Exkurs Zeigerwerte nach Ellenberg - IKZM-D Lernen
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<strong>Exkurs</strong> <strong>Zeigerwerte</strong><br />
Organismen lassen aufgrund ihrer speziellen Lebensansprüche qualitative und zum Teil<br />
auch quantitative Aussagen über bestimmte Zustände in einem Ökosystem zu. Besonders<br />
Arten mit einem engen physiologischen Toleranzbereich für einen ökologischen Faktor (so<br />
genannte stenopotente Arten) geben durch ihr Vorkommen bzw. Fehlen Hinweise auf die<br />
Intensität dieses Faktors – dadurch eignen sie sich auch hervorragend als so genannte<br />
Zeigerorganismen bei Landschaftsplanungen, Flächennutzungsplanungen oder Umweltüberwachungen.<br />
ELLENBERG veröffentlichte 1974 eine Übersicht über die <strong>Zeigerwerte</strong> der Gefäßpflanzen<br />
[Blütenpflanzen und Farngewächse] Mitteleuropas. Der Zeigerwert einer Art ergibt sich aus<br />
der Auswertung des jeweiligen ökologischen Verhaltens gegenüber den wichtigsten<br />
abiotischen Standortfaktoren, der Bedeutung der Lebensform (s.u.) sowie des pflanzensoziologischen<br />
Verhaltens.<br />
Das ökologische Verhalten bezüglich der einwirkenden Faktoren beruht auf der so<br />
genannten ökologischen Valenz. Hierunter versteht man den für die jeweilige Art wirksamen<br />
Intensitätsbereich eines Faktors. Der ökologischen Valenz eines Faktors entspricht die<br />
Potenz des Organismus, d.h. die spezifische Verträglichkeit (Toleranz) gegenüber der<br />
Intensität des Faktors (Stöckert & Dietrich, 1986, Brockhaus Biologie).<br />
ELLENBERG versteht zudem unter dem ökologischen Verhalten einer Art das Verhalten<br />
unter dem in einem Bestand herrschenden Konkurrenzdruck. D.h. also, dass mit den<br />
<strong>Zeigerwerte</strong>n keine Aussagen über die physiologischen „Ansprüche“ der betreffenden Arten<br />
gemacht werden können. Dies ist nur durch Kulturversuche zuverlässig möglich.<br />
Zur Ermittlung der <strong>Zeigerwerte</strong> wird das ökologische Verhalten anhand von (meist) neunstufigen<br />
Skalen bewertet. Der Vorteil der Verwendung von Ziffern liegt in der Möglichkeit der<br />
Berechnung von Durchschnittszahlen für ganze Pflanzenbestände (Vegetationsaufnahmen).<br />
Diese können zur ökologischen Kennzeichnung solcher Bestände und damit zur Bewertung<br />
und Vergleichbarkeit verwendet werden.<br />
Folgende ökologische Standortfaktoren werden berücksichtigt:<br />
• als klimatische Faktoren Licht, Temperatur und Kontinentalität,<br />
• als Bodenfaktoren Feuchtigkeit (12stufige Skala), Bodenreaktion, Stickstoff-<br />
Versorgung und zusätzlich das Verhalten auf Salz- bzw. Schwermetall-Gehalt des<br />
Bodens.<br />
Die Lichtzahl L kennzeichnet den Bereich des Vorkommens einer Art mit abnehmender<br />
relativer Beleuchtungsstärke. Die Skala der Lichtzahl reicht von Tiefschatten- (1) bis zu Voll-<br />
Lichtpflanzen (9).<br />
Die Skala der Temperaturzahl T spiegelt die mittleren Wärmeverhältnisse wieder. Die Skala<br />
reicht hier von Kälte- (1) bis zu extremen Wärmezeigern (9).<br />
Der Wert der Kontinentalität K ergänzt die Temperaturzahl, indem sie relative Vorstellungen<br />
der Temperaturschwankungen, v.a. der Härte des Winters und der Häufigkeit von Früh- und<br />
Spätfrösten gibt. Die Skala der Kontinentalität reicht von euozeanischen (1) bis zu<br />
eukontinentalen (9) Bedingungen.<br />
Die Feuchtezahl F drückt das durchschnittliche ökologische Verhalten gegenüber der<br />
Bodenfeuchtigkeit bzw. dem Wasser als Lebensmedium aus.<br />
Obwohl dieser Umweltfaktor großen kurz- oder langfristigen Schwankungen unterliegt, durch<br />
die eine absolute Einstufung <strong>nach</strong> einheitlichen Messgrößen unmöglich wird, ist eine relative<br />
Einstufung der meisten Arten aufgrund vieler Untersuchungen über Beziehungen zwischen<br />
Pflanzengesellschaften und Grundwasserständen bzw. Wassertiefen möglich.<br />
Die Skala der Feuchtezahl reicht von Starktrockniszeigern (1) bis zu Nässezeigern (9) und ist<br />
durch die Wechselwasserzeiger, Wasserpflanzen und Unterwasserpflanzen der Stufen 10 -<br />
12 gegenüber den anderen Skalen erweitert. Wechselfeuchtezeiger und Überschwem-
mungzeiger (jahreszeitlich stark wechselnde Feuchteverhältnisse) werden zusätzlich<br />
besonders kenntlich gemacht (~,=).<br />
Zu beachten ist, dass manche Arten bezüglich des Faktors Bodenfeuchtigkeit so weite<br />
Amplituden haben, dass sie als indifferent (x) angesehen werden müssen.<br />
Auch gegenüber der Bodenreaktion haben die meisten höheren Pflanzen eine besonders<br />
große physiologische Amplitude. Da aber Konkurrenten den Lebensbereich einengen, ist das<br />
ökologische Verhalten vieler Arten mit Reaktionszahlen R bewertbar. Die Skala der<br />
Reaktionszahlen reicht von Starksäurezeigern (1) bis zu Basen- und Kalkzeigern (9).<br />
Die Angaben über das ökologische Verhalten gegenüber der Stickstoffversorgung des<br />
Bodens können <strong>nach</strong> ELLENBERG aufgrund unzureichender Kenntnisse nur als Versuch<br />
gesehen werden. Aber zumindest die <strong>Zeigerwerte</strong> für die beiden Extreme gelten als<br />
gesichert. Die Skala der Stickstoffzahlen N reicht von Magerkeits- (1) bis hin zu<br />
Stickstoffzeigern (9).<br />
Für die chemischen Faktoren, die bei den Salzzahlen S und den Schwermetallzeiger Z<br />
berücksichtigt werden, gilt, dass sie nur an wenigen Orten Mitteleuropas relevant, dort aber<br />
von entscheidender Bedeutung sind. Die vierstufige Skala enthält die <strong>Zeigerwerte</strong><br />
salzmeidend (-), salzertragend (I), meist salzzeigend (II) und stets salzzeigend (III). Für<br />
Schwermetalle gibt es nur wenige zuverlässig Zeiger in Mitteleuropa, aber einige mehr oder<br />
weniger tolerante Arten. Die Skala der Schwermetallzeiger beschreibt diese zwei<br />
Reaktionstypen mit z = mäßig schwermetallresistente Art und Z = ausgesprochen<br />
schwermetallresistente Art.<br />
Neben der Auswertung des jeweiligen ökologischen Verhaltens gegenüber den wichtigsten<br />
ökologischen Standortfaktoren sind auch die Lebensform und der Bau der Arten von<br />
Bedeutung. Sie werden berücksichtigt, da mit ihnen zum Teil Aussagen über die Beziehung<br />
einer Pflanze zu ihrer Umwelt und über ihre Rolle in der Vegetation gemacht werden können.<br />
Die Lebensformen werden <strong>nach</strong> der Wuchsform im Hinblick auf die Lage der Erneuerungsknospen<br />
zur Erdoberfläche während der ungünstigen Jahreszeit definiert (<strong>nach</strong> RAUNKIAER).<br />
Dabei verwendet ELLENBERG die etwas gröbere siebenstufige Unterteilung:<br />
• P Phanerophyt = Bäume > 5 m Höhe,<br />
• N Nanophanerophyt = Strauch oder Kleinbaum,<br />
• C Chamaephyt = Zwergstrauch (Z holziger und krautiger),<br />
• H Hemikryptophyt = Überwinterungsknospen nahe der Erdoberfläche,<br />
• G Geophyt = Überwinterungsknospen unter der Erdoberfläche,<br />
• T Therophyt = als Same überdauernd,<br />
• A Hydrophyt = Überwinterungsknospen i.d.R. unter Wasser liegend,<br />
gibt aber zusätzlich Hinweise auf Besonderheiten im Verhalten zum Substrat (ep Epiphyt =<br />
auf lebenden Pflanzen wachsend, li Liane) und im Nahrungserwerb (hp, vp Halb-,<br />
Vollparasit; s Saprophyt = von toter organischer Substanz lebend). Arten, die je <strong>nach</strong><br />
Standortsbedingungen ihre Lebensform ändern, erhalten mehrere Symbole.<br />
Bezüglich des Baus werden Angaben über die Ausdauer der grünen Beblätterung und über<br />
anatomisch-morphologische Strukturen, die sich v.a. auf den Wasserhaushalt und<br />
Gaswechsel zurückführen lassen, gemacht.<br />
Die Blattdauer wird als indirektes Maß der Stoffproduktion und Konkurrenzkraft gesehen. Bei<br />
den Bezeichnungen gibt es fließende Übergänge zwischen den Definitionen für S =<br />
Sommergrüne, W = grün überwinternde V = Vorsommergrüne. Mit I werden immergrüne<br />
Arten beschrieben.<br />
Anhand der anatomischen Struktur von Blättern und primären Wurzel wird zwischen sechs<br />
morphologischen Typen unterschieden: hd = hydromorph (auf Stoffwechselaustauch der<br />
grünen Organe mit dem Wasser eingerichtet), he = helomorph (mit lufterfüllten Räumen in
der Wurzelrinde, dem Sauerstoffmangel in Sumpfböden entsprechend), hg = hygromorph<br />
(zarte Schatt- oder Halbschattpflanze), m = mesomorph (ohne Besonderheiten, zwischen hg<br />
und sk), sk = skleromorph (versteift mit dicker Außenzell- und Schutzschicht und<br />
Einrichtungen zur Förderung der Wasser<strong>nach</strong>lieferung bei guter Wasserversorgung), su =<br />
blattsukkulent (mit Wasserspeichern in den Blättern und dicker Außenzell- und<br />
Schutzschicht).<br />
Zusätzlich wird zur Ermittlung der <strong>Zeigerwerte</strong> das pflanzensoziologische Verhalten<br />
ausgewertet. Es drückt die Rolle, die die jeweiligen Arten in den mitteleuropäischen<br />
Pflanzengesellschaften spielen, aus. ELLENBERG gibt dabei eine systematische Übersicht<br />
vor, die sich am System der Pflanzengesellschaften <strong>nach</strong> OBERDORFER (1983) orientiert. Mit<br />
diesen Angaben lassen sich schließlich Pflanzenbestände in das pflanzensoziologische<br />
System einordnen.<br />
Kritikpunkte:<br />
Das Verfahren beschränkt sich bei den Standortfaktoren auf drei klimatische und fünf<br />
Bodenfaktoren. Dies schließt viele Faktoren des komplexen Ökosystems, die den Zeigerwert<br />
einer Art wesentlich beeinflussen können, aus. Neben entscheidenden biotischen Faktoren,<br />
wie beispielsweise Konkurrenz, sind hier auch weitere wichtige abiotische Faktoren<br />
vorstellbar.<br />
ELLENBERG selbst begründet zumindest die Nichtberücksichtigung des Faktoren Phosphorversorgung,<br />
der Faktoren Kalium, Magnesium, Eisen, Spurenelemente und mechanisch<br />
wirksamer Faktoren. Bezüglich des Faktors Phosphorversorgung gibt er an, dass er zwar<br />
großen Einfluss auf das Artgefüge der Pflanzendecke habe, dass aber noch nicht genügend<br />
gesicherte Kenntnisse über die genauen Auswirkungen vorlägen. Genauso gälte für Schnitt,<br />
Verbiss und Tritt, dass sie (v.a.) Grünlandgesellschaften stark mitprägten und manchen<br />
Pflanzenarten daher als Zeiger ihrer Intensität verwendet werden könnten. Allerdings sei<br />
auch dieser leicht zu beurteilende Faktor meist nur schwer zu messen.<br />
Kalium, Magnesium, Eisen und Spurenelemente würden nicht berücksichtigt, da sie nur<br />
sekundären Mangel, d.h. durch häufiges Abernten entstanden Mangel, wiederspiegelten.<br />
Literatur:<br />
<strong>Ellenberg</strong> H. (1974): <strong>Zeigerwerte</strong> der Gefäßpflanzen Mitteleuropas. Scripta Geobotanica,<br />
Band 9, Erich Golze, Göttingen<br />
Oberdorfer E. (1983): Pflanzensoziologische <strong>Exkurs</strong>ionsflora. Stuttgart<br />
Stöckert & Dietrich, 1986, Brockhaus Biologie