahresüberschusses als Ergebnisanteil erhalten, daß<br />

diese Gewinnbeteiligung aber in einen verzinslichen Fremdkapitalanspruch („Mitarbeiter-<br />

Darlehen“) umgewandelt wird, <strong>der</strong> erst nach Ablauf einer best<strong>im</strong>mten Haltefrist auszuzahlen<br />

ist.<br />

Als weiterer Fall <strong>der</strong> Innenfinanzierung wird schließlich in <strong>der</strong> betriebswirtschaftlichen<br />

Literatur die Innenfinanzierung durch Vermögensumschichtung behandelt 3 . Hierher rechnet<br />

etwa die Kapitalfreisetzung durch Veräußerung nicht betriebsnotwendiger o<strong>der</strong> nicht mehr<br />

benötigter Vermögensgegenstände. Aus rechtlicher Sicht wirft diese Form <strong>der</strong><br />

Innenfinanzierung keine beson<strong>der</strong>en Fragen auf; sie wird <strong>im</strong> Folgenden daher nicht erörtert.<br />

II.<br />

Innenfinanzierung, Gläubigerschutz und „Residualberechtigung“ <strong>der</strong> Aktionäre<br />

1. Rücklagenbildung aufgrund gläubigerschützen<strong>der</strong> Vorschriften<br />

Die Innenfinanzierung eines von einer Aktiengesellschaft betriebenen Unternehmens bewegt<br />

sich <strong>im</strong> Spannungsfeld zwischen Gläubigerschutz und „Residualberechtigung“ <strong>der</strong><br />

Aktionäre. Soweit die Reservenbildung sich infolge <strong>der</strong> Anwendung zwingen<strong>der</strong> gesetzlicher<br />

Ansatz- o<strong>der</strong> Bewertungsvorschriften für den Einzelabschluß ergibt, ist sie eine Folge des in<br />

diesen Normen verankerten Gläubigerschutzprinzips. Diese Vorschriften sollen dazu<br />

beitragen, die Erfüllung <strong>der</strong> Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern zu sichern und das<br />

Vermögen <strong>der</strong> Schuldnergesellschaft vor dem unberechtigten Zugriff ihrer Eigenkapitalgeber<br />

zu schützen, denen letzten Endes nur das „Residuum“, <strong>der</strong> „Totalgewinn“, zusteht, <strong>der</strong> nach<br />

Abzug sämtlichen Aufwands und aller Verbindlichkeiten verbleibt. Brauchte man nur diesen<br />

Endüberschuß zu ermitteln, dann würden sich z.B. die getätigten Aufwendungen für<br />

Pensionsleistungen ohne weiteres ergebnismin<strong>der</strong>nd auswirken. Die Notwendigkeit zur<br />

Bildung einer Rückstellung für Pensionsleistungen ergibt sich daraus, daß bereits vor <strong>der</strong><br />

Ermittlung des Totalgewinns und vor <strong>der</strong> Begleichung des Aufwands hierfür periodisch mit<br />

Hilfe des Jahresabschlusses „Zwischengewinne“ ermittelt und gegebenenfalls auch<br />

ausgeschüttet werden. Das erfor<strong>der</strong>t, für zwar noch nicht feststehende o<strong>der</strong> gar fällige, aber<br />

bereits angelegte und <strong>der</strong> betreffenden Periode auch zuzurechnende Verbindlichkeiten, zum<br />

Beispiel Pensionsverpflichtungen als Vergütung für Arbeitsleistungen, <strong>im</strong> Jahresabschluß<br />

Rückstellungen zu bilden (vgl. Art. 28 EGHGB i. V. mit § 249 Abs. 1 S. 1 HGB) 4 , um durch<br />

eine solche vorzeitige Mittelbindung zu ermöglichen, daß entsprechende Mittel <strong>im</strong> Zeitpunkt<br />

des Fälligwerdens <strong>der</strong> Verbindlichkeit tatsächlich vorhanden sind und nicht zu Unrecht, als<br />

Vorabausschüttung auf einen angeblichen Totalgewinn, vorweg an die Anteilseigner<br />

ausgekehrt werden. Die Verpflichtung zur nachträglichen Mittelbindung durch Abschreibung<br />

soll gleichfalls dazu beitragen, daß nicht vorab als Periodengewinn Beträge ausgeschüttet<br />

werden, die den residualberechtigten Anteilseignern letzten Endes vielleicht nicht zustehen.<br />

Bei kostendeckenden Preisen umfaßt <strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Geschäftstätigkeit des Unternehmens<br />

erzielte Erlös auch die Kosten des Einsatzes <strong>der</strong> Gegenstände des Anlagevermögens, die sich<br />

über die Nutzungsdauer hinweg verbrauchen; <strong>der</strong> erzielte Erlös wird aber nicht durch<br />

entsprechende Auszahlungen hierfür vermin<strong>der</strong>t. Würde <strong>der</strong> erzielte Erlös ohne Abzug dieses<br />

Aufwands an die Anteilseigner ausgeschüttet, dann erhielten sie wie<strong>der</strong>um Zahlungen, die<br />

3 Drukarczyk, a.a.O. (Fn. 1), S. 11 f.<br />

4 Einzelheiten bei Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 8. Auflage 2005, S. 431 ff.<br />

3


ihnen bei einer Totalgewinnbetrachtung unter Umständen, je nach Finanzierung des<br />

Unternehmens, nicht zuständen 5 .<br />

2. Innenfinanzierung und Residualberechtigung <strong>der</strong> Aktionäre<br />

(a) Die übrigen eingangs erwähnten Formen <strong>der</strong> Innenfinanzierung greifen dagegen, teils<br />

gezielt, in die Residualberechtigung <strong>der</strong> Anteilseigner ein. Das gilt bereits für die<br />

Verpflichtung, aus dem ausgewiesenen Jahresüberschuß eine gesetzliche Rücklage zu bilden<br />

(§ 150 AktG). Diese gesetzliche Verpflichtung besteht ebenfalls <strong>im</strong> Gläubigerinteresse.<br />

An<strong>der</strong>s als in den unter 1. erörterten Fällen geht es hier aber nicht um die möglichst korrekte<br />

Ermittlung des „Zwischengewinns“, um die periodenrichtige Abgrenzung dessen, was den<br />

Eigen- und was den Fremdkapitalgebern zusteht, son<strong>der</strong>n um eine reine Vorsorgemaßnahme.<br />

Im Interesse <strong>der</strong> Gläubiger soll zusätzlich zu dem durch die Kapitaleinlagen <strong>der</strong> Aktionäre<br />

aufgebrachten Grundkapital ein weiterer Sicherungsfonds aufgebaut werden, aus dessen<br />

Mitteln künftig etwa eintretende Verluste ausgeglichen werden können. Um einen gezielten<br />

Eingriff in die Residualberechtigung <strong>der</strong> Anteilseigner handelt es sich ferner, wenn Teile des<br />

Jahresüberschusses zum Zweck <strong>der</strong> Bildung von satzungsmäßigen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Gewinnrücklagen (vgl. § 272 Abs. 3 S. 2 HGB) einbehalten werden. Dadurch, daß diese<br />

Mittel nicht als „Vorabausschüttung“ auf das den Anteilseignern zustehende Residuum an<br />

diese ausgekehrt, son<strong>der</strong>n zu Investitionszwecken o<strong>der</strong> zur Deckung evtl. sich später<br />

ergeben<strong>der</strong> Verluste zurückgestellt werden, entgeht den Anteilseignern <strong>der</strong> mit einer<br />

Ausschüttung verbundene Liquiditätsvorteil. Außerdem sind damit Opportunitätskosten und<br />

steuerliche Auswirkungen verbunden, die durch die Vorteile einer Thesaurierung vielleicht<br />

nicht aufgewogen werden 6 .<br />

Bei <strong>der</strong> Bildung stiller Reserven ist zu unterscheiden. Sicher liegt ein gezielter Eingriff in die<br />

Residualberechtigung <strong>der</strong> Anteilseigner vor, wenn unter Verstoß gegen<br />

Rechnungslegungsvorschriften Willkürreserven gebildet werden und dadurch <strong>der</strong><br />

ausschüttbare Bilanzgewinn verkürzt wird. Gleichfalls um einen – freilich unvermeidbaren –<br />

Eingriff handelt es sich bei Prognosefehlern, die „Schätzungsreserven“ zur Folge haben.<br />

Selbst bei <strong>der</strong> oben unter 1. behandelten Bildung gesetzlicher Zwangsreserven infolge <strong>der</strong><br />

Anwendung zwingen<strong>der</strong> gesetzlicher Ansatz- o<strong>der</strong> Bewertungsvorschriften kann es zu<br />

Prognosefehlern kommen, etwa bei <strong>der</strong> Einschätzung <strong>der</strong> voraussichtlichen Nutzungsdauer<br />

zwecks Festlegung <strong>der</strong> Abschreibungsrate, und damit zur Bildung übermäßiger, vom<br />

Gläubigerschutzprinzip nicht gefor<strong>der</strong>ter Rücklage von Mitteln, die als Teil des<br />

Jahresüberschusses hätten ausgewiesen werden müssen und als Bilanzgewinn hätten<br />

ausgeschüttet werden können. Ungeachtet dessen ist die Bildung gesetzlicher<br />

Zwangsreserven einschließlich <strong>der</strong> damit verbundenen Schätzungsreserven von den<br />

Anteilseignern aber hinzunehmen. Dasselbe gilt für Ermessensreserven, sofern diese korrekt<br />

gebildet sind. Auf Einzelheiten ist noch zurückzukommen 7 .<br />

Ebenfalls wird noch zu erörtern sein, ob die Anteilseigner die Zusage eines Teils des<br />

festgestellten Jahresüberschusses an Dritte, etwa die Arbeitnehmer, und die mit <strong>der</strong><br />

Begründung entsprechen<strong>der</strong> Verbindlichkeiten verbundene Verkürzung ihres<br />

Gewinnanspruchs durch eine solche an<strong>der</strong>weitige Verwendung des Bilanzgewinns<br />

hinnehmen müssen 8 .<br />

5 Vgl. Ruchti, Die Abschreibung, ihre grundsätzliche Bedeutung als Aufwands-, Ertrags- und Finanzierungsfaktor,<br />

1953.<br />

6 Eingehen<strong>der</strong> dazu unten III. 1.<br />

7 Dazu unten IV.<br />

8 Unten V.<br />

4


(b) Von einem Eingriff in die „Residualberechtigung“ <strong>der</strong> Anteilseigner zu sprechen<br />

erfor<strong>der</strong>t allerdings, diesen Begriff zunächst näher zu erläutern und schärfer zu fassen 9 .<br />

Insbeson<strong>der</strong>e darf die „Residualberechtigung“ <strong>der</strong> Anteilseigner nicht mit ihrem Anspruch<br />

auf den Liquidationsüberschuß <strong>im</strong> Sinne des § 271 Abs. 1 AktG gleichgesetzt, son<strong>der</strong>n sie<br />

muß weiter gefaßt werden. Sie bezeichnet die vermögensmäßige Zuweisung, die durch die<br />

Beteiligung an einer Aktiengesellschaft vermittelt wird, und aus <strong>der</strong> sich dann einzelne<br />

Ansprüche (auf den ausgewiesenen Bilanzgewinn, § 58 Abs. 4 AktG; auf den<br />

Liquidationsüberschuß, § 271 Abs. 1 AktG) und sonstige Vermögensrechte, zum Beispiel das<br />

Bezugsrecht, ergeben können. Nach einer an<strong>der</strong>en, bildhaften Formulierung sind diese<br />

Einzelansprüche und –rechte lediglich die Früchte des durch die Aktie vermittelten und mit<br />

ihr untrennbar verbundenen „Vermögensstammrechts“ 10 .<br />

Nun ist zwar richtig, daß die „vermögensmäßige Zuweisung“, die Residualberechtigung des<br />

Aktionärs, erst durch das positive Recht vorgenommen und ausgeformt wird. Unter Hinweis<br />

darauf könnte man bestreiten, daß zum Beispiel mit <strong>der</strong> Dotierung <strong>der</strong> gesetzlichen Rücklage<br />

in die Residualberechtigung des Aktionärs eingegriffen werden kann, eben weil die<br />

Residualberechtigung <strong>der</strong> Aktionäre nur nach Maßgabe des positiven Rechts bestehe, das<br />

diese Dotierung anordne (§ 150 AktG). Der Aktionär habe nun einmal keinen Anspruch auf<br />

den gesamten Jahresüberschuß (und kein Recht auf korrekte Feststellung eines<br />

Jahresüberschusses einschließlich einer pflichtgemäßen Ausübung von Ansatz- und<br />

Bewertungsspielräumen seitens <strong>der</strong> Verwaltung), son<strong>der</strong>n nur einen „Anspruch auf den<br />

Bilanzgewinn, soweit er nicht nach Gesetz o<strong>der</strong> Satzung, durch Hauptversammlungsbeschluß<br />

… o<strong>der</strong> als zusätzlicher Aufwand aufgrund des Gewinnverwendungsbeschlusses von <strong>der</strong><br />

Verteilung unter die Aktionäre ausgeschlossen ist“ (so ausdrücklich § 58 Abs. 4 AktG).<br />

Gleichwohl ist die Annahme eines sich nicht in einzelnen schuldrechtlichen Ansprüchen (auf<br />

die Dividende, auf den Liquidationserlös, auf den Bezug junger Aktien) erschöpfenden<br />

vermögensrechtlichen Gehalts <strong>der</strong> Mitgliedschaft gerade <strong>im</strong> Hinblick auf den Charakter<br />

dieser Ansprüche geboten und praktisch bedeutsam. Die beson<strong>der</strong>e Eigenart <strong>der</strong> Ansprüche<br />

auf die Dividende und den Liquidationserlös besteht darin, daß sie nicht von vorneherein<br />

nach Grund und Höhe fest- und dem Aktionär zustehen, son<strong>der</strong>n von den Ergebnissen <strong>der</strong><br />

Geschäftstätigkeit <strong>der</strong> Gesellschaft abhängen. Die „Offenheit“ dieser Ansprüche erfor<strong>der</strong>t<br />

zum einen den beson<strong>der</strong>en Schutz <strong>der</strong> Aktionäre durch Herrschaftsrechte (Mitverwaltungsund<br />

Kontrollrechte), die dazu beitragen sollen, daß das den Anteilseignern zukommende<br />

Residuum gesteigert wird 11 und hierauf bezogene Ansprüche überhaupt entstehen können.<br />

Zum an<strong>der</strong>en verdeutlicht die Annahme eines den Einzelansprüchen vorgelagerten<br />

„Vermögensstammrechts“ o<strong>der</strong> einer „Residualberechtigung“ <strong>der</strong> Aktionäre, weshalb<br />

Maßnahmen <strong>der</strong> Mehrheit und <strong>der</strong> Verwaltung, die sich auf den vermögensrechtlichen Gehalt<br />

<strong>der</strong> Mitgliedschaft, das Entstehen o<strong>der</strong> die Höhe einzelner Ansprüche des Aktionärs,<br />

nachteilig auswirken, einer rechtlichen Überprüfung zur Wahrung seiner Interessen<br />

unterworfen werden können. Dies bezieht sich auch auf die korrekte bilanzielle Ermittlung<br />

9 Üblich ist die Bezeichnung <strong>der</strong> Aktionäre als Residualberechtigte o<strong>der</strong> „residual cla<strong>im</strong>ants“ in <strong>der</strong> ökonomischen<br />

Literatur; s. nur Bernard Black, "Corporate law and Residual Cla<strong>im</strong>ants", Berkeley Program in Law & Economics,<br />

Working Paper Series. Paper 27, 1999. Der Begriff <strong>der</strong> „Residualberechtigung“ kennzeichnet deutlicher als <strong>der</strong> in<br />

<strong>der</strong> deutschen rechtswissenschaftlichen Literatur übliche Begriff des „Vermögensstammrechts“ des Aktionärs,<br />

worauf dieses Recht letzten Endes gerichtet ist, läßt aber auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite (insbeson<strong>der</strong>e in <strong>der</strong> englischen<br />

Version des „cla<strong>im</strong>“) nicht recht deutlich werden, daß es nicht um einen Anspruch <strong>im</strong> technischen Sinne geht, und<br />

sich <strong>der</strong> vermögensrechtliche Gehalt <strong>der</strong> Mitgliedschaft nicht in einem Anspruch auf den Totalgewinn o<strong>der</strong><br />

Liquidationsüberschuß erschöpft. Vgl. <strong>im</strong> Einzelnen den Text.<br />

10 Eingehend zum vermögensrechtlichen Gehalt <strong>der</strong> Mitgliedschaft und zur Unterscheidung zwischen dem<br />

„Vermögensstammrecht“ und den einzelnen vermögensrechtlichen Ansprüchen m. w. Nachweisen Habersack, Die<br />

Mitgliedschaft – subjektives und „sonstiges“ Recht, 1996, S. 86 ff.<br />

11 Zu diesem Zusammenhang beson<strong>der</strong>s Easterbrook/Fischel, The Economic Structure of Corporate Law, 1991,<br />

S. 67 ff.<br />

5


des Überschusses, aus dem sich dann Ansprüche des Aktionärs auf Dividende und<br />

Liquidationserlös ergeben können. Des weiteren kann die Residualberechtigung <strong>der</strong><br />

Eigenkapitalgeber auch Maßnahmen <strong>der</strong> Verwaltung rechtfertigen, die darauf abzielen,<br />

Gewinnansprüche <strong>der</strong> Eigenkapitalgeber entstehen zu lassen o<strong>der</strong> zu erhöhen, selbst wenn<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft „als solcher“, bei isolierter Betrachtung, durch die Ausschüttung Kosten und<br />

Nachteile entstehen.<br />

Diesen Zusammenhängen ist <strong>im</strong> Folgenden nachzugehen, und zwar geson<strong>der</strong>t für die<br />

Innenfinanzierung durch die Bildung von Gewinnrücklagen (sogleich unter III.), für die<br />

Innenfinanzierung durch Bildung stiller Reserven (unten IV.), und für die Innenfinanzierung<br />

durch an<strong>der</strong>weitige Verwendung des Bilanzgewinns (unten V.). Eine Zusammenfassung<br />

schließt die Untersuchung ab (VI.).<br />

III.<br />

Innenfinanzierung durch Gewinnrücklagen<br />

Im Normalfall, in dem Vorstand und Aufsichtsrat den Jahresabschluß feststellen (vgl. § 172<br />

AktG), können sie einen Teil des Jahresüberschusses, höchstens jedoch die Hälfte, in „an<strong>der</strong>e<br />

Gewinnrücklagen“ 12 einstellen (§ 58 Abs. 2 S. 1 AktG). Die Satzung kann Vorstand und<br />

Aufsichtsrat zur Einstellung eines größeren o<strong>der</strong> kleineren Teils des Jahresüberschusses<br />

ermächtigen; allerdings darf die Verwaltung aufgrund einer solchen Satzungsbest<strong>im</strong>mung<br />

keine Beträge in an<strong>der</strong>e Gewinnrücklagen einstellen, wenn die an<strong>der</strong>en Gewinnrücklagen die<br />

Hälfte des Grundkapitals übersteigen o<strong>der</strong> soweit sie nach <strong>der</strong> Einstellung die Hälfte<br />

übersteigen würden (§ 58 Abs. 2 S. 2, 3 AktG). Nach § 58 Abs. 3 AktG kann die<br />

Hauptversammlung sodann in ihrem Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinns (vgl.<br />

§ 174 AktG) weitere Beträge in Gewinnrücklagen einstellen o<strong>der</strong> als Gewinn vortragen. Im<br />

Folgenden werden nach einer Sichtung wirtschaftswissenschaftlicher Erwägungen zu<br />

Thesaurierung und Ausschüttung (unten 1.) die Pflichten und die Kontrolle <strong>der</strong><br />

Entscheidungen über die Rücklagenbildung von Vorstand und Aufsichtsrat einerseits (unten<br />

2.) und <strong>der</strong> Hauptversammlung an<strong>der</strong>erseits (unten 3.) geson<strong>der</strong>t erörtert. Die beson<strong>der</strong>en<br />

Rechtsfragen, die sich bei Rücklagenbildung in abhängigen Gesellschaften ergeben, werden<br />

nicht behandelt.<br />

1. Wirtschaftswissenschaftliche Erwägungen zu Rücklagenbildung und Ausschüttung<br />

Die Kompetenz <strong>der</strong> Verwaltung zur Bildung von Rücklagen <strong>im</strong> Rahmen des § 58 Abs. 2<br />

AktG besagt nicht, daß die Verwaltung in <strong>der</strong> Entscheidung darüber, ob dieser<br />

Ermächtigungsrahmen ganz o<strong>der</strong> teilweise ausgeschöpft werden o<strong>der</strong> umgekehrt auf eine<br />

Rücklagenbildung verzichtet und statt dessen Dividenden ausgeschüttet werden sollten,<br />

völlig frei und ungebunden wäre 13 . Das wurde bereits angedeutet und wird <strong>im</strong> Einzelnen<br />

noch auszuführen sein. Aber welche Maßstäbe sind insoweit anzulegen? Mustert man die<br />

juristische Literatur hierauf durch, dann findet man – vornehmlich <strong>im</strong> älteren Schrifttum –<br />

die Ansicht, daß die Verwaltung das „Unternehmensinteresse“ an <strong>der</strong> Selbstfinanzierung mit<br />

den Ausschüttungsinteressen <strong>der</strong> Aktionäre abzuwägen habe 14 . Im neueren Schrifttum wird<br />

12 Der Begriff <strong>der</strong> „an<strong>der</strong>en“ Gewinnrücklage versteht sich als Abgrenzung zu den in § 266 Abs. 3 A. III. Nrn. 1. –<br />

3. genannten Gewinnrücklagen.<br />

13 S. nur Henze, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl., 5. Lieferung 2001, § 58 Rdz. 45; Bayer, in: Münchener Kommentar<br />

zum AktG, 2. Auflage, Bd. 2, 2003, § 58 Rdz. 38; Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 58 Rdz. 10. Einschränkend Lutter,<br />

Kölner Komm. zum AktG, 2. Aufl. 1988, § 58 Rdz. 34: § 58 Abs. 2 S. 1 AktG könne eine Vermutung<br />

pflichtgemäßen Verhaltens <strong>der</strong> Verwaltung entnommen werden; vgl. dazu noch unten 2. (b).<br />

14 Lutter, a.a.O (Fn. 13), Rdz. 5; vgl. auch Hüffer, a.a.O. (Fn. 13), Rdz. 1: divergierende Interessen <strong>der</strong><br />

Gesellschaftsleitung (Hervorhebung d. Verf.) an Selbstfinanzierung des Unternehmens und <strong>der</strong> anlageorientierten<br />

Aktionäre an für sie verfügbarer Kapitalrendite.<br />

6


auf die ARAG-Garmenbeck - Entscheidung des Bundesgerichtshofes 15 verwiesen 16 . Danach<br />

sei <strong>der</strong> Verwaltung bei Rücklagenentscheidungen ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum<br />

zuzubilligen. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG umschreibt diesen Freiraum und seine Voraussetzungen<br />

jetzt so, daß eine Pflichtverletzung nicht vorliegt, wenn <strong>der</strong> Vorstand „bei einer<br />

unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf <strong>der</strong> Grundlage<br />

angemessener Information zum Wohle <strong>der</strong> Gesellschaft zu handeln.“ Aber wann darf <strong>der</strong><br />

Vorstand vernünftigerweise annehmen, bei einer Rücklagenentscheidung zum Wohl <strong>der</strong><br />

Gesellschaft zu handeln, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Ausmaß muß o<strong>der</strong><br />

darf er Ausschüttungsinteressen <strong>der</strong> Anleger beachten, wann darf er sie zurücksetzen, und<br />

handelt es sich dabei um eine „unternehmerische Entscheidung“?<br />

Eingehen<strong>der</strong>e Überlegungen zu Dividendenpolitik und Rücklagenbildung werden in <strong>der</strong><br />

wirtschaftswissenschaftlichen Literatur angestellt 17 . Neben empirischen Angaben zum<br />

Ausschüttungsverhalten und zur Bedeutung <strong>der</strong> Innenfinanzierung in <strong>der</strong> Praxis 18 sowie<br />

modelltheoretischen Aussagen zur Irrelevanz <strong>der</strong> Dividendenentscheidung auf<br />

vollkommenen Märkten 19 finden sich dort auch Ausführungen zu <strong>der</strong> Frage, ob bei Annahme<br />

best<strong>im</strong>mter Rahmenbedingungen (z.B. steuerlicher Bedingungen) wertsteigernde<br />

Ausschüttungs- o<strong>der</strong> Rücklageentscheidungen identifiziert werden können. Diese<br />

Ausführungen sind <strong>im</strong> vorliegenden Zusammenhang von beson<strong>der</strong>em Interesse, da sich aus<br />

ihnen möglicherweise Antworten auf die aufgeworfenen Fragen entwickeln lassen.<br />

(a) Häufig wird in <strong>der</strong> einschlägigen wirtschaftswissenschaftlichen Literatur modellhaft die<br />

Alternative Finanzierung eines Projekts o<strong>der</strong> einer Einzelinvestition durch thesaurierte Mittel<br />

mit <strong>der</strong> Alternative Gewinnausschüttung verglichen. Ausgangspunkt ist insoweit, daß<br />

zwischen Investitionsentscheidung und Finanzierungsentscheidung klar getrennt werden<br />

muß. Eine Entscheidung für Ausschüttung und gegen Rücklagenbildung bedeutet noch keine<br />

Absage an Investitionen, die mit Hilfe <strong>der</strong> ausgeschütteten Mittel hätten finanziert werden<br />

können, son<strong>der</strong>n nur eine Absage an eine Innenfinanzierung <strong>der</strong> Investition. Es sind also mit<br />

an<strong>der</strong>en Worten bei <strong>der</strong> Entscheidung über eine Innenfinanzierung von Investitionen o<strong>der</strong> die<br />

Ausschüttung von Dividenden zwei verschiedene Fragen zu beantworten: Erstens, ob das<br />

Management überhaupt über Projekte („Investitionsvorhaben“) verfügt, die eine<br />

Finanzierung verdienen (dazu sogleich); und zweitens ist eine Entscheidung über <strong>der</strong>en<br />

Innen- o<strong>der</strong> Außenfinanzierung zu treffen (dazu unten (b).<br />

Was die erste Frage betrifft, läßt sich festhalten, daß das Management keine Investitionen<br />

tätigen (und we<strong>der</strong> Mittel <strong>der</strong> Innen- noch <strong>der</strong> Außenfinanzierung dafür einsetzen) sollte,<br />

<strong>der</strong>en Nettokapitalwert („net present value“) negativ ist 20 . An<strong>der</strong>s formuliert sollte ein<br />

Projekt nicht unternommen werden, wenn es über seine gesamte Laufzeit hinweg nicht die<br />

Kapitalkosten erwirtschaftet. Außerdem sollten Projekte mit höherem Nettokapitalwert<br />

15 BGHZ 135, 244.<br />

16 Bayer, a.a.O. (Fn. 13), Rdz. 38; Henze, a.a.O. (Fn. 13), Rdz. 45.<br />

17 S. nochmals Drukarczyk, a.a.O. (Fn. 1), S. 347 – 383 m. Literaturnachweisen; <strong>der</strong>s., Theorie und Politik <strong>der</strong><br />

Finanzierung, 2. Aufl. 1993, S. 415 ff; Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, 5. Aufl.<br />

2004, S. 568 ff; Rudolph, a.a.O. (Fn. 1), S. 441 ff; Volkart, Corporate Finance, 2. Auflage 2006, S. 661 ff;<br />

Brealey/Myers/Allen, Principles of Corporate Finance, 8. Auflage 2006, S. 415 ff, Klein/Coffee, Business<br />

Organization and Finance. Legal and Economic Principles, 9. Auflage 2004, S. 380 ff. - Ein Überblick über die<br />

(ältere) Literatur dazu findet sich in <strong>der</strong> juristischen Dissertation von Schütte, Die Dividendenentscheidung in <strong>der</strong><br />

Aktiengesellschaft, 1994, S. 63 ff, 80 ff.<br />

18 Dazu Drukarczyk, a.a.O. (Fn. 1), S. 352 ff; T. Bezzenberger, Das Kapital <strong>der</strong> Aktiengesellschaft, 2005, S. 57 ff.<br />

19 Dazu die grundlegende Arbeit von Modigliani/Miller, Dividend Policy, Growth and the Valuation of Shares,<br />

Journal of Business, Vol 34, Nr. 4, 1961, S. 411 ff.<br />

20 S. statt aller Volkart, a.a.O. (Fn. 17), S. 276 ff.<br />

7


vorgezogen werden (sofern sie sich <strong>im</strong> Rahmen des in <strong>der</strong> Satzung festgelegten<br />

Unternehmensgegenstands bewegen 21 ).<br />

Nun werden Rücklagen nicht nur dazu eingesetzt, Einzelprojekte o<strong>der</strong> Investitionen <strong>im</strong><br />

Anlagevermögen zu finanzieren 22 . Sie können auch dazu verwandt werden,<br />

Verbindlichkeiten <strong>der</strong> Gesellschaft abzulösen, um die Eigenkapitalquote und damit die<br />

Finanzierungsstruktur <strong>der</strong> Gesellschaft zu verbessern; sie können am „internen“ Kapitalmarkt<br />

des Konzerns verbundenen Unternehmen zur Verfügung gestellt, o<strong>der</strong> sie können<br />

vorgehalten werden, um bei sich bieten<strong>der</strong> Gelegenheit z. B. passende, aber noch nicht<br />

konkret feststehende Beteiligungen zu erwerben. Eine Ausschüttung kann ferner unterbleiben<br />

o<strong>der</strong> geringer ausfallen, um einen absehbaren Liquiditätsbedarf zu überbrücken o<strong>der</strong> auch,<br />

um allfällige Verluste in den folgenden Jahren ausgleichen und gleichwohl zur Ausschüttung<br />

einer gleichbleibenden Dividende <strong>im</strong>stande sein zu können. Das „Projekt“, in das in diesen<br />

Fällen mit <strong>der</strong> Einbehaltung von ausschüttungsfähigen Gewinnen investiert wird, ist das<br />

Unternehmen insgesamt. Auch insofern gilt aus ökonomischer Sicht das Gebot, daß die<br />

Anlage dieser Mittel <strong>im</strong> Unternehmen langfristig zumindest die Kapitalkosten decken sollte.<br />

(b) Auch wenn zu erwarten steht, daß die Thesaurierung nicht zu einer Kapitalvernichtung,<br />

son<strong>der</strong>n <strong>im</strong> Gegenteil zu einer Steigerung des Unternehmenswertes führen wird, besagt das<br />

noch nicht, daß tatsächlich auf eine Ausschüttung verzichtet und Rücklagen gebildet werden<br />

sollten. Nehmen wir wie<strong>der</strong> vereinfachend das Beispiel einer Investition in ein zeitlich<br />

befristetes Einzelprojekt mit abgrenzbaren Aufwendungen und einschätzbaren Erlösen<br />

hierfür. Hier stellen sich, wenn das Projekt denn durchgeführt werden soll, zwei<br />

Alternativen: Entwe<strong>der</strong> wird das Projekt aus thesaurierten Gewinnen finanziert, o<strong>der</strong> die<br />

Gewinne werden ausgeschüttet und statt dessen wird eine Außenfinanzierung vorgenommen.<br />

Nur in einer theoretischen Modellwelt ohne Transaktionskosten und unterschiedliche<br />

Steuersätze auf einbehaltene und ausgeschüttete Gewinne wäre es aus Sicht des<br />

Unternehmens gleichgültig, ob die Investition aus einbehaltenen Gewinnen finanziert wird,<br />

o<strong>der</strong> ob die Gewinne ausgeschüttet werden, und zwecks Finanzierung eine Kapitalerhöhung<br />

durchgeführt wird. Auch für den Investor ist es in einer solchen Modellwelt ohne Belang, ob<br />

die Dividenden ausgeschüttet werden o<strong>der</strong> nicht, weil bei Ausschüttung <strong>der</strong> Wert seiner<br />

Aktien genau um den Betrag <strong>der</strong> ausgeschütteten Dividenden sinkt, und er sich bei<br />

Thesaurierung den einbehaltenen Betrag durch Veräußerung von Aktien am Sekundärmarkt<br />

transaktionskostenfrei verschaffen kann 23 .<br />

Verläßt man diese Modellwelt aber und betrachtet die Alternativen Ausschüttung o<strong>der</strong><br />

Thesaurierung zunächst aus Sicht des Unternehmens, dann sprechen bei gleichbleibendem<br />

(Eigenkapital-)Finanzierungsbedarf die erheblichen Kosten einer Eigenkapitalaufnahme<br />

durch Emission junger Aktien insbeson<strong>der</strong>e bei börsengehandelten Anteilen 24 ceteris paribus<br />

für die Finanzierung durch thesaurierte Gewinne und gegen eine Ausschüttung verbunden<br />

mit einer Gegenfinanzierung durch Ausgabe junger Aktien. Bezieht man die Besteuerung mit<br />

ein, dann gilt dies jedenfalls für das gegenwärtige Halbeinkünfteverfahren 25 erst recht: Die<br />

Gesamtsteuerbelastung von Gesellschaft und <strong>im</strong> Inland steuerpflichtigen Anteilseignern fällt<br />

bei Thesaurierung niedriger aus als bei Ausschüttung und anschließen<strong>der</strong> Kapitalaufnahme 26 .<br />

21 Dazu Koch, Diversifizierung und Vorstandskompetenzen (Frankfurter wirtschaftsrechtliche Studien Bd. 40),<br />

2000.<br />

22 Zu den verschiedenen Zielen <strong>der</strong> Rücklagenpolitik etwa Wöhe, a.a.O. (Fn. 2), S. 677 ff.<br />

23 Eingehend zu diesem Irrelevanztheorem Modigliani/Miller, a.a.O. (Fn. 19) und die Nachweise zur Diskussion<br />

dazu bei Schütte, a.a.O. (Fn. 17), S. 80 ff.<br />

24 S. dazu die Nachweise bei Schütte, a.a.O. (Fn. 17), S. 84 ff.<br />

25 Zur Schütt aus – hol zurück – Politik unter dem früheren Anrechnungsverfahren etwa Olfert, Finanzierung, 9.<br />

Auflage 1997, S. 321, 325 f.<br />

26 Drukarczyk, a.a.O. (Fn. 1), S. 373 f; Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, 3. Aufl. 2002, S. 504 ff,<br />

510.<br />

8


Das gilt selbst dann, wenn es sich bei dem Dividendenempfänger um eine Kapitalgesellschaft<br />

handelt. Unter <strong>der</strong> geplanten Abgeltungssteuer dürfte sich dieser Effekt noch verstärken 27 .<br />

Das alles spricht jedenfalls auf den ersten Blick dafür, daß die Verwaltung Dividenden nicht<br />

ausschütten sollte, wenn die einbehaltenen Gewinne <strong>im</strong> Unternehmen selbst profitabel in<br />

dem oben beschriebenen Sinne angelegt werden können.<br />

Dagegen werden nun mehrere Einwendungen erhoben.<br />

(aa) Der erste Einwand lautet, daß die Anleger vielleicht über – unter Rendite- und<br />

Risikogesichtspunkten – profitablere Investmentmöglichkeiten als die Gesellschaft verfügen,<br />

und zwar selbst unter Berücksichtigung <strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Ausschüttung für sie entstehenden<br />

Steuern, und sie deshalb den zur Ausschüttung zur Verfügung stehenden Jahresüberschuß<br />

erhalten sollten. Außerdem vermin<strong>der</strong>t eine Ausschüttung <strong>im</strong> Vergleich mit einer<br />

Thesaurierung den Anteil am Vermögen des Anlegers, <strong>der</strong> einem best<strong>im</strong>mten<br />

unternehmensspezifischen Risiko unterliegt, und trägt somit unter Umständen zur<br />

Risikodiversifizierung bei. Dem läßt sich für eine Gesellschaft mit auf einem liquiden<br />

Sekundärmarkt gehandelten Anteilen entgegnen, daß <strong>der</strong>jenige Aktionär, <strong>der</strong> über<br />

profitablere Investmentmöglichkeiten verfügt o<strong>der</strong> das unternehmensspezifische Risiko<br />

senken möchte, den einer Dividendenausschüttung äquivalenten Teil seiner Aktien verkaufen<br />

und den Erlös wie eine Ausschüttung investieren kann 28 . Dieser Weg ist allerdings nur <strong>im</strong><br />

Rahmen eines umfassen<strong>der</strong>en Portfoliomanagements gangbar, das verhütet, daß Verkäufe<br />

einzelner Aktienwerte zur Unzeit getätigt werden müssen und dadurch Verluste realisiert<br />

werden. Außerdem mag eine solche „Selbstbeschaffung“ <strong>der</strong> Dividende über den<br />

Kapitalmarkt für den Investor, <strong>der</strong> z. B. eine Sperrminorität hält und diese nicht aufgeben<br />

möchte, deshalb ausscheiden. Für die Gesellschaft mit nicht börsengehandelten Anteilen trägt<br />

diese Überlegung ohnehin nicht. In <strong>der</strong> wirtschaftswissenschaftlichen Literatur wird <strong>der</strong><br />

Verwaltung daher empfohlen, dem „Residualprinzip“ zu folgen: Die Verwaltung solle auf<br />

Rücklagenbildung verzichten und <strong>der</strong> Hauptversammlung die Ausschüttung des<br />

Bilanzgewinns vorschlagen, wenn die Gesellschaft diese Mittel nicht profitabler als die<br />

Aktionäre anlegen könne 29 . Die Befolgung dieses Prinzips stößt allerdings auf folgende<br />

Schwierigkeiten: Erstens weiß die Verwaltung nicht in jedem Fall und ohne weiteres, ob die<br />

Aktionäre – unter Berücksichtigung <strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Ausschüttung für sie individuell<br />

verbundenen Steuern und Kosten – über profitablere Investitionsmöglichkeiten verfügen als<br />

die Gesellschaft selbst. Zweitens mag es sein, daß nur einzelne und nicht alle Aktionäre über<br />

solche Möglichkeiten verfügen. Drittens möchten Investoren vielleicht selbst ertragreichere<br />

Investments gar nicht wahrnehmen, sei es, weil sie risikoavers sind, sei es, weil z. B bei<br />

institutionellen Investoren ihnen ihre Anlagepolitik best<strong>im</strong>mte Anlagen in best<strong>im</strong>mten<br />

Sparten o<strong>der</strong> Werten vorgibt. Wie sollte die Verwaltung in einem solchen Fall entscheiden?<br />

Die Verwaltung könnte zunächst darauf verweisen, daß die unterschiedlichen<br />

Ausschüttungspräferenzen <strong>der</strong> Anleger von diesen in <strong>der</strong> Entscheidung <strong>der</strong><br />

Hauptversammlung zum Ausdruck gebracht werden können, die gemäß § 58 Abs. 3 AktG<br />

mangels abweichen<strong>der</strong> Satzungsbest<strong>im</strong>mung über die Ausschüttung o<strong>der</strong> Thesaurierung <strong>der</strong><br />

Hälfte des Jahresüberschusses (nach Korrektur 30 ) verfügt; dabei mag sich dann in Bezug auf<br />

27 S. dazu etwa Kessler/Ortmann-Babel/Zipfel, BB 2007, S. 523 ff.<br />

28 Steuerlich gesehen ist dieser Weg unter dem geltenden Einkommensteuerrecht für den Privatanleger, <strong>der</strong> nicht<br />

wesentlich beteiligt ist (§ 17 EStG) und die Aktie nicht in <strong>der</strong> Spekulationsfrist (§ 23 EStG) verkauft, sogar<br />

günstiger als eine Ausschüttung. Zum künftigen Recht s. aber Kessler u.a., a.a.O. (Fn. 27), S. 524.<br />

29 Drukarczyk, a.a.O. (Fn. 1), S. 363 ff.<br />

30<br />

Der Jahresüberschuß, <strong>der</strong> mangels abweichen<strong>der</strong> Satzungsbest<strong>im</strong>mung zur Hälfte von <strong>der</strong> Verwaltung<br />

ausgeschüttet o<strong>der</strong> einbehalten werden kann, ist um die Posten nach § 158 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 4 AktG zu<br />

korrigieren, um zum „Bilanzgewinn“ <strong>im</strong> Sinne des § 58 Abs. 3 AktG zu gelangen.<br />

9


diesen Teil des Jahresüberschusses eine von <strong>der</strong> Politik <strong>der</strong> Verwaltung abweichende<br />

Ausschüttungspolitik durchsetzen. Dem hierbei überst<strong>im</strong>mten, in <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>heit befindlichen<br />

Investor ist damit freilich noch nicht geholfen 31 . Außerdem löst diese salomonische<br />

Empfehlung das Dilemma gegenläufiger Ausschüttungspräferenzen nicht wirklich.<br />

Statt einer notwendig einheitlich für alle Aktionäre geltenden Entscheidung über<br />

Ausschüttung o<strong>der</strong> Rücklagenbildung ließen sich unterschiedliche Ausschüttungspräferenzen<br />

<strong>der</strong> Anleger an sich besser durch ein Aktienrückkaufprogramm <strong>der</strong> Gesellschaft bedienen.<br />

Je<strong>der</strong> Investor kann dann an<strong>der</strong>s als <strong>im</strong> Fall einer Dividendenausschüttung für sich<br />

entscheiden, ob er hieran teiln<strong>im</strong>mt o<strong>der</strong> nicht. Ein Rückkaufprogramm ist in <strong>der</strong> Höhe<br />

möglich, in <strong>der</strong> auch eine Ausschüttung in Betracht käme (§ 71 Abs. 2 S. 2 AktG). In<br />

steuerlicher Hinsicht ist ein Rückkaufprogramm nach <strong>der</strong>zeit (noch 32 ) gelten<strong>der</strong> Rechtslage<br />

für den Anleger sogar günstiger als eine Dividendenausschüttung. Allerdings handelt es sich<br />

wegen <strong>der</strong> starren Beschränkungen des Rückerwerbs eigener Aktien nach geltendem Recht 33<br />

(vgl. nur § 71 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 2 S. 1 AktG) um ein recht unflexibles und überdies<br />

kostenträchtiges Ausschüttungsverfahren, das nur ausnahmsweise in Betracht kommt und<br />

eine Regelausschüttung durch Zahlung von Dividenden nicht ersetzen kann 34 . - Die<br />

Verwaltung kann in Gesellschaften mit nicht börsengehandelten Anteilen ferner dabei<br />

mitwirken, einen privaten Sekundärmarkt zu organisieren und zum Beispiel durch Gestattung<br />

einer due diligence den Verkauf von Anteilen einzelner Anleger ermöglichen und diesen<br />

dadurch zu <strong>der</strong> gefor<strong>der</strong>ten Liquidität verhelfen. Auch diese Alternative ist freilich mit<br />

Kosten verbunden und mag für Investoren, die an einer best<strong>im</strong>mten Aktienquote festhalten<br />

wollen o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Preisbildung für die Aktien bei privaten Veräußerungsgeschäften nicht<br />

vertrauen, nicht akzeptabel sein.<br />

Dies alles kann <strong>im</strong> Ergebnis dazu führen, daß die Verwaltung statt dessen eine stetige<br />

Dividendenpolitik verfolgt, also trotz steuerlicher Nachteile eine mehr o<strong>der</strong> weniger<br />

gleichbleibende, mäßig wachsende Dividende anstrebt 35 und <strong>im</strong> übrigen Rücklagen bildet,<br />

um auf diese Weise den divergierenden Präferenzen <strong>der</strong> Anleger Rechnung zu tragen 36 . Die<br />

Anleger können sich dann ex ante bei ihrer (Wie<strong>der</strong>-)Anlageentscheidung entsprechend ihren<br />

Präferenzen darauf einstellen, ob die Gesellschaft, an <strong>der</strong> sie sich beteiligen, auch in <strong>der</strong><br />

absehbaren Zukunft voraussichtlich keine Dividenden ausschütten wird (Beispiel: eine<br />

wachsende Leasinggesellschaft, die wegen des hohen Abschreibungsaufwands auf die<br />

Leasinggüter trotz ihres operativen Gewinns keinen bilanziellen Jahresüberschuß ausweisen<br />

kann), o<strong>der</strong> ob eine Gesellschaft bereits bisher eine mehr o<strong>der</strong> weniger stabile Dividende<br />

ausgeschüttet hat und mit <strong>der</strong> Fortsetzung dieser Politik zu rechnen ist. Mit einer<br />

berechenbaren Ausschüttungspolitik kommt die Gesellschaft auch solchen Anlegern<br />

entgegen, denen aus Liquiditäts- o<strong>der</strong> Konsumgründen an einer stetigen Ausschüttung liegt.<br />

31 S. zu Mehrheits-/Min<strong>der</strong>heitskonflikten geson<strong>der</strong>t unten 3.<br />

32 Vgl. Fn. 27.<br />

33 Erleichterungen werden sich insoweit nach <strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ungsrichtlinie <strong>der</strong> EU vom 6. 9. 2006<br />

ergeben (Richtlinie 2006/68/EG) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. 9. 2006, ABl. EU Nr. L 264,<br />

32).<br />

34 Eingehend zur Austauschbarkeit von Aktienrückkauf und Dividendenausschüttung T. Bezzenberger, Erwerb<br />

eigener Aktien durch die AG, 2002, S. 51 ff. Wegen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Rechtslage in den USA haben dort<br />

Aktienrückkaufprogramme statt Dividendenzahlungen eine ganz an<strong>der</strong>e praktische Bedeutung; vgl. nur<br />

Allen/Michaely, Payout Policy, in: Constantinides/Harris/Stulz (Hrsg.), Handbook of the Economics of Finance:<br />

Corporate Finance, Bd. 1A, 2003, S. 337 ff, 342 ff.<br />

35 Formal erfor<strong>der</strong>t dies, daß die Verwaltung soviel an Jahresüberschuß von <strong>der</strong> Einstellung in Rücklagen ausn<strong>im</strong>mt,<br />

daß unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Posten gemäß § 158 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 4 AktG die angestrebte Dividende <strong>der</strong><br />

Hauptversammlung zur Ausschüttung vorgeschlagen werden kann (§ 124 Abs. 3 S. 1 AktG). Übersteigt <strong>der</strong><br />

Bilanzgewinn die angestrebte Dividende, schlägt die Verwaltung hinsichtlich des übersteigenden Teils eine<br />

Rücklagenbildung gemäß § 58 Abs. 3 AktG vor.<br />

36 Dazu, daß dieses Ausschüttungsverhalten in <strong>der</strong> Praxis weit verbreitet ist, Drukarczyk, a.a.O. (Fn. 1), S. 375 ff; für<br />

die USA Nachweise <strong>im</strong> gleichen Sinne bei Allen/Michaely, a.a.O. (Fn. 34).<br />

10


Aus <strong>der</strong> Sicht des Managements ist eine stetige Dividendenpolitik vorteilhaft, weil stärkere<br />

Schwankungen zu vermehrten Konflikten mit den Anteilseignern führen dürften.<br />

(bb) Ein weiterer Einwand gegen die Thesaurierung des Jahresüberschusses durch die<br />

Verwaltung bleibt zu erörtern, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> ökonomischen Literatur als<br />

Kapitalfehlleitungsgefahr infolge von „agency“ - Problemen thematisiert wird. Rechtlich<br />

führt dieser Einwand zu <strong>der</strong> Frage, ob die Verwaltung bei einer Thesaurierungsentscheidung<br />

sachlich unbefangen handelt und damit den Entscheidungsfreiraum des § 93 Abs. 1 S. 2<br />

AktG für sich in Anspruch nehmen kann, o<strong>der</strong> ob bei Thesaurierungsentscheidungen<br />

Eigeninteressen <strong>der</strong> Verwaltung <strong>im</strong> Spiel sind o<strong>der</strong> sein können, die eine Berufung auf § 93<br />

Abs. 1 S. 2 AktG ausschließen.<br />

In <strong>der</strong> Literatur ist vielfach darauf hingewiesen worden, daß Manager tendenziell Rücklagen<br />

bevorzugten, und zwar auch zum Nachteil <strong>der</strong> Gesellschaft und ihrer Eigenkapitalgeber,<br />

wenn es an hinreichen<strong>der</strong> Kontrolle und gegenläufigen Anreizen, zum Beispiel durch eine<br />

entsprechend gestaltete Struktur <strong>der</strong> Vergütung, fehle. Bei Ausschüttung von Finanzmitteln<br />

müßten sie sich diese nämlich erfor<strong>der</strong>lichenfalls wie<strong>der</strong> <strong>im</strong> Wege <strong>der</strong> Außenfinanzierung<br />

besorgen und dem Kapitalmarkt o<strong>der</strong> Kreditinstitut den Finanzierungsbedarf, etwa eine<br />

geplante Investition, erläutern und rechtfertigen. Bei Thesaurierung entscheide dagegen nicht<br />

<strong>der</strong> Kapitalgeber (mit) über den Finanzmitteleinsatz, son<strong>der</strong>n allein die Verwaltung.<br />

Außerdem nütze dem Management persönlich <strong>der</strong> Einbehalt von Mitteln <strong>im</strong> eigenen<br />

Unternehmen selbst dann, wenn alle Anleger über profitablere Verwendungsmöglichkeiten<br />

verfügten. Thesaurierung und Reinvestition <strong>im</strong> eigenen Unternehmen unterstützten<br />

tendenziell weniger profitable Diversifizierungs- und Expansionsstrategien, soweit<br />

Ausschüttungsentscheidungen nicht vom Votum <strong>der</strong> Eigenkapitalgeber abhingen, son<strong>der</strong>n<br />

allein von <strong>der</strong> Entscheidung <strong>der</strong> Verwaltung. Denn das Management profitiere von solchen<br />

Strategien <strong>der</strong> Diversifizierung und Expansion auch bei niedrigen Renditen, da<br />

Diversifizierung das Arbeitsplatzrisiko <strong>der</strong> Manager senke und Expansion ihnen zu<br />

verschiedenen denkbaren, mit „Empire-building“ verbundenen Vorteilen verhelfe 37 .<br />

Diese Annahmen mögen mehr o<strong>der</strong> weniger zutreffen. Ob sie sogar rechtfertigen, die<br />

Thesaurierungsentscheidung kraft zwingenden Gesetzesrechts Vorstand und Aufsichtsrat<br />

völlig 38 aus <strong>der</strong> Hand zu nehmen o<strong>der</strong> einen Zwang zu Mindestausschüttungen vorzusehen 39 ,<br />

ist eine rechtspolitische Frage, <strong>der</strong> hier nicht nachzugehen ist. An dieser Stelle geht es<br />

lediglich um die Frage, ob es <strong>im</strong> Hinblick auf die angedeuteten Thesaurierungsinteressen <strong>der</strong><br />

Verwaltung de lege lata zutreffend erscheint, die Unbefangenheit <strong>der</strong> Verwaltung zu<br />

verneinen und ihr damit die Berufung auf die Vermutung pflichtkonformen Verhaltens<br />

gemäß § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zu verweigern 40 . Das ist schon aus praktischen Gründen<br />

abzulehnen. Die Folge wäre nämlich sonst die, daß die Mitglie<strong>der</strong> von Vorstand und<br />

37 S. die eingehende Darstellung und die Nachweise zur Literatur bei Schütte, a.a.O. (Fn. 17), S. 125 ff;<br />

Allen/Michaely, a.a.O. (Fn. 34), S. 384 ff.<br />

38 Immerhin entscheidet nach deutschem Recht die Hauptversammlung <strong>im</strong> gesetzlichen Regelfall, vergröbert<br />

formuliert (vgl. oben Fn. 30), über die Verwendung <strong>der</strong> Hälfte des ausschüttungsfähigen Jahresüberschusses (§ 58<br />

Abs. 3 i. V. mit § 58 Abs. 2 AktG); durch Satzungsbest<strong>im</strong>mung kann sie, zurückgehend auf eine Empfehlung <strong>der</strong><br />

Regierungskommission Corporate Governance, seit 2002 <strong>der</strong> Verwaltung die Kompetenz zur Bildung von<br />

Gewinnrücklagen sogar völlig entziehen (§ 58 Abs. 2 S. 2 AktG).<br />

39 Dazu für die Zeit vor <strong>der</strong> Aktienrechtsreform 1965 Schmalenbach, Die Aktiengesellschaft, 7. Auflage 1950,<br />

S. 144 f sowie die eingehende Darstellung <strong>der</strong> Diskussion vor Erlaß des AktG 1965 bei Bahrenfuss, Die Entstehung<br />

des Aktiengesetzes von 1965, 2000, S. 688 ff; für die Zeit nach Erlaß des AktG 1965 insbeson<strong>der</strong>e Pütz/Willgerodt,<br />

Gleiches Recht für Beteiligungskapital, 1985, S. 113 ff; Wagner, Ausschüttungszwang und Kapitalentzugsrechte als<br />

Instrumente marktgelenkter Unternehmenskontrolle, in: D. Schnei<strong>der</strong> (Hrsg.), Kapitalmarkt und Finanzierung, 1986,<br />

S. 409 ff; Schütte, a.a.O. (Fn. 17), pass<strong>im</strong>; zu Aktienzinsen als Instrument <strong>der</strong> Verwaltungskontrolle Baums, Das<br />

Zinsverbot <strong>im</strong> Aktienrecht, in: Festschrift für Horn, 2006, S. 249 ff, 253 ff.<br />

40 Zur Ableitung <strong>der</strong> Voraussetzung <strong>der</strong> Unbefangenheit <strong>der</strong> Verwaltung aus <strong>der</strong> Formulierung des § 93 Abs. 1 S. 2<br />

AktG s. nur Hüffer, a.a.O. (Fn.13), § 93 Rdz. 4g.<br />

11


Aufsichtsrat die fehlende Pflichtwidrigkeit ihrer Thesaurierungsentscheidung <strong>im</strong> einzelnen<br />

darzulegen, und die Gerichte diese Entscheidung inhaltlich zu überprüfen hätten. Eine solche<br />

Lösung würde auch <strong>der</strong> vom Gesetzgeber in § 58 Abs. 2, 3 AktG getroffenen Regelung<br />

wi<strong>der</strong>sprechen. Denn dadurch hat bereits <strong>der</strong> Gesetzgeber selbst einerseits dafür Sorge<br />

getragen, daß die Verwaltung nicht den gesamten Jahresüberschuß in Rücklage stellen kann,<br />

ihr an<strong>der</strong>erseits aber ein in § 58 Abs. 2 AktG nicht näher eingeschränktes Ermessen<br />

eingeräumt, durchaus in Kenntnis und nach Erörterung <strong>der</strong> mit einer<br />

Ausschüttungskompetenz <strong>der</strong> Verwaltung verbundenen Problematik 41 . Einer<br />

Hauptversammlung, die sich dem nicht aussetzen möchte, steht es überdies frei, durch eine<br />

Satzungsbest<strong>im</strong>mung die Thesaurierungskompetenz <strong>der</strong> Verwaltung ganz auszuschließen<br />

(§ 58 Abs. 2 S. 2 AktG). Gegenüber dem übermäßigen Aufbau von „free cash flow“ und<br />

„Empire-building“ ist <strong>im</strong> übrigen auf Marktmechanismen zu setzen 42 . Aus diesen Gründen<br />

braucht hier nicht <strong>der</strong> bisher in <strong>der</strong> Literatur nicht erörterten Frage nachgegangen zu werden,<br />

ob zur Annahme <strong>der</strong> Befangenheit <strong>der</strong> Verwaltung eine typisierende Betrachtung überhaupt<br />

genügt, o<strong>der</strong> ob diese konkret <strong>im</strong> Einzelfall auch bestehen muß, wenn <strong>der</strong> Handlungsfreiraum<br />

des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG entfallen soll.<br />

Die mögliche Divergenz zwischen Anleger – und Verwaltungsinteressen tritt noch schärfer<br />

hervor, wenn die Vergütung <strong>der</strong> Vorstände sich bei Ausschüttung von Dividenden <strong>im</strong><br />

Vergleich zur Rücklagenbildung nachteilig än<strong>der</strong>t. Das kann sich insbeson<strong>der</strong>e bei<br />

Aktienoptionsplänen ergeben, wenn <strong>der</strong> Wert <strong>der</strong> Optionen sich am Aktienkurs <strong>der</strong><br />

Gesellschaft und nicht an ihrer Aktienrendite orientiert 43 . Auch insofern ist eine<br />

Wahrnehmung <strong>der</strong> Anlegerinteressen nicht von einer Beschränkung des<br />

Verwaltungsermessens durch gesteigerte richterliche Kontrolle <strong>der</strong> Rücklagenentscheidung<br />

zu erhoffen, son<strong>der</strong>n davon, daß <strong>der</strong> Aufsichtsrat die Vorstandsvergütung auf überzeugende<br />

Vergleichsparameter bezieht 44 .<br />

2. Die Rücklagenbildung durch Vorstand und Aufsichtsrat gemäß § 58 Abs. 2 AktG<br />

Was legen die bisherigen Überlegungen in rechtlicher Hinsicht nahe, und wie sind sie aus<br />

rechtlicher Sicht zu ergänzen? Wie oben gezeigt wurde, trennt die ökonomische Debatte <strong>im</strong><br />

Ansatz deutlich zwischen dem allgemeinen Handlungsziel (Unternehmenswertsteigerung), an<br />

dem die mit einer Rücklagenbildung finanzierten Maßnahmen zu messen sind, und den<br />

Handlungsalternativen (Rücklagenbildung o<strong>der</strong> Ausschüttung und Außenfinanzierung).<br />

Diese Unterscheidung ist auch aus rechtlicher Sicht wertvoll; allerdings sind, wie sich zeigen<br />

wird, nicht alle ökonomischen Handlungsgebote auch sogleich in Rechtspflichten<br />

auszumünzen.<br />

(a) Was zunächst das Handlungsziel betrifft, sind aus rechtlicher Sicht zwei Anmerkungen<br />

angebracht. Wenn die Gesellschaft ein Unternehmen mit erwerbswirtschaftlicher Zielsetzung<br />

betreibt, dann ist damit auch die Unternehmenswertsteigerung als Leitmax<strong>im</strong>e des Handelns<br />

von Vorstand und Aufsichtsrat vorgegeben; die Gewinnerzielung ist <strong>der</strong> „Zweck“ einer<br />

solchen Gesellschaft. Nur läßt sich aus diesem allgemeinen Zweck o<strong>der</strong> Handlungsziel nicht<br />

ableiten, daß Vorstand und Aufsichtsrat eine Thesaurierungsentscheidung nur treffen dürften,<br />

wenn davon o<strong>der</strong> von <strong>der</strong> mit thesaurierten Mitteln finanzierten Maßnahme konkret eine<br />

meßbare Unternehmenswertsteigerung erwartet werden kann. Zulässig ist eine<br />

Rücklagenbildung auch dann, wie § 254 Abs. 1 AktG für die Thesaurierungsentscheidung<br />

41 Vgl. dazu insbeson<strong>der</strong>e den Ausschußbericht bei Kropff, AktG, 1965, S. 76 f.<br />

42 S. dazu den klassischen Aufsatz von Jensen, Agency Cost of Free Cash Flow, Corporate Finance, and Takeovers,<br />

American Economic Review 76, 1986, S. 323 ff.<br />

43 Baums, Aktienoptionen für Vorstandsmitglie<strong>der</strong>, in: Festschrift für Claussen, 1997, S. 3 ff, 14, 16 f unter Hinweis<br />

auf empirische Studien in Fn. 70; Klein/Coffee, a.a.O. (Fn. 17), S. 301 f, 390.<br />

44 Ausdrücklich dazu (für börsennotierte Gesellschaften) Ziff. 4.2.3 Deutscher Corporate Governance Kodex.<br />

12


<strong>der</strong> Hauptversammlung belegt (für die Rücklagenentscheidung <strong>der</strong> Verwaltung gilt<br />

insoweit 45 nichts an<strong>der</strong>es), wenn sie vorgenommen wird, „um die Lebens- und<br />

Wi<strong>der</strong>standsfähigkeit <strong>der</strong> Gesellschaft für einen hinsichtlich <strong>der</strong> wirtschaftlichen und<br />

finanziellen Notwendigkeiten übersehbaren Zeitraum zu sichern.“ Voraussetzung ist nach<br />

dieser Vorschrift nicht, daß mit den thesaurierten Mitteln eine Maßnahme finanziert wird, die<br />

eine „Unternehmenswertsteigerung“ in dem oben unter 1. beschriebenen Sinne erwarten läßt.<br />

Die zweite Anmerkung betrifft den „Einschätzungsfreiraum“ o<strong>der</strong> „Beurteilungsspielraum“,<br />

den die Verwaltung in rechtlicher Hinsicht bei <strong>der</strong> Beurteilung genießt, ob eine<br />

Rücklagenentscheidung o<strong>der</strong> die mit ihr finanzierte Maßnahme dem Ziel <strong>der</strong><br />

Unternehmenswertsteigerung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> „Stärkung <strong>der</strong> Lebens- und Wi<strong>der</strong>standsfähigkeit <strong>der</strong><br />

Gesellschaft“ dient. Bei <strong>der</strong> Beantwortung <strong>der</strong> Frage, ob eine Maßnahme hierzu beitragen<br />

kann, handelt es sich um eine „unternehmerische“ Entscheidung mit Prognosecharakter, die<br />

deshalb in ihrem Kern nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG gerichtlicher Kontrolle entzogen ist.<br />

(b) Den selben Handlungsfreiraum kann die Verwaltung in Anspruch nehmen, wo es um<br />

die Auswahl <strong>der</strong> Handlungsalternativen geht, die ihr zur Verfolgung <strong>der</strong> aufgezeigten Ziele<br />

zur Verfügung stehen, also bei <strong>der</strong> Frage, ob und in welchem Umfang <strong>der</strong> Jahresüberschuß<br />

thesauriert werden soll, o<strong>der</strong> ob er zur Ausschüttung freigegeben werden und statt dessen<br />

erfor<strong>der</strong>lichenfalls eine Gegenfinanzierung durch Kapitalaufnahme von außen erfolgen soll.<br />

Auch dabei handelt es sich um eine „unternehmerische“ und deshalb in ihrem Kern<br />

gerichtlicher Kontrolle entzogene Entscheidung <strong>im</strong> Sinne des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG. Daran<br />

än<strong>der</strong>t sich nichts durch die Beobachtung, daß <strong>der</strong> Vorstand Rücklagenentscheidungen<br />

tendenziell bevorzugen mag 46 . Die Norm des § 58 Abs. 2 AktG will, wie ihr Wortlaut, <strong>der</strong><br />

systematische Zusammenhang und die Entstehungsgeschichte ergeben, gerade diesen<br />

Beurteilungs- und Handlungsspielraum <strong>der</strong> Verwaltung in dem (eingeschränkten) Bereich<br />

bekräftigen, in dem Vorstand und Aufsichtsrat über eine Rücklagenbildung nach dieser<br />

Vorschrift zu befinden haben 47 . Allerdings eröffnet § 58 Abs. 2 AktG keinen Freiraum für<br />

willkürliche kontrollfreie Entscheidungen <strong>der</strong> Verwaltung. Auch zu einer aus dieser<br />

Vorschrift abgeleiteten voraussetzungslosen „Vermutung pflichtgemäßen Verhaltens“ bei<br />

Rücklagenentscheidungen 48 besteht jedenfalls heute in Anbetracht <strong>der</strong> allgemeinen<br />

Vorschrift des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kein Anlaß mehr; nach dieser in das Aktiengesetz neu<br />

eingefügten Vorschrift ist pflichtgemäßes Verhalten zu vermuten, wenn die<br />

Vorstandsmitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong>en tatsächliche Voraussetzungen dartun können 49 .<br />

Das Handlungsermessen <strong>der</strong> Verwaltung schrumpft allerdings in folgendem Fall auf eine<br />

Thesaurierungspflicht: Nach einer allgemeinen Regel darf <strong>der</strong> Vorstand den Bestand <strong>der</strong><br />

Gesellschaft nicht gefährden 50 . Die Verwaltung kann daher ausnahmsweise sogar zu einer<br />

Thesaurierung verpflichtet sein, wenn an<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Bestand <strong>der</strong> Gesellschaft konkret gefährdet<br />

würde, insbeson<strong>der</strong>e weil eine Ausschüttung einen sonst nicht behebbaren Liquiditätsengpaß<br />

auslösen würde.<br />

Weitere Einschränkungen des Handlungsermessens <strong>der</strong> Verwaltung, die aus <strong>der</strong> Behauptung<br />

einer best<strong>im</strong>mten Relation <strong>der</strong> Gewinnrücklagen zur Grundkapitalziffer, aus § 254 AktG o<strong>der</strong><br />

aus dem Gesichtspunkt <strong>der</strong> „Residualberechtigung“ <strong>der</strong> Aktionäre abgeleitet werden könnten,<br />

sind dagegen abzulehnen.<br />

45 Dazu, daß sich aus § 254 Abs. 1 AktG keine Einschränkung des Handlungsermessens <strong>der</strong> Verwaltung ergibt,<br />

sogleich unter (b).<br />

46 Dazu bereits oben unter 1. (b) (bb).<br />

47 So auch BGHZ 55, 359, 362 f.<br />

48 S. dazu oben Fn. 13.<br />

49<br />

Zur ähnlich eingeschränkten Kontrolle <strong>der</strong> Dividenden - bzw. Rücklagenentscheidung des Board einer<br />

Gesellschaft durch die Gerichte nach US-amerikanischem Recht Abeltshauser, Leitungshaftung <strong>im</strong><br />

Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 69 ff m. Nachweisen.<br />

50 Zum Verbot <strong>der</strong> „Bestandsgefährdung“ etwa Hüffer, a.a.O. (Fn. 13), § 76 Rdz. 13 m. Nachweisen.<br />

13


Zunächst einmal läßt sich gegen eine Innenfinanzierung durch Rücklagenbildung nicht<br />

einwenden, daß die Aktionäre bei <strong>der</strong> Gründung <strong>der</strong> Gesellschaft bzw. einer späteren<br />

Kapitalerhöhung mit <strong>der</strong> Festlegung <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> Einlagen in Höhe <strong>der</strong> Grundkapitalziffer<br />

ein best<strong>im</strong>mtes Maß an Eigenkapitalfinanzierung festgelegt hätten, das nicht durch<br />

übermäßige Rücklagenbildung überschritten werden dürfe. Eine solche Argumentation<br />

könnte etwa wie folgt lauten: Der Festlegung <strong>der</strong> Gesamtsumme <strong>der</strong> Einlagen durch die<br />

Nennung <strong>der</strong> Grundkapitalziffer in <strong>der</strong> Satzung sowie dem Fehlen einer<br />

Satzungsermächtigung <strong>im</strong> Sinne des § 58 Abs. 2 S. 2 AktG zur Bildung weiterer Rücklagen<br />

sei <strong>der</strong> Wille des Satzungsgebers zu entnehmen, den Anteil des Eigenkapitalengagements <strong>der</strong><br />

Aktionäre zu begrenzen; jedenfalls dürfe dieses Engagement nicht durch<br />

Rücklagenentscheidung <strong>der</strong> Verwaltung auf ein Vielfaches <strong>der</strong> satzungsmäßig festgelegten<br />

Einlagen erhöht werden. Diese Argumentation würde sich unmittelbar mit <strong>der</strong> gesetzlichen<br />

Regelung in Wi<strong>der</strong>spruch setzen. Das Aktiengesetz legt, an<strong>der</strong>s als für die gesetzlich zu<br />

bildende Rücklage (vgl. § 150 AktG), keine Relation zwischen Grundkapitalziffer und<br />

(höchstens) zu bildenden freiwilligen Rücklagen fest. Nur für den Fall, daß die Satzung<br />

Vorstand und Aufsichtsrat ausdrücklich dazu ermächtigt, mehr als die Hälfte des<br />

Jahresüberschusses in an<strong>der</strong>e Gewinnrücklagen einzustellen, greift die Beschränkung des<br />

§ 58 Abs. 2 S. 3 AktG ein, wonach aufgrund einer solchen Satzungsbest<strong>im</strong>mung keine<br />

Beträge in an<strong>der</strong>e Gewinnrücklagen eingestellt werden dürfen, wenn die an<strong>der</strong>en<br />

Gewinnrücklagen die Hälfte des Grundkapitals übersteigen o<strong>der</strong> soweit sie nach <strong>der</strong><br />

Einstellung die Hälfte übersteigen würden. Man mag die Beschränkung dieser Vorschrift auf<br />

den Fall, daß eine entsprechende Satzungsbest<strong>im</strong>mung besteht, rechtspolitisch für verfehlt<br />

halten; de lege lata ist daran nicht zu rütteln 51 . Da es nun aber dem Satzungsgeber nach <strong>der</strong><br />

gesetzlichen Regelung freisteht, durch eine entsprechende Satzungsgestaltung das Ermessen<br />

<strong>der</strong> Verwaltung hinsichtlich <strong>der</strong> Rücklagenbildung zu beschränken (§ 58 Abs. 2 S. 2 AktG),<br />

und bei Fehlen einer solchen Satzungsbest<strong>im</strong>mung das Ermessen <strong>der</strong> Verwaltung mit<br />

Ausnahme <strong>der</strong> Beschränkung auf die Hälfte des Jahresüberschusses (§ 58 Abs. 2 S. 1 AktG)<br />

nicht begrenzt ist, kann bei Fehlen einer einschränkenden Satzungsbest<strong>im</strong>mung nicht bereits<br />

aus <strong>der</strong> Festlegung <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> Einlagen <strong>der</strong> Aktionäre geschlossen werden, daß diese ihr<br />

„Eigenkapitalengagement“ hierauf und auf die kraft Gesetzes zu bildenden Rücklagen<br />

beschränken wollten.<br />

Auch aus § 254 Abs. 1 AktG ist keine Einschränkung <strong>der</strong> Rücklagenbildung seitens <strong>der</strong><br />

Verwaltung abzuleiten. Nach dieser Vorschrift kann <strong>der</strong> Beschluß <strong>der</strong> Hauptversammlung<br />

über die Verwendung des Bilanzgewinns angefochten werden, wenn die Hauptversammlung<br />

aus dem Bilanzgewinn Beträge in Gewinnrücklagen einstellt, obwohl die Einstellung „bei<br />

vernünftiger kaufmännischer Beurteilung nicht notwendig ist, um die Lebens- und<br />

Wi<strong>der</strong>standsfähigkeit <strong>der</strong> Gesellschaft für einen hinsichtlich <strong>der</strong> wirtschaftlichen und<br />

finanziellen Notwendigkeiten übersehbaren Zeitraum zu sichern und dadurch unter die<br />

Aktionäre kein Gewinn in Höhe von mindestens vier vom Hun<strong>der</strong>t des Grundkapitals<br />

abzüglich von noch nicht eingefor<strong>der</strong>ten Einlagen verteilt werden kann.“ Diese Vorschrift<br />

schränkt nur die Rücklagenbildung durch die Hauptversammlung, nicht die<br />

Rücklagenentscheidung <strong>der</strong> Verwaltung ein. Die Verwaltung mag zwar allgemein und so<br />

auch bei ihrem Beschlußvorschlag zur Gewinnverwendung darauf zu achten haben, daß<br />

keine gesetzwidrigen Beschlüsse gefaßt werden 52 . Ob dies auch bedeutet, daß sie <strong>der</strong><br />

51 Henze, a.a.O. (Fn. 13), § 58 Rdz. 42; Bayer, a.a.O. (Fn. 13), § 58 Rdz. 42; a.A. aber Wöhe, a.a.O. (Fn. 2), S. 594<br />

und wohl auch Hüffer, a.a.O. (Fn. 13), Rdz. 9; vgl. dagegen ausdrücklich Kropff, a.a.O. (Fn. 41), S. 77. In <strong>der</strong><br />

Praxis finden sich denn auch häufig Fälle, in denen die gesetzlichen und an<strong>der</strong>en Gewinnrücklagen ein Vielfaches<br />

<strong>der</strong> Grundkapitalziffer ausmachen.<br />

52 Einzelheiten zu den Vorstandspflichten hinsichtlich gesetzwidriger Beschlüsse bei K. Schmidt, in: Großkomm.<br />

AktG, 4. Aufl., 6. Lieferung 1996, § 243 Rdz. 71, § 245 Rdz. 32, sowie bei Hopt, in: Großkomm. AktG, 4. Auflage,<br />

11. Lieferung 1999, § 93 Rdz. 322 ff.<br />

14


Hauptversammlung keine vollständige Thesaurierung vorschlagen darf, wenn dies den<br />

Anfechtungsgrund des § 254 Abs. 1 AktG auslösen könnte, kann hier offen bleiben.<br />

Jedenfalls ist daraus nicht zu folgern, daß die Verwaltung bereits ihrerseits insoweit keine<br />

Rücklagen bilden darf, als diese Thesaurierung „bei vernünftiger kaufmännischer<br />

Beurteilung nicht notwendig ist, um die Lebens- und Wi<strong>der</strong>standsfähigkeit <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

für einen hinsichtlich <strong>der</strong> wirtschaftlichen und finanziellen Notwendigkeiten übersehbaren<br />

Zeitraum zu sichern und dadurch unter die Aktionäre kein Gewinn in Höhe von mindestens<br />

vier vom Hun<strong>der</strong>t des Grundkapitals abzüglich von noch nicht eingefor<strong>der</strong>ten Einlagen<br />

verteilt werden kann.“ Denn das Anfechtungsrecht des Aktionärs bezieht sich eben nicht auf<br />

den Fall, daß <strong>der</strong> gesamte Jahresüberschuß eine solche Mindestausschüttung gestatten würde,<br />

son<strong>der</strong>n nur auf den Fall, daß <strong>der</strong> verbleibende Bilanzgewinn diese gestattet 53 .<br />

Auch <strong>der</strong> Gesichtspunkt, daß die Rücklagenbildung in die „Residualberechtigung“ <strong>der</strong><br />

Aktionäre 54 eingreift, rechtfertigt keine Einschränkung des Handlungsermessens <strong>der</strong><br />

Verwaltung, etwa in dem Sinne, daß die Rücklagenentscheidung wegen des damit<br />

verbundenen Eingriffs in die Residualberechtigung <strong>der</strong> Aktionäre gerichtlich auf ihre<br />

Geeignetheit, Erfor<strong>der</strong>lichkeit und Verhältnismäßigkeit überprüft werden können sollte. Wie<br />

§ 58 Abs. 2 AktG zeigt, hat <strong>der</strong> Gesetzgeber bereits selbst <strong>im</strong> Interesse <strong>der</strong><br />

residualberechtigten Aktionäre den Bereich, in dem das „Rücklagenermessen“ <strong>der</strong><br />

Verwaltung ausgeübt werden kann, auf die Hälfte des Jahresüberschusses beschränkt und die<br />

Verfügung über den Rest grosso modo <strong>der</strong> Entscheidung <strong>der</strong> Aktionäre überantwortet.<br />

Überdies kann die Satzung <strong>der</strong> Verwaltung die Rücklagenentscheidung ganz entziehen und<br />

damit die Ausübung des Handlungsermessens <strong>der</strong> Verwaltung insoweit ganz ausschließen.<br />

Und schließlich ist das Handlungsermessen <strong>der</strong> Verwaltung nicht schranken- und<br />

voraussetzungslos eingeräumt, wie § 93 Abs. 1 S. 2 AktG klarstellt.<br />

Die Residualberechtigung <strong>der</strong> Aktionäre for<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> rechtfertigt demnach keine weitere<br />

Einschränkung des Handlungsermessens <strong>der</strong> Verwaltung. Sie erweitert nur die<br />

Handlungsalternativen <strong>der</strong> Verwaltung <strong>im</strong> Interesse <strong>der</strong> Aktionäre, da sie eine Ausschüttung<br />

zu rechtfertigen vermag, auch wenn eine Ausschüttung bei isolierter Betrachtung für die<br />

Gesellschaft „als solche“ nachteilig erscheint. Wie die oben angestellten Überlegungen<br />

gezeigt haben, dürfte eine Ausschüttung mit anschließen<strong>der</strong> Eigenkapitalaufnahme wegen<br />

<strong>der</strong> damit verbundenen Steuern und <strong>der</strong> Kosten für die Gesellschaft regelmäßig ungünstiger<br />

sein als eine Thesaurierung. Hier stellt sich die Frage, ob eine Verwaltung auch dann noch<br />

„zum Wohle <strong>der</strong> Gesellschaft“ (vgl. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG) handeln kann, wenn dieser durch<br />

eine Ausschüttung profitable Investitionsmöglichkeiten entgehen o<strong>der</strong> ihr wegen <strong>der</strong> infolge<br />

<strong>der</strong> Ausschüttung erfor<strong>der</strong>lich werdenden Außenfinanzierung höhere Kosten als bei einer<br />

Innenfinanzierung mittels thesaurierter Mittel entstehen. Bei <strong>der</strong> Antwort auf diese Frage<br />

bewährt sich <strong>der</strong> Hinweis auf die Residualberechtigung <strong>der</strong> Aktionäre. Eine Verwaltung kann<br />

auch dann für sich in Anspruch nehmen, „zum Wohle <strong>der</strong> Gesellschaft“ zu handeln, wenn sie<br />

trotz profitabler Investitionsmöglichkeiten <strong>der</strong> Gesellschaft und trotz <strong>der</strong> mit <strong>der</strong><br />

Ausschüttung und Wie<strong>der</strong>aufnahme von Kapital verbundenen Kosten für die Gesellschaft<br />

den ausschüttbaren Jahresüberschuß nicht in Gewinnrücklagen einstellt, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />

Hauptversammlung zur Verteilung an die residualberechtigten Eigenkapitalgeber freigibt.<br />

An<strong>der</strong>s formuliert: In <strong>der</strong> Gesellschaft mit erwerbswirtschaftlicher Zielsetzung ist das „Wohl<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft“ gerade darauf angelegt, daß das Residuum den Eigenkapitalgebern<br />

53 H.M., vgl. nur Henze, a.a.O. (Fn. 13), § 58 Rdz. 38 m. Nachweisen; s. auch BGHZ 55, 359, 364 f (zu <strong>der</strong> Debatte,<br />

ob eine Satzungsbest<strong>im</strong>mung <strong>im</strong> Sinne des § 58 Abs. 2 S. 2 AktG eine § 254 Abs. 1 AktG entsprechende<br />

Mindestausschüttung durch die Verwaltung vorsehen muß).<br />

54 Dazu oben II. 2.<br />

15


zukommt; dies rechtfertigt auch die periodische „Vorabverteilung“ erzielter Überschüsse <strong>im</strong><br />

Rahmen <strong>der</strong> hierfür geltenden Vorschriften.<br />

Eine weitere Frage, die sich <strong>im</strong> vorliegenden Zusammenhang stellt, geht dahin, wie die<br />

Verwaltung mit dem Dilemma unterschiedlicher Ausschüttungspräferenzen <strong>der</strong> Aktionäre<br />

aus rechtlicher Sicht umzugehen hat. Insoweit ist folgendes festzuhalten. Die Verwaltung ist<br />

we<strong>der</strong> verpflichtet noch auch nur berechtigt, ohne Rücksicht auf gegenläufige<br />

Ausschüttungspräferenzen an<strong>der</strong>er Anleger den Jahresüberschuß ganz o<strong>der</strong> zum Teil <strong>im</strong><br />

Hinblick darauf zur Ausschüttung freizugeben, daß einzelne individuelle Anleger, etwa <strong>der</strong><br />

Mehrheitsaktionär, über profitablere Anlagemöglichkeiten verfügen, o<strong>der</strong> daß für sie die<br />

Ausschüttungsentscheidung zu günstigeren steuerlichen Konsequenzen als eine<br />

Thesaurierung führt, o<strong>der</strong> daß sie beson<strong>der</strong>e Liquiditätsbedürfnisse haben. Dabei handelt es<br />

sich um individuelle, nicht in <strong>der</strong> Mitgliedschaft angelegte Gegebenheiten, an denen die<br />

Verwaltung ihre Ausschüttungsentscheidung nicht ausrichten darf, wenn nicht<br />

ausgeschlossen werden kann, daß dadurch an<strong>der</strong>e Anleger mit an<strong>der</strong>en Präferenzen<br />

nachteilig betroffen würden. Wohl aber darf die Verwaltung eine typisierende Betrachtung<br />

vornehmen, auch wenn dies für einzelne Anlegergruppen wegen <strong>der</strong>en Interessen an einer<br />

Thesaurierung bzw. Ausschüttung <strong>im</strong> Vergleich mit <strong>der</strong> gegenläufigen Entscheidung <strong>der</strong><br />

Verwaltung zu Nachteilen führt. So kann die Gesellschaft zum Beispiel das Ziel <strong>der</strong><br />

Ausschüttung einer stetigen Dividende verfolgen; dies ermöglicht den Anlegern vor <strong>der</strong><br />

(Wie<strong>der</strong>-) Anlageentscheidung eine Einschätzung, ob dies mit ihren Präferenzen<br />

übereinst<strong>im</strong>mt. O<strong>der</strong> die Verwaltung eines Unternehmens, das aus <strong>der</strong> Vermarktung eines<br />

Patents <strong>der</strong>zeit noch hohe Erlöse erzielt, aber absehbar nicht über ähnlich profitable<br />

Möglichkeiten <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>anlage dieser Erlöse <strong>im</strong> Rahmen des Unternehmensgegenstands<br />

verfügt, mag sich dazu entschließen, diese Erlöse zur Ausschüttung an die Anteilseigner<br />

freizugeben, auch wenn die Ausschüttung wegen <strong>der</strong> individuellen steuerlichen<br />

Gegebenheiten und Wie<strong>der</strong>anlagemöglichkeiten <strong>der</strong> Aktionäre diesen unterschiedlich<br />

willkommen sein kann und für den einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Anleger auch <strong>im</strong> Vergleich zu einer<br />

Thesaurierungsentscheidung sogar zu einem Nachteil führt. Letzten Endes wird dies auch<br />

vom Gesetzgeber selbst hingenommen, wie § 254 AktG zeigt. Der Anfechtungsgrund des<br />

§ 254 Abs. 1 AktG gilt zwar nicht für die Rücklagenentscheidung <strong>der</strong> Verwaltung, son<strong>der</strong>n<br />

nur für die Gewinnverwendung durch die Hauptversammlung 55 . Dieser Vorschrift läßt sich<br />

aber die Wertung entnehmen, daß die Hauptversammlung eine Mindestausschüttung<br />

beschließen soll, wenn die Verhältnisse <strong>der</strong> Gesellschaft dies gestatten, und zwar insoweit<br />

ohne Rücksicht auf divergierende Ausschüttungspräferenzen einzelner Anleger o<strong>der</strong><br />

Anlegergruppen. Das Dilemma unterschiedlicher Ausschüttungspräferenzen kann die<br />

Verwaltung auch, ohne ihre Pflichten zu verletzen, durch alternative Verfahren lösen, etwa<br />

indem sie ein Aktienrückkaufprogramm auflegt o<strong>der</strong> in Gesellschaften mit nicht<br />

börsengehandelten Anteilen dazu beiträgt, daß Anteile verkauft werden können.<br />

(c) Wie wird nun die Beachtung dieser für die Rücklagenentscheidung <strong>der</strong> Verwaltung<br />

formulierten Grundsätze rechtlich gewährleistet?<br />

(aa) Eine erste institutionelle Sicherung liegt darin, daß nicht <strong>der</strong> Vorstand allein die<br />

Entscheidung nach § 58 Abs. 2 S. 1 AktG trifft, son<strong>der</strong>n Vorstand und Aufsichtsrat<br />

gemeinsam hierüber zu befinden haben. Allerdings ist <strong>der</strong> Aufsichtsrat <strong>im</strong> deutschen Recht<br />

seiner Konzeption nach kein Aktionärsausschuß, und er wird, insbeson<strong>der</strong>e in mitbest<strong>im</strong>mten<br />

Gesellschaften, aber nicht nur dort, auch nicht als Organ zur ausschließlichen Vertretung <strong>der</strong><br />

Interessen <strong>der</strong> residualberechtigten Eigenkapitalgeber aufgefaßt 56 .<br />

55 Vgl. Text zu Fn. 53; eingehend zur Anfechtung gemäß § 254 Abs. 1 AktG unten 3. (a) (bb).<br />

56 Zur Verpflichtung <strong>der</strong> Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong> auf das „Unternehmensinteresse“, das nicht in jedem Fall mit den<br />

Interessen <strong>der</strong> Anteilseigner identisch ist, auch dann nicht, wenn die Gesellschaft über nur einen Aktionär verfügt<br />

16


Eine zweite institutionelle Sicherung ist in <strong>der</strong> in § 58 Abs. 2, 3 AktG angelegten<br />

Kompetenzspaltung zwischen Verwaltung und Hauptversammlung zu sehen. Diese soll dem<br />

angedeuteten Thesaurierungsinteresse <strong>der</strong> Verwaltung entgegenwirken und einem<br />

angenommenen, typisierten Anlegerinteresse an Mindestausschüttungen Rechnung tragen.<br />

Der Satzungsgeber kann hiervon zwar insofern abweichen, als er die Verwaltung zur<br />

Einstellung des gesamten Jahresüberschusses in an<strong>der</strong>e Gewinnrücklagen ermächtigen kann<br />

(§ 58 Abs. 2 S. 2 AktG) 57 . Allerdings gilt dann die weitere Schranke, daß die an<strong>der</strong>en<br />

Gewinnrücklagen nicht mehr als die Hälfte des Grundkapitals <strong>der</strong> Gesellschaft ausmachen<br />

dürfen (§ 58 Abs. 2 S. 3 AktG).<br />

(bb) Ein weiteres Sicherungsinstrument bildet die Nichtigkeitsklage. Hat die Verwaltung bei<br />

<strong>der</strong> Feststellung des Jahresabschlusses die Best<strong>im</strong>mungen des § 58 Abs. 2 AktG o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Satzung über die Einstellung von Beträgen in Gewinnrücklagen o<strong>der</strong> über die Entnahme aus<br />

Gewinnrücklagen verletzt, ist <strong>der</strong> Jahresabschluß gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG nichtig.<br />

Dieser Nichtigkeitsgrund liegt allerdings nur bei Überschreiten <strong>der</strong> durch § 58 Abs. 2 AktG<br />

o<strong>der</strong> durch die Satzung gezogenen Schranken vor, nicht dagegen bei sonstigen Verstößen<br />

gegen die Pflichten eines sorgfältigen und gewissenhaften Geschäftsleiters <strong>im</strong><br />

Zusammenhang mit Rücklagen- o<strong>der</strong> Ausschüttungsentscheidungen. Ferner ist eine<br />

Nichtigkeit binnen sechs Monaten heilbar (§ 256 Abs. 6 AktG). Die Nichtigkeit kann von<br />

jedem Aktionär mit <strong>der</strong> gegen die Gesellschaft zu richtenden Nichtigkeitsklage geltend<br />

gemacht werden (§ 256 Abs. 7 S. 1 in Verbindung mit § 249 AktG).<br />

(cc) Eine Haftung <strong>der</strong> Vorstands- und Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft gegenüber<br />

gemäß §§ 93, 116 AktG käme nur in Betracht, wenn <strong>der</strong> Gesellschaft (und nicht nur ihren<br />

Aktionären) infolge pflichtwidrigen und schuldhaften Verhaltens <strong>der</strong> Organmitglie<strong>der</strong> ein<br />

Schaden entstanden wäre. Das kommt <strong>im</strong> hier erörterten Zusammenhang in folgenden Fällen<br />

in Frage: Wenn die Verwaltung keine Ausschüttung hätte vornehmen dürfen, und <strong>der</strong><br />

Gesellschaft dadurch ein Schaden entstanden ist 58 ; wenn <strong>der</strong> Verstoß gegen § 58 Abs. 2<br />

AktG zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führt (§ 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG), und <strong>der</strong><br />

Gesellschaft dadurch Kosten entstehen; o<strong>der</strong> wenn die Gesellschaft selbst von ihren<br />

Aktionären erfolgreich auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann (dazu weiter<br />

unten) und deshalb bei ihren Organmitglie<strong>der</strong>n Regreß nehmen will. Dagegen dürfte eine<br />

Haftung <strong>der</strong> Organmitglie<strong>der</strong> unmittelbar den Aktionären gegenüber wegen ihrer<br />

Thesaurierungs- o<strong>der</strong> Ausschüttungsentscheidung in <strong>der</strong> Regel, von seltenen Ausnahmefällen<br />

abgesehen, ausscheiden. Denn <strong>der</strong> klagende Aktionär müßte nicht nur dartun, daß ihm durch<br />

eine rechtswidrige Thesaurierungsentscheidung ein Schaden entstanden ist, zum Beispiel<br />

weil er infolgedessen zu einem Verkauf seiner Beteiligung zur Unzeit gezwungen wurde,<br />

o<strong>der</strong> weil ihm dadurch Gewinne entgangen sind, die er bei einer Auszahlung wahrscheinlich<br />

erzielt hätte (§ 252 BGB), o<strong>der</strong> weil <strong>der</strong> zu Unrecht einbehaltene Betrag inzwischen<br />

endgültig verloren ist. Son<strong>der</strong>n es müßten auch die engen Voraussetzungen des § 826 BGB<br />

o<strong>der</strong> des § 117 Abs. 2 AktG erfüllt sein. Die Mitgliedschaft des Aktionärs ist zwar auch in<br />

ihren vermögensrechtlichen Bezügen ein „sonstiges Recht“ <strong>im</strong> Sinne des § 823 Abs. 1 BGB.<br />

Aber nicht jedes Fehlverhalten <strong>der</strong> Verwaltung, das zu einer Min<strong>der</strong>ung des Residualgewinns<br />

<strong>der</strong> Anleger führt, erfüllt bereits das Tatbestandsmerkmal <strong>der</strong> „Verletzung“ des<br />

Mitgliedschaftsrechts. Die nichtvorsätzliche, pflichtwidrige Ausübung eigener<br />

Organkompetenzen rechnet nicht zu den anerkannten Verletzungen <strong>der</strong> Mitgliedschaft <strong>im</strong><br />

Sinne des § 823 Abs. 1 BGB 59 . Die Vorschriften des § 93 Abs. 1, 2 AktG sind ferner keine<br />

o<strong>der</strong> die Präferenzen <strong>der</strong> Anteilseigner sich decken, etwa Hopt/M. Roth, in: Großkomm. AktG, 4. Auflage, IV. Band,<br />

2006, § 111 Rdz. 103 ff m. umfangreichen Nachweisen.<br />

57 Vgl. BGHZ 55, 359 ff.<br />

58 Vgl. dazu Text zu Fn. 50.<br />

59 Auswahl aus <strong>der</strong> umfangreichen Literatur hierzu: Habersack, a.a.O. (Fn. 10), pass<strong>im</strong> (S. 274 ff zur Verletzung des<br />

„Gewinnstammrechts“); Hopt, a.a.O. (Fn. 52), § 93 Rdz. 470 ff; Baums, Aktionärsklagerechte (Gutachten F zum 63.<br />

17


„Schutzgesetze“ <strong>im</strong> Sinne des § 823 Abs. 2 BGB 60 . Dagegen bezweckt § 58 Abs. 2 AktG<br />

zwar den Schutz <strong>der</strong> Aktionäre, aber nur, indem diese Norm die äußeren Grenzen <strong>der</strong><br />

Thesaurierung durch die Verwaltung festlegt. Eine schuldhafte Überschreitung dieser<br />

äußeren Grenzen mag daher einen Schadensersatzanspruch <strong>der</strong> Aktionäre auslösen, nicht<br />

dagegen je<strong>der</strong> fahrlässige Verstoß gegen die oben unter a) und b) angeführten Prinzipien und<br />

Regeln. Eine unmittelbare Haftung <strong>der</strong> Vorstands- und Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong> den Anlegern<br />

gegenüber nach Vertragsgrundsätzen schließlich ist nicht anerkannt 61 .<br />

Denkbar ist auch eine Haftung <strong>der</strong> Gesellschaft ihrem Aktionär gegenüber wegen ihr<br />

entsprechend § 31 BGB zuzurechnenden Verhaltens <strong>der</strong> Organmitglie<strong>der</strong>. Soweit § 31 BGB<br />

die Mithaftung des Verbands wegen <strong>der</strong> Eigendelikte <strong>der</strong> Organmitglie<strong>der</strong> sichern soll 62 , ist<br />

auf die voranstehenden Ausführungen zur Haftung <strong>der</strong> Verwaltung wegen Verletzung <strong>der</strong><br />

Mitgliedschaft nach deliktischen Grundsätzen zu verweisen. Daneben wird zum Teil eine<br />

Haftung des Verbands wegen schuldhafter Verletzung des Mitgliedschaftsverhältnisses nach<br />

Vertragsgrundsätzen befürwortet 63 . An<strong>der</strong>s als für die deliktische Verletzung <strong>der</strong><br />

Mitgliedschaft 64 fehlt aber für die Haftung des Verbands wegen Verletzung <strong>der</strong><br />

Mitgliedschaft bisher eine eingehende Untersuchung, die den Vorrang des<br />

Gläubigerschutzes, die Interessen <strong>der</strong> wirtschaftlich von einer Verbandshaftung betroffenen<br />

Mitgesellschafter und Fragen des verbandsinternen Rückgriffs zu thematisieren hätte; darauf<br />

kann an dieser Stelle nur hingewiesen werden.<br />

3. Die Rücklagenbildung durch die Hauptversammlung gemäß § 58 Abs. 3 AktG<br />

Gemäß § 58 Abs. 3 AktG kann die Hauptversammlung <strong>im</strong> Beschluß über die Verwendung<br />

des Bilanzgewinns (vgl. § 174 AktG) weitere Beträge, über die von <strong>der</strong> Verwaltung gemäß<br />

§ 58 Abs. 2 AktG gebildeten Rücklagen hinaus, in Gewinnrücklagen einstellen o<strong>der</strong> als<br />

Gewinn vortragen. Dieser Beschluß wird mit einfacher St<strong>im</strong>menmehrheit gefaßt, soweit nicht<br />

die Satzung eine größere Mehrheit best<strong>im</strong>mt (§ 133 Abs. 1 AktG). Auch hier stellt sich, wie<br />

bei <strong>der</strong> Entscheidung <strong>der</strong> Verwaltung gemäß § 58 Abs. 2 AktG, die Frage nach den von <strong>der</strong><br />

Hauptversammlung zu beachtenden Maßstäben (dazu sogleich unter a) und dem<br />

Rechtsschutz <strong>der</strong> überst<strong>im</strong>mten Min<strong>der</strong>heit (dazu unter b).<br />

(a) Für die Rücklagenentscheidung <strong>der</strong> Verwaltung ist oben (unter 2. b) ausgeführt worden,<br />

daß es sich um eine unternehmerische Ermessensentscheidung handelt, für die die in § 93<br />

Abs. 1 S. 2 AktG vorgesehene Freistellung vom Vorwurf einer Pflichtverletzung eingreift,<br />

wenn die dort angeführten Voraussetzungen erfüllt sind. Obwohl es sich auch bei <strong>der</strong><br />

Entscheidung <strong>der</strong> Hauptversammlung für o<strong>der</strong> gegen eine Rücklagenbildung materiell, <strong>der</strong><br />

Sache nach, <strong>im</strong> gleichen Sinne um eine „unternehmerische“ Entscheidung handelt, kann hier<br />

<strong>der</strong> für Organmitglie<strong>der</strong> geltende allgemeine Verhaltensstandard des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG<br />

Deutschen Juristentag), 2000, S. F 226 f, 233; Schmitz, Die Haftung des Vorstands gegenüber den Aktionären, 2004<br />

(Frankfurter wirtschaftsrechtliche Studien Bd. 62), S. 253 ff; Schmolke, Organwalterhaftung für Eigenschäden von<br />

Kapitalgesellschaftern, 2004 (Abhandlungen zum deutschen und europäischen Wirtschaftsrecht Bd. 144), S. 50 ff; je<br />

mit Nachweisen.<br />

60 Nachweise dazu bei Hopt, a.a.O. (Fn. 52), § 93 Rdz. 469.<br />

61 Dafür etwa Schmitz und Schmolke, a.a.O. (Fn. 59); an<strong>der</strong>s die herrschende Meinung, vgl. die Nachweise bei<br />

Baums, a.a.O. (Fn. 59), S. F 233.<br />

62 § 31 BGB sichert erstens die kumulative Haftung <strong>der</strong> Gesellschaft für die Eigendelikte <strong>der</strong> Organpersonen und<br />

vermittelt zweitens die ausschließliche Haftung <strong>der</strong> Gesellschaft in Fällen, in denen ihre Organpersonen schuldhaft<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft dem Mitglied gegenüber obliegende Pflichten verletzt haben; vgl. Kleindiek, Deliktshaftung und<br />

juristische Person, 1997, S. 355 f.<br />

63 Aus <strong>der</strong> Rechtsprechung insbeson<strong>der</strong>e BGHZ 110, 323, 327; zur Literatur dazu Nachweise bei K. Schmidt,<br />

Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 651 f; Baums, a.a.O. (Fn. 59), S. F 222 ff.<br />

64 Dazu insbeson<strong>der</strong>e die monografische Untersuchung von Habersack, a.a.O. (Fn. 10); weitere Literaturangaben bei<br />

K. Schmidt, a.a.O. (Fn. 63), S. 651 und Baums, a.a.O. (Fn. 59), S. F 226 Fn. 18.<br />

18


und demgemäß auch die daran anknüpfende Vermutung pflichtkonformen Verhaltens in § 93<br />

Abs. 1 S. 2 AktG nicht, jedenfalls nicht unmittelbar, herangezogen werden. Es geht vielmehr<br />

um die Best<strong>im</strong>mung <strong>der</strong> Schranken mitgliedschaftlicher St<strong>im</strong>mrechtsmacht. Die<br />

privatautonome Betätigung mitgliedschaftlicher St<strong>im</strong>mrechtsmacht, die einen<br />

Mehrheitsbeschluß zustande bringt, unterliegt wegen <strong>der</strong> Verbindlichkeit des<br />

Mehrheitsbeschlusses für die Gesellschaft und damit auch für die Min<strong>der</strong>heit und wegen <strong>der</strong><br />

Einwirkung auf <strong>der</strong>en Rechte und rechtlich geschützte Interessen je nach<br />

Beschlußgegenstand und <strong>der</strong> Intensität dieser Einwirkung unterschiedlichen Schranken und<br />

Kontrollen. Bei Beschlüssen nach § 58 Abs. 3 S. 1 AktG ist formaler Ausgangspunkt <strong>der</strong><br />

Best<strong>im</strong>mung dieser St<strong>im</strong>mrechtsschranken und <strong>der</strong> Beschlußkontrolle § 254 Abs. 1 AktG,<br />

<strong>der</strong> zum einen klarstellt, daß eine Anfechtung eines Gewinnverwendungsbeschlusses aus<br />

allgemeinen Gründen, nach § 243 AktG, in Betracht kommt, und <strong>der</strong> zum an<strong>der</strong>en einen<br />

weiteren, beson<strong>der</strong>en Anfechtungsgrund schafft.<br />

Daß auch ein Gewinnverwendungsbeschluß gegen allgemeine Gesetze, zum Beispiel das<br />

Gebot <strong>der</strong> Gleichbehandlung <strong>der</strong> Aktionäre (§ 53a AktG) 65 , o<strong>der</strong> gegen Satzungsvorschriften<br />

verstoßen und deshalb nach § 243 AktG anfechtbar sein mag 66 , ist an dieser Stelle nicht von<br />

Interesse. Hier geht es vielmehr um die Fragen, die bereits oben für die Entscheidung <strong>der</strong><br />

Verwaltung gemäß § 58 Abs. 2 AktG erörtert worden sind: Sind auch die Aktionäre bei ihrer<br />

Entscheidung über Ausschüttung o<strong>der</strong> Thesaurierung auf das „Wohl <strong>der</strong> Gesellschaft“<br />

verpflichtet, und was besagt das <strong>im</strong> vorliegenden Zusammenhang praktisch? Dürfen die<br />

Aktionäre insbeson<strong>der</strong>e bei ihrer St<strong>im</strong>mabgabe ihre individuellen Ausschüttungs- o<strong>der</strong><br />

Thesaurierungspräferenzen ohne Rücksicht auf Finanzierungsbedürfnisse <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

und ohne Rücksicht auf abweichende Präferenzen an<strong>der</strong>er Aktionäre zur Geltung bringen<br />

und durchsetzen? Und falls ähnliche Pflichten o<strong>der</strong> Bindungen wie für das Verhalten <strong>der</strong><br />

Verwaltung anzunehmen sind, gibt es dann auch einen entsprechenden von gerichtlicher<br />

Kontrolle freigestellten Beurteilungs- und Handlungsfreiraum, sofern <strong>der</strong> Beschluß<br />

best<strong>im</strong>mten Mindestvoraussetzungen genügt?<br />

(aa) Eine erste, selbstverständliche Bindung ergibt sich für die Aktionäre bei ihrer<br />

Entscheidung über Thesaurierung o<strong>der</strong> Ausschüttung aus dem für alle Aktionäre<br />

verbindlichen Gesellschaftszweck 67 . Bei <strong>der</strong> erwerbswirtschaftlich tätigen Gesellschaft ist<br />

Zweck die Erzielung von Gewinn 68 , <strong>der</strong> letzten Endes, sei es <strong>im</strong> Wege <strong>der</strong> sofortigen<br />

Ausschüttung von Bilanzgewinn, sei es <strong>im</strong> Wege <strong>der</strong> Thesaurierung und späteren<br />

Ausschüttung, den residualberechtigten Eigenkapitalgebern zukommen soll. Die<br />

Entscheidung über eine Thesaurierung o<strong>der</strong> Ausschüttung des Bilanzgewinns ist unmittelbar<br />

auf diesen Zweck bezogen: Beför<strong>der</strong>t die Thesaurierungsentscheidung jedenfalls langfristig<br />

die Erzielung künftiger Gewinne, o<strong>der</strong> ist für die residualberechtigten Eigenkapitalgeber eine<br />

Ausschüttung des erzielten „Zwischengewinns“ günstiger? Beide Entscheidungen sind, vom<br />

Gebot <strong>der</strong> Beachtung des Gesellschaftszwecks her betrachtet, möglich; welche <strong>der</strong> beiden<br />

Alternativen aber <strong>im</strong> konkreten Einzelfall mehr zur Beför<strong>der</strong>ung des Gesellschaftszwecks<br />

beitragen wird, erfor<strong>der</strong>t eine Prognoseentscheidung, für die den in <strong>der</strong> Hauptversammlung<br />

abst<strong>im</strong>menden Aktionären ein ähnlicher kontrollfreier Beurteilungsspielraum eingeräumt<br />

werden muß wie <strong>der</strong> Verwaltung 69 . Aus <strong>der</strong> Bindung <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Hauptversammlung<br />

65 Vgl. dazu BGHZ 84, 303, 309 ff.<br />

66 Aus <strong>der</strong> Literatur dazu etwa K. Schmidt, a.a.O. (Fn. 52), § 254 Rdz. 5 mit Nachweisen.<br />

67 S. dazu nur Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, Bd. 2, 1971, § 243 Rdz. 176 ff; Flume, Allgemeiner Teil<br />

des Bürgerlichen Rechts, 1. Band, 2. Teil, Die juristische Person, 1983, S. 208 ff; Mülbert, Aktiengesellschaft,<br />

Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Auflage 1996, S. 233 ff.<br />

68 Einzelheiten (Zweck <strong>der</strong> Gewinnerzielung auch als stillschweigen<strong>der</strong> Satzungsbestandteil; Än<strong>der</strong>ung nur<br />

einst<strong>im</strong>mig möglich) bei Röhricht, in: Großkommentar AktG, 4. Aufla ge, 7. Lieferung 1996, § 23 Rdz. 91 ff.<br />

69 Dazu oben 2. (a).<br />

19


abst<strong>im</strong>menden Aktionäre an den Gesellschaftszweck dürften sich daher kaum praktisch<br />

relevante Schranken entwickeln lassen 70 .<br />

(bb) Aus dem Vorstehenden ergibt sich bereits, daß eine umfassende Inhaltskontrolle des<br />

Gewinnverwendungsbeschlusses ausscheidet. Seit <strong>der</strong> grundlegenden Kali & Salz-<br />

Entscheidung des Bundesgerichtshofs 71 ist eine Inhaltskontrolle von Beschlüssen anerkannt,<br />

die in die Mitgliedschaft <strong>der</strong> Aktionäre eingreifen 72 . Die Verletzung <strong>der</strong> für die<br />

Inhaltskontrolle entwickelten Grundsätze führt zur Anfechtbarkeit des dagegen verstoßenden<br />

Beschlusses gemäß § 243 Abs. 1 AktG 73 . So muß ein Bezugsrechtsausschluß, um kontrollfest<br />

zu sein, <strong>im</strong> Interesse <strong>der</strong> Gesellschaft liegen; er muß geeignet sein, den angestrebten Zweck<br />

zu erreichen; und er muß sowohl erfor<strong>der</strong>lich als auch verhältnismäßig sein. Diese strengen<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen werden mit <strong>der</strong> weitreichenden Bedeutung eines Bezugsrechtsausschlusses<br />

für den Aktionär begründet. Der Bezugsrechtsausschluß führt dazu, daß <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong><br />

Aktionäre am Gesellschaftsvermögen relativ absinkt. Zugleich verschieben sich die<br />

St<strong>im</strong>mrechtsquoten, und zwar entwe<strong>der</strong> zu Lasten aller Aktionäre, wenn nur Außenstehende<br />

bezugsberechtigt sind, o<strong>der</strong> bereits <strong>im</strong> Verhältnis <strong>der</strong> Aktionäre untereinan<strong>der</strong>, wenn sich das<br />

Bezugsrecht auf einen o<strong>der</strong> einen Teil <strong>der</strong> Aktionäre beschränkt. Das kann sich je nach den<br />

Umständen als Verlust einer Sperrminorität o<strong>der</strong> sogar von Min<strong>der</strong>heitsrechten, die einen<br />

Mindestanteilsbesitz voraussetzen, auswirken. Diese Auswirkungen lassen sich jedenfalls in<br />

<strong>der</strong> nicht börsennotierten Gesellschaft nicht durch einen Zukauf von Aktien zu Marktpreisen<br />

an einem liquiden Sekundärmarkt ausgleichen. Ferner kann die Gesellschaft bei Zuteilung<br />

<strong>der</strong> neuen Aktien an einen Großaktionär von diesem abhängig werden o<strong>der</strong> eine schon<br />

bestehende Abhängigkeit sich noch verstärken; hieraus mögen sich dann weitere Nachteile<br />

für die außenstehenden Aktionäre ergeben.<br />

Mit dem Bezugsrechtsausschluß ist die Thesaurierung von Bilanzgewinn aber nicht zu<br />

vergleichen. Allerdings ist bereits oben hervorgehoben worden, daß nicht nur ein<br />

Bezugsrechtsausschluß, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> Gewinnverwendungsbeschluß <strong>im</strong> Interesse <strong>der</strong><br />

Gesellschaft liegen muß, indem er dazu dient, <strong>im</strong> Rahmen des Unternehmensgegenstands den<br />

Gesellschaftszweck zu för<strong>der</strong>n. Dagegen scheidet eine weitergehende richterliche<br />

Inhaltskontrolle, eine allgemeine 74 Prüfung darauf, ob die vorgenommene Thesaurierung in<br />

ihrem konkreten Umfang erfor<strong>der</strong>lich und verhältnismäßig war, aus mehreren Gründen aus.<br />

Eine Prüfung, ob eine Rücklagenbildung in dem beschlossenen Umfang „erfor<strong>der</strong>lich“ war,<br />

würde die Zulässigkeit von Rücklagen über den durch die §§ 58 Abs. 3, 254 Abs. 1 AktG<br />

vorgezeichneten Rahmen hinaus auf die Bildung solcher Rücklagen beschränken, die ein<br />

bereits konkret zu benennendes Vorhaben, etwa die Finanzierung einer best<strong>im</strong>mten<br />

Investition, am besten zu för<strong>der</strong>n vermögen. Denn die zur Inhaltskontrolle gehörende<br />

70 Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Blick auf die berühmte Entscheidung Dodge v. Ford Motor Co., 204<br />

Michigan 459, 170 N.W. 668; dazu Clark, Corporate Law, 1986, S. 602 ff; aus <strong>der</strong> deutschen Literatur Huber, in:<br />

Albach/Sadowski (Hrsg.), Die Bedeutung gesellschaftlicher Verän<strong>der</strong>ungen für die Willensbildung <strong>im</strong> Unternehmen,<br />

1976, S. 139 ff. In diesem Fall hatte Henry Ford als Mehrheitsgesellschafter und Präsident <strong>der</strong> beklagten Ford Motor<br />

Co. in <strong>der</strong>en Geschäftsbericht erklärt, die Gesellschaft werde in Zukunft nur mehr eine feste Dividende von 5% pro<br />

Monat auf das Grundkapital ausschütten. Die übrigen Gewinne sollten <strong>im</strong> Unternehmen stehen bleiben, um drei<br />

Zwecken zu dienen: erstens <strong>der</strong> weiteren Expansion des Unternehmens, insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Schaffung weiterer<br />

Arbeitsplätze; zweitens <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Leistungen an die Arbeitnehmer; drittens <strong>der</strong> Herabsetzung <strong>der</strong><br />

Autopreise. Eine solche auch auf künftige Gewinnverwendungsbeschlüsse gerichtete Entscheidung des<br />

Mehrheitsaktionärs mag sich in <strong>der</strong> Tat als Versuch darstellen, sich über den Zweck <strong>der</strong> bloßen Gewinnerzielung<br />

hinwegzusetzen. Um wirksam zu sein, bedürfte eine Zweckän<strong>der</strong>ung nach deutschem Recht <strong>der</strong> Zust<strong>im</strong>mung auch<br />

<strong>der</strong> Mitgesellschafter. Dies besagt aber nichts dafür, daß auch ein konkreter Gewinnverwendungsbeschluß, <strong>der</strong> in<br />

diesem Zusammenhang gefaßt wurde und sich in die Ausschüttungspolitik des Mehrheitsaktionärs einfügte, mit dem<br />

Gesellschaftszweck unvereinbar und wegen Satzungsverstoßes anfechtbar wäre; überzeugend Huber a.a.O. S. 141.<br />

71 BGHZ 71, 40 ff.<br />

72 Einzelheiten mit Nachweisen dazu bei K. Schmidt, a.a.O. (Fn. 52), § 243 Rdz. 45 ff.<br />

73 BGHZ 71, 40, 43, 49.<br />

74 Zur eingeschränkten Inhaltskontrolle gemäß § 254 Abs. 1 AktG s. sogleich <strong>im</strong> Text.<br />

20


Erfor<strong>der</strong>lichkeitsprüfung setzt ein konkretes Vorhaben o<strong>der</strong> Zwischenziel voraus, das erreicht<br />

werden soll. So ist zum Beispiel <strong>im</strong> Fall eines Bezugsrechtsausschlusses zu fragen, ob dieser<br />

<strong>im</strong> Hinblick auf den Erwerb einer best<strong>im</strong>mten Sacheinlage „erfor<strong>der</strong>lich“, dieses Vorhaben<br />

also nicht auf an<strong>der</strong>em Wege besser zu verwirklichen ist. Verzichtet man dagegen auf die<br />

enge Vorgabe eines konkreten Vorhabens o<strong>der</strong> Zwischenziels, das mit einer<br />

Rücklagenbildung erreicht werden soll, und läßt die Bildung von Rücklagen auch zu<br />

allgemeineren Zwecken wie <strong>der</strong> Unternehmenswertsteigerung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> „Sicherung <strong>der</strong><br />

Lebens- und Wi<strong>der</strong>standsfähigkeit <strong>der</strong> Gesellschaft“ zu, wie dies § 254 Abs. 1 AktG<br />

formuliert, dann verliert eine Erfor<strong>der</strong>lichkeitsprüfung ihren konkreten Bezug und ihre<br />

Stringenz. Damit zeigt sich bereits ein wesentlicher Unterschied zwischen dem<br />

Bezugsrechtsausschluß für ein konkretes Vorhaben und <strong>der</strong> Rücklagenbildung zu solchen<br />

allgemeinen Zwecken in aller Deutlichkeit.<br />

Ein weiterer Unterschied bei<strong>der</strong> Fälle besteht darin, daß <strong>der</strong> Bezugsrechtsausschluß als<br />

Eingriff in das Bezugsrecht sofort und definitiv wirkt, so daß bezogen auf diesen Zeitpunkt<br />

des Eingriffs gefragt werden kann, ob eine Entscheidungsalternative bestanden hat, und ob<br />

<strong>der</strong> Eingriff in die Rechte <strong>der</strong> Aktionäre trotz seiner Schwere in Anbetracht <strong>der</strong> damit konkret<br />

bezweckten Maßnahme hinzunehmen ist. Bei <strong>der</strong> Rücklagenbildung wird dagegen jedenfalls<br />

zunächst, <strong>im</strong> Zeitpunkt <strong>der</strong> Beschlußfassung, die vermögensmäßige Zuweisung des<br />

Bilanzgewinns an die Aktionäre nicht auf Dauer aufgehoben o<strong>der</strong> eingeschränkt, son<strong>der</strong>n<br />

bleibt vorerst <strong>im</strong> Grundsatz erhalten. Die Rücklagenbildung begründet nur die Gefahr, daß<br />

<strong>der</strong> zurückgestellte Bilanzgewinn sich <strong>im</strong> Unternehmen nicht etwa angemessen verzinst und<br />

später vermehrt um diese Verzinsung doch noch ausgeschüttet, son<strong>der</strong>n <strong>im</strong> Gegenteil zur<br />

Deckung später eintreten<strong>der</strong> Verluste aufgebraucht wird und deshalb nicht mehr an die<br />

Aktionäre ausgeschüttet werden kann.<br />

Auch nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers kommt eine umfassende<br />

Inhaltskontrolle des Beschlusses <strong>der</strong> Hauptversammlung, <strong>der</strong> den Bilanzgewinn ganz o<strong>der</strong><br />

teilweise in Gewinnrücklagen einstellt, nicht in Betracht, da <strong>der</strong> Gesetzgeber selbst insoweit<br />

bereits eine normative Abwägung zwischen den verschiedenen Interessen einzelner<br />

Aktionäre o<strong>der</strong> Aktionärsgruppen an Ausschüttung einerseits und an Rücklagenbildung<br />

an<strong>der</strong>erseits vorgenommen hat 75 . Diese normative Interessenabwägung ergibt sich aus dem<br />

Zusammenspiel von § 58 Abs. 3 und § 254 Abs. 1 AktG. Auf <strong>der</strong> einen Seite überläßt es <strong>der</strong><br />

Gesetzgeber in § 58 Abs. 3 AktG uneingeschränkt <strong>der</strong> nach dem Mehrheitsprinzip<br />

abst<strong>im</strong>menden Hauptversammlung, den Bilanzgewinn ganz o<strong>der</strong> teilweise in<br />

Gewinnrücklagen einzustellen o<strong>der</strong> als Gewinn vorzutragen (§ 58 Abs. 3 S. 1 AktG). Auf <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en Seite kann ein solcher Beschluß gemäß § 254 Abs. 1 AktG von Aktionären, die über<br />

den hierfür erfor<strong>der</strong>lichen Aktienbesitz verfügen (5% des Grundkapitals o<strong>der</strong> anteiliger<br />

Betrag von 500 000 Euro; vgl. § 254 Abs. 2 S. 3 AktG), angefochten werden, „wenn die<br />

Hauptversammlung aus dem Bilanzgewinn Beträge in Gewinnrücklagen einstellt o<strong>der</strong> als<br />

Gewinn vorträgt, die nicht nach Gesetz o<strong>der</strong> Satzung von <strong>der</strong> Verteilung unter die Aktionäre<br />

ausgeschlossen sind, obwohl die Einstellung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gewinnvortrag bei vernünftiger<br />

kaufmännischer Beurteilung nicht notwendig ist, um die Lebens- und Wi<strong>der</strong>standsfähigkeit<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft für einen hinsichtlich <strong>der</strong> wirtschaftlichen und finanziellen Notwendigkeiten<br />

übersehbaren Zeitraum zu sichern und dadurch unter die Aktionäre kein Gewinn in Höhe von<br />

mindestens vier vom Hun<strong>der</strong>t des Grundkapitals abzüglich von noch nicht eingefor<strong>der</strong>ten<br />

Einlagen verteilt werden kann.“ Die kompliziert formulierte Vorschrift will den<br />

überst<strong>im</strong>mten Aktionären eine Mindestdividende von 4% des Grundkapitals zukommen<br />

lassen, es sei denn, daß die Rücklage des Bilanzgewinns notwendig ist, um die Lebens- und<br />

Wi<strong>der</strong>standsfähigkeit <strong>der</strong> Gesellschaft für einen übersehbaren Zeitraum zu sichern. Diese<br />

Best<strong>im</strong>mung stellt zwei Dinge klar: Erstens, daß eine allgemeine Inhaltskontrolle jedes<br />

75 Allgemein zum Ausschluß <strong>der</strong> Inhaltskontrolle bei Vorhandensein solcher normativer Interessenbewertungen<br />

Hüffer, a.a.O. (Fn. 13), § 243 Rdz. 26 ff m. Nachweisen.<br />

21


Thesaurierungsbeschlusses in dem oben beschriebenen Sinne ungeachtet dessen, ob dieser<br />

Beschluß die Ausschüttung einer Dividende vorsieht o<strong>der</strong> nicht, ausscheidet; zweitens, daß<br />

auch die beson<strong>der</strong>e Inhaltskontrolle eines Thesaurierungsbeschlusses, <strong>der</strong>en spezielle<br />

Voraussetzungen § 254 Abs. 1 AktG benennt, nur in Betracht kommt, wenn nicht einmal die<br />

dort genannte Mindestdividende ausgeschüttet wird. Wird dagegen beschlossen, diese<br />

min<strong>im</strong>ale 76 Dividende auszuschütten, dann scheiden eine Anfechtung des<br />

Hauptversammlungsbeschlusses wegen übermäßiger, sachlich nicht notwendiger<br />

Thesaurierung und eine darauf abzielende Inhaltskontrolle aus. Die Formulierung, daß die<br />

„Rücklage des Bilanzgewinns notwendig ist, um die Lebens- und Wi<strong>der</strong>standsfähigkeit <strong>der</strong><br />

Gesellschaft für einen übersehbaren Zeitraum zu sichern“, will also nicht etwa eine von je<strong>der</strong><br />

Rücklagenbildung zu erfüllende allgemeine Voraussetzung aufstellen. Nicht jede darüber<br />

hinausgehende Rücklagenbildung, die diesen engen Voraussetzungen nicht genügt, ist bereits<br />

deshalb wegen Übermaßes o<strong>der</strong> wegen „Aushungerns“ <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>heit anfechtbar. Vielmehr<br />

soll sich „<strong>der</strong> Großaktionär…durch Ausschüttung <strong>der</strong> Mindestdividende freie Hand für seine<br />

Rücklagenpolitik verschaffen“ können 77 . Das bedeutet allerdings nicht, wie noch zu zeigen<br />

sein wird, daß <strong>der</strong> Thesaurierungsbeschluß nicht aus an<strong>der</strong>en Gründen treupflichtwidrig und<br />

damit anfechtbar sein kann. - Es ist hier nicht <strong>der</strong> Ort, die Auslegungsfragen, die an die<br />

offenbar wenig bedeutsame 78 Vorschrift des § 254 Abs. 1 AktG anknüpfen, zu erörtern.<br />

Angefügt sei nur mehr, daß dieses Anfechtungsrecht <strong>der</strong> überst<strong>im</strong>mten Min<strong>der</strong>heit wegen<br />

„Aushungerns“ nach herrschen<strong>der</strong> Auffassung in <strong>der</strong> Literatur ohne weiteres dadurch<br />

ausgehebelt werden kann, daß die Satzung <strong>der</strong> Gesellschaft die Hauptversammlung<br />

ermächtigen und sogar verpflichten könne, den gesamten Bilanzgewinn uneingeschränkt zur<br />

Rücklagenbildung zu verwenden, obwohl § 58 Abs. 3 S. 1 AktG <strong>im</strong> Gegensatz zu § 58 Abs.<br />

3 S. 2 AktG eine abweichende o<strong>der</strong> ergänzende Satzungsbest<strong>im</strong>mung (vgl. § 23 Abs. 5<br />

AktG) nicht vorsieht 79 . Rechtspolitisch dürfte sich empfehlen, <strong>der</strong> Berechnung <strong>der</strong><br />

Mindestdividende des § 254 Abs. 1 AktG nicht allein die Grundkapitalziffer zugrunde zu<br />

legen, son<strong>der</strong>n dabei nach dem Vorbild <strong>der</strong> §§ 120 Abs. 2, 121 Abs. 1 HGB auch die<br />

gebildeten Rücklagen als Berechnungsgrundlage einzubeziehen 80 .<br />

(cc) Neben die Inhaltskontrolle von Hauptversammlungsbeschlüssen, die auf best<strong>im</strong>mte<br />

Beschlüsse beschränkt ist und gegenüber Gewinnverwendungsbeschlüssen nur, wie gezeigt,<br />

in dem beschränkten Umfang des § 254 Abs. 1 AktG eingreift, tritt die Anfechtung wegen<br />

Verletzung <strong>der</strong> „Treuepflicht“ 81 . Sie kommt auch gegenüber Gewinnverwendungsbeschlüssen<br />

in Betracht. Allerdings kann ein zur Anfechtung gemäß § 243 Abs. 1 AktG<br />

berechtigen<strong>der</strong> Treuepflichtverstoß nicht schon darin gefunden werden, daß trotz Vorliegens<br />

76 Das sei an folgendem beliebig herausgegriffenen Börsenwert illustriert (Angaben per 31. 12. 2006). Bei <strong>der</strong><br />

Adidas AG, einem DAX-Wert, beträgt die Mindestdividende gemäß § 254 Abs. 1 AktG 0,04 € pro Aktie. Bezogen<br />

auf einen (angenommenen) durchschnittlichen Kurswert von € 37 ergibt das eine Dividendenrendite von 0, 11% (die<br />

historische Dividendenrendite des DAX liegt bei 1,8%, die aktuelle Dividendenrendite des DAX bei 2, 7%; Angaben<br />

nach Peemöller/Beckmann/Meitner, BB 2005, S. 90, 94 Fn. 52 sowie „EURO am Sonntag“, Heft 8/2007, vom 25. 2.<br />

2007 S. 19). Bei Vollausschüttung des Bilanzgewinns <strong>der</strong> Adidas AG ergäbe sich eine Dividende von 0,42 € pro<br />

Aktie, das entspricht einer Dividendenrendite (bei dem angenommenen Durchschnittskurs von € 37) von 1, 13%.<br />

77 So die Begründung zum Regierungsentwurf des AktG; vgl. Kropff, a.a.O. (Fn. 41), S. 340.<br />

78 Gerichtsentscheidungen hierzu werden in <strong>der</strong> Kommentarliteratur außer BGHZ 84, 303 nicht genannt. Allerdings<br />

schließt das nicht aus, daß die Vorschrift präventiv wirkt und zu entsprechenden Mindestdividenden anhält.<br />

79 S. nur K. Schmidt, a.a.O. (Fn. 52), § 254 Rdz. 9 m. weiteren Nachweisen.<br />

80 So überzeugend bereits Huber, a.a.O. (Fn. 70), S. 140. – Im Fall <strong>der</strong> Adidas AG (vgl. Fn. 76) betrug per 31. 12.<br />

2007 allein die Gewinnrücklage mehr als das 10fache des Grundkapitals (Gewinnrücklage 2,2 Mrd. €, Grundkapital<br />

204 Mio €). Im Fall Dodge v. Ford Motor Inc. (oben Fn. 70) betrug die jährlich gezahlte Dividende 60% des<br />

Grundkapitals, aber nur 1% des Eigenkapitals; vgl. 204 Mich. 459, 470, 170 N.W. 668, 672.<br />

81 Grundlegend für das Aktienrecht BGHZ 103, 184, 193, wo die Verletzung <strong>der</strong> Treuepflicht noch als<br />

Anfechtungsgrund „entsprechend § 243 Abs. 2 AktG“ behandelt wird. In BGH WM 1999, 1767, 1768 wird dagegen<br />

die Verletzung <strong>der</strong> Treuepflicht als Anfechtungsgrund gemäß § 243 Abs. 1 AktG angeführt. Einzelheiten zu diesem<br />

Anfechtungsgrund, auch zum Verhältnis zur Inhaltskontrolle (oben bb), bei K. Schmidt, a.a.O. (Fn. 52), § 243 Rdz.<br />

48 ff m. Nachweisen.<br />

22


<strong>der</strong> Voraussetzungen des § 254 Abs. 1 AktG keine Mindestdividende beschlossen worden ist,<br />

weil sonst je<strong>der</strong> Aktionär (vgl. § 245 AktG) die Anfechtungsklage erheben und so die<br />

qualifizierten Voraussetzungen <strong>der</strong> Anfechtungsbefugnis gemäß § 254 Abs. 2 S. 3 AktG<br />

unterlaufen könnte. Ein zur Anfechtung gemäß § 243 Abs. 1 AktG berechtigen<strong>der</strong><br />

Treupflichtverstoß liegt auch nicht per se darin, daß zur Stärkung <strong>der</strong> Lebens- und<br />

Wi<strong>der</strong>standsfähigkeit <strong>der</strong> Gesellschaft nicht notwendige Rücklagen aus dem Bilanzgewinn<br />

gebildet werden; § 254 AktG ist auch insoweit, was die Bildung nicht notwendiger<br />

Rücklagen betrifft, die durchaus in <strong>der</strong> nicht börsennotierten Gesellschaft die Gefahr des<br />

Aushungerns <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>heit mit sich bringen kann, als lex specialis anzusehen. Um einen<br />

Treuepflichtverstoß und damit eine Anfechtbarkeit gemäß § 243 Abs. 1 AktG zu begründen,<br />

müssen vielmehr weitere, zusätzliche Umstände hinzutreten, die es rechtfertigen, jedem<br />

davon betroffenen Aktionär das Recht zu geben, die Entscheidung <strong>der</strong> Mehrheit anzufechten,<br />

ohne daß dadurch die vom Gesetzgeber in §§ 58 Abs. 3, 254 AktG getroffene<br />

Interessenbewertung in Frage gestellt würde. Das wird insbeson<strong>der</strong>e dann <strong>der</strong> Fall sein, wenn<br />

<strong>der</strong> Gewinnverwendungsbeschluß sich über die Rücklagenbildung hinaus als willkürliche<br />

Benachteiligung <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>heit darstellt, wenn die Interessen <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>heit über die<br />

Rücklagenbildung hinaus in unangemessener Weise zurückgesetzt werden, o<strong>der</strong> wenn <strong>der</strong><br />

Großaktionär sich Son<strong>der</strong>vorteile zum Nachteil <strong>der</strong> Gesellschaft o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>heit zu<br />

verschaffen versucht 82 . Insbeson<strong>der</strong>e die Rechtsprechung und Literatur zum GmbH-Recht<br />

liefern eindrucksvolle Beispiele für solche Treuepflichtverstöße, die über eine bloß<br />

„übermäßige“, nicht notwendige Rücklagenbildung hinausgehen, etwa weil sie darauf<br />

abzielen, den Wert <strong>der</strong> Beteiligungen <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>heit zu senken, um ein bestehendes<br />

Ankaufsrecht günstig ausüben zu können, o<strong>der</strong> weil die Rücklagenbildung sich steuerlich<br />

ausschließlich zugunsten <strong>der</strong> Mehrheit, aber zum Nachteil <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>heit auswirkt, o<strong>der</strong> weil<br />

die gebildeten Rücklagen <strong>im</strong> Interesse des Mehrheitsgesellschafters verwendet werden<br />

sollen, dies aber nicht <strong>im</strong> Interesse <strong>der</strong> Gesellschaft liegt 83 , u.a.m. Nicht selten wird die<br />

übermäßige Rücklagenbildung als Instrument des Hinausdrängens <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>heit eingesetzt<br />

o<strong>der</strong> geht sie mit verdeckten Vermögenszahlungen an die Mehrheit in Form marktunüblicher<br />

Vergütungen einher 84 . Umgekehrt mag auch ein Ausschüttungsbeschluß, den das<br />

herrschende Unternehmen ohne Rücksicht auf die Finanzierungsbedürfnisse <strong>der</strong> abhängigen<br />

Gesellschaft <strong>im</strong> eigenen Interesse durchsetzt, die Anfechtbarkeit dieses Beschlusses wegen<br />

Treupflichtverletzung begründen und eine Haftung des herrschenden Unternehmens<br />

auslösen 85 . Denkbar ist auch eine Anfechtung gemäß § 243 Abs. 2 AktG wegen Strebens<br />

nach Son<strong>der</strong>vorteilen, die neben die Anfechtung gemäß § 243 Abs. 1 AktG treten kann 86 .<br />

(b) Zusammenfassend läßt sich festhalten: Die Hauptversammlung ist bei ihrer<br />

Entscheidung über Rücklagenbildung o<strong>der</strong> Ausschüttung an den Gesellschaftszweck<br />

gebunden. Bei <strong>der</strong> Frage, ob eine Thesaurierungsentscheidung mit dem Gesellschaftszweck<br />

vereinbar ist, steht <strong>der</strong> Hauptversammlung ein breiter Beurteilungsspielraum zu. Eine<br />

Anfechtung des Gewinnverwendungsbeschlusses wegen Unvereinbarkeit mit dem<br />

Gesellschaftszweck dürfte daher praktisch nicht in Betracht kommen. Auch eine allgemeine<br />

Inhaltskontrolle des Gewinnverwendungsbeschlusses <strong>im</strong> Sinne <strong>der</strong> Kali & Salz -<br />

Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes scheidet aus. Es findet auf Anfechtungsklage <strong>der</strong><br />

hierzu berechtigten Min<strong>der</strong>heit gemäß § 254 AktG hin nur eine eingeschränkte<br />

82 Vgl. auch Hüffer, in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Auflage, Bd. 7, 2001, § 243 Rdz. 66.<br />

83<br />

Vgl. BGH WM 1966, 1132, 1134; vgl. auch die bei Marsch S. 2 ff berichteten Beispiele aus <strong>der</strong><br />

Unternehmenspraxis (Marsch, Die rechtliche Problematik <strong>der</strong> Verwendung von Jahresüberschüssen deutscher<br />

Aktiengesellschaften unter beson<strong>der</strong>er Berücksichtigung <strong>der</strong> Kleinaktionärsinteressen, jur. Diss. Göttingen 1974).<br />

84 S. dazu die Kommentare zu § 29 GmbHG.<br />

85 S. dazu aus <strong>der</strong> US-amerikanischen Judikatur den Fall Sinclair Oil Corp. v. Levien, 280 A. 2d 717 (Delaware<br />

1971).<br />

86 Dazu Hüffer, a.a.O. (Fn. 82), Rdz. 66, 73.<br />

23


Inhaltskontrolle unter den dort angegebenen Voraussetzungen statt. Davon werden aber<br />

übermäßige, nicht <strong>im</strong> engeren Sinn notwendige Rücklagenbildungen nicht erfaßt, solange nur<br />

die Min<strong>im</strong>aldividende des § 254 Abs. 1 AktG ausgezahlt wird. Das erscheint <strong>im</strong> Hinblick auf<br />

die Schwierigkeit <strong>der</strong> Abgrenzung <strong>im</strong> Sinne des § 254 Abs. 1 AktG „notwendiger“ von<br />

„nicht notwendigen“ o<strong>der</strong> übermäßigen Rücklagen auch als gerechtfertigt. Rechtspolitische<br />

Kritik ist dagegen daran zu üben, daß Berechnungsgrundlage für die Min<strong>im</strong>aldividende nur<br />

die Summe <strong>der</strong> eingezahlten Einlagen ist, während die inzwischen gebildeten Rücklagen<br />

nicht verzinst werden sollen. – Die eingeschränkte Inhaltskontrolle gemäß § 254 Abs. 1<br />

AktG schließt nicht die Kontrolle des Gewinnverwendungsbeschlusses unter dem<br />

Gesichtspunkt <strong>der</strong> Treuepflichtverletzung aus. Eine solche Treuepflichtverletzung liegt aber<br />

nicht bereits bei einer übermäßigen, sachlich nicht notwendigen Rücklagenbildung vor.<br />

Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Entscheidung <strong>der</strong> Mehrheit darüber<br />

hinausgehend als pflichtwidrige Durchsetzung <strong>der</strong> Interessen <strong>der</strong> Mehrheit gegenüber <strong>der</strong><br />

Gesellschaft o<strong>der</strong> <strong>der</strong> überst<strong>im</strong>mten Min<strong>der</strong>heit erscheinen lassen.<br />

Der wichtigste Rechtsbehelf <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>heit gegen die Entscheidung <strong>der</strong> Hauptversammlung<br />

gemäß § 58 Abs. 3 S. 1 AktG ist demnach die Anfechtungsklage. Außerdem kommt eine<br />

Schadensersatzhaftung des Mehrheitsaktionärs gemäß §§ 117 AktG, 826 BGB gegenüber <strong>der</strong><br />

Min<strong>der</strong>heit in Betracht, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschriften erfüllt sind. Daneben<br />

tritt nach <strong>der</strong> Rechtsprechung die Haftung wegen vorsätzlicher Treupflichtverletzung 87 .<br />

IV.<br />

Innenfinanzierung durch stille Reserven<br />

Neben die Bildung und den Ausweis offener (Gewinn-)Rücklagen tritt als zweites<br />

wesentliches Instrument <strong>der</strong> Innenfinanzierung die Bildung stiller Rücklagen o<strong>der</strong> Reserven.<br />

Hier werden üblicherweise drei Gruppen unterschieden: Die gesetzlichen (Zwangs-)Reserven<br />

(dazu unter 1.); die Schätzungs- und Ermessensreserven (unten 2.); und die Willkürreserven<br />

(unten 3.).<br />

1. Gesetzliche „Zwangsreserven“<br />

Zwangsreserven entstehen infolge <strong>der</strong> Anwendung zwingen<strong>der</strong> gesetzlicher Ansatz – und<br />

Bewertungsvorschriften. So darf die Wertsteigerung eines Vermögensgegenstands über die<br />

Anschaffungs- o<strong>der</strong> Herstellungskosten hinaus bilanziell nicht nachvollzogen, d. h. <strong>der</strong><br />

Vermögensgegenstand darf höchstens zu den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten<br />

bewertet werden (§§ 253 Abs. 1 S. 1, 255, 280 Abs. 1 S. 1 HGB). Auf die Bildung stiller<br />

Reserven durch vorzeitige und nachträgliche Mittelbindung infolge <strong>der</strong> gesetzlichen<br />

Verpflichtung zu Rückstellungen und Abschreibungen und die Gründe hierfür wurde bereits<br />

hingewiesen 88 . Während die Pflichten zur Bildung von Rückstellungen und zur Vornahme<br />

von Abschreibungen dem Ziel <strong>der</strong> periodenrichtigen Ermittlung des „Zwischengewinns“ und<br />

damit <strong>der</strong> periodenrichtigen Abgrenzung dessen dienen, was den Eigen- und was den<br />

Fremdkapitalgebern zusteht, verfehlt die Bilanzierung eines Vermögensgegenstands<br />

höchstens zu dessen Anschaffungs- o<strong>der</strong> Herstellungskosten dieses Ziel <strong>der</strong><br />

periodenrichtigen Gewinnermittlung, wenn sich in <strong>der</strong> abzuschließenden Periode<br />

Wertsteigerungen ergeben haben 89 . Gleichwohl dient auch das Gebot <strong>der</strong> Bilanzierung<br />

höchstens zu Anschaffungs- o<strong>der</strong> Herstellungskosten, wie die Verpflichtung zu<br />

Rückstellungen und Abschreibungen, dem Gläubigerschutz. Es handelt sich um eine<br />

87 Grundlegend BGHZ 129, 136, 158 ff; aus <strong>der</strong> Literatur dazu etwa K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, a.a.O. (Fn. 63),<br />

S. 591 f m. Nachweisen.<br />

88 Oben II. 1.<br />

89 S. auch Wöhe, a.a.O. (Fn. 2), S. 605.<br />

24


gesetzliche Ausprägung des in § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB verankerten allgemeinen<br />

„Vorsichtsprinzips“. Ergänzt wird das Gebot <strong>der</strong> Bilanzierung höchstens zu Anschaffungso<strong>der</strong><br />

Herstellungskosten durch den Realisationsgrundsatz, wonach Gewinne nur<br />

berücksichtigt werden dürfen, wenn sie am Abschlußstichtag realisiert sind (§ 252 Abs. 1 Nr.<br />

4, 2. Halbsatz HGB) 90 .<br />

Die angeführten Vorschriften hat <strong>der</strong> Vorstand bei <strong>der</strong> Aufstellung des Jahresabschlusses zu<br />

beachten, und die dadurch gebildeten stillen Reserven sind von den Anteilseignern<br />

hinzunehmen. We<strong>der</strong> <strong>der</strong> Aufsichtsrat in seinem Feststellungsbeschluß (vgl. § 172 AktG)<br />

noch die Hauptversammlung, wenn diese den Jahresabschluß feststellt, können hiervon<br />

abweichen (vgl. § 173 Abs. 2 S. 1 AktG). Wenn die durch eine Bilanzierung zu<br />

Anschaffungs- o<strong>der</strong> Herstellungskosten gebildeten stillen Reserven „gehoben“ werden<br />

sollen, kann dies nicht durch bloße Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Bilanzierung, son<strong>der</strong>n nur durch eine<br />

materielle Verän<strong>der</strong>ung („sachverhaltsgestaltende Maßnahme“ 91 ) hinsichtlich des<br />

bilanzierten Vermögensgegenstands selbst erfolgen. Zum Beispiel mag <strong>der</strong> Vorstand <strong>der</strong><br />

Gesellschaft durch Druck seitens <strong>der</strong> Anteilseigner dazu veranlaßt werden, nicht mehr<br />

benötigte Vermögensgegenstände zu veräußern o<strong>der</strong> einen betriebsnotwendigen Gegenstand<br />

des Anlagevermögens zu verkaufen und zurück zu leasen („Sale and lease back“), um die<br />

stillen Reserven aktivieren zu können und gegebenenfalls Ausschüttungen hieraus zu<br />

ermöglichen. Stille Reserven <strong>im</strong> Umlaufvermögen o<strong>der</strong> infolge von Abschreibungen lösen<br />

sich häufig auch ohne solche „sachverhaltsgestaltenden Maßnahmen“ <strong>im</strong> Zeitablauf wie<strong>der</strong><br />

auf 92 .<br />

2. Schätzungs- und Ermessensreserven<br />

Stille Reserven, die für die Innenfinanzierung zur Verfügung stehen, können sich nicht nur<br />

infolge <strong>der</strong> Anwendung zwingen<strong>der</strong>, hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs und ihrer<br />

Rechtsfolgen eindeutiger Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften ergeben. Vielmehr<br />

enthalten die Ansatz- und Bewertungsvorschriften des Handelsbilanzrechts für die hier<br />

interessierende Einzelbilanz <strong>der</strong> Aktiengesellschaften (§§ 246 ff, 252 ff, 266 ff, 279 ff HGB)<br />

vielfach unbest<strong>im</strong>mte Rechtsbegriffe, bei <strong>der</strong>en Anwendung sich Spielräume ergeben, sowie<br />

Normen, die dem Bilanzersteller eine Einschätzungsprärogative einräumen. In dem Maße, in<br />

dem sich eine ex ante vertretbare Einschätzung des Bilanzerstellers ex post als unrichtig<br />

erweist, und dieser Schätzungsfehler zu einer zu niedrigen Bewertung von Aktiva o<strong>der</strong> zu<br />

einer zu hohen Bewertung von Verbindlichkeiten o<strong>der</strong> zu einem unberechtigten Ansatz von<br />

Rückstellungen geführt hat, ergeben sich stille „Schätzungsreserven“ (dazu unten (a). Neben<br />

die unbest<strong>im</strong>mten Rechtsbegriffe mit Anwendungs- o<strong>der</strong> Bewertungsspielraum treten Ansatz<br />

– und Bewertungsvorschriften, die dem Bilanzersteller geplant Handlungsalternativen bieten<br />

und ihm Wahlrechte einräumen, die er <strong>im</strong> Sinne <strong>der</strong> von ihm verfolgten Bilanzpolitik<br />

ausnutzen kann. Sie führen gegebenenfalls zu „Ermessensreserven“ (dazu unten (b). Im<br />

Folgenden ist den rechtlichen Voraussetzungen und Schranken einschließlich <strong>der</strong> Kontrolle<br />

<strong>der</strong> Bildung von Schätzungs- und Ermessensreserven nachzugehen.<br />

(a) Die Ansatz- und Bewertungsvorschriften des Handelsbilanzrechts enthalten vielfach<br />

unbest<strong>im</strong>mte Rechtsbegriffe, die <strong>der</strong> Bilanzersteller auslegen und anwenden muß. So sind<br />

nach <strong>der</strong> Definition des § 255 Abs. 2 HGB Herstellungskosten, zu denen<br />

Vermögensgegenstände in <strong>der</strong> Bilanz anzusetzen sind (§ 253 Abs. 1 HGB), „Aufwendungen,<br />

die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die<br />

90 Vgl. zum Verhältnis <strong>der</strong> Normen <strong>der</strong> §§ 252 Abs. 1 Nr. 4, 253 Abs. 1 S. 1 HGB zueinan<strong>der</strong> etwa Kleindiek, in:<br />

Ulmer (Hrsg.), HGB-Bilanzrecht, Großkommentar, 1. Teilband, 2002, § 252 Rdz. 25 m. Nachweisen.<br />

91 Vgl. § 321 Abs. 2 S. 4 HGB sowie Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzanalyse, 2. Auflage 2004, S. 157.<br />

92 Vgl. Wöhe, a.a.O. (Fn. 2), S. 603.<br />

25


Herstellung eines Vermögensgegenstands, seine Erweiterung o<strong>der</strong> für eine über seinen<br />

ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen.… Bei <strong>der</strong><br />

Berechnung <strong>der</strong> Herstellungskosten dürfen auch angemessene Teile <strong>der</strong> notwendigen<br />

Materialgemeinkosten, <strong>der</strong> notwendigen Fertigungsgemeinkosten und des Wertverzehrs des<br />

Anlagevermögens…eingerechnet werden.“ Die korrekte Anwendung dieser Norm durch den<br />

Bilanzersteller setzt zum einen voraus, daß er sich, falls erfor<strong>der</strong>lich, durch einen Blick in die<br />

Fachliteratur darüber informiert, wie diese unbest<strong>im</strong>mten Rechtsbegriffe zu verstehen sind,<br />

und zum an<strong>der</strong>en prüft, ob <strong>der</strong> von ihm zu beurteilende Sachverhalt den Tatbestand dieser<br />

Norm einschließlich ihrer unbest<strong>im</strong>mten Rechtsbegriffe erfüllt. Im vorliegenden<br />

Zusammenhang ist nicht dieser bei je<strong>der</strong> Normanwendung stattfindende Vorgang von<br />

Interesse, son<strong>der</strong>n die Frage, ob unbest<strong>im</strong>mte Rechtsbegriffe kontrollfreie<br />

Gestaltungsspielräume zur Anlegung stiller Reserven eröffnen. Das ist <strong>im</strong> Grundsatz, was die<br />

Auslegung solcher „einfacher“ unbest<strong>im</strong>mter Rechtsbegriffe betrifft, die dem Bilanzersteller<br />

keine Einschätzungsprärogative einräumen, nicht <strong>der</strong> Fall. Vielmehr hat <strong>der</strong> Abschlußprüfer<br />

zu prüfen, ob <strong>der</strong> Jahresabschluß den gesetzlichen Vorschriften entspricht (§ 317 Abs. 1 S. 2<br />

HGB; vgl. auch § 321 Abs. 2 S. 1 HGB). Das umfaßt die Prüfung, ob <strong>der</strong> Bilanzersteller von<br />

einem korrekten Normverständnis ausgegangen ist. Auch <strong>der</strong> Aufsichtsrat kann und muß<br />

erfor<strong>der</strong>lichenfalls seine Prüfung hierauf erstrecken (§ 171 Abs. 1 S. 1 AktG) 93 ; und die<br />

Gerichte prüfen die richtige Auslegung dieser „einfachen“ unbest<strong>im</strong>mten Rechtsbegriffe in<br />

den dafür vorgesehenen Verfahren (§ 256 Abs. 5 AktG; § § 331, 334 Abs. 1 Nr. 1. b) HGB)<br />

in vollem Umfang nach. Dasselbe gilt für die Prüfung des Jahresabschlusses börsennotierter<br />

Gesellschaften durch die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (vgl. § 342 b Abs. 2 S. 3<br />

Nr. 1 HGB) o<strong>der</strong> durch die BAFin (vgl. § 37o Abs. 1 S. 1 WpHG). Das schließt freilich nicht<br />

aus, daß für die Anwendung <strong>der</strong> richtig ausgelegten Norm <strong>im</strong> Einzelfall gerade wegen ihrer<br />

Unbest<strong>im</strong>mtheit doch ein Spielraum verbleibt, innerhalb dessen die Ansatz- o<strong>der</strong><br />

Bewertungsentscheidung des Bilanzerstellers nicht als gesetzwidrig bezeichnet werden kann.<br />

Im beson<strong>der</strong>en ergeben sich solche – hier freilich auch rechtlich gesicherten - Spielräume,<br />

wenn Ansatz- und Bewertungsnormen dem Bilanzersteller nach dem Sinn des Normtextes<br />

eine Einschätzungsprärogative einräumen. Eine „Einschätzungsprärogative“ steht dem<br />

Bilanzersteller vor allem dort zu, wo es um die Abschätzung künftiger Entwicklungen o<strong>der</strong><br />

Risiken geht, die eine Prognose erfor<strong>der</strong>n. Prognosen sind zukunftsgerichtet, ihrer Natur nach<br />

unvollkommen und können deshalb nur beschränkt, auf ihre „Vertretbarkeit“, nicht dagegen<br />

auf ihre „Richtigkeit“, überprüft werden. Eine Überprüfung auf ihre „Richtigkeit“ liefe auf<br />

die Ersetzung <strong>der</strong> Prognoseentscheidung durch eine an<strong>der</strong>e Entscheidung hinaus, die<br />

ihrerseits vielleicht gleichfalls vertretbar, aber nicht die allein richtige sein könnte.<br />

Prognoseentscheidungen sind zum Beispiel erfor<strong>der</strong>lich, wenn es um die Bemessung <strong>der</strong><br />

Abschreibung abnutzbarer Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (§ 253 Abs. 2 HGB) geht.<br />

Der anzulegende Abschreibungsplan „muß die Anschaffungs- o<strong>der</strong> Herstellungskosten auf<br />

die Geschäftsjahre verteilen, in denen <strong>der</strong> Vermögensgegenstand voraussichtlich genutzt<br />

werden kann“ (§ 253 Abs. 2 S. 2 HGB). Das erfor<strong>der</strong>t eine Einschätzung <strong>der</strong><br />

voraussichtlichen Nutzungsdauer des betreffenden Vermögensgegenstands <strong>im</strong> Einzelfall, die<br />

von verschiedenen technischen, verbrauchsbedingten o<strong>der</strong> wirtschaftlichen Umständen<br />

abhängen kann 94 . Der Gesetzgeber hat insoweit bewußt auf eine best<strong>im</strong>mtere Fassung o<strong>der</strong><br />

„Objektivierung“ des Begriffs <strong>der</strong> Nutzungsdauer, etwa durch pauschal angenommene<br />

Durchschnittswerte in Abschreibungstabellen 95 , verzichtet 96 . Dem Bilanzersteller ist daher<br />

93 Zur Prüfung <strong>der</strong> Rechtmäßigkeit des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat Nachweise etwa bei Hüffer, a.a.O.<br />

(Fn. 13), § 171 Rdz. 4 f.<br />

94 Einzelheiten dazu bei Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, a.a.O. (Fn. 4), S. 221 ff.<br />

95 Dazu Baetge, Möglichkeiten <strong>der</strong> Objektivierung des Jahreserfolges, 1970, S. 122 ff; Dietz, Die Normierung <strong>der</strong><br />

Abschreibung in Handels- und Steuerbilanz, 1971, S. 150 ff.<br />

26


ein erheblicher kontrollfreier „Beurteilungsspielraum“ 97 eingeräumt. In dem Maße, in dem<br />

die ex ante „vertretbare“ Prognoseentscheidung des Bilanzerstellers von <strong>der</strong> ex post<br />

„richtigen“ Einschätzung <strong>der</strong> Nutzungsdauer abweicht und die Nutzungsdauer zu kurz<br />

bemißt, entstehen unvermeidbare (stille) „Schätzungsreserven“. Ähnliche<br />

Prognoseentscheidungen mit Beurteilungsspielraum sind bei <strong>der</strong> Bildung von Rückstellungen<br />

für „ungewisse“ Verbindlichkeiten o<strong>der</strong> für „drohende“ Verluste anzustellen (§ 249 Abs. 1 S.<br />

1 HGB).<br />

Daß dem Bilanzersteller wegen <strong>der</strong> Natur dieser prognostischen Entscheidungen ein weithin<br />

kontrollfreier, rechtlich gesicherter Beurteilungsspielraum zukommt, zeigt sich in folgendem.<br />

Eine Prüfung durch den Abschlußprüfer (§ 317 Abs. 1 S. 2 HGB), ob z. B. bei <strong>der</strong> Vornahme<br />

<strong>der</strong> Abschreibungen die gesetzliche Vorschrift des § 253 Abs. 2 S. 1 HGB (Einschätzung <strong>der</strong><br />

voraussichtlichen Nutzungsdauer bei abnutzbaren Anlagegegenständen) beachtet ist, kann<br />

sich nur darauf beziehen, ob <strong>der</strong> Bilanzersteller die Gesichtspunkte, die für die Einschätzung<br />

<strong>der</strong> voraussichtlichen Nutzungsdauer von Bedeutung sein können, wie technische o<strong>der</strong><br />

gebrauchsbedingte Umstände, einschließlich des Vorsichtsprinzips (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB)<br />

und des ungeschriebenen Verbots sachfrem<strong>der</strong> Erwägungen 98 , berücksichtigt hat, und ob die<br />

Prognose des Bilanzerstellers bei Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte und Prinzipien<br />

objektiv nachvollziehbar und damit vertretbar erscheint 99 . „Prüfung“ bedeutet dagegen nicht<br />

Ersetzen <strong>der</strong> Entscheidung des Bilanzaufstellers durch eine eigene Entscheidung des<br />

Abschlußprüfers 100 . Für die Prüfung des Jahresabschlusses börsennotierter Gesellschaften auf<br />

Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften und sonstige Rechnungslegungsnormen durch die<br />

Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (vgl. § 342 b Abs. 2 S. 3 Nr. 1 HGB) o<strong>der</strong> durch<br />

die BAFin (vgl. § 37o Abs. 1 S. 1 WpHG) gilt insoweit dasselbe wie für den Abschlußprüfer.<br />

Auch <strong>der</strong> Aufsichtsrat kann den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluß nicht von sich<br />

aus än<strong>der</strong>n und die Ansatz- und Bewertungsentscheidungen des Vorstands durch seine<br />

eigenen ersetzen 101 ; auch er hat sich auf eine „Prüfung“ des Jahresabschlusses zu<br />

beschränken (§ 171 Abs. 1 S. 1 AktG). Diese Prüfung bezieht sich allerdings nicht wie die<br />

des Abschlußprüfers nur darauf, ob die einschlägigen Rechnungslegungsvorschriften<br />

beachtet worden sind, son<strong>der</strong>n sie erstreckt sich auch auf die vom Vorstand eingeschlagene<br />

„Bilanzpolitik“, also die Zweckmäßigkeit <strong>der</strong> Ausübung von Bilanzierungs- und<br />

Bewertungswahlrechten, <strong>der</strong> Ausnutzung von Ermessensspielräumen und<br />

sachverhaltsgestalten<strong>der</strong> Maßnahmen 102 einschließlich <strong>der</strong> damit verbundenen Auswirkungen<br />

auf die Innenfinanzierung des Unternehmens und den Ausweis ausschüttungsfähigen<br />

Bilanzgewinns. Die notwendigen Informationen hierüber erhält <strong>der</strong> Aufsichtsrat (bzw. sein<br />

Prüfungsausschuß) entwe<strong>der</strong> aus den Erläuterungen <strong>der</strong> Bilanz <strong>im</strong> Anhang (§ 284 HGB), den<br />

Angaben <strong>im</strong> Prüfungsbericht (§ 321 HGB) o<strong>der</strong> auf Rückfragen be<strong>im</strong> Abschlußprüfer (vgl.<br />

§ 171 Abs. 1 S. 2 AktG). Gleichwohl bleibt es dabei, daß auch <strong>der</strong> Aufsichtsrat, wenn er mit<br />

den bilanzpolitischen Entscheidungen und Maßnahmen des Vorstands nicht einverstanden<br />

ist, den Jahresabschluß nicht selbst än<strong>der</strong>n, son<strong>der</strong>n nur Än<strong>der</strong>ungen des Jahresabschlusses<br />

96 Zur Bedeutung <strong>der</strong> steuerlichen Afa-Tabellen für Steuer- und Handelsbilanz Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen,<br />

a.a.O. (Fn. 4), S. 222.<br />

97 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung <strong>der</strong> Unternehmen, 6. Auflage 1995, Vorbem. zu §§ 252 –<br />

256 HGB Rdz. 19.<br />

98 Zur Geltung des Vorsichtsprinzips in diesem Zusammenhang etwa Adler/Düring/Schmaltz, a.a.O. (Fn. 97), § 252<br />

HGB Rdz. 65 – 67, 73; zum Willkürverbot Rdz. 126.<br />

99 Vgl. dazu auch IdW-Prüfungsstandard 314 („Die Prüfung von geschätzten Werten in <strong>der</strong> Rechnungslegung“,<br />

Stand: 2. 7. 2001), sub 3. (9): „Dabei ist zu beurteilen, ob geschätzte Wer te unter den jeweiligen Umständen<br />

plausibel sind und – sofern erfor<strong>der</strong>lich – in angemessener Weise erläutert wurden.“<br />

100 Vgl. auch IdW-Prüfungsstandard 314, a.a.O. (Fn. 99), sub 4. (27., 28.); ferner IdW-Prüfungsstandard 315 („Die<br />

Prüfung von Zeitwerten“, Stand: 8. 12. 2005), sub 3. (das Treffen von Annahmen über künftige Entwicklungen ist<br />

Sache <strong>der</strong> gesetzlichen Vertreter des Unternehmens, nicht <strong>der</strong> Abschlußprüfer).<br />

101 S. nur Kropff, in Geßler u.a. (Hrsg.), Aktiengesetz, Bd. 3, 1973, § 162 Rdz. 52.<br />

102 Hüffer, a.a.O. (Fn. 13), § 171 Rdz. 6 f m. Nachweisen.<br />

27


anregen und, falls <strong>der</strong> Vorstand dies ablehnt, die Billigung des Jahresabschlusses versagen<br />

kann (§ 172 AktG), so daß dann die Feststellung des Jahresabschlusses <strong>der</strong><br />

Hauptversammlung obliegt (§ 173 AktG).<br />

Diese „Einschätzungsprärogative“, den die hier betrachteten unbest<strong>im</strong>mten Rechtsbegriffe<br />

mit Beurteilungsspielraum dem Vorstand einräumen, best<strong>im</strong>mt auch die Antwort auf die<br />

Frage, wann in solchen Fällen von einer Pflichtverletzung des Vorstands <strong>im</strong> Sinne des § 93<br />

AktG gesprochen werden kann 103 . Bei <strong>der</strong> Anwendung von Normen mit Prognosecharakter<br />

handelt es sich nicht um schlichten Gesetzesvollzug, son<strong>der</strong>n, soweit es um die Prognose<br />

selbst geht, um eine „unternehmerische“ Entscheidung <strong>im</strong> Sinne von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG.<br />

Einzelne Bewertungsvorschriften des Handelsbilanzrechts stellen sogar explizit auf die<br />

„vernünftige kaufmännische Beurteilung“ bei <strong>der</strong> Einschätzung künftiger Entwicklungen ab<br />

(vgl. § 253 Abs. 1 S. 2; § 253 Abs. 3 S. 3 HGB). Es ist anerkannt, daß <strong>der</strong> Vorstand sich auch<br />

dann auf die Vermutung pflichtgemäßen Verhaltens in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG berufen kann,<br />

wenn es um die Anwendung solcher gesetzlicher Vorschriften geht, <strong>der</strong>en Tatbestand dem<br />

Anwen<strong>der</strong> einen Beurteilungsspielraum einräumt, zum Beispiel indem dem Normanwen<strong>der</strong><br />

eine zukunftsbezogene Entscheidung abverlangt wird 104 . Eine Pflichtverletzung liegt<br />

demzufolge nicht vor, wenn <strong>der</strong> Vorstand bei <strong>der</strong> Bilanzaufstellung eine ihm durch eine<br />

Ansatz- o<strong>der</strong> Bewertungsvorschrift aufgetragene Prognoseentscheidung getroffen hat, bei<br />

welcher er „vernünftigerweise annehmen durfte, auf <strong>der</strong> Grundlage angemessener<br />

Information zum Wohle <strong>der</strong> Gesellschaft zu handeln“. Dies gilt gerade auch dann, wenn sich<br />

eine solche ex ante „vertretbare“ Entscheidung ex post als unrichtig herausgestellt hat.<br />

Allerdings ist zu beachten, daß es sich bei <strong>der</strong> Frage, ob eine Ansatz- o<strong>der</strong><br />

Bewertungsvorschrift einen Beurteilungsspielraum einräumt, und ob dieser Spielraum u. U.<br />

begrenzt wird, z. B. durch die allgemeinen Prinzipien des § 252 HGB, um eine Frage <strong>der</strong><br />

Normauslegung und damit <strong>der</strong> Rechtsanwendung handelt, für die <strong>der</strong> Normanwen<strong>der</strong> keinen<br />

Beurteilungsspielraum in Anspruch nehmen kann. Denn ein Beurteilungsspielraum bezieht<br />

sich nicht auf die rechtlichen Voraussetzungen und den Umfang, unter denen bzw. in dem<br />

<strong>der</strong> Gesetzgeber einen solchen Spielraum einräumen will 105 . Die Pflichtmäßigkeitsvermutung<br />

des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG greift nur ein, wenn <strong>der</strong> Vorstand sich innerhalb des durch die<br />

einschlägige Norm gesteckten Rahmens bewegt hat.<br />

Eine „vertretbare“ Bewertung in dem beschriebenen Sinne kann schließlich nicht zu einer<br />

„Unterbewertung von Aktivposten“ gemäß § 256 Abs. 5 S. 3 AktG führen 106 . Bei <strong>der</strong><br />

(straf-)gerichtlichen Überprüfung solcher Entscheidungen gemäß §§ 331 Nr. 1, 334 Abs. 1<br />

Nr. 1. b) HGB gelten aus verfassungsrechtlichen Gründen noch restriktivere Maßstäbe. Die<br />

heute herrschende Meinung for<strong>der</strong>t, daß Angaben mit Prognosecharakter „evident unrichtig“<br />

und in diesem Sinne nach dem Urteil <strong>der</strong> einschlägigen Fachleute unvertretbar sein<br />

müssen 107 .<br />

(b) Neben diejenigen Normen, die aus Gründen <strong>der</strong> Natur <strong>der</strong> Sache die Konkretisierung<br />

<strong>im</strong> Einzelfall dem Bilanzersteller überlassen, und wo eine Kontrolle seiner Entscheidung nur<br />

auf ihre „Vertretbarkeit“, nicht auf ihre Richtigkeit erfolgt, treten Ansatz- und<br />

103<br />

Eingehen<strong>der</strong> zu Normen mit Einschätzungsprärogative (Beurteilungsspielraum) des Vorstands und zu<br />

Pflichtverletzungen bei Anwendung solcher Normen Lohse, Unternehmerisches Ermessen, 2005, S. 64 f, 188 ff, 294<br />

ff.<br />

104<br />

Vgl. die Amtliche Begründung in: BT-Drucksache 15/5092 S. 11; speziell zur Anwendung von<br />

Bilanzierungsnormen Welf Müller, Bilanzentscheidungen und Business Judgment Rule, in: Liber Amicorum Happ,<br />

2006, S. 179 ff; Hopt/M. Roth, in: Großkomm. AktG, 4. Auflage, 26. Lieferung 2006, § 93 Abs. 1 Satz 2, 4 nF Rdz.<br />

23.<br />

105 Vgl. auch Lohse, a.a.O. (Fn. 103), S. 190, 192.<br />

106 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung von Unternehmen, 6. Auflage 1997, § 256 AktG Rdz. 40.<br />

107 Dannecker, in: Ulmer (Hrsg.), HGB-Bilanzrecht, Großkommentar, 2. Teilband, 2002, § 331 Rdz. 42 m.<br />

Nachweisen.<br />

28


Bewertungsvorschriften, die dem Bilanzersteller geplant mehrere Handlungsmöglichkeiten<br />

(„Wahlrechte“) einräumen, zwischen denen er wählen kann. In <strong>der</strong> Regel erfolgt dies<br />

ausdrücklich, durch Formulierungen wie „kann“, „darf“, „sind zulässig“, „brauchen nicht“<br />

usw. 108 . Die Frage ist, ob ihre Ausübung uneingeschränkt zu einer gezielten Unterbewertung<br />

und damit zur Anlage von „Ermessensreserven“ führen kann, ohne daß diese Unterbewertung<br />

<strong>im</strong> Rahmen <strong>der</strong> Bilanzprüfung beanstandet werden o<strong>der</strong> rechtliche Sanktionen für die<br />

Bilanzersteller o<strong>der</strong> die Nichtigkeit des Jahresabschlusses wegen Unterbewertung (§ 256<br />

Abs. 5 S. 1 Nr. 2 AktG) auslösen könnte.<br />

Ein Beispiel für eine Vorschrift, die dem Bilanzersteller ein Bewertungswahlrecht einräumt,<br />

dessen Ausübung in <strong>der</strong> Regel zu „Ermessensreserven“ führen wird, findet sich in § 254<br />

HGB. Nach § 254 HGB können Abschreibungen auch vorgenommen werden, um<br />

Vermögensgegenstände mit dem niedrigeren Wert anzusetzen, <strong>der</strong> auf einer nur<br />

steuerrechtlich zulässigen Abschreibung beruht. Steuervergünstigungen werden häufig zur<br />

Verwirklichung außerfiskalischer Ziele (Strukturpolitik, Umweltpolitik, Arbeitsmarktpolitik)<br />

in <strong>der</strong> Form gewählt, daß für gewisse Wirtschaftsgüter erhöhte Absetzungen und<br />

Son<strong>der</strong>abschreibungen zugelassen und dadurch geringere Ansätze ermöglicht werden, als sie<br />

sich nach den allgemeinen Bewertungsvorschriften und Grundsätzen ordnungsmäßiger<br />

Bilanzierung ergeben würden 109 . Voraussetzung hierfür ist bei Kapitalgesellschaften<br />

allerdings, daß das Steuerrecht ihre Anerkennung bei <strong>der</strong> steuerlichen Gewinnermittlung<br />

davon abhängig macht, daß sie sich aus <strong>der</strong> Handelsbilanz ergeben (§ 279 Abs. 2 HGB). Das<br />

ist in <strong>der</strong> Regel <strong>der</strong> Fall 110 . § 5 Abs. 1 S. 2 EStG legt insoweit fest, daß steuerrechtliche<br />

Wahlrechte bei <strong>der</strong> Gewinnermittlung „in Übereinst<strong>im</strong>mung mit <strong>der</strong> handelsrechtlichen<br />

Jahresbilanz auszuüben sind“. Formale Grundlage <strong>der</strong> steuerlichen Gewinnermittlung ist<br />

also die Handelsbilanz („Maßgeblichkeitsgrundsatz“; § 5 Abs. 1 S. 1 EStG). Materiell wird<br />

<strong>der</strong> Inhalt <strong>der</strong> Handelsbilanz dagegen durch steuerliche Son<strong>der</strong>vorschriften best<strong>im</strong>mt, die das<br />

Prinzip <strong>der</strong> periodengerechten Gewinnermittlung <strong>im</strong> Dienste wirtschaftspolitischer<br />

Lenkungsziele insoweit durchbrechen und den ausschüttungsfähigen Jahresüberschuß<br />

reduzieren („umgekehrte Maßgeblichkeit“) 111 . Die damit verbundene Beeinträchtigung <strong>der</strong><br />

Informationsfunktion des Jahresabschlusses wird zwar durch verpflichtende Anhangangaben<br />

(§§ 281 Abs. 2 S. 1, 285 Nr. 5 HGB) gemil<strong>der</strong>t, nicht jedoch die sich daraus ergebende<br />

Beschränkung des Jahresüberschusses und des ausschüttungsfähigen Bilanzgewinns.<br />

Neben diesen Wahlrechten, die das Bilanzrecht aus bilanzfremden Gründen vorsieht, kennt<br />

es auch Wahlrechte, die es aus Bilanzierungsgründen <strong>im</strong> engeren Sinne einräumt. Der<br />

Gesetzgeber hat diese Bilanzierungswahlrechte nicht vorgesehen, um dem Bilanzersteller<br />

freie Hand zu lassen, was die Bildung und Auflösung stiller Reserven betrifft, son<strong>der</strong>n damit<br />

bilanzrechtlich relevanten Beson<strong>der</strong>heiten verschiedenartiger Einzelfälle Rechnung getragen<br />

werden kann 112 . Als Beispiel hierfür sei das Ansatzwahlrecht des § 255 Abs. 4 HGB<br />

angeführt. Danach darf, wenn die bilanzierende Gesellschaft ein Unternehmen gekauft hat,<br />

als sogenannter „Geschäfts- o<strong>der</strong> Firmenwert“ des gekauften Unternehmens <strong>der</strong><br />

Unterschiedsbetrag aktiviert werden, um den <strong>der</strong> Kaufpreis den Wert <strong>der</strong> einzelnen<br />

Vermögensgegenstände des gekauften Unternehmens abzüglich <strong>der</strong> Schulden übersteigt. Hat<br />

also die bilanzierende Gesellschaft ein Unternehmen <strong>im</strong> Wege des „asset deal“ erworben und<br />

hierfür einen über die Vermögensgegenstände abzüglich <strong>der</strong> Schulden hinausgehenden, am<br />

108 Übersichten über die Ansatz- und Bewertungswahlrechte (Wertansatzwahlrechte und Methodenwahlrechte)<br />

finden sich etwa bei Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzanalyse, a.a.O. (Fn. 91), S. 155; W. Müller, a.a.O. (Fn. 104), S. 183<br />

f; eingehend Kothes, Die Wahlrechtsproblematik <strong>im</strong> handelsrechtlichen Jahresabschluß <strong>der</strong> Kapitalgesellschaft,<br />

1999.<br />

109 Vgl. dazu die Übersichten bei Adler/Düring/Schmaltz, a.a.O. (Fn. 97), § 254 HGB Rdz. 18.<br />

110 Vgl. Hüttemann, in: Ulmer (Hrsg.), a.a.O. (Fn. 90), § 279 Rdz. 6.<br />

111 Eingehend und kritisch dazu Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Auflage 1993, S. 29 ff.<br />

112 Eingehend dazu Kropff, a.a.O. (Fn. 101), § 149 Rdz. 94 ff.<br />

29


Ertragswert des Unternehmens orientierten Kaufpreis gezahlt, dann kann es diesen<br />

Unterschiedsbetrag als „Geschäfts- o<strong>der</strong> Firmenwert“ aktivieren, um zu vermeiden, daß<br />

dieser Betrag sofort als ein den Jahresüberschuß min<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Aufwand verbucht werden<br />

müßte. Die bilanzielle Behandlung entspricht insoweit völlig <strong>der</strong>jenigen, die sich ergäbe,<br />

wenn das Unternehmen nicht <strong>im</strong> Wege eines „asset deal“, son<strong>der</strong>n des Beteiligungskaufs<br />

o<strong>der</strong> „share deal“ erworben worden wäre. Denn für die Bilanzierung einer erworbenen<br />

Beteiligung ist von den Anschaffungskosten auszugehen, die regelmäßig den Geschäfts- o<strong>der</strong><br />

Firmenwert <strong>der</strong> Beteiligungsgesellschaft mitvergüten 113 . Denkbar ist nun freilich auch, daß<br />

<strong>der</strong> „Unterschiedsbetrag“ nicht zur Abgeltung des „good will“ <strong>der</strong> erworbenen Firma, ihres<br />

Kunden- und Mitarbeiterstamms gezahlt wurde, son<strong>der</strong>n von <strong>der</strong> erwerbenden Gesellschaft<br />

deshalb geboten wurde, weil sie hiermit beson<strong>der</strong>e Ziele verfolgte, wie zum Beispiel das<br />

Ziel, einen Wettbewerber auszuschalten und gegenüber dem Veräußerer ein<br />

Wettbewerbsverbot durchzusetzen. In diesem Fall setzt sich <strong>der</strong> Kaufpreis für das<br />

übernommene Unternehmen zwar gleichfalls aus dem Wert <strong>der</strong> übernommenen<br />

Vermögensgegenstände abzüglich <strong>der</strong> Schulden sowie einem „Unterschiedsbetrag“<br />

zusammen. Eine Aktivierung dieses „Unterschiedsbetrages“ als „Geschäfts- o<strong>der</strong><br />

Firmenwert“ des übernommenen Unternehmens verbietet sich aber an sich nach dem Sinn<br />

und Zweck des § 255 Abs. 4 HGB, weil <strong>der</strong> Mehrertrag, den sich die Käuferin von <strong>der</strong><br />

Zahlung dieses Unterschiedsbetrages erhofft, nicht auf dem „good will“, den<br />

Kundenbeziehungen usw. des übernommenen Unternehmens fußt, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> Folge von<br />

<strong>der</strong> übernehmenden Gesellschaft selbst generiert wird, die ihren Konkurrenten ausgeschaltet<br />

hat. Ein Ansatz eines „Geschäfts- o<strong>der</strong> Firmenwerts“ des übernommenen Unternehmens<br />

würde in diesem Fall an sich auch dem „Realisationsprinzip“ (§ 252 Abs. 1 Nr. 4, 2. Halbsatz<br />

HGB) wi<strong>der</strong>sprechen.<br />

Die praktische Schwierigkeit liegt nun freilich darin, <strong>im</strong> Einzelfall den gezahlten<br />

„Unterschiedsbetrag“ aufzuspalten in einen Teil, <strong>der</strong> für den „Firmenwert“ des<br />

Unternehmens, und in einen Teil, <strong>der</strong> à fonds perdu gezahlt worden ist 114 und deshalb an sich<br />

nicht als „Geschäfts- o<strong>der</strong> Firmenwert“ angesetzt werden dürfte. Im Hinblick auf solche<br />

kaum abgrenzbaren Mischfälle, in denen <strong>der</strong> Erwerber neben dem Erwerb des <strong>im</strong>materiellen<br />

Vermögensgegenstands „Firmenwert“ auch sonstige an sich nicht bilanzierungsfähige<br />

Aufwendungen getätigt hat, räumt <strong>der</strong> Gesetzgeber dem Bilanzersteller das Recht ein, den<br />

gesamten Unterschiedsbetrag zu aktivieren, schreibt für diesen Fall aber wie in an<strong>der</strong>en<br />

Fällen einer „Bilanzierungshilfe“ (vgl. §§ 250 Abs. 3, 269, 282 HGB) eine Abschreibung<br />

dieses Bilanzpostens vor (§ 255 Abs. 4 S. 2, 3 HGB).<br />

Aus den voranstehenden Überlegungen ist die Antwort auf die Frage zu entwickeln, welche<br />

Pflichten dem Vorstand <strong>der</strong> bilanzierenden Gesellschaft bei <strong>der</strong> Ausübung von<br />

Bilanzierungswahlrechten obliegen, insbeson<strong>der</strong>e, ob er nach seinem Belieben durch<br />

entsprechende Ausübung dieser Wahlrechte stille „Ermessensreserven“ anlegen kann. Wie<br />

die beiden vorgestellten Beispiele zeigen, können nicht alle Bilanzierungswahlrechte gleich<br />

behandelt werden. Sind steuerliche Son<strong>der</strong>abschreibungen zulässig, sofern sie sich aus <strong>der</strong><br />

Handelsbilanz ergeben, wird <strong>der</strong> bilanzerstellende Vorstand in aller Regel pflichtgemäß<br />

handeln, wenn er sich für die Son<strong>der</strong>abschreibung und damit für die mit ihr verbundenen<br />

Vorteile für die Gesellschaft (Liquiditätsvorteil; Einsparvorteil durch Aufschub <strong>der</strong><br />

Steuerzahlung) entscheidet und dafür die mit <strong>der</strong> Belastung des Ergebnisses des betreffenden<br />

Jahres für die Anteilseigner möglicherweise verbundenen Nachteile (Vermin<strong>der</strong>ung des<br />

Jahresüberschusses und des ausschüttungsfähigen Bilanzgewinns) in Kauf n<strong>im</strong>mt. Bei <strong>der</strong><br />

Ausübung eines solchen Wahlrechts handelt es sich nicht um bloßen Gesetzesvollzug. Es<br />

kommt nicht nur darauf an, die Auswirkung <strong>der</strong> Inanspruchnahme des Wahlrechts auf die<br />

113 S. nur Kleindiek, in: Ulmer (Hrsg.), a.a.O. (Fn. 90), § 255 Rdz. 45.<br />

114 Wöhe, a.a.O. (Fn. 2), S. 700.<br />

30


steuerliche Belastung des Ergebnisses <strong>der</strong> Gesellschaft zu beurteilen, son<strong>der</strong>n es geht auch<br />

um die Einschätzung <strong>der</strong> finanziellen Folgen für die Gesellschaft (Liquiditäts- und<br />

Einspareffekte) und die Auswirkungen auf die Anteilseigner sowie die daraus folgende<br />

Notwendigkeit einer Abwägung. Insgesamt handelt es sich also um eine „unternehmerische“<br />

Entscheidung, für die <strong>der</strong> Vorstand die Vermutung pflichtgemäßen Verhaltens des § 93 Abs.<br />

1 S. 2 AktG unter den dort genannten Voraussetzungen für sich in Anspruch nehmen kann 115 .<br />

Für die eingeschränkte Überprüfung von Ermessensentscheidungen des Bilanzerstellers, <strong>der</strong><br />

ein Wahlrecht ausgeübt hat, durch Abschlußprüfer, die Prüfstelle für Rechnungslegung und<br />

in staatlichen Verfahren gelten die gleichen Grundsätze wie bei <strong>der</strong> Überprüfung von<br />

Entscheidungen, bei denen dem Bilanzersteller ein Beurteilungsspielraum zusteht 116 .<br />

In dem zweiten oben gewählten Beispiel eines Bilanzierungswahlrechts will <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />

mit <strong>der</strong> Einräumung des Wahlrechts dem Bilanzersteller dagegen nicht die Möglichkeit<br />

einräumen, in dem durch den weitgefaßten Wortlaut abgedeckten Umfang nach seinem<br />

Belieben entwe<strong>der</strong> einen <strong>der</strong>ivativen Firmenwert zu aktivieren o<strong>der</strong> nicht und dabei das Für<br />

und Wi<strong>der</strong> einer Aktivierung o<strong>der</strong> Reservenbildung abzuwägen. Vielmehr hat <strong>der</strong><br />

Gesetzgeber dieses Bilanzierungswahlrecht geschaffen, um dem Umstand gerecht zu werden,<br />

daß sich je nach Einzelfall verschiedenartige Gestaltungen und Abgrenzungsprobleme<br />

ergeben können. Das besagt aber nicht, daß auch je<strong>der</strong> Bilanzersteller in jedem Einzelfall<br />

einen entsprechenden Entscheidungsfreiraum benötigte und in Anspruch nehmen könnte. Vor<br />

eine unbesehene Anwendung dieser Norm (§ 255 Abs. 4 S. 1 HGB) durch den<br />

Bilanzersteller, die sich nur an ihrem weitgefaßten Wortlaut orientiert, hat vielmehr zunächst<br />

die Auslegung <strong>der</strong> Vorschrift nach dem angedeuteten Zweck zu treten. Bereits bei dieser<br />

Auslegung, nicht erst bei <strong>der</strong> Normanwendung, sind die Wertentscheidungen des<br />

Gesetzgebers, die in den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen (§ 252 HGB) und <strong>im</strong><br />

„Einblicksgebot“ (264 Abs. 2 HGB) nie<strong>der</strong>gelegt sind, mit zu berücksichtigen. Die<br />

Auslegung dieser Norm führt dazu, daß eine Aktivierung in <strong>der</strong> Regel erfolgen muß 117 , es sei<br />

denn, daß <strong>der</strong> „Unterschiedsbetrag“ nicht, auch nicht teilweise, für einen „Geschäfts- o<strong>der</strong><br />

Firmenwert“ des erworbenen Unternehmens gezahlt worden ist, son<strong>der</strong>n sich ausschließlich<br />

als sonstige Aufwendung für den Unternehmenserwerb darstellt. Wird nun ein Geschäftso<strong>der</strong><br />

Firmenwert aktiviert, so kann <strong>der</strong> Bilanzersteller nach dem Wortlaut des § 255 Abs. 4 S.<br />

2, 3 HGB offenbar wie<strong>der</strong>um frei wählen, nämlich zwischen einer Abschreibung in vier<br />

Jahresraten und einer planmäßigen Abschreibung über die voraussichtliche Nutzungsdauer<br />

des angesetzten Geschäftswerts. Auch insoweit steht dem Bilanzersteller aber kein freies,<br />

uneingeschränktes Ermessen darin zu, welche Abschreibung er wählt. Vielmehr ist auch<br />

diese Norm ihrem Sinn und Zweck entsprechend auszulegen und nur in dieser Auslegung<br />

anzuwenden. Eine Abschreibung über die voraussichtliche Nutzungsdauer kommt nur in<br />

Betracht, wenn wenigstens ein Teil des Unterschiedsbetrages für „Vermögensgegenstände“<br />

gezahlt worden ist, <strong>der</strong>en Nutzungsdauer geschätzt werden kann 118 . Stellt sich <strong>der</strong> aktivierte<br />

Unterschiedsbetrag dagegen ausschließlich als sonstige Aufwendung für den<br />

Unternehmenserwerb dar, bleibt nur die pauschale Abschreibung in vier Jahresraten gemäß<br />

§ 255 Abs. 4 S. 2 HGB (vgl. auch § 282 HGB).<br />

Die Auslegung von Normen, die Bilanzierungswahlrechte einräumen, ist Rechtsanwendung.<br />

Interpretationsfehler unterliegen auch bei Ermessensentscheidungen <strong>der</strong> vollen Überprüfung,<br />

weil sich das eingeräumte Ermessen, wenn es denn besteht, nicht auf die rechtlichen<br />

Voraussetzungen und den Umfang bezieht, unter denen bzw. in dem <strong>der</strong> Gesetzgeber ein<br />

Ermessen einräumen will 119 . Die Frage, ob <strong>der</strong> Bilanzersteller von einem korrekten<br />

115 Eingehend dazu W. Müller, a.a.O. (Fn. 104).<br />

116 Vgl. dazu oben (a).<br />

117 Vgl. auch Kothes, a.a.O. (Fn. 108), S. 329.<br />

118 Wöhe, a.a.O. (Fn. 2), S. 700.<br />

119 Vgl. auch Lohse, a.a.O. (Fn. 103), S. 190, 192.<br />

31


Normverständnis ausgegangen ist, ist daher in vollem Umfang durch den Abschlußprüfer,<br />

den Aufsichtsrat, die Prüfstelle für Rechnungslegung und in den in Betracht kommenden<br />

staatlichen Verfahren durch die Gerichte und die BAFin nachprüfbar 120 . Das betrifft auch die<br />

Frage, wieweit die allgemeinen Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsätze <strong>der</strong> §§ 252, 264<br />

Abs. 2 S. 1 HGB die Inanspruchnahme von Bilanzierungswahlrechten einschränken o<strong>der</strong><br />

umgekehrt die Bilanzierungswahlrechte Ausnahmen von den allgemeinen Grundsätzen<br />

bilden. Ferner ist auch bei Ermessensnormen o<strong>der</strong> Bilanzierungswahlrechten in vollem<br />

Umfang und nicht nur eingeschränkt überprüfbar, ob <strong>der</strong> Bilanzersteller den relevanten<br />

Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt und festgestellt hat 121 .<br />

3. „Willkürreserven“<br />

(a) Den kraft Gesetzes zu bildenden „Zwangsreserven“, den unvermeidlichen<br />

„Schätzungsreserven“ und den zulässigen „Ermessensreserven“ stellt die Literatur<br />

üblicherweise die unzulässigen „Willkürreserven“ gegenüber 122 . Allerdings ist <strong>der</strong> Begriff<br />

<strong>der</strong> „Willkürreserve“ o<strong>der</strong> „Willkürrücklage“ in seiner Abgrenzung umstritten; zum Teil wird<br />

auch die Bildung gesetzlich zulässiger Ermessensreserven hierher gerechnet, soweit diese<br />

eine Unterbewertung aus bilanzfremden Gründen zulassen, wie dies etwa bei den<br />

steuerlichen Abschreibungen <strong>im</strong> Sinne des § 254 HGB <strong>der</strong> Fall ist 123 . Der Begriff <strong>der</strong><br />

„Willkürreserven“ ist <strong>im</strong> Recht <strong>der</strong> Rechnungslegung vor <strong>der</strong> Aktienrechtsreform 1965<br />

entwickelt worden. Danach sollte – verkürzt formuliert – die Unterbewertung von Aktiven<br />

zulässig sein, wenn sie <strong>der</strong> Stärkung <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>standskraft <strong>der</strong> Gesellschaft diente; nur die<br />

„willkürliche“, nicht <strong>der</strong>art gerechtfertigte Unterbewertung sollte unzulässig sein und zur<br />

Anfechtung des Bilanzgenehmigungsbeschlusses <strong>der</strong> Hauptversammlung berechtigen 124 . Seit<br />

<strong>der</strong> Aktienrechtsreform 1965 und dem mit ihr umgesetzten weitgehenden Verbot <strong>der</strong> Bildung<br />

stiller Reserven 125 ist diese Differenzierung obsolet. Wenn man den Begriff <strong>der</strong><br />

„Willkürreserven“ noch verwenden möchte, dann kann er nur, als Gegenbegriff zu den<br />

zulässigen stillen Reserven, also den kraft Gesetzes zu bildenden „Zwangsreserven“, den<br />

unvermeidlichen „Schätzungsreserven“ und den zulässigen „Ermessensreserven“, die<br />

sonstigen, unzulässigen stillen Reserven meinen. Auch insoweit ist <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong><br />

„Willkürreserven“ aber für die Rechtsanwendung entbehrlich, wenn nicht sogar irreführend.<br />

Denn die einschlägigen Normen des Aktien- und Handelsrechts stellen nicht die Frage nach<br />

dem Vorhandensein von „Willkürreserven“ und legen nicht fest, welche stillen Reserven<br />

„unzulässig“ und als „Willkürreserven“ anzusehen sind, son<strong>der</strong>n knüpfen ohne Rückgriff auf<br />

den Begriff <strong>der</strong> Willkürreserve je nach Vorschrift in unterschiedlicher Weise und unter<br />

verschiedenen Voraussetzungen an Verstöße gegen gesetzliche, z.T. auch gegen sonstige<br />

Bilanzierungsvorschriften an. So kommt es gemäß § 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 i.V. mit S. 3 AktG<br />

für die Nichtigkeit eines Jahresabschlusses nicht darauf an, ob unzulässig Willkürreserven<br />

gebildet worden sind, son<strong>der</strong>n ob Aktivposten mit einem niedrigeren Wert o<strong>der</strong> Passivposten<br />

120 Zur Prüfung, ob <strong>der</strong> Bilanzersteller von einem korrekten Normverständnis ausgegangen ist, durch den<br />

Abschlußprüfer, den Aufsichtsrat usw. bereits oben Text zu Fn. 93.<br />

121 Vgl. Lohse, a.a.O. (Fn. 103), S. 190, 192 f.<br />

122 S. nur Wöhe, a.a.O. (Fn. 2), S. 610 ff; Henze, a.a.O. (Fn. 13), § 58 Rdz. 21 m. Nachweisen.<br />

123 So etwa Wöhe, a.a.O. (Fn. 2), S. 611; Lutter, a.a.O. (Fn. 13), § 58 Rdz. 21.<br />

124 Dazu etwa Kropff, in: Festschrift für Forster, 1992, S. 289, 293 ff; Ritter, AktG, 2. Auflage 1939, § 129 Anm. 3.<br />

a) m. umfangreichen Nachweisen; grundlegend Pinner, Beiträge zum Aktienrecht, 1918, S. 21 ff, 30. Abweichend<br />

von <strong>der</strong> Rechtslage nach dem alten HGB war allerdings 1937 die Bilanzfeststellung für den gesetzlichen Regelfall<br />

Vorstand und Aufsichtsrat übertragen worden, so daß eine Anfechtung eines „Bilanzgenehmigungsbeschlusses“ <strong>der</strong><br />

Hauptversammlung wegen unzulässiger Unterbewertung in aller Regel seither ohnedies ausschied; Ritter, a.a.O.<br />

Anm. 3. b).<br />

125 Zur Gesetzgebungsgeschichte insoweit s. den Ausschußbericht, Abdruck bei Kropff, a.a.O. (Fn. 41), S. 239 f.<br />

32


mit einem höheren Betrag angesetzt sind, als nach §§ 253 – 256 HGB in Verbindung mit<br />

§§ 279 – 283 HGB zulässig ist, und dadurch die Vermögens- und Ertragslage <strong>der</strong><br />

Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wie<strong>der</strong>gegeben o<strong>der</strong> verschleiert wird. Abweichend davon<br />

kommt es für die Abschlußprüfung nicht auf eine Unterbewertung o<strong>der</strong> Überbewertung<br />

ganzer Bilanzposten und die vorsätzliche unrichtige Wie<strong>der</strong>gabe o<strong>der</strong> Verschleierung <strong>der</strong><br />

Vermögens- und Ertragslage an, freilich auch nicht auf das Vorhandensein von<br />

„Willkürreserven“, son<strong>der</strong>n ist gemäß § 317 Abs. 1 S. 2 HGB (vgl. auch § 321 Abs. 2 S. 1<br />

HGB) die Prüfung u.a. darauf zu erstrecken, ob bei <strong>der</strong> Bewertung von<br />

Vermögensgegenständen und Schulden die gesetzlichen Vorschriften beachtet worden sind,<br />

und sich Verstöße wesentlich auf die Darstellung <strong>der</strong> Vermögens-, Finanz- und Ertragslage<br />

auswirken. Dabei ist auch, <strong>im</strong> Hinblick auf die Berichtspflicht gemäß § 321 Abs. 2 S. 3<br />

HGB, zu prüfen, ob die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung o<strong>der</strong> sonstiger<br />

maßgeblicher Rechnungslegungsgrundsätze beachtet worden sind. Für die Strafbarkeit nach<br />

§ 331 Nr. 1 HGB wegen unrichtiger Darstellung <strong>der</strong> Verhältnisse einer Kapitalgesellschaft<br />

<strong>im</strong> Jahresabschluß kommt es gleichfalls nicht auf die Frage an, ob „Willkürreserven“ gelegt<br />

worden sind, son<strong>der</strong>n ob die Verhältnisse <strong>der</strong> Gesellschaft „unrichtig wie<strong>der</strong>gegeben o<strong>der</strong><br />

verschleiert“ worden sind. Der Begriff <strong>der</strong> „Willkürreserven“ ist nach allem heute nur mehr<br />

<strong>im</strong> Sinne einer pauschalen Zusammenfassung unzulässiger, durch Verstöße gegen gesetzliche<br />

o<strong>der</strong> sonstige Rechnungslegungsnormen entstandener stiller Reserven zu verwenden, <strong>der</strong> für<br />

die Rechtsanwendung aber keine Bedeutung mehr hat.<br />

Einzelheiten zur Auslegung <strong>der</strong> verschiedenen Normen, die – unter verschiedenen<br />

Voraussetzungen – die Bildung unzulässiger stiller Reserven erfassen und sanktionieren (vgl.<br />

insbeson<strong>der</strong>e §§ 317 Abs. 1, 321 Abs. 2, 331 Nr. 1, 334 Abs. 1 Nr. 1 b); 342 b Abs. 2 S. 1<br />

HGB; 93, 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 AktG; 37o Abs. 1 S. 1 WpHG), sind an dieser Stelle nicht<br />

auszubreiten. Hinzuweisen ist nur nochmals darauf, daß <strong>im</strong> Tatbestand dieser Normen<br />

jeweils in geeigneter Weise <strong>der</strong> Freiraum berücksichtigt werden muß, <strong>der</strong> zur Bildung<br />

zulässiger Schätzungs- o<strong>der</strong> Ermessensreserven führen kann 126 .<br />

(b) Werden unter Verstoß gegen Rechnungslegungsnormen „Willkürreserven“ gebildet,<br />

dann wird dadurch die Informations- und Kontrollfunktion des Jahresabschlusses<br />

beeinträchtigt. Zugleich wird dadurch <strong>der</strong> auszuweisende Jahresüberschuß verkürzt und<br />

damit u.U. eine denkbare Gewinnausschüttung verhin<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> vermin<strong>der</strong>t; insofern kann<br />

sich aus <strong>der</strong> Bildung von Willkürreserven auch ein Eingriff in die Residualberechtigung <strong>der</strong><br />

Anteilseigner ergeben. Wie können sich die hiervon betroffenen Anteilseigner zur Wehr<br />

setzen?<br />

Da die Hauptversammlung nur <strong>im</strong> Ausnahmefall den Jahresabschluß feststellt (§§ 172, 173<br />

AktG), aber bei ihrem Beschluß über die Verwendung des Bilanzgewinns an den durch<br />

Vorstand und Aufsichtsrat festgestellten Jahresabschluß gebunden ist (§ 174 Abs. 1 S. 2<br />

AktG), ist eine Anfechtung des Gewinnverwendungsbeschlusses (§ 243 AktG) mit <strong>der</strong><br />

Begründung, <strong>der</strong> Jahresüberschuß und damit <strong>der</strong> verteilbare Bilanzgewinn seien durch<br />

gesetzwidrige „Willkürreserven“ gemin<strong>der</strong>t, ausgeschlossen. Eine solche Anfechtungsklage<br />

müßte vielmehr gegen die Feststellung des Jahresabschlusses gerichtet werden und würde<br />

demzufolge in den praktisch ganz überwiegenden Fällen entfallen, in denen Vorstand und<br />

Aufsichtsrat den Jahresabschluß feststellen, da eine Anfechtungsklage (§ 243 AktG) nur<br />

gegen Hauptversammlungsbeschlüsse in Betracht kommt. Im Hinblick darauf hat <strong>der</strong><br />

Gesetzgeber 1965 die Gründe einer Nichtigkeit des Jahresabschlusses um die Fälle<br />

unzulässiger Unterbewertung erweitert (§ 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 AktG). Je<strong>der</strong> Aktionär kann<br />

bei unzulässiger Unterbewertung die Nichtigkeit des Jahresabschlusses feststellen lassen<br />

(§ 256 Abs. 7 S. 1 in Verbindung mit § 249 AktG). Diese Nichtigkeitsklage greift<br />

126 S. dazu <strong>im</strong> Einzelnen bereits oben 2. (a), (b).<br />

33


unabhängig davon ein, ob die Feststellung des Jahresabschlusses durch Vorstand und<br />

Aufsichtsrat o<strong>der</strong> durch die Hauptversammlung erfolgt ist. Im Hinblick auf diesen speziellen<br />

Rechtsbehelf kann die allgemeine Anfechtungsklage gegen einen Beschluß <strong>der</strong><br />

Hauptversammlung, durch den diese (ausnahmsweise) den Jahresabschluß feststellt, nicht<br />

darauf gestützt werden, daß in diesem Jahresabschluß unter Verstoß gegen<br />

Rechnungslegungsvorschriften „Willkürreserven“ gebildet worden sind (§ 257 Abs. 1 S. 2<br />

AktG).<br />

Neben die Nichtigkeitsklage gemäß § 256 AktG tritt das Recht, eine Son<strong>der</strong>prüfung wegen<br />

unzulässiger Unterbewertung beantragen zu können (§§ 258 ff AktG). Dieses Recht steht<br />

allerdings nicht jedem einzelnen Aktionär, son<strong>der</strong>n nur einer Min<strong>der</strong>heit zu, <strong>der</strong>en Anteile<br />

zusammen 1% des Grundkapitals o<strong>der</strong> einen anteiligen Betrag von € 100.000 erreichen<br />

(§ 258 Abs. 2 S. 3 in Verbindung mit § 142 Abs. 2 AktG).<br />

Handelt es sich bei <strong>der</strong> betreffenden Gesellschaft um ein börsennotiertes Unternehmen, dann<br />

kann je<strong>der</strong> Aktionär bei <strong>der</strong> Prüfstelle für Rechnungslegung eine Prüfung des<br />

Jahresabschlusses anregen (§ 342 b Abs. 2 HGB). Die Prüfstelle prüft bei Vorliegen<br />

konkreter Anhaltspunkte, ob <strong>der</strong> Jahresabschluß den gesetzlichen Vorschriften einschließlich<br />

<strong>der</strong> Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung o<strong>der</strong> den sonstigen durch Gesetz<br />

zugelassenen Rechnungslegungsstandards entspricht. Hiervon wird auch die Bildung von<br />

Willkürreserven erfaßt. Unter den Voraussetzungen <strong>der</strong> §§ 37n ff WpHG kann auch die<br />

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die Rechnungslegung börsennotierter<br />

Gesellschaften unter diesem Gesichtspunkt prüfen o<strong>der</strong> prüfen lassen.<br />

Was haftungsrechtliche Sanktionen für die Bildung unzulässiger Willkürreserven betrifft, ist<br />

folgendes festzuhalten. Eine Haftung <strong>der</strong> Vorstands- und Aufsichtsratsmitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Gesellschaft gegenüber gemäß §§ 93, 116 AktG setzt voraus, daß <strong>der</strong> Gesellschaft (und nicht<br />

nur ihren Aktionären) dadurch ein Schaden entstanden ist. Das kommt <strong>im</strong> hier erörterten<br />

Zusammenhang etwa in Frage, wenn <strong>der</strong> Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften zur<br />

Nichtigkeit des Jahresabschlusses führt (§ 256 AktG) o<strong>der</strong> zu einer erfolgreichen<br />

Son<strong>der</strong>prüfung (§§ 258 ff AktG) o<strong>der</strong> Prüfung seitens <strong>der</strong> Prüfstelle für Rechnungslegung<br />

(§ 342 b HGB) o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (§§ 37 n ff WpHG)<br />

Anlaß gegeben hat. Eine Haftung <strong>der</strong> Organmitglie<strong>der</strong> unmittelbar den Aktionären gegenüber<br />

kommt, von den Ausnahmefällen <strong>der</strong> §§ 826 BGB, 117 Abs. 2 AktG abgesehen, wegen<br />

Verletzung von Schutzgesetzen (§ 823 Abs. 2 BGB) in Betracht. So ist § 331 Abs. 1 Nr. 1<br />

HGB, <strong>der</strong> die unrichtige Wie<strong>der</strong>gabe o<strong>der</strong> Verschleierung <strong>der</strong> Verhältnisse <strong>der</strong><br />

Kapitalgesellschaft <strong>im</strong> Jahresabschluß unter Strafe stellt, Schutzgesetz <strong>im</strong> Sinne des § 823<br />

Abs. 2 HGB 127 ; nicht jedoch sind dies nach herrschen<strong>der</strong> Meinung die allgemeinen<br />

Buchführungsvorschriften einschließlich <strong>der</strong> Ansatz- und Bewertungsvorschriften <strong>der</strong> §§ 246<br />

ff, 252 ff HGB 128 . Letzteres kann an dieser Stelle nicht vertieft erörtert werden. Praktisch<br />

dürfte ein eigener Schadensersatzanspruch gegen die Organmitglie<strong>der</strong>, die für unzulässige<br />

Willkürreserven verantwortlich sind, häufig daran scheitern, daß <strong>der</strong> klagende Aktionär<br />

keinen eigenen hierdurch bei ihm entstandenen Schaden wird dartun können. An<strong>der</strong>s als in<br />

den in den letzten Jahren so oft erörterten Fällen einer unzulässigen Überbewertung geht es<br />

bei unzulässiger Unterbewertung in <strong>der</strong> Regel nicht darum, welche nachteiligen<br />

Vermögensentscheidungen <strong>der</strong> klagende Aktionär auf diese Fehlinformation gestützt hat 129 .<br />

Son<strong>der</strong>n er müßte dartun, daß ihm durch die unzulässige Reservenbildung ein Schaden<br />

entstanden ist, zum Beispiel, daß die unzulässige Reservenbildung einen Teil eines Plans<br />

127 Quedenfeld, in: Münchener Komm. HGB, Bd. 4, 2001, § 331 Rdz. 2; Dannecker, in: Ulmer (Hrsg.), a.a.O. (Rdz.<br />

107), § 331 Rdz. 4, 6; je m. weiteren Nachweisen.<br />

128 Eingehende Nachweise zum Meinungsstand bei Schnorr ZHR 170 (2006), S. 9, 19 Fn. 50, 51.<br />

129 An<strong>der</strong>s wäre dies nur, wenn die Unterbewertung ein falsches Bild <strong>der</strong> Vermögens- o<strong>der</strong> Ertragslage <strong>der</strong><br />

Gesellschaft vermittelt und <strong>der</strong> Aktionär dartun kann, daß er hierdurch zu einer nachteiligen<br />

Vermögensentscheidung, zum Beispiel zu einem Verkauf zur Unzeit, veranlaßt worden ist.<br />

34


zum Aushungern <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>heit darstellt, und er infolgedessen zu einem Verkauf seiner<br />

Beteiligung zur Unzeit gezwungen wurde, o<strong>der</strong> weil ihm dadurch Gewinne entgangen sind,<br />

die er bei einer Auszahlung wahrscheinlich erzielt hätte (§ 252 BGB), o<strong>der</strong> weil <strong>der</strong> zu<br />

Unrecht nicht ausgewiesene Betrag inzwischen endgültig verloren ist. Alle diese Beispiele<br />

setzen aber voraus, daß <strong>der</strong> Kläger zur Überzeugung des Gerichts dartun kann, daß <strong>der</strong> zu<br />

Unrecht nicht ausgewiesene Betrag bei korrektem Ausweis an die Aktionäre auch<br />

ausgeschüttet worden wäre. Dasselbe gilt für eine Haftung <strong>der</strong> Gesellschaft den Aktionären<br />

gegenüber für das Fehlverhalten ihrer Organpersonen 130 und für eine Haftung des<br />

Abschlußprüfers bei entsprechendem deliktischem Verhalten 131 .<br />

V. Innenfinanzierung durch an<strong>der</strong>weitige Verwendung des Bilanzgewinns<br />

Neben die Innenfinanzierung durch Gewinnrücklagen und durch stille Reserven tritt die<br />

Innenfinanzierung durch an<strong>der</strong>weitige Verwendung des Bilanzgewinns. Als Beispiel hierfür<br />

wird in <strong>der</strong> betriebswirtschaftlichen Literatur folgen<strong>der</strong> Fall angeführt: Den Arbeitnehmern<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft ist eine Gewinnbeteiligung in <strong>der</strong> Form versprochen worden, daß sie einen<br />

best<strong>im</strong>mten Prozentsatz des Jahresüberschusses als Ergebnisanteil erhalten, daß diese<br />

Gewinnbeteiligung aber in einen verzinslichen Fremdkapitalanspruch („Mitarbeiter-<br />

Darlehen“) umgewandelt wird, <strong>der</strong> erst nach Ablauf einer best<strong>im</strong>mten Haltefrist auszuzahlen<br />

ist 132 . Aus rechtlicher Sicht stellt sich insoweit vor allem eine Zuständigkeitsfrage: Kann die<br />

Verwaltung Gewinnanteile in Ansprüche Dritter umwandeln und so verhin<strong>der</strong>n, daß die<br />

Aktionäre <strong>der</strong> Gesellschaft diese Mittel durch Gewinnverwendungsbeschluß entziehen?<br />

Das Aktiengesetz verfolgt insoweit, was die Zuständigkeit für die Begründung<br />

gewinnabhängiger Rechte zugunsten von Arbeitnehmern o<strong>der</strong> Dritten betrifft, keine<br />

einheitliche Linie. § 221 Abs. 1 AktG schreibt für die Ausgabe von<br />

Gewinnschuldverschreibungen, „bei denen die Rechte <strong>der</strong> Gläubiger mit Gewinnanteilen von<br />

Aktionären in Verbindung gebracht werden“, zwingend die Mitwirkung <strong>der</strong><br />

Hauptversammlung vor. Dasselbe gilt für die Emission von Genußrechten, die eine<br />

gewinnorientierte Leistung versprechen (§ 221 Abs. 3 AktG). Die Rechte von Gläubigern<br />

werden <strong>im</strong> Sinne des § 221 Abs. 1 AktG „mit Gewinnanteilen von Aktionären in Verbindung<br />

gebracht“, wenn sie eine partizipierende Dividende gewähren 133 ; ferner nach herrschen<strong>der</strong><br />

Meinung auch dann, wenn sie bloß gewinnabhängig 134 ausgestaltet sind 135 . Die<br />

„Residualberechtigung“ <strong>der</strong> Eigenkapitalgeber stellt die Vergütung für den mit dem<br />

Eigenkapitaleinsatz verbundenen Aufwand und das hiermit verbundene höhere Risiko dar.<br />

Die Verwaltung soll daher nicht ohne Mitwirkung <strong>der</strong> Eigenkapitalgeber Rechte Dritter<br />

begründen können, die diesen ebenfalls eine <strong>der</strong> Höhe nach offene, nicht begrenzte<br />

Verzinsung versprechen, ohne daß dem ein Kontrollaufwand und ein Risiko<br />

gegenüberständen, die dem <strong>der</strong> Eigenkapitalgeber entsprechen. Diese Regel, daß die<br />

Hauptversammlung bei <strong>der</strong> Begründung gewinnorientierter Rechte zugunsten Dritter<br />

130 Eingehen<strong>der</strong> zu den Anspruchsgrundlagen hierfür oben unter III. 2. (c) (cc).<br />

131 Zur Haftung des Abschlußprüfers Dritten gegenüber Z<strong>im</strong>mer, in: Ulmer (Hrsg.)., a.a.O. (Fn. 107), § 323 Rdz. 52<br />

ff.<br />

132 Drukarczyk, a.a.O. (Fn. 1), S. 10 f.<br />

133 Z. B. wird den Obligationären ein Zusatzzins in Höhe <strong>der</strong> Jahresdividende für die Aktien zugesagt; vgl. BGHZ<br />

28, 259, 260.<br />

134 Vgl. die Ausstattung des Genußrechts in BGHZ 120, 141, 148: Zusage eines Jahreszinses von 7, 5% auf den<br />

Nennbetrag, <strong>der</strong> aber nur beansprucht werden kann, sofern und soweit die Auszahlung nicht zu einem Bilanzverlust<br />

führen würde.<br />

135 S. nur Habersack, in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Auflage , Band 6, 2005, § 221 Rdz. 54 (für<br />

Gewinnschuldverschreibungen); Rdz. 94 ff, 99 f (für Genußrechte); streitig aber für bloß „gewinnabhängige“<br />

Rechte; dazu Nachweise a.a.O. Rdz. 100.<br />

35


mitwirken muß, gilt aber nicht, wenn solche gewinnorientierten Rechte Vorstandsmitglie<strong>der</strong>n<br />

o<strong>der</strong> Arbeitnehmern <strong>der</strong> Gesellschaft eingeräumt werden sollen 136 . Die Zusage von<br />

Gewinnbeteiligungen an Vorstandsmitglie<strong>der</strong> ist Sache des Aufsichtsrats (§ 112 in<br />

Verbindung mit § 87 Abs. 1 AktG, <strong>der</strong> Gewinnbeteiligungen ausdrücklich anführt). Die<br />

Zusage von Gewinnbeteiligungen an Arbeitnehmer unterhalb <strong>der</strong> Vorstandsebene gehört zum<br />

Kompetenzbereich des Vorstands (§§ 76 Abs. 1, 78 Abs. 1 AktG). § 292 Abs. 2 AktG stellt<br />

klar, daß es sich bei Gewinnzusagen an Mitglie<strong>der</strong> des Vorstands, des Aufsichtsrats o<strong>der</strong> an<br />

Arbeitnehmer <strong>der</strong> Gesellschaft nicht um „Teilgewinnabführungsverträge“ und damit um<br />

Verträge handelt, die nur mit Zust<strong>im</strong>mung <strong>der</strong> Hauptversammlung (§ 293 Abs. 1 S. 1 AktG)<br />

wirksam werden könnten. Den Schutz <strong>der</strong> Aktionäre, den bei <strong>der</strong> Begründung von<br />

Gewinnschuldverschreibungen, gewinnorientierten Genußrechten und Teilgewinnabführungsverträgen<br />

die Mitwirkung <strong>der</strong> Hauptversammlung gewährleisten soll, sollen bei<br />

<strong>der</strong> Begründung von Gewinnbeteiligungen zugunsten von Arbeitnehmern und<br />

Vorstandsmitglie<strong>der</strong>n die Verpflichtung von Vorstand bzw. Aufsichtsrat zur sorgfältigen<br />

Geschäftsleitung und die dem entsprechende Verantwortlichkeit (§§ 93, 116 AktG)<br />

sicherstellen.<br />

VI.<br />

Zusammenfassung<br />

1. Mit „Innenfinanzierung“ von Unternehmen bezeichnet man folgenden Vorgang:<br />

Finanzielle Mittel, die dem Unternehmen aus seiner Geschäftstätigkeit, genauer, als positiver<br />

Saldo zwischen Einzahlungen aus Nichtfinanzierungsmärkten (zum Beispiel Erträge aus dem<br />

Absatz von Produkten und Dienstleistungen) und Auszahlungen an diese Märkte (zum<br />

Beispiel Aufwand für Rohstoffe, Lohnaufwand usw.) in einer Periode zugeflossen sind,<br />

werden nicht an die Kapitalgeber ausgezahlt, son<strong>der</strong>n einbehalten und zum Beispiel für<br />

Investitionen eingesetzt. Vier Instrumente o<strong>der</strong> Wege <strong>der</strong> Innenfinanzierung sind insoweit zu<br />

unterscheiden:<br />

• Die Innenfinanzierung durch Gewinnrücklagen;<br />

• die Innenfinanzierung durch stille Reserven;<br />

• die Innenfinanzierung durch an<strong>der</strong>weitige Verwendung des Bilanzgewinns, und<br />

• die Innenfinanzierung durch Vermögensumschichtung.<br />

Die Innenfinanzierung durch Bildung von Gewinnrücklagen wird auch als „offene<br />

Selbstfinanzierung“ bezeichnet. Vor allem ist damit <strong>der</strong> Fall gemeint, daß das zuständige<br />

Gesellschaftsorgan beschließt, den erzielten Jahresüberschuß ganz o<strong>der</strong> zum Teil nicht an die<br />

Anteilseigner auszuschütten, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> Gesellschaft zu belassen. Daneben tritt als<br />

zweites wesentliches Instrument <strong>der</strong> Innenfinanzierung die „stille Selbstfinanzierung“ durch<br />

Bildung stiller Rücklagen o<strong>der</strong> Reserven. Hier werden üblicherweise folgende Typen<br />

unterschieden: Stille Reserven, die sich aus <strong>der</strong> Befolgung zwingen<strong>der</strong> Ansatz- und<br />

Bewertungsvorschriften ergeben; die Schätzungsreserven, die sich aus unvermeidbaren<br />

Fehlprognosen ergeben können; die bei <strong>der</strong> Ausübung von Bilanzierungswahlrechten<br />

entstehenden Ermessensreserven und sonstige, unzulässige Willkürreserven. Die beiden<br />

verbleibenden Wege <strong>der</strong> Innenfinanzierung spielen (<strong>im</strong> Fall <strong>der</strong> Innenfinanzierung durch<br />

136 S. nur Lutter, Kölner Komm. z. AktG, 2. Auflage, 1995, Bd. 5/1, § 221 Rdz. 235; Habersack, a.a.O. (Fn. 135),<br />

§ 221 Rdz. 67.<br />

36


an<strong>der</strong>weitige Verwendung des Bilanzgewinns) praktisch keine bedeutsame Rolle o<strong>der</strong> werfen<br />

(<strong>im</strong> Fall <strong>der</strong> Innenfinanzierung durch Vermögensumschichtung) keine beson<strong>der</strong>en<br />

Rechtsfragen auf.<br />

2. Die Innenfinanzierung eines von einer Aktiengesellschaft betriebenen Unternehmens<br />

bewegt sich <strong>im</strong> Spannungsfeld zwischen Gläubigerschutz und „Residualberechtigung“ <strong>der</strong><br />

Aktionäre. Soweit die Anwendung zwingen<strong>der</strong> gesetzlicher Ansatz- o<strong>der</strong><br />

Bewertungsvorschriften <strong>im</strong> Einzelabschluß zur Bildung stiller Reserven führt, ist dies eine<br />

Folge des in diesen Normen verankerten Gläubigerschutzprinzips. Die übrigen Formen <strong>der</strong><br />

Innenfinanzierung greifen dagegen, teils gezielt, in die Residualberechtigung <strong>der</strong><br />

Anteilseigner ein und bedürfen <strong>im</strong> Hinblick darauf <strong>der</strong> Rechtfertigung und Kontrolle. Die<br />

„Residualberechtigung“ o<strong>der</strong> das „Vermögensstammrecht“ <strong>der</strong> Anteilseigner bezeichnet die<br />

vermögensmäßige Zuweisung, die durch die Eigenkapitalbeteiligung an <strong>der</strong><br />

Aktiengesellschaft vermittelt wird, und aus <strong>der</strong> sich dann einzelne Ansprüche (auf den<br />

Bilanzgewinn; auf den Liquidationsgewinnanteil) ergeben können. Die Annahme einer<br />

diesen Einzelansprüchen vorgelagerten „Residualberechtigung“ <strong>der</strong> Aktionäre verdeutlicht,<br />

weshalb Maßnahmen <strong>der</strong> Mehrheit und <strong>der</strong> Verwaltung, die sich auf das Entstehen o<strong>der</strong> die<br />

Höhe einzelner Ansprüche des Aktionärs nachteilig auswirken, einer rechtlichen<br />

Überprüfung unterworfen werden können. Dies bezieht sich auch auf die korrekte bilanzielle<br />

Ermittlung des Überschusses, aus dem sich dann Ansprüche des Aktionärs auf Dividende<br />

und Liquidationserlös ergeben können.<br />

3. Was die Rücklagenbildung seitens <strong>der</strong> Verwaltung gemäß § 58 Abs. 2 AktG betrifft, ist<br />

Folgendes festzuhalten:<br />

• Das in <strong>der</strong> wirtschaftswissenschaftlichen Literatur entwickelte „Residualprinzip“ (die<br />

Verwaltung soll auf eine Rücklagenbildung verzichten und <strong>der</strong> Hauptversammlung<br />

die Ausschüttung des Bilanzgewinns vorschlagen, wenn die Gesellschaft diese Mittel<br />

nicht profitabler als die Aktionäre anlegen kann) begründet keine Pflicht des<br />

Vorstands <strong>im</strong> Rechtssinne.<br />

• Bei <strong>der</strong> Entscheidung, ob und in welchem Umfang <strong>der</strong> Jahresüberschuß (<strong>im</strong> Rahmen<br />

von Gesetz und Satzung) thesauriert werden soll, handelt es sich um eine<br />

„unternehmerische“ und deshalb in ihrem Kern gerichtlicher Kontrolle entzogene<br />

Maßnahme <strong>im</strong> Sinne des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG. Daran än<strong>der</strong>t nichts, daß die<br />

Verwaltung tendenziell eine Rücklagenbildung einer Ausschüttung mit<br />

Außenfinanzierung vorziehen mag.<br />

• Die Verwaltung kann ausnahmsweise zu einer Thesaurierung verpflichtet sein, wenn<br />

an<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Bestand <strong>der</strong> Gesellschaft konkret gefährdet würde, insbeson<strong>der</strong>e weil eine<br />

Ausschüttung einen sonst nicht behebbaren Liquiditätsengpaß auslösen würde.<br />

• Einschränkungen des Handlungsermessens <strong>der</strong> Verwaltung, die aus <strong>der</strong> Behauptung<br />

einer best<strong>im</strong>mten Relation <strong>der</strong> Gewinnrücklagen zur Grundkapitalziffer, aus § 254<br />

AktG o<strong>der</strong> aus dem Gesichtspunkt <strong>der</strong> „Residualberechtigung“ <strong>der</strong> Aktionäre<br />

abgeleitet werden könnten, sind abzulehnen.<br />

• Was den Umgang mit unterschiedlichen Ausschüttungspräferenzen <strong>der</strong> Aktionäre<br />

betrifft, ist Folgendes festzuhalten. Die Verwaltung ist nicht berechtigt, ohne<br />

Rücksicht auf gegenläufige Ausschüttungspräferenzen an<strong>der</strong>er Anleger den<br />

Jahresüberschuß ganz o<strong>der</strong> zum Teil <strong>im</strong> Hinblick darauf zur Ausschüttung<br />

freizugeben, daß einzelne individuelle Anleger, etwa <strong>der</strong> Mehrheitsaktionär, über<br />

profitablere Anlagemöglichkeiten verfügen, o<strong>der</strong> daß für sie die<br />

Ausschüttungsentscheidung zu günstigeren steuerlichen Konsequenzen als eine<br />

Thesaurierung führt, o<strong>der</strong> daß sie beson<strong>der</strong>e Liquiditätsbedürfnisse haben. Dabei<br />

37


handelt es sich um individuelle, nicht in <strong>der</strong> Mitgliedschaft angelegte Gegebenheiten,<br />

an denen die Verwaltung ihre Ausschüttungsentscheidung nicht ausrichten darf, wenn<br />

nicht ausgeschlossen werden kann, daß dadurch an<strong>der</strong>e Anleger mit an<strong>der</strong>en<br />

Präferenzen nachteilig betroffen würden. Wohl aber darf die Verwaltung eine<br />

typisierende Betrachtung vornehmen, auch wenn dies für einzelne Anlegergruppen<br />

wegen <strong>der</strong>en Interessen an einer Thesaurierung bzw. Ausschüttung <strong>im</strong> Vergleich mit<br />

<strong>der</strong> gegenläufigen Entscheidung <strong>der</strong> Verwaltung zu Nachteilen führt. So kann die<br />

Gesellschaft zum Beispiel das Ziel <strong>der</strong> Ausschüttung einer stetigen Dividende<br />

verfolgen; dies ermöglicht den Anlegern vor <strong>der</strong> (Wie<strong>der</strong>-) Anlageentscheidung eine<br />

Einschätzung, ob dies mit ihren Präferenzen übereinst<strong>im</strong>mt. Das Dilemma<br />

unterschiedlicher Ausschüttungspräferenzen kann die Verwaltung auch durch<br />

alternative Verfahren lösen, etwa indem sie ein Aktienrückkaufprogramm auflegt<br />

o<strong>der</strong> in Gesellschaften mit nicht börsengehandelten Anteilen dazu beiträgt, daß<br />

Anteile verkauft werden können.<br />

4. Hinsichtlich <strong>der</strong> Rücklagenbildung durch die Hauptversammlung gemäß § 58 Abs. 3<br />

AktG sind folgende Ergebnisse <strong>der</strong> Untersuchung festzuhalten:<br />

• Die Hauptversammlung ist bei ihrer Entscheidung über Rücklagenbildung o<strong>der</strong><br />

Ausschüttung an den Gesellschaftszweck gebunden. Bei <strong>der</strong> Frage, ob eine<br />

Thesaurierungsentscheidung den Gesellschaftszweck för<strong>der</strong>t, steht den abst<strong>im</strong>menden<br />

Aktionären ein breiter Beurteilungsspielraum zu. Eine Anfechtung des<br />

Gewinnverwendungsbeschlusses wegen Unvereinbarkeit mit dem Gesellschaftszweck<br />

dürfte daher praktisch nicht in Betracht kommen.<br />

• Auch eine allgemeine Inhaltskontrolle des Gewinnverwendungsbeschlusses <strong>im</strong> Sinne<br />

<strong>der</strong> Kali & Salz - Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes scheidet aus. Auf<br />

Anfechtungsklage <strong>der</strong> hierzu berechtigten Min<strong>der</strong>heit gemäß § 254 AktG hin findet<br />

nur eine eingeschränkte Inhaltskontrolle unter den dort angegebenen<br />

Voraussetzungen statt. Davon werden aber übermäßige, nicht <strong>im</strong> engeren Sinn<br />

notwendige Rücklagenbildungen nicht erfaßt, solange nur die Min<strong>im</strong>aldividende des<br />

§ 254 Abs. 1 AktG ausgezahlt wird.<br />

• Rechtspolitische Kritik ist daran zu üben, daß Berechnungsgrundlage für die<br />

Min<strong>im</strong>aldividende des § 254 Abs. 1 AktG nur die Summe <strong>der</strong> eingezahlten Einlagen<br />

ist, während die inzwischen gebildeten Rücklagen nicht einbezogen werden.<br />

• Die eingeschränkte Inhaltskontrolle gemäß § 254 Abs. 1 AktG schließt die Kontrolle<br />

des Gewinnverwendungsbeschlusses unter dem Gesichtspunkt <strong>der</strong> Treuepflichtverletzung<br />

nicht aus. Eine solche Treuepflichtverletzung liegt aber nicht bereits bei<br />

einer übermäßigen, sachlich nicht notwendigen Rücklagenbildung vor. Vielmehr<br />

müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Entscheidung <strong>der</strong> Mehrheit darüber<br />

hinausgehend als pflichtwidrige Durchsetzung <strong>der</strong> Interessen <strong>der</strong> Mehrheit gegenüber<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft o<strong>der</strong> <strong>der</strong> überst<strong>im</strong>mten Min<strong>der</strong>heit erscheinen lassen.<br />

5. Die Ansatz- und Bewertungsvorschriften des Handelsbilanzrechts enthalten vielfach<br />

unbest<strong>im</strong>mte Rechtsbegriffe, <strong>der</strong>en Anwendung zur Bildung stiller Reserven führen kann.<br />

Die Auslegung „einfacher“ unbest<strong>im</strong>mter Rechtsbegriffe, die dem Anwen<strong>der</strong> keine<br />

Einschätzungsprärogative einräumen, ist durch den Abschlußprüfer und in den weiteren für<br />

die Bilanzprüfung vorgesehenen Verfahren (Prüfstelle für Rechnungslegung; BAFin,<br />

Gerichte) in vollem Umfang nachprüfbar. Ein <strong>im</strong> Kern kontrollfreier, rechtlich gesicherter<br />

Beurteilungsspielraum steht dem Bilanzersteller dagegen dort zu, wo es um die Abschätzung<br />

künftiger Entwicklungen o<strong>der</strong> Risiken geht. Dies kann zur Bildung unvermeidbarer<br />

„Schätzungsreserven“ führen.<br />

38


6. „Ermessensreserven“ gehen auf die Ausübung von Ansatz- und Bewertungswahlrechten<br />

zurück. Die Reichweite <strong>der</strong> Kontrolle <strong>der</strong> Ausübung solcher Bilanzierungswahlrechte richtet<br />

sich nach <strong>der</strong> jeweiligen Norm, die ein solches Wahlrecht einräumt. Im Ansatz sind insoweit<br />

Wahlrechte, die das Bilanzrecht aus bilanzfremden (vor allem steuerlichen) Gründen<br />

einräumt, und die es aus Bilanzierungsgründen <strong>im</strong> engeren Sinne vorsieht, zu unterscheiden.<br />

Unabhängig davon unterliegt die Auslegung von Normen, die Bilanzierungswahlrechte<br />

einräumen, <strong>der</strong> vollen Überprüfung durch den Abschlußprüfer, die Prüfstelle für<br />

Rechnungslegung und in den in Betracht kommenden staatlichen Verfahren durch die<br />

Gerichte und die BAFin. Denn das Ermessen des Bilanzerstellers bezieht sich nicht auf das<br />

Ob und die rechtlichen Voraussetzungen, unter denen <strong>der</strong> Gesetzgeber ein Ermessen<br />

einräumen will. Ferner ist auch bei Ermessensnormen o<strong>der</strong> Bilanzierungswahlrechten in<br />

vollem Umfang und nicht nur eingeschränkt überprüfbar, ob <strong>der</strong> Bilanzersteller den<br />

relevanten Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt und festgestellt hat.<br />

7. Der Begriff <strong>der</strong> „Willkürreserven“ hat heute keine rechtliche Bedeutung mehr. Mit ihm<br />

können zusammenfassend alle unzulässigen, unter Verstoß gegen gesetzliche o<strong>der</strong> sonstige<br />

Rechnungslegungsnormen gebildeten stillen Reserven bezeichnet werden.<br />

39


WORKING PAPERS<br />

I<br />

1 Andreas Cahn Verwaltungsbefugnisse <strong>der</strong> Bundesanstalt für<br />

Finanzdienstleistungsaufsicht <strong>im</strong> Übernahmerecht und<br />

Rechtsschutz Betroffener<br />

(publ. in: ZHR 167 [2003], 262 ff.)<br />

2 Axel Nawrath Rahmenbedingungen für den Finanzplatz Deutschland: Ziele<br />

und Aufgaben <strong>der</strong> Politik, insbeson<strong>der</strong>e des<br />

Bundesministeriums <strong>der</strong> Finanzen<br />

3 Michael Senger Die Begrenzung von qualifizierten Beteiligungen nach § 12<br />

Abs. 1 KWG<br />

(publ. in: WM 2003, 1697-1705)<br />

4 Georg Dreyling Bedeutung internationaler Gremien für die Fortentwicklung<br />

des Finanzplatzes Deutschland<br />

5 Matthias Berger Das Vierte Finanzmarktför<strong>der</strong>ungsgesetz – Schwerpunkt<br />

Börsen- und Wertpapierrecht<br />

6 Felicitas Linden Die europäische Wertpapierdienstleistungsrichtlinie-<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen bei <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> Richtlinie<br />

7 Michael Findeisen Nationale und internationale Maßnahmen gegen die<br />

Geldwäsche und die Finanzierung des Terrorismus – ein<br />

Instrument zur Sicherstellung <strong>der</strong> Stabilität <strong>der</strong><br />

Finanzmärkte<br />

8 Regina Nößner Kurs- und Marktpreismanipulation – Gratwan<strong>der</strong>ung<br />

zwischen wirtschaftlich sinnvollem und strafrechtlich<br />

relevantem Verhalten<br />

9 Franklin R. Edwards The Regulation of Hedge Funds: Financial Stability and<br />

Investor Protection<br />

(publ. in: Baums/Cahn [Hrsg.] Hedge Funds, Risks and<br />

Regulation, 2004, S. 30 ff.)<br />

10 Ashley Kovas Should Hedge Fund Products be marketed to Retail<br />

Investors? A balancing Act for Regulators<br />

(publ. in: Baums/Cahn [Hrsg.] Hedge Funds, Risks and<br />

Regulation, 2004, S. 91 ff.)<br />

11 Marcia L. MacHarg Waking up to Hedge Funds: Is U.S. Regulation Taking a<br />

New Direction?<br />

(publ. in: Baums/Cahn [Hrsg.] Hedge Funds, Risks and<br />

Regulation, 2004, S. 55 ff.)


II<br />

12 Kai-Uwe Steck Legal Aspects of German Hedge Fund Structures<br />

(publ. in: Baums/Cahn [Hrsg.] Hedge Funds, Risks and<br />

Regulation, 2004, S. 135 ff.)<br />

13 Jörg Vollbrecht Investmentmo<strong>der</strong>nisierungsgesetz – Herausfor<strong>der</strong>ungen bei<br />

<strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong> OGAW – Richtlinien<br />

14 Jens Conert Basel II – Die Überarbeitung <strong>der</strong><br />

Eigenkapitalmarktregelungen <strong>der</strong> Kreditinstitute <strong>im</strong> Fokus<br />

von Wirtschaft- und Wettbewerbspolitik<br />

15 Bob Wessels Germany and Spain lead Changes towards International<br />

Insolvencies in Europe<br />

16 Theodor Baums / Taking Sharehol<strong>der</strong> Protection Seriously? Corporate<br />

Kenneth E. Scott Governance in the United Stated and in Germany<br />

(publ. in: AmJCompL LIII (2005), Nr. 4, 31 ff.; abridged<br />

version in: Journal of Applied Corporate Finance Vol. 17<br />

(2005), Nr. 4, 44 ff.)<br />

17 Bob Wessels International Jurisdiction to open Insovency Proceedings in<br />

Europe, in particular against (groups of) Companies<br />

18 Michael Gruson Die Doppelnotierung von Aktien deutscher Gesellschaften<br />

an <strong>der</strong> New Yorker und Frankfurter Börse: Die sogenannte<br />

Globale Aktie<br />

(publ. in: Die AG 2004, 358 ff.)<br />

19 Michael Gruson Consolidated and Supplemetary Supervision of Financial<br />

Groups in the European Union<br />

(publ. in: Der Konzern 2004, 65 ff. u. 249 ff.)<br />

20 Andreas Cahn Das richterliche Verbot <strong>der</strong> Kreditvergabe an Gesellschafter<br />

und seine Folgen<br />

(publ. in: Der Konzern 2004, 235 ff.)<br />

21 David C. Donald The Nomination of Directors un<strong>der</strong> U.S. and German Law<br />

22 Melvin Aron Eisenberg The Duty of Care in American Corporate Law<br />

(deutsche Übersetzung publ. in: Der Konzern 2004, 386 ff.)


III<br />

23 Jürgen Than Rechtsfragen bei <strong>der</strong> Festlegung von Emissionsbedingungen<br />

für Schuldverschreibungen unter beson<strong>der</strong>er<br />

Berücksichtigung <strong>der</strong> Dematerialisierung und des<br />

Depotgesetzes<br />

(publ. in: Baums/Cahn [Hrsg.] Die Reform des<br />

Schuldverschreibungsrechts, 2004, S. 3 ff.)<br />

24 Philipp von Randow Inhaltskontrolle von Emissionsbedingungen<br />

(publ. in: Baums/Cahn [Hrsg.] Die Reform des<br />

Schuldverschreibungsrechts, 2004, S. 25 ff.)<br />

25 Hannes Schnei<strong>der</strong> Die Än<strong>der</strong>ung von Anleihebedingungen durch Beschluß <strong>der</strong><br />

Gläubiger<br />

(publ. in: Baums/Cahn [Hrsg.] Die Reform des<br />

Schuldverschreibungsrechts, 2004, S. 69 ff.)<br />

26 Hans-Gert Vogel Die Stellung des Anleihetreuhän<strong>der</strong>s nach deutschem Recht<br />

(publ. in: Baums/Cahn [Hrsg.] Die Reform des<br />

Schuldverschreibungsrechts, 2004, S. 94 ff.)<br />

27 Georg Maier-Re<strong>im</strong>er Rechtsfragen <strong>der</strong> Restrukturierung, insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong><br />

Ersetzung des Schuldners<br />

(publ. in: Baums/Cahn [Hrsg.] Die Reform des<br />

Schuldverschreibungsrechts, 2004, S. 129 ff.)<br />

28 Christoph Keller Umschuldung von Staatenanleihen unter Berücksichtigung<br />

<strong>der</strong> Problematik einer Aggregation aller Anleihegläubiger<br />

(publ. in: Baums/Cahn [Hrsg.] Die Reform des<br />

Schuldverschreibungsrechts, 2004, S. 157 ff.)<br />

29 René Bösch Die Emission von Schuldverschreibungen nach<br />

schweizerischem Recht – ein Rechtsvergleich mit dem<br />

geplanten deutschen Schuldverschreibungsrecht<br />

(publ. in: Baums/Cahn [Hrsg.] Die Reform des<br />

Schuldverschreibungsrechts, 2004, S. 189 ff.)<br />

30 Lachlan Burn Bond Issues un<strong>der</strong> U.K. law: How the proposed German<br />

Legislation compares<br />

(publ. in: Baums/Cahn [Hrsg.] Die Reform des<br />

Schuldverschreibungsrechts, 2004, S. 219 ff.)<br />

31 Patrick S. Kenadjian Bond Issues un<strong>der</strong> New York and U.S. Law: Consi<strong>der</strong>ations<br />

for the German Law Maker from a U.S. Perspective<br />

(publ. in: Baums/Cahn [Hrsg.] Die Reform des<br />

Schuldverschreibungsrechts, 2004, S. 245 ff.)


IV<br />

32 Andreas Cahn Bankgehe<strong>im</strong>nis und For<strong>der</strong>ungsverwertung<br />

(publ. in: WM 2004, 2041 ff.)<br />

33 Michael Senger Kapitalkonsolidierung <strong>im</strong> Bankkonzern<br />

(publ. in: Der Konzern 2005, S. 201 ff.)<br />

34 Andreas Cahn Das neue Insi<strong>der</strong>recht<br />

(publ. in: Der Konzern 2005, 5 ff.)<br />

35 Helmut Siekmann Die Unabhängigkeit von EZB und Bundesbank nach dem<br />

geltenden Recht und dem Vertrag über eine Verfassung für<br />

Europa<br />

36 Michael Senger Gemeinschaftsunternehmen nach dem Kreditwesengesetz<br />

37 Andreas Cahn Gesellschafterfremdfinanzierung und Eigenkapitalersatz<br />

(publ. in: Die AG 2005, S. 217 ff.)<br />

38 Helmut Siekmann Die Verwendung des Gewinns <strong>der</strong> Europäischen<br />

Zentralbank und <strong>der</strong> Bundesbank<br />

39 Guido Ferrarini Contract Standards and the Markets in Financial Instruments<br />

Directive (MiFID): An Assessment of the Lamfalussy<br />

Regulatory Architecture<br />

(publ. in: European Contract Law Review 2005, p. 19)<br />

40 David C. Donald Sharehol<strong>der</strong> Voice and Its Opponents<br />

(publ. in: The Journal of Corporate Law Studies, Vol. 5,<br />

Issue 2, 2005)<br />

41 John Armour Who should make Corporate Law? EC Legislation versus<br />

Regulatory Competition<br />

(publ. in: 58 Current Legal Problems [2005], p. 369 ff.)<br />

42 David C. Donald The Laws Governing Corporations formed un<strong>der</strong> the<br />

Delaware and the German Corporate Statutes<br />

43 Garry J. Schinasi/ The Len<strong>der</strong> of the Last Resort in the European Single<br />

Pedro Gustavo Teixeira Financial Market<br />

(publ. in: Corss Bor<strong>der</strong> Banking: Regulatory Challenges,<br />

Gerard Caprio Jr., Douglas D. Evanoff, George G. Kaufman<br />

eds., 2006)<br />

44 Ashley Kovas UCITS – Past, Present and Future in a World of Increasing<br />

Product Diversity


V<br />

45 Rick Verhagen A New Conflict Rule for Securitization and other Cross-<br />

Bor<strong>der</strong> Assignments – A potential threat from Europe<br />

(publ. in: Lloyd’s Marit<strong>im</strong>e and Commercial Law Quaterly<br />

2006, p. 270)<br />

46 Jochem Reichert/ Berichtspflicht des Vorstands und Rechtsschutz <strong>der</strong><br />

Michael Senger<br />

Aktionäre gegen Beschlüsse <strong>der</strong> Verwaltung über die<br />

Ausnutzung eines genehmigten Kapitals <strong>im</strong> Wege <strong>der</strong><br />

allgemeinen Feststellungsklage<br />

(publ. in: Der Konzern 2006, S. 338 ff.)<br />

47 Guido A. Ferrarini One Share – One Vote: A European Rule?<br />

(publ. in: European Company and Financial Law Review<br />

2006, p. 147)<br />

48 Theodor Baums Die Fremdkapitalfinanzierung <strong>der</strong> Aktiengesellschaft durch<br />

das Publikum<br />

(publ. in: Bayer/Habersack (eds.), Aktienrecht <strong>im</strong> Wandel<br />

<strong>der</strong> Zeit, Vol. 2, 2007, 952 ff.)<br />

49 Ulrich Segna Anspruch auf Einrichtung eines Girokontos aufgrund <strong>der</strong><br />

ZKA-Empfehlung „Girokonto für je<strong>der</strong>mann“?<br />

(publ. in: BKR 2006, S. 274 ff.)<br />

50 Andreas Cahn Eigene Aktien und gegenseitige Beteiligungen<br />

51 Hannes Klühs/ Beteiligungstransparenz <strong>im</strong> Aktienregister von REIT-<br />

Roland Schmidtbleicher Gesellschaften<br />

(publ. in: ZIP 2006, S. 1805 ff.)<br />

52 Theodor Baums Umwandlung und Umtausch von Finanzinstrumenten <strong>im</strong><br />

Aktien- und Kapitalmarktrecht<br />

(publ. in: Festschrift für Canaris, Bd. II, 2007, S. 3 ff.)<br />

53 Stefan S<strong>im</strong>on/ Die Umsetzung <strong>der</strong> Richtlinie über grenzüberschreitende<br />

Daniel Rubner<br />

Verschmelzungen ins deutsche Recht<br />

(publ. in: Der Konzern 2006, S. 835 ff.)<br />

54 Jochem Reichert Die SE als Gestaltungsinstrument für grenzüberschreitende<br />

Umstrukturierungen<br />

(publ. in: Der Konzern 2006, S. 821 ff.)<br />

55 Peter Kindler Der Wegzug von Gesellschaften in Europa<br />

(publ. in: Der Konzern 2006, S. 811 ff.)


VI<br />

56 Christian E. Decher Grenzüberschreitende Umstrukturierungen jenseits von SE<br />

und Verschmelzungsrichtlinie<br />

(publ. in: Der Konzern 2006, S. 805 ff.)<br />

57 Theodor Baums Aktuelle Entwicklungen <strong>im</strong> Europäischen Gesellschaftsrecht<br />

(publ. in: Die AG 2007, S. 57 ff.)<br />

58 Theodor Baums European Company Law beyond the 2003 Action Plan<br />

(publ. in: European Business Organization Law Review<br />

Vol. 8, 2007, 143 ff.)<br />

59 Andreas Cahn/ Ad-hoc-Publizität und Regelberichterstattung<br />

Jürgen Götz<br />

(publ. in: Die AG 2007, S. 221 ff.)<br />

60 Roland Schmidtbleicher/ „Defensive bids“ für Staatsanleihen – eine<br />

Anh-Duc Cordalis Marktmanipulation?<br />

(publ. in: ZBB 2007, 124-129)<br />

61 Andreas Cahn Die Auswirkungen <strong>der</strong> Kapitalän<strong>der</strong>ungsrichtlinie auf den<br />

Erwerb eigener Aktien

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