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Januar 2010 als pdf herunterladen - Israelitische Kultusgemeinde ...

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Nr. 661 <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong><br />

Tewet/chwat 5770<br />

Erscheinungsort Wien<br />

Verlagspostamt 1010 P.b.b<br />

e 2.-<br />

GZ 03Z034854 W<br />

Die<br />

DVR 0112305 € 2.-<br />

GEMEINDE<br />

offizielles orgaN der israeliTischeN KulTusgemeiNde wieN<br />

magazin


INHALT<br />

&<br />

AUS DEM BÜRO<br />

DES PRÄSIDENTEN<br />

IKG-Budget <strong>2010</strong> 3-7<br />

IN EIGENER SACHE<br />

ALEXIA WEISS<br />

Serie: Hinter den Kulissen der IKG<br />

Teil 17: Redaktion<br />

„Die Gemeinde“ 4<br />

POLITIK<br />

INLAND<br />

HORST KAKL<br />

Aschner sitzt beim Kaffee 7<br />

Ehrung für Lüftl widerrufen 8<br />

Museumsdirektor Loewy und<br />

die FPÖ 9<br />

ALEXIA WEISS<br />

Stimmenfang mit<br />

Antisemitismus 10<br />

Zweiter Brandanschlag<br />

auf Synagoge in Kreta 11<br />

ISRAEL<br />

AMI EDEN<br />

Kampf gegen J2K Virus 12<br />

ULRICH W. SAHM<br />

Israelische Sicherheitskontrollen<br />

mit Psychologie 14<br />

Website für Terrornachwuchs 16<br />

ULRICH W. SAHM<br />

Israelisches Millionengeschäft<br />

mit Teheran 17<br />

Der Friedensprozess<br />

mit den Palästinensern 18<br />

WIRTSCHAFT<br />

ARI MILLER<br />

Mikrobrauereien in Israel 20<br />

REINHARD ENGEL<br />

Sonne statt Kohle 21<br />

Avocado-Export im Aufwind 23<br />

Israelische Weine in<br />

internationalen Regalen 23<br />

WISSENSCHAFT<br />

Sind die Talibans Nachkommen<br />

der Israeliten? 24<br />

Joubert-Syn drom:<br />

Forscher identifizieren Gen 25<br />

JÜDISCHE WELT<br />

Chanukkahgechenk<br />

für jüdische Friedhöfe 26<br />

Gedenken an Befreiung<br />

des Budapester Ghettos 27<br />

Die Beziehung Vatikan-Israel 28<br />

Panorama 30<br />

Operation Dachboden 32<br />

Jüdischer Natiolfonds:<br />

Blumen für Ruwabi 33<br />

Weltrekorde in Israel 34<br />

Israelische G’schichtln 2009 36<br />

KULTUR<br />

MARTA S. HALPERT<br />

Der israelische Film<br />

in Scheinwerferlich 38<br />

ALEXIA WEISS<br />

Zwangsjacke<br />

Bologna-Architektur 42<br />

Die Kinder von<br />

Maison D’Izieu 45<br />

ALEXIA WEISS<br />

Wie spreche ich mit Kindern<br />

über den Holocaust? 46<br />

ANITA POLLAK<br />

Im Gespräch mit<br />

Mirjam Presler 49<br />

ANITA POLLAK<br />

Grüße und Küsse an alle 50<br />

PETER WEINBERGER<br />

Überall & Nirgendwo 51<br />

Israel in Haiti 52<br />

JUDENTUM<br />

RABB. SCHLOMO HOFMEISTER<br />

Schailes & Tschuwos 54<br />

Titelbild: Baby „Israel“ © IDF<br />

Am Sonntag nach dem Beben wurde<br />

das erste Baby im Feldlazarett geboren.<br />

Mutter Jeanne-Mi chelle brachte einen<br />

gesunden Sohn zur Welt, ihr viertes<br />

Kind. Die meiste Zeit zeigt sie kaum Re -<br />

gungen, doch <strong>als</strong> sie den Namen ihres<br />

Sohnes erwähnt, huschte ein Lächeln<br />

über ihr Gesicht: „Israel“. „Es geht mir<br />

gut“, sagt sie.<br />

PLENARSITZUNGEN <strong>2010</strong><br />

9. Februar • 16. März • 15. April •<br />

11. Mai • 8. Juni • 6. Juli • 10. Au -<br />

gust • 7. September • 5. Ok to ber<br />

11. November • 9. Dezember<br />

Die Steinstellung<br />

für unsere geliebte Frau und Mutter<br />

Brigitte Shklarek<br />

wird s.G.w. am Sonntag, 31. <strong>Januar</strong>,<br />

um 12 Uhr am Zentralfriedhof IV. Tor<br />

stattfinden.<br />

Viviane und Niki Shklarek<br />

Anlässlich TU B’SCHWAT<br />

lädt der KKL am<br />

30. <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong><br />

nach dem G’ ttesdienst zum<br />

KIDDUSCH!<br />

ERDBEBEN AUF HAITI UND<br />

ISRAELS „UNANGEMESSENE REAKTION“<br />

Viele Staaten und Regierungschef haben Israel beschuldigt, auf<br />

His bol lah- und Hamas-Angriffe „unangemessen“ heftig reagiert<br />

zu haben. Jetzt ist es an der Zeit, dass die Medien in aller Welt<br />

eine weitere „unangemessene“ Reaktion Israels publik machen.<br />

Viele Nationen haben nach den verheerenden Erdbeben in Haiti<br />

nicht ge zö gert, zu helfen. Die USA schickten Güter und Hilfskom -<br />

man dos, Groß bri tannien entsandte 64 Feu er wehrmänner und 8 Volun<br />

täre, Frankreich stellte Truppen zur Suche und Ber gung Ver -<br />

schütteter zur Verfügung. An de re große und wohlhabende Staa -<br />

ten spendeten Geld.<br />

Das lediglich 7,5 Mio. Einwohner zählende Israel stellte ein Team<br />

von 250 Helfern und medizinischem Personal auf und errichtete<br />

das größte Feldlazarett in Haiti, in dem bis zu 5.000 Menschen pro<br />

Tag behandelt werden können. Ein Team von im Katastro phen ge -<br />

biet von Haiti stationierten israelischen Streitkräften hat ein 1,5 Mio.<br />

Euro teures Satelliten-Kommunikations sys tem installiert, da die<br />

Telefon- und Internetleitungen am 12. <strong>Januar</strong> zerstört worden sind.<br />

Die arabische und moslemische Welt tat – nichts.<br />

Die ös terrei chi chen Me dien waren - trotz Informationen - be dau er -<br />

licherwei se an dieser Art israelischer Reaktion nicht interessiert!<br />

Lesen Sie auf Seite 52 über Israels ein ma l igen Ein satz.<br />

Ausgewertet werden Meldungen von: APA, Jerusalem Post, Ha’aretz, MEMRI, Yediot Aharonot, Y-net, israelnetz<br />

(inn), nahostfocus (NOF), ICEJ, Honestly-concerned, GMW, JTA, ILI u.v.a.; © Wikimedia Commons<br />

GEmEinDE<br />

Medieninhaber (Verleger), Herausgeber: <strong>Israelitische</strong> <strong>Kultusgemeinde</strong> Wien.<br />

Zweck: Information der Mitglieder der IKG Wien in kulturellen, politischen<br />

und or ganisatori schen Belangen. Stärkung des demokratischen<br />

Bewusst seins in der österreichischen Bevöl kerung. Sitz: 1010 Wien, Seitenstettengasse 4, Postfach 145.<br />

Tel. Redaktion/Sekretariat 53 104/271, Anzeigenannahme 53 104/272, Fax: 53104/279, E-mail redaktion@ikg-wien.at<br />

Druck: AV+Astoria Druckzentrum GmbH, A-1030 Wien<br />

Alle signierten Artikel geben die persönliche Mei nung des Autors wieder, die sich nicht immer mit der<br />

Mei nung der Redaktion deckt. Für die Kaschrut der in der GEMEINDE angezeigten Produkte übernehmen<br />

Herausgeber und Redaktion ausdrücklich keine Verantwortung. Nicht alle Artikel, die in der Redak -<br />

tion einlangen, müs sen zur Veröffentlichung gelangen.<br />

2 <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770


IKG – Budget <strong>2010</strong><br />

Ein Budget zu erstellen, welches alle Wünsche und Anfor -<br />

de rungen erfüllt, ist immer schwierig, wenn nicht sogar<br />

unmöglich. Umso mehr gilt das für ein Budget, welches in<br />

Krisenzeiten erstellt wird. Für eine wachsende, prosperierende<br />

Gemeinde deren hoher Standard an Einrichtungen<br />

gleichzeitig erhalten und ausgebaut werden soll, mitten in<br />

einer Wirtschaftskrise ein Budget zu erstellen, ist nahezu<br />

ein Ding der Unmöglichkeit.<br />

Doch die Finanzkommission hat es in Zusammenarbeit mit<br />

den Gener<strong>als</strong>ekretären und dem Controlling der iKG ge -<br />

schafft.<br />

Das Krisenjahr 2009 bescherte der iKG stagnierende und<br />

zum Teil auch sinkende Einnahmen. Gleichzeitig sind die<br />

Kosten, teils auch unvorhersehbare Kosten, enorm gestiegen.<br />

Ein ausgeglichenes Ergebnis für 2009 wird nur Dank<br />

einer namhaften Erbschaft, die die iKG lukrieren konnte,<br />

erzielt werden können.<br />

Umso schwieriger wird es <strong>2010</strong> werden, denn mit derartigen<br />

nicht planbaren Einnahmen kann auch die iKG nicht<br />

jährlich rechnen.<br />

Gut ist, dass die inflationsrate und die Zinsen nach wie<br />

vor niedrig sind und die Personalkosten nur geringfügig<br />

erhöht werden mussten. Viele andere Kosten – und wir<br />

sprechen hier fast ausschließlich von den Fixkosten - steigen<br />

proportional oder sogar überproportional. Die Kosten<br />

für die Leistungen der iKG in den Bereichen Soziales,<br />

aber auch Kultus, Schulen und Kultur können nicht<br />

gekürzt wer den, da dies die ureigensten Aufgaben der<br />

Kultus ge mein de sind. Viele jüdische Vereine, die wesentliche<br />

Leis tun gen für ihre mitglieder erbringen, leiden unter<br />

den Kos tensteigerungen und benötigen mehr<br />

Unterstützung durch die iKG in Form von Subventionen,<br />

die diese kaum mehr geben kann.<br />

Trotz all dieser Schwierigkeiten ist es der Finanz kom mis -<br />

si on gemeinsam mit der Administration gelungen dem Kul -<br />

tusrat ein ausgeglichenes Budget für <strong>2010</strong> zu präsentieren,<br />

das von diesem auch beschlossen wurde (siehe<br />

nebenstehende Tabelle).<br />

Die Vorgaben des Budgets <strong>2010</strong> liegen hoch und es wird viel<br />

Arbeit und größte Disziplin notwendig sein, dieses hohe<br />

Ziel zu erreichen. Spielräume für weitere Ausgaben sind<br />

in diesem Budget nicht mehr enthalten.<br />

Das Jahr <strong>2010</strong> wird ein schwieriges Jahr, mit gemeinsamer<br />

Anstrengung werden wir es meistern!<br />

Judith Adler<br />

Vorsitzende der Finanzkommission<br />

AUS DEM BÜRO DES PRÄSIDENTEN<br />

mag. Friedrich Herzog<br />

Gener<strong>als</strong>ekretär<br />

Ergebnis Budget Vorschau Budget<br />

i.Tsd. Euro 2008 2009 2009 <strong>2010</strong><br />

KULTUS<br />

Summe Einnahmen 223,2 256,8 227,5 256,8<br />

Summe Aufwand -707,6 -801,6 -842,5 -727,2<br />

Subventionen an rel. Vereine -768,6 -745,7 -745,6 -778,7<br />

Bereichserfolg -1.253,1 -1.290,5 -1.360,7 -1.249,1<br />

BESTATTUNG + FRIEDHOF<br />

Summe Einnahmen 753,4 749,1 747,9 749,1<br />

Summe Aufwand -763,9 -662,1 -842,6 -697,1<br />

Bereichserfolg -10,5 87,0 -94,7 52,0<br />

SOZIALES<br />

Summe Einnahmen 98,8 104,7 132,2 104,7<br />

Summe Aufwand -245,1 -353,8 -240,8 -279,3<br />

Stipendiem -525,1 -500,2 -441,0 -496,6<br />

Zuschuss ESRA -90,0 -90,0 -90,0 -90,0<br />

Bereichserfolg -761,3 -839,3 -639,6 -761,2<br />

SCHULEN + JUGEND + SPORT<br />

Summe Einnahmen 0,3 6,0 1,4 6,0<br />

Summe Aufwand -75,1 -90,5 -63,9 -91,0<br />

Subventionen an Vereine -674,7 -1.080,9 -1.073,2 -1.074,0<br />

Bereichserfolg -749,5 -1.165,4 -1.135,7 -1.159,0<br />

KULTUR + ÖFFENTLICHKEITSARBEIT<br />

Summe Einnahmen 57,3 70,0 58,0 70,0<br />

Summe Aufwand -292,8 -192,7 -218,9 -207,0<br />

Subventionen an Vereine -3,0 -3,0 -0,3 -3,0<br />

Bereichserfolg -238,4 -125,7 -161,1 -140,0<br />

"DIE GEMEINDE" + HOMEPAGE<br />

Summe Einnahmen 170,1 199,8 165,1 200,8<br />

Summe Aufwand -418,4 -474,7 -459,9 -476,0<br />

Bereichserfolg -248,3 -274,9 -294,7 -275,2<br />

MITGLIEDERSERVICE<br />

Summe Einnahmen 274,8 275,0 261,5 323,0<br />

Summe Aufwand -193,1 -213,2 -200,6 -215,3<br />

Bereichserfolg 81,7 61,8 60,9 107,7<br />

IMMOBILIENVERWALTUNG & -ENTWICKLUNG<br />

Summe Einnahmen 6.548,9 6.536,9 6.422,3 6.749,8<br />

Summe Aufwand -1.324,4 -1.342,8 -1.380,3 -1.661,2<br />

Zinsenaufwand -450,6 0,0 0,0 0,0<br />

Bereichserfolg 4.773,9 5.194,1 5.042,0 5.088,6<br />

GENERALSEKRETARIAT<br />

Summe Einnahmen 780,6 706,5 648,2 714,2<br />

Summe Aufwand -920,7 -817,7 -956,2 -796,2<br />

Zinsenaufwand -96,2 -36,0 -88,9 -85,0<br />

Bereichserfolg -236,3 -147,2 -397,0 -167,0<br />

GRUPPENVERWALTUNG<br />

Summe Einnahmen 233,5 241,2 240,3 280,0<br />

Summe Aufwand -672,2 -688,1 -680,6 -731,2<br />

Bereichserfolg -438,7 -447,0 -440,4 -451,2<br />

RESTITUTION u. ARCHIV<br />

(ehem.Anlaufstelle 2001 - 2009 aus Budget ausgegliedert)<br />

Summe Einnahmen 0,0 100,0 100,0 749,6<br />

Summe Aufwand -602,4 147,2<br />

ORGANISATIONSABTEILUNG<br />

Summe Einnahmen 774,0 748,0 753,3 723,1<br />

Summe Aufwand -1.821,5 -1.967,4 -1.905,1 -2.123,2<br />

Bereichserfolg -1.047,5 -1.219,4 -1.151,9 -1.400,1<br />

FUNDRAISING<br />

Summe Einnahmen 257,9 400,0 209,4 350,0<br />

Summe Aufwand -128,1 -124,4 -137,0 -140,7<br />

Bereichserfolg 129,8 275,6 72,5 209,3<br />

ZUSAMMENFASSUNG:<br />

Summe Einnahmen 10.172,7 10.394,0 9.967,2 11.277,1<br />

Summe Ausgaben -8.088,0 -8.229,3 -8.369,5 -9.244,4<br />

Summe Zinsen -546,8 -36,0 -88,9 -85,0<br />

Summe Einnahmen-Ausgaben 1.538,0 2.128,6 1.508,8 1.947,7<br />

Summe Subventionen an Vereine -1.536,3 -1.919,6 -1.909,0 -1.945,7<br />

CASH-FLOW 1,7 209,0 -400,3 2,0<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770


IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />

SERIE<br />

Hinter den Kulissen –<br />

Die IKG Wien stellt sich vor<br />

Teil 17: Redaktion „Die Gemeinde“<br />

serVice<br />

erreichbarkeit der redaktion<br />

„die gemeinde“<br />

Die Redaktion ist wochentags<br />

von 9.00-18.00 Uhr telefonisch<br />

unter 01/53104 – 271 (mag. inge<br />

Heitzinger) sowie per mail unter<br />

redaktion@ikg-wien.at erreichbar.<br />

„Wir sind das<br />

Sprachrohr der<br />

IKG nach außen“<br />

Bis diese Zeitung, die Sie nun lesen, in<br />

Ih ren Händen liegt, hat Chefredakteurin<br />

Sonia Feiger tausende Agenturmel dun -<br />

gen, Mails und Berichte in anderen in- und<br />

ausländischen Medien nach möglichen<br />

Themen gesichtet und sortiert, Autoren<br />

um Beiträge gebeten, Bilder und Ab druck -<br />

genehmigungen organisiert. Doch ihre<br />

Abteilung macht weit mehr: sie ist auch<br />

für den Insider, Sonderausgaben und den<br />

Webauftritt der IKG verantwortlich. Man<br />

könnte auch sagen: hier werden die Visit -<br />

karten der <strong>Kultusgemeinde</strong> produziert.<br />

Denn die Print- und Webpublikationen<br />

dienen nicht nur der Information der Mit -<br />

glieder, sondern auch der Darstellung jü -<br />

dischen Lebens in einer nichtjüdischen<br />

Mehrheitsgesellschaft.<br />

VON ALEXIA WEiss<br />

Die Redaktion: das sind Karin Fasching-<br />

Kuales, Sonia Feiger, Manuela Glamm,<br />

Inge Heitzinger, Ida Labudovic und Irene<br />

Messinger . Ein Frauenbüro <strong>als</strong>o, „nicht<br />

beabsichtig, das hat sich einfach so ergeben“,<br />

wie Feiger betont. Sie lobt ihr<br />

Team, „das wirklich ausgezeichnet funktioniert,<br />

sonst würde auch nicht alles so reibungslos<br />

laufen“. Die Aufgaben sind<br />

klar verteilt, gearbeitet wird eigenverantwortlich.<br />

Und das auch manchmal<br />

vom Home Office aus: denn messin -<br />

ger, Glamm und Fasching-Kuales sind<br />

mütter kleiner Kinder und arbeiten da -<br />

her Teilzeit. internet und Laptop ermög-lichen<br />

dennoch eine permanente<br />

Erreichbarkeit.<br />

Ohne Laptop könnte auch Sonia Fei ger<br />

nicht seit mittlerweile 15 Jah ren mo -<br />

nat für monat ein aktuelles magazin<br />

produzieren. ihr externe Festplatte<br />

be gleitet sie von zu Hause in die Re -<br />

dak tion und wieder nach Hause und<br />

ihr Laptop hat auch so manchen an -<br />

de ren Kontinent schon bereist, denn<br />

Urlaub oder Krankheit ändern nichts<br />

daran: „Die Gemeinde“ muss erscheinen.<br />

Feiger gibt dabei eine „One Wo -<br />

man-Show“: sie sichtet das Agen tur -<br />

ma terial, filtert aus den rund 400 täglich<br />

einlangenden mails jene, die relevant<br />

sind, und arbeitet sich durch inund<br />

ausländische jüdische und nichtjüdische<br />

Publikationen.<br />

monat für monat muss der Spagat ge -<br />

lingen, mit dem Gebotenen eine Ziel -<br />

gruppe anzusprechen, die so inhomogen<br />

ist wie die jüdische Gemeinde in<br />

Wien eben ist – von jung bis alt, von<br />

säkular bis ultra-orthodox. Letzteres<br />

schlägt sich auch in der illustration<br />

nie der: Dekolletées dürfen nicht zu tief<br />

ausfallen, eine Bebilderung eines Bei -<br />

trags über Bademode made in israel<br />

kann da schon einmal zur Heraus for -<br />

de rung werden.<br />

„Das Lesen ist der eigentliche Schwer -<br />

punkt für die Themenfindung“, betont<br />

Feiger. Jüdische medien sieht sie übrigens<br />

nicht <strong>als</strong> Konkurrenz, sondern <strong>als</strong><br />

wichtige Bereicherung jüdischen Le -<br />

bens in Österreich. Dennoch: „Die Ge -<br />

meinde“ ist das offizielle Sprach rohr<br />

der iKG nach außen. Es ist <strong>als</strong>o durch -<br />

aus beabsichtigt, dass auch am Juden -<br />

tum und der iKG interessierte nicht -<br />

ju den sowie heimische medien ver tre -<br />

ter zur ständigen Leserschaft zählen.<br />

Seit etwas mehr <strong>als</strong> drei Jahren konnte<br />

Feiger auch renommierte Journalisten<br />

für Eigenbeiträge in der „Gemeinde“<br />

ge winnen: nun steuern regelmäßig<br />

Reinhard Engel, Marta Halpert, L. Jo seph<br />

Heid, Anita Pollak und die Autorin die -<br />

ser Serie Texte bei. Peter Weinberger be -<br />

streitet die Kolumne „Überall &<br />

nirgend wo“. Von Ulrich W. Sahm kom -<br />

men Berichte aus israel. Finanziell<br />

möglich gemacht wurde das einerseits<br />

durch Verhandlungen mit Bilddaten -<br />

ban ken, womit Fotos nun günstiger<br />

zur Verfügung stehen und mittel für<br />

Texte frei wurden, andererseits durch<br />

eine Erhöhung des Autorenbudgets<br />

4 <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770


IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />

durch das Gener<strong>als</strong>ekretariat, freut<br />

sich die Chefredakteurin.<br />

Kontakt halten, Themen in Auftrag ge -<br />

ben, Autoren-Vorschlägen zustimmen<br />

oder sie ablehnen: auch das gehört zu<br />

Feigers Arbeit. Und schließlich wählt<br />

sie auch Beiträge aus internationalen<br />

medien aus, die dann von Fasching-<br />

Kuales vom Englischen ins Deutsche<br />

übersetzt werden. Sie ist seit 1999 bei<br />

der iKG beschäftigt und hat schon zu -<br />

vor Redaktionserfahrung gesammelt.<br />

Dann beginnt die eigentliche Pro duk -<br />

ti on: vieles von dem, was sich in ei nem<br />

monat an material angesammelt hat,<br />

etwa zu israel, wäre bei Drucklegung<br />

wieder veraltet. Also: neuerlich sichten,<br />

aussortieren, neue Dinge hereinnehmen.<br />

„Wenn aktuell noch etwas passiert,<br />

kann ich bis einen Tag vor Druck<br />

reagieren.“ manchmal heißt das auch:<br />

den Andruck um einen oder mehrere<br />

Ta ge nach hinten verschieben. Hier<br />

lobt Feiger die gute Zusammenarbeit<br />

mit dem AV+Astoria Druckzentrum.<br />

Die mannschaft dort zeige immer Ver -<br />

ständnis, was dem Blatt nicht nur hinsichtlich<br />

seiner Aktualität gut tut, sondern<br />

sicherstellt, dass es auch er scheint,<br />

sollte Feiger krankheitsbedingt einmal<br />

für ein, zwei Tage ausfallen. Länger<br />

ist dies noch nie der Fall gewesen, denn<br />

stolz erzählt sie, es in den vergangenen<br />

15 Jahren auf nur fünf Kranken stands -<br />

tage gebracht zu haben.<br />

Steht fest, was ins Blatt kommt, geht<br />

es ans Layout: dieses wird von Feiger<br />

ebenso erstellt wie das druckfertige<br />

PDF, das schließlich an die Druckerei<br />

geht. Dazwischen liegen noch Bild aus -<br />

wahl, Titelgestaltung – und das Ein -<br />

holen von Genehmigungen im Fall des<br />

Abdrucks von Beiträgen, die bereits<br />

in anderen medien erschienen sind.<br />

Hier geht Heitzinger Feiger zur Hand.<br />

Inge Heitzingers Job-description: Re dak -<br />

tionsassistentin. 2006 hat die Kultur -<br />

an thropologin und Kunsthistorikerin<br />

diese Aufgabe von Fasching-Kuales<br />

übernommen. nun kümmert sie sich<br />

um „alle klassischen Sekretariats auf ga -<br />

ben“ wie Terminverwaltung, Kor res -<br />

pon denz, Honorarabrechnungen. Am<br />

Telefon ist sie die erste Ansprechper -<br />

son. Vor allem aber lektoriert sie alle<br />

Printprodukte und verwaltet die Abon -<br />

nements. „Die Gemeinde“ wird in<br />

einer Auflage von 5.500 Stück gedruckt.<br />

3.200 davon werden an iKGmitglieder<br />

verschickt. Dazu kommen<br />

etwas über 1.000 Abonnenten, die die<br />

Zeitung regelmäßig beziehen, an die<br />

170 davon leben im Ausland.<br />

Seit zweieinhalb Jahren gibt es mo nat -<br />

lich zwei Publikationen: magazin und<br />

internes mitteilungsblatt wurden ge -<br />

trennt, sodass Sie nun zwei mal im<br />

mo nat ein Heft im Postkasten finden.<br />

Das magazin hat nun einen Umfang<br />

von zumindest 48 Seiten – kann aber,<br />

etwa zu Rosch HaSchana, auch einmal<br />

doppelt so dick ausfallen. Der „insi-<br />

der“ umfasst 24 Seiten – alle jüdischen<br />

Organisationen und Vereine haben hier<br />

jeweils eine halbe Seite Platz, um ihre<br />

Aktivitäten darzustellen oder Ver an -<br />

stal tungen anzukündigen. iKG-Töch -<br />

ter wie Schule, ESRA oder das JBBZ<br />

können eine Seite befüllen. Der „insi-<br />

der“ wird von Karin Fasching-Ku ales ,<br />

multi-Talent der Redaktion, grundlayoutiert<br />

und schließlich von Feiger<br />

fertig produziert.<br />

Leichter fiele die Gestaltung des insi -<br />

der allerdings, würden sich alle Ver -<br />

eine an die klaren Vorgaben halten, sagt<br />

Feiger: das Kürzen zu langer Text bei -<br />

träge, das nachbearbeiten von Fo tos,<br />

die in schlechter Qualität abgegeben<br />

wurden, das koste Zeit. Ginge es nach<br />

der Chefredakteurin dürften sich übrigens<br />

nicht nur jüdische Organisatio -<br />

nen, sondern auch alle im Kultusrat<br />

vertretenen Fraktionen regelmäßig im<br />

„insider“ darstellen: „Nicht jede Partei<br />

hat genügend Geld, um sich eine eigene<br />

Publikation zu leisten.“ Doch darüber<br />

müssen andere entscheiden.<br />

Grundsätzlich betont Feiger aber:<br />

Frak tionspolitik hat in der Redaktion<br />

nichts verloren. Das gilt für redaktionelle<br />

mitarbeiter ebenso wie für die<br />

mit glieder der Redaktions kom mis si -<br />

on. Diese wird alle zwei Jahre von den<br />

Fraktionen neu beschickt, das Engage -<br />

ment hält sich aber in Grenzen, sagt die<br />

Chefredakteurin. „Es ist wie mit den<br />

‚zehn kleinen Negerlein‘ – zu Beginn sind<br />

es zehn, zwölf Personen, gegen Ende hin<br />

sind wir bei null.“ Aktuell engagieren<br />

sich im Rahmen dieses Gremiums<br />

noch Peter Weinberger und Georg Ha ber,<br />

der auch seit vielen Jahren die Kom -<br />

mis si on leitet. „Er ist eine große Stütze<br />

und hat im mer ein offenes Ohr“, betont<br />

Feiger.<br />

Auf der anderen Seite heißt das aber<br />

auch: Feiger hat ziemlich freie Hand<br />

beim Gestalten der Printprodukte –<br />

und genießt das. in den vergangenen<br />

15 Jahren hat sie hier nicht nur den<br />

Umfang der Berichterstattung massiv<br />

erhöht (von rund 450 auf nunmehr<br />

jährlich an die 1.000 Seiten), sondern<br />

auch die beiden neuen Ressorts „Wirt-<br />

schaft“ und „Wissenschaft“ geschaffen.<br />

Die weiteren Themenbereiche des<br />

magazins sind „in eigener Sache“,<br />

„Po litik“, „Jüdische Welt“, „Kultur“,<br />

„Sport“ und „Judentum“. Hier steuert<br />

nun seit ein paar monaten Gemein de -<br />

rabbiner Schlomo Hofmeister die Ru -<br />

brik „Schailes & Tschuwos“ bei.<br />

Eine weitere Schwerpunktsetzung er -<br />

möglichen die Sonderausgaben: „Im-<br />

mer wenn sich ein Thema anbietet, entweder<br />

aus Aktualität oder weil es ein Ju bi -<br />

läum zu feiern gibt, produziere ich ein<br />

Dossier oder ein eigenes Heft“, erzählt<br />

Feiger. 2008 erschien etwa eine „Ge-<br />

mein de kids“, ein Heft zu „60 Jahre<br />

is rael“, ein Schwerpunkt „1938-2008“.<br />

2009 gestaltete sie Sondernummern<br />

zu „Gaza“, „100 Jahre Tel Aviv“, „100<br />

Jahre Kibbuz“. Dazu kommen jährlich<br />

zwei „Aufgeblättert“ – eine Übersicht<br />

über neue Bücher. Für das ma gazin<br />

hat sich Feiger vorgenommen, im Lauf<br />

des Jahres <strong>2010</strong> auch regelmäßig eine<br />

Kinderseite zu gestalten. in Vor be rei -<br />

tung ist zudem eine Re zepte-Ru brik.<br />

Ein weiteres Vorhaben für dieses Jahr:<br />

eine Publikation über die Entwick lung<br />

der Gemeinde in der nachkriegszeit.<br />

Ida Labudovic, sie ist Kultur- und So -<br />

zial anthropologin, stammt aus Bel grad<br />

und lebt seit 2007 ständig in Wien, hat<br />

dazu alle Ausgaben der „Gemeinde“,<br />

die seit 1948 erscheint, wissenschaftlich<br />

aufgearbeitet. Sichtbar werden so<br />

die Beziehungen der Gemeinde zur<br />

Re gierung, die lange Geschichte der<br />

Wiedergutmachung, das ständige<br />

Kon frontiertsein mit Antisemitismus,<br />

die Beziehungen zu israel, erzählt La -<br />

budovic. Aber auch die Entwick lung<br />

des kulturellen Lebens und das Wie -<br />

dererstarken der jüdischen identität<br />

über die Jahrzehnte lassen sich aus<br />

den Publikationen der iKG ablesen.<br />

Labudovic betreut nun die täglich ak -<br />

tu alisierten Bereiche der iKG-Home -<br />

pa ge – <strong>als</strong>o die „news“ sowie die<br />

„Ra dio- und TV-Tipps“, die permanent<br />

recherchiert werden müssen, und sie<br />

schaltet die Leserbeiträge auf dem<br />

„mes sage Board“ frei. Außerdem<br />

archiviert sie seit 2009 digital das ge -<br />

samte Text- und Fotomaterial – rückwirkend<br />

bis 1948.<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770 5


IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />

Die technische Seite der Homepage hat<br />

Irene Messinger über. Sie ist sowohl<br />

ausgebildete Sozialarbeiterin <strong>als</strong> auch<br />

Webmaster und steht derzeit kurz vor<br />

dem Abschluss ihres Doktorats stu -<br />

diums in Politikwissenschaften. Was<br />

auf den ersten Blick wie eine erstaunliche<br />

Kombination aussieht, kommt ihr<br />

auf den zweiten Blick bei der Arbeit<br />

in der Redaktion zugute. immer wieder<br />

kommen über die Homepage An -<br />

fragen von menschen, die das Schick -<br />

sal ihrer Vorfahren interessiert, die<br />

nach möglicherweise noch lebenden<br />

Verwandten, Bekannten, Freunden su -<br />

chen. „Das ist immer wieder berührend.<br />

Vor allem die Anfragen von älteren Leu ten,<br />

die jemanden suchen – das macht mir sehr<br />

viel Spaß.“ Seit 2002 betreut messinger<br />

die iKG-Homepage und ent wickelt<br />

sie dabei ständig weiter.<br />

neben kleinen Veränderungen gibt es<br />

auch die großen: so ist „Die Gemein -<br />

de“ seit einigen monaten sofort nach<br />

Erscheinen auch online lesbar, und<br />

zwar nicht nur in Form eines PDF, son -<br />

dern auch <strong>als</strong> durchblätterbare Ap pli -<br />

kation. Die Betreuung der Homepage<br />

erleichtert hat vor einigen Jahren das<br />

Um stellen von automatischer Frei -<br />

schal tung der message Board-Beiträ ge<br />

auf das manuelle Onlinestellen. Das<br />

Löschen von Spam war zuvor enorm<br />

zeitfressend gewesen, „wobei die antisemitischen<br />

Spams zahlenmäßig inzwischen<br />

von der Pornoindustrie überlagert<br />

werden“, erzählt messinger.<br />

Feiger peilt auf der Homepage eine<br />

wei tere neuerung an: sie würde ger ne<br />

Bildmaterial im Web zur Ansicht an -<br />

bie ten, das dann bei interesse bei dem<br />

jeweiligen Rechteinhaber in druckfähiger<br />

Auflösung angefordert werden<br />

kann. immer wieder gebe es von allen<br />

möglichen Stellen und medien Anfra -<br />

gen bezüglich Bildern zu jüdischem<br />

Le ben an die Redaktion – hier könnte<br />

man <strong>als</strong>o ein nachgefragtes Service an -<br />

bieten.<br />

Service wird auch von Manuale Glamm<br />

groß geschrieben: sie ist seit 1997 im<br />

Redaktionsteam und dabei für den<br />

An zeigenverkauf zuständig. Eine ih -<br />

rer ersten Aufgaben war es dabei, den<br />

zuvor weitgehend nur telefonisch ab -<br />

gewickelten Annoncenverkauf EDVmäßig<br />

zu erfassen und die Kunden<br />

daran zu gewöhnen, ihre Buchungen<br />

auch mit ihrer Unterschrift zu bestätigen.<br />

Ein anfangs mühsamer Prozess,<br />

der sich schließlich gut eingespielt hat.<br />

Glamm, die auch Betriebsrats-Vor sit -<br />

zen de ist, hat sich, obwohl selbst nicht<br />

Gemeindemitglied, über die Jahre „in<br />

die IKG verliebt“: „Und wenn meine<br />

Toch ter heute zu Chanukka beim Kerzen -<br />

anzünden in der Mitte steht, dann ist das<br />

einfach schön.“ Schön findet Glamm<br />

auch den ständigen Kontakt mit Ge -<br />

mein demitgliedern, etwa wenn es um<br />

das Schalten von Feiertagswünschen<br />

geht, traurig allerdings „dass immer<br />

wieder ältere Menschen, mit denen ich<br />

viele Jahre Kontakt hatte, sterben“.<br />

Die gesamte Redaktion traurig stimm -<br />

ten in den vergangenen beiden Jahren<br />

auch zwei Todesfälle innerhalb der ei -<br />

genen Reihen: jener des in der Ge mein -<br />

de so engagiert agierenden Psy chi a ters<br />

Alexander Friedmann, der dam<strong>als</strong> Vor -<br />

sitzender der Redaktions kom mis sion<br />

war. Und jener von Michaela Lehner, die<br />

2008 jung und tragisch aus dem Le ben<br />

schied. Sie war vor allem für die Be -<br />

sprechung von Werken israelischer<br />

Au toren zuständig gewesen. Diese<br />

Lücke füllt nun – mehr <strong>als</strong> ein Jahr<br />

nach dem Tod Lehners - Anita Pollak<br />

mit ihren Literaturbeiträgen.<br />

Die Wirtschaftskrise spürt Glamm vor<br />

allem bei inserenten aus dem nichtjüdischen<br />

Bereich – insgesamt ist sie<br />

aber froh, dass es alles in allem keine<br />

Einbrüche im Verkauf gegeben hat. Die<br />

traditionell stärkste Ausgabe ist jedes<br />

Jahr das Rosch HaSchana-Heft, für das<br />

Glamm 2009 sogar einen Zuwachs<br />

erreichen konnte. „Bei uns werden In -<br />

se rate Nicht nur für die Werbe wirk sam -<br />

keit, sondern auch im Sinn von Kultur -<br />

spon soring geschalten“, erklärt Glamm.<br />

Alle sechs Frauen betonen, dass ih nen<br />

die Arbeit in der Redaktion Freude<br />

macht, weil sie abwechslungsreich ist<br />

– und viel Kontakt zu menschen, zu<br />

Gemeindemitgliedern beinhaltet. Was<br />

man für ihre Arbeit braucht? „Humor,<br />

Geduld und eben Spaß an der Arbeit“,<br />

antwortet Feiger, denn: „Es ist schon<br />

eine Herausforderung, jedes Monat zwei<br />

Zei tungen zu gebären.“ Eine Heraus -<br />

for derung, der sie sich gerne stellt.<br />

inhaltlich ist ihr vor allem die Be richt -<br />

er stattung über israel ein großes An lie -<br />

gen – auch, weil sie in der „Ge mein de“<br />

die möglichkeit hat, das Geschehen im<br />

nahen Osten aus einer anderen Per -<br />

spektive darzustellen und damit, so<br />

hofft sie, die Chance eröffnet, israel<br />

auch anders wahrzunehmen. Das ist<br />

ihr wichtig, da die meisten österreichischen<br />

medien eine klare Schlagseite<br />

aufweisen – was sich nicht nur in Kom -<br />

mentaren, sondern meist auch schon<br />

in der Titelgestaltung ausdrückt. „Oft<br />

würde es schon genügen, Titel und Un -<br />

ter titel zu tauschen und man würde eine<br />

völlig andere Geschichte lesen.“<br />

Spaß hat Feiger aber nicht nur am Ge -<br />

stalten, sondern auch am Umgang mit<br />

menschen. „Über 20 Jahre PR-Tätigkeit<br />

haben Spuren hinterlassen. Service und<br />

Kommunikation bleiben die grundlegenden<br />

Elemente für mein Handeln. Ich kom me<br />

aus einer Branche, die kein ‚ich‘, sondern<br />

nur ein ‚wir‘ kennt.“<br />

zur PersoN<br />

sonia feiger, geb. 1950 in Prag,<br />

aufgewachsen in Budapest und<br />

Wien, besuchte zunächst das Lycée<br />

Français, später das RG XiX. nach<br />

der matura studierte sie zunächst<br />

an der Uni Wien Psychologie und<br />

Sprachen (Englisch, Französisch,<br />

ita lienisch) und arbeitete für Si mon<br />

Wiesenthal <strong>als</strong> Sekretärin. „Es war<br />

eine Erfahrung fürs Leben zu sehen,<br />

wie dieser Mann funktioniert.“<br />

ihr erster Fulltime-Job führte sie<br />

ans AKH, wo sie in der Pressestel le<br />

tätig war (das Studium war damit<br />

irgendwann ad acta gelegt). nach<br />

Übersetzungstätigkeiten und der<br />

Ge burt ihrer beiden Töchter folgten<br />

vier Jahre im Kon ferenz- und<br />

in formationsdienst der Ver ein ten<br />

na tionen (UnO) in Wien und weitere<br />

Jahre bei den Agen turen Bur -<br />

son-mar steller und Publico <strong>als</strong> PR-<br />

Kon sulen tin .<br />

Seit 1995 ist Feiger in der iKG <strong>als</strong><br />

Chefredakteurin für „Die Gemein -<br />

de“, die Sonderausgaben der „Ge-<br />

mein de“ sowie den internetauftritt<br />

der iKG verantwortlich.<br />

Ehrenamtlich engagiert sich Feiger<br />

seit ihrem 20. Lebensjahr in jü di -<br />

schen Organisationen und ist bis<br />

heute in der WiZO und iKG-in tern<br />

in der Kulturkommission aktiv.<br />

Sie ist mit dem Architekten Tho mas<br />

Feiger verheiratet und mutter zwei -<br />

er erwachsener Töchter.<br />

6 <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770


POLITIK • INLAND<br />

Weltweit Gesuchter beim Kaffee gesichtet<br />

© Kakl/KTZ<br />

Interpol jagt ihn, Kroatien will seiner<br />

hab haft werden. Doch Milivoj Asner<br />

alias Dr. Georg Aschner (96) trank am 7.<br />

Ja nuar <strong>2010</strong> behaglich einen Ver län ger -<br />

ten in einem Klagenfurter Cafe. Mit Recht:<br />

Die heimischen Behörden schützen ihn.<br />

VON HORST KAKL<br />

Er steht an prominenter dritter Stelle<br />

der Liste der zehn meistgesuchten na -<br />

zi-Kriegsverbrecher des Simon-Wie -<br />

senthal-Zentrums in Jerusalem: Mi li voj<br />

Asner alias Dr. Georg Aschner. Gestern<br />

nahm der 96-Jäh rige im Kla genfurter<br />

Cafe „Kosta“ in der 10.-Oktober-<br />

Straße unter den Augen der Öffentlichkeit<br />

in Ruhe einen Verlän ger ten zu<br />

sich. Vor amtlicher Ver fol gung muss<br />

er sich schließlich nicht fürchten.<br />

Gemeinsam mit einer Begleiterin be -<br />

legte Asner zur mittagszeit einen<br />

Fen sterplatz. Viel gesprochen wurde<br />

nicht, die Haltung des mannes - für<br />

den die Unschuldsvermutung gilt -<br />

war gebeugt. Doch dann staunten die<br />

Lokalbesucher: nachdem seine Ge sell -<br />

schafterin einen Spaziergang vorgeschlagen<br />

hatte, stand Asner problemlos<br />

auf und eilte ausholenden Schritts<br />

zur Tür. Eine Stütze benötigte er nicht.<br />

Laut den Behörden ist er aufgrund<br />

seines schlechten Zustands nicht vernehmungsfähig<br />

...<br />

Wieder vollständig erholt<br />

Tatsächlich musste der gebürtige Kro -<br />

ate im Oktober nach einem Sturz in<br />

seiner Klagenfurter Wohnung im LKH<br />

behandelt werden. Offenbar hat er sich<br />

vollständig erholt. Von einem Verfah -<br />

ren gegen ihn ist längst keine Rede<br />

mehr.<br />

Dem am 21. April 1913 in Daruvar ge -<br />

borenen Asner wird vorgeworfen,<br />

wäh rend des Zweiten Weltkriegs in<br />

Kroatien an der Verfolgung und De -<br />

portation von Serben, Juden, Sinti<br />

und Roma beteiligt gewesen zu sein.<br />

in Kroatien wird er wegen Kriegs ver -<br />

brechen gesucht, auch interpol fahndet<br />

nach ihm. Österreich lehnte eine<br />

Aus lieferung ab, Asner bestritt stets<br />

alle Vorwürfe.<br />

Die Debatte über ihn erreichte im<br />

Som mer 2008 einen Höhepunkt, <strong>als</strong><br />

britische Journalisten den weltweit<br />

Ge such ten in der Klagenfurter Em-<br />

Fan zo ne entdeckten – körperlich rüstig<br />

und geistig auf der Höhe.<br />

Ersterscheinung: "Neue Kärntner<br />

Tageszei tung" vom 08.01.<strong>2010</strong>/Seite: 9.<br />

Wir danken für die Abdruckgenehmigung!<br />

Hintergrund: Asner war im Zweiten Weltkrieg<br />

der Chef der Ustascha-Polizei in Pozega und<br />

während der Zeit vermutlich an Deporta tio nen<br />

und Ver trei bun gen von Serben und Juden so -<br />

wie Ro ma beteiligt. 1945 flüchtete er nach Ös -<br />

ter reich, wo er be reits 1946 (!) die Staatsbür -<br />

ger schaft erhielt.<br />

Nachdem Kroatien seine staatliche Autonomie<br />

wie dererlangt hatte, kehrte er 1991 in seine<br />

Ge burts stadt zurück.<br />

2005 wurde Asner in Kro a tien wegen Kriegs -<br />

ver brechen angeklagt, woraufhin er wieder<br />

nach Ös terreich floh und sich in Kla genfurt<br />

nie derließ. Kroatien fordert seine Aus lie fe -<br />

rung, aber weil Asner österreichischer Staats -<br />

bürger war, wurde er lange Zeit nicht ausgeliefert<br />

– bis man festgestellt, dass Asner die<br />

österreichische Staatsbürgerschaft nicht mehr<br />

besaß. Er hatte im Jahr 1990 die kroatische<br />

beantragt und sich nicht um die Beibehaltung<br />

der österreichischen bemüht. Um die dann<br />

jetzt möglich ge wordene Aus lie ferung durchzuführen,<br />

muss zuerst eine Verneh mung statt -<br />

finden, wo für zuvor die Vernehmungs fä hig -<br />

keit festgestellt werden sein muss. Mehrere<br />

psychiatrische Gutachten kamen zu dem Er -<br />

gebnis, dass keine Vernehmungsfähigkeit ge -<br />

geben ist ...<br />

POLITIK<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770 7


POLITIK • INLAND<br />

Rektorat der TU Wien widerruft Ehrung<br />

von umstrittenem Absolventen<br />

Communiqué des Rektors der TU Wien zur Causa "Lüftl"<br />

Als Reaktion auf den Vorwurf, mit der Verleihung eines „Goldenen Di ploms“<br />

an Walter Lüftl am 11. Dezember 2009 einen Holocaust-Leugner ausgezeichnet<br />

zu haben, wurde von mir eine Kommission zur Prüfung der Causa eingesetzt.<br />

Dieser gehören der Dekan der betroffenen Fakultät (Professor Josef Eber hard -<br />

steiner), der Senatsvorsitzende (Professor Franz Zehetner), die Vorsitzende der<br />

Hochschülerinnenschaft (Bianka Ullmann) und die Leiterin des Univer sitäts ar -<br />

chivs (Dr. Juliane Mikoletzky) an.<br />

Die Kommission hat Bericht erstattet und festgestellt, dass die Verfahrens vor -<br />

schriften für „goldene Diplome“ (die unter "“Ehrungen“ in der Satzung der<br />

TU Wien geregelt sind) nicht eingehalten wurden, keine vertiefte inhaltliche<br />

Prüfung stattgefunden hat und die materiellen Voraussetzungen für die<br />

Erneuerung des akademischen Grades nicht gegeben waren.<br />

Tatsächlich hat Walter Lüftl durch ein 1991 verfasstes „Gutachten“ und der da -<br />

rin behaupteten technischen Unmöglichkeit des massenmordes an Juden<br />

durch Anwendung von Giftgas seinem Stand und seiner Alma mater, der TU<br />

Wien, massiv geschadet. Daher wird das Rektorat der TU Wien, den Empfeh -<br />

lungen der Kommission folgend, die Erneuerung des akademischen Grades<br />

an Walter Lüftl förmlich widerrufen.<br />

Desweiteren wird das Rektorat im Senat eine auf den gewonnenen Er kennt -<br />

nis sen basierende novellierung der entsprechenden Verfahrensvorschriften<br />

einbringen und die seit inkrafttreten dieser Bestimmungen erfolgten Aus -<br />

zeichnungen einer eingehenden materiellen Prüfung unterziehen lassen.<br />

ich bedaure zutiefst, dass durch diesen individuellen, letztlich von mir zu verantwortenden<br />

Fehler das Ansehen der Technischen Universität Wien Scha den<br />

genommen hat und entschuldige mich für die verständliche Be trof fenheit, die<br />

dadurch ausgelöst wurde.<br />

Den pauschalen Vorwurf, die TU würde sich nicht mit ihrer Vergangenheit<br />

aus einandersetzen, will ich allerdings nicht im Raum stehen lassen. Exem pla -<br />

risch sei auf das Forschungsprojekt „Die Technische Hochschule zwischen<br />

1938 und 1945“ (begleitet von Ausstellung und Publikation) hingewiesen.<br />

Peter Skalicky<br />

Rektor der TU Wien<br />

LÜFTL, Dipl. Ing. Walter<br />

Gerichtsgutachter, Prä si dent der Bun des inge ni -<br />

eurs kammer bis 1992. Verfasser eines „Gutach-<br />

tens“, in dem die Exis tenz von Gaskammern zur<br />

Er mordung von Men schen in den na tio nal so zi a -<br />

lis ti schen Kon zen trati ons- und Vernich tungs la -<br />

gern geleugnet wird.<br />

1988 Referent bei der AFP-Wien<br />

1991 Veröffentlichung von Auszügen des „Gut-<br />

ach tens“ in ‘Halt’, 59a/1991<br />

1992 Rücktritt <strong>als</strong> Präsident der Bun des inge ni -<br />

eurs kammer. Strafan zei ge nach § 3g Ver bots -<br />

ge setz durch den Verband Sozial de mo krati -<br />

scher In ge nieure Österreichs im „Bund So zi al -<br />

de mo kra tischer Aka de mi ke rin nen und Aka de -<br />

mi ker, In tel lek tuel ler, Kün st lerinnen und Künst -<br />

ler“ (BSA). Bericht über das „Lüftl-Gut achten“<br />

im „revisionistischen“ ‘Journal of Histo ri cal<br />

Re view’ („The Lüftl Report“)<br />

1992/93 Verröffentlichung von Artikeln in der<br />

bun desdeutschen neonazistischen Zeit schrift<br />

„Recht und Wahrheit“<br />

1993 Veröffentlichung von Artikeln in der vom<br />

rechts extremen bundesdeutschen Grabert-<br />

Ver lag herausgegebenen Zeitschrift<br />

‘Deutsch land in Geschichte und Gegen wart’<br />

1994 Im internationalen Computernetz werk ‘In-<br />

ternet’ wird ohne Wissen der Netzwerk be trei -<br />

ber und gegen den Protest vieler Use grup pen<br />

von neonazistischen Kreisen aus den USA ne -<br />

ben anderen „revisionistischen“ Publika tio nen<br />

auch das „Lüftl-Gutachten“ zum Abruf an ge -<br />

boten. Einstellung der Vor unter su chung we -<br />

gen des Verdachtes der NS-Wiederbetätigung<br />

durch die staatsanwaltschaftlichen Be hör -<br />

den und das Bundesministerium für Jus tiz<br />

Gekürzt entnommen aus: Handbuch des<br />

österreichischen Rechtsextremismus, Wien 1994<br />

Darabos in Yad Vashem<br />

Darabos sagt<br />

Rechtsextremismus im<br />

Bundesheer den Kampf an<br />

Verteidigungsminister norbert Dara -<br />

bos (S) will Rechtsextremismus im<br />

Bun desheer bekämpfen und Ge -<br />

schichts aufarbeitung betreiben.<br />

Dafür hat Darabos, der selbst Ge -<br />

schichte studiert hat, Wissenschafter<br />

mit der Suche nach möglichen nS-<br />

Opfern in der Grazer Belgier Kaserne<br />

beauftragt. Am Grund der ehemaligen<br />

SS-Kaserne werden Leichen vermutet.<br />

Darabos kündigte in einer Bilanz pres -<br />

sekonferenz anlässlich seines Drei-<br />

Jah res-Jubiläums <strong>als</strong> Res sort chef an,<br />

auch künftig gegen rechte Tendenzen<br />

im Heer vorzugehen. So habe er bisher<br />

vier Soldaten we gen Ver stoßes ge -<br />

gen das Verbots gesetz ent lassen,<br />

mehrere Gedenktafeln - u.a. auf der<br />

Krypta am Heldenplatz - an gebracht<br />

und die Unterstützung des umstrittenen<br />

Ul richsberg-Treffens in Kärnten<br />

durch das Bundesheer un ter sagt, listete<br />

der minister seine bisherigen<br />

Aktivitäten in diese Richtung auf.<br />

Auch künftig will er Rechtsextre mis -<br />

mus im Bundesheer „im Auge behalten“,<br />

kündigte Darabos an. Auch in an -<br />

deren Bereichen - etwa Auslands ein -<br />

sätze - will er weiter machen wie bis -<br />

her. Das Engagement im Ausland solle<br />

im gleichen Umfang beibehalten werden.<br />

Schwerpunkte bleiben <strong>2010</strong> nach<br />

Auslaufen der Tschad-mission die<br />

Golan-Höhen, Kosovo und Bos ni en.<br />

8 <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770


POLITIK • INLAND<br />

Museumsdirektor<br />

Loewy betroffen<br />

über fortwährende<br />

FPÖ-Kritik<br />

Hanno Loewy, Direktor des Jüdischen<br />

museums Hohenems, zeigte sich ge -<br />

troffen über die fortgesetzte Kritik der<br />

FPÖ an seiner Person und dem mu se -<br />

um. „Ich hatte nach dem Herbst die Hoff -<br />

nung, dass die Herren zur Besin nung<br />

kommen und sich zum Beispiel entschuldigen<br />

würden, das Gegenteil ist pas siert“,<br />

so Loewy bei einer Presse kon ferenz<br />

anlässlich der Präsentation der ab<br />

märz geplanten mikwen-Son deraus -<br />

stel lung. Er habe auf eine Ver sach li -<br />

chung der Debatte gehofft. Statt des sen<br />

setzten die FPÖ und ihre Vertreter<br />

„immer noch einen drauf“.<br />

Begonnen hatte die Auseinanderset -<br />

zung zwischen der FPÖ und Loewy<br />

mit dem „Exil-Judensager“ von Vor -<br />

arl bergs FPÖ-Chef Dieter Egger im<br />

Landtagswahlkampf 2009. Erst am<br />

vergangenen Wochenende erklärte der<br />

Lustenauer FPÖ-Bürgermeister Hans-<br />

Dieter Grabher in einem Zeitungsin ter -<br />

view, Loewy habe doch selbst einmal<br />

gesagt, dass seine Eltern Exil-Ju den<br />

aus Amerika seien. Am 13. Ja nu ar kritisierte<br />

schließlich der Ho hen em ser<br />

Bürgermeister-Kandidat der FPÖ,<br />

Horst Obwegeser, im Vorfeld des Ge -<br />

meindewahlkampfs die Kosten für<br />

das museum, das eigentlich <strong>als</strong> Hei -<br />

mat museum gedacht gewesen sei. Es<br />

sei nicht in seinem Sinn, mit Steuer -<br />

geld Vorträge wie „Wie baue ich ein orts -<br />

übliches Minarett?“ zu finanzieren. Zu -<br />

dem kämen die Besucherzahlen auch<br />

durch „zwangsbeglückte“ Schul klas -<br />

sen zustande. Jeder denkende mensch<br />

müsse selber entscheiden, was davon<br />

zu halten sei, erklärte Loewy, von Jour -<br />

nalisten auf die Kritik angesprochen.<br />

„Was soll man dazu noch sagen?“, so<br />

Loewy. Er habe sich in den vergangenen<br />

monaten oft die Frage „Bleiben<br />

oder nicht?“ gestellt, aber ihm behage<br />

die Vorstellung nicht, dass es die FPÖ<br />

schaffe, „den Ort judenrein“ zu ma chen.<br />

Die Entscheidung sei nicht leicht ge -<br />

wesen, zumal man ihn etwa zu einer<br />

Bewerbung <strong>als</strong> Direktor für das Jü di -<br />

sche museum Wien eingeladen habe,<br />

was er abgelehnt habe. Die Arbeit in<br />

Hohenems mache dennoch „viel Spaß“.<br />

Er habe in der letzten Zeit auch viel<br />

positives Feedback erhalten. „Das war<br />

nicht weniger <strong>als</strong> ermutigend“, fand<br />

Loewy. Er wolle weiter mit seinem<br />

Team an der Erfüllung des Grün -<br />

dungs auftrags arbeiten, ein „kritisches<br />

Heimatmuseum“ zu sein. Dazu gehöre<br />

auch, das minarett-Thema aufzunehmen.<br />

Der erwähnte Vortrag sei übrigens<br />

wegen eines Sponsorings „billig“<br />

gewesen und zudem gut besucht,<br />

„offensichtlich interessiert das die Leu te“.<br />

Wer nicht wolle, dass an die jüdische<br />

Geschichte der Stadt erinnert werde,<br />

„soll das doch bitte offen sagen“. Zur<br />

Kritik an den Kosten rechnete Loewy<br />

vor, dass das museum mit seinem Re -<br />

nommee, den Besuchern und der über -<br />

regionalen, medialen Bericht er stat -<br />

tung für die Wirtschaft und hinsichtlich<br />

des Werbeeffekts insgesamt „ein<br />

gutes Geschäft“ für die Stadt ist. APA<br />

Ausschreibung zur<br />

Um ge stal tung des<br />

Lueger-Denk m<strong>als</strong> in<br />

ein Mahn mal gegen<br />

Antisemitis mus und<br />

Rassis mus in Österreich<br />

Plakat:<br />

Lilly Panholzer,<br />

Laurenz Feinig<br />

Skizze:<br />

Mona Liska<br />

Einsendeschluss<br />

1. März <strong>2010</strong><br />

<strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770 9


POLITIK • INLAND<br />

„Mit Antisemitismus sind nach<br />

wie vor mehr Stimmen zu<br />

gewinnen <strong>als</strong> zu verlieren“<br />

In einem Kurz-Interview mit der Wiener<br />

Stadtzeitung „Falter“ (Ausgabe 47/09)<br />

meinte der Innsbrucker Politik wis sen -<br />

schafter Reinhold Gärnter, „dass antisemitische<br />

Verschwörungsmythen in Ös ter -<br />

reich häufiger vorkommen <strong>als</strong> in vielen<br />

anderen Ländern“. „Die Gemeinde“ hat<br />

nachgefragt. Ein Blick auf Österreich <strong>als</strong><br />

Land „mit sehr alter antisemitischer Tra -<br />

dition“ – und ein Ausblick auf das, was<br />

im heurigen Wiener Wahljahr auf uns<br />

zukommen könnte.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

Die Gemeinde: Sie sagten jüngst in ei -<br />

nem Interview mit dem „Falter“, dass<br />

antisemitische Verschwörungsmythen in<br />

Österreich häufiger vorkommen <strong>als</strong> in<br />

vie len anderen Ländern. Haben Sie dazu<br />

Zahlen?<br />

Reinhold Gärtner: Das war etwas<br />

missverständlich formuliert. ich mein -<br />

te, dass Österreich eines jener Länder<br />

ist, in denen diese Verschwörungs -<br />

my then relativ oft vorkommen –<br />

ohne konkrete Vergleichszahlen zu<br />

nennen. ich kenne dazu auch keine<br />

konkreten Zahlen.<br />

Können Sie ein paar Beispiele für solche<br />

antisemitischen Verschwörungsmythen<br />

geben?<br />

in Österreich tauchen immer wieder<br />

die „Protokolle der Weisen von Zion“<br />

auf, ebenso Anspielungen an israel<br />

zum Beispiel in Zusammenhang mit<br />

9/11. 1999 gab es die Publikation von<br />

Herbert Pitlik: „Die Protokolle der<br />

Weisen von Zion aus der Sicht nach 100<br />

Jahren“ (publiziert im Verlag „Bürger<br />

Schutz Offensive“), in der eindeutig<br />

antisemitische Verschwörungsphan -<br />

ta sien vertreten werden. nicht zu ver -<br />

gessen die immer wieder zu hö ren den<br />

revisionistischen Äußerungen (speziell<br />

aus Österreich etwa Walter Lüftl<br />

oder Emil Lachout).<br />

Antisemitische Angriffe auf israel be -<br />

ziehungsweise die israelische Politik<br />

sind nicht nur im internet immer wieder<br />

zu finden. in der Tiroler Abtei -<br />

lung des RFJ (Ring Freiheitlicher Ju -<br />

gend, Anm.) fanden sich Formulie run -<br />

gen wie „Tyrannei und mordlust des<br />

israelischen Apartheid staates“; „(…)<br />

welches das Existenzrecht dieser mitt -<br />

lerweile zur Atommacht herangewachsenen<br />

Siedlerkolonie in Frage<br />

stellt“; die Rede ist weiters vom „heutigen<br />

Unrechtsstaat israel“; von „The -<br />

odor Herzl, der unsägliche schwar ze<br />

Prophet des Grauens“ oder der<br />

„Siedlerkolonie is rael, <strong>als</strong> Hä scher<br />

des US-imperia lis mus“.<br />

Wie entstehen aus Ihrer Sicht solche antisemitischen<br />

Verschwörungsmythen? Wer -<br />

den Sie von einer Person sozusagen am<br />

Reißbrett entworfen, ist das ein Prozess,<br />

der viele Personen inkludiert?<br />

in den seltensten Fällen sind das Ein -<br />

zelpersonen oder spezielle Gruppen,<br />

die dieses bewusst formulieren (zum<br />

Beispiel bei den genannten „Proto-<br />

koll en“). Häufiger – Beispiel RFJ –<br />

sind das Personen, die diese ideen im<br />

entsprechenden Umfeld finden und<br />

dann weitergeben.<br />

Haben sich diese Mythen mit dem In ter -<br />

net und den modernen Massen kom mu ni -<br />

ka tionsmitteln (Mail, Facebook, Twit -<br />

ter etc.) vervielfacht?<br />

Auch hier kann ich keine konkreten<br />

Zah len nennen – jedenfalls aber ist<br />

durch die neuen medien eine we -<br />

sentlich raschere und umfangreichere<br />

Verbreitung feststellbar.<br />

Warum sind gerade in Österreich einerseits<br />

mehr antisemitische Verschwö rungs -<br />

mythen im Umlauf <strong>als</strong> anderswo? Und<br />

warum sind andererseits offenbar mehr<br />

Leute dafür anfällig, diesen auch Glauben<br />

zu schenken?<br />

Ob mehr <strong>als</strong> in anderen Ländern, kann<br />

pauschal so nicht festgestellt werden.<br />

Dass aber Österreich eines jener Län -<br />

der mit sehr alter antisemitischer Tra -<br />

dition ist, steht außer Zweifel. Und<br />

Antisemitismus ist nach wie vor<br />

abrufbar.<br />

Sie erwähnen in dem „Falter“-Interview<br />

auch, dass hier zu Lande öfter der Mossad<br />

<strong>als</strong> CIA oder KGB ins Spiel gebracht werden.<br />

Gut wahrnehmbar war dies bei den<br />

Spekulationen rund um den Unfalltod Jörg<br />

Haiders. Können Sie mir noch andere Din -<br />

ge nennen, für die angeblich der Mossad<br />

die Verantwortung tragen soll?<br />

neben Haiders Unfalltod wird der<br />

mos sad (zusammen mit dem CiA)<br />

zum Beispiel in Zusammenhang mit<br />

9/11 immer wieder genannt.<br />

In Wien wird kommenden Herbst ge wählt.<br />

Es wird erwartet, dass die Freiheitlichen<br />

unter Heinz-Christian Strache alles in<br />

Be wegung setzen werden, um hier zu mo -<br />

bilisieren. Aus Ihrer Sicht <strong>als</strong> Politik wis -<br />

sen schafter: wird hier mit antisemitischen<br />

Entgleisungen/Codes zu rechnen sein?<br />

Zu letzt gab es in einem Wahlkampf ja in<br />

Vorarlberg solche Töne, die den Freiheit li -<br />

chen starke Stimmenzuwächse brachten.<br />

Dieter Egger hat in Vorarlberg ge zeigt,<br />

dass mit Antisemitismus nach wie vor<br />

mehr Stimmen zu gewinnen <strong>als</strong> zu<br />

ver lieren sind. Strache hat dies an satz -<br />

weise im EU-Wahlkampf vorex erziert<br />

(Stichwort EU-Beitritt israels verhindern).<br />

Es wäre wenig überraschend,<br />

wenn Strache im Wiener Wahl kampf<br />

neben der instrumentali sie rung an de -<br />

rer Feindbilder auch wieder auf die<br />

Karte Antisemitismus setzt.<br />

Wenn die Freiheitlichen oder andere (im<br />

Parlament vertretene oder nicht vertretene)<br />

10 <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770


POLITIK • AUSLAND<br />

Parteien antisemitische Töne anschlagen,<br />

wer ist dann die Zielgruppe? Sollen etwa<br />

so auch muslimische, bereits eingebürgerte<br />

Zuwanderer angesprochen werden?<br />

Diese Töne richten sich primär an Tei -<br />

le der eingesessenen österreichischen<br />

Be völkerung. Hier hat mit An tise mi -<br />

tis mus immer schon ein be stimm ter<br />

Prozentsatz angesprochen werden<br />

können. Das geht (auch) in Richtung<br />

Antijudaismus. Wären mos lems die<br />

primäre Zielgruppe, so hätte es diese<br />

Töne vor der Präsenz von moslems in<br />

Österreich eigentlich nicht geben<br />

kön nen.<br />

Warum halten sich antisemitische Strö -<br />

mun gen in der Gesellschaft in Österreich<br />

beharrlicher <strong>als</strong> etwa in Deutschland?<br />

Weil es in Deutschland nach 1945 ei ne<br />

andere Auseinandersetzung mit dem<br />

nation<strong>als</strong>ozialismus und dessen Ver -<br />

bre chen gegeben hat und Österreich<br />

da doch einige Jahre nachhinkte.<br />

zur PersoN<br />

reinhold gärtner, geb. 1955 in<br />

Steyr (Oberösterreich), studierte<br />

Englisch, Geschichte und Politik -<br />

wissenschaft, habilitierte sich 1995<br />

und ist seit 2001 Professor am in -<br />

stitut für Politikwissenschaft an<br />

der Universität innsbruck. Seit 1986<br />

engagiert er sich in der Gesell schaft<br />

für politische Aufklärung, seit 1997<br />

hält er Kurse für rechtsextrem auffällige<br />

Jugendliche in Koo peration<br />

mit dem Oberlandes ge richt beziehungsweise<br />

Landes ge richt inns -<br />

bruck. Seine Arbeitsschwerpunkte<br />

sind Rechtspopulismus, Rechts ex -<br />

tremismus und Rassismus, das po -<br />

li tische System Österreichs sowie<br />

politische Bildung.<br />

Reinhold Gärtner,<br />

Sigrid Steininger<br />

Politiklexikon<br />

für junge Leute<br />

Jungbrunnen Verlag 2008<br />

Ab 12 Jahre<br />

Buchtipp<br />

Reinhold Gärtner<br />

Politik der Feindbilder.<br />

Rechtspopulismus<br />

im Vormarsch<br />

Kremayr & Scheriau 2009<br />

Erneut Brandanschlag<br />

auf Synagoge auf Kreta<br />

Auf der griechischen mittelmeer-insel Kre ta<br />

haben Unbekannte erneut einen Brand an schlag<br />

auf eine Synagoge verübt. Dabei entstand in<br />

der Hafenstadt Chania im Westen der insel ein<br />

Scha den in Höhe von mindestens 30.000 Euro.<br />

Dutzende Bücher der Bibliothek und mehrere<br />

Computer wurden zerstört, be rich tete der<br />

Rund funk. Die Feuerwehr konnte den Brand<br />

lö schen, be vor die Flammen auf einen Raum<br />

mit wei te ren wertvollen Bü chern übergriffen.<br />

Von den Tätern fehlt je de Spur, verletzt wurde<br />

niemand. Auf die Etz Hayyim Sy na go ge war<br />

be reits am 6. <strong>Januar</strong> ein Brand anschlag ver übt<br />

wor den. Dam<strong>als</strong> entstand geringer Scha den.<br />

Die Synagoge befindet sich in einem kleinen<br />

Ge bäude in der Altstadt von Chania. Sie dient<br />

<strong>als</strong> museum und Gedenkstätte. Die rund 300<br />

mitglieder der jüdischen Gemeinde Chanias<br />

wa ren während der nazi-Zeit im Jahr 1944 de -<br />

portiert worden. Sie kamen ums Leben, <strong>als</strong><br />

ihr Frachter nach dem Beschuss durch britische<br />

Truppen sank.<br />

Verbotsverfahren gegen rechtsextreme<br />

„Arbeiterpartei“ in Tschechien<br />

Vor dem Obersten Verwaltungsgericht<br />

Tschechiens in Brünn (Brno) läuft<br />

erneut ein Verfahren über ein mögliches<br />

Verbot der rechtsextremen<br />

„Arbeiterpartei“ (Delnicka strana/DS).<br />

Die Regierung fordert die Auflösung<br />

der nicht im Parlament vertretenen<br />

DS, weil sie in der Partei eine Gefahr<br />

für die Demokratie sieht. Die DS sei<br />

mit neonazis der Organisation „Na -<br />

tionaler Widerstand“ (Narodni odpor)<br />

verbunden, begründet das Kabinett<br />

sei ne Forderung. Die „Arbeiter par tei“<br />

wurde 2008 und 2009 durch mehrere<br />

Aktionen wie Protestmärsche gegen<br />

die Roma-minderheit in nordböh men<br />

weitergehend bekannt. Außerdem or -<br />

ganisierte sie in einigen Städten un -<br />

bewaffnete „Schutzpatrouillen“, um<br />

den „Problemen mit unanpassungsfähigen<br />

Bürgern“ zu begegnen. in ihrem<br />

Programm fordert die DS auch die<br />

Wiedereinführung der Todesstrafe so -<br />

wie die Abschaffung der registrierten<br />

Partnerschaft von homosexuellen Paa -<br />

ren. DS-Chef Tomas Vandas wies vor<br />

Gericht Vorwürfe zurück, wonach<br />

sei ne Partei mit neonazis verflochten<br />

© L. Heid<br />

sei. „Es handelt sich um einen politischen<br />

Prozess. Wir gewinnen an Popularität, was<br />

auch Grund dafür ist, warum die Regie -<br />

rung die Auflösung unserer Partei fordert“,<br />

sagte Vandas. Bei den Europa -<br />

wah len 2009 erhielt die DS in Tsche -<br />

chien rund ein Prozent der Stimmen,<br />

genauso wie bei den Regionalwahlen<br />

im Oktober 2008.<br />

Vandas hatte schon früher betont, er<br />

lasse sich von einem eventuellen Ver -<br />

bot der DS nicht abschrecken. Er sei<br />

bereit, sofort eine andere Partei zu<br />

grün den, die noch bei den für mai ge -<br />

planten Parlamentswahlen antreten<br />

wür de. Die Prager Regierung hatte<br />

schon vor fast einem Jahr versucht, die<br />

Auflösung der DS bei Gericht durchzusetzen.<br />

Allerdings lehnten die Rich -<br />

ter dam<strong>als</strong> ein Verbot ab: Der Antrag<br />

sei nur mit einer unzureichenden men -<br />

ge an Beweisen belegt, und die eingebrachte<br />

Dokumentation habe formelle<br />

mängel, hieß es. Jetzt lässt sich die<br />

Regierung vor dem Verwaltungsge -<br />

richt von dem renommierten Prager<br />

An walt Tomas Sokol vertreten. Das<br />

Urteil könnte am kommenden Don -<br />

ners tag bekanntgegeben werden. APA<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770 11


POLITIK • ISRAEL<br />

©UN & JTA<br />

Der endlose<br />

Kampf gegen<br />

den J2K Virus<br />

VON AMI EDEN, JTA<br />

Übersetzung: Karin Fasching-<br />

Kuales<br />

Als das 20. Jahr hundert zu En de ging<br />

regierte die Angst vor dem großen<br />

Y2K-Crash, der sämtliche Com pu ter<br />

zum Erlie gen bringen wür de. Die mil -<br />

le n nium-Apo ka lyp se blieb uns zum<br />

Glück erspart – doch der Übergang<br />

von den ´90ern zu den ´00ern brachte<br />

den hartnäckigen J(ew)2K-Vi rus mit<br />

sich...<br />

man könnte es ja fast <strong>als</strong> schlechten<br />

Scherz betrachten, mit dem es die Ge -<br />

schichte auf die Juden abgesehen hat,<br />

und er nimmt auch mit Ablauf des<br />

Jahres <strong>2010</strong> kein Ende.<br />

noch im Jahr 2000 liefen die Din ge<br />

für die jüdische Ge mein schaft zu -<br />

meist recht gut, die positiven Trends<br />

der 1990er Jahre wurden bestens<br />

weitergeführt. Doch dann drehte der<br />

Wind und die Din ge verschlechterten<br />

sich rapide.<br />

Hatten israelis und Palästinenser<br />

end lich begonnen, die Details für ei -<br />

nen endgültigen Friedensver trag auszuarbeiten<br />

und eben noch die Hoff -<br />

nung bestanden, dass ein or thodoxer<br />

Jude zum Vizepräsi den ten der Verei -<br />

nig ten Staaten ge wählt wird, während<br />

die jüdische Ge mein de sich eines fi nan -<br />

ziellen und kulturellen Auf schwungs<br />

er freute, so wurden all diese Hoff nun -<br />

gen noch vor Ende 2000 am Bo den<br />

der Realität zerschmettert. Statt Al Go -<br />

re (und mit ihm der jü di sche Kan di dat<br />

für das Vizeprä si den ten amt Joe Lie -<br />

ber man) ge wann Geor ge W. Bush das<br />

Rennen um das US-Präsidentenamt.<br />

Gleich zei tig schei terte der hoffnungsvolle<br />

Friedensprozess zwischen israel<br />

und den Palästinen sern an der Wei -<br />

gerung der Paläs ti nenser, israels Vor -<br />

schläge für ei nen finalen Frie dens ver -<br />

trag zu ak zep tie ren – die zweite inti -<br />

fa da be gann.<br />

Antisemi tismus und Antizionis mus<br />

wa ren wieder an der Tages ord nung,<br />

is rael und der Westen sahen sich ei -<br />

ner aufwallenden is lamis ti schen Ter -<br />

ror gefahr und der Be dro hung durch<br />

den iran gegenüber.<br />

Der Kollaps des globalen Finanz sys -<br />

tems und die Erschütterung der welt -<br />

wirtschaft taten schließlich ihr Übriges<br />

zur ohnehin schon immer geringer<br />

werdenden För derung jüdischer<br />

Kultur.<br />

Einen weiteren Beweis für eine an hal -<br />

tend negative Entwicklung in jüdischen<br />

Angelegenheiten stellte die An -<br />

ti rassismuskon fe enz der UnO 2001<br />

im südafrikanischen dur ban dar. Ur -<br />

sprüng lich <strong>als</strong> globales Forum zur Be -<br />

kämpfung des Rassismus angekündigt,<br />

avancierte die Konferenz <strong>als</strong>bald<br />

zur Platt form der Anti-israel Akti vis -<br />

ten. Pam phlete mit Karikaturen ha ken -<br />

nasiger, bluttriefender Juden <strong>als</strong> na zis,<br />

die palästinensische Kin der aufspießten<br />

und in denen immer wieder auf<br />

Geld angespielt wur de, wurden dort<br />

ver teilt. im Um feld der Konferenz wa -<br />

ren überdies an ti semitische Hitler-Ver -<br />

herrli chun gen wie „Hitler hätte seine<br />

Arbeit zu Ende führen sollen“ zu se -<br />

hen und Kopien der „Protokolle der<br />

Wei sen von Zion“ wurden ver kauft.<br />

12 <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770


POLITIK • ISRAEL<br />

Jüdische Aktivisten reagierten fassungslos<br />

auf die intensität der ih nen<br />

entgegen schlagenden weltweiten<br />

Feindseligkeit.<br />

Letztendlich konnten die Organi sa -<br />

toren der Konferenz die schlimmsten<br />

Angriffe gegen israel zumindest aus<br />

dem offiziellen Abschluss dokument<br />

heraushalten, doch die Palästinenser<br />

und ihre Verbün de ten nutzten die<br />

Gelegenheit, um eine internationale<br />

Kam pagne zur isolierung und Dele -<br />

gi timierung des Jüdischen Staates zu<br />

starten.<br />

Wenige Tage später beraubten die<br />

scho ckierenden Attentate des 11. Sep -<br />

tember 2001 die US-Juden (und alle<br />

anderen Amerikaner) des al ler letzten<br />

Gefühls der Si cher heit, das sie angesichts<br />

des sich andern orts zusam men -<br />

brauenden is la mi s tischen Gewitters<br />

noch haben konn ten.<br />

Auch israel blieb in dieser Zeit nicht<br />

verschont. Eine serie von at ten ta ten<br />

kostete mehr <strong>als</strong> 1.000 is ra elis das Le -<br />

ben und brachte den Tou ris mus im<br />

Land fast vollends zum Er liegen.<br />

zwei Kriege folgten – ge gen die vom<br />

iran unterstützten Ter roristen or ga ni -<br />

sa tionen His bol lah im Libanon und<br />

die Hamas in Ga za. Aus den an israel<br />

angrenzenden Gebieten regnete es<br />

un zäh lige raketen auf israelische Zi -<br />

vi li s ten.<br />

inzwischen ist es relativ ruhig ge wor -<br />

den an den Fronten im nor den und<br />

Süden, dafür versetzt ein noch dringenderes<br />

Problem isra els Sicher heit s -<br />

chefs in helle Auf re gung: die Bedro -<br />

hung durch ei nen nuklearen iran.<br />

Und auch ame ri ka nisch-jüdische Or -<br />

ganisa tio nen ha ben das Bemühen um<br />

an tiira ni sche Sanktionen zur obersten<br />

Prio rität erhoben.<br />

in den USA tobte viele Jahre hindurch<br />

der Kampf zwischen proisraelischen<br />

Aktivisten und ihren Geg nern. Den<br />

jüdischen Grup pie run gen wurde vermehrt<br />

auch von hochkarätigen mit -<br />

glie dern der amerikanischen Gesell -<br />

schaft und linksgerichteten Kreisen<br />

vorgeworfen, die interessen israels vor<br />

jene der USA zu stellen. Ex-US-Prä si -<br />

dent Jimmy carter war hier wohl eine<br />

der bekanntesten Stimmen.<br />

Und <strong>als</strong> ob dies nicht schon genug<br />

Angst und Verunsicherung in jü di -<br />

schen Kreisen hinterlassen hä t te, über -<br />

schwemmte auch noch mel gib son<br />

die Welt mit seinem mit klassischen<br />

antijüdische Kli schees gespickten<br />

machwerk „Die Pas si on Christi“.<br />

Da passte die Behaup tung, israelis hät -<br />

ten im vergangenen Jahr Pa läs ti nen ser<br />

getötet, um deren Organe zu stehlen,<br />

doch perfekt dazu.<br />

noch wenige De ka den zuvor hät te<br />

man solche Ent wick lungen im mer<br />

noch <strong>als</strong> isolierte Einzel fälle abtun<br />

können. Doch der wachsende Ein fluss<br />

des inter net macht aus Ein zel fällen<br />

schnell eine Welle des weltumspannenden<br />

Antisemitismus.<br />

Kann man all diesen „bad news“ da -<br />

bei trotzdem etwas Positives ab ge -<br />

win nen? Gibt es noch eine klei ne Hoff -<br />

nung auf einen historischen mei -<br />

nungs umschwung?<br />

Die Ausgelassenheit und Un be küm -<br />

mertheit der jüdischen Ge mein schaft<br />

in den 1990ern ist je den falls längst<br />

Geschichte. Die ser Traum ist ausgeträumt.<br />

Anderer seits haben israel<br />

und die Juden be reits wesentlich<br />

Schlim meres überlebt.<br />

nun, vielleicht sollen wir aus den Lek -<br />

tionen der vergangenen zehn Jahre<br />

ein fach lernen, dass es zwar stets ei nen<br />

Ausweg gibt, dass Träu me allein aber<br />

nicht immer reichen. Es braucht vielmehr<br />

eine gehörige Portion Willens -<br />

kraft und wachsamen Realismus, um<br />

so manch’ schwe re Zeiten überstehen<br />

zu kön nen.<br />

©Flash90<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770 11


POLITIK • ISRAEL<br />

© U.Sahm<br />

Israelische<br />

Sicherheitskontrollen<br />

zählen auf Psychologie<br />

VON ULRICH W. SAHM/APA<br />

„Wieso stimmt das Namenschild an Ih rem<br />

Koffer nicht mit dem Namen in Ihrem<br />

Pass überein? Haben Sie den Koffer selbst<br />

gepackt? War er ständig unter Ihrer Auf -<br />

sicht? Was war der Grund Ihres Besuches<br />

in Israel? Haben Sie Palästinenser getroffen?“<br />

Die penetrante Befragung am<br />

Flughafen kann unangenehm sein.<br />

Ein mal zog sich die Befragung eineinhalb<br />

Stunden in die Länge. Die Sicher -<br />

heitsbeamtin konnte nicht verstehen,<br />

weshalb ein deutscher Tourist fließend<br />

Hebräisch spricht. Am Ende erklärte<br />

ich ihr: „Als ich noch jung und schön war,<br />

hüpfte ich durch die Betten aller isra eli -<br />

schen Frauen. So lernte ich Hebräisch in<br />

Nachtkursen.“ Die junge Frau bekam<br />

einen hochroten Kopf und rannte be -<br />

leidigt zu ihrem Vorgesetzten. Der<br />

frag te mich höflich: „Do you speak He -<br />

brew?“ (Sprechen Sie Hebräisch?) ich log:<br />

„Not a word.“ (Kein Wort). Er frag te,<br />

wieso ich seine mitarbeiterin beleidigt<br />

hätte. „Weil ich keine vernünftigen Ant -<br />

worten mehr zu ihren dummen Fra gen<br />

fand.“ Er war zufrieden und drückte<br />

den Sicherheits-Aufkleber auf meine<br />

Reisetasche. Auf Hebräisch fragte ich<br />

ihn, was denn das Theater sollte, zu -<br />

mal ich ihn angelogen hätte. Er lachte:<br />

„Wir prüfen, ob ein Passagier verunsichert<br />

ist oder Angst hat. Der ist für uns<br />

ein potenzieller Terrorist.“ Das ist die<br />

ganze Philosophie der israelischen Si -<br />

cherheitskontrollen. „Menschen verhalten<br />

sich unter Stress anders. Angst und<br />

Die Kontrolle beginnt bereits bei der Einfahrt zum Flughafen<br />

Ner vosität kann man ihnen ansehen“, sagt<br />

Rafi Ron, ehemaliger Sicherheitschef<br />

auf dem Ben Gurion Flughafen bei Tel<br />

Aviv.<br />

Bei der Einfahrt zum Flughafen fragt<br />

ein Sicherheitsbeamter den Taxi fahrer,<br />

woher er komme. Einige meter wei ter<br />

stehen Sicherheitsleute mit dem Fin ger<br />

am Abzug ihres Gewehrs. Beim lei ses -<br />

ten arabischen Akzent des Taxifahrers<br />

wird sein Wagen auf eine nebenspur<br />

befohlen. Alles wird durchsucht. Eine<br />

nummer wird auf seine Windschutz -<br />

scheibe geklebt. Ein Aufkleber mit der<br />

gleichen nummer schmückt den Pass<br />

des Reisenden. nach einigen hundert<br />

metern parkt ein Auto mit gelben<br />

Blink lichtern, zwei männern und laufendem<br />

motor in einer nebenstraße,<br />

jederzeit bereit, sich den Taxis in den<br />

Weg zu stellen. Vor der Eingangstür<br />

des Termin<strong>als</strong> stehen unauffällige<br />

män ner mit ausgebeulten Jacken. Sie<br />

werfen prüfende Blicke auf jeden Rei -<br />

sen den. Und drinnen folgt die Befra -<br />

gung. „Sie kennen doch die Geschichte<br />

der Verlobten eines Palästinensers, die<br />

seine Familie im besetzten Gebiet besuchen<br />

wollte. Die hochschwangere Britin<br />

wusste nicht einmal, dass ihr Mann ei nen<br />

Plattenspieler mit Sprengstoff und Hö hen -<br />

messer in ihren Koffer gepackt hatte.“<br />

Diese Geschichte von 1986 hört man<br />

immer wieder, wenn sich die Si cher -<br />

heitsleute für ihre penetranten Fragen<br />

entschuldigen. in Frankfurt darf man<br />

nicht einmal im aufgegebenen Koffer<br />

ein Küchenmesser mitführen. Die<br />

Schu he werden separat durchleuchtet.<br />

Flüssigkeiten werden konfisziert. Das<br />

©HTS<br />

14 <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770


POLITIK • ISRAEL<br />

gibt es auf dem „sichersten Flughafen<br />

der Welt“ nicht. in Tel Aviv werden<br />

Koffer routinemäßig durchleuchtet,<br />

aber nur per Stichprobe genauer un -<br />

ter sucht. „Das Leben der Passagiere ist<br />

uns wichtiger <strong>als</strong> deren Menschen wür de“,<br />

sagte ein Sicherheitsexperte nach dem<br />

versuchten Anschlag eines nigeria -<br />

ners, sich zu Weihnachten in einer<br />

north west maschine in die Luft zu<br />

sprengen.<br />

Während Amerikaner und Europäer<br />

glauben, mit nacktscannern, Kof fer -<br />

kontrollen und metalldetektoren die<br />

Sicherheit in Flugzeugen garantieren<br />

zu können, verlassen sich die israelis<br />

vor allem auf die Psychologie. Ohne<br />

Scham werden 25-jährige, alleinreisende<br />

männer und besonders Araber<br />

oder Reisende mit Stempeln arabischer<br />

Länder im Pass separat und<br />

sehr ge nau geprüft, nach dem motto<br />

„Nicht jeder Moslem ist ein Terrorist,<br />

aber (fast) jeder Terrorist ist ein Mos -<br />

lem.“ Der ni gerianer hätte es bei der<br />

israelischen methode nicht an Bord<br />

des Flugzeugs geschafft, zumal die<br />

namen der isra el-Passagiere schon<br />

nach dem Kauf des Tickets mit einschlägigen<br />

Listen abgeglichen werden.<br />

Derweil lacht man über die neueste<br />

Lehre aus jenem Vor fall: Pas -<br />

sagiere dürfen sich eine halbe Stunde<br />

vor der Landung nicht in De cken hüllen.<br />

„Dann sprengt der sich halt eine dreiviertel<br />

Stunde vor der Lan dung...“, sagte<br />

kopfschüttelnd eine israeli.<br />

Beim Anflug in istanbul stehen Autos<br />

mit gelben Blinklichtern vor der Lan -<br />

de bahn. im Terminal in Berlin Schö -<br />

nefeld hörte ich einen hebräischen<br />

Funkspruch: „Schau mal, was sich im<br />

Ge büsch bewegt.“ israelis fahren vor<br />

Start und Landung ihrer maschinen<br />

Patrouille rund um die Flughäfen im<br />

Ausland. Sie suchen nach Terroristen<br />

mit geschulterten Flak-Raketen.<br />

im november 2002 scheiterte in mom -<br />

basa der Versuch, eine Arkia-Char ter -<br />

ma schine mit einer Rakete abzuschiessen.<br />

Sie verpasste das startende Flug -<br />

zeug nur knapp. Ein Freund von mir<br />

saß in jener maschine und kannte den<br />

Piloten: „Der verriet, dass israelische Pi -<br />

lo ten auf gefährlich eingestuften Flug plät -<br />

zen auf eigene Faust eine andere Start bahn<br />

benutzen, <strong>als</strong> vorgegeben. Diese Chuz pe<br />

hat uns in Mombasa das Leben gerettet.“•<br />

Israel testet<br />

biometrische Scanner<br />

am Flughafen<br />

Die israelische Flughafenbehörde<br />

(iAA) hat auf dem Ben-Gurion-Flug -<br />

hafen in Tel Aviv mit dem Test eines<br />

hoch modernen biometrischen Sicher -<br />

heits sys tems begonnen. Die Befra -<br />

gung der Passagiere erfolgt dabei<br />

durch Automa ten. mit der methode<br />

soll vor allem Zeit gespart werden.<br />

Um die automatische Kontrolle zu<br />

nutzen, muss sich der Passagier zu -<br />

nächst einmalig am Flughafen registrieren.<br />

Dabei scannt eine maschine<br />

den Pass, nimmt Fingerabdrücke und<br />

macht Portraitfotos, um eine biometrische<br />

Sig natur zu erstellen. Diese<br />

wird auf einer Chipkarte gespeichert.<br />

mit dieser Karte kann der Passagier<br />

dann zur ersten Sicherheitskontrolle<br />

an einem Automaten gehen. Dort<br />

werden ihm mehrere Fragen gestellt,<br />

bislang war dies die Aufgabe des Si -<br />

cher heitsperson<strong>als</strong>. Ganz auf mensch -<br />

liches Zu tun wird jedoch nicht verzichtet.<br />

An allen Automaten steht Per -<br />

sonal zur Ver fü gung, falls der nutzer<br />

© Reuters/Ronen Zvulun<br />

Probleme bei der Beantwortung oder<br />

dem Um gang mit der maschine hat.<br />

Wenn diese Kontrolle erfolgreich ab -<br />

geschlossen wur de, steht eine automatische<br />

Gepäckaufgabe bevor. An -<br />

schlie ßend begibt sich der Passagier<br />

zum Check-in-Schalter. Anhand der<br />

Chipkarte können die Be arbeiter er -<br />

kennen, ob alle Kontrollen problemlos<br />

durchgeführt wurden.<br />

nach dem Check-in erfolgt nach er -<br />

neutem Einlesen der Chipkarte <strong>als</strong><br />

letz ter Schritt die Kontrolle des<br />

Handgepäcks.<br />

Das neue System wird derzeit von mit -<br />

gliedern eines Clubs für Vielflieger der<br />

Fluggesellschaft El Al getestet. in ner -<br />

halb von zwei Jahren sollen alle ab flie -<br />

genden Passagiere die automatische<br />

Kontrolle nutzen können, die sich<br />

frei willig registriert haben.<br />

Laut einer iAA-Sprecherin ist das Sys -<br />

tem bisher einzigartig auf der Welt.<br />

meh rere internationale Flughäfen hät -<br />

ten bereits interesse daran geäußert. inn<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770 15


POLITIK • ISRAEL<br />

„Al-Fateh.net“ ist eine Kinderseite<br />

der radikal-islamischen Hamas. Es<br />

gibt viele bunte Bilder, Puzzle, Rätsel<br />

und Geschichten. Doch inhaltlich hat<br />

die Seite vor allem ein Ziel: „Die Web -<br />

sei te enthält erzieherische Botschaften für<br />

junge Leser und sagt einiges über die Ge -<br />

sinnung der Ideologie der Hamas aus. Sie<br />

enthält blanken Hass, Verachtung und Dä -<br />

monisierung der ‘Anderen’, <strong>als</strong>o des Wes -<br />

tens, besonders der USA und Europas,<br />

der Juden, Israels und des Zionismus,<br />

ebenso wie den Aufruf zur Errichtung ei -<br />

nes islamischen Staates in den Palästi nen -<br />

sergebieten und das Ende des israelischen<br />

Staates durch einen ‘heiligen Kampf’“,<br />

heißt es in einer Studie des „institute<br />

for monitoring Peace and Cultural<br />

Tolerance in School Education“<br />

(imPACT-SE).<br />

Hinter imPACT-SE stehen mitar bei -<br />

ter aus Europa, den USA oder israel,<br />

die aufdecken wollen, wenn in arabischen<br />

Schulbüchern oder auf Web -<br />

seiten zum Hass aufgerufen wird,<br />

vornehmlich gegen Juden und israel.<br />

Auf „Al-Fateh“ gibt es Bilder zum<br />

Aus malen, doch sie handeln von<br />

Schlachtszenen, die Bilderge schich ten<br />

rufen zum Dschihad auf, und eine<br />

freundliche Großmutter erklärt ihrer<br />

En kelin, dass Friedensbestrebungen<br />

zum Scheitern verurteilt sind – und<br />

warum es wichtig ist, israelische Sol -<br />

da ten zu entführen.<br />

Das arabischsprachige magazin ging<br />

im September 2002 online. Die Seite<br />

wird zweimal im monat aktualisiert.<br />

Die Kinder-Webseite hat nach eigenen<br />

Angaben eine wachsende Zahl von<br />

Lesern, in den ersten vier Jahren sollen<br />

es 34 mio. Zugriffe gewesen sein, in<br />

den acht monaten darauf waren es<br />

be reits 48 mio. Zum Vergleich: Die<br />

Webseite „Spiegel online“ etwa hat<br />

pro monat rund 4,5 mio. Zu griffe.<br />

Auch arabischsprachige Kin der aus<br />

Deutschland hinterlassen dort Gruß -<br />

botschaften, berichtet „Zeit online“.<br />

Mit Gewehren gegen israelische<br />

Soldaten<br />

Der Westen werde generell <strong>als</strong> korrupt<br />

dargestellt. Der islam müsste bis zum<br />

Sieg gegen ihn kämpfen. Eine Spra che<br />

voll von Antisemitismus verunglimpfe<br />

die Juden. israelisch-palästinensische<br />

Abkommen werden abgelehnt. Auf<br />

Landkarten sind die israelischen Gren -<br />

HAMAS-HASS<br />

Webseite für den<br />

Terror-Nachwuchs<br />

Auf den ersten Blick sieht „Al Fateh.<br />

net“ aus wie eine gewöhnliche arabische<br />

Web seite für Kinder. Doch der<br />

Inhalt strotzt nur so vor Hass auf den<br />

Westen, auf Juden und Israel. Die<br />

Nicht regierungs organisation IM PACT-<br />

SE prangert an, dass das Magazin<br />

Kinder weltweit mit der Hass-Ideo lo -<br />

gie der Hamas indoktriniere.<br />

Al- AlFateh The<br />

Hamas Web M agazine<br />

forChildre<br />

ldren:<br />

Indo ctrinatio<br />

n to<br />

J iha<br />

d, Annihila tio<br />

on an<br />

d Self -Destuction<br />

Destr<br />

ruction<br />

A R p and<br />

E<br />

d y IM<br />

PAC T-S<br />

E Staf<br />

zen nicht eingezeichnet, stattdessen ist<br />

ein großer Staat namens „Palästina“<br />

zu sehen. Hunderte Jahre vor Chris -<br />

to pher Columbus seien moslems be -<br />

reits nach Amerika gereist, erzählt die<br />

Webseite den Kindern.<br />

Al-Fateh heißt „Der Eroberer“. Das<br />

maskottchen der Webseite ist ein kleiner<br />

Junge mit dunklen Kulleraugen,<br />

der auf einem süßen Pony in die<br />

Schlacht reitet – mit einem riesigen<br />

Säbel in der Hand. in den Ge schich ten<br />

werden der Kampf gegen israel und<br />

das märtyrertum gepriesen. Ein Jun ge<br />

namens mahmud etwa wünscht sich<br />

nach guten Schulleistungen ein Spiel -<br />

zeuggewehr. Als er es bekommt, verspricht<br />

er seinem Vater stolz: „Das<br />

wird bald ein echtes Gewehr in meinen<br />

Händen.“ Der Vater lobt ihn, streicht<br />

ihm über das Haar und sagt: „Gerade<br />

bist Du zum Mann geworden.“<br />

Gewinner eines malwettbewerbes ist<br />

in einer Geschichte ein Bild mit dem<br />

Titel „Wenn der Himmel wütend ist“<br />

geworden. Darauf regnen Steine auf<br />

israelische Soldaten nieder, die ge trof -<br />

fen zu Boden sinken. „Applaudiert alle<br />

eurem Freund Izz al-Din“ ruft der Leh -<br />

rer in der Geschichte freudestrahlend<br />

aus. immer wieder sind Fotos von Jun -<br />

gen zu sehen, die mit Spielzeug ge -<br />

wehren auf israelische Soldaten<br />

„schießen“.<br />

in einer Ausgabe aus dem Jahr 2004<br />

war das Foto des abgerissenen Kop -<br />

fes der Selbstmordattentäterin von<br />

Zey nab Abu Salam abgedruckt, die<br />

<strong>als</strong> „märtyrerin“ bezeichnet wird.<br />

Abu Salam hatte sich 2004 in Jerusa -<br />

lem selbst in die Luft gesprengt. Auf<br />

der Kinder-Webseite steht neben dem<br />

Foto des auf dem Boden liegenden<br />

Kopfes: „Ihr Kopf hat sich von ihrem reinen<br />

Körper gelöst, und ihr Schleier hat<br />

sie weiterhin geschmückt. Ins Paradies,<br />

O Zeynab, Du Menschentochter!“<br />

in einer Ausgabe aus dem Jahr 2003<br />

heißt es im Vorwort: „Allah, beschütze<br />

die, die in Palästina oder anderswo kämpfen...<br />

Gib ihnen den Sieg über ihre Fein de<br />

... Allah, zerstöre sie und ihre jüdischen<br />

und amerikanischen Herren.“ Juden<br />

sind „Verbrecher“ und „ein Krebs ge -<br />

schwür“, bringt die Seite den Kindern<br />

bei und leugnet den Holocaust.<br />

nach Angabe eines Sprechers von<br />

imPACT-SE handele es sich bei „Al-<br />

Fateh“ um „eine der gefährlichsten Sei ten<br />

im Internet, die eine zukünftige Gene ra -<br />

tion von Selbstmordattentätern indoktriniert“.<br />

Die internetseite, die laut der<br />

Organisation zur Hamas gehört, war<br />

zu nächst im Libanon eingetragen,<br />

mitt lerweile gibt „Al-Fateh“ seinen<br />

Sitz in London an. Der Standort des<br />

Ser vers habe der Studie zufolge in den<br />

vergangenen Jahren immer wieder ge -<br />

wechselt. Zuletzt sei die Seite auf ei -<br />

nem Server in malaysia gespeichert<br />

gewesen, auf dem auch andere Ha -<br />

mas-nahe internetseiten lägen. Dies<br />

mache es schwierig, die Seite zu un -<br />

terbinden, sagte dazu ein Sprecher des<br />

Bundesinnenministeriums laut „Zeit<br />

online“: „Eine Sperrung der Seite ist nicht<br />

möglich, wenn der benutzte Server nicht<br />

in Deutschland steht.“ Zwar sei die in -<br />

doktrination von Kindern auf das<br />

Schärfste abzulehnen, aber nur eine<br />

ein heimische Behörde könne die Lö -<br />

schung anordnen. Solange bleibt die<br />

Aufforderung zum Dschihad auch in<br />

Deutschland aufrufbar.<br />

inn<br />

http://www.impact-se.org/<br />

16 <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770


POLITIK • ISRAEL<br />

Israelisches<br />

Millionengeschäft<br />

mit Teheran<br />

© U. Sahm<br />

Der Handel beläuft sich angeblich<br />

auf hunderte Millionen Dollar<br />

VON ULRICH W. SAHM/APA<br />

Die israelische Firma Daronet aus dem<br />

ultraorthodoxen Dorf Elad nahe dem<br />

in ternationalen Ben Gurion Flug ha -<br />

fen hat mit der Teheraner Stadtverwal -<br />

tung über ihre Filiale in Brüssel ein<br />

millio nengeschäft abgeschlossen.<br />

Daronet ist auf die Gestaltung von<br />

Web seiten im internet und die Pro -<br />

gram mierung von kundenfreundli -<br />

chen Automatisierungsprozessen spe -<br />

zialisiert, zum Beispiel für Tankstel -<br />

len in ganz indien.<br />

Die Stadtverwal tung von Teheran<br />

habe schon US$ 200.000 (139.140 Eu ro)<br />

für die Übersetzung des Pro gramms<br />

ins Persische im Voraus bezahlt und<br />

werde in Ra ten insgesamt US$ 1 mio.<br />

für das israelische Programm entrichten,<br />

verriet der Finanzchef der Firma,<br />

Jakob Harpaz, dem israelischen Rund -<br />

funkreporter Shimon Vilnai. „Fürch ten<br />

Sie nicht, dass die Iraner das Geschäft<br />

wie der rückgängig machen könnten,<br />

wenn wir dies im isra elischen Rundfunk<br />

veröffentlichen?“ fragte Vilnai. Doch<br />

Harpaz macht sich da keine Gedan -<br />

ken: „Das Ge schäft wur de über einen<br />

europäischen Ge schäfts mann abgewickelt.<br />

Die Iraner haben sich ihm gegenüber verpflichtet.“<br />

Der Spre cher von Daronet, Yehoshua<br />

Meiri, sagte auf Anfrage, dass er die<br />

Aufregung über diesen Kontakt zwischen<br />

israel und dem iran nicht ganz<br />

verstehe. „Der Handel zwischen beiden<br />

Ländern beläuft sich auf hunderte Mil lio -<br />

nen Dollar“, behauptet meiri, der sich<br />

selber <strong>als</strong> ultraorthodoxer Ju de be -<br />

zeich net. Er wusste sogar ganz konkret<br />

von persönlichen Kontakten und<br />

heimlichen Besuchen von ira nern, die<br />

über Jordanien nach israel kämen.<br />

So sei vor nicht langer Zeit eine De le -<br />

gation der Stadtverwaltung von Te he -<br />

ran nach israel gekommen, um bei<br />

der israelischen Baufirma Tahal Ein -<br />

sicht in die Originalpläne des Tehe ra -<br />

ner Abwassersystems zu erhalten. Das<br />

hatten die israelis noch zu Zeiten des<br />

Schah ausgebaut.<br />

Baupläne von vielen großen und<br />

öffentlichen Gebäu den in der iranischen<br />

Hauptstadt liegen noch in den<br />

Archiven von Solel Boneh, ei nem an -<br />

deren israelischen Konzern mit internationalen<br />

Projekten. Weiter er zählt<br />

meiri, dass vor zwei Jahren fünfzehn<br />

Landwirtschaftsberater aus israel in<br />

der nähe von Bushehr persische Bau -<br />

ern eingewiesen hätten, „ganz in der<br />

Terror beachtlich<br />

zurückgegangen<br />

israel hat im vergangenen Jahr - al so<br />

nach dem dreiwöchigen Gaza-Krieg -<br />

einen deutlichen Rückgang der<br />

Attacken aus den Palästinenser ge bie -<br />

ten verzeichnet. Das teilte die israelische<br />

Sicherheitsagentur iSA mit.<br />

Wurden 2008 noch über 2.000 Rake -<br />

ten auf israel abgefeuert, so waren es<br />

im Jahr 2009 nur noch 566.<br />

Die Zahl der mörsergranaten-An grif -<br />

fe sank von knapp 1.700 auf 287 im<br />

vergangenen Jahr.<br />

Erstm<strong>als</strong> seit 2000 gab es im vergangenen<br />

Jahr auch keinen Selbstmord an -<br />

schlag in israel, hieß es weiter.<br />

insgesamt wurden 15 israelis 2009 ge -<br />

tötet, neun davon während des israelischen<br />

militäreinsatzes im Gaza strei -<br />

fen. im Vorjahr waren noch 36 israelis<br />

bei Angriffen radikaler<br />

„Daronet“ sitzt im ultrorthodoxen Elad<br />

Nähe des Atomreaktors“, wie er be tonte.<br />

Über die Firma Daronet sagt meiri,<br />

dass sie allein 120 fromme Frauen aus<br />

Elad beschäftige. Besonders stolz sei<br />

Daronet auf seine Webseiten mit<br />

frommen inhalten. Sie würden täglich<br />

280.000 mal angeklickt. Darauf<br />

angesprochen, dass doch kürzlich ul -<br />

tra orthodoxe Rabbiner ihren Anhän -<br />

gern den Zugang zum internet verboten<br />

hätten, sagte meiri: „Das sind nicht<br />

fromme Juden, die sich unsere Webseiten<br />

anschauen, sondern weltliche Juden, die<br />

sich dem Judentum annähern wollen.“<br />

Ariel Sharon seit vier<br />

Jahren im Koma<br />

Vier Jahre nach seinem Schlaganfall<br />

liegt der frühere israelische minister -<br />

prä sident Ariel Sharon noch immer<br />

im Koma. Die Lebensfunktionen des<br />

81-Jährigen seien gut, sagte Dov Weis -<br />

glas, ein enger Freund des ehemaligen<br />

Regierungschefs. Ob Sharon jem<strong>als</strong><br />

das Bewusstsein wiedererlangen wer -<br />

de, sei unklar.<br />

Kurz vor seiner schweren Erkran kung<br />

hatte Sharon eine politische Kehrt wen -<br />

de vollzogen: Der <strong>als</strong> „Bulldo zer“ be -<br />

kannte Gene ral, der stets <strong>als</strong> Freund<br />

der Siedler galt, hatte gegen alle<br />

Widerstände be schlossen, den besetzten<br />

Gazastreifen sowie einige Sied lun -<br />

gen im Westjor dan land zu räu men. im<br />

Spätsommer 2005 wurde dieser Schritt<br />

vollzogen.<br />

Seine Wiederwahl schien gesichert, bis<br />

er am 4. Jänner 2006 ins Koma fiel.<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770 17


POLITIK • ISRAEL<br />

Der Friedensprozess m<br />

Das israelische Außenministerium hat<br />

einen aktuellen Katalog von 17 Fra gen und<br />

Antworten zum Frie densprozess mit den<br />

Palästinensern zusammengestellt.Teil 1<br />

1. Wie kann Frieden erreicht<br />

werden?<br />

Der Traum von einer Zukunft, in der<br />

israelische und arabische Kinder frei<br />

von der Bedrohung durch Krieg und<br />

der Furcht vor Terrorismus aufwachsen<br />

können, vereint alle israelis. Die<br />

lan ge Geschichte gescheiterter Ver -<br />

hand lungen mit den Palästinensern<br />

hat jedoch gezeigt, dass die Sehn sucht<br />

nach Frieden allein noch nicht ausreicht.<br />

mal für mal hat israel weit reichende<br />

Frie densvorschläge vorgelegt, große<br />

Zugeständnisse gemacht, ausgedehnte<br />

Gebiete des Landes aufgegeben,<br />

Siedlungen geräumt, Truppen abgezogen,<br />

militärstützpunkte aufgelöst<br />

und Schritte eingeleitet, die den Pa läs -<br />

tinenser ermöglichen, die Grund la gen<br />

für eine Selbstverwaltung zu le gen.<br />

im Gegenzug hat israel eine palästinensische<br />

Terrorkampagne, Selbst -<br />

mord attentate, Raketenangriffe und<br />

gif tige Hetze gegen israelis und Ju den<br />

erhalten; und ist einer andauernden<br />

Kampagne auf dem internationalen<br />

Schauplatz zur Delegitimierung seiner<br />

nackten Existenz und zur Un ter gra -<br />

bung seiner Wirtschaft ausgesetzt<br />

wor den.<br />

israel ist immer bereit zu Kompro mis -<br />

sen gewesen, und jede israelische Re -<br />

gie rung – einschließlich der gegenwärtigen<br />

– ist darauf vorbereitet ge we sen,<br />

große Opfer für den Frieden zu bringen.<br />

Frieden Stiften macht je doch Zu -<br />

ge ständnisse auf beiden Sei ten erforderlich.<br />

So wie israel die Rechte und<br />

interessen der Palästinenser an er kannt<br />

hat, hat israel legitime Rechte und in -<br />

teressen, die ebenfalls anerkannt und<br />

befriedigt werden müssen. Frieden<br />

kann nur durch ernsthafte Ver hand -<br />

lun gen erreicht werden, die Differen -<br />

zen überbrücken und alle anstehenden<br />

Probleme lösen.<br />

2. Was sind die fünf Prinzipien<br />

für den Frieden?<br />

Die Grundlagen für einen andauernden<br />

Frieden können in der Erfüllung<br />

von fünf Prinzipien gefunden werden:<br />

die ersten drei davon betreffen die<br />

Anerkennung der Legitimität israels;<br />

die letzten beiden beziehen sich auf<br />

Sicherheitsbelange. Diese Prinzipien<br />

sind zwar nicht Vorbedingungen für<br />

Friedensverhandlungen, ein wirkli -<br />

cher und dauerhafter Frieden wird<br />

aber nur möglich sein, wenn sie be -<br />

friedigt wer den. Die fünf Prinzipien<br />

lauten wie folgt:<br />

< So wie israel dazu aufgerufen wird,<br />

einen nation<strong>als</strong>taat für die Paläs ti nen -<br />

ser anzuerkennen, so müssen auch<br />

die Palästinenser israel <strong>als</strong> den na ti o -<br />

nal staat des jüdischen Volkes anerkennen.<br />

Die Weigerung, israel <strong>als</strong> ei -<br />

nen jüdischen Staat anzuerkennen,<br />

liegt im Kern des Kon flikts.<br />

< Die Frage der palästinensischen<br />

Flüchtlinge sollte im Rahmen des pa -<br />

lästinensischen nation<strong>als</strong>taats ge löst<br />

werden. Während es den Paläs ti nen -<br />

sern frei stehen sollte, in dem pa läs ti -<br />

nensischen Heimatland zu siedeln,<br />

kann es sich israel selbst nicht leisten,<br />

demographisch von einer Flücht lings -<br />

flut überschwemmt zu werden, die die<br />

grundlegende identität israels <strong>als</strong><br />

welt weit einziger jüdischer Staat<br />

unterminieren würde.<br />

< Jegliches Friedensabkommen muss<br />

den Konflikt vollkommen beenden.<br />

Der Frieden muss permanent sein,<br />

nicht eine interimsphase, während<br />

der die Palästinenser ihren Staat da zu<br />

benutzen können, den Kon flikt mit<br />

is rael weiter zu führen. nach dem<br />

Abschluss eines Frie dens abkommens<br />

dürfen keine weiteren Forderungen<br />

mehr erhoben werden.<br />

< in Anbetracht der gegen israel nach<br />

seinem Rückzug aus dem Gaza-Strei -<br />

fen und dem Südlibanon ge führ ten<br />

Angriffe ist es wichtig, dass ein zu -<br />

künftiger palästinensischer Staat ei ner<br />

ist, der den Staat israel nicht bedroht.<br />

Die Gebiete, die im Rah men eines Ab -<br />

kommens ge räumt würden, dürften<br />

nicht von Terror is ten oder irans Ver -<br />

bün deten für An griffe gegen israel<br />

miss braucht wer den. Der einzige Weg,<br />

dieses Ziel zu erreichen und einen wei -<br />

teren Kon flikt zu verhindern, be steht<br />

in ei ner effektiven Entmilitari sie rung<br />

des zukünftigen palästinensischen<br />

Staates.<br />

< Jeder Friedensvertrag sollte mit Ga -<br />

rantien von Seiten der internationalen<br />

Gemeinschaft – angeführt von den<br />

USA - verbunden sein, insbesondere<br />

in Bezug auf Entmilitari sie rung und<br />

Si cher heitsvor kehrun gen. Unterstüt -<br />

zung würde auf po li ti schem, nicht mi -<br />

li tärischem Wege zum Ausdruck ge -<br />

bracht. Solch eine Garantie würde<br />

denen gegenüber eine zusätzliche Di -<br />

mension von Ab schreckung bieten,<br />

die danach trach ten, die Entmilita ri -<br />

sierungs vor keh rungen zu entkräften<br />

oder zu verletzen.<br />

3. Wie haben die Palästinenser<br />

auf israelische Friedensange -<br />

bote reagiert?<br />

Das israelische Volk ist stets willens<br />

ge wesen, bedeutsame Zuge ständ nis se<br />

für den Frieden zu machen, sowohl<br />

während Verhandlungen <strong>als</strong> auch uni -<br />

lateral. Jedes mal wenn ein Frieden<br />

möglich schien und ein Verhand lungs -<br />

partner ein Abkommen zu erreichen<br />

suchte, hat israel positiv geantwortet<br />

und klar seine Fähigkeit, Frieden zu<br />

schließen, und sein Streben danach<br />

demonstriert.<br />

israels Bereitschaft zu einem Ab kom -<br />

men mit seinen nachbarn geht noch<br />

auf die Zeit vor der Staatsgründung<br />

zurück. Die jüdische Führung des<br />

vor staatlichen israel akzeptierte un -<br />

zäh lige internationale Pläne zur Tei -<br />

lung des Landes – einschließlich der<br />

Un-Resolution 181 von 1947, die zur<br />

Teilung des Mandatesgebiets Paläs ti na in<br />

einen jüdischen und einen arabischen<br />

Staat aufrief. Leider wurde dieser<br />

Plan von der arabischen Seite ge walt -<br />

sam zurückgewiesen, so wie es schon<br />

beim Plan der Peel Commissi on von 1937<br />

und dem britischen Weiß buch von 1939<br />

18 <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770


POLITIK • ISRAEL<br />

it den Palästinensern<br />

der Fall war, die beide den Palästi nen -<br />

sern Aussichten auf die Gründung ei -<br />

nes eigenen Staates bo ten.<br />

nach der Gründung israels im Jahr<br />

1948 zeigten sich die Palästinenser und<br />

ihre arabischen Schutzherren interessierter<br />

an der Zerstörung is ra els <strong>als</strong><br />

an der Gründung eines palästinensischen<br />

Staates. Tatsächlich wurden,<br />

ob wohl das Westjordanland und der<br />

Ga za-Streifen zwischen 1948 und 1967<br />

unter jordanischer bzw. ägyptischer<br />

Kontrolle standen, keine Anstalten ge -<br />

macht, einen palästinensischen Staat<br />

zu gründen, und die Angriffe gegen<br />

israel gingen unverändert weiter.<br />

im Anschluss an israels Sieg im prä -<br />

ventiven Sechs-Tage-Krieg von 1967 zer -<br />

schmetterte das Treffen der Ara bi schen<br />

Liga in Khartoum die is ra eli schen<br />

nachkriegsfrie densplä ne, <strong>als</strong> dort er -<br />

klärt wurde: „Kein Frieden mit Israel,<br />

keine Anerkennung Israels und keine<br />

Verhandlungen mit ihm.“<br />

israels erstes Friedensabkommen mit<br />

einem nachbarstaat wurde in Ver -<br />

hand lungen im Anschluss an den Be -<br />

such des ägyptischen Präsidenten An -<br />

war Sadat 1977 in Jerusalem er zielt.<br />

Als Teil des Friedensvertrags mit<br />

Ägypten gab israel die Pufferzone der<br />

Sinai-Halbinsel zurück, die 90% der<br />

Territorien darstellte, die <strong>als</strong> Ergebnis<br />

des Sechs-Tage-Krieges unter israelische<br />

Kontrolle gekommen waren. Da -<br />

bei hat israel freiwillig wichtige elek -<br />

tro nische Frühwarnsysteme, 170 militär<br />

anlagen, Fabriken, Geschäfte, land -<br />

wirtschaftliche Gemeinden und ein<br />

von israel entdecktes Ölfeld aufgegeben.<br />

Am schmerzhaftesten war die<br />

Ent wurzelung von 7.000 seiner Bür ger<br />

von ihren Häusern im Sinai. All das<br />

tat israel für ein Versprechen von Frie -<br />

den. israels Friedensvertrag mit Ägyp -<br />

ten hat seine Bereitschaft, Opfer für<br />

den Frieden zu bringen, klar bewiesen.<br />

Die Palästinenser, die unter den Camp-<br />

David-Verträgen zwischen israel und<br />

Ägypten eine Autonomie hätten be -<br />

gründen können, verweigerten die<br />

Zu sammenarbeit, wodurch sie aberm<strong>als</strong><br />

eine Gelegenheit verpassten, ih -<br />

re nationalen Ziele zu erreichen.<br />

nach den Veränderungen auf dem in -<br />

ternationalen Schauplatz haben sich<br />

die Palästinenser und die benachbarten<br />

arabischen Staaten Syrien, Liba non<br />

und Jordanien letztlich zu bilateralen<br />

und multilateralen Verhandlungen<br />

mit israel bereit erklärt, und auf der<br />

Mad rider Friedenskonferenz von 1991<br />

wur den direkte Friedensgespräche be -<br />

gonnen. Diese Gespräche führten zur<br />

Unterzeichnung eines Friedens ver tra -<br />

ges zwischen israel und Jorda ni en im<br />

Oktober 1994.<br />

Verhandlungen zwischen israelis und<br />

Palästinensern führten am Ende zu der<br />

Grundsatzerklärung vom Septem ber 1993.<br />

Für das palästinensische Ver sprechen,<br />

israel anzuerkennen und der Gewalt<br />

und dem Terrorismus a b zuschwören,<br />

willigte israel in weitrei chende und<br />

fühlbare Zugeständnisse ein, einschließlich<br />

der Gründung der Paläs ti -<br />

nen sischen Autonomie behör de (PA)<br />

im Westjordanland und im Gaza-Strei -<br />

fen unter dem Vorsitz von Yasser Ara -<br />

fat. israel übertrug den Palästi nen sern<br />

beträchtliche machtbefug nisse und<br />

Verantwortlichkeiten in großen ge o -<br />

gra phischen Räumen.<br />

Die Verhandlungen um ein Endsta tus -<br />

abkommen gingen weiter, wenngleich<br />

sie von palästinensischen Terroran -<br />

schlä gen und einer Hetzkampagne<br />

gegen israel in von der PA unterstützten<br />

medien, Schulen und moscheen<br />

gestört wurden. Diese Gespräche<br />

führten zu den historisch entscheidenden<br />

Gipfeln von Camp David und Taba,<br />

bei denen führende israelische Po lit i -<br />

ker außergewöhnliche Kompro mis se<br />

für Frieden anboten. Bedau er li cher -<br />

wei se entschied sich Yasser Ara fat da -<br />

zu, diese beispiellosen Vorschläge zu -<br />

rückzuweisen, die zu einem palästinensischen<br />

Staat im Westjordanland<br />

und im Gaza-Streifen geführt hätten.<br />

Kurze Zeit später beschloss er, sich völ -<br />

lig von Verhandlungen abzuwenden<br />

und eine neue Terrorwelle – die zweite<br />

intifada – zu starten, die zum Tod von<br />

Tausenden israelis und Pa lästinen sern<br />

geführt hat.<br />

in Ermangelung eines wirklichen pa -<br />

läs tinensischen Verhand lungspart ners,<br />

und gleichwohl auf eine Wiederauf -<br />

nah me des Friedenprozesses erpicht,<br />

hat sich israel 2005 einseitig aus Gaza<br />

zurückgezogen und dabei aberm<strong>als</strong><br />

Tausende israelischer Familien aus ih -<br />

ren Häusern gerissen. Als der letzte<br />

Siedler und der letzte Soldat Gaza ver -<br />

ließen, hoffte israel, dass sein weit reichendes<br />

Zugeständnis – das den Pa läs -<br />

tinensern eine konkrete Gele gen heit<br />

bot, friedlich die Grundlagen für ei nen<br />

Staat zu legen – zu einer besseren Zu -<br />

kunft für beide Völker führen würde.<br />

Aber erneut wurde israel sein<br />

schmerz liches Opfer nicht vergolten.<br />

Stattdessen übernahm die fundamentalistische<br />

Terrororganisation Hamas<br />

die macht in Gaza, und die Raketenund<br />

mörserangriffe auf südisraelische<br />

Gemeinden eskalierten dramatisch,<br />

was israel im Dezember 2008 zu einer<br />

groß angelegten Operation im Gaza-<br />

Streifen zwang, wodurch die Hamas-<br />

Angriffe erfolgreich vermindert wurden.<br />

Trotz der palästinensischen Zurück -<br />

wei sungen hat israel seine Suche nach<br />

Frieden noch immer nicht aufgegeben.<br />

Allerdings findet das israelische Volk<br />

es schwieriger, seine Hoffnungen aufrechtzuerhalten,<br />

insbesondere nachdem<br />

PA-Präsident mahmoud Abbas<br />

sich weigerte, überhaupt auf das An -<br />

ge bot von ministerpräsident Olmert<br />

eines palästinensischen Staates (2008)<br />

zu antworten, das Berichten zufolge<br />

das großzügigste Angebot war, das es<br />

je gegeben hatte.<br />

Seit den frühen Anfängen des Staates<br />

israel und selbst vor seiner Grün dung<br />

hat sich ein muster abgezeichnet: Je de<br />

israelische Willensbekundung in Be -<br />

zug auf Kompromisse und schwierige<br />

Opfer für den Freien wurden mit pa -<br />

lästinensischen Zurückweisungen und<br />

der Weigerung beantwortet, ih rer seits<br />

mit Zugeständnissen aufzuwarten. •<br />

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<strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770 19


WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />

Mikrobrauereien erobern Israel<br />

VON ARI MILLER, JTA/Übersetzung: Karin Fasching-Kuales<br />

Aber nein, schlecht<br />

sei „Gold star Bier“<br />

keinesfalls, meint<br />

Da vid Cohen, ist es<br />

doch israels be lieb -<br />

testes in dus triell<br />

her gestelltes Bier.<br />

Aber Cohens Wahl<br />

fällt eindeutig auf<br />

das Bier von „The<br />

Dan cing Camel“, seiner<br />

eigenen 2006 ge -<br />

grün deten mikro brau -<br />

erei im in dus trie gebiet<br />

von Tel Aviv.<br />

Seine Produkte sind<br />

bekannt für ih ren speziell<br />

israelischen Ge -<br />

schmack. Es gibt „Carro-<br />

bean Stout“, das Johan nisbrot-Stark -<br />

bier, das mit der Frucht des am mittel -<br />

meer wachsenden Jo han nisbrotbaums<br />

gebraut wird; das „Six-Thirteen Pome -<br />

granate Ale“ mit Granat ap fel, das speziell<br />

zu den Hohen Fei er tagen ge trun -<br />

ken wird (613 erinnert dabei an die<br />

Zahl der in der Torah angeführten<br />

mitzwot); das „Golem“ mit besonders<br />

hohem Alkoholgehalt; das „Gordon<br />

Beach Blond“, das nach ei nem von Tel<br />

Avivs Stränden benannt und mit<br />

Rosmarin und minze ge würzt ist;<br />

Bier-Festival im Kibbuz Ma'abarot<br />

sowie das „Trog Wit Bier“, das nach<br />

Sukkot gebraut wird und in jeder<br />

Flasche ein walnussgroßes Stück Etrog<br />

beinhaltet. Produktionsumfang vom<br />

„Dancing Camel“: 7.500 Liter pro<br />

monat.<br />

Der ursprünglich aus dem amerikanischen<br />

new Jersey stammende Cohen<br />

ist einer von mehr und mehr mikro -<br />

brau ern in israel. Zu den bekanntesten<br />

zählen zum Beispiel die „LiBira Brau e -<br />

rei“ in Haifa, die „Golan Braue rei“ auf<br />

den Golan Höhen, „Canaan Bier“ aus<br />

ma´ale Adumim im Westjordanland<br />

und „Malka Bier“ im westlichen Ga li l.<br />

Allerdings sind die handgebrauten<br />

Bie re immer noch hauptsächlich für<br />

lo ka le Konsumenten verfügbar, denn<br />

sie sind nicht pasteurisiert, was be -<br />

deutet, dass sie weder für lange La -<br />

gerung noch für lange Transportwege<br />

geeignet sind.<br />

Experten sehen in israel bereits ein<br />

Art von Bier-Revolution entstehen.<br />

Wäh rend ein durchschnittlicher US-<br />

Ame ri aner etwa 85 Liter Bier im Jahr<br />

konsumiert, sind es im Heiligen Land<br />

le diglich 13 Liter. Doch es werden je -<br />

des Jahr mehr.<br />

Shachar Hertz ist der Besitzer von „Beer<br />

Master“, einem Unternehmen, das<br />

Veranstaltungen rund ums The ma Bier<br />

für Fans, Brauer und impor teure des<br />

Gerstensaftes organisiert. Er schätzt,<br />

dass der Bierkonsum in israel im kom -<br />

menden Jahrzehnt um ca. 50% steigen<br />

wird, was der Entwick lung des Wein -<br />

konsums in den vergangenen zehn<br />

Jahren entsprechen würde. Auch hier<br />

hatte die wachsende Produktion<br />

lokaler Weine einen signifikanten<br />

Anstieg zur Folge.<br />

Doch trotz aller neuen mikrobrau e -<br />

reien bleibt „Goldstar Bier“ mit 27%<br />

marktanteil immer noch das beliebteste<br />

Bier der israelis. Danach kommen<br />

„Carlsberg“ mit 19%, „maccabee“ mit<br />

13% und „Heineken“ mit 11%.<br />

Dabei unterstützt der Konzern „Tem-<br />

po Beverages“, Produzent der mar ken<br />

„Goldstar“ und „maccabee“ sogar<br />

manche Kleinbrauereien und organisiert<br />

Wettbewerbe. Guy Zuckerman,<br />

zuständig für den alkoholischen Pro -<br />

duktbereich von „Tempo Beverages“,<br />

führt die wachsende Beliebtheit von<br />

Biergetränken auch auf die kleinen,<br />

gemütlichen oder auch coolen Lokale<br />

zurück, die überall aus dem Boden<br />

sprießen. Dort geht man am Abend<br />

hin, unterhält sich mit seinen Freun -<br />

den und trinkt in Ruhe sein Bier.<br />

WIRTSCHAFT<br />

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20 <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770


WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />

Sonne statt Kohle<br />

© Israelimages Uzi Tzur<br />

Trotz High-Tech-Indus trie und<br />

Spitzen for schern hinkt Israel<br />

bei der Energie er zeugung der<br />

internationalen Entwick lung hinterher.<br />

Das soll sich jetzt ändern.<br />

VON REINHARD ENGEL<br />

mitte Februar dreht sich in Eilat alles<br />

um erneuerbare Energie. im Badeort<br />

am Roten meer diskutieren auf einer<br />

mehrtägigen internationalen Kon fe -<br />

renz Experten aus israel, den USA und<br />

Europa die unterschiedlichsten As -<br />

pekte alternativer Energie-Erzeu gung:<br />

Es geht um Windkraftwerke und So -<br />

larfarmen, um effiziente Strom ver tei -<br />

lung und Speicherung, um einschlägige<br />

Forschung, Schulung und Be wusst -<br />

seinsbildung in der Bevölke rung.<br />

Die Konferenz mit ih rer dazugehörigen<br />

mes se bleibt freilich nicht auf das<br />

theoretische und akademische Feld be -<br />

schränkt – besprochen werden sehr<br />

wohl auch konkrete Projekte, An la gen<br />

und Geschäfte. Das lässt schon eine<br />

kur ze Auswahl der Sponsor-Unter -<br />

neh men erkennen. Unter ihnen befinden<br />

sich internationale industrie-Gi -<br />

ganten wie Siemens und Bosch, hoch<br />

spezialisierte Firmen wie Schott Solar,<br />

Sun Ray, Suntech oder Ormat, aber<br />

etwa auch die österreichische ABA,<br />

die Austrian Business Agency.<br />

„Wir haben uns wirklich bemüht, österreichische<br />

Unternehmen hierher zu be kom -<br />

men,“ erzählt Christian Lassnig, Han -<br />

delsdelegierter in Tel Aviv. „Aber viel<br />

mehr <strong>als</strong> fünf werden es kaum werden.“<br />

Er führt das schwache interesse darauf<br />

zurück, dass jene österreichischen Un -<br />

ternehmen, die auf alternative Ener -<br />

gi en spezialisiert sind – sei es auf So lar -<br />

technik, Biomasse oder Kraft-Wärme-<br />

Kupplungen – in Europa gut ausgelastet<br />

sind und daher momentan den<br />

kleinen israelischen markt nicht zu -<br />

sätzlich neu bearbeiten wollen. „Da bei<br />

gerät jetzt in Israel - spät aber doch - einiges<br />

in Bewegung.“<br />

Die Konferenz findet nicht zufällig<br />

be reits zum dritten mal in Eilat statt.<br />

Denn die ge samte dortige Region ar -<br />

beitet da ran, eine energiesparende<br />

mus ter land schaft in israel zu werden.<br />

in ner halb der nächsten Dekade<br />

möch te man mit kleinen und größeren<br />

So lar an la gen 100 Prozent der selbst<br />

be nötigten Energie erzeugen, immer<br />

wie der verwenden die manager den<br />

Begriff „Energie-Un abhängigkeit“.<br />

Wie realistisch diese Vision auch im -<br />

mer sein mag, sie ist von der Realität<br />

des ganzen Landes meilenweit entfernt.<br />

Denn israel, dessen Wirtschaft<br />

in einigen Branchen, etwa mikroe lek -<br />

tro nik, Kommunikationstechnik oder<br />

medizin- und Biotechnologie, zu den<br />

führenden der Welt zählt, hinkt bei der<br />

Energieerzeugung deutlich hinter den<br />

Standards der Besten hinterher. Selbst<br />

die weniger ambitionierten Ziele der<br />

Re gierung, nämlich den Anteil der er -<br />

neuerbaren Energie am Gesamt ener -<br />

gie-mix bis 2020 auf 20 Prozent zu<br />

bringen, scheinen längst nicht in Reich -<br />

weite. Derzeit hält diese Kenn zahl in<br />

israel gerade einmal bei 0,2 Pro zent,<br />

einem extrem schlechten Wert.<br />

Selbst wenn man noch einrechnet, was<br />

sich israelis an Stromverbrauch da -<br />

durch ersparen, dass sie einen Gutteil<br />

des Warmwassers mit Solarenergie<br />

er zeugen – und das ist mittlerweile<br />

verpflichtend in der Bauordnung für<br />

neubauten enthalten – dann kommt<br />

man gerade einmal auf drei Prozent<br />

erneuerbarer Energie. Das ist immer<br />

noch deutlich schlechter <strong>als</strong> in den<br />

meisten osteuropäischen Ländern,<br />

die auch noch nicht auf dem modernsten<br />

Stand der Technik sind.<br />

Schmutziger Strom<br />

Vergleichbar mit Tschechien zeigt sich<br />

etwa der Anteil des Stroms, der aus<br />

Kohle erzeugt wird – in israel und an<br />

der moldau jeweils mehr <strong>als</strong> 60 Pro -<br />

zent. nur hat Tschechien eigene Gru -<br />

ben und daher eine einschlägige Tra di -<br />

tion. in israel liegen die Gründe in<br />

strategischen Entscheidungen der Ver -<br />

gangenheit – man wollte nicht allzu<br />

sehr von Ölimporten abhängig sein –<br />

später blieben Kohlelieferungen aus<br />

Ländern wie Kolumbien, indonesien<br />

oder Australien vergleichsweise billig.<br />

Und auch wenn die staatliche nationale<br />

Stromgesellschaft Israel Electric Com -<br />

pany (IEC) in den letzten Jahren suk-<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770 21


WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />

zessive Filter einbauen ließ, blasen die<br />

großen Kohlekraftwerke im mer noch<br />

zehntausende Tonnen von Schad stof -<br />

fen in die Luft. nur ein in di kator für<br />

viele: Beim CO2-Ausstoß pro Kopf<br />

liegt israel schlechter <strong>als</strong> ein Großteil<br />

der europäischen Länder, bei einem<br />

doch noch deutlich kleineren Brutto -<br />

na tionalprodukt. Die Verursacher sind<br />

ganz klar die Kraftwerke, das Land<br />

hat mit wenigen Ausnahmen kaum<br />

schmutzige Schwerindustrie.<br />

@Israelimage/Nitsan Shorer<br />

Und der Stromverbrauch steigt und<br />

steigt. Zwischen 1996 und 2005 hat er<br />

sich um zwei Drittel erhöht, die Prog -<br />

nosen des ministeriums für infra struk -<br />

tur sehen eine weitere Verdoppelung<br />

in den nächsten Jahrzehnten vorher.<br />

Die Gründe dabei liegen einerseits im<br />

Bevölkerungswachstum, anderseits in<br />

der Steigerung an persönlichem Kom -<br />

fort – <strong>als</strong> größte nachfrage trei ber<br />

erweisen sich die Klimaanlagen, die<br />

meh rere monate lang auf Hochtouren<br />

laufen – bei teilweise schlecht ge -<br />

dämm ten Häusern. Und grundsätzlich<br />

sinnvolle innovationen – etwa das<br />

landesweite Elektroauto-netz werk<br />

von ‘Better Place’ – sollten die nach -<br />

fra ge nach Strom noch einmal er hö -<br />

hen, auch wenn dabei gleichzeitig Öl<br />

eingespart wird.<br />

©Common<br />

Sitz der IEC in Haifa<br />

Kohleindustrie in Shomron<br />

Dafür baut iEC laufend weitere Kraft -<br />

werke, teilweise bereits gasbefeuert,<br />

aber auch nach wie vor solche, die<br />

Kohle verbrennen. Eine Erleichterung<br />

erwartet man ab den Jahren 2013/<br />

2014, wenn die Gaslieferungen aus den<br />

neu entdeckten, großen Feldern im<br />

mittelmeer vor der Küste von Haifa<br />

zur Verfügung stehen.<br />

Versteinerte Strukturen<br />

immer wieder hat es in israel von<br />

Seiten unterschiedlicher Regierungen<br />

große Versprechen gegeben. 2002 et wa<br />

kündigte das Kabinett an, bis 2007<br />

würden die erneuerbaren Ener gi en<br />

ei nen Anteil von zwei Prozent an der<br />

Stromerzeugung ausmachen. Das Ziel<br />

wurde nicht einmal annähernd er -<br />

Solarbetriebenes Telephon<br />

© Israelimages Douglas Guthrie.<br />

reicht. Ein Berater der deutschen Ex -<br />

port agentur Germany Trade & invest<br />

analysierte nüchtern: „Als ein wesentlicher<br />

Grund für die schleppende Ent wick -<br />

lung nennen Energieexperten den un ver -<br />

bindlichen Charakter der Regie rungs vor -<br />

ga be. So habe das Kabinett dem Mono pol -<br />

versorger IEC keine Verpflichtung zur<br />

Strom versorgung aus alternativen Quel -<br />

len auferlegt.“ Auch in Europa wurden<br />

die Energiekonzerne erst bewegli -<br />

cher, nachdem mächtige EU-Behör den<br />

Wettbewerb verordneten, netze und<br />

Erzeugung trennen ließen, unabhängige<br />

Kontrollbehörden einführten. Die<br />

israelische Regierung sorgte jahrelang<br />

auch nicht für finanzielle An reize, die<br />

es investoren überhaupt er mö gli chen,<br />

für alternative Energien Geld in die<br />

Hand zu nehmen.<br />

Experimente mit Reflektoren<br />

am Weizmann Institute<br />

©Israelimage/Lev Borodulin<br />

Denn noch liegen die Kosten für sauberen<br />

Strom in der Erzeugung höher<br />

<strong>als</strong> jene mit herkömmlichen fossilen<br />

Brennstoffen. Daher haben etwa die<br />

europäischen Länder Ziele festgeschrieben,<br />

welchen Anteil an Alterna -<br />

tiv-Energie sie ihren Energieversor -<br />

gern vorgeben. Und eine wichtige<br />

Rolle spielen dabei die so genannten<br />

Einspeistarife, <strong>als</strong>o jene Preise, zu<br />

denen dann saubere Energie zugekauft<br />

wird. Diese Tarife müssen hö -<br />

her sein <strong>als</strong> die herkömmlichen Strom -<br />

preise, erst dann rechnet sich der Bau<br />

von Windparks oder Solarfarmen.<br />

Turbinen am Golan<br />

©Fla90/Haim Azulay<br />

„Seit letztem Herbst gibt es in Israel endlich<br />

differenzierte Einspeistarife,“ er zählt<br />

Handelsdelegierter Lassnig. „Diese<br />

unterscheiden etwa auch zwischen größeren<br />

und kleineren Solaranlagen, da mit sich<br />

diese Investitionen auszahlen kön nen.“<br />

nach Jahren des Stillstands werden<br />

jetzt wieder mehrere Stand or te für<br />

Windparks geprüft. (Am Golan produziert<br />

übrigens seit 1993 ein kleiner<br />

Windpark Strom mit zehn Rotoren, die<br />

von der Kärntner Firma Villas geliefert<br />

wurden.) Jetzt gibt es gleichzeitig<br />

Ausschreibungen für meh rere mittelgroße<br />

Solarkraftwerke in der ne gev-<br />

Wüste, und auch eine Reihe von Kib -<br />

bu zim baut bereits kleinere Anlagen.<br />

22 <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770


WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />

Die Sonnenstunden im Sü den von<br />

israel gehören zu den höch s ten<br />

irgendwo auf der Welt, da mit wird die<br />

Rentabilitätsgrenze deut lich eher<br />

erreicht <strong>als</strong> etwa in mit tel europa.<br />

Chancen für Unternehmen.<br />

Es ist kein Zufall, dass sich der deutsche<br />

Siemens-Konzern, dessen israel-<br />

Tochter seit einigen monaten zur Zu -<br />

ständigkeit der Wiener General di rek -<br />

torin Brigitte Ederer gehört, im Vor -<br />

jahr bei zwei israelischen Solarun ter -<br />

nehmen eingekauft hat: Zuerst wurden<br />

40 Prozent an Arava erworben,<br />

einem kleineren Unternehmen, das in<br />

Kibbuzzim mini-Anlagen aufstellt.<br />

Dann übernahm Siemens um mehr<br />

<strong>als</strong> US$ 400 mio. die mehrheit an So -<br />

lel, einer international tätigen Spe -<br />

zial fir ma mit 500 Beschäftigten, die<br />

schon auf Erfahrungen in mächtigen<br />

Solar kraft werken in Spanien und in<br />

den USA verweisen kann. Die von Sie -<br />

mens erzeugten Turbinen passen gut<br />

da zu, jetzt kann der Konzern aus ei ner<br />

Hand ganze Pakete anbieten. Und die<br />

israelische Siemens-Tochter hat auch<br />

explizit den Auftrag, nach weiteren<br />

interessanten Energie-Un ter nehmen<br />

zu suchen, die mögliche Übernahmekandidaten<br />

sein könnten.<br />

Branchenkenner gehen in israel derzeit<br />

von etwa 200 Start-ups aus, die<br />

sich mehr oder weniger eng mit alternativen<br />

Energien beschäftigen. Es gibt<br />

darüber hinaus eine große An zahl von<br />

Wissenschaftlern, die sich in diesem<br />

Feld auskennen, aber über lange Jah re<br />

ist diese Forschung mangels nach fra ge<br />

von Seiten der industrie eher schaum -<br />

gebremst betrieben worden. Andere<br />

Branchen wurden vom Staat massiver<br />

gefördert – und auch von privaten<br />

Venture-Capital-Firmen vor gezogen.<br />

Jetzt könnte sich das Blatt wenden,<br />

selbst wenn durch die weltweite Fi -<br />

nanzkrise insgesamt weniger Risiko -<br />

kapital zur Verfügung steht. „Nach<br />

lan ger Vernachlässigung packt Is ra el die<br />

Nutzung photovoltaischer Ener gie kraftvoll<br />

an,“ heißt es in einem der jüngsten<br />

Energieberichte von Ger ma ny<br />

Tra de und invest von Ende De zem ber<br />

2009. „Israel bietet sich daher nicht nur<br />

<strong>als</strong> Kunde für photovoltaische An la gen<br />

an, sondern auch <strong>als</strong> international bedeutender<br />

Partner für die Entwicklung<br />

neuer Photovoltaik-Technologien.“<br />

Informationen zu der Konferenz: www.mfa.gov.il/<br />

MFA/Israel+beyond+politics/International_<br />

Renewable_Energy_Conference-Feb_<strong>2010</strong>.htm<br />

Avocado-Export<br />

im Aufwind<br />

israel ist ein Spitzenexporteur von<br />

Avocados. Dies wird durch Zahlen<br />

des größten israelischen Agrarpro -<br />

dukt konzerns Agrexco erneut deutlich.<br />

So wird ein Anstieg von 50% bei der<br />

Aus fuhr von Avocados aus israel er -<br />

wartet.<br />

in der letzten Saison belief sich das<br />

Ex portvolumen von Agrexco-Avoca -<br />

dos auf insgesamt auf über 22.000<br />

Tonnen bzw. 47 mio. Euro. Der Ge -<br />

samt-Avocadoexport aus israel um -<br />

fasste 32.000 Tonnen. in dieser Saison<br />

wird israel voraussichtlich 50.000<br />

Tonnen Avocados ausführen, 70% da -<br />

von durch Agrexco. Die Einnahmen<br />

werden rund 70 mio. Euro erreichen.<br />

israel ist der einzige Produzent „grüner“<br />

Avocados, einer besonders um -<br />

weltfreundlichen Sorte. Drei Viertel<br />

aller Avocado-Bauern in israel sind<br />

mit glieder des Avocado-Bauern ver -<br />

bandes, der eine strategische Part ner -<br />

schaft mit Agrexco unterhält.<br />

Agrexco-Geschäftsführer Shlomo Tirosh<br />

teilt mit, dass 90% aller weltweit vertriebenen<br />

Avocados zur Sorte Hass<br />

ge hören, die eine schwarze Schale hat.<br />

israel sei der marktführer bei grünen<br />

Avocados. „Wir exportieren sieben oder<br />

acht verschiedene Sorten grüner Avo ca -<br />

dos, während andere Länder nur eine oder<br />

zwei Sorten anbieten. Außerdem sind un -<br />

sere Avocados frei von Pestiziden und in -<br />

sofern in je der Hin sicht grün.“<br />

Israelischer Wein<br />

immer häufiger<br />

in internationalen<br />

Regalen<br />

israelischer Wein hat bisher oft Asso -<br />

zia tionen mit den süßlichen religiösen<br />

Ritualtrunks geweckt, doch moderne<br />

Techniken, die von führenden Wein -<br />

na tionen importiert wurden, helfen<br />

da bei, dass israelische Weine ihren<br />

Platz in den Regalen von Paris bis<br />

new York finden. „Heute ist es sogar so,<br />

dass Menschen nach israelischen Weinen<br />

suchen, die in ternationalen Standard er -<br />

fül len, und das Gute daran ist, dass wir<br />

diesen auch an bieten können“, so Wein -<br />

kri tiker Daniel Rogov in einem inter -<br />

view. „Es gibt keinen Widerspruch zwischen<br />

Weinen die koscher und Weinen<br />

die exzellent sind“.<br />

israelische Weingüter produzieren<br />

über 33 mio. Flaschen Wein im Jahr,<br />

wo von der größte Teil koscheren und<br />

jüdischen diätischen Regeln unterliegt.<br />

Während der rabbinische Stempel bis -<br />

her eher ein Signal an Juden ist, die<br />

die Kaschrut befolgen, <strong>als</strong> an Wein -<br />

ken ner, so verbessert sich die Qualität<br />

des israelischen Weines stetig, auch<br />

mit Hilfe von Regierungsprämien.<br />

Auch von kleineren Produzenten ern -<br />

ten einige Jahrgänge viel internationales<br />

Lob.<br />

Das anhaltende<br />

Wirt schafts wachs -<br />

tum und ein er -<br />

höh tes Steu er auf -<br />

kom men erlaubte<br />

Is ra els Fi nanz mi -<br />

nis ter Yuval Steinitz<br />

die Mehr wert steu -<br />

er von 16,5% auf<br />

16% zu senken.<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770 23


WISSENSCHAFT • ISRAEL<br />

Sind die Taliban Nachkommen der Israeliten?<br />

Shahnaz Ali, Forscherin am „na tio nal<br />

instituts for immunohaema tologie“<br />

im indischen mumbai, hat vom israelischen<br />

Außenminis te rium ein monatliches<br />

Stipendium in Höhe von US$<br />

600 erhalten. Sie soll am Technion in<br />

Haifa anhand von DnS-Proben herausfinden,<br />

ob die Afridi Pathans im<br />

indischen Staat Uttar Pradesh israelitischen<br />

Ur sprungs sind.<br />

Ein Großteil der afghanischen Ta li bans<br />

stammen von jenen Afridi Pa thans ab,<br />

die sich aufgrund historischer Tex te<br />

und mündlicher Überlieferungen da -<br />

rauf berufen, nach kom men des biblischen<br />

Stammes Efraim zu sein.<br />

Ali wird mit Professor Karl Skorecki,<br />

dem Direktor für nephrologie und<br />

molekularmedizin an der medizinischen<br />

Fakultät des Technions, zu sam -<br />

menarbeiten. Skorecki hat bahn bre -<br />

chen de Entdeckungen in der Er for -<br />

schung jüdischer Genetik ge macht<br />

und veröffentlicht.<br />

im Jahr 1957 hatte der zweite Prä si -<br />

dent israels, itzhak Ben-Zvi, der sich<br />

mit ethnischer Forschung befasste, in<br />

einem Buch behauptet, dass He bräer<br />

von Samarien aus un ter dem assyrischen<br />

König Schal ma neser im Jahr 719<br />

v.Z. nach Af ghanistan mi grierten. Der<br />

letzte König Afgha nis tans, Zahir Shah,<br />

habe wiederholt behauptet, dass er<br />

nach fahre des biblischen Stammes<br />

Benjamin sei.<br />

mit moderner Genforschung können<br />

anhand von Änderungen am Y-Chro -<br />

mosom ethnische Verbin dun gen und<br />

ge meinsame Abstam mungen er forscht<br />

werden.<br />

im Falle von Stämmen in östlichen Pro -<br />

vinzen indiens solle so auch er kundet<br />

werden, ob verbreitete ge netische mu -<br />

tationen einen „Grün der vater“ ha -<br />

ben, zum Beispiel des im Jahr 721 v.Z.<br />

ins Exil geschickten Stammes Efraim.<br />

Die Taliban sind heute moslems. Ali<br />

hofft, dass nach einer Bestätigung ih -<br />

rer Thesen moslems und Juden einander<br />

näher kommen und ihre historischen<br />

Feindseligkeiten vergessen<br />

könnten.<br />

inn<br />

Israelischer<br />

Jusprofessor<br />

erhält Humboldt-<br />

Forschungspreis<br />

WISSENSCHAFT<br />

Mönchsrobbe<br />

an Israels Küste<br />

Am Strand von Herzliya haben Fi -<br />

scher eines der seltensten Säugetiere<br />

der Welt angetroffen: eine mönchs -<br />

robbe. Jahr zehn telang war kein Ver tre -<br />

ter dieser vom Aussterben bedrohten<br />

Seehundart an israels Küste gesichtet<br />

worden.<br />

Da das Tier auf die Fischer einen sehr<br />

erschöpften Eindruck machte, forderten<br />

sie umgehend im nahe gelegenen<br />

Safari-Park Hilfe an. Der von dort her -<br />

beieilende Experte versuchte dem See -<br />

hund zu helfen, der jedoch ins meer<br />

ent schwand. Versu che, ihn ausfindig<br />

zu machen, schlugen fehl.<br />

Zum letzten mal wurden mönchs rob -<br />

ben vor 50 bis 60 Jahren an israels mit -<br />

telmeerküste gesehen. Auch im Liba -<br />

non berichtete man dam<strong>als</strong> von ei nem<br />

Bestand von 10 bis 20 Tieren. Seit dem<br />

ist in der Region kein See hund mehr<br />

ge sichtet worden. Ledig lich an den<br />

Küsten Griechenlands und der Türkei<br />

soll es noch eine kleine An zahl von<br />

mönchsrobben geben. Haaretz, 08.01.10<br />

Die Freie Universität Berlin ist erneut<br />

Gastgeberin für einen Forschungs -<br />

preis träger der Alexander von Hum -<br />

boldt-Stiftung (AvH). Preisträger ist<br />

der renommierte israelische Strafrechts<br />

wissenschaftler Prof. Mor de chai<br />

Kremnitzer von der Hebrew Uni ver si -<br />

ty of Jerusalem. Professor Kremnitzer<br />

wird für seine herausragenden Leis -<br />

tun gen in Forschung und Lehre geehrt.<br />

Gastgeber für den Aufenthalt des<br />

Wissenschaftlers an der Freien Uni -<br />

versität ist Professor Klaus Hoffmann-<br />

Holland, inhaber der Professur für Kri -<br />

minologie und Strafrecht am Fach be -<br />

reich Rechtswissenschaft.<br />

mit dem seit 1972 vergebenen For -<br />

schungs preis der AvH werden international<br />

angese he ne Wissen schaft le -<br />

rin nen und -wissenschaftler für ihr<br />

Ge samtschaffen ausgezeichnet. Die<br />

Ehrung ist mit 60.000 Euro dotiert.<br />

Durch seine Arbeit hat Prof. Krem nit -<br />

zer die internationale Forschung über<br />

men schen rechte entscheidend ge -<br />

prägt. insbesondere im Rahmen der<br />

globalen Sicherheits debatte liefert er<br />

wichtige impulse und Beiträge zur Lö -<br />

sung komplexer und viel disku tier ter<br />

Probleme. Zu seinen For schungs -<br />

schwer punkten gehört das Verhältnis<br />

von Terro ris mus und Demokratie.<br />

Wäh rend des bis zu einjährigen For -<br />

schungsaufenthalts an der Freien Uni -<br />

versität Berlin will Prof. Kremnitzer<br />

vor allem der Frage nachgehen, wie<br />

das internationale Strafrecht durch<br />

Strafrechtsvergleichung weiterentwickelt<br />

werden und wie umgekehrt die<br />

Strafrechtsvergleichung durch das<br />

Völ kerstrafrecht geprägt wer den kann.<br />

Für sein Wirken wurde Prof. Krem -<br />

nitzer bereits mit zahlreichen israelischen<br />

und internationalen Preisen<br />

aus gezeichnet. Seine Expertise spiegelt<br />

sich in vielen Entschei dun gen<br />

des israel Supreme Courts wider, er<br />

beriet unter anderem das Parlament -<br />

die Knesset - in Verfassungsfragen.<br />

Kremnitzer leitete das Minerva Center<br />

for Human Rights in Jerusalem, war<br />

Vorsitzender der Israeli Association of<br />

Public Law, sowie Präsident des Israeli<br />

Press Council. Er ist zudem<br />

Vizepräsident der angesehenen unabhängigen<br />

Denkfa brik Israel Democracy<br />

Institute in Jerusalem<br />

24 <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770


WISSENSCHAFT • ISRAEL<br />

JOUBERT-SYN DROM<br />

Forscher bei Hadassah<br />

iden tif i zieren Gen<br />

Forscher des Hadassah medical Cen -<br />

ter haben, gemeinsam mit Dor Ye sho -<br />

rim, dem Committee for the Prevention<br />

of Jewish Genetic Diseases, eine genetische<br />

mutation entdeckt, die die Ur sa -<br />

che dafür ist, das Kinder ashkenasisch-jüdischer<br />

Abstammung mit ei -<br />

ner schweren neurologischen Erb -<br />

krank heit geboren werden, die <strong>als</strong><br />

Joubert-Syndrom bekannt ist.<br />

Dies ist das 13. Gen, das in den letzten<br />

zwei Jahren von Hadassahs Ab tei -<br />

lung für Genetik und Stoffwech sel -<br />

krankheiten identifiziert wurde, dessen<br />

mutationen Kinder haben, die mit<br />

genetischen Krankheiten geboren<br />

wer den.<br />

Joubert-Syndrom betrifft das Klein hirn,<br />

das für die Kontrolle des Gleichge -<br />

wichts und der Koordination der<br />

Skelettmuskulatur verantwortlich ist.<br />

Kinder, die mit diesem Syndrom ge -<br />

boren werden, weisen muskeltonus,<br />

Schluckbeschwerden, ruckartige Au -<br />

gen bewegungen und die Unfähigkeit<br />

freiwillig muskeln zu bewegen, auf.<br />

Während des Wachstums können sie<br />

an geistiger Retardation und nieren -<br />

ver sagen leiden.<br />

Hadassah: Hilfe gegen Alkoho-Abhängigkeit<br />

Eine Phase i klinische Studie des Ha -<br />

dassah medical Centers ergab, dass die<br />

Einnahme nur einer Dosis einer neu -<br />

en, sich langsam freisetzenden, Me ta -<br />

doxin Formel vor dem Konsum von<br />

Al kohol die Höhe der Blutalko hols<br />

verringert, die motorischen und kognitiven<br />

Funktionen dramatisch verbessert<br />

und eine Abnahme des Ver lan gens<br />

nach Alkohol bei den Test teil nehmern<br />

hervorruft. Diese Formel wur de von<br />

Alcobra Ltd., einem Start-up Unter neh -<br />

men von Hadasit, Ha dassahs Techno -<br />

logietransfer Fir ma, entwickelt.<br />

metadoxin in seiner traditionellen<br />

Form ist nur für ca. 50 minuten bei der<br />

Behandlung von Alkoholab hän gig keit<br />

wirksam. in der ersten Phase der klinischen<br />

Studie, durchgeführt von Ha -<br />

dassahs Liver-Unit und dem Depart -<br />

ment of Psychiatry, haben die sechs<br />

Teil nehmer 10 Stunden gefastet, eine<br />

Dosis des sich langsam freisetzenden<br />

metadoxin eingenommen und an -<br />

schließend 70ml Alkohol getrunken.<br />

Während der 12stündigen Folgeun ter -<br />

suchung wurde Blut abgenommen,<br />

um Alkohol und metadoxin Gehalt zu<br />

messen. Ferner wurden die Teilneh mer<br />

an einem Fahrsimulator beobachtet<br />

und eingestuft (ein Performance Test,<br />

der oft verwendet wird, um Auf merk -<br />

samkeits- und Hyperaktivitätsstö rung<br />

zu diagnostizieren und um die Ge -<br />

dächt nisleistung und die kognitiven<br />

Fertigkeiten einzuschätzen). Die Teil -<br />

neh mer beantworteten des Weiteren<br />

einen Fragebogen über die Höhe ih res<br />

Verlangens nach Alkohol.<br />

Bei allen Teilnehmern wurde ein Rück -<br />

gang des Blutalkoholspiegels, sowie<br />

bessere motorische und kognitive Fä -<br />

higkeiten verzeichnet. Keiner der<br />

Teil nehmer wies damit verbundene<br />

nebenwirkungen auf.<br />

Dr. Meir Mizrahi und Dr. Gadi Lalazar<br />

von Hadassahs Department of inter nal<br />

medicine A, die das Team leiteten,<br />

stellten ihre Ergebnisse auf der jährli -<br />

chen Konferenz der American Asso ci a -<br />

ti on for the Study of Liver Diseases (AAS<br />

LD) in Boston, vor 7.000 Wis sen -<br />

schaftlern aus 55 Ländern vor.<br />

Besorgt über die wachsende Anzahl an<br />

Kindern, die in den letzten Jahren mit<br />

dem Joubert-Syndrom geboren wurden,<br />

bat Dor Yeshorim Hadassah die<br />

Ursache zu untersuchen. Hadassahs<br />

Forschungsteam analysierte die DnA<br />

von betroffenen Kindern und fand he -<br />

raus, dass obwohl die Kinder nicht<br />

aus der gleichen Familie stammten,<br />

sie alle ein identisches DnA-Segment<br />

besaßen, das eine bestimmte Sequenz<br />

aus 13 Genen beinhaltete. nach der<br />

Un tersuchung der 13 Gene, waren die<br />

Forscher in der Lage, jenes mit der<br />

mutation zu identifizieren, das die Ur -<br />

sache des Joubert-Syndroms darstellt.<br />

Basierend auf diesen Forschungs er -<br />

gebnissen untersuchte das Team von<br />

Hadassah die DnA von 3.000 gesunden<br />

aschkenasischen Juden und entdeckte,<br />

dass einer aus 92 diese muta -<br />

tion trug. Dies bedeutet, dass eines<br />

von 8.000 ashkenasischen jüdischen<br />

Paaren ein Kind mit Joubert-Syn -<br />

drom haben könnte.<br />

©EPA/Yael Olek University of Haifa<br />

israelische Forscher haben eine fast<br />

hand große Spinne in einer Wüste entdeckt.<br />

Das Tier habe eine Beinspanne<br />

von 14 Zentimetern und lebe in den<br />

Sand dü nen der Arava-Gegend im Sü -<br />

den israels, teilte die Universität Hai fa<br />

Anfang <strong>Januar</strong> mit. Die neue Art er hielt<br />

den namen Cerbalus aravensis. Sie sei<br />

die größ te Spinne der Gattung Cerba -<br />

lus im nahen Osten. Das Tier sei nachts<br />

und vor allem während der heißen<br />

mo nate des Jahres aktiv und baue un -<br />

terirdische Höhlen, die es zur Tar nung<br />

mit einer Art Falltür aus zu sam men -<br />

klebenden Sandpartikeln ver schließe.<br />

Riesenspinne<br />

in Arava-Wüste<br />

entdeckt<br />

Allerdings sei der Lebensraum der<br />

schwarz-weißen Spinne durch die<br />

Aus breitung landwirtschaftlicher Ge -<br />

biete sowie den Sandabbau gefährdet.<br />

„Die neue Spinne beweist, wie wichtig es<br />

ist, die Sanddünen zu bewahren“, sagte<br />

Uri Shanas, Leiter der Forschergrup pe<br />

möglicherweise gebe es in den Dü nen<br />

weitere, bisher nicht bekannte Tiere.<br />

„Wenn wir die wenigen, ihnen verbleibenden<br />

Lebensräume nicht schützen, ster ben<br />

sie womöglich aus, bevor wir sie entdecken<br />

können.“ Es sei sehr selten, eine so<br />

große Spinne in diesem Teil der Welt<br />

zu entdecken.<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770 25


JÜDISCHE WELT • INLAND<br />

ca. 20 mio. Euro wer den einer seits<br />

von den Kultus ge meinden organisiert<br />

(Spenden aus dem in- und<br />

Ausland, ein EU-Projekt, etc.), an de -<br />

rerseits durch Einzel verein ba run -<br />

gen mit Ländern und Gemein den<br />

aufgefüllt. So hat sich die Ge mein de<br />

Wien bereit er klärt, das Fried hofs -<br />

wärterhaus am Währinger Fried hof<br />

(von Architekt Kornhäusel im frühen<br />

19. Jahrhun dert er richtet) auf<br />

ihre Kosten generalzusanieren.<br />

Das Land nieder ös ter reich wird<br />

sich mit 25% an den instandset ❚.<br />

Chanukkahgeschenk<br />

für jüdische Friedhöfe<br />

Bei einem Runden Tisch auf Ein la -<br />

dung von Bundeskanzler Werner<br />

Faymann und Vizekanzler Josef Pröll,<br />

haben sich die Vertreter des Bundes,<br />

der Bürgermeister von Wien, der Lan -<br />

deshauptmann von niederösterreich<br />

und die israelitischen Kultusge mein -<br />

den, vertreten durch Präsident Ariel<br />

Muzicant und Vizepräsident Oskar<br />

Deutsch, auf eine Lösung des Pro blems<br />

zur instandsetzung und instandhal -<br />

tung der Jüdischen Friedhöfe in Ös -<br />

terreich geeinigt.<br />

Die Lösung sieht folgendes vor:<br />

❚Die Verhandlungspartner waren<br />

sich einig, dass die instandhaltung<br />

eine gesetzliche Verpflichtung der<br />

Gemeinden ist, und es sollen jetzt<br />

mit der Unterstützung der Länder<br />

auch entsprechende instand hal -<br />

tungs- und Pflegeverträge mit allen<br />

Gemeinden abgeschlossen werden.<br />

❚Für die instandsetzung der Fried -<br />

hö fe, wo durch die nazis, durch<br />

Kriegsereignisse oder durch verschiedene<br />

andere Einflüsse mehr<br />

oder weniger große Schäden entstanden<br />

sind, wird ein eigener Fonds<br />

zur instandsetzung Jü di scher Fried -<br />

höfe geschaffen. Dieser Fonds wird<br />

von der Republik Ös terreich mit<br />

1 mio. Euro pro Jahr, wertgesichert,<br />

auf die Dauer von 20 Jahren ge -<br />

speist. Die restlichen notwendigen<br />

Fast neun Jahre nach Unterschrift des<br />

Washingtoner Abkommens wird da -<br />

mit das letzte völkerrechtlich noch of -<br />

fe ne Thema abgearbeitet.<br />

Die is ra e li tische <strong>Kultusgemeinde</strong><br />

dankt dem Bundeskanzler, dem Vize -<br />

kanzler, dem Bürgermeister von Wien<br />

und dem Landeshauptmann von nie -<br />

derösterreich und hofft, dass auch mit<br />

allen anderen Ländern und Gemein -<br />

den zügig die noch notwendigen Ver -<br />

einbarungen getroffen werden können.<br />

nach Eröffnung des neuen maimo ni -<br />

des Zentrums durch den Bundes prä -<br />

sidenten am 15. Dezember 2009, eines<br />

der größten und eindrucksvollsten<br />

Projekte jüdischen Lebens in Europa,<br />

ist nun mit dem Durchbruch bei den<br />

Jüdischen Friedhöfen, ein auch in Eu -<br />

ropa beispielhafter Schritt gesetzt, den<br />

man auch <strong>als</strong> ein verspätetes Chanuk -<br />

kahgeschenk bezeichnen kann, worüber<br />

sich die Österreichischen Kultus -<br />

ge meinden nach so vielen Jahrzehn ten<br />

besonders freuen.<br />

JÜDISCHE WELT<br />

Das „OHAVE TORAH institut“ – für die Weiterführung der Schriften des Rabbiner Josef ENGEL sZ’l<br />

sucht jegliche erhaltbare Information über das Leben und Wirken des dam<strong>als</strong> im 2. Wiener Gemeindebezirk,<br />

in der Leopoldsgasse 16, im 4. Stock ansässigen und in Wien begrabenen<br />

Rabbiner Josef Engel sZ’l.<br />

Uns interessieren sowohl Erzählungen aus seinem Schaffen und Leben <strong>als</strong> auch jegliches Fotomaterial von und über Rabbiner<br />

Engel sZ’l sowie über seinen Schwiegersohn, Rabbiner izchak Morgenstern sZ’l, der Rabbiner Engel in seinen letzten<br />

Jahren in Wien begleitete.<br />

Sollten Sie über Informationen oder Fotomaterial verfügen, bitten wir Sie unsere Vertretung in Wien, zu kontaktieren.<br />

Telefonnummer 06991 / 216 08 80<br />

oder<br />

Email: 171800@gmail.com<br />

Herzlichen Dank für Ihre Mithilfe!<br />

OHAVE TORAH Institut“ - Institut für die Weiterführung der Schriften des Rabbiner Josef ENGEL sZ’l<br />

26 <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770


JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

Jüdische Gemeinde gedachte der<br />

Befreiung des Budapester Ghettos<br />

mit einer Feierstunde gedachte die<br />

un garisch e jüdische Gemeinde am 18.<br />

<strong>Januar</strong> des 65. Jahrestages der Be frei -<br />

ung des jü dischen Ghettos von Buda -<br />

pest. „Die nach uns kommenden Gene ra -<br />

tionen sollen sich an die Schrecken des<br />

Holocaust erinnern, zugleich auch all das<br />

Schöne und Gute lernen, die das jüdische<br />

Dasein bedeuten“, betonte der pensionierte<br />

Oberrabbiner Jozsef Schweitzer<br />

in der Budapester Synagoge. Die Fei -<br />

er sei laut Schweitzer zugleich ein Ge -<br />

denken an jene, die selbst ihr Le ben<br />

bei der Rettung von Juden riskierten.<br />

Am Tor zum Ghetto hinter der Sy na -<br />

goge in der Dohanystraße steht ein<br />

Baum, auf dessen silbrigen Blättern<br />

namen eingraviert sind: Die namen<br />

von Opfern des ungarischen Holo caust.<br />

Schwarzer Granit und roter mar mor,<br />

ein Denkmal für jene 600.000 ungarischen<br />

Juden, die während des Zwei -<br />

ten Weltkrieges ermordet wurden. Als<br />

die Rote Armee am 18. Ja nu ar 1945 die<br />

mauern des Ghettos niederriss, wa ren<br />

noch etwa 70.000 Ver folg te am Leben.<br />

insgesamt überlebten 120.000 bis<br />

130.000 ungarische Juden den Holo -<br />

caust. Deutsche Truppen hat ten am<br />

19. märz 1944 Ungarn besetzt. Da nach<br />

kam Adolf Eichmann nach Budapest,<br />

um die Deportation der un garischen<br />

Juden nach Auschwitz zu organisieren.<br />

Eichmanns Plan, zuerst die Bu -<br />

dapester Juden deportieren zu lassen,<br />

wurde fallen gelassen. Statt dessen<br />

wurden von Sommer 1944 an Juden<br />

aus der ungarischen Provinz in Kon -<br />

zentrationslager verschleppt. Am 16.<br />

Juni erging der Befehl zur Ghetto isie -<br />

rung. im Oktober 1944 kam in Un -<br />

garn die Partei der faschistischen Pfeil -<br />

kreuzler an die macht. Sie ermordeten<br />

bei Pogromen in Budapest 10.000<br />

bis 20.000 Juden. Weitere 40.000 wurden<br />

am Ufer der Donau erschossen<br />

und ins Wasser geworfen. Heute le ben<br />

zwischen 80.000 und 100.000 Juden in<br />

Ungarn, fast alle von ihnen in Buda -<br />

pest. nach England und Frankreich<br />

ist die ungarische jüdische Gemeinde<br />

Holo caust-Denkmal hinter der Bu dapester<br />

Verlassenschaften-Ankauf,<br />

Gemälde, Möbel, Silber, Porzellan,<br />

<br />

Spiegelgasse 19, 1010 Wien, Österreich<br />

Tel. 01/512 72 67 www.kulcsar.at<br />

Mahnmal am Ufer der Donau<br />

die drittgrößte Europas. im achten Bu -<br />

da pester Stadtbezirk liegt das „jüdische<br />

Viertel“. Geschäftigkeit, überbelegte<br />

Wohnungen und betriebsame<br />

märkte, winzige Geschäfte sind heute<br />

Geschichte. menora und Davidstern,<br />

über den Portalen in Stein gehauen,<br />

kennzeichnen die schwarz-verrußten<br />

Häuser. Dennoch sind die Traditio nen<br />

im Alltag der Budapester jüdischen<br />

Gemeinde lebendig. Es gibt jüdische<br />

Schächter und Bäcker, jüdische Res -<br />

tau rants, ein Krankenhaus, drei Al ters -<br />

heime und Kindergärten.<br />

Am Holo caust-Denkmal hinter der Bu -<br />

dapester Synagoge verweilen tagtäglich<br />

men schen aus aller Welt. Sie le sen<br />

die namen auf den silbern glänzenden<br />

Blättern: Jacob Kraus, Franz Weiner,<br />

Fa milie Strasser. Sie gedenken der Op -<br />

fer und beten für all jene, die überlebten.<br />

Sicherheitskräfte sorgen für Ruhe<br />

und Ordnung, denn alte Ängste sind<br />

noch immer nicht vergessen. Un ga ri -<br />

sche Juden sind auch heute in Un garn<br />

of fenem Antisemitismus ausgesetzt. APA<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770 27


JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

Es ist bereits der dritte Besuch von Papst<br />

Benedikt XVI. in einer Syna go ge. Den -<br />

noch hat die Visite im "Tempio Mag gio re"<br />

zu Rom große Bedeutung für die Ent wick -<br />

lung der Beziehungen von katholischer<br />

Kirche und Judentum.<br />

Derzeit ist das Verhältnis nicht ungetrübt,<br />

zumal in der jüdischen Gemeinde Ita li -<br />

ens Vorbe halte gegen eine mögliche Selig -<br />

spre chung von Papst Pius XII. bestehen.<br />

Das Dekret über den „heroischen Tu -<br />

gend grad“ für Pius Xii., das Benedikt<br />

XVi. am 19. Dezember unterzeichnet<br />

hat te, löste in jüdischen Gemeinden<br />

Un ver ständ nis und Kritik aus. in einer<br />

note stellte der Vatikan jedoch klar,<br />

dass diese kirchliche maßnahme kein<br />

historisches Urteil über politische Ent -<br />

scheidungen von Pius Xii. bedeute.<br />

mit seinem Synago gen be such wie der -<br />

holt der Papst die historische Geste<br />

seines polnischen Vor gän gers von<br />

1986 und stattete zum ersten mal den<br />

„äl teren Brüdern“ der seit über 2.000<br />

Jahren bestehenden Gemeinde Roms<br />

ei nen Besuch ab.<br />

Das Programm der Visite war dicht:<br />

Be nedikt XVi. wurde bei der Ankunft<br />

von den Leitern der jüdischen Ge mein -<br />

den Roms und italiens begrüßt. Er<br />

pas sierte zu nächst die beiden Ge denk -<br />

steine, die an die De portation der Ju -<br />

den Roms 1943 durch die nS-Besat -<br />

zungsmacht sowie an den arabischen<br />

Handgranaten an schlag von 1982 erin -<br />

nern, bei dem ein Kind ge tö tet und 34<br />

Personen verletzt wurden.<br />

Gemeinsam mit Roms Oberrabbiner<br />

Ric cardo di Segni betrat der Papst dann<br />

das 106 Jahre alte Gotteshaus. Es folgten<br />

Ge be te und Reden des Rab bi ners<br />

wie des Gastes. nach knapp zwei Stun -<br />

den kehrt er in den Vatikan zurück.<br />

Seit dem ersten Synagogenbesuch ei -<br />

nes Papstes 1986 hatte sich im jü dischka<br />

tho lischen Verhältnis viel getan.<br />

1994 nahmen der Vatikan und israel<br />

volle diplomatische Beziehungen auf.<br />

im Jahr 2000 kam Johannes Paul ii. zu<br />

einem bahnbrechenden Besuch nach<br />

is rael. Vor acht monaten unternahm<br />

Benedikt XVi. eine ähnliche Reise.<br />

Aber es gab auch immer wieder Rück -<br />

schläge. So löste 1987 eine Papstaudi<br />

enz für Bundespräsident Kurt Wald -<br />

heim schwere Verstimmungen aus.<br />

Denn Waldheims Rolle im Zweiten<br />

Welt krieg - <strong>als</strong> Ordonnanzoffizier in<br />

der Hee res gruppe E auf dem Balkan -<br />

war um strit ten.<br />

Papst Benedict XVI (r.) and Oberrabbiner Riccardo Di Segni (l.)<br />

betreten gemeinsam die Synagoge<br />

Chronologie der Beziehungen<br />

Vatikan-Israel<br />

Ärger gab es wiederholt um die vatikanische<br />

Archivpraxis. Belastendes<br />

material werde unter Verschluss ge -<br />

hal ten, so die Kritik. Es geht dabei vor<br />

allem um den Vor wurf des Schwei -<br />

gens von Pius Xii. zum Holocaust so -<br />

wie um Äußerungen der Päpste zum<br />

nahostkonflikt.<br />

Eini ge Daten zu den schwierigen Be -<br />

ziehungen zwischen dem Vatikan und<br />

dem jüdischen Staat:<br />

< 1904: Der Publizist Theodor Herzl<br />

versucht ohne Erfolg, Papst Pius X. für<br />

den Plan einer Heimstatt der Juden in<br />

Palästina (das Teil des Osmanischen<br />

Reiches ist) zu gewinnen. Pius X. er -<br />

klärt bei der Begegnung: „Sanktio nie -<br />

ren können wir das niem<strong>als</strong>“.<br />

©Reuters/Tony Gentile<br />

< 1917: nach der „Balfour-Dekla ra -<br />

tion“ (Zusage des britischen Außen -<br />

mi nisters James Balfour einer Unter -<br />

stützung für die Errichtung einer jü -<br />

dischen „nationalen Heimstätte“ in Pa -<br />

lästina) und der Eroberung Jeru sa lems<br />

durch britische Truppen warnt Papst<br />

Benedikt XV. davor, den Juden eine „ih-<br />

nen nicht zukommende Vorrang stel lung“<br />

im Heiligen Land einzuräumen.<br />

< 1947/48: Der Teilungsbeschluss<br />

der Vereinten nationen für das britische<br />

mandatsgebiet Palästina sieht<br />

einen jüdischen und einen arabischen<br />

Staat sowie die internationalisierung<br />

von Jerusalem vor. Papst Pius Xii. fordert<br />

in seiner Enzyklika „in multiplicibus“<br />

einen internationalen Status<br />

für Jerusalem <strong>als</strong> Heiligtum der drei<br />

28 <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770


JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

monotheistischen Weltreligionen.<br />

< 1958: nach seiner Wahl streckt<br />

Papst Johannes XXiii. den Juden die<br />

Hand zur Versöhnung aus: Strei chung<br />

der Formulierung von den „treulosen<br />

Juden“ (Perfidis Judaeis) aus der<br />

Karfreitagsliturgie.<br />

< 1962-65: Das Zweite Vatikanische<br />

Kon zil betont das „gemeinsame Er be“<br />

von Juden und Christen. Die Erklä rung<br />

„nostra Aetate“ beklagt „alle Hass -<br />

ausbrüche, Verfolgungen und Ma ni fe -<br />

stationen des Antisemitismus“.<br />

< 1964: Papst Paul Vi. besucht das<br />

Hei lige Land, wo er mit dem Ökumenischen<br />

Patriarchen Athenagoras i. von<br />

Konstantinopel zusammentrifft. Er<br />

wird in Jordanien und israel empfangen.<br />

Der Vatikan spricht aber offiziell<br />

nicht vom Staat israel.<br />

< 1967: Der Papst fordert nach dem<br />

Sechstagekrieg einen international ga -<br />

rantierten Sonderstatus für Jerusalem<br />

< 1973: israels ministerpräsidentin<br />

Golda meir wird im Vatikan vom Papst<br />

empfangen.<br />

< 1977: Der Papst bittet israel in ei -<br />

nem offiziellen Briefwechsel um Frei -<br />

las sung des wegen Waffen schmug gels<br />

für die Palästinenser inhaftierten melkitisch-katholischen<br />

Erzbischofs Hila -<br />

rion Capucci. Beobachter sehen darin<br />

eine „De-facto-Anerkennung“ des<br />

Staa tes israel durch den Heiligen Stuhl.<br />

< 1978: An der Amtseinführung von<br />

Papst Johannes Paul ii. nimmt eine<br />

offizielle israelische Delegation teil.<br />

< 1979: Der Papst bezeichnet bei ei -<br />

nem Besuch in Auschwitz das einstige<br />

KZ <strong>als</strong> „Golgotha unserer Zeit“.<br />

< 1980: Der Vatikan protestiert ge gen<br />

ein israelisches Gesetz, das „ganz Je ru -<br />

salem“ zur „Hauptstadt Israels“ er klärt.<br />

< 1982: Der Vorsitzende der Pa läs ti -<br />

nen sischen Befreiungsorganisation<br />

(PLO), Yasser Arafat, wird erstm<strong>als</strong><br />

vom Papst empfangen.<br />

< 1984: in dem Apostolischen Schrei -<br />

ben „Redemptoris anno“ spricht Jo -<br />

hannes Paul ii. zum ersten mal in<br />

einem vatikanischen Dokument vom<br />

„Staat israel“.<br />

< 1985: israels Premierminister Shi -<br />

mon Peres wird vom Papst empfangen.<br />

< 1986: Als erster Papst besucht Jo -<br />

han nes Paul ii. offiziell eine Syna go ge.<br />

Bei dem Besuch beim Oberrabbiner<br />

von Rom bezeichnet er die Juden <strong>als</strong><br />

„ältere Brüder im Glauben“.<br />

< 1987: Der Papst ernennt den Paläs -<br />

ti nenser michel Sabbah, einen scharfen<br />

Kritiker israels, zum Lateinischen<br />

Patriarchen von Jerusalem.<br />

< 1993: israels aschkenasischer Groß -<br />

rabbiner meir Lau besucht den Papst<br />

in Castel Gandolfo.<br />

< 1994: Der Heilige Stuhl nimmt di -<br />

plo matische Beziehungen mit dem<br />

Staat israel und offizielle Bezie hun gen<br />

mit der PLO auf.<br />

< 1998: Der Papst erlässt das Doku -<br />

ment „Wir gedenken: Eine Reflexion über<br />

die Shoah“. „Wir bedauern zutiefst die Irr -<br />

tümer und Fehler der Söhne und Töchter<br />

der Kirche“, heißt es in dem Text. Ge -<br />

teiltes Echo in israel; vielen geht der<br />

Text über mangelnden kirchlichen Wi -<br />

derstand gegen den mas sen mord der<br />

nazideutschen macht ha ber an den Ju -<br />

den nicht weit genug.<br />

< 2000: Der Vatikan schließt einen<br />

Grund lagenvertrag mit der palästinensischen<br />

Regierung und bekräftigt die<br />

Forderung nach einem international<br />

garantierten Sonderstatus für Jerusa -<br />

lem. Der Papst spricht eine historische<br />

Vergebungsbitte („mea culpa“) für<br />

die Verfehlungen der Christen in der<br />

Geschichte aus. Dabei werden auch die<br />

„Sünden“ genannt, die nicht we ni ge<br />

Christen „gegen das Volk des Bundes und<br />

der Seligpreisungen begangen ha ben“.<br />

Der Papst reist in das Heilige Land und<br />

betet an der Klagemauer in Jeru sa lem.<br />

< 2002: Schwerer Konflikt um die<br />

Be lagerung der Bethlehemer Ge burts -<br />

kirche durch die israelische Armee.<br />

Dissonanzen beim Besuch des israelischen<br />

Präsidenten moshe Katzav im<br />

Vatikan.<br />

< 2003: Johannes Paul ii. verurteilt<br />

den Bau der israelischen Sperranlage<br />

im Westjordanland; man brauche für<br />

einen Frieden „Brücken und keine Mau -<br />

ern oder Zäune“. Premier Ariel Sharon<br />

trifft bei einem Rom-Besuch nicht mit<br />

dem Papst zusammen.<br />

< 2004: Der Vatikan verurteilt erneut<br />

den Sperrwall: Die Palästinenser steck -<br />

ten in einem „riesigen Gefängnis“.<br />

< 2005: israelische Angriffe auf den<br />

neuen Papst Benedikt XVi. werden<br />

vom Vatikan scharf zurückgewiesen.<br />

Die beiden Großrabbiner laden den<br />

Papst nach Jerusalem ein. Der Papst<br />

empfängt Präsident Katzav und auch<br />

den neuen palästinensische Präsident<br />

mah moud Abbas, nachfolger des<br />

verstorbenen Arafat.<br />

< 2008: irritationen wegen der neu<br />

for mulierten Karfreitagsfürbitte in<br />

dem vom Papst wieder zugelassenen<br />

vorkonziliaren „alten Usus“ („Lasset<br />

uns auch beten für die Juden, auf dass<br />

Gott unser Herr ihre Herzen erleuchtet,<br />

damit sie Jesus Christus erkennen, den<br />

Retter aller Menschen“) und Würdi gung<br />

von Papst Pius Xii. anlässlich dessen<br />

50. Todestags durch Benedikt XVi.<br />

< 2009: Das israelische Großrabbi nat<br />

bricht die Beziehungen zum Vatikan<br />

wegen der Aufhebung der Exkom mu -<br />

ni kation des <strong>als</strong> Holocaust-Leugner<br />

hervorgetretenen traditionalistischen<br />

Bischofs Richard Williamson von der<br />

Bruderschaft St. Pius X. ab. Der Papst<br />

bekräftigt seine volle Solidarität mit<br />

den Juden und stellt sich gegen jeden<br />

Versuch einer Leugnung des Holo -<br />

caust. Der Papst reist ins Heilige Land,<br />

er ruft israelis und Palästinenser zu<br />

einem friedlichen miteinander in<br />

zwei Staaten auf. Die vatikanischisraelischen<br />

Verhandlungen über Fra -<br />

gen kirchlichen Eigentums und Steu -<br />

erfragen bringen keinen Durch bruch.<br />

Quelle: APA<br />

Die Kirchen in Österreich feierten am 17.<br />

<strong>Januar</strong>, den „Tag des Judentums“. An diesem<br />

Tag besinnen sich die Christen in be -<br />

sonderer Weise auf ihre jüdischen Wur zeln.<br />

In Wien fand der zentrale Gottes dienst in<br />

der rumänisch-orthodoxen Pfarrkirche in<br />

Simmering statt. Der orthodoxe Metro po lit<br />

Michael Staikos leitete den Gottes dienst,<br />

Dechant Ferenc Simon hielt die Predigt.<br />

Kar dinal Christoph Schön born hat bei seiner<br />

Katechese im Ste phans dom am 10. Ja nuar<br />

neuerlich hervorgehoben: „Wir können Je -<br />

sus nicht am Judentum vorbei oder gar ge gen<br />

das Judentum finden“.<br />

Ausdrücklich stellte Schönborn fest, dass<br />

man sich von manchen, vor allem in Mit tel -<br />

europa verbreiteten, stereotypen Vorstel -<br />

lun gen im Hinblick auf das Verhältnis von<br />

Judentum und Chris tentum verabschieden<br />

müsse. So sei es nicht angebracht, die Ge -<br />

setzesfröm mig keit des Judentums he rab -<br />

zu setzen.<br />

Im Hin blick auf den Prozess Jesu vor dem<br />

Ho hen Rat sagte der Wiener Erzbischof:<br />

Das Lei den Jesu könne "weder allen da -<br />

m<strong>als</strong> lebenden Juden ohne Un ter schied noch<br />

den heutigen Juden zur Last gelegt werden".<br />

Die den Juden angelastete Kollektivschuld<br />

am Tod Jesu habe im Lauf der Geschichte<br />

„un end liches Leid“ über das jüdische Volk<br />

ge bracht, bedauerte Kardinal Schönborn.<br />

Erst mit „Nostra Aetate“ sei eine „lange tra -<br />

gische Geschichte“ abgeschlossen worden.<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770 29


JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

Panorama<br />

Kurznachrichten aus der jüdischen Welt<br />

Quelle: JTA/inn u.a.; Übersetzung: Karin Fasching-Kuales/Foto:©JTA u.a.<br />

umfrage: israel hat „massives“<br />

imageproblem<br />

Eine für das informations- und Dias -<br />

pora-ministerium durchgeführte Um -<br />

frage ergab, dass etwa 91% der Be frag -<br />

ten denken, israel hätte nach außen hin<br />

ein massives imageproblem. Der jüdische<br />

Staat würde <strong>als</strong> Land gesehen, das<br />

„unter Terror und Krieg leidet“ (90 %).<br />

80% meinten, israel hätte das ima ge<br />

eines „aggressiven Staates“. Allerdings<br />

erklärten sich auch 85% der 495 be -<br />

fragten jüdische israelis bereit, an ei ner<br />

israelischen PR-Kampagne teilzunehmen<br />

und ihr Land bei Reisen ins Aus -<br />

land positiv zu repräsentieren. im ver -<br />

gan genen Jahr hatten die Einwohner<br />

israels mehr <strong>als</strong> 4,2 mio. Reisen ins<br />

Ausland unternommen.<br />

feiertag für die hebräische sprache<br />

Zur Würdigung der Hebräischen Spra -<br />

che wurde nun der Geburtstag des Va -<br />

ters des modernen Hebräisch, Eliezer<br />

Ben-Yehuda, am 7. <strong>Januar</strong> <strong>als</strong> Da tum für<br />

den entsprechenden Feier tag vorgeschlagen.<br />

Das ministerielle Ko mi tee für<br />

Symbole und Zeremo ni en muss diesem<br />

Vorschlag allerdings erst zustimmen.<br />

Außerdem soll die Ver wen dung<br />

von Hebräisch <strong>als</strong> Alltags spra che<br />

durch verschiedene maß nah men ge -<br />

stärkt sowie ein Workshop für Regie -<br />

rungsmitglieder eingerichtet wer den,<br />

um ihre Sprachfertigkeit zu perfektionieren.<br />

uranus und Neptun sind<br />

oron und rahab<br />

Die Planeten Uranus und neptun<br />

dürfen nun auch hebräische namen<br />

ihr Eigen nennen. So heißt Uranus<br />

jetzt Oron, was „Licht“ bedeutet, und<br />

neptun darf sich Rahab nennen, nach<br />

einem meeresungeheuer, das in Bibel<br />

und Talmud erwähnt wird. Die isra e -<br />

lis konnten online über die Auswahl<br />

der namen abstimmen. Alle anderen<br />

Planeten unseres Solar sys tems haben<br />

bereits hebräische na men.<br />

Überlebender des „Kindertrans-<br />

ports“ zum ritter geschlagen<br />

Erich Reich, 74, war <strong>als</strong> Kind mit Hilfe<br />

eines „Kindertransports“ vor den na -<br />

zis nach England geflohen. nun wur -<br />

de der ehemalige jüdische Flüchtling<br />

in seiner neuen Heimat zum Ritter ge -<br />

schlagen und darf den Titel „Sir“ tragen.<br />

mit seinem Fundraising-Unterneh men<br />

Classic Tours hat Reich milli o nen von<br />

Euros für wohltätige Zwecke aufgestellt.<br />

Er ist außerdem Vorsitzender<br />

der Kindertransport-Gruppierung der<br />

jüdischen Flüchtlingsvereinigung und<br />

organisierte die Feier anlässlich des<br />

70. Jubiläums der Entscheidung des<br />

bri tischen Parlaments zur Aufnahme<br />

von Flüchtlingskindern aus den von<br />

nazis okkupierten Gebieten.<br />

Verstorbene holocaust-Überlebende<br />

hinterlässt 2.500 Nachkommen<br />

Die kürzlich im Alter von 94 Jahren<br />

verstorbene Holocaust-Überlebende<br />

Yitta Schwartz aus new York hinterlässt<br />

fünf Generationen von nach kom -<br />

men, die insgesamt 2.500 Personen<br />

um fassen.<br />

Schwartz und ihre gesamte Familie<br />

hat ten das Konzentrationslager Ber -<br />

gen Belsen überlebt. Sie, ihr Ehemann<br />

und ihre sechs Kinder gingen nach<br />

Antwerpen, Belgien, und emigrierten<br />

schließlich in die USA. Weitere elf<br />

Kin der kamen hinzu, insgesamt hatte<br />

Schwartz später etwa 170 Enkel – und<br />

sie kannte alle beim namen.<br />

israel zählt 7,5 mio. einwohner<br />

israels Einwohnerzahl stieg 2009 um<br />

1,8 % auf 7.509.000 menschen. 75,4 %<br />

davon sind Juden, 20,3 % Araber und<br />

weitere 4,3% gehören anderen Bevöl -<br />

ke rungsgruppen an. 160.000 Gebur ten<br />

und 39.000 Todesfälle wurden verzeichnet.<br />

antisemitismushotline in russland<br />

Die Vereinigung jüdischer Gemein den<br />

in Russland hat eine bereits früher<br />

existente Antisemitismushotline wieder<br />

installiert. Diese hilft Opfern von<br />

Antisemitischen Übergriffen bei der<br />

Suche nach Rechtsanwälten.<br />

Einige Tage zuvor hatte der russische<br />

Prä sident Dimitri medvedev bei ei nem<br />

Treffen mit dem Vorsitzenden der Ver -<br />

einigung jüdischer Gemeinden in<br />

Russland, Oberrabbiner Berl Lazar, er -<br />

klärt, der Antisemitismus in Russland<br />

sei „wesentlich weniger vorherrschend“<br />

<strong>als</strong> in der Vergangenheit.<br />

höchste aliyahzahlen seit 36 Jahren<br />

im Vergleich zum Jahr 2008 kamen im<br />

vergangenen Jahr um 19% mehr Aus -<br />

wan derungswillige aus den USA nach<br />

israel – mit 3.324 Personen die höchste<br />

Zahl seit 36 Jahren. Viele der immi -<br />

gran ten nahmen an Jewish Agency<br />

Pro grammen teil, 300 wählten den Kib -<br />

butz Ulpan, 90 den Ulpan Etzion und<br />

200 gehen einem Studium nach.<br />

moslems gegen antisemitismus<br />

auf facebook<br />

Auf der Facebook-Fanpage der mosl e -<br />

mischen Reformistin und Autorin Ir -<br />

shad Manji haben hunderte User<br />

nach richten hinterlassen, die ein Sta -<br />

te ment der Europäischen Vereini gung<br />

jüdischer Studenten gegen das Schwei -<br />

zer minarettverbot, das ebenfalls dort<br />

zu finden ist, würdigen.<br />

manji, Autorin von „The Trouble with<br />

Islam Today: A Muslim´s Call for Reform<br />

in Her Faith“ und Produzentin des<br />

Films „Faith without Fear“ bat ihre<br />

mos lemischen Fans, persönliche State -<br />

ments gegen Antisemitismus ins netz<br />

zu stellen und hunderte kamen ihrer<br />

Bitte nach – ein extrem positives Zei -<br />

chen der Hoffnung für das Verhältnis<br />

von Juden und moslems.<br />

israelische ausgabe von „forward“<br />

Eine vierseitige israel-Ausgabe des jü -<br />

dischen magazins „Forward“ wird ab<br />

24. <strong>Januar</strong> allwöchentlich in der englischen<br />

Ausgabe von Haaretz beiliegen.<br />

Diese wird wiederum mit der in ter -<br />

nationalen Herald Tribune versendet.<br />

„Forward“ wurde 1897 <strong>als</strong> jiddische<br />

Ta geszeitung gegründet und er scheint<br />

heute einmal die Woche in Englisch<br />

und Jiddisch. Es ist die einzige jiddische<br />

Zeitung in israel.<br />

april <strong>2010</strong>: Buchmesse in Budapest<br />

würdigt israel<br />

Beim 17. internationalen Bücherfesti -<br />

val in Budapest wird israel <strong>als</strong> Eh ren -<br />

gast gefeiert werden. Die jährliche vier -<br />

tägige Buchmesse ist der größte Li te -<br />

ra turevent des Landes und wird am<br />

30 <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770


JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

22. April eröffnet. Auch der bekannte<br />

israelische Autor Amos Oz wird teil -<br />

neh men und dort mit einem Buch preis<br />

geehrt.<br />

2009 war Ungarn selbst Ehrengast bei<br />

der Buchmesse in Jerusalem gewesen,<br />

<strong>als</strong> Anerkennung der nunmehr zwei<br />

Jahrzehnte dauernden engen diplomatischen<br />

Verbindungen zwischen<br />

den beiden Staaten nach dem Zerfall<br />

des Kommunismus.<br />

zentrum für jüdische studien<br />

eröffnet in israel<br />

Die Ben-Gurion Universität im ne gev<br />

eröffnet ein neues Zentrum für jüdische<br />

Studien. David Roskies, Profes sor<br />

für jiddische Literatur am jüdischthe<br />

ologischen Seminar in new York,<br />

wird das Zentrum in Beersheba leiten.<br />

Workshops und Kolloquien sollen<br />

dort abgehalten, vergessene jiddische<br />

Werke publiziert und mit Jid disch-<br />

Forschungszentren in Tel Aviv, Paris<br />

und den USA zusammengearbeitet<br />

werden.<br />

Das Zentrum solle dem wachsenden<br />

interesse an der jiddischen Kultur in<br />

israel dienen und eine neue Genera -<br />

tion jiddischer Gelehrter hervorbringen,<br />

um Literatur und Sprache auch<br />

im 21. Jahrhundert fortzuführen, so<br />

die Universität.<br />

Neues gesetz: staat kommt<br />

nicht mehr für Beerdigung von<br />

Terroristen auf<br />

Terroristen werden in israel künftig<br />

nicht mehr auf Staatskosten beerdigt.<br />

Ein entsprechendes Gesetz wurde von<br />

der Knesset verabschiedet.<br />

Das Gesetz wurde von den 39 anwesenden<br />

Knessetmitgliedern angenommen.<br />

Es gab keine Gegenstimmen und<br />

keine Enthaltungen, heißt es laut der<br />

Tageszeitung ‘Jediot Aharonot’.<br />

Der Vorschlag zu dem Gesetz war<br />

unter anderem von der Abgeordne ten<br />

Miri Regev eingebracht worden. Diese<br />

sagte nach der Abstimmung: "Ich<br />

hoffe, dass wir von nun an die notwendigen<br />

Veränderungen vornehmen und dass<br />

Terroristen nicht auf unsere Kosten beerdigt<br />

werden. Jeder, der beschließt, Unschul -<br />

dige zu verletzen, kann nicht erwarten,<br />

dass seine Familie einen Preis dafür er hält,<br />

von uns, dem Staat." Regev wies außer -<br />

dem Kritik an dem Gesetz zurück,<br />

dass es rassistisch sei. Sie sagte, das<br />

Gesetz werde auch bei jüdischen Ter -<br />

ro risten angewandt.<br />

Bislang hatte der Staat israel die Kos -<br />

ten für die Beerdigung aller seiner ver -<br />

storbenen Bürger getragen. Zuvor<br />

schon hat die Knesset per Gesetz be -<br />

schlossen, dass Angehörige von Ter ro -<br />

risten keinen Anspruch auf eine staatliche<br />

Hinterbliebenenrente und andere<br />

Vergünstigung hätten.<br />

warhol-sammlung für diasporamuseum<br />

Ein amerikanischer Kunstliebhaber hat<br />

dem Diaspora-museum in Tel Aviv<br />

Bilder von Andy Warhol geschenkt.<br />

Da bei handelt es sich um die Samm -<br />

lung „Zehn Portraits von Juden des 20.<br />

Jahrhunderts“.<br />

Warhol, maler und Avantgarde-Film -<br />

re gisseur, war einer der überragenden<br />

Vertreter der amerikanischen Pop Art-<br />

Bewegung. Gezeichnet hat er seine<br />

Portraits der jüdischen Kultur in den<br />

späten 70er Jahren.<br />

Die Portraits, die im Original <strong>als</strong> Pa -<br />

pier-Siebdruck veröffentlicht sind, zei -<br />

gen Albert Einstein, Sarah Bernhardt,<br />

Louis Brandeis, Martin Buber, Sigmund<br />

Freud, George Gershwin, Franz Kafka, die<br />

"Marx Brothers", Golda Meir und Ger -<br />

tru de Stein. Dies berichtet die Ta ges -<br />

zeitung ‘Ha´aretz’.<br />

Der Wert der Sammlung des jüdischen<br />

mäzens wird auf 100.000 Dollar ge -<br />

schätzt.<br />

Weltweit existieren 200 Kopien der<br />

War hol-Werke. Ein Teil der Serie war<br />

in der Vergangenheit schon einmal im<br />

israel-museum in Jerusalem ausgestellt.<br />

website von jüdischer zeitung<br />

ge hackt<br />

Die Website von Großbritanniens<br />

größ ter jüdischer Zeitung, dem Je wish<br />

Chronicle, wurde Opfer einer Hacker -<br />

at tacke. Grafiken auf der Homepage<br />

wurden mit einer palästinensischen<br />

Flagge und den Worten “gehackt von<br />

den palästinensischen Mujahedeen”. Ei -<br />

ne weitere in Eng lisch und Türkisch<br />

hoch geladene nachricht zitiert den<br />

Ko ran und enthält antisemitische Aus -<br />

fälle gegen Juden. Die Londoner Site<br />

wurde daraufhin für mehrere Stun den<br />

vom netz genommen, wie der herge -<br />

stellt und auf mögliche Fire wall-<br />

Lücken untersucht.<br />

Neue gesichter für den shekel<br />

Die Scheine des neuen israelischen<br />

Shekel (niS) sollen bald neue Ge sich -<br />

ter tragen. Dies beschlossen israels<br />

Finanzminister Yuval Steinitz und der<br />

Direktor der Bank of israel, Stanley<br />

Fisher, medienberichten zufolge.<br />

Auf dem 20-Shekel-Schein wird Theo -<br />

dor Herzl israels zweiten minis ter prä -<br />

sidenten moshe Sharett ablösen; Li te -<br />

ra turnobelpreisträger Shai Agnon wird<br />

auf dem 50-Shekel-Schein isra els ers -<br />

ten ministerpräsidenten David Ben-<br />

Gurion Platz machen. Auf den 100-<br />

und 200-Shekel-Scheinen werden is -<br />

raels zweiter Präsident Yitzhak Ben-Zvi<br />

und israels dritter Präsident Zalman<br />

Shazar gegen die früheren minister pr -<br />

ä sidenten menachem Begin bzw.<br />

Yitzhak Rabin ausgetauscht.<br />

Die neuen Scheine sollen 2012 in Um -<br />

lauf gebracht werden.<br />

geschichte eines israelischen<br />

spions wird verfilmt<br />

Die amerikanische Produktionsfirma<br />

„L+E Pictures“ will Schmuel Segevs<br />

Buch „Alone in Damascus“ verfilmen.<br />

Es erzählt die Ge schich te des israelischen<br />

Spions Eli Cohen. in dem Buch<br />

werden die Anwerbung Cohens, sei ne<br />

versteckten missionen und die Er grei -<br />

fung durch die Syrier thematisiert.<br />

Cohen arbeitete bis zu seiner öffentlichen<br />

Hinrichtung 1965 fünf Jahren<br />

lang <strong>als</strong> mossad-Agent. in dieser Zeit<br />

knüpfte er enge Verbindungen zu<br />

hoch rangigen Politikern bis hin zu<br />

Syriens Verteidigungsminister. Dabei<br />

versorgte er israel mit vielen wichtigen<br />

Hintergrundinformationen der syrischen<br />

Politik.<br />

Das Drehbuch für den Film hat Lior<br />

Geller geschrieben, der auch schon<br />

beim erfolgreichen israelischen Kurz -<br />

film „Roads“ Regie geführt hatte. Die<br />

Firma „L+E Pictures“ wur de vor vier<br />

Jahren vom Sohn des ehemaligen Dis -<br />

ney-Chefs Michael Eisner gegründet.<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770 31


JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

Initiative ruft Berlin zur Hilfe bei Erhalt<br />

von NS-Massengräbern auf<br />

Ein internationales Bündnis hat die<br />

deutsche Regierung zur mithilfe beim<br />

Erhalt von osteuropäischen massen -<br />

grä bern für Holocaust-Opfer aufgerufen.<br />

Die jüdischen initiatoren verwiesen<br />

in Berlin darauf, dass im Bemü hen<br />

um die Sicherung der letzten Ruhe -<br />

stätten von millionen nazi-Opfer ein<br />

Wettrennen gegen die Zeit drohe.<br />

Dabei gehe es um die Gräber von<br />

Hun derttausenden, die nicht in Kon -<br />

zen trationslager deportiert, sondern<br />

vor Ort dezentral von Einsatz grup pen,<br />

Wehrmachts- und Polizeieinhei ten er -<br />

schossen worden seien. Die an schlies -<br />

send verscharrten Leichen lägen bis<br />

heute in meist vergessenen und überwiegend<br />

unmarkierten massengrä -<br />

bern. Es sei Zeit, die Gräber zu versiegeln<br />

und zu schützen, sagte die Di -<br />

rektorin des Berliner Büros des Ame -<br />

rican Jewish Committee (AJC), Deidre<br />

Berger. „Es ist Zeit, der Opfer zu gedenken.“<br />

Der initiative zufolge sind viele hundert<br />

massengräber auf dem Gebiet<br />

der ehemaligen Sowjetunion noch un -<br />

entdeckt. Die Zeit dränge, da nur noch<br />

wenige Zeitzeugen Auskunft über<br />

die bisher undokumentierten Spuren<br />

dieser nazi-Verbrechen geben könnten.<br />

Dabei sei die Konservierung und<br />

bauliche Umwandlung der massen -<br />

grä ber in würdige Grabstätten „eine<br />

politische Aufgabe und ein ethisches Ge -<br />

bot“.<br />

http://go.footnote.com/holocaust/<br />

Holocaust-Dokumente aus<br />

US-Nationalarchiven online<br />

Beim US-amerikanischen Archiv-Digitalisierungsanbieter Footnote kann<br />

man in die weltweit größte Sammlung von eingescannten Holocaust-Do -<br />

ku menten und Bildern aus den nationalarchiven in Washington und Lin -<br />

don einsehen. Die über eine million Unterlagen umfassen unter anderem<br />

Regis ter und To deslisten der Konzentrationslager in Dachau, maut hau -<br />

sen, Au schwitz und Flossenburg, Dokumente über Raubgut aus jüdischem<br />

Besitz sowie Akten der nürnberger Kriegsver brecher pro zesse.<br />

Operation Dachboden<br />

VON ULRICH W. SAHM<br />

Das Holocaust-museum im Kibbuz<br />

Lo chamei Haghettaot (Ghetto-Kämp fer)<br />

im norden israels hat die „Operation<br />

Boidem“ (Dachboden) initiiert, um<br />

Do kumente, Briefe, Tagebücher, Al ben,<br />

Fotografien und Gegenstände im Zu -<br />

sammenhang mit dem Ho locaust zu<br />

sammeln. So will das museum und die<br />

Forschungsstätte aus aller Welt und<br />

besonders aus Deutschland und Ös -<br />

ter reich historische Objekte retten,<br />

die noch auf Dachböden oder in Kell -<br />

ern lagern und auf dem Sperrmüll<br />

landen könnten.<br />

Kürzlich gelangte das Tagebuch von<br />

Paula Alster, einer Kämpferin des<br />

War schauer Ghettos, zu der Ge denk -<br />

stätte. Paulas Schwester Wanda fand<br />

neben der Leiche Paulas ein halb verbranntes<br />

handschriftliches Tagebuch.<br />

Wanda überlebte den Aufstand und<br />

verstaute das Tagebuch auf ihrem<br />

Dach boden in israel. Sie schaute es<br />

sich nie mehr an. nach ihrem Tod ent -<br />

schied ihr Sohn Nachie Rothenberg, es<br />

dem museum in Lochamei Haghetta ot<br />

zu übergeben. Es hat einen unschätzbaren<br />

Wert für jene, die das Ge den -<br />

ken an diesen Aufstand erforschen<br />

und würdigen. Das Tagebuch wurde<br />

restauriert, um einen Zerfall der Sei -<br />

ten zu verhindern. Es wurde übersetzt<br />

und ist heute eine Fundgrube<br />

für informationen über den Auf stand,<br />

die Vernichtung des Warschauer Ghet -<br />

tos im April 1943 und über die Kon zen -<br />

tra tion der Juden auf dem Um schlag -<br />

platz vor ihrer Deportation per Eisen -<br />

bahn zum Fiantova Lager. nachie Ro -<br />

thenberg sagte bei einer Feier im mu -<br />

seum: „In unserem Haus wurde über<br />

den Holocaust gesprochen, aber der Dach -<br />

boden blieb immer tabu.“ nach dem Tod<br />

seiner mutter verspürte er einen tiefen<br />

Drang, die niederschrift der Er eig nis se<br />

an professionelle Hände zu übergeben.<br />

www.gfh.org.il/?CategoryID=217<br />

32 <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770


JÜDISCHE WELT • ISRAEL<br />

US-Rangliste zur<br />

Lebensqualität: Israel<br />

an 47. Stelle<br />

israel belegt auf der aktuellen Rang -<br />

lis te zur Lebensqualität des US-ma -<br />

gazins ‘International Living’ Platz 47.<br />

Am besten lebt es sich laut der Erhe -<br />

bung in Frankreich. Für die Studie<br />

wurden die Lebensumstände in 194<br />

Ländern verglichen.<br />

Platz zwei belegte Australien, gefolgt<br />

von der Schweiz, Deutschland und<br />

neu seeland. Die USA landeten auf<br />

Platz sieben.<br />

Für die Auswertung werden verschiedene<br />

Kriterien anhand nationaler und<br />

internationaler Studien untersucht,<br />

unter anderem die Lebens haltungs -<br />

kos ten, das Gesundheitswesen, die<br />

infrastruktur, die Sicherheit, mög lich -<br />

keiten zur Freizeitgestaltung und das<br />

Klima. Auch die meinung des He raus -<br />

gebers wird beachtet.<br />

israel erhielt vor allem in den Be rei -<br />

chen infrastruktur und Lebens hal -<br />

tungskosten schlechte Werte. insge -<br />

samt bekam der jüdische Staat 67 von<br />

100 möglichen Punkten und landete<br />

mit nur einem Punkt Abstand hinter<br />

mexiko und Zypern. Frankreich er -<br />

hielt 82 Punkte und siegte zum fünften<br />

mal in Folge.<br />

inn<br />

Einwanderung nach Israel<br />

nimmt erstm<strong>als</strong> seit 1999 zu<br />

Erstm<strong>als</strong> seit zehn Jahren hat die Ein -<br />

wanderung von Juden nach israel wie -<br />

der zugenommen. Die Zahl der neu<br />

eingewanderten Juden sei 2009 um<br />

17% auf mehr <strong>als</strong> 16.000 angestiegen,<br />

sagte der Chef der für Ein wan de rung<br />

zuständigen Agentur, Na than Sha rans ki.<br />

im Vorjahr war die Ein wanderung mit<br />

knapp 14.000 Ju den auf ihren niedrigsten<br />

Stand seit 1987 gesunken.<br />

Heuer kam mehr <strong>als</strong> die Hälf te der jü -<br />

dischen Einwanderer aus den früheren<br />

Sowjetrepubliken, die übrigen stamm -<br />

ten vor allem aus den USA, Eu ropa<br />

und Südamerika. 331 Juden seien aus<br />

muslimisch ge prägten Län dern, darunter<br />

die Türkei und ma rok ko, nach<br />

israel ausgewandert. Von den diesjährigen<br />

Einwan derern wa ren den An -<br />

gaben zufolge 60% jünger <strong>als</strong> 35 Jah re.<br />

Seit der Staatsgründung 1948 wan der -<br />

ten mehr <strong>als</strong> 3 mio. menschen ein.<br />

Jüdischer Nationalfonds<br />

spendet Bäume für<br />

palästinensische Stadt<br />

Der Jüdische nationalfonds (JnF) hat<br />

der Palästinensischen Autonomiebe -<br />

hör de 3.000 Baumsetzlinge gespendet.<br />

Diese sollen am Rande der neuen pa -<br />

läs tinensischen Stadt Ruwabi ge -<br />

pflanzt werden, die etwa neun Kilo -<br />

meter nordwestlich von Ramallah im<br />

Westjordanland entstehen soll.<br />

Die Forstexperten des JnF stehen den<br />

Stadtplanern dabei mit Rat und Tat<br />

zur Seite. „Es gab eine große Zahl von<br />

Tre ffen, an der Stelle, wo die Stadt errichtet<br />

wird und auch in den JNF-Treib häu sern.<br />

Wir haben unser Wissen weitergegeben,<br />

indem wir beraten haben, wie man den Bo -<br />

den für die Pflanzungen vorbereitet und<br />

wie öffentliche Gärten geplant werden<br />

sol len, ebenfalls darüber, was die besten<br />

Pflanz zeiten sind und welche Arten von<br />

Bäu men zu bevorzugen sind. Wir haben<br />

nicht über Politik gesprochen und wir soll -<br />

ten das nicht tun - wir beschäftigen uns<br />

mit Bäumen, Forstwirtschaft, Botanik und<br />

Treibhäusern“, sagte Suhil Saydan,<br />

einer der Leiter des JnF.<br />

in der Stadt Ruwabi sollen etwa 6.000<br />

Wohneinheiten für rund 40.000 men -<br />

schen entstehen. Das Projekt zielt auf<br />

die palästinensische mittelschicht ab.<br />

Für den Bau werden schätzungswei se<br />

10.000 palästinensische Arbeiter an -<br />

gestellt, heißt es laut einem Bericht der<br />

Tageszeitung „Ha´aretz“.<br />

Laut Saydan gebe es keine andere<br />

Stadt in der Region, bei deren Bau so<br />

enorm auf die Umweltverträglichkeit<br />

geachtet werde. Es gebe große Bemü -<br />

hun gen, die natur mit ihren Flüssen<br />

und Quellen sowie andere Werte, wie<br />

Antiquitäten, zu erhalten.<br />

Am Rande der neuen Stadt soll ein<br />

klei ner Wald entstehen. Für diesen<br />

spendete der JnF rund 3.000 Setz lin ge.<br />

Bei der Pflanzung halfen mitar bei ter<br />

der jüdischen Organisation und Pa läs -<br />

tinenser gemeinsam. So wohl Jugend -<br />

li che <strong>als</strong> auch menschen im Alter von<br />

mehr <strong>als</strong> 60 Jahren hätten sich beteiligt.<br />

Jeder habe Werkzeuge von zu Hause<br />

mitgebracht.<br />

Der Jüdische nationalfonds fördert<br />

Umweltprojekte in ganz israel. Zu den<br />

wichtigsten aktuellen maßnah men<br />

gehören der dringende Bau von Was -<br />

ser reservoirs und die Begrünung der<br />

negev-Wüste.<br />

inn<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770 33


JÜDISCHE WELT • ISRAEL<br />

© Flash 90/Yossi Zamir<br />

WELTREKORDVERSUCH<br />

Jerusalemer Köche bereiteten riesige Grillplatte zu<br />

Auf dem mehane Jehuda-markt in Je rusalem haben israelische Köche im<br />

november ei ne riesige gemischte Grillplatte zubereitet. Das Gericht wurde auf<br />

einer zwei meter langen Teigtasche serviert. mit der typischen Jerusalemer<br />

Spezialität wollen es die israelis ins Guinness-Buch der Rekorde schaffen.<br />

neun Köche aus verschiedenen Res tau rantsversammelten sich in der is ra eli schen<br />

Hauptstadt, um die ge misch te Grillspezialität für die Riesenpita zu zu be rei ten.<br />

Passanten und Händler auf dem markt wurden dazu eingeladen, beim Ko -<br />

chen zu helfen. Rund 32 Kilogramm Fleisch, zwölf Kilo gramm Salat, zehn Ki lo -<br />

gramm mehl und mehr <strong>als</strong> anderthalb Kilogramm Gewürze wurden verarbeitet.<br />

Der Versuch wurde von einem An walt dokumentiert. „Wir versuchen, einen Welt -<br />

rekord aufzustellen. Wir sind die ersten, aber wir haben die Menge hergestellt, die für<br />

einen Guinness-Rekord reichen müsste“, sagte noam Schaked, einer der Orga ni -<br />

satoren, laut der nachrichtenagentur AFP.<br />

mit einem Weltrekordversuch wollten sich die Köche jedoch nicht zu frieden<br />

geben! Sie versuchten bei der Gele gen heit auch, das kleinste Gericht der Welt<br />

herzustellen: ein gefülltes Fla den brot in münzgröße.<br />

inn<br />

WELTREKORD:<br />

Mehr <strong>als</strong> 64 Stunden lang<br />

lebendig eingefroren<br />

Der israelische magier Chesi Dajan hat<br />

es geschafft: Kurz nach mitter nacht im<br />

neuen Jahr befreiten Helfer Dajan mit<br />

Kettensägen aus dem Eisblock, in dem<br />

er es mehr <strong>als</strong> 64 Stunden lang le ben dig<br />

eingefroren ausgehalten hatte. Da mit<br />

hat der israeli den mehr <strong>als</strong> neun Jah re<br />

alten Rekord des amerikanischen i l lu -<br />

sionisten David Blaine klar gebrochen.<br />

Blaine hatte es dam<strong>als</strong> exakt 61 Stun -<br />

den, 40 minuten und 15 Sekunden in<br />

einem Eisblock auf dem Times Squa re<br />

in new York ausgehalten – <strong>als</strong> er den<br />

Block ver ließ, war er augenscheinlich<br />

in kei nem guten Zustand.<br />

Auch der 29 Jahre alte Chesi Dajan<br />

stieg blass und ziemlich unterkühlt aus<br />

dem riesigen, acht Tonnen schweren<br />

Eiswürfel, wie die Zeitung „Ha’a retz<br />

daily“ am neujahrstag berichtete. Er<br />

wurde sofort in Decken gehüllt und in<br />

einen bereitstehenden Rettungs wa gen<br />

gebracht – erholte sich aber erstaunlich<br />

schnell. Während seines eisigen<br />

Re kordver suches trug er nur Jeans<br />

und ei nen dünnen Pulli. Dajan hatte<br />

sich von seinen Helfern auf dem Ra -<br />

bin-Platz in Tel Aviv in den Eis block<br />

einschließen lassen. meist war von<br />

ihm in einem durchsichtigen Teil des<br />

eisigen Ge fängnisses nur ein müdes<br />

Augen paar zu sehen, das auf die<br />

Zuschauer blickte.<br />

red<br />

REKORD: Israeli lässt sich<br />

zum 11. Mal scheiden<br />

WELTREKORD<br />

Ein 50-jähriger israeli hat sich zum<br />

11. mal scheiden lassen und sucht jetzt<br />

eine neue Braut. Der mann habe da -<br />

mit den bisherigen Scheidungs rekord<br />

für jüdische israelis gebrochen, be rich -<br />

tete die Zeitung „Jerusa lem Post“ un -<br />

ter Berufung auf das Rabbinat.<br />

Er habe es sich zur Gewohnheit ge -<br />

macht, sich alle zwei Jahre scheiden<br />

zu lassen und unmittelbar danach eine<br />

neue Ehefrau zu suchen, erklärte der<br />

mann. „Ich werfe den Köder aus, und die<br />

Fische kommen ganz von allein.“<br />

mit seinen vielen Scheidungen hat er<br />

den bisherigen Rekord jüdischer isra -<br />

elis von sechs ehelichen Tren nun gen<br />

fast verdoppelt. Aus seinen bisher elf<br />

Ehen habe der mann nur ein einziges<br />

Kind, für das er jedoch keinen Un ter -<br />

halt zahlen könne, schrieb die Zei tung.<br />

© Reuters/Gil Cohen Magen<br />

34 <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770


JÜDISCHE WELT • ISRAEL<br />

© Flash 90/Yossi Zamir<br />

WELTREKORD<br />

im Tscherkessendorf Abu Gosch west -<br />

lich von Jerusalem hat der aus Lon don<br />

an gereiste Jack Brockbank vom Guin ness<br />

Buch der Weltrekorde offiziell einen<br />

neu en israelischen Weltrekord aner -<br />

kannt. Der Koch Jawdat Ibrahim aus A bu<br />

Gosch, für guten Humus (Ki cher erb -<br />

sen brei) wohlbekannt und po pu lär, hat<br />

mit 78 weiteren Köchen und 400 Hel -<br />

fern eine Satellitenschüssel von 5 me -<br />

tern Durchmesser mit genau 4.090 Ki lo<br />

Humus gefüllt. Die Schüssel hat die<br />

TV-Übertragungszentrale des be nach -<br />

barten newe illan ausgeliehen. So wur -<br />

de ein vor nur wenigen Wo chen in Bei -<br />

rut aufgestellter Weltrekord mit le dig -<br />

lich 2 Tonnen Humus durchbrochen.<br />

Zwischen israel, Libanon und den Pa -<br />

läs tinensern gibt es einen erbitterten<br />

Krieg in der UnO und anderen internationalen<br />

Foren wegen Urheber rech -<br />

ten an dieser von allen Dreien beanspruchten<br />

nation<strong>als</strong>peise. Abu Gosch<br />

rechnet mit einer Fortsetzung dieses<br />

„Weltkriegs“ und einem libanesischen<br />

Vergeltungsschlag. Deshalb wird in<br />

dem Dorf Abu Gosch, wo einst die bib -<br />

Weltrekord zum Kichern<br />

von Ulrich W. Sahm<br />

Die leere Satellitenschüssel ...<br />

lische Bundeslade gestanden hat und<br />

die Kreuzfahrer das neutestamentarische<br />

Emmaus vermuteten, schon ein<br />

zehn-Tonner Kichererb sen brei ge plant.<br />

Libanon beantragte schon ein Patent<br />

für Humus, so wie der Feta-Käse der<br />

Griechen oder der Champagner der<br />

Franzosen markenschutz genießen.<br />

Kichererbsen werden seit Tausenden<br />

Jahren im Gebiet des „Fruchtbaren<br />

Halb monds“ angebaut, sind aber im<br />

benachbarten Ägypten unbekannt. in<br />

der Bibel wird Chimza erwähnt, aber<br />

die Araber behaupten, dass ihr Volks -<br />

held Saladin den Humus erfunden<br />

ha be, <strong>als</strong> er die Kreuzritter aus dem<br />

Land vertrieben hat.<br />

Für den Humus müssen die getrockneten<br />

Kichererbsen über nacht eingeweicht<br />

und dann mehrere Stunden<br />

lang gekocht werden. möglichst per<br />

Hand werden die nun weichen Kerne<br />

zu einem Brei zerrieben, mit Sesam -<br />

pas te, Olivenöl, Zitronensaft und<br />

Knob lauch verfeinert und schließlich<br />

mit gekochten Puffbohnen oder mit<br />

Petersilie angerichtet. Es wird mit Fla -<br />

denbrot vom Teller „aufgewischt“.<br />

Streit, vor allem mit Libanon, provozierten<br />

die israelis, <strong>als</strong> sie mit Erfolg ih -<br />

ren zur „nation<strong>als</strong>peise“ deklarierten<br />

Kichererbsenbrei in britischen Super -<br />

märk ten einführten. Die Libanesen be -<br />

klagten Verluste in millionenhöhe we -<br />

gen dieses israelischen Vorstoßes. Ein<br />

palästinensischer Politiker forderte<br />

bei einer Sitzung der Welternäh rungs -<br />

organisation bei einer Tagung in Kai ro,<br />

israel wegen dem „Diebstahl“ der von<br />

den Palästinensern beanspruchten<br />

nation<strong>als</strong>peise zu verurteilen.<br />

Tschulent-Variationen<br />

© Flash 90/Kobi Gideon<br />

Israelische und arabische Küchen chefs<br />

präsentierten im <strong>Januar</strong> in ei nem Je ru sa -<br />

le mer Hotel verschiedene Tschu lent-Va -<br />

ria tionen. Unter anderem konnten ma rok -<br />

kanische, unga rische, ost-eu ro päi sche,<br />

und irakische Rezepte verkostet werden.<br />

Tchulent oder Hamin ist ein traditionalles<br />

jüdisches Eintopfgericht, das mindestens<br />

12 Stun den kochen sollte und<br />

am Schabbat <strong>als</strong> Mittagessen dient.<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770 35


JÜDISCHE WELT • ISRAEL<br />

Israelische G’schichtln aus 2009<br />

Von Daniella Ashkenazy, JTA/Übersetzung: Karin Fasching-Kuales<br />

Wer an israel denkt verbindet es zu -<br />

meist mit Berichten über Terroran -<br />

schlä ge, Armeeoperationen oder Sied -<br />

lungsstreitigkeiten. Doch israel und<br />

seine sieben millionen Einwohner<br />

können auch mit ziemlich verrückten<br />

Geschichten aufwarten – hier sind<br />

einige davon aus dem Jahr 2009:<br />

U Die seltsamste Entscheidung israelischer<br />

Politiker traf im vergangenen<br />

Jahr wohl die Stadtverwaltung von<br />

ne tanya. Dort sollte im August die<br />

Hauptstraße im Stadtzentrum mit ei -<br />

nem leuchtend purpurfarbenen An -<br />

strich aufgehübscht werden. Gesagt,<br />

getan. Doch schon im Oktober war die<br />

nicht allzu günstige Verschöne rungs -<br />

aktion der gnadenlosen israelischen<br />

Sonne zum Opfer gefallen – schon<br />

sah man wieder überall den schwarzen<br />

Asphalt...<br />

U Dicht gefolgt wird diese – zugegebenermaßen<br />

recht kreative – Entschei -<br />

dung von jener der Stadtverwaltung<br />

von Hadera. Die fast € 3,5 mio. verschlingende<br />

Renovierung des stets ver -<br />

stopften zentralen Kreisverkehrs sollte<br />

nicht bloß Zu- und Ausfahrten be -<br />

in halten, sondern auch für die Auto -<br />

fahrer so entscheidende Verbesse run -<br />

©JTA<br />

gen bringen wie Verkehrsampeln, die<br />

hebräische Lieder spielen...<br />

U Auch bei den israelischen Ge richten<br />

ging es zuweilen etwas „anders“<br />

zu. So brachte der israeli Shlomo Av ni<br />

sei nen ganz besonderen Fall vor Ge -<br />

richt, damit ihm erlaubt würde, sich<br />

nach seinem Tod von wilden Tieren<br />

fressen zu lassen, anstatt sich einer<br />

herkömmlichen Beerdigung zu unterziehen.<br />

Als lebenslanger Konsument<br />

in der nahrungskette wolle er, erklärte<br />

Avni, auf diese Weise der natur et -<br />

was von ihren Gaben zurückgeben. in<br />

seinem 772 Wörter umfassenden Ur -<br />

teil wünschte das Oberste Gericht dem<br />

80-Jährigen noch ein langes Leben<br />

und lehnte sein Ansuchen einstimmig<br />

ab. Doch Avni meinte daraufhin, er<br />

wolle keinesfalls aufgeben und wür -<br />

de seinen Fall vor den inter na tio nalen<br />

Gerichtshof in Den Haag bringen...<br />

U mehr <strong>als</strong> verblüfft waren wiederum<br />

die Bewohner eines Apparte ment -<br />

hau ses in Tel Aviv, <strong>als</strong> sie herausfanden,<br />

weshalb – noch dazu während<br />

einer ernsten Wasserknappheit im<br />

Land – ihre Wasserrechnungen jedes<br />

mal zehn bis einhundert mal höher<br />

waren, <strong>als</strong> die anderer Stadtbewoh -<br />

ner. nachfor schungen ergaben schließ -<br />

lich, dass die Wasserleitung ihres<br />

Hauses un ter irdisch mit jener eines<br />

angrenzenden öffentlichen Parks verbunden<br />

war – und die Bewässerung<br />

die ses Parks von ebenjenen Haus be -<br />

wohnern mitbezahlt wurde...<br />

U Während 2009 keinen mangel an<br />

tollpatschigen Gaunern und dummen<br />

Po lizisten aufwies – inklusive eines<br />

wohl etwas kurzsichtigen Exemplars,<br />

der einer Autofahrerin einen Straf zet -<br />

tel verpasste, weil ihr Bernhardiner<br />

nicht angeschnallt war – fand der<br />

außergewöhnlichste Einbruch im ichi -<br />

lov Krankenhaus von Tel Aviv statt.<br />

Das verwunderte Krankenhaus per so -<br />

nal re gistrierte eines Tages, dass das<br />

riesige Ölgemälde eines bekannten is -<br />

raeli schen Künstlers von seinem Platz<br />

an der Wand eines gut frequentierten<br />

Kor ridors verschwunden war. Kurz<br />

darauf verschwand ein weiteres Ge -<br />

mäl de eines anderen israelischen Kün -<br />

s t lers und weitere 24 Stunden spä ter<br />

war noch ein Bild verschwunden. mit<br />

Hilfe der Überwachungskameras konn -<br />

te das Rätsel schließlich gelöst wer den:<br />

Eine Frau mittleren Alters hat te die<br />

Bil der einfach abgenommen und war<br />

damit unbehelligt durch den Haupt -<br />

eingang hinausspaziert. Dann hatte sie<br />

die wertvollen Gemälde in ih rer nahe<br />

gelegenen Wohnung aufgehängt...<br />

U Das gute Herz eines israelischen<br />

Ge richts vollziehers rührt ganz beson -<br />

ders. Als er bei einer verarmten Fa mi -<br />

lie im westlichen Galiläa die ausständigen<br />

Schulden eintreiben sollte sah<br />

er auf den ersten Blick, dass diese men -<br />

schen am absoluten Existenzmini mum<br />

lebten. Also vermerkte er in seinem<br />

For mu lar, dass es nichts gab, das er<br />

mit nehmen konnte. Dann nahm er sei -<br />

ne Brieftasche heraus und drückte sei -<br />

nem Gegenüber einige Geld schei ne in<br />

die Hand...<br />

U Eine Gruppe überaus religiöser<br />

Ein woh n er von Ashkelon nahm es be -<br />

son ders genau und kam – wenige mo -<br />

na te n ach Ende des Gaza-Kriegs – auf<br />

die glorreiche idee, den Beginn des<br />

Schabbat mittels Sirenen, die sie von<br />

ihren Balkonen aus erklingen ließen,<br />

ein zuläuten. Das Ergebnis war eine<br />

mit telschwere Panik unter ihren nach -<br />

barn, die die Sirenen für eine Rake ten -<br />

warnung hielten.<br />

U Ein besonders findiger Bürger ne -<br />

tan yas hatte eine ganz besondere Ge -<br />

36 <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770


JÜDISCHE WELT • ISRAEL<br />

schäftsidee: Er bot zur Unterhaltung<br />

auf Kindergeburtstagspartys einen<br />

Schießstand an, bei dem die Kinder<br />

mit scharfer munition schießen sollten!<br />

Das interesse der Eltern hielt sich<br />

dann allerdings doch in Grenzen...<br />

U Die Autobahn Richtung Petach Tik -<br />

vah wurde an einem denkwürdigen<br />

Tag des vergangenen Jahres morgens<br />

um 5.30 Uhr von einem Autofahrer<br />

im wahrsten Sinne des Wortes unsicher<br />

gemacht, der wild Zickzack fuhr<br />

und dessen Promillestatus sich weit<br />

über dem erlaubten Grenzwert be -<br />

wegte. Über dies beschäftigten er und<br />

seine Bei fahrerin während der Fahrt<br />

mit Dingen, die man üblicherweise<br />

eher auf den Rücksitz verlegt. Als er<br />

schließlich aufgehalten wurde rechtfertigte<br />

sich der Fahrer damit, dass er<br />

nur Schlangenlinien gefahren sei, weil<br />

seine Beifahrerin ihm die Sicht ge -<br />

nommen hätte...<br />

U Eine besonders schwierige Ent -<br />

schei dung hatten hingegen die Söhne<br />

des ehemaligen sephardischen Ober -<br />

rab bi ners Ovadia Yosef zu treffen –<br />

sie stritten darüber, welcher Segens -<br />

spruch für den Kinder-Erdnusssnack<br />

Bamba gewählt werden sollte.<br />

U Dafür stach 2009 jener israeli<br />

durch seinen Einfallsreichtum hervor,<br />

der einen DnA-Test zur identifi -<br />

zie rung gestohlener Rinder erfand,<br />

der so gar noch durchgeführt wer den<br />

kann, wenn diese längst zu Ham bur -<br />

gern verarbeitet worden sind...<br />

U Das unglaublichste Dilemma stell -<br />

te sich aber während des Gaza krieges<br />

im <strong>Januar</strong> dar: Wie füttert man zwei<br />

eingeschüchterte, hungrige Lö wen,<br />

wenn man nur Armeever pfle gung zur<br />

Verfügung hat? Eine israelische mil -<br />

täreinheit hatte die Tiere in einem verlassenen<br />

palästinensischen Zoo entdeckt<br />

und versuchte daraufhin einen<br />

Weg zu finden, um die Löwen entweder<br />

aus dem Kriegsgebiet zu schaffen<br />

oder sie zumindest ernähren zu können.<br />

Bei den israelischen Streitkräften<br />

gibt es ja bekanntermaßen einige<br />

außergewöhnliche Posten – darunter<br />

zwei Kabarettisten und ei nen Voll zeit-<br />

Zauberer –, doch wer hätte gedacht,<br />

dass auch ein Tier pfle ger für Löwen<br />

benötigt würde?<br />

Wie auch immer die iDF es schließlich<br />

angestellt haben – <strong>als</strong> die Armee aus<br />

Gaza abzog ging es den beiden Tieren<br />

auf jeden Fall wieder bestens...<br />

WELT-AIDS-TAG<br />

Zahl der Neuinfektionen in Israel gestiegen<br />

in israel leben derzeit 4.525 men schen,<br />

die nachweislich an AiDS er krankt<br />

sind. Das Gesundheits ministerium<br />

geht jedoch davon aus, dass tatsächlich<br />

mindestens 6.374 israelis infiziert sind.<br />

Das geht aus ei ner aktuellen Statistik<br />

hervor, die an läss lich des Welt-AiDS-<br />

Tages veröffentlicht wurde.<br />

im vergangenen Jahr gab es bis zum<br />

Jahresende 390 neuerkrankungen -<br />

das war die höchste Zahl seit 1998. in<br />

den Jahren 2004 - 2007 gab es pro Jahr<br />

durch schnittlich etwa 350 neu er kran -<br />

kun gen. Das Gesundheitsminis te rium<br />

wies darauf hin, dass es im vergangenen<br />

Jahrzehnt seine Kam pa gnen ausgeweitet<br />

habe, mit denen es zu re gelmäßigen<br />

Blut tests ermutige. Dazu ge -<br />

höre unter anderem das Ang e bot von<br />

kosten losen Tests. Eine aktu el le Stu -<br />

die am Scheba-Krankenhaus in Tel Ha -<br />

Scho mer zeigt, dass bei etwa 35% der<br />

HiV-Träger die Erkran kung in einem<br />

spä ten Stadium festgestellt wur de.<br />

Itzik Levy, Leiter der Abtei lung für<br />

Geschlechtskrankheiten, un tersuchte<br />

für die Studie alle 258 Fälle, die im<br />

Kran kenhaus seit 1988 di agnostiziert<br />

wur den. Dabei stellte er fest, dass die<br />

Di agnose bei 91 von ih nen erst gestellt<br />

wurde, <strong>als</strong> das immun sys tem bereits<br />

massiv beeinträchtigt war und die Be -<br />

handlungen das Virus nicht mehr er -<br />

folg reich un ter Kon trol le hal ten konnten.<br />

Diese Patienten seien in den meisten<br />

Fällen hete ro se xuell, hät ten einen<br />

niedrigen Bildungs stand, seien nicht in<br />

israel ge bo ren, litten un ter psychischen<br />

Erkran kungen und sei en überwiegend<br />

weiblich, heißt es laut ‘Jerusalem Post’.<br />

Anlässlich des Welt-AiDS-Tages sollen<br />

in diesem Jahr alle Soldaten kostenlos<br />

eine Broschüre mit informationen über<br />

AiDS erhalten. Zudem sollen 30.000<br />

Kondome an die militärangehörigen<br />

verteilt werden. Eine kürzlich durchgeführte<br />

Umfrage unter 500 israelis<br />

hat te ergeben, dass nur knapp 25% der<br />

männer Kondome beim Ge schlechts -<br />

verkehr mit verschiedenen Partnern<br />

benutzten.<br />

Laut Angaben der Weltgesundheits -<br />

or gani sation (WHO) sank die Zahl der<br />

weltweiten neuinfektionen seit 2001<br />

um 17%auf derzeit 2,7 mio. men schen.<br />

Damit leben insgesamt rd. 33,4 mio.<br />

menschen mit dem AiDS-Virus. inn<br />

160 Jahre Leopoldstadt<br />

Sonderausstellung im Bezirksmuseum<br />

im Bezirksmuseum Leopoldstadt wird von 17. <strong>Januar</strong> bis<br />

16. Juni die Sonderaus stellung „160 Jahre 2. Bezirk“ ge -<br />

zeigt. Fotografien, modelle und andere Schau stücke er -<br />

möglichen den Besucherinnen und Besuchern einen umfassenden<br />

Rück blick auf die Leopoldstädter Bezirkshistorie.<br />

historische exponate, modelle, schriftstücke und filme<br />

Gemäß den Festlegungen in der „Gemeindeordnung 1850“<br />

wurde die damalige Stadt mit zahlreichen Vorstädten vereint<br />

und das neu geschaffene Verwaltungsgebiet in acht<br />

Bezirke gegliedert. Die Exponate reichen von der antiquierten<br />

Kopf be de c kung eines Polizeibeamten bis zu einer<br />

Straßenbahn im Kleinformat und offiziellen Amtsketten früherer<br />

Bezirksvorsteher. Das ehrenamtlich tä tige museumsteam hat eine beachtenswerte<br />

„Zeitchronik der letzten 160 Jahre“ er stellt.<br />

Die museumsbesucherinnen und museumsbesucher können verschiedenste mo -<br />

del le - unter anderem von der Wehranlage und dem Gebäude der Pensions ver si -<br />

cherungsanstalt - sowie zwei Filme sehen. neben einem Streifen über Fortschritte<br />

im öffentlichen Verkehr im 2. Bezirk („Von der Pferdetramway bis zur U2“) wird<br />

im Rahmen dieser Ausstellung erstmalig der Bezirksfilm „Leopoldstadt“ vorgeführt.<br />

Die Gestalter der Schau haben sich besonders der Schwerpunkte „Donau“,<br />

„Weltausstellung“ sowie „Persönlichkeiten im Bezirk“ angenommen.<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770 37


KULTUR • FILM<br />

Filmproduzentin Philippa Ko wars ky<br />

KULTUR<br />

Mit humorvollen, selbstkritischen und<br />

professionellen Dokumentar- und Spiel -<br />

filmen machen israelische Produktionen<br />

immer mehr Furore auf internationalen<br />

Festiv<strong>als</strong> und sind dadurch gut im Ge -<br />

schäft<br />

VON MARTA S. HALPERT<br />

Einen aufstrebenden Wirtschafts zweig<br />

vermutet man hier keinesfalls. in der<br />

Levontin Straße am südlichen Ende<br />

von Tel Aviv, knapp vor Jaffo, erin nert<br />

vieles an die Atmosphäre auf der new<br />

Yorker Lower East Side: Ein Textilge -<br />

schäft reiht sich ans andere, die bunte<br />

meterware ist bis zur Decke aufgestapelt.<br />

Die riesigen Stoffballen hinter<br />

den Glasscheiben haben ihre stolzen<br />

Far ben längst an die kräftigen Son nen -<br />

strahlen verloren. Das material wirkt<br />

ähnlich altersschwach wie die Häuser<br />

aus der Tel Aviver Gründerzeit.<br />

Dennoch siedeln sich hier, wo die<br />

mieten günstiger sind, junge Start-up<br />

Firmen an. Und hier befindet sich auch<br />

Der israelische Film<br />

im Scheinwerferlicht<br />

das Hauptquartier der erfolgreichsten<br />

Filmproduzentin israels: Philippa Ko -<br />

wars ky. Ab 1993, gleich nach ihrem<br />

m.A. Abschluss in Kommunika tions -<br />

wis senschaften an der City Universi ty<br />

of London, begann sie auf den verschiedensten<br />

Gebieten in der Filmund<br />

Fernsehindustrie zu arbeiten: Pro -<br />

duktion, Entwicklung und Verkauf in -<br />

teressierten sie gleichermaßen. „Ich war<br />

so fasziniert von der gesamten Materie,<br />

von der Möglichkeit Filmemacher bei in -<br />

ternationalen Festiv<strong>als</strong> zu treffen und mit<br />

ihnen gute Drehbücher zu verwirklichen,<br />

dass ich 1997 Cinephil gegründet habe“,<br />

erzählt Kowarsky im interview mit der<br />

‘Gemeinde’. Cinephil vertreibt heute<br />

weltweit Verleihrechte für internationale,<br />

israelische und palästinensische<br />

Filme und hat sich zum führenden Ver -<br />

trieb für renommierte Produzenten<br />

und anerkannte Drehbuchautoren<br />

und Regisseure entwickelt.<br />

Am 22. <strong>Januar</strong> startete in den österreichischen<br />

Kinos der von Dänemark,<br />

den USA, israel und Österreich ge -<br />

mein sam produzierte 93-minuten-Do -<br />

kumentarfilm „Defamation“, der eine<br />

ganze Reihe von angesehnen Preisen<br />

eingeheimst hat: unter anderem bei<br />

der Berlinale, in montreal, madrid,<br />

Florenz, Kopenhagen, London und<br />

War schau. mit rund zwanzig mitar -<br />

bei tern bereist Philippa Kowarsky das<br />

ganze Jahr alle internationalen Film -<br />

festiv<strong>als</strong>, sowohl für Spiel- <strong>als</strong> auch<br />

für Dokumentarfilme. „Wir sind ständig<br />

auf der Suche, in der englischen Fach -<br />

sprache scouting genannt, sowohl nach<br />

fertigen internationalen Produktionen, die<br />

wir verleihen wollen, <strong>als</strong> auch nach jun-<br />

38 <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770


KULTUR • FILM<br />

gen aufstrebenden Drehbuchautoren und<br />

kreativen Film-Neulingen.“ in der Zwi -<br />

schen zeit ist Cinephil zu einem der<br />

begehrtesten Koproduzenten von<br />

wich tigen TV-Sendern wie ARTE, 3Sat,<br />

ORF, WDR (und weiteren ARD-Regi o -<br />

n<strong>als</strong>endern) sowie dem ZDF geworden.<br />

Aber auch die englische BBC so -<br />

wie kanadische und australische Un -<br />

ter nehmen suchen die Kooperation<br />

mit Cinephil.<br />

Wie entstand der Boom des<br />

israelischen Films?<br />

Worauf führt die Produzentin diesen<br />

internationalen Erfolg des israelischen<br />

Films in den letzten Jahren zurück?<br />

„Das beruht auf einigen sehr positiven<br />

Entwicklungen“, erklärt Kowarsky.<br />

„Erstens hat Israel seit den frühen 90-er<br />

Jahren eine Reihe von sehr guten Film aka -<br />

demien und Ausbildungsstätten geschaffen.<br />

Von dort kommt das große Potential<br />

an guten Leuten. Das motiviert natürlich<br />

auch Investoren sich an diversen Projek ten<br />

zu beteiligen. Und zweitens hat sich durch<br />

die erfolgreiche TV-Kommerzialisierung<br />

und das Kabelfernsehen ein neuer Markt<br />

für den israelischen Film allgemein aufgetan.“<br />

Besonders stolz ist Philippa<br />

Kowarsky auf den Umstand, dass es<br />

sich bei den interessenten nicht nur<br />

um Amerikaner, sondern verstärkt<br />

auch um europäische und fernöstliche<br />

Käufer handelt.<br />

Beruht die nachfrage in den USA –<br />

und insbesondere jene in Hollywood<br />

– auf einem gewissen positiven Sen ti -<br />

ment für israel? Sind die jüdischen<br />

Einkäufer eventuell davon beeinflusst,<br />

dass es sich um Produktionen<br />

aus dem jüdischen Staat handelt? Die -<br />

ses Ansinnen weist die Geschäftsfrau<br />

heftig zurück: „Nein, sicher nicht, wenn<br />

es um dieses beinharte Geschäft geht. Die<br />

israelischen Filme sind zu einer internationalen<br />

Qualität gereift und alles ist einfach<br />

viel professioneller geworden. Erst<br />

jüngst sagte mir ein Filmexperte in New<br />

York, dass bei unseren Angeboten alles ge -<br />

nau so passen müsste, wie aus jedem an -<br />

deren Land ‘Business has to work’, war<br />

seine klare Aussage!“<br />

Und auch wenn ihr Herz mehr für die<br />

qualitativ-anspruchsvollen und oft<br />

auch kritischen Dokumentarfilme<br />

schlägt, weiß Kowarsky die Trag wei te<br />

und den Effekt international erfolgreicher<br />

Filmproduktionen richtig einzuschätzen:<br />

„Waltzing with Bashir“,<br />

„The Visit of the Band“ oder die Ver -<br />

filmung des Bestseller-Romans von<br />

Zeruya Sha lev „Liebesleben“ haben<br />

vie le positive impulse gegeben. mit<br />

der arabischen israelin Suha Arraf, die<br />

den palästinensisch-israelischen Kon -<br />

flikt in ihrem Drehbuch zu dem Film<br />

„Lemon Tree“ be handelt hat, ko-produziert<br />

Cinephil jetzt mit der ARD ei -<br />

nen neuen Film über „The Women of<br />

Hamas“ und ebenfalls mit der ARD<br />

den Streifen „Hitlers Children.“<br />

Exklusiv-Verträge mit anerkannten is -<br />

raelischen Regisseuren wie Amos Gitai,<br />

Yoav Shamir, Hanoch Zeevi, Yaron<br />

Zilberman und David Ofek ermöglichen<br />

Kowarsky viele außergewöhnliche<br />

Produktionen zu gestalten. „Bei<br />

den internationalen Filmfestspielen, die<br />

wir regelmäßig besuchen, können wir mehr<br />

<strong>als</strong> eine Schiene unserer Aktivitäten be die -<br />

nen. Wir hören uns einerseits verschiedenste<br />

Ideen und Vorschläge zu Filmen an<br />

und entscheiden dann, ob sie ausbaufähig<br />

sind. Andererseits sehen wir dort Filme,<br />

für die wir selbst Marketingstrategien ent -<br />

wickeln und deren Verleih und Verkauf<br />

wir in der Folge übernehmen.“ Als<br />

besondere Auszeichnung für die lo ka -<br />

le Filmindustrie sieht Kowarsky den<br />

Umstand, dass internationale, fi nanz -<br />

kräftige Produzenten oft ein Re ma ke<br />

ei nes israelischen Films ma chen: „Sie<br />

finden die story so gut, dass sie die Rechte<br />

kaufen und eine englisch- oder deutschsprachige<br />

Version mit berühmten Schau -<br />

spie lern und größerem Aufwand dre hen.“<br />

Von Veit Harlans Jud Süß bis zum<br />

Wettbewerb der Muezzine<br />

Die Bandbreite jener Produktionen,<br />

die Cinephil anbietet, ist vielfältig in<br />

der Thematik und höchst spannend<br />

in der Ausführung, teilweise sind sie<br />

auch von gesellschaftspolitischer Bri -<br />

sanz. Hier drei Beispiele aus der grossen<br />

Auswahl: „Harlan, im Schatten von<br />

Jud Süß“ ist ein Film des deutschen<br />

His torikers Felix Moeller, der auch<br />

eine Biographie von Hitlers Propa gan -<br />

da mi nister Joseph Goebbels verfasst<br />

hat. in seinem 100-minuten Kinodo ku -<br />

men tarfilm widmet er sich diesmal<br />

Veit Harlan, dem meisterregisseur in<br />

den Diensten von Goebbels, der mit<br />

„Jud Süß“ einen der schändlichsten<br />

antisemitischen Hetzfilme der nS-Zeit<br />

schuf. Als ebenso besessener wie<br />

begabter Künstler ist Veit Harlan die<br />

schillernd ste Figur des nazi-Films ne -<br />

ben Leni Riefenstahl. „Vielen jungen<br />

Men schen sagt heute der Name Veit Har -<br />

lan nichts mehr. Aber Leni Riefenstahl ist<br />

<strong>als</strong> Sinn bild jener Zeit präsenter und so<br />

kann man seine Geschichte gut vermitteln“,<br />

meint auch Kowarsky. Harlans<br />

„Jud Süß“ haben millionen Deutsche<br />

und andere Europäer gesehen, er präg -<br />

te die Vorurteile unzähliger Zuschau er.<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg wurde<br />

Veit Harlan für seinen Film „Jud Süß“<br />

zweimal wegen Verbrechen gegen die<br />

menschlichkeit angeklagt – und bei de<br />

male freigesprochen.<br />

Der Film er zählt die Geschichte des<br />

um strittenen Re gis seurs und wie sich<br />

seine Kinder und Enkel bis heute mit<br />

der Person und den Filmen auseinandersetzen.<br />

Sein ältester Sohn Tho -<br />

mas und seine Töchter maria und Su -<br />

sanne erlebten zwei Prozesse gegen<br />

den Vater, aber auch, wie er scheinbar<br />

ungebrochen weiter Filme in der jungen<br />

Bundesre publik drehte. ihre Re -<br />

ak tionen darauf fielen – zerrissen<br />

zwi schen Vaterliebe und Abrechnung<br />

– teilweise extrem aus.<br />

Veit Harlan polarisierte die Gesell -<br />

schaft der 50er Jahre. War er nazi?<br />

War er Antisemit? Ein „mordinstru -<br />

ment“ nannte Thomas Harlan den<br />

Film“Jud Süß“ und brach mit dem Va -<br />

ter – zu einer Versöhnung kam es erst<br />

auf dem Totenbett. Seine Schwester<br />

maria wollte nach dem Krieg Schau -<br />

spie lerin werden und musste den na -<br />

men Harlan ablegen, weil sie sonst<br />

kei ne Engagements bekommen hätte.<br />

Gemeinsam litten sie unter dem<br />

schänd lichen Erbe – aber auch tiefe<br />

Risse in der Familie werden sichtbar,<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770 39


INTERNATIONAL FILM FESTIVAL<br />

Documentary Competition<br />

Documentary Competition<br />

Documentary Competition<br />

KULTUR • FILM<br />

wie damit umzugehen sei und ob man<br />

den Vater öffentlich kritisieren dürfe.<br />

Bis hin zu Veit Harlans nichte Chris -<br />

tia ne, Witwe des legendären Regis -<br />

seurs Stanley Kubrick, reicht diese ver -<br />

zweigte Familie. Enkelin Jessica Ja -<br />

coby – der eine Großvater war Veit<br />

Har lan, der andere ein im Holocaust<br />

ermordeter jüdischer Kaufmann – ver -<br />

körpert wie keine andere die Spal tung<br />

deutscher Familien in Opfer und Tä ter.<br />

44 th<br />

KARLOVY VARY<br />

15 th<br />

SARAJEVO<br />

FILM FESTIVAL<br />

8 th<br />

DOKUFEST PRIZREN<br />

Was bedeutet Antisemitismus heute,<br />

zwei Generationen nach dem Holo -<br />

caust? Bei seiner kontinuierlichen Er -<br />

forschung des modernen Lebens der<br />

israeli bereist Regisseur Yoav Shamir<br />

(„Checkpoint“, „5 Days“, „Flipping<br />

Out“) die Welt, sucht nach den momuezzin<br />

A film by Sebastian Brameshuber<br />

Produced by Sebastian Brameshuber, KGP Kranzelbinder Gabriele Production, David Bohun Written & Directed by Sebastian Brameshuber<br />

Cinematography Govinda Van Maele Sound Marco Zinz Editing Gökçe nce www.muezzindocumentary.com www.kgp.co.at<br />

Sebastian Brameshuber, 1981 in Ober ös -<br />

terreich geboren, studierte in Salz burg<br />

und schaffte es in den Cinephil-Ver leih<br />

und zu den Dokufestiv<strong>als</strong> in Kar lovy<br />

Vary (Tschechien) und Sara je vo <strong>als</strong> Re -<br />

gisseur und Koproduzent des inde -<br />

pen dentfilms* „muezzin“.<br />

mit viel Humor und Feingefühl drehte<br />

er in der Türkei die erheiternde Ge -<br />

schichte des landesweiten Wett be -<br />

werbs um den Titel des „besten mu -<br />

ez zins“ seiner Heimat. Wie kommt es,<br />

dass ein junger Wiener Filmemacher<br />

sich den islamischen Gebetsruf zum<br />

Thema seines ersten Doku men tar films<br />

macht? „Ich bin über den HipHop auf<br />

den Klang des islamischen Gebetsruf aufmerksam<br />

geworden. Er hat mich vor al lem<br />

aus einem musikalischen Interesse heraus<br />

fasziniert,“ erläutert Brameshuber. „Ge -<br />

rade in der Türkei ist ein sehr komplexes<br />

musikalisches Verständnis dahinter. Bei<br />

meinem ersten Istanbul-Aufenthalt hab ich<br />

dann einen Muezzin getroffen, der mir nä -<br />

her über seinen Beruf erzählt hat. Da m<strong>als</strong><br />

erfuhr ich von den Muezzin-Wettbewer -<br />

ben, und damit waren bei mir die nötigen<br />

Schalter umgelegt, dass das ein Thema<br />

für einen Film sein könnte.“<br />

„The Judge“ („Der Richter“) heißt das<br />

berührende und eindrucksvolle Por trät<br />

des ehemaligen Präsidenten des is ra e -<br />

lischen Verfassungsgerichtshofs, Aha -<br />

ron Barak. „Viele sind überzeugt, dass es<br />

das Verdienst von Barak war und ist,<br />

dass Israel <strong>als</strong> westliche Demokratie und<br />

funktionierender Rechtsstaat international<br />

angesehen und anerkannt ist“, zeigt sich<br />

Philippa Kowarsky überzeugt. nur<br />

durch sein entschiedenes Auftre ten<br />

gegen die Gefahren der in to leranz, der<br />

Xenophobia und durch die Be wah rung<br />

des Ausgleichs zwischen is raels Rech -<br />

ten <strong>als</strong> Staat und den Ver pflichtungen<br />

<strong>als</strong> ernstzunehmende De mokratie, ha be<br />

er oft kontroversielle Entscheidungen<br />

getroffen und so dieses Ansehen ge -<br />

wahrt. „Als Überlebender der Shoah fiel<br />

es ihm sicher nicht leicht, beim Prozess ge -<br />

gen Demja nuk („Ivan der Schreckliche“)<br />

im Zweifel für den Ange klag ten zu entscheiden“,<br />

ist Ko warsky überzeugt.<br />

Bei der „Viennale“ in Wien war erst<br />

kürz lich ein Film von Cinephil zu se -<br />

hen: „Watermarks“ („Hakoah Li schot“)<br />

die Geschichte von sieben Frau en, mei -<br />

sterschwimmerinnen des jüdischen<br />

Sportklubs Hakoah im Wien vor dem<br />

Zweiten Weltkrieg. Sechzig Jahre später<br />

kehren sie, die über drei Kon ti -<br />

nente verstreut lebten, gemeinsam für<br />

eine Woche nach Wien zu rück, auf An -<br />

regung des Filmemachers und um den<br />

Spuren ihrer Jugend, ihrer Erinne run -<br />

gen und ihrer Zusammen ge hörigkeit<br />

zu folgen. Der Film be rich tet auch vom<br />

Sportklub Hakoah, der bis zu seiner<br />

Zwangsauflösung 1938 einer der<br />

größten Europas war.<br />

Wie umgehen mit Antisemitismus<br />

heu te?<br />

„Defamation“, der mehrfach ausgezeichnete<br />

Dokumentarfilm, der am 22.<br />

<strong>Januar</strong> österreichweit startete, be ginnt<br />

<strong>als</strong> eine Reportage gegen Antisemitis -<br />

mus und über menschen, die es sich<br />

zur Aufgabe gemacht haben, Antise -<br />

mi tis mus weltweit aufzudecken und<br />

ihn zu bekämpfen. Dazu zählt die An -<br />

ti-Defamation League (ADL) in new<br />

York mit seinem umtriebigen Chef,<br />

Abe Foxman, an der Spitze. im Zu ge<br />

seiner Arbeit an diesem Film entdeckt<br />

der Regisseur Yoav Shamir allerdings,<br />

dass ein Bestehen auf den Antise mi tis -<br />

mus auch ein lukratives Ge schäft sein<br />

kann. Der zweite, vermutlich noch dra -<br />

matischere Aspekt, den Shamir in seinem<br />

Film aufdeckt, ist die systematische<br />

indoktrinierung junger men schen<br />

in israel, denen beigebracht wird, dass<br />

die ganze Welt Ju den hasst, und dass<br />

die einzige mög lichkeit, sich <strong>als</strong> israe li<br />

zu definieren, über diesen weltweiten<br />

Hass ist. „Es ist erschütternd zu sehen,<br />

wie sich die jun gen Israelis im heutigen<br />

Krakau in ihren Hotelzimmern einsperren<br />

und nicht auf die Straße trauen, weil<br />

‚alle Polen, alle Ju den hassen’. So wird es<br />

ihnen jedenfalls eingebläut,“ entsetzt sich<br />

Kowarsky. „Defamation“ befasst sich<br />

mit der nut zung und der Produktion<br />

dieser Art negativer Stereotypen.<br />

40 <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770


KULTUR • FILM<br />

dernsten Erscheinungsformen des „äl-<br />

testen Hasses“ und findet einige alarmierende<br />

Antworten auf diese Fra ge.<br />

Er begleitet amerikanisch-jüdische<br />

Ak tivisten in europäische Haupt städ -<br />

te bei ihrer mission, die Regierungen<br />

vor der wachsenden Gefahr des Anti -<br />

se mitismus zu warnen, und er heftet<br />

sich an die Fersen einer israelischen<br />

Schulklasse bei ihrer Gedenkfahrt<br />

nach Auschwitz. Auf seiner Reise<br />

trifft Shamir auch den kontroversiellen<br />

US-Historiker norman Finkel stein,<br />

der seine unpopulären Ansichten<br />

verbreitet, dass der Antisemitismus<br />

von der jüdischen Gemeinschaft und<br />

im Besonderen von israel, benützt<br />

wird, um politisch zu punkten. Sha mir<br />

spricht auch mit Stephen m. Walt und<br />

John J. mearsheimer, nach ihrem Vor -<br />

trag in israel, die nach dem Er schei -<br />

nen ihres Buches „Die israel-Lobby<br />

und die amerikanische Außen politik“<br />

über den unausgeglichenen Einfluss,<br />

den die israel-Lobby in Wa shington<br />

genießt, scharf angegriffen werden.<br />

Der Film stellt unsere Ansichten und<br />

Terminologie in Frage, wenn ein Vor -<br />

fall von einigen <strong>als</strong> antisemitisch be -<br />

schrieben wird und von anderen <strong>als</strong><br />

legitime Kritik an der israelischen Po l i -<br />

tik. „Defamation“ ist eine aufregende<br />

politische Reportage, die noch für viel<br />

Diskussionsstoff sorgen wird.<br />

Philippa Kowarsky scheut kein politisch<br />

heißes Eisen, nimmt aber in ihre<br />

Produktionspalette auch gerne literarisch<br />

hochwertige Arbeiten auf, wie<br />

zum Beispiel jene von den berühmten<br />

Autoren Amos Oz („The nature of<br />

Dreams“ basierend auf seiner Auto bi -<br />

o graphie) und David Grossman („So-<br />

me one to Run With/Wohin du mich<br />

führst“, eine Koproduktion mit An -<br />

drew Braunsberg aus Wien). Als Ge -<br />

schichtenerzählerin passt Philippa<br />

Kowarsky vielleicht doch gut in das<br />

alte Tel Aviver Textilviertel, denn sie<br />

fasziniert mit jenen Stoffen, aus de -<br />

nen menschliche Schicksale mit ihren<br />

Webfehlern gestrickt sind.<br />

* Independentfilme sind zumeist „kleine“ Filme: Sie<br />

sind mit geringem Geldeinsatz und oft unter ho -<br />

hem Zeitdruck hergestellt, dafür gehen sie kreativ mit<br />

ihren Ge schich ten um ohne den Holly wood-Erzähl -<br />

mus tern zu folgen. Er entstand aus einer Un zu -<br />

friedenheit einiger Filmemacher, die sich von den<br />

großen US-Studios zu sehr ge gän gelt fühlten und<br />

die ihre künstlerischen Ideen verwirklicht se hen wollten.<br />

Sie mach ten sich auf die Suche nach anderen Fi -<br />

nan ziers und anderen Distribu ti ons we gen, um<br />

ihre Filme produzieren zu können.<br />

DIE 10 BESTEN ISRAELISCHEN FILME<br />

DES JAHRZEHNTS<br />

Yossi & Jagger (2002) - Der Film erzählt, basierend auf einer wahren Ge schich te,<br />

vom Überleben junger Leute in einer unmöglichen Welt. Eine Liebesgeschichte in -<br />

ner halb der israelischen Ar mee. Das wäre an sich nichts Aussergewöhnliches,<br />

handelte es sich dabei nicht um den Zugführer und dessen Korporal, die ihre hefti ge<br />

Affäre vor allen geheimhal ten müssen.<br />

Campfire (2004) - Alleinstehende Frauen haben es schwer. Vor einem Jahr ist der<br />

Ehemann von Rachel, einer Frau Anfang 40, gestorben, und sie ist mit ihren beiden<br />

Töchtern Tami und Esti allein. Der Film erzählt von Rachels Plan mit beiden aus<br />

der Stadt fortzuziehen und ihrer Be wer bung um Aufnahme in eine Siedlung. Aber<br />

die religi ö se Siedlung will keine unverheiratete Frau – zu problematisch – und so<br />

schlägt man ihr vor, sich mit möglichen Partnern zu treffen.<br />

Die syrische Braut (2004) - Monas Hochzeitstag wird der bewegendste Tag ih res<br />

Le bens sein: sie lebt mit ihrer Familie in dem von Israel besetzten Teil der Golan hö -<br />

hen und heiratet auf „die an de re Seite der Grenze“ nach Syrien. Der Bräutigam ist ein<br />

entfernter Verwandter, der syrische TV-Star Tallel. Sobald Mona jedoch nach Syrien<br />

eingereist ist, wird sie israelisches Territorium nicht mehr betreten können. Das heißt,<br />

sie muss sich an diesem Tag für immer von ihrer geliebten Familie verabschieden.<br />

Turn left at the End of the World (2004) - 1969 treffen in einer kleiner Stadt in<br />

der israelischen Wüste indische auf marokkanische Einwanderer. Es kommt zu ko -<br />

mi schen Szenen, wenn alte Feinde kulturelle Minenfelder überwinden und zwei<br />

Teenager das entdecken, was wir <strong>als</strong> die sexuelle Revolution der Sechziger kennen.<br />

Sweet Mud (2006) - Dviri wächst in den 1970er Jahren mit seiner verwitweten<br />

Mut ter Miri in einem Kibbuz auf, wo sich die Gemeinschaft zwar um das Wohl des<br />

Jungen und die psychisch kranke Miri kümmert, aber auch rigid ihre Regeln durchsetzt.<br />

Der Junge entzieht sich daher immer wieder der sozialen Kontrolle. Der<br />

Besuch von Miris extravagantem Geliebten aus der Schweiz hellt für einige Tage de -<br />

ren Gemüt auf und bringt neuen Schwung in die starr gewordene Gemeinschaft.<br />

Da nach der überstürzten Abreise des Besuchers die junge Mutter wieder in De pres -<br />

sionen versinkt, sucht Dviri ihr mittels eines Tricks wieder Hoffnung zu geben. Da bei<br />

erfährt er endlich die Wahr heit über den Tod seines Vaters.<br />

Die Band von Nebenan (2007) - Ein ägyptisches Polizeiorchester unter der<br />

Leitung von "General" Tawfiq folgt der Ein ladung eines arabischen Kulturzen trums<br />

in Israel, um an dessen Einweihungs fe ier zu musizieren. Erste große Ernüch te rung<br />

macht sich nach Ankunft am Flughafen breit, <strong>als</strong> dort weder ein Empfangs ko mitee<br />

noch ein Chauffeur bereitstehen. Was tun? Auskennen tut sich niemand, die<br />

Englischkenntnisse sind mangelhaft, die Rat lo sig keit hingegen ist gross.<br />

Beaufort (2007) - Wir schreiben das Jahr 2000. Der erst 22-jährige Liraz ist<br />

Komm andeur des israeli schen Militärstützpunktes Beaufort im Libanon. Seit dem<br />

Libanonkrieg 1982 ist diese auf einem strategisch äußerst wichtigen Berg liegende<br />

alte Kreuzfahrerfestung unter israelischer Kontrolle. Da sich Israel aber aus<br />

dem Libanon zurückzieht, wird auch Beaufort <strong>als</strong> Militärstützpunkt nicht mehr<br />

lange bestehen.<br />

Jellyfish (2007) - Die Serviertochter Batya führt ein eher gleichgültiges Leben. Ihr<br />

Freund zieht Lei ne, der Vermieter kümmert sich nicht die Bohne um den Wasser fleck<br />

an der Decke und der piesackende Boss an den Hochzeiten, bei denen sie im Cate -<br />

ring mithilft, kann ihr eigentlich gestohlen bleiben. Bis ihr am Strand von Tel Aviv ein<br />

scheinbar stum mes Mädchen zuläuft, das außer einem Schwimmring keine weite ren<br />

Habselig kei ten hat.<br />

Waltz with Bashir (2008) - Als ihm ein Freund aus alten Tagen in einer Bar von<br />

sei nem wiederkehrenden Albtraum erzählt, in dem er jede Nacht von 26 wilden<br />

Hunden gehetzt wird, ver mu tet der Regisseur Ari eine Verbindung zu den gemeinsamen<br />

Einsätzen im ers ten Libanon-Krieg zu Beginn der 80er Jahre. Denn zu seiner<br />

Verwunderung kann auch Ari sich nur schlecht an die Erlebnisse aus dieser Zeit<br />

erinnern. Er ent schliesst sich deshalb, alte Kameraden auf der ganzen Welt aufzusuchen,<br />

um mittels Gesprächen hin ter das Geheimnis dieser Epoche und seiner persönlichen<br />

Involvierung darin zu kom men. Je tiefer Ari in den Erinne rungen buddelt,<br />

desto surrealer werden die Bilder, die rund um seinen Einsatz <strong>als</strong> Soldat zum Vor -<br />

schein kommen.<br />

Libanon (2009) - Der erste Libanonkrieg im Jahr 1982: Vier junge israelische Sol -<br />

daten sind in einem Panzer unterwegs um eine feindliche Stadt zu suchen, die<br />

zuvor schon von der israe lischen Luftwaffe bom bardiert worden ist. Kommandant<br />

Assi, Kanonier Shmulik, Lader Hertzel und Fahrer Yigal, alle erst um die 20 Jahre<br />

alt, sind kei ne ausgebildeten Kampfmaschinen, sondern normale junge Män ner,<br />

die unvermittelt für diesen Krieg aufgeboten wurden.<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> -<br />

Tewet/Schwat 5770 41


KULTUR • INLAND<br />

An den österreichischen Unis gärt es.<br />

Über füllte Hörsäle, schlechte Betreu ungs -<br />

verhältnisse und viel zu niedrige finanzi el -<br />

le Ausstattung sind das eine. Zuneh mend<br />

machen Studierende – und Lehrende –<br />

aber auch gegen die fortschreitende Ver -<br />

schulung der Unis mobil. Es scheint, <strong>als</strong><br />

sollten junge Menschen bloß noch für das<br />

Funktionieren auf dem Arbeitsmarkt fit<br />

gemacht werden. Kritisches Denken, Hin -<br />

terfragen, Selbstorganisation bleiben da -<br />

bei auf der Strecke. Leistet man damit ei -<br />

nen guten Dienst für die Gesellschaft? Wie<br />

kann, wenn dies nötig wird, der viel be -<br />

schworene zivile Ungehorsam entstehen,<br />

wenn junge Leute dazu erzogen wer den,<br />

kritiklos Wissen in ihre Köpfe zu stop fen?<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

„Ich kenne persönlich nichts anderes <strong>als</strong><br />

das Bachelorstudium. Ich weiß nur, dass<br />

es nicht das Studium ist, von dem mir alle<br />

erzählt haben, sondern ein Studium, das<br />

wie in der Schule – nur mit Massenvor le -<br />

sun gen – durchgezogen wird und keine<br />

persönlichen Freiräume lässt“, bedauert<br />

Julian Schmid. Der 20-Jährige studiert<br />

an der Universität Wien Politik wis -<br />

senschaft und Volkswirtschaft. Sein<br />

Fazit: „Der Bachelor ist wie eine Zwangs -<br />

jacke für bildungshungrige Leute.“<br />

Was aber ist das Bachelorstudium?<br />

Sei wann gibt es diese Studienform,<br />

wie unterscheidet sie sich vom bisherigen<br />

Diplomstudium, das mit dem<br />

aka demischen Grad magister beendet<br />

wurde? 1999 beschlossen die mi -<br />

nister von 29 europäischen Staaten in<br />

Bologna die größte Unireform in der<br />

eu ropäischen Geschichte. Das Ziel: bis<br />

<strong>2010</strong> sollten die mittlerweile 45 teilnehmenden<br />

Länder ihre alten Uni struk tu -<br />

ren abschaffen, um einen gemeinsamen<br />

Hochschulraum zu schaffen. Ge lin gen<br />

sollte das mit vergleichbaren Ab schlüs -<br />

sen und Rahmenbedingun gen, die<br />

eine hohe Studierendenmo bi lität er -<br />

lauben.<br />

Für Österreich bedeutet das: das bisherige<br />

System, wonach man zunächst<br />

ein Diplomstudium absolviert, das mit<br />

den Titeln magister oder Diplom inge -<br />

nieur abschließt, und danach ein Dok -<br />

to ratsstudium anschließt, wurde sukzessive<br />

auf die neue Studienarchitek tur<br />

umgestellt. nun belegt man zunächst<br />

ein Bachelorstudium (meist sechs Se -<br />

mester), danach ein masterstudium<br />

(meist vier Semester) und schließlich<br />

ein PhD-Studium. Der Abschluss<br />

Die Zwangsjacke Bologna-Architektur<br />

mas ter entspricht dem bisherigen ma -<br />

gister, PhD dem bisherigen Doktorat.<br />

Der Bachelor-Abschluss ist neu und<br />

für all jene gedacht, die keine wissenschaftliche<br />

Laufbahn einschlagen wol -<br />

len und soll vor allem eines bringen:<br />

ein kompaktes Studium, das in absehbarer<br />

Zeit zu absolvieren ist. Stei gen<br />

soll so auch die Akademiker quo te.<br />

nur spießt es sich hier zu Lande hinten<br />

und vorne. Problem eins: der Abs -<br />

chluss wird gesellschaftlich kaum an -<br />

er kannt. So veröffentlichte die Arbei -<br />

ter kammer jüngst Umfrageergeb nis se,<br />

wonach 38% der Befragten Bachelors<br />

keine guten Berufschancen einräumten.<br />

Rund ein Viertel traute sich kein<br />

Urteil zu. mehr <strong>als</strong> 40% konnten mit<br />

den Titeln Bachelor und master nichts<br />

anfangen. Die Konsequenz: 87% der<br />

bisherigen Bachelor-Absolventen ha -<br />

ben unmittelbar danach ein master-<br />

Stu dium angeschlossen. Damit wur -<br />

de die Studiendauer nicht verkürzt,<br />

sondern verlängert.<br />

Problem zwei: die Einführung der Ba -<br />

chelor-Studien führte zu einer Verschu<br />

lung der Unis. Was der Student<br />

Julian Schmid kritisiert, ist auch aus<br />

Lehrenden-Kreisen nicht selten zu<br />

hören. Wahrscheinlich ist dies auch mit<br />

ein Grund, warum die studentische<br />

Protestbewegung, die in den vergangenen<br />

monaten österreichweit mit der<br />

Besetzung von Hörsälen – allen voran<br />

des Audimax an der Universität Wien<br />

- auf sich aufmerksam machte, bis<br />

hinauf zu den Uni-Spitzen durchaus<br />

auf Verständnis stieß.<br />

neben einer besseren finanziellen Aus -<br />

stattung der Unis und dem Erhalt des<br />

freien Hochschulzugangs machen die<br />

aufbegehrenden Studenten auch ge gen<br />

den Bachelor mobil: so war bei einem<br />

Demonstrationszug mitte november<br />

auf dem Wiener Ring beispielsweise<br />

ein Transparent mit der Aufschrift<br />

„Wir lassen uns nicht Bakk.en“ zu lesen.<br />

Bakken? in der Anfangsphase der Um -<br />

stellung auf diese so genannte Bolo -<br />

gna-Studienarchitektur wurde in Ös -<br />

terreich das nunmehrige Bachelor-Stu -<br />

dium Bakkalaureatsstudium ge nannt.<br />

Auch das trägt zur Verwirrung bei.<br />

Wie kann man sich diese Verschulung<br />

vorstellen? Gloria Schaupp (25) studiert<br />

an der Universität Wien in ter na tio na le<br />

Entwicklung (ein individuelles Di -<br />

plom studium) und an der Wirt schafts -<br />

universität (WU) Wien Volks wirt schaft<br />

(Bachelorstudium). Sie kennt daher<br />

bei des. ihr Schluss: „Durch die Umstel -<br />

lung auf das Bache lor/Mas ter system wird<br />

den Studierenden viel an Ei genstän dig keit<br />

genommen. So ist es nicht mehr möglich,<br />

freie Wahlfächer zu belegen.“ Außer dem<br />

würden auf Grund der verkürzten<br />

Studiendauer (vergleicht man das<br />

bisherige Diplom stu dium mit dem<br />

nunmehrigen Bache lor studium) die<br />

42 <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770


KULTUR • INLAND<br />

wissenschaftliche vertie fenden Fä cher,<br />

allen voran Seminare, immer mehr<br />

aus dem Studium hinausgedrängt.<br />

Schaupp, die sich an der WU innerhalb<br />

der studentischen Protestbewegung<br />

en gagierte, weiter: „Vielfach erscheint<br />

es so, dass dieses neue System dazu konzipiert<br />

wurde, den Studierenden – in möglichst<br />

kurzer Zeit – Anwendungs kennt -<br />

nisse auf den verschiedenen Gebieten beizubringen<br />

und somit möglichst effizient<br />

ausgebildetes Humankapital an den Ar -<br />

beits markt zu bringen. Während in den<br />

Diplomstudien eine gegenseitige Anre -<br />

chen barkeit der verschiedenen Studien -<br />

rich tungen (über die freien Wahlfächer,<br />

Anm.) möglich war, wird dies im neuen<br />

System unterbunden. Darum lässt sich<br />

meines Erachtens auch der geringe Stel len -<br />

wert trans- beziehungsweise interdisziplinärer<br />

Forschung beziehungsweise Leh -<br />

re ablesen.“ Die Studentin meint zwar,<br />

dass „eine Verschulung nicht notgedrungenerweise<br />

zu weniger kritischen Stu -<br />

dentInnen führt“. Aber: „Bei entsprechend<br />

schwierigen Rahmenbedin gun gen<br />

wie Unterfinanzierung ist dies nahezu un -<br />

umgänglich.“<br />

Agnes Hunyadi (25) studiert an der Uni -<br />

versität Wien Psychologie (Di plom -<br />

studium). Sie ist „froh, dass ich noch eine<br />

Magistra sein werde, denn es wird lange<br />

brauchen, bis sich dieses neue System in<br />

den Köpfen manifestiert hat und ich will<br />

keinerlei Nachteile im Berufsleben ha ben“.<br />

Sie bewertet die neue Studien ar chi tek -<br />

tur <strong>als</strong> „absolut noch nicht ausgereift“.<br />

Und zieht Vergleiche zum Fach hoch -<br />

schul-Sektor. Bisher hätten sich die<br />

beiden Ausbildungssysteme massiv<br />

voneinander unterschieden: „Wäh rend<br />

der ganz spezifischen Fachhoch schul-Aus -<br />

bildung liegt keine Notwendigkeit der<br />

Selbst organisation vor. Somit entsteht<br />

auch kein Druck, man hat immer eine An -<br />

sprech person, die einem sagt, was zu tun<br />

ist, was man zu lernen hat. Es wird ei nem<br />

einfach alles auf dem Präsentierteller vorgelegt.“<br />

An der Uni sei man bisher da -<br />

ge gen auf sich alleine gestellt ge we sen.<br />

Was anfänglich schwer falle, aber<br />

schließ lich die Eigenständigkeit erhöhe.<br />

mit dem Bachelor-System ge he man<br />

aber nun in die Richtung, die an den<br />

Fachhochschulen praktiziert wer de.<br />

„Besonders den Geisteswissenschaften<br />

muss der Raum der Entfaltung gelassen<br />

werden“, appelliert die Studentin an<br />

die Bildungsverantwortlichen. „Und<br />

wenn es vielleicht mal sieben Jahre dauert:<br />

es geht hier um Reifung des Herzens. Es<br />

geht um Wissensanreicherung und Wis -<br />

sens verinnerlichung. Diese Zustände lassen<br />

sich nicht in Zeit messen.“ Denn:<br />

„Was hat es für einen Sinn, schnell, schnell<br />

für einen Multiple Choice-Test zu lernen<br />

und den Inhalt genauso schnell wieder zu<br />

vergessen?“<br />

Gregor Schlump studiert ebenfalls Psy -<br />

chologie – aber an der Uni Klagen -<br />

furt. Der 25-Jährige ist Deutscher und<br />

befindet sich noch in einer Diplomstu<br />

dienordnung. Die stattfindende<br />

Ver schulung ist ihm ein Dorn im Au ge.<br />

„Das Studium in seiner chaotischen Form<br />

ist meiner Meinung nach wichtig, um<br />

einen Menschen zu formen.“ Und: „Ich<br />

denke, dass die Studierenden dadurch, dass<br />

ihnen die Entscheidungsfreiheit abgenommen<br />

wird, in die Unmündigkeit abdriften.<br />

Wird den Studierenden ein fest gelegter<br />

Stundenplan vorgelegt, beschäftigen sie<br />

sich nicht mehr so intensiv mit den angebotenen<br />

Fächern und laufen wie die<br />

Schafe dem Schäfer hinterher.“<br />

in den meisten Studien wurde bereits<br />

auf das neue System umgestellt: doch<br />

manche weigern sich beharrlich. Das<br />

können sie, denn der Vertrag von Bo -<br />

lo gna ist völkerrechtlich nicht bindend.<br />

Die Hochschulen müssen diese<br />

Studienarchitektur <strong>als</strong>o nicht umsetzen.<br />

Allerdings entspricht dies nicht<br />

der intention des Wissenschafts mi nis -<br />

teriums. Und so spießt es sich dann in<br />

den Verhandlungen um die finanzielle<br />

Ausstattung von Studien mit dem<br />

Wis senschaftsressort.<br />

Kämpferisch gibt man sich beispielsweise<br />

an der Akademie der Bil den -<br />

den Künste in Wien. Dort wurde im<br />

Oktober zum „Gener<strong>als</strong>treik“ aufgerufen,<br />

denn, wie es Martina Pfingstl,<br />

Studentin und Senatsmitglied formulierte:<br />

„Eigeninteressen oder Neigungen<br />

zählen nicht mehr, sondern nur die<br />

schein bare Qualifikation aus möglichst<br />

auf den Arbeitsmarkt abgestimmten Stu -<br />

dien – und alles, was nicht ökonomischen<br />

Interessen entspricht, kann dann ja abgeschafft<br />

werden“. Eine Studentin aus dem<br />

Protestbüro, das auch <strong>als</strong> Grup pe „ma-<br />

len nach Zahlen“ auf Face book vertre -<br />

ten ist, betont: „Die zunehmende Ver -<br />

schu lung der Universität kommt gerade<br />

den Gedanken einer Kunsthochschule absolut<br />

nicht entgegen. Gerade Künstler In -<br />

nen müssen ganz frei entscheiden können,<br />

welche Lerninhalte sie für ihre Arbeit <strong>als</strong><br />

wichtig erachten. Durch die Reduzierung<br />

von freien Wahl fächern im Bachelor-Mas -<br />

ter-Programm ist das nicht mehr mög lich.“<br />

Ähnlich sieht man das auch am Rein -<br />

hardt Seminar (Teil der Universi tät<br />

für musik und darstellende Kunst in<br />

Wien). in einer Solidaritätserklärung<br />

mit der studentischen Protestbewe -<br />

gung wurde festgehalten: „Wir lehnen<br />

die <strong>als</strong> ‚Bologna-Prozess‘ umschriebene<br />

Normierung und Aushöhlung der universitären<br />

Studien ab und sprechen uns<br />

gegen die ‚Bologna-Struktur‘ aus.“ Peter<br />

Roessler, Professor am Reinhardt Se mi -<br />

nar, präzisiert: „Wenn Strukturen den<br />

Studierenden keine Vorteile bringen, darf<br />

man sie nicht einfach einführen, nur weil<br />

dies viele tun. Das Studium wird nur<br />

sinnlos gestuft, die viel beschworene<br />

Mobilität ist sogar weniger möglich <strong>als</strong><br />

zu vor, der Grad BA (für Bachelor, Anm.)<br />

wertet das Studium auch äußerlich ab.“<br />

Fazit Roesslers: „Der viel beschworene<br />

‚Geist von Bologna‘ ist eher eine Nebel -<br />

bildung, bei der sich das ‚Geistige‘ ebenso<br />

aufgelöst hat wie das ‚Materielle‘.“<br />

Gegen die Einführung des Bachelor-<br />

Stu diums wehren sich auch die Juris -<br />

ten der Uni Wien. Prominenter Geg -<br />

ner ist etwa der Dekan der Fakultät,<br />

der Verfassungsjurist Heinz Mayer. Er<br />

befindet sich mit seiner Kritik in gu -<br />

ter Gesellschaft. Denn wie er im Zug<br />

der Studentenproteste öffentlich er -<br />

klärte, herrsche an vielen Fakultäten<br />

in unterschiedlicher intensität die<br />

An sicht, dass der Bologna-Prozess zu<br />

einer Verschulung, der Einschrän kung<br />

wissenschaftlicher Freiheit und zu<br />

verminderten Berufsaussichten führe.<br />

Thomas Schmidinger ist Lektor am in -<br />

stitut für Politikwissenschaft der Uni<br />

Wien sowie Vorsitzender der iG ex ter -<br />

ne Lektorinnen und freie Wissen schaf -<br />

terinnen. in dieser Studienrichtung<br />

wurde das Bachelorstudium vor drei<br />

Jahren eingeführt. Und Schmidinger<br />

konstatiert: „Es gibt deutlich weniger<br />

Wahlmöglichkeiten <strong>als</strong> früher. Die Stu -<br />

dierenden können aber immer noch zum<br />

Beispiel zwischen verschiedenen Lektü -<br />

rekursen wählen.“<br />

Die Verschulung färbe jedenfalls auf<br />

das Studierendenverhalten ab, so der<br />

Politikwissenschafter. „Viele lernen<br />

ähnlich wie zuvor im Gymnasium, was<br />

ihnen vorgegeben wird. Selbstständiges<br />

Lernen, Arbeiten oder gar Forschen gibt es<br />

nur mehr bei einer sehr kleinen Min der -<br />

heit sehr engagierter und selbstständiger<br />

Studierender.“ Diese seien es dann auch,<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770 43


KULTUR • INLAND<br />

die Dinge hinterfragen. „Wenn ich mir<br />

die derzeitigen Proteste an der Uni Wien<br />

ansehe, dann ist dies der beste Beweis da für,<br />

dass kritisches Denken nicht ver schwun -<br />

den ist und auch wir Lehrende es immer<br />

noch teilweise schaffen, kritisches Denken<br />

zu fördern. Insgesamt ist die Ten denz zum<br />

bloßen Erlernen vorgegebener In halte<br />

aber dadurch sicher stärker ge wor den.“<br />

Gänzlich anders fällt die Ein schät zung<br />

von Klaus Davidowicz, Professor am<br />

institut für Judaistik der Uni Wien, aus.<br />

Die Judaistik ist seit 2003 nach dem<br />

neuen System organisiert. Allerdings<br />

gibt es – anders <strong>als</strong> in anderen Stu di en -<br />

richtungen – „keinen Stundenplan. Es<br />

gibt natürlich eine Reihe von Lehrveran -<br />

stal tungen, um die man nicht herumkommt,<br />

wie die Sprachkurse und die einführenden<br />

Proseminare, aber bei allen an -<br />

deren gibt es nach wie vor große Frei hei -<br />

ten“. Davidowicz hofft daher auch,<br />

dass sich die Studierenden weiter ver -<br />

tiefen, reines Pauken sei in der Ju dai s -<br />

tik sowieso nicht möglich.<br />

Wolfhard Wegscheider, Rektor der mon -<br />

tanuni Leoben, betont: „Den einheitli -<br />

chen Studienplan für Erstsemes tri ge ha ben<br />

wir schon lange vor dem Bachelor-Sys -<br />

tem an unserer Universität eingerichtet.“<br />

Wahlmöglichkeit gebe es nach wie vor:<br />

„Allein schon mit der Auswahl der Ba che -<br />

lor-Arbeiten können individuelle Schwer -<br />

punkte gesetzt werden.“ Und: ein gutes<br />

Technik-Studium könne so wie so nicht<br />

gepaukt werden. „Ein In genieur, der<br />

nicht versteht, was er tut, ist kein Inge ni -<br />

eur. Das ist ja eigentlich die große He raus -<br />

forderung der technischen Stud i en rich -<br />

tun gen.“<br />

Bei genauerer Betrachtung zeigt sich<br />

demnach, dass die Bedürfnisse der<br />

un terschiedlichen Studienrichtungen<br />

auch sehr verschieden sind. Was für die<br />

eine Disziplin passt (etwa Technik),<br />

passt für die andere nicht (Geistes-<br />

wissenschaften, Kunst). Entscheiden -<br />

des moment dürfte jedenfalls sein,<br />

wie die Bachelor-Studien gestaltet wer -<br />

den. Und hier ortet sogar der bisherige<br />

Wissenschaftsminister Johan nes<br />

Hahn (ÖVP), grundsätzlich Verfech ter<br />

des Bologna-Prozesses, ein Defizit. So<br />

meinte er in einem interview mit „Die<br />

Presse“, er habe aus vielen Ge sprä -<br />

chen Kritik an der Bologna-Architek -<br />

tur herausgehört. „Ich habe daher exem -<br />

plarisch eine Reihe der neuen Stu dien -<br />

pläne anschauen lassen. Manche sind sehr<br />

ordentlich gemacht, etwa an der WU. Aber<br />

bei manchen anderen ist die Kritik der<br />

Studierenden berechtigt.“<br />

Damit schiebt er natürlich die Verant -<br />

wor tung für die Zustände an den Unis<br />

Protest an der Wiener Universität:<br />

„Studieren ist eng inmeiner Box“<br />

einmal mehr von sich weg, hin zu den<br />

Hochschulen. Ein alt bekanntes Spiel.<br />

Die Ausbildung wird das allerdings<br />

nicht verbessern. Wie angespannt die<br />

Lage ist, zeigt sich auch an der weitgehenden<br />

Solidarisierung beziehungsweise<br />

dem Verständnis der Rektoren<br />

und Professoren mit den Anliegen der<br />

studentischen Protestbewegung. So<br />

meint etwa Rektor Wegscheider: „Ich<br />

bin überzeugt, dass die Studierenden den<br />

Anspruch auf angemessene Studienbe din -<br />

gungen haben, und zwar sowohl intellektuell<br />

<strong>als</strong> auch infrastrukturell. Wo das nicht<br />

erfüllt ist, sympathisieren sicher die meisten<br />

Studierenden mit den Protesten.“<br />

Und auf die Frage, ob die neue Stu -<br />

dienarchitektur Akademiker schaff e,<br />

die dann im Job funktionieren, aber<br />

nichts mehr hinterfragen, meint der<br />

Chemiker: „Dieses Problem kann man<br />

schwerlich auf eine ‚Architektur‘ schieben.<br />

Wenn die Betreuungsrelationen miserabel<br />

sind, dann wird sich die Hochschule<br />

auch mit nur reproduzierenden Stu die -<br />

ren den zufrieden geben müssen.“ Triste<br />

Aussichten.<br />

10 JAHRE<br />

Liebe Gemeindemitglieder -<br />

liebe Freunde!<br />

Kommen Sie und genießen Sie<br />

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44 <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770


KULTUR • INLAND<br />

DIE KINDER VON MAISON D`IZIEU<br />

Wanderausstellung konzipiert und kuratiert<br />

von der Gedenkstätte Maison d´I zi eu (Frank reich).<br />

28. JANUAR - 18. FEBRUAR <strong>2010</strong><br />

Hans Mandl Berufsschule - Campus Längen feld<br />

1120 Wien, Längenfeldgasse 13-15 • Mo.-Fr. 8.00 – 20.00 Uhr<br />

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Fon 01 9687266, Email: milli.segal@chello.at, Homepage: www.millisegal.at<br />

WIEN<br />

28. <strong>Januar</strong> – 18. Februar <strong>2010</strong><br />

Hans-Mandl-Berufsschule Längenfeldgasse 13-<br />

15, 1120 Wien<br />

Dir. Dr. Gerhard Bisovsky<br />

(gerhard.bisovsky@meidling.vhs.at)<br />

Mo.-Fr. 8.00 – 20.00 Uhr<br />

22. Februar – 15. März <strong>2010</strong><br />

Berufsschule für Verwaltungsberufe<br />

Castelligasse 9, 1050 Wien<br />

BD Herbert Schiexl, MA (scxl@gmx.at oder<br />

bs05cast009k@m56ssr.wien.at)<br />

Mo.-Fr. 10.00 – 15.00 Uhr<br />

18. März – 9. April <strong>2010</strong><br />

Berufsschule für Gartenbau und Floristik<br />

Donizettiweg 31, 1220 Wien<br />

BD Gerlinde Wenschitz<br />

(gerlinde.wenschitz@bsgf.at)<br />

Mo.- Do. 8.30 – 16.30 Uhr/Fr. 8.30 – 14.30 Uhr<br />

Die Fotoausstellung zeigt die Kinder<br />

und ihre Erzieher in der Zeit ihres<br />

Auf enthaltes in izieu von mai 1943<br />

bis April 1944. Es sind fröhliche Bil -<br />

der, mit fröhlichen Kindern. Das Wis -<br />

sen um ihre grausame Ermordung ist<br />

dadurch noch schmerzvoller.<br />

Das von Sabine und Miron Zlatin ge -<br />

gründete Kinderheim in izieu (80 km<br />

von Lyon entfernt), beherbergte über<br />

einhundert jüdische Kinder verschiedener<br />

nationalitäten deren Eltern be -<br />

reits von den nazis deportiert waren.<br />

Die Kinder hatten durch die Auf nahme<br />

in izieu die Chance der antisemitischen<br />

Verfolgung zunächst zu entkommen.<br />

Am morgen des 6. April 1944 wurden<br />

44 Kinder - sieben davon aus Wien -<br />

und ihre Erzieher, die zu dieser Zeit<br />

im Kinderheim waren, auf Befehl von<br />

Klaus Barbie, dem Leiter der Lyo ner Ge -<br />

stapo, festgenommen und deportiert.<br />

mit Ausnahme von zwei Jugend li chen<br />

und des Direktors Zlatin, die in Reval<br />

(Estland) erschossen wurden, wurde<br />

die Gruppe nach Auschwitz deportiert.<br />

Die einzigen Überlebenden waren ei ne<br />

Erzieherin Lea Feldblum, die das Lager<br />

überlebte und ein Erwachsener, der<br />

während der Razzia fliehen konnte.<br />

Die Kinder und ihre Erzieher wurden<br />

kurz nach ihrer Ankunft vergast.<br />

im Anschluss an den Prozess von<br />

Klaus Barbie in Lyon 1987 (dessen Ver -<br />

haftung nur durch die unermüdliche<br />

initiative von Beate und Serge Klars feld<br />

möglich war) bildete sich am 4. märz<br />

1988 um Sabine Zlatin die Vereini gung<br />

„Musée mémorial des Enfants d´Izieu“.<br />

Diese Vereinigung wurde „zur Erin -<br />

ne rung an die 44 Kinder, ihren Direktor<br />

und ihre Erzieher, die jüdischer Abstam -<br />

mung waren und den Märtyrertod starben<br />

und <strong>als</strong> Zeichen dankbarer Verehrung der<br />

Widerstandskämpfer und Deportierten,<br />

ins besondere aus den Departments Ain,<br />

Isère, Jura, Rhone, Haute-Savoie, Savoie<br />

und Saone-et-Lôire, gegründet.“<br />

Seit 1994 ist das maison d´ izieu eine<br />

Ge denkstätte.<br />

STEIERMARK<br />

14. April – 5. Mai <strong>2010</strong><br />

Landesberufsschule Graz 9<br />

Hans-Brandstetter-Gasse 12, 8010 Graz<br />

Helga Reiter, B.Ed. (HelgaReiter1@gmx.at)<br />

Mo.-Fr. 7.00 – 17.00 Uhr<br />

KÄRNTEN<br />

10. Mai – 28. Mai <strong>2010</strong><br />

Fachberufsschule Klagenfurt 1<br />

Wulfengasse 24, 9020 Klagenfurt<br />

BOL Josef Weber (josef.weber@bs.ksn.at)<br />

Mo.-Fr. 10:00 – 14:00 Uhr<br />

TIROL<br />

7. – 18. Juni <strong>2010</strong><br />

Tiroler Fachberufsschule für Tourismus<br />

Eichatstraße 18, 6067 Absam<br />

BD Josef Baumgartner (j.baumgartner@tsn.at)<br />

Mo.-Fr. Mo.-Fr. 10.00 – 17.00 Uhr<br />

VORARLBERG<br />

22. Juni – 8. Juli <strong>2010</strong><br />

Landesberufsschule Bregenz 2<br />

Feldweg 25, 6900 Bregenz<br />

BOL Dipl.-Päd. Michaela Danhofer<br />

(michaela.danhofer@lbsbr2.snv.at)<br />

Mo.-Fr. 8.00 – 17.00 Uhr<br />

NIEDERÖSTERREICH<br />

20. September – 8. Oktober <strong>2010</strong><br />

Landesberufsschule Pöchlarn<br />

Plesserstraße 1, 3380 Pöchlarn<br />

VL Gunter Wolfsberger<br />

(gunter.wolfsberger@lbspoechlarn.ac.at)<br />

Mo.-Fr. 9.00 – 15.00 Uhr<br />

13. Oktober – 27. Oktober <strong>2010</strong><br />

Landesberufsschule St. Pölten<br />

Hötzendorfstraße 8, 3100 St. Pölten<br />

BD Franz Huber (direktion@lbsstpoelten.ac.at<br />

oder hf@lbsstpoelten.ac.at)<br />

Mo.-Fr. 8.00 – 17.00 Uhr<br />

3. November – 24. November <strong>2010</strong><br />

Berufsschule Korneuburg<br />

Stockerauer Straße 80, 2100 Korneuburg<br />

BD HR Mag. Roland Vrtis<br />

(r.vrtis@korneuburg-noeljh.at)<br />

29. November – 20. Dezember <strong>2010</strong><br />

Landesberufsschule Eisenstadt<br />

Gölbeszeile 10-12, 7000 Eisenstadt<br />

BD-StV Mag. Anna Karlicek<br />

(anna.karlicek@bs-eisenstadt.at)<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770 45


KULTUR • INLAND<br />

Reden, erzählen, Fragen beantworten<br />

statt schweigen lautet ein wichtiges<br />

Prinzip des richtigen Umgangs mit dem<br />

schwierigen The ma Shoa innerhalb der<br />

Familie. Auf der anderen Seite muss<br />

man erklären, oh ne dabei zu traumatisieren,<br />

im Kind <strong>als</strong>o nicht Ängste zu<br />

schüren, die es nicht verarbeiten kann.<br />

„Die Gemeinde“ sprach dazu mit den<br />

drei Experten Mathilde Zeman, Leiterin<br />

der Schul psy chologie im Wiener<br />

Stadtschulrat, David Vyssoki, ärztlicher<br />

Leiter des psychosozialen Zen trums<br />

ESRA, sowie Max Friedrich, Vorstand<br />

der Uniklinik für Psy chi a trie des Kinderund<br />

Jugendalters der Medizini schen<br />

Universität Wien.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

U-Bahn-Fahrt mit einem dreijährigen<br />

Kind. Auf eine Sitzlehne hat jemand<br />

mit schwarzem Filzstift ein Haken -<br />

kreuz geschmiert. Das Kind fragt:<br />

„Ma mi, was ist das?“ - Familienfest zu<br />

Hause. Eingeladen ist auch der sehr<br />

alte und demente Großonkel, der ge -<br />

betsmühlenartig seine Kindheitser leb -<br />

nisse <strong>als</strong> jüdischer Bub in der nS-Zeit<br />

erzählt und dabei nicht mit grausamen<br />

Details spart, obwohl sich Kleinkin der<br />

in Hörweite befinden. - in den Radio -<br />

nach richten, die während des Früh -<br />

stücks laufen, schnappt das Kind den<br />

Begriff nazis auf. „Was heißt das?“<br />

Was tun in solchen Situationen? Ab<br />

wann soll oder kann ich mit meinem<br />

Kind über den Holocaust sprechen,<br />

wann muss ich es tun? Soll ich das<br />

The ma aktiv ansprechen, soll ich warten,<br />

bis das Kind mit Fragen kommt?<br />

Wenn Fragen kommen: weiche ich aus,<br />

vertröste ich, versuche ich zu antworten,<br />

wenn ja, in welcher Form? Wann<br />

er zähle ich die eigene Familien ge -<br />

schich te? Wie gehe ich mit dem The -<br />

ma um, wenn das Kind nicht zwei jü -<br />

dische Elternteile hat, sondern einen<br />

jüdischen und einen nichtjüdischen?<br />

Eines vorweg: Patentrezept gibt es<br />

keines. nicht umsonst betont Max<br />

Friedrich, dass die Thematisierung des<br />

Holocaust heikler und schwieriger ist<br />

<strong>als</strong> die Aufklärung in Sachen Sexua li -<br />

tät. Aber es gibt doch klare Richt li ni en<br />

der Experten. Die wichtigste lautet:<br />

auf das Alter des Kindes Rücksicht<br />

nehmen.<br />

Wie spreche ich mit Kindern<br />

über den Holocaust?<br />

Kinder im Kindergartenalter durchleben<br />

die so genannte magisch-animistische<br />

Phase, erklärt Friedrich. „Die<br />

ganze Welt ist belebt. In diesem Lebens a l -<br />

ter hat eine Erklärung über Völker schick -<br />

sale relativ wenig Sinn, weil die wirkliche<br />

Tragweite vom Kind nicht erfasst werden<br />

kann“. Auch David Vyssoki betont: „Bis<br />

zum Alter von sechs Jahren sollte der<br />

Holocaust überhaupt kein Thema sein.“<br />

Kleine Kinder halten ihre Eltern für<br />

Helden, die sie immer beschützen.<br />

Vys soki nennt es „die Allmacht der El -<br />

tern“. Wird einem Vier-, Fünfjährigen<br />

erzählt, dass der Vater eines anderen<br />

Kindes dieses nicht mehr beschützen<br />

konnte, würde eine Welt für ihn zu -<br />

sammenbrechen. Er wäre zutiefst verunsichert,<br />

hätte das Gefühl, er könnte<br />

sich auf seine Eltern nicht mehr verlassen,<br />

könnte aber gleichzeitig seine<br />

Ängste und Zweifel noch nicht adäquat<br />

kommunizieren. Das zieht eine<br />

Desillusionierung nach sich, die wie -<br />

de rum in schlechte Träume, Schlaf -<br />

probleme, Einnässen oder in einer psy -<br />

chosomatischen Erkrankung münden<br />

kann. Werden zu grausame Fakten zu<br />

früh erzählt, kann dies bei Kindern<br />

grund sätzlich zu einer Traumatisie -<br />

rung führen, warnen die Experten.<br />

Dennoch: wenn von Kindern Fragen<br />

kommen, sind diese immer zu beantworten.<br />

„Schweigen oder ausweichen sind<br />

keine Option“, betont Barbara Zeman.<br />

„Wenn Kinder und Jugendliche etwas fra -<br />

gen, ist immer darauf einzugehen, um<br />

welches Thema es sich auch immer handelt.<br />

Ein ‚Das verstehst du noch nicht‘ ist <strong>als</strong><br />

Antwort abzulehnen.“<br />

Beispiel Hakenkreuz: hier empfiehlt<br />

die Psychologin zu sagen, „das ist ein<br />

Symbol für eine Zeit, in der ganz Schreck -<br />

liches bestanden hat. Kinder durften plötz -<br />

lich nicht mehr in die Schule gehen. Men -<br />

schen mussten aus ihren Woh nun gen<br />

ausziehen und an andere Orte umziehen,<br />

wo man ihnen weh getan hat. Das Haken -<br />

kreuz ist ein negatives Symbol und deshalb<br />

dürfen wir es nicht verwenden.“<br />

Beispiel des alten, dementen Fami li -<br />

enmitglieds: von diesem sei auf Grund<br />

seiner Erkrankung kein adäquates<br />

Ver halten gegenüber kleinen Kindern<br />

zu erwarten, betont Fried rich. Un be -<br />

dingt muss dem Kind, dass so zu hö ren<br />

bekommt, wie der Onkel der Er mor -<br />

dung seines Vaters zusah und sich<br />

dann mit seiner mutter und seiner<br />

Schwester versteckt hielt, eine Erklä -<br />

rung gegeben werden. Den Tod können<br />

kleine Kinder noch nicht begreifen,<br />

nicht umsonst gebe es Spiele wie<br />

„Du hast drei Leben“. Dennoch spüre<br />

46 <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770


KULTUR • INLAND<br />

das mädchen, der Bub, dass etwas Be -<br />

ängstigendes passiert sein muss. „Ich<br />

kann <strong>als</strong>o erklären, dass der Onkel viel<br />

Schlim mes erlebt hat und dass er seine Ge -<br />

schichte immer und immer wieder erzählen<br />

muss, damit man sie nicht vergisst“.<br />

Es sind Sätze wie diese, die dem Kind<br />

suggerieren, ja, du hast richtig verstanden,<br />

das gibt es Dinge, die nicht<br />

schön sind, die aber auch dafür sorgen,<br />

dass das Kind sich in seiner Phantasie<br />

nicht Dinge zusammenreimt, die zu<br />

Ängsten führen.<br />

Zeman rät, wenn etwa ein Sechsjäh ri -<br />

ger irgendwo aufschnappt, dass in der<br />

nS-Zeit Juden umgebracht wurden,<br />

zu sagen, „ja, das hat es gegeben, das war<br />

etwas ganz Schreckliches. Dann sollte man<br />

sich aber hinwenden zur Frage: Was be -<br />

deu tet es, wenn man jemand anders weh<br />

tut?“ Details, wie die menschen zu To -<br />

de kamen, sind in diesem Alter tabu.<br />

Oft kommt dann allerdings vom Sohn,<br />

der Tochter die heikle Frage: „Warum<br />

hat man uns Juden nicht gemocht?“ Hier<br />

sollte man das antworten, „was man<br />

authentisch empfindet“, betont Zeman.<br />

„Man kann beispielsweise sagen, dass es<br />

immer wieder Zeiten gibt, wo Menschen,<br />

die anders sind, ausgegrenzt wurden. Und<br />

dass das sogar so weit gehen kann, dass<br />

versucht wird, dass der andere nicht mehr<br />

existiert.“ Gleichzeitig kann man aber<br />

auch vermitteln: „So etwas kann jederzeit<br />

jede andere Gruppe treffen.“<br />

Kommt das Kind nicht von sich aus<br />

mit Fragen, empfehlen die Experten,<br />

frühestens im Volksschulalter das The -<br />

ma Holocaust von sich aus anzusprechen.<br />

Dann fangen Kinder an, die Re -<br />

alität der Geschichtlichkeit des men -<br />

schen zu begreifen, sagt Friedrich, sich<br />

mit Fragen zu befassen, „Woher kom me<br />

ich?, Wer waren meine Vorfahren?, Was<br />

haben diese für Schicksal gehabt?“<br />

Aber, warnt Vyssoki: dabei niem<strong>als</strong> mit<br />

der eigenen belasteten Familien ge -<br />

schich te beginnen. im Vordergrund<br />

soll te zunächst die Frage des guten<br />

Umgangs mit anderen menschen stehen,<br />

es sollte darüber geredet werden,<br />

wie man sich gegenüber Kin dern<br />

verhält, die vordergründig anders zu<br />

sein scheinen, es sollte vermittelt werden,<br />

dass Gewalt niem<strong>als</strong> ein mittel<br />

ist, um einen Konflikt zu lösen, und<br />

dass Ausgrenzung immer ein schlech -<br />

ter Weg ist.<br />

Langsam kann man dann das Kind<br />

zum Thema hinführen, sagt auch Ze -<br />

man – ohne zunächst Zahlen zu nennen,<br />

Gräueltaten im Detail zu be schreiben.<br />

„Man kann einem Fünf- oder Sechs -<br />

jäh rigen eine Gaskammer, Er schießun gen,<br />

ein Quälen in Steinbrüchen nicht erklären<br />

– das ist erst etwa ab dem Alter von 13,<br />

14 Jahren möglich.“<br />

Vyssoki betont, „erst ab etwa zehn Jah -<br />

ren sind Kinder in der Lage, Trauer zu en t -<br />

wickeln“. Und auch erst dann können<br />

sie verstehen, dass es Gewalt gibt. Was<br />

sie allerdings auch noch in diesem Al -<br />

ter nicht verstehen können: dass ein<br />

Staat plötzlich millionen von men -<br />

schen entrechtet, geschehen mit den<br />

nürnberger Rassegesetzen. „Kinder<br />

kön nen sich vorstellen, dass ein Jude ge -<br />

zwun gen wurde, die Straße zu reinigen.<br />

Aber ich glaube nicht, dass sich Kinder<br />

vor stellen können, dass sich eine Gesell -<br />

schaft plötzlich derart ändern kann.“ Al -<br />

ler dings fügt Vyssoki hinzu: „Aber wel -<br />

cher Erwachsener kann das wirklich be grei -<br />

fen?“ Genau deshalb hätten sich ja<br />

viele menschen in der nS-Zeit nicht<br />

Angela Gluck Wood<br />

Holocaust<br />

Was dam<strong>als</strong> geschah<br />

400 Farbfotografien, DVD<br />

dk • 978-3-8310-1260-2<br />

ab 10 Jahren<br />

Sensibel und eindrucksvoll führt<br />

dieses Buch an das Thema Holocaust he ran. Mit<br />

der Dar stel lung bewegender Ein zel schick sa le<br />

und altersgerecht aufbereiteten Infor ma tio nen<br />

werden historische Fak ten und Hinter grün de<br />

geschildert, von Hitlers Auf stieg über den All tag<br />

im Ghet to bis zu den Ver nich tungs lagern und den<br />

Nürnberger Pro zes sen. In ter views mit Überlebenden<br />

auf DVD so wie zahl rei che authentische<br />

Erfah rungs be richte er mög li chen eine per sönli -<br />

che An näherung an das Ge sche hen. Schau ta feln,<br />

Karten und vie le, bisher teils un ver öffentlichte<br />

Fo to gra fien ver an schauli chen die Tex te und ma -<br />

chen Zu sam men hän ge be greifbar. Die In terviews<br />

auf der DVD entstanden in Zu sam men arbeit mit<br />

der Shoa Foun da tion, ei ner vom Regis seur<br />

Steven Spiel berg gegründeten gemeinnützigen<br />

Or ga ni sa tion, die es sich zum Ziel ge setzt hat,<br />

Zeit zeugenberichte von Holo caust-Über le ben den<br />

für pä da go gi sche Zwecke zu gäng lich zu ma chen.<br />

Mit ei nem Vor wort von Ste ven Spielberg. Aus ge -<br />

zeich net mit dem Syd ney Taylor Honor Award<br />

2008, dem amerikanischen Litera tur preis der<br />

jüdischen Bibli o the ken!<br />

Rachel van Kooij<br />

Eine Handvoll Karten<br />

Jungbrunnen • 978-3-7026-5817-5<br />

ab 13 Jahren<br />

Ansichtskarten, die ein kleines<br />

Mäd chen in den 1930 er Jahren in<br />

ei nem Album gesammelt hat, sind<br />

der Ausgangs punkt für diesen<br />

außerge wöhn li chen Roman, in<br />

rechtzeitig in Sicherheit gebracht,<br />

„weil sie sich nicht vorstellen konnten,<br />

was ihnen alles passieren könnte“.<br />

Stichwort Konzentrationslager: dieses<br />

kann man Volksschulkindern <strong>als</strong> eine<br />

Art Gefängnis beschreiben, in dem<br />

men schen eingesperrt wurden, ob -<br />

wohl sie nichts F<strong>als</strong>ches gemacht hatten,<br />

nur weil sie anders waren <strong>als</strong> die<br />

anderen. Und in diesem KZ sei es ih -<br />

nen ganz schlecht gegangen, „weil sie<br />

sich nicht frei bewegen konnten und auch<br />

sehr wenig zu essen bekamen, weil es nicht<br />

so humane Gefängnisse waren wie heute.<br />

Und deshalb sind auch viele Menschen in<br />

diesen Lagern gestorben“, so Zeman.<br />

Wich tig ist hier auch dem Kind klar zu<br />

machen, dass ein Konzentrations la ger<br />

nichts mit dem Lager zu tun hat, auf<br />

welches das Kind möglicherweise in<br />

den Ferien fährt. „Sonst hat das Kind,<br />

Angst in ein Lager zu fahren.“<br />

Besuche in einem ehemaligen Kon zen -<br />

trationslager, Lektüre von einschlägiger<br />

Literatur wie dem Tagebuch der<br />

dem Fiktion und Wahrheit aufeinan der treffen. Die<br />

Autorin ist der Spur der Karten ge folgt, hat jahrelang<br />

recherchiert, mit Zeitzeugen ge spro chen, hat<br />

Fakten kunstvoll mit einer Ge schichte ver woben.<br />

Tami Shem-Tov<br />

Das Mädchen mit den drei Namen<br />

Fischer • 978-3-596-85373-1<br />

ab 10 Jahren<br />

Holland ist von den Nazis be setzt.<br />

Lieneke, ein jüd i sches Mäd chen,<br />

lebt unter f<strong>als</strong>chem Na men bei ei -<br />

ner Arztfamilie. Ihr Vater und der Rest der Familie<br />

lebten versteckt an einem an deren Ort. Er schickte<br />

seiner Tochter kleine Briefe, die er liebevoll illustriert<br />

und aus schmückte . Sie sol len Lieneke Mut<br />

machen. Lie neke und ihre Fa mi lie haben wie durch<br />

ein Wunder überlebt.<br />

Stéphane Bruchfeld, P.A. Levine<br />

Erzählt es euren Kindern<br />

Der Holocaust in Europa<br />

DVA • 978-3-570-30245-3<br />

Ab 14 Jahren<br />

Im Mittelpunkt stehen die Schick -<br />

sale Einzelner. Zu ih ren E r innerungen, zu Fotos und<br />

Dokumen ten tre ten Stimmen von Zuschauern und<br />

Tätern. Ent stan den ist eine aufrüttelnde Doku men -<br />

tation der Aus gren zung, Verfolgung und Er mordung<br />

von Ju den, Sinti, Roma, Homo sexuellen und<br />

Behin der ten.<br />

Anna Maria Jokl<br />

Die Perlmutterfarbe<br />

Ein Kinderroman für fast alle Leute<br />

suhrkamp • 978-3-518-46039-9<br />

Nicht wegzudenken aus der Li te ra -<br />

tur des 20. Jahrhunderts ist dieser<br />

Ro man über zwei deutsche Schul klas sen Anfang<br />

der dreißiger Jahre. Auch <strong>als</strong> DVD erhätlich.<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770 47


KULTUR • INLAND<br />

Anne Frank, das Zeigen von Filmen<br />

wie „Schindlers Liste“: all das sollte<br />

einerseits immer gut vorbereitet werden,<br />

andererseits nicht vor einem Al ter<br />

von 13, 14 Jahren erfolgen, sind sich<br />

die Experten einig. Erst dann ist das<br />

abstrakte Denken ausgeprägt. Eltern<br />

sind hier gefordert, Kindern Fragen,<br />

die diese aus der Schule mitbringen,<br />

zu beantworten, und das Thema nicht<br />

allein der Schule zu überlassen, vor al -<br />

lem wenn es sich um Familien handelt,<br />

die selbst in irgendeiner Form von der<br />

nS-Verfolgung betroffen wa ren – und<br />

sei es, wenn zwar keine Fa milie n mit -<br />

glie der zu Tode gekommen sind, die<br />

Vorfahren aber emigrieren mussten,<br />

um zu überleben. All diese Ge schich -<br />

ten sollten dem Kind behutsam und<br />

altersgemäß vermittelt werden.<br />

Denn, betont Friedrich: Schweigen<br />

löscht die Geschichte nicht. So werden<br />

nur Traumata von Generation zu<br />

Ge neration weitergegeben. Und: so<br />

sind Probleme in der Pubertät vorprogrammiert.<br />

Der Psychiater nennt <strong>als</strong><br />

Beispiel den Fall eines mädchens, des -<br />

sen mutter ihn aufsuchte, weil das<br />

Kind ständig log. Schließlich stellte<br />

sich heraus, dass das mädchen adoptiert<br />

worden war, es aber nicht wusste.<br />

Sobald dieses „Familien ge heim nis“<br />

gelüftet wurde, hörte das Kind auch<br />

wieder auf, zu lügen. Fried rich be tont:<br />

„Die Wahrheit kommt im mer ans Licht.“<br />

im schlimmsten Fall kann dies sogar<br />

zum Bruch mit der Familie durch das<br />

Kind führen.<br />

Kinder spüren, dass etwas nicht in<br />

Ord nung ist, selbst wenn nicht darüber<br />

gesprochen wird, bestätigt auch<br />

Vyssoki, und gibt ein Beispiel aus seiner<br />

eigenen Familiengeschichte: erst durch<br />

die Frage, wie es seinen Groß el tern<br />

ge he, kam er darauf, dass er kei ne hat.<br />

Doch was war mit ihnen ge sche hen?<br />

Dass selbst Experten privat mit dem<br />

The ma immer wieder zu kämpfen ha -<br />

ben, zeigt auch folgendes Beispiel: Vys -<br />

soki ist mit einer nichtjüdin, die in<br />

Schärding aufgewachsen ist, verheira -<br />

tet. Einer seiner Söhne fragte ihn <strong>als</strong><br />

Kind: „Du Papa, wenn dein Papa noch<br />

leben würde, glaubst du, er würde sich mit<br />

Opa vertragen?“ Vyssoki gibt zu: „Ich<br />

habe ihm darauf bis heute nicht geantwortet.“<br />

Keine ideale Reaktion. „Man soll<br />

sich den Fragen stellen, immer.“<br />

Allerdings ist dies auch eine be son ders<br />

heikle Situation, wie Vyssoki er läu tert:<br />

denn Kinder aus gemischten Bezie -<br />

hun gen tendieren immer dazu, sich<br />

nur mit den Opfern zu identifizieren,<br />

zu solidarisieren und in weiterer Fol ge<br />

den nichtjüdischen Elternteil abzulehnen.<br />

Daher muss man in solchen<br />

Familien besonders behutsam in der<br />

Ver mittlung der Familiengeschichte<br />

vor gehen und es – <strong>als</strong> Eltern – ge mein -<br />

sam tun, „und zwar so, dass sich beide<br />

Partner dabei wohl fühlen. Es muss für<br />

beide stimmig sein. Es darf nicht einer<br />

der beiden Partner abgewertet werden“.<br />

Um den Holocaust nicht auch für die<br />

vierte, fünfte Generation zur psychischen<br />

Belastung werden zu lassen, ist<br />

<strong>als</strong>o ein offener Umgang mit dem The -<br />

ma gefragt, der gleichzeitig nicht verstörend<br />

sein darf. Eine wichtige Vor -<br />

aussetzung dafür ist, dass Eltern von<br />

Geburt an die Kommunikation mit<br />

ih rem Kind pflegen und suchen. Und:<br />

„Das Kind muss immer so erzogen werden,<br />

dass es mit allem nach Hause kommt“,<br />

sagt Friedrich. „Und dann muss es ein<br />

Be mühen erkennen können, dass die El tern<br />

eine ehrliche Antwort ge ben, auch wenn<br />

sie um eine Antwort ringen. Die Antwort<br />

muss immer authentisch sein – sonst wird<br />

sie nicht geglaubt.“ Fazit Fried richs: „Wir<br />

alle müssen zur Bewäl ti gung dieser Ver -<br />

gan genheit beitragen, in dem wir uns<br />

einbringen, auch in der Fa mi lie.“<br />

LESETIPPS ZUM THEMA HOLOCAUST<br />

6 BIS 10 JAHRE<br />

ADLER, David<br />

Die Nummer auf dem Arm meines<br />

Großvaters/Friedrich Verlag<br />

DEUTSCHKRON, Inge/RUEGENBERG, Lukas<br />

Papa Weidt. Er bot den Nazis die Stirn<br />

Butzon&Bercker<br />

ELIAS, Mirjam<br />

Geheimversteck Hotel Atlantic/Fischer<br />

FÄEHRMANN, Willi<br />

Der überaus starke Willibald/Arena<br />

INNOCENTI, Roberto<br />

Rosa Weiss/Patmos (Sauerländer)<br />

KRAUSNICK<br />

Elses Geschichte/Patmos (Sauerländer)<br />

LEVINE<br />

Hannas Koffer/Ravensburger<br />

LOWRY, Lois<br />

Wer zählt die Sterne/Carlsen<br />

NEUDECK, Rupert/RUEGENBERG, Lukas:<br />

Janusz Koczak: Der König der Kinder<br />

Butzon&Bercker<br />

POOLE, J./BARRET, A./PRESSLER M.<br />

Anne Frank/Arena<br />

UNGERER, Tomi<br />

Otto. Autobiographie eines Teddybären/Dioge nes<br />

ZOELLER, Elisabeth<br />

Anton oder Die Zeit des unwerten Lebens/Fischer<br />

AB 11 JAHRE<br />

ASSCHER-PINKHOF, Clara - Ab 12 Jahre<br />

Sternkinder/Oetinger<br />

AUERBACH, Inge - Ab 11 Jahre<br />

Ich bin ein Stern/Beltz<br />

BARTH-GRÖZINGER, Inge - Ab 13 Jahre<br />

Etwas bleib. Das Schicksal der Fam. Levy/Piper<br />

BOYNE, John - Ab 12 Jahre<br />

Der Junge im gestreiften Pyjama/Fischer<br />

BRENNER-WONSCHICK, H. - Ab 13 Jahre<br />

Die Mädchen von Zimmer 28/Droemer-Knaur<br />

BUERGENTHAL, Thomas - Ab 14 Jahre<br />

Ein Glückskind/Fischer<br />

DEUTSCHKRON, Inge - Ab 12 Jahre<br />

Ich trug den gelben Stern/dtv<br />

ERBEN, Eva - Ab 12 Jahre<br />

Mich hat man vergessen/Beltz<br />

HERMAN-FRIEDE, Eugen - Ab 12-13 Jahre<br />

Abgetaucht/Schroedel<br />

KERR, Judith - Ab 12 Jahre<br />

Als Hitler das rosa Kaninchen stahl/Ravensburger<br />

KRAUS, Irma - Ab 12 Jahre<br />

Das Wolkenzimmer/randomhouse<br />

LEVOY, Myron - Ab 14 Jahre<br />

Der gelbe Vogel/dtv<br />

LEWIN, Waldtraut - Ab 12 Jahre<br />

Drei Zeichen sind die Wahrheit/randomhouse<br />

MOSKIN, Marietta - Ab 12 Jahre<br />

Um ein Haar/randomhouse<br />

ORLEV, Uri Ab 13-15 Jahre<br />

Die Insel in der Vogelstraße/Ravensburger<br />

ORLEV, Uri - Ab 12 Jahre<br />

Lauf, Junge, lauf/Beltz<br />

PAUSEWANG, Gudrun - Ab 12 Jahre<br />

Reise im August/Ravensburger<br />

PEREL, Sally<br />

Ich war Hitlerjunge Salomon/Heyne<br />

PRESSLER, Mirjam - Ab 12 Jahre<br />

Das Tagebuch der Anne Frank/Fischer<br />

PRESSLER, Mirjam - Ab 12 Jahre<br />

Malka Mai/Beltz<br />

RABINOVICI, Schoschana - Ab 12 Jahre<br />

Dank meiner Mutter/Fischer<br />

REISS, Johanna- Ab 14 Jahre<br />

Und im Fenster der Himmel/dtv<br />

RICHTER, Hans Peter - Ab 14 Jahre<br />

Dam<strong>als</strong> war es Friedrich/dtv<br />

De ROSNAY, Tatiana - Ab 12 Jahre<br />

Sarahs Schlüssel/Berlin Verlag<br />

ROLNIKAITE, Mascha - Ab 14 Jahre<br />

Ich muss erzählen. Tagebuch 1941-1945/Rowohlt<br />

ROSS, Carlo - Ab 14 Jahre<br />

Im Vorhof der Hölle/dtv<br />

SCHROEDER, Rainer M. - Ab 12 Jahre<br />

Die lange Reise des Jakob Stern/randomhouse<br />

STERN, Carola/BRODERSEN, Ingke - Ab 13 Jahre<br />

Eine Erdbeere fur Hitler/Fischer<br />

VAN DIYK, Lutz - Ab 12 Jahre<br />

Zu keinem ein Wort/randomhouse<br />

VINKE, Hermann - Ab 13-15<br />

Das kurze Leben der Sophie Scholl/Ravensburger<br />

VON DER GRÜN, Max - Ab 12 Jahre<br />

Wie war das eigentlich?/dtv<br />

48 <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770


KULTUR • LITERATUR<br />

Manchmal werde ich<br />

richtig missionarich<br />

Ein Gespräch mit der Autorin und<br />

Übersetzerin Mirjam Pressler<br />

VON ANITA POLLAK<br />

©AlexaGelberg<br />

Etwa 40 Bücher hat mirjam Pressler<br />

selbst verfasst, rund 300 übersetzt. Aus<br />

dem Hebräischen, dem Engli schen,<br />

dem niederländischen. Sie hat die<br />

Kri tische Werkausgabe der Tagebü -<br />

cher Anne Franks besorgt und Anne<br />

Franks Schicksal in zahlreichen Bü -<br />

chern beleuchtet. Zuletzt in einem<br />

Band über deren Familiengeschichte.<br />

Knapp danach ist nun ein von ihr<br />

übersetzter Roman der israelischen<br />

Au torin mira magén erschienen. Die<br />

beiden in dieser und der kommenden<br />

Ausgabe rezensierten Bücher sind<br />

An lass für ein Gespräch mit der vielseitigen<br />

Autorin.<br />

„Ich habe einen Hausmann. Ich muss mich<br />

um nichts kümmern“. Diese Erklärung<br />

scheint ihr auszureichen, wenn sie auf<br />

ihr enormes Arbeitspensum, ihren<br />

fast unglaublichen Output, angesprochen<br />

wird. Und: „Ich bin relativ fleißig.<br />

Wenn mir etwas Spaß macht, kann ich<br />

mich sehr lange konzentrieren“.<br />

Schreiben oder Übersetzen? Wo liegen<br />

Presslers neigungen, wo ihre Prio ri tä -<br />

ten? „Ich schreibe lieber selbst, aber ich<br />

übersetze auch sehr gern. Und ich bin<br />

dank bar, wenn ich nach Beendigung eines<br />

eigenen Buches übersetzen kann und<br />

nicht in ein schwarzes Loch falle. Wenn<br />

mir ein Buch gefällt, werde ich richtig mis -<br />

sionarisch und will, dass es auch anderen<br />

gefällt. Beim Übersetzen merkt man jeden<br />

Fehler, das erzieht zu größerer Genauig -<br />

keit auch beim Selber schreiben“.<br />

mit Anne Frank hat sich Pressler <strong>als</strong><br />

Übersetzerin und Autorin über Jahr -<br />

zehnte beschäftigt. ist sie so etwas wie<br />

ein Lebensthema? „Nein, das nicht ge -<br />

rade, aber da hat sich eins aus dem anderen<br />

ergeben. Als ich an der Kritischen<br />

Ausgabe gearbeitet habe, bin ich förmlich<br />

in sie hinein gekrochen. Meine jüngste<br />

Tochter war dam<strong>als</strong> so alt wie Anne, <strong>als</strong><br />

sie starb, und ich dachte mir, das hätte auch<br />

ihr passieren können. Nachdem ich dann<br />

eine Biografie über sie geschrieben hab, das<br />

ist etwa 15 Jahre her, glaubte ich, jetzt ist<br />

es für mich damit vorbei. Aber dann kam<br />

dieser erstaunliche Fund von tausenden<br />

Briefen, da ist man an mich herangetreten<br />

und ich war sehr davon fasziniert. Ich hab<br />

dann ein dreiviertel Jahr bis zu 14 Stun -<br />

den täglich gearbeitet, weil das Buch zu<br />

Annes 80. Geburtstag im vergangenen<br />

Jahr fertig sein sollte“.<br />

Ausufernde Recherchen unter anderem<br />

zur Geschichte der Frankfurter<br />

Ju den gehörten dazu wie auch der<br />

Kontakt zu Annes weit über 80-jährigem<br />

Cousin Buddy und dessen Frau<br />

Gerti Elias, die den Schatz am Dach -<br />

bo den gehoben hatte. „Sie waren wunderbar<br />

und ganz geduldig. Es ist eine<br />

rich tige Freundschaft daraus entstanden.“<br />

Da die aufgefundene Korrespondenz<br />

naturgemäß einseitig ist - die Briefe an<br />

die jeweiligen Adressaten sind nicht<br />

er halten - musste Pressler ihre Fanta -<br />

sie arbeiten lassen und einiges dazu<br />

erfinden. „Die rein fiktiven Teile sind im<br />

Präsens geschrieben. Die ganze Geschich -<br />

te ist ja von drei Generationen aus erzählt.<br />

Stellenweise war ich am Verzweifeln.“<br />

mischungen von Fantasie und historischem<br />

Wissen bzw. Recherchen sind<br />

auch das Rezept von Presslers Jugend -<br />

büchern. Für ihr jüngstes „nathan<br />

und seine Kinder“, auf den Spu ren<br />

von Lessings „nathan der Weise“, ist<br />

sie vor kurzem mit dem CORinE-<br />

Preis für das beste Jugendbuch 2009<br />

ausgezeichnet worden.<br />

nicht immer, aber doch sehr oft, spielt<br />

das Judentum, spielen der Holocaust<br />

und seine traumatischen Folgen eine<br />

Rolle in Presslers Werk bzw. in ihrer<br />

Themenwahl. „missionarisch“ will<br />

sie damit aber nicht sein „Ich bin nicht<br />

fromm, aber ich weiß viel, hab viel gelesen<br />

und viel darüber im Kopf. Die philosophische<br />

Grundlage interessiert mich bei den<br />

Juden eben mehr <strong>als</strong> bei den Christen.“<br />

im Alltag spielt die Religion bei ihr<br />

eine geringe Rolle, „der einzige Feier tag,<br />

bei dem wir uns alle treffen, ist Pessach“.<br />

Da kommen ihre drei Töchter, die alle<br />

israelische Vornamen haben, und ihre<br />

fünf Enkel zusammen.<br />

Hebräisch hat Pressler schon <strong>als</strong> Kind<br />

in Deutschland gelernt, später hat sie<br />

dann ein Jahr in einem Kibbuz ge -<br />

lebt. Auch daher ihre enge Bezie hung<br />

zum Land, das sie immer wieder be -<br />

sucht, und zur Sprache. Seit vielen<br />

Jah ren übersetzt sie die prominentesten<br />

Autoren wie Amos Oz, Batya Gur,<br />

Zeruya Shalev und mira magén. mit<br />

ihrer Kollegin Ruth Achlama teilt sie<br />

sich quasi die Creme der israelischen<br />

Gegenwartsliteratur. „Ich suche sie mir<br />

nichts selbst aus, aber wenn ich einmal ei -<br />

nen Autor übersetze, bleibe ich ihm treu.“<br />

Warum manche israelische Autoren im<br />

deutschen Sprachraum besser an kom -<br />

men <strong>als</strong> andere, kann sie nicht erklären.<br />

„Freilich war Zeruya Shalevs „Lie-<br />

besleben“ spektakulär, aber Mira Magén<br />

ist nicht schlechter. Sie ist eine tolle Au to -<br />

rin, eine großartige Beobachterin, in Is rael<br />

hat sie einen Fan-Club, aber sie hat mehr<br />

Erfolg verdient“.<br />

mit der Übertragung von magéns<br />

Spra che und Wortwitz in „Die Zeit<br />

wird es zeigen“ hat mirjam Pressler<br />

jedenfalls das ihre zu diesem wünschenswerten<br />

Erfolg beigetragen.<br />

ZUR PERSON<br />

Mirjam Pressler wurde 1940 in Darm -<br />

stadt geboren und wuchs bei Pflege -<br />

el tern auf. Sie studierte in Frankfurt<br />

und verbrachte ein Jahr in einem Kib -<br />

buz in Israel. Ende der 70er begann<br />

sie zu schreiben. Ihre drei Töchter hat<br />

sie nach ihrer Schei dung allein großgezogen,<br />

wobei sie acht Jahre lang einen<br />

Jeansladen führte. Sie übersetzte<br />

mehr <strong>als</strong> 300 Werke aus dem Eng li -<br />

schen, Niederländischen und He bräi -<br />

schen. Ihr Hauptwerk ist die Kriti sche<br />

Werk ausgabe der Anne Frank Ta ge bü -<br />

cher. Mit ihren eigenen Werken zählt<br />

sie heu te zu den wichtigsten deut -<br />

schen Kinder- und Jugendbuch auto -<br />

ren. Dafür erhielt sie auch zahlreiche<br />

Preise. Mirjam Press ler lebt mit ihrem<br />

„Hausmann“ bei Mün chen.<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770 49


„Grüße und<br />

Küsse an alle“<br />

Mirjam Pressler erzählt die Geschichte<br />

der Familie von Anne Frank<br />

VON ANITA POLLAK<br />

Anne und<br />

Margot Frank<br />

KULTUR • LITERATUR<br />

Pailettenkleider,<br />

ein Frack, Pelze, Hü te. Ein mit Blüm -<br />

chen stoff bezogener Kar ton. Als sie ihn<br />

öffnet, findet sie Brie fe, viele Briefe,<br />

mit seidenen Bändern verschnürt.<br />

manche in Kur rent schrift, schwer zu<br />

entziffern, man che gut lesbar. Sie stöbert<br />

weiter, im mer wieder, entdeckt<br />

noch mehr Schach teln, Fo tos, Alben,<br />

in alten Le der koffern jede menge<br />

Briefe, an die sechstausend …<br />

So schildert Gerti Elias den sensationellen<br />

Fund auf dem Dachboden des<br />

Hauses in Basel, in das sie Jahrzehnte<br />

davor eingeheiratet hatte. in eine<br />

große, weit verzweigte Familie. Ger -<br />

tis mann, Buddy Elias, ist Anne Franks<br />

Cousin. Der letzte Verwandte, der sie<br />

noch erlebt hat. in ihrer kurzen Kind -<br />

heit haben sie oft die Ferien im Schwei -<br />

zer Sommersitz der Fami lie, in Sils,<br />

ver bracht. Buddys mutter Leni war ei -<br />

ne geborene Frank, die Schwes ter von<br />

Annes Vater Otto Frank. An nes Groß -<br />

mutter Alice Frank hatte in diesem<br />

Haus gelebt, sie ist dort ge stor ben.<br />

Die Basler Herbststraße war nach der<br />

1933 aufgegebenen Villa in Frankfurt<br />

Fluchtpunkt und Zuflucht für die<br />

ganze Verwandtschaft in schwe ren<br />

Zei ten. nur für Otto und sei ne Fa mi -<br />

lie, die nach Amsterdam ausgewandert<br />

waren, blieb Basel un er reichbar.<br />

Erst 1946 kam Otto wieder heim.<br />

Alleine. Seine Frau Edith, die Töch ter<br />

margot und Anne sind um ge kom men.<br />

Viele hunderte Briefe kreisen um das<br />

Schicksal Annes. Auch um ihr weltberühmtes<br />

Tagebuch. Und ihr mythos<br />

gibt dem Fund auf dem Dachboden<br />

natürlich besondere Relevanz. Die<br />

Dokumente wurden historisch aufgearbeitet<br />

und befinden sich heute in<br />

Amsterdam. Aus ausgewähltem Brief -<br />

material hat nun mirjam Pressler „Die<br />

Geschichte der Familie von Anne<br />

Frank“ rekonstruiert und <strong>als</strong> spannende<br />

Chronik nacherzählt.<br />

Es ist fast ein Roman geworden. Dank<br />

Presslers erzählerischer Fantasie, die<br />

dort einsetzt, wo die Dokumente aufhören,<br />

Schicksale und Lebenslinien<br />

verfolgt, den Familienmitgliedern über<br />

Jahrzehnte quasi beim Leben zu schaut<br />

und zuhört. Andererseits sind es die se<br />

menschen selbst, sind es ihre un glaub -<br />

lich lebendigen Briefe, ist es ihre literarische<br />

Kraft – viele Briefe sind in Vers -<br />

form verfasst -, die das Buch zum Er -<br />

eignis machen.<br />

Und es ist das Geschichtspanorama,<br />

das sich in diesen Dokumenten spiegelt,<br />

sich in dieser Chronik entfaltet.<br />

Bis in die Frankfurter Judengasse des<br />

18. Jahrhunderts reicht der Stamm -<br />

baum der Ahnen Stern und Cahn zu -<br />

rück. Die Geschichte einer geglückten<br />

Emanzipation. Einer von Annes Vor -<br />

fah ren wurde der erste jüdische Pro -<br />

fes sor in Deutschland, bzw. der erste,<br />

dem diese Karriere ohne Taufschein<br />

ge lang. ihr Großvater michael Frank<br />

gründete eine Bank, es war die Hoch -<br />

blü te der Familie in Frankfurt. man<br />

heiratete noch mit Rabbiner, das Ju -<br />

den tum spielte ansonsten kaum eine<br />

„Ich war keine Heldin“ - Miep Gies ist im Alter von 100 Jahren gestorben<br />

Miep hat zufällig einige Alben retten können und auch Anne´s Tagebücher. Ich habe jedoch noch nicht die Kraft da rin zu lesen,<br />

schrieb Anne Franks Vater an seine Mutter Alice im August 1945 nach Basel. Nur einer der vielen auf dem Dach boden entdeckten<br />

Briefe, in dem Otto immer wieder auf die aufopfernde, mutige Miep Gies zu sprechen kommt. Kurz vor ihrem 101.<br />

Geburtstag ist die Helferin der Familie Frank und Retterin der Tagebücher nun am 11. <strong>Januar</strong> in Holland gestorben.<br />

„Ich war keine Heldin. Mitmenschen in Not zu helfen, ist keine Frage des Mutes, sondern eine Wahl, die jeder Mensch in seinem<br />

Leben einmal treffen muss <strong>als</strong> Unterschied zwischen dem Guten und dem Bösen“, sagte sie oft, wenn sie wegen ihrer Tap fer keit<br />

bewundert wurde. Unter Lebensgefahr versorgte sie gemeinsam mit nur wenigen anderen Widerstands leu ten die im<br />

Amsterdamer „Hinterhaus“ versteckte Familie über zwei Jahre lang mit Lebensnotwendigem und sogar mit Bü -<br />

chern und Nachrichten, auf die Anne besonders sehnsüchtig wartete. Miep bringe in ihrem Gewand immer<br />

frische Luft von draußen mit, schrieb Anne einmal.<br />

Als die Gestapo die acht Hinterhaus-Bewohner nach einem Verrat entdeckte und verhaftete, gelang es Miep,<br />

die Ta ge bücher und einige andere Dokumente in Sicherheit zu bringen. In ihrem Band „Meine Zeit mit Anne<br />

Frank“ hat die ehemalige Sekretärin Otto Franks ihre Erinnerungen festgehalten.<br />

Ehrung im Simon<br />

Wiesenthal Center<br />

Miep, <strong>als</strong> Hermine Santrouschitz 1909 in Wien geboren, ist <strong>als</strong> unterernährtes Kind<br />

1920 zu einer Gastfamilie nach Holland gekommen und schließlich dort geblieben.<br />

Durch ihre Heirat mit Jan Gies, der ihr später bei ihrer geheimen Tätigkeit beistand,<br />

wurde sie Niederländerin.<br />

Bis zu ihrem Tod beantwortete sie Anfragen und Briefe, die ihr aus aller Welt gestellt<br />

wurden und reiste <strong>als</strong> Zeitzeu gin in viele Länder. Zu ihren zahleichen Ehrungen kam<br />

erst im Vorjahr das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich.<br />

Als „Gerechte unter den Völkern“ wurden sie und ihr Mann schon 1972 von Yad<br />

Vashem aufgenommen.<br />

Anita Pollak<br />

Auch ein Stern zwischen Mars und Jupiter trägt seit Oktober 2009 den Namen von Miep Gies. Die Internationale Astronomische Union (IAU)<br />

ehrte damit ihren Mut und ihre Standhaftigkeit. Der 1972 entdeckte Asteroid, der nun <strong>als</strong> "Miep Gies" durchs Weltall zieht, besteht aus<br />

Felsmaterial und hat einen Durchmesser von etwa sieben Kilometern.<br />

50 <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770


KULTUR • LITERATUR<br />

Rolle, man verehrte die Klassiker, ging<br />

zu „Lohengrin“, schrieb schönstes<br />

Hoch deutsch, doch was „naches“ sind,<br />

das wusste man immerhin noch.<br />

Den großbürgerlichen Lebensstil beizubehalten,<br />

damit hatte man dann in<br />

Basel die größte mühe. Aber Annes<br />

Tan te Leni entfaltete überraschende<br />

ge schäftliche Talente und erhielt mit<br />

einem Altwaren- und später Antiqui -<br />

tä tenhandel mehrere Generationen<br />

un ter einem Dach. Dass man in der<br />

Herbststraße nie hun gern musste, ja<br />

sogar eine Köchin hielt, während Otto<br />

in Auschwitz litt und sei ne Frau verhungerte,<br />

das gab nach dem Krieg<br />

schon gehörige Schuldge fühle.<br />

neun Briefe von Anne aus Amster -<br />

dam, bereits auf niederländisch, sind<br />

er halten. Jüdischer Religionsun ter richt<br />

findet im Augenblick nicht statt, schreibt<br />

sie Ende 1940 im Geburts tags brief an<br />

ihre Omi Alice. ihr größter Wunsch<br />

ist es dam<strong>als</strong> mit ihrem Cou sin Bud -<br />

dy einmal am Eis zu tanzen, viel leicht<br />

sogar aufzutreten. (Buddy sollte später<br />

14 Jahre lang <strong>als</strong> Eis clown mit „Ho-<br />

liday on ice“ durch die Welt reisen).<br />

Dann kam die lange quälende brieflose<br />

Zeit zwischen Amsterdam und Ba sel.<br />

Sie denken alle sicher an Dich.<br />

Doch kein Brief ist auf dem Ge burts tags -<br />

tisch.<br />

Kein Telefon kann Dich erreichen.<br />

So etwas ist doch ohne Gleichen.<br />

Reimte Otto für seine Frau Edith, ab -<br />

geschieden im Hinterhaus, zum 43. Ge -<br />

burtstag. Es war ihr letzter.<br />

Die nachkriegswirren erschweren die<br />

Korrespondenzen, die Schre c kens -<br />

nach richten treffen verzögert ein,<br />

schla gen die Empfänger nieder.<br />

Schmerz erfüllte Brieflawinen folgen.<br />

Annes posthumer Weltruhm erreicht<br />

schließlich auch die Familie und macht<br />

sie letztlich zu einer besonderen. Be -<br />

sonders war sie durch ihre Wärme,<br />

ih ren Zusammenhalt, eine Familie, in<br />

der jeder alles über den anderen wusste,<br />

ihre Kultiviertheit und ihre Fähig keit,<br />

ja Kunst, sich schriftlich auszudrücken,<br />

auch ohne diese ungewollte Promi -<br />

nenz, die sie trotzdem mit Stolz er -<br />

füllte. Woher Anne Frank ihr früh<br />

vollendetes literarisches Talent hatte,<br />

hier wird es mehr <strong>als</strong><br />

deutlich.<br />

Mirjam Pressler<br />

„Grüße und Küsse<br />

an alle“<br />

Die Geschichte der<br />

Familie von Anne Frank<br />

S. Fischer<br />

Überall & Nirgendwo<br />

P. Weinberger<br />

manches mal muss man „Klartext reden, wenn man politisch<br />

etwas bewegen wolle“ hat Österreichs Provinzge wis -<br />

sen, der Vorarlberger FPÖ-ler Egger (die Bezeichnung<br />

‚Politiker’ für ihn zu verwenden, wäre reiner Euphe mis -<br />

mus) in ei nem interview im Radio Vorarlberg am 29. De -<br />

zember 2009 gemeint. „Sein ‚Exiljuden’-Sager 1 sei richtig<br />

gewesen“, schließlich habe man es geschafft, dass man<br />

heute sehr offen über das „integrationsproblem“ diskutieren<br />

könne.<br />

im Klartext gesprochen, kann <strong>als</strong>o ruhig ein bisschen<br />

An tisemitismus ins Spiel gebracht werden, um politisch<br />

et was zu bewegen. immerhin ein politisches Konzept,<br />

des sen sich schon Lueger zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

bedient hat und das offensichtlich, gemessen an den Wah -<br />

lerfolgen der FPÖ in Vorarlberg, ein Jahrhundert später<br />

nichts an Wirkung verloren hat. Obwohl erfreulicherweise<br />

der Ausdruck „Exiljude“ auf Platz 2 der österreichischen<br />

„Unwörter des Jahres“ gelandet ist, ändert dies<br />

leider kaum etwas an der Tatsache, dass das „integra ti -<br />

ons problem“ fektisch bereits einer Lösung in Eggers Sinn<br />

zustrebt. Kenntnisse in Deutsch jenseits der Fähigkeiten<br />

eines Durchschnittsösterreichers, sich in dieser Sprache<br />

auszudrücken, zu verlangen, wird sicher ausreichen das<br />

„integrationsproblem“ dauerhaft zu lösen.<br />

im Klartext hieß es auch, dass man keine Veranlassung<br />

ge sehen habe, am 11. Dezember 2009 im Festsaal der TU<br />

Wien Walter Lüftl das Goldene ingenieursdiplom nicht zu<br />

verleihen. „Wir haben extra nachgefragt. Die Fakultät hat die<br />

Verleihung befürwortet“, meinte Rektor Skalicky 2 entschuldigend.<br />

nachgefragt? Hat man vielleicht doch leise Zwei -<br />

fel gehabt? Oder vielleicht sogar gewusst, dass Walter<br />

Lüftl zu den öffentlich durchaus bekannten Ho lo caust -<br />

leug nern gehört? Die Fakultät hat die Verleihung befürwortet<br />

und der Studiendekan dieser Fakultät hat die Lau -<br />

datio gehalten. Dem Laudator Kolbitsch vom institut für<br />

Hochbau und Technologie ist offensichtlich entgangen,<br />

dass Lüftl wegen seiner Studie „Holocaust – Glaube und<br />

Fakten“ <strong>als</strong> Präsident der ingenieurskammer seinerzeit<br />

zu rücktreten musste, dass diese Studie von vielen Ein -<br />

schlä g igen immer noch zitiert wird, dass ... . Ein kurzer<br />

Blick in das internet hätte eigentlich schon ausgereicht,<br />

um Lüftl <strong>als</strong> „Globalleugner“ zu identifizieren 3 . Als „eine<br />

Unappetitlichkeit der ganz speziellen Art“ bezeichnete der<br />

Kultursprecher der Grünen diesen Festakt. ich persönlich<br />

geniere mich für meine ehemalige Universität, an<br />

der, wie es scheint, mitunter technische mit politischer<br />

intelligenz unvereinbar ist.<br />

P.S.: im Klartext gesprochen, muss leider auch zur<br />

Kenntnis genommen werden, dass - wie immer vielleicht<br />

persönliche Befindlichkeiten mit im Spiel waren oder zum<br />

Ausdruck kamen - das viel propagierte Wiesenthal Zen -<br />

trum nunmehr keinerlei Chance mehr hat, zu einer international<br />

beachteten institution zu werden. Auch wenn es<br />

manche, in dieser Form gesagt, stört oder es so nicht hö -<br />

ren wollen: dieser Traum ist ausgeträumt. Zeitge schicht -<br />

li che Forschung wird sich in Zukunft weitgehend auf<br />

lokaler Ebene abspielen .<br />

1<br />

Egger hatte im Landtagswahlkampf den Direktor des Jüdischen<br />

Museums in Hohenems, den Deutsche Hanno Loewy, <strong>als</strong> „Exiljuden<br />

aus Amerika in seinem hochsubventionierten Museum bezeichnet,<br />

den die Innenpolitik nichts angehe“.<br />

2<br />

Der Standard, 18. Dezember 2009<br />

3<br />

Baurat h.c. Dipl.-Ing. Walter Lüftl, Die Lügen unserer Zeit, Vier tel jah -<br />

reshefte für freie Geschichtsforschung 5(3) (2001), S. 325f. Zu finden auf<br />

der Homepage von Historical Revisionism – In ter na tional and In de -<br />

pen dent Scientific Historical Research, http://www.vho.org/VffG/<br />

2001/3/Lueftl325f.html<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770 51


ISRAEL IN HAITI<br />

Israel hilft Haiti<br />

Israel verhält sich unverhältnismäßig, un -<br />

proportional, übertrieben. Das weiß die<br />

ganze Welt, spätestens seit dem Gold sto -<br />

ne-Bericht. Dass sich Israel in den zehn<br />

Jahren vor seinem Gazafeldzug im De -<br />

zember 2008 und <strong>Januar</strong> 2009 unverhältnismäßig<br />

lang zurückgehalten hat<br />

und so viele Raketen von seinen Nach -<br />

barn einsteckte, wie kein anderes Land<br />

seit dem Zweiten Weltkrieg, wird großzügig<br />

übergangen. Und wenn sich Israelis<br />

jetzt schon wieder vollkommen unproportional<br />

und übertrieben in eine Krise<br />

einmischen, gibt es natürlich viel Wich -<br />

tigeres zu berichten. Warum eigentlich?<br />

VON JOHANNES GERLOFF, JERUSALEM<br />

Die Kinderabteilung<br />

Israelisches Rettungsteam<br />

ZAKA am Einsatzort<br />

Als sich Europa und Amerika noch<br />

die Augen rieben und die islamische<br />

Welt konzentriert in die andere Rich -<br />

tung blickte, waren schon israelische<br />

Flugzeuge auf dem Weg in die Ka ri -<br />

bik. Wer menschen, die unter Trüm -<br />

mern verschüttet sind, retten will, ist<br />

im Wettlauf gegen die Zeit. Die israelischen<br />

Teams mussten um die halbe<br />

Welt reisen. Zum Vergleich: Zwischen<br />

Jerusalem und Port-au-Prince liegen<br />

10.500 Kilometer. Vom karibischen<br />

Erd bebengebiet zur Südspitze Flori das<br />

sind es keine 2.000 Kilometer. Zen tral -<br />

europäische Hauptstädte wie Ber lin,<br />

Prag oder Paris liegen etwa 8.000 Ki -<br />

lo meter von Haiti entfernt. Doch nicht<br />

nur im Vergleich der Entfernung is -<br />

raels vom Katastrophengebiet ist die<br />

israelische Hilfe unproportional - auch<br />

im Blick darauf, wie viel Hilfe 7,5<br />

mio. israelis im Vergleich zu anderen<br />

nationen auf die Beine stellen.<br />

Als die nachricht am 12. <strong>Januar</strong> um<br />

die Welt lief, dass kurz vor 17 Uhr ein<br />

Erdbeben der Stärke 7.0 auf der Rich -<br />

terskala den armen inselstaat erschüttert<br />

hatte, meldete das israelische Go -<br />

vernment Press Office bereits, dass ein<br />

zwölf mann starkes Team der Orga ni -<br />

sation IsraAid von Such- und Ber -<br />

gungs experten auf dem Weg nach mit -<br />

telamerika sei. Am darauf folgenden<br />

morgen meldete ein Sprecher der<br />

israelischen Armee, sieben ingenieure,<br />

Ärzte, Logistik- und Bergungs ex per -<br />

ten hätten das Land in Richtung Haiti<br />

verlassen, um die Lage vor Ort zu er -<br />

kun den. Kurz darauf ordnete Pre mi er -<br />

minister Benjamin netanjahu of fi ziell<br />

an, dem inselstaat unbürokratisch und<br />

schnell zu helfen. Der israelische Bot -<br />

schafter in der Domini ka ni schen Re -<br />

publik, Amos Radjan, wurde zur Be -<br />

richt erstattung nach Haiti entsandt.<br />

Am Abend waren fünfzig isra e lische<br />

Sol daten auf dem Weg in Richtung<br />

Westen.<br />

Ultra-orthodoxe Helfer am schnellsten<br />

Als erstes Hilfsteam trafen nach 38<br />

Stunden vier mit arbeiter der ultra-or -<br />

tho doxen Orga ni sation ZAKA in Portau-Prince<br />

ein. ZAKA ist eine Volon -<br />

tärs organisation, die sich ursprünglich<br />

vor allem um die Bergung von to ten<br />

Terror-Opfern kümmerte, dann aber<br />

die notwen dig keit erkannte, sich zu -<br />

erst um die Le benden zu kümmern<br />

und diese zu retten. Ent sprechend sind<br />

viele ZAKA-Volon tä re in Erster Hilfe<br />

ausgebildet. Die vier ZAKA-mitarbei -<br />

ter reisten aus mexi ko an, wo sie zur<br />

Bergung und identifi zie rung des jüdischen<br />

Geschäfts manns Moses Saba und<br />

seiner Familie gewesen waren. Sabas<br />

Hubschrauber war ab ge stürzt und al -<br />

le insassen ums Leben gekommen.<br />

Am Abend des 14. <strong>Januar</strong> starteten zwei<br />

Boeing 747 mit 220 israelischen Hel fern<br />

unter Leitung von Brigadegeneral<br />

Scha lom Ben-Arje. neben Hilfsgütern<br />

hatten die maschinen auch ein komplettes<br />

Feldlazarett an Bord. Das Feld -<br />

lazarett wird unter anderem von 40<br />

Ärz ten, 25 Krankenschwestern und Sa -<br />

nitätern betrieben. Es beinhaltet ei ne<br />

Apotheke, eine Kinderabteilung, Ra -<br />

dio logie, eine intensivstation, eine<br />

not aufnahme, zwei Operations räu me,<br />

eine chirurgische Abteilung, eine in -<br />

ne re Abteilung und eine Geburtshilfe -<br />

sta tion. Als die israelischen Flug zeu ge<br />

starteten, war der Flughafen in Portau-Prince<br />

geschlossen. man hoffte, bei<br />

der Ankunft dann auch tatsächlich<br />

landen zu können.<br />

Die Landung war möglich. Die israelischen<br />

Helfer nahmen im Stadt zen trum<br />

einen Fußballplatz in Beschlag und<br />

be gannen mit der Arbeit. Eine Wo che<br />

nach dem verheerenden Erd beben, das<br />

mehr <strong>als</strong> 100.000 Todes op fer gefordert<br />

hat, arbeiten 250 israelis in Haiti<br />

rund um die Uhr. Das Feld la za rett hat<br />

383 menschen behandelt, 140 lebensrettende<br />

Operationen durchgeführt<br />

und sieben Babys auf die Welt verholfen<br />

- wobei eines den namen „israel“<br />

erhielt.<br />

Der verantwortliche Chirurg, Oberst<br />

Guy Lin, ehemaliger Befehlshaber der<br />

Rettungseinheiten an der israelischen<br />

nordfront, spendete sein eigenes Blut<br />

und rettete so das Leben eines drei Ta -<br />

ge alten Babys. 60 Patienten werden<br />

stationär behandelt. Über Satellit be -<br />

raten sich die notärzte vor Ort mit is -<br />

ra elischen Spezialisten in der Heimat,<br />

die so beispielsweise Operationen über<br />

Video beobachten und beratend be -<br />

gleiten können. israelische Such hun de<br />

fanden mehr <strong>als</strong> ein Dutzend Überlebende<br />

unter den Trümmern. Und die<br />

mittlerweile sechs ZAKA-Volontäre<br />

ret teten in einer Operation, die 38<br />

Stun den dauerte, acht Studenten aus<br />

den Ruinen der Universität.<br />

Hilfe für Staaten ohne<br />

Beziehungen zu Israel<br />

Seit seiner Gründung hat der Staat<br />

israel in mehr <strong>als</strong> 140 Ländern humanitäre<br />

Hilfe geleistet. in manchen Fäl -<br />

len geschah dies in Staaten, die keine<br />

diplomatischen Beziehungen mit dem<br />

jüdischen Staat unterhalten, oder die se<br />

sogar vehement ablehnen. im De zem -<br />

ber 2004 verwüstete ein Tsunami wei te<br />

Teile Südostasiens. israel schick te 60<br />

Ton nen Hilfsgüter nach indo ne si en,<br />

das größte islamische Land, das keinerlei<br />

diplomatische Beziehungen mit<br />

israel unterhält. Ein kleines Team der<br />

israelischen Armee flog gleichzeitig<br />

mit 82 Tonnen Hilfsmaterialien nach<br />

Sri Lan ka. im november 2005 halfen<br />

52 <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770


ISRAEL IN HAITI<br />

is raelische Organisationen nach ei nem<br />

Erd beben im pakistanischen Kasch -<br />

mir. im August 2007 schickte das „Fast<br />

Is ra eli Rescue and Search Team“ (FiRST)<br />

drei Ärzte und drei Kranken schwes -<br />

tern in die Erdbebenzone in Peru.<br />

FiRST war in den vergangenen Jah ren<br />

in der Türkei, in indien, mexiko, im<br />

Kongo, Tschad, Sudan (Darfur) und<br />

malawi im Einsatz.<br />

Absurde Vorwürfe<br />

interessant ist, dass die Kritiker is ra els<br />

selbst in dieser Situation nicht schwei -<br />

gen. Gemütlich hinter dem Laptop<br />

ver schanzt rechnen sie das Elend der<br />

menschen in Gaza - für das natürlich<br />

ausschließlich israel verantwortlich ist!<br />

- gegen israels Hilfe in Haiti auf und<br />

kommen zu dem Schluss: So lassen<br />

sich Kriegsverbrechen nicht sühnen.<br />

Dem jüdischen Staat wird vorgeworfen,<br />

mit der Haiti-Hilfe lediglich vom<br />

Goldstone-Bericht ablenken zu wollen.<br />

man erinnert sich daran, dass is ra el<br />

auch 2003 dem iran Erdbeben hilfe an -<br />

geboten hatte und bezeichnet das <strong>als</strong><br />

„Chutzpe“. „Lobenswerter Wei se“, so ei -<br />

ner der Blogger, habe die iranische Regierung<br />

abgelehnt. Anschul di gun gen,<br />

die jüdischen Ärzte seien in Ka tas tro -<br />

phengebieten nur deshalb so schnell<br />

vor Ort, um auch dort menschliche Or -<br />

gane zu ernten, machen im internet<br />

die Runde.<br />

Der Gipfel modernen antisemitischen<br />

Erfindungsreichtums wurde sichtbar,<br />

<strong>als</strong> eine Studie der Hebräischen Uni -<br />

ver sität im Jahr 2006 feststellte, dass<br />

es im israelisch-palästinensischen Kon -<br />

flikt - im Gegensatz zu sonst allen an -<br />

deren kriegerischen Auseinander set -<br />

zun gen in der Welt - keine Vergewal ti -<br />

gungen von palästinensischen Frauen<br />

gegeben hat. Anstatt zu fragen, ob das<br />

jüdische Volk vielleicht doch irgendwie<br />

einen höheren ethischen maßstab<br />

an sich selbst anlegt, wurde das Phä -<br />

nomen mit dem „israelischen Rassis -<br />

mus“ erklärt, der es „den Juden“ verbiete,<br />

ihren kostbaren Samen an die Frau -<br />

en von Untermenschen zu verschwenden.<br />

Befragte palästinensische Frau en<br />

zeigten sich gar beleidigt, dass jüdische<br />

Soldaten sie aufgrund rassistischer<br />

Vorurteile nicht beachteten.<br />

Ganz offensichtlich darf ein Jude auch<br />

heute in gewissen Kreisen nichts richtig<br />

machen. Deshalb ist es vielleicht<br />

besser, überhaupt nicht zu be richten,<br />

was „die Juden“ tun, wenn man ihnen<br />

auch nur halbwegs wohlgesonnen ist.<br />

Schaue.Fühle.Handle.<br />

von Tzvi Hersh Weinreb, JTA/Übersetzung Inge Heitzinger<br />

Es sind drei Wörter, mit denen das Judentum auf die Fragen religiöser Men schen in die -<br />

ser Zeit des großen Leidens auf Haiti antwortet. Es gibt zwei Arten von Fra gen, die<br />

wir uns stellen, wenn wir mit solchen Katastrophenszenen, von denen die Insel heim -<br />

gesucht wurde, konfrontiert werden. Einerseits fragen wir uns „wa rum?“ Oder noch<br />

bes ser „wie kann Gott erlauben, dass so etwas passiert?“ Andererseits fragen wir „was?“<br />

– „Was kann ich, <strong>als</strong> einzelner hilfloser Mensch, hunderte Mei len vom tragischen Ge sche hen<br />

entfernt, tun, um zu helfen?“<br />

Ganz einfach, unsere Tradition besteht darauf, dass wir die erste Art von Fra gen, un -<br />

beachtet lassen. Diese wurden vielleicht schon Millionen Male im Lauf unserer Ge -<br />

schichte gefragt. Es gibt zahlreiche Antworten und die theologische Literatur be fasst<br />

sich damit ausführlich. Aber keine der Antworten hat je die Frage ausgemerzt.<br />

Das Judentum besteht darauf, dass wir die zweite Art von Fragen stellen. Wir müs -<br />

sen sie wie die Anfrage von Gott an uns behandeln. Und dafür gibt es nur ei ne eindringliche<br />

und klare Antwort: Schaue! Fühle! Handle!<br />

Zuerst müssen wir „sehen“. Wir können der verständlichen Versuchung nicht nachgeben,<br />

die Szenen des Leidens von unseren visuellen Sinnen fernzuhalten. Wir müssen<br />

uns die Szenen der Katastrophe ansehen und erlauben, von ihnen ge trof-fen zu<br />

werden. Zweitens müssen wir den Schmerz der so fürchterlich Leidenden nachfühlen.<br />

Wir wagen es nicht, uns gegen diesen Schmerz zu betäuben. Wir können uns nicht<br />

erlauben, auf irgendeine Art und Weise das Leiden „wegzureden“ mit krank, verrückt,<br />

oder traurigen Worten des Trostes, wie „sie haben es vielleicht verdient“. Wir müssen<br />

die Opfer <strong>als</strong> menschliche Wesen sehen, die sich von uns in keiner Weise unterscheiden,<br />

unschuldig und untadelig, die sich in einer verzweifelten Lage und in arger Not be -<br />

finden. Und dann müssen wir auf diese Not reagieren. Es gibt immer einen Weg um<br />

zu helfen, egal wie groß die Entfernung vom Ort der Tragödie ist, und egal wie ohnmächtig<br />

wir uns vielleicht fühlen.<br />

Die Momente von Tragödien und Krisen sind nicht die Zeit, in der wir über Gott philo -<br />

sophieren sollten. Das ist nicht die Zeit, in der wir darüber „warum guten Menschen<br />

schlimme Dinge passieren“ spekulieren sollten. Das ist die Zeit, in der wir fragen sollten:<br />

„Was kann ich tun, um diesen guten armen Menschen zu helfen?“<br />

Diejenigen von uns, die ein Leben im Glauben und in religiöser Hingabe führen, wissen,<br />

dass wir die Antworten auf unsere Zweifel an Gott, nicht durch unsere philosophischen<br />

Fragen erhalten. Wir werden sie eher allmählich im Zusam men hang mit<br />

moralischen Handlungen, Nächstenliebe und Mitgefühl erhalten.<br />

Die gesamte jüdische Gemeinde kann auf ihre Antwort auf die Katastrophe in Haiti<br />

stolz sein. Rettungsmannschaften aus Israel und Millionen Dollar von amerikanischen<br />

Juden sind der Beleg für unsere Antwort. Was auch immer die Motivation für<br />

diese Antwort war, es ist eine religiöse Antwort, eine jüdische Antwort.<br />

Die Art und Weise mit religiösen Zweifeln und Skepsis Gott gegenüber umzugehen ist,<br />

mitfühlend und großzügig zu handeln, und im Glauben, in der Gewissheit und in der Zu -<br />

versicht, dass unsere Handlungen Zeugnis ablegen werden von Gottes gü tiger Lie be.<br />

Rabbi Tzvi Hersh, ist ausführender Vizepräsident Emeritus der Orthodoxen Union<br />

IKG-Spendenkonto - „Hilfe für Haiti“<br />

BAWAG, BLZ 14000 - Konto Nummer 0<strong>2010</strong> 724000<br />

IBAN AT 7714000 0<strong>2010</strong> 724000 - BIC BAWAATWW<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770 53


JUDENTUM<br />

Schewat 5770<br />

(16. <strong>Januar</strong> - 14. Februar <strong>2010</strong>)<br />

Historische Ereignisse & wichtige Tage<br />

Bitte beachten, dass alle jüdischen Tage mit dem Sonnenuntergang des Vortages beginnen!<br />

Der Monat Schewat hat immer 30 Tage. Es ist der fünfte Monat des jüdischen Ziviljahres und<br />

der elfte Monat des religiösen Jahres, welches mit dem Monat Nissan beginnt.<br />

Ungewöhnlich viele der bedeutendsten neuzeitlichen jüdischen Gelehrten haben ihre<br />

Jahrzeit in diesem Monat, deren im Folgenden nur eine kleine Auswahl Erwähnung findet.<br />

Schailos &Tschuwos<br />

ausgewählte halachische<br />

Fragen, beantwortet<br />

von Gemeinderabbiner<br />

Schlomo Hofmeister<br />

AskTheRabbi@ikg-wien.at<br />

1. Schewat (16. <strong>Januar</strong>)<br />

An diesem Tag, vor 3282 Jahren, versammelte<br />

Mo sche Rabbenu das Jüdi sche Volk und erinnerte<br />

sie noch einmal eindringlich an die Verbote und<br />

Vor schrif ten der Torah und ihre unbedingte Ein -<br />

hal tung. Diese mahnende Wiederholung der Ge -<br />

set ze, wie sie im Sefer Dewarim (5. Buch Mo se)<br />

nachzulesen ist, dauerte 37 Tage, bis zum 7. Adar,<br />

dem Todes tag von Mosche Rabbenu.<br />

2. Schewat (17. <strong>Januar</strong>)<br />

Der <strong>als</strong> verbrecherischer Hasmonäer König in<br />

die Ge schichte eingegangene Alexander Jannaij<br />

(Jan näus) starb an diesem Tag vor 2086 Jahren.<br />

Er war ein Anführer der Zeddukim (Sadduzäer), der<br />

ers ten grösseren jüdischen Reformbewegung,<br />

die, wie alle ihr folgenden, die Autorität der rabbinischen<br />

Tra di tion und die mündliche Torah<br />

(heu te bekannt <strong>als</strong> Mischna und Talmud) ab lehn -<br />

ten. Die Zeddukim, angeführt von Alexander Jan -<br />

naij, verfolgten die An hänger des Rabbinischen<br />

Judentums mit aller Bru ta lität und töteten dabei<br />

über 50.000 „orthodoxe“ Juden; daher wurde sein<br />

Todestag, der ein Ende die ser inner-jüdischen<br />

Ju denverfolgung darstellte, in talmudischer Zeit<br />

<strong>als</strong> grosser Festtag gefeiert.<br />

4. Schewat (19. <strong>Januar</strong>)<br />

Jahrzeit des berühmten Rabbiners und Kabba -<br />

lis ten Rabbi Jisrael Abuchatzera, verehrt und be -<br />

kannt <strong>als</strong> der Baba Sali („der betende Vater“),<br />

der vor 26 Jah ren im hohen Alter verstarb. In Ma -<br />

rokko, in eine be rühmte Rabbiner und Kabbalis -<br />

ten Familie geboren, wurde er bereits in jungen<br />

Jahren <strong>als</strong> „Wunder-Rab biner bekannt. Nach dem<br />

er Marokko verlassen hat t e, lebte er mehrere<br />

Jah re in Frankreich und spä ter in Israel, wo er<br />

1984 starb. Zahllose, unglaubliche Erzählungen<br />

und Geschichten, von denen vie le <strong>als</strong> Mythen<br />

und Legenden erscheinen, jedoch von ebenso<br />

vielen zeitgenössischen Augenzeugen be richten<br />

in ihrer Authentizität gestützt werden, ma chen<br />

den Baba Sali bis heute unvergesslich. Jähr lich<br />

pilgern über Hunderttausend Juden und Araber<br />

an sein Grab in Netiwot.<br />

5. Schewat (20. <strong>Januar</strong>)<br />

Jahrzeit des chassidischen Rabbiners Jehudo Ari -<br />

jeh Leib Alter, der zweite Gerer Rebbe, auch be -<br />

kannt unter dem Namen seines berühmten Wer -<br />

kes Sfas Emmes, der vor 105 Jahren starb.<br />

Jahrzeit meines Rabbiners und Lehrers Raw Pin -<br />

chas Paul Biberfeld, der vor 11 Jahren starb. Er<br />

wurde 1915 in Berlin geboren, wo er 1938 seine<br />

Ordina tion am Hildesheimer Rabbinerseminar er -<br />

hielt. 1939 emigrierte er über Italien nach Eretz<br />

Is rael, dem dama ligen britischen Mandats ge -<br />

biet Palästina, wo er an den Jeschiwos (Talmud-<br />

akademien) Kol Torah und Chewron in Jerusalem<br />

tätig war. Er heiratete die ein zige Tochter des<br />

chassidischen Rabbiners Zwi Arijeh Twerski,<br />

Rebbe von Zlatipol und Chortkow aus Wien. Von<br />

1953 bis 1984 war er der leitende Rosch Jeschiwa<br />

(Di rektor) des Kollel Chortkow in Tel Aviv und<br />

He rausgeber der Zeitschrift Ne’emon. 1984 zog er<br />

von Israel zurück nach Deutschland wo er die<br />

Position <strong>als</strong> Oberrabbiner von München an nahm<br />

und <strong>als</strong> solcher bis 1998 fungierte.<br />

14. Schewat (29. <strong>Januar</strong>)<br />

Jahrzeit des berühmten Talmudisten Rabbiner Ja -<br />

kow Jehoschua Falk Katz, bekannt unter dem Titel<br />

seines Werkes Penei Jehoschua. Er wirkte <strong>als</strong> Rab -<br />

biner der Gemeinden von Lemberg, Berlin, Metz<br />

und Frankfurt.<br />

15. Schewat (30. <strong>Januar</strong>)<br />

TuBeSchwat, dieser Tag gilt <strong>als</strong> das „Neujahr der<br />

Bäume und hat bis heute vor allem eine wichtige<br />

halachische Bedeutung zur Berechnung des Al -<br />

ters von Bäumen und der Fruchtjahrgänge und<br />

der damit verbundenen Torah Vorschriften für alle<br />

Bäume die innerhalb der biblischen Grenzen von<br />

Eretz Israel (unabhängig von heutigen Staats -<br />

gren zen!) wachsen; dazu gehören insbesondere<br />

die Gesetze von Orla (dass die Früchte eines jun -<br />

gen Baumes innerhalb seiner ersten drei Jahre<br />

nicht koscher sind), sowie Maaser Scheni und<br />

Maaser Oni (verschiedene Abgaben, die, je nach<br />

Jahrgang, von der Ernte getrennt werden müssen,<br />

bevor geerntetes Obst und Früchte konsumiert<br />

werden dürfen). In Israel begehen vor allem - pa -<br />

ra doxer Weise – säkulare und national-religiöse<br />

Juden den Abend von TuBeSchwat mit einem<br />

Seder (einer „Ordnung“ folgenden rituellen Mahl -<br />

zeit), bei dem israelische Früchte und Obst ge -<br />

ges sen werden. Ursprünglich ein kabbalistischer<br />

Brauch aus dem 16. Jahrhundert, der in den<br />

1940er und 50er Jahren mit säkular zionistischen<br />

Konnotationen wiederbelebt wurde, der sich (mit<br />

Ausnahme einiger chassidischer Gemein den,<br />

die den Seder entsprechend der kabbalistischen<br />

Tradition begehen) unter religiösen Juden im<br />

Allgemeinen nicht durchgesetzt hat.<br />

22. Schewat (6. Februar)<br />

Jahrzeit von Rabbiner Menachem Mendel von<br />

Kotzk, genannt der Kotzker Rebbe.<br />

25. Schewat (9. Februar)<br />

Jahrzeit von Rabbiner Jisroel Salanter, dem Be -<br />

grün der der polnisch-litauischen „Mussar<br />

(Ethik) Bewegung.<br />

26. Schewat (10. Februar)<br />

Jahrzeit von Rabbiner Dovid ben Schmuel Hale wi,<br />

bekannt durch seinen berühmten Kommentar<br />

zum Schulchan Aruch (Jüdischer Gesetzeskodex<br />

von R’ Josef Karo), genannt Turej Sohow oder ein -<br />

fach nur Ta“S.<br />

FRAGE: „Ist es erlaubt einen Organ spen -<br />

deausweis zu haben oder sind Organ -<br />

spen den und Transplantationen im jüdischen<br />

Recht verboten?”<br />

AnTWORT: Organspenden und<br />

Trans plantationen sind halachisch<br />

weder immer verboten noch generell<br />

erlaubt. Die Torah verbietet es prin zi -<br />

piell nutzen aus den sterblichen<br />

Überresten eines verstorbenen men -<br />

schen zu ziehen (Schulchan Oruch J“D<br />

349:1ff), jedoch erlaubt uns die Torah<br />

bekanntlich in einem Fall von immanenter<br />

Pikuach Nefesch (um Leben zu<br />

bewahren) beinahe jedes ihrer Ver bo te<br />

außer Acht zu lassen. Das bedeutet,<br />

dass unter ganz bestimmten Voraus -<br />

set zungen, die Entnahme von funktionstüchtigen<br />

Organen im Todesfall<br />

durchaus erlaubt ist, um durch deren<br />

Transplantation das Leben eines da -<br />

rauf wartenden Empfängers zu retten.<br />

Die üblichen Organspendeausweise,<br />

sowohl in Europa <strong>als</strong> auch in israel,<br />

sind jedoch äußerst problematisch,<br />

weil es sich dabei um rechtliche<br />

Blanko-Cheques handelt, die unser ge -<br />

mäß den Werten und Vorstellungen<br />

der Torah funktionierendes jüdisches<br />

Rechtssystem in Bezug auf das Leben<br />

und den Körper des Ausweisträgers<br />

ausschalten, und stattdessen, undifferenziert,<br />

den staatlichen Behörden<br />

und institutionen übergeben. Eines<br />

von mehreren Problemen dabei ist,<br />

dass deren Richtlinien, wann beispielsweise<br />

ein schwerverletzter mensch<br />

für tot erklärt wird, nicht mit der<br />

jüdischen Definition übereinstimmen,<br />

und somit dem Träger eines<br />

Spen deausweises Organe entnommen<br />

werden können, obwohl er gemäß der<br />

halachischen Definition noch am Le -<br />

ben ist. Was die Organentnahme ei -<br />

nes Toten im unbedingten Bedarfsfall<br />

zulässig macht hängt von unterschiedlichen<br />

Faktoren ab, und die<br />

diesbezügliche Entscheidung muss in<br />

54 <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770


JUDENTUM<br />

jedem einzelnen Fall, individuell,<br />

unter Berücksichtigung vieler De tails,<br />

von einer kompetenten halachischen<br />

Autorität getroffen werden. Wenn ein<br />

Jude seine Organe im Todesfall zur<br />

Le bensrettung anderer menschen,<br />

innerhalb des halachisch möglichen,<br />

zur Verfügung stellen möchte, sollte<br />

er keinen Organspendeausweis füh -<br />

ren, sondern eine notarielle Verfügng<br />

veranlassen, worin mindestens ein<br />

kompetenter Rabbiner namentlich ge -<br />

nannt und dadurch explizit befugt<br />

wird, nach Kenntnisnahme aller Tat -<br />

sa chen, die diesbezüglichen Entschei -<br />

dungen der Halachah entsprechend<br />

zu treffen.<br />

FRAGE: „Wenn man eine parvene Mahl -<br />

zeit in einem fleischigen Topf zubereitet,<br />

darf man zu dieser Mahlzeit etwas Mil -<br />

chiges essen?”<br />

AnTWORT: Diesbezüglich gibt es<br />

eine prinzipielle meinungsverschie -<br />

den heit und unterschiedliche Halachah<br />

zwischen Sephardim und Asch -<br />

ke nasim. Gemäß der sephardischen<br />

Halachah, dürfen diese Lebensmittel<br />

(z. B. Reis, Pasta, Kartoffeln oder Ge -<br />

müse) sowohl mit fleischigen <strong>als</strong> auch<br />

mit milchigen Speisen zusammen ge -<br />

gessen werden, egal in welchen Töp -<br />

fen sie gekocht wurden. Gemäß der<br />

aschkenasischen Halachah dürfen alle<br />

in milchigen Töpfen gekochte Lebens -<br />

mittel nur zusammen mit milchigen<br />

Speisen gegessen werden, und in flei -<br />

schi gen Töpfen Gekochtes nur mit<br />

Flei schigem. Wenn Sephardim Asch -<br />

kenasim zu sich zum Essen einladen,<br />

sollten sie das bei der zu dieser Gele -<br />

genheit servierten mahlzeit unbedingt<br />

berücksichtigen. (Das zu anderen Ge -<br />

le genheiten gemäss der sephardischen<br />

Halachah korrekt gehandhabte Ge -<br />

schirr ist kein Problem für aschkenasische<br />

Gäste in einem sephardischen<br />

Haus!) Wenn aus Versehen, oder aus<br />

Unwissenheit bezüglich der aschkenasischen<br />

Halachah (z. B. bei einem se -<br />

phar dischen Gastgeber, aber auch in<br />

einem aschkenasischen Haushalt),<br />

bei spielsweise eine heiße Kartoffel aus<br />

einem fleischigen Topf zusammen mit<br />

milchigen Speisen auf einem milchigen<br />

Teller gelandet ist, sind sowohl der<br />

Teller, <strong>als</strong> auch die milchigen Speisen<br />

im nachhinein („bediewet”) koscher,<br />

aber vorsätzlich („lechatchilo”) darf man<br />

es nicht tun. Jedoch, wie in jedem Fall,<br />

wenn man lechatchilo etwas macht,<br />

das nur bediewet erlaubt ist, wird die<br />

Kaschrut des Geschirrs problematisch,<br />

wenn diese Halachah, wissend<br />

dass es für Aschkenasim nur bediewet<br />

erlaubt ist, lechatchilo, <strong>als</strong>o vorsetzlich,<br />

missachtet wurde.<br />

FRAGE: „Darf man sich einer Schön heits -<br />

operation unterziehen, obwohl man in der<br />

Früh „baruch ata ... sheAsani kirzono”<br />

(Anm. d. Red. Gepriesen seist Du ... der<br />

mich nach Seinem Willen erschaffen hat)<br />

betet? Wenn nicht, lügt man dann nicht<br />

bei dieser Bracha?”<br />

AnTWORT: „Unnötige” chirurgische<br />

Eingriffe, insbesondere jene die eine<br />

narkose erfordern, sind halachisch in<br />

jedem Fall ein Problem. Die Frage ist,<br />

was ist nötig. Alles was zur Wieder -<br />

her stellung oder der Erhaltung der Ge -<br />

sundheit dient, ist selbstverständlich<br />

erlaubt, in den meisten Fällen sogar<br />

obligatorisch. inwieweit Schönheitso -<br />

pe rationen erlaubt sind, hängt von der<br />

jeweiligen Situation ab. in extrem<br />

Fällen, und das obliegt nicht aus -<br />

schliesslich der Objektivität eines<br />

Arz tes und des Rabbiners, sondern<br />

ist durchaus auch abhängig vom subjektiven<br />

Empfinden der betreffenden<br />

Per son, können auch plastische Ope -<br />

ra tionen erlaubt sein, wenn eine un -<br />

er trägliche, psychische Belastung mit<br />

einem angeborenen „Schönheits feh -<br />

ler” verbunden ist, die ihrerseits eine<br />

psychosomatische oder gar organische<br />

Gesundheitsgefährdung bedeuten<br />

könnte. Schönheitsoperationen sind<br />

nicht prinzipiell verboten, aber auch<br />

nicht prinzipiell erlaubt. Es ist schwer<br />

eine allgemein gültige Regel auf zu -<br />

stellen; jeder Fall muss unter Be rück -<br />

sichtung vieler verschiedener Fakto -<br />

ren, die ich hier nicht alle aufzählen<br />

kann, individuell entschieden werden.<br />

Die Bracha „ScheAsani Kirzono”<br />

kann meines Erachtens unabhängig<br />

da von gesagt werden, weil sie sich<br />

nicht auf das physische Erschei nungs -<br />

bild bezieht.<br />

Ein 60 jähriger Sohn ruft seine jiddische<br />

Mama nach langer Zeit wie der<br />

einmal an. „Wie geht es Dir Ma ma?” -<br />

„Nicht so gut Bubbale. Ich fühle mich<br />

sehr schwach“ antwortet sie.<br />

„Warum? Was fehlt Dir denn?“ - „Ich<br />

habe seit über 3 Wochen nichts mehr<br />

gegessen!“ - „Das ist ja furchtbar!<br />

Warum hast Du so lange nichts mehr<br />

gegessen?“ fragt der Sohn. „Weil ich<br />

nicht den Mund voll haben wollte für<br />

den Fall, dass Du mich anrufst!“ J<br />

Tu BiSchwat<br />

Neujahr der Bäume<br />

Samstag, 30. <strong>Januar</strong> <strong>2010</strong><br />

15. Schwat 5770<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2010</strong> - Tewet/Schwat 5770 55


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