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dossier • stimmungsbilder inland - Israelitische Kultusgemeinde Wien

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GEMEINDE<br />

DVR 0112305 € 2.-<br />

nr. 649 Juli 2009<br />

tamus/aw 5769<br />

Erscheinungsort <strong>Wien</strong><br />

Verlagspostamt 1010 P.b.b<br />

e 2.-<br />

GZ 03Z034854 W<br />

Die Die<br />

offizielles organ der israelitischen <strong>Kultusgemeinde</strong> wien<br />

magazin


INHALT<br />

&<br />

AUS DEM<br />

GENERALSEKRETARIAT<br />

Spenden spart Steuer 3<br />

IN EIGENER SACHE<br />

ALEXIA WEISS<br />

Serie: Hinter den Kulissen der IKG<br />

Teil 11: Das Rabbinat 4<br />

POLITIK<br />

INLAND<br />

DOSSIER - Stimmungsbilder<br />

aus Österreich II<br />

ALEXIA WEISS<br />

Gusen - Eine Landschaft<br />

des Schreckens sucht<br />

Eigentümer 8-14<br />

Forschungsprojekt<br />

Lublin-Majdanek 15<br />

Massiver Anstieg<br />

rassistischer Übergriffe<br />

in Österreich 16<br />

OÖ. - Rechtsextreme<br />

Aktivitäten 16<br />

Weggeschaut 19<br />

ULRICH SAHM<br />

Empörung um<br />

Felicia Langer 20<br />

Antisemitisches 21<br />

AUSLAND<br />

Anklage gegen Demjanjuk 22<br />

VIP-Betreuung für J. Kumpf 23<br />

ISRAEL<br />

IDF - Zu den neuen<br />

Vorwürfen 24<br />

Zur Diskussion um das<br />

Shepherd Hotel 26<br />

WIRTSCHAFT<br />

REINHARD ENGEL<br />

Mattes Glitzern 29<br />

Ausgewertet werden Meldungen von: APA, Jerusalem Post, Ha’aretz, MEMRI, Yediot Aharonot, Global intelligence<br />

centre, Walla, Y-net, israelnetz (inn), nahostfocus (NOF), ICEJ, Honestly-concerned, GMW, JTA, ILI u.v.a.<br />

GEmEinDE<br />

High-Tech Kompetenz<br />

für israelische Araber 33<br />

WISSENSCHAFT<br />

Solarstrom-Blume<br />

in der Wüste 35<br />

Israel als<br />

Ornithologenparadies 35<br />

Das erste interationale<br />

Telefonbuch der Welt 36<br />

JÜDISCHE WELT<br />

ALEXIA WEISS<br />

Wenn ich Freizeit habe ... 37<br />

20 Jahre <strong>Wien</strong>er<br />

Jüdischer Chor 38<br />

Der Friedhof am Judenbühel 39<br />

ALEXIA WEISS<br />

Es gibt kein jüdisches Gen 40<br />

ALEXIA WEISS<br />

Gedenken als „work<br />

in progress” 41<br />

ALEXIA WEISS<br />

The Leopoldstadt<br />

Brooklyn Bridge 42<br />

DINAH SPRITZER<br />

Letzte Chance für<br />

Holocaust-Restitution 43<br />

Panorama 44<br />

KULTUR<br />

ANITA POLLAK<br />

Jud Bitter-Süß 46<br />

Alma in Jerusalem 47<br />

Titelbild:<br />

Strand von Tel Aviv - 18.07.09<br />

© Liron Almog / FLASH90<br />

Die Redaktion wünscht<br />

schöne Sommerferien!<br />

PLENARSITZUNGEN 2009:<br />

01. September<br />

13. Oktober<br />

05. November<br />

03.Dezember<br />

Medieninhaber (Verleger), Herausgeber: <strong>Israelitische</strong> <strong>Kultusgemeinde</strong> <strong>Wien</strong>.<br />

Zweck: Information der Mitglieder der IKG <strong>Wien</strong> in kulturellen, politischen<br />

und or ganisatori schen Belangen. Stärkung des demokratischen<br />

Bewusst seins in der österreichischen Bevöl kerung. Sitz: 1010 <strong>Wien</strong>, Seitenstettengasse 4, Postfach 145.<br />

Tel. Redaktion/Sekretariat 53 104/271, Anzeigenannahme 53 104/272, Fax: 53104/279, E-mail redaktion@ikg-wien.at<br />

Druck: AV+Astoria Druckzentrum GmbH, A-1030 <strong>Wien</strong><br />

Alle signierten Artikel geben die persönliche Mei nung des Autors wieder, die sich nicht immer mit der<br />

Mei nung der Redaktion deckt. Für die Kaschrut der in der GEMEINDE angezeigten Produkte übernehmen<br />

Herausgeber und Redaktion ausdrücklich keine Verantwortung. Nicht alle Artikel, die in der Redak -<br />

tion einlangen, müs sen zur Veröffentlichung gelangen.<br />

2009.<br />

30. August – 7. September<br />

Dieses Jahr wird das angesagteste jüdische Kulturereignis des Kontinents,<br />

die Jüdischen Sommers Festival<br />

zwischen 30. August und 7. September<br />

2009 zum zwölften<br />

Mal mit Zentrum in der Großen Synagoge von Budapest<br />

(Dohány utca), Europas größter Synagoge, veranstaltet.<br />

Mit einer Auswahl von beinahe 70 Veranstaltungen erwarten die Organi-<br />

satoren des Festivals aufgeschlossene Besucher, die an die Klänge einer<br />

mehrere tausend Jahre alten Kultur und Tradition in moderner Auffassung<br />

interessiert sind.<br />

Am 7.<br />

September<br />

gibt<br />

das<br />

Israelische<br />

Philharmonische<br />

Orchester<br />

in<br />

der<br />

Großen Synagoge Konzert, und wird vom einstigen Direktor der Mailänder<br />

Scala, Riccardo Muti dirigiert.<br />

Die<br />

israelische<br />

Sängerin<br />

Timna<br />

Brauer<br />

reist<br />

aus<br />

Österreich<br />

an,<br />

um<br />

am<br />

2. September ihre<br />

Produktion „Lieder aus Jerusalem“ mit dem Elias Meiri<br />

Ensemble in der Synagoge vorzuführen. Am 31. August laden wir die Lieb-<br />

haber mediterraner<br />

Klangwelten zum Konzert von Elsa Valle und der Latin<br />

Jazz Syndicate ein.<br />

Shai Abramson,<br />

Oberkantor der Israelischen<br />

Armee tritt mit<br />

László Fekete, Oberkantor der Großen Synagoge von Budapest<br />

und dem jungen Talent Zucker Immanuel in der Syna-<br />

goge der Frankel Leo utca auf.<br />

Treu<br />

zu<br />

unseren<br />

Traditionen<br />

darf<br />

natürlich<br />

auch das<br />

Budapest<br />

Klezmer<br />

Band<br />

– Favorit<br />

vieler<br />

Besucher –<br />

vom<br />

Programm nicht fehlen.<br />

Den Liebhabern der lateinischen Rhythmen bietet die isra-<br />

elische<br />

Flamencogruppe<br />

Compas<br />

Dance Company<br />

ein<br />

außergewöhnliches<br />

Erlebnis.<br />

Sie<br />

erzählen<br />

die Geschichte<br />

von David und Bat-Sheba in der Sprache des Flamencos.<br />

Eine<br />

Auswahl<br />

der<br />

Bilder<br />

des legendären<br />

Photographen<br />

Robert<br />

Capa wird<br />

im<br />

Ungarischen<br />

Jüdischen<br />

Museum<br />

ausgestellt; in der Budapest Galerie wird zugleich die zeitgenössische Malerin Hanna Fluk vorgestellt.<br />

Die Jüdischen Sommerspiele werden seit 1998<br />

von der BZSH-ZSIKK mit immer größerem Erfolg organisiert. Die Orga-<br />

nisation wurde mit der Absicht gegründet, die<br />

jüdische Kultur zu propagieren und sie in den ungarischen Tourismus<br />

zu integrieren. Die<br />

Organisatoren erwarten Gäste aus Ungarn, Europa und dem Übersee, jüdisch und nicht-jüdisch<br />

zugleich; genau aus diesem Grund ist das Programm so vielseitig und bunt, und wendet die internationale Sprache<br />

des Tanzes und der Musik an.<br />

Weitere Informationen, Programme und Tickets erhältlich online unter www.jewishfestival.hu.<br />

TICKETS BEI:<br />

und im Internet<br />

unter: www.interticket.hu<br />

WEITERE INFORMATIONEN:<br />

Fesztivál Jegyiroda (Festival<br />

Eintrittskarten) 1075 Budapest, Síp u. 12.<br />

Telefon: 413-55-31 31 | Fax: 462-04-78 | E-mail: zsikk@aviv.hu<br />

Veranstalter des<br />

Jüdischen<br />

Sommerfestivals: estiva<br />

Tourismus und Kulturzentrum der<br />

Budapester Jüdischen Gemeinschaft. Die Veranstalter behalten<br />

sich das<br />

Recht<br />

zur Programmänderung vor.<br />

ERÖFFNUNG DES PROJEKTS<br />

www.jewishfestival.hu<br />

ww.jewi<br />

estival.h<br />

ARNEZHOFERSTRASSE –<br />

EIN STRASSENNAME ALS MAHNMAL<br />

Sonntag, 2. August 2009, 19.00 Uhr<br />

1020, Arnezhoferstraße 7<br />

Die Geschichte der Arnezhoferstraße wird anhand<br />

sieben an der Fassade montierter Tafeln fragmentarisch<br />

ausgestellt:<br />

Bis dato erfährt der Pfarrer und agitatorische Antisemit<br />

Johann Ignaz Arnezhofer, der im 17. Jahr hun -<br />

dert die Vertreibung der <strong>Wien</strong>er Juden organisierte,<br />

eine offizielle und im kollektiven Bewusstsein verankerte<br />

Würdigung.<br />

Das Projekt kann als Ausstellung zur Kontinuität<br />

des Antisemitismus in <strong>Wien</strong> gelesen werden: am 2.<br />

Au gust 1938 wurde die Ausstellung „Der ewige<br />

Jude“ in <strong>Wien</strong> eröffnet.<br />

http://arnezhoferstrasse.currentlynowhere.com<br />

„Ich bin´s leid, in einer Straße zu wohnen, die an einen<br />

Antisemiten erinnert.”<br />

Erich Koller, Initiator<br />

2 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769


AUS DEM GENERALSEKRETARIAT<br />

Spenden spart Steuer<br />

Spenden an die IKG können ab heuer von der Steuer abgesetzt werden<br />

Seit vielen Jahren kämpfen spendensammelnde<br />

Organisationen in Ös ter reich, unter anderem auch die<br />

iKG, darum, dass Spenden von der Steuer abgesetzt werden<br />

können. Was in anderen Ländern längst selbstverständlich<br />

ist, bedurfte in Ös terreich jahrelanger Bemühun -<br />

gen. Es dauerte lange, bis sich auch beim Gesetzgeber die<br />

Erkenntnis durchsetzte, dass nGO’s und nPO’s wesentliche<br />

gesellschaftliche Auf ga ben erfüllen, die die öf fent liche<br />

Hand nicht, oder nur eingeschränkt, erfüllen kann. Und es<br />

sind gerade diese Organisationen, die zur Fi nan zierung<br />

ihrer Tätig kei ten auf Spen den angewesen sind.<br />

noch die alte Bundesregierung ei nig te sich 2008 grundsätzlich<br />

da rauf, die möglichkeit der Spenden absetzbar keit<br />

zu ermöglichen. Dann kamen die nationalrats wah len<br />

und es verzögerte sich weiter. Heuer war es dann so weit<br />

und mit dem Steu er reformgesetz 2009 wurde endlich die<br />

nötige gesetzliche Grund lage ge schaf fen.<br />

Die iKG hat sich nach Bekannt wer den der neuen<br />

möglichkeit so fort darum be müht einen Begün s ti -<br />

gungsbe scheid des Finanzminis te ri ums zu erhalten. Da<br />

die Krite ri en, die eine Or ga nisa ti on erfüllen muss, vom<br />

Gesetz her sehr eng gesteckt sind, war es ein schwieriger<br />

Weg.<br />

Die <strong>Kultusgemeinde</strong> selbst, die ne ben ihren umfangreichen<br />

sozialen Aufga ben auch andere Ge schäfts bereiche<br />

betreibt, (z.B.: im mo bi lienverwal tung), konnte die Be gün -<br />

stigung nicht erhalten. Des halb mussten wir einen der<br />

iKG nahe ste henden Verein heranziehen, der alle<br />

Kriterien, die das Gesetz ver langt, erfüllen kann Dieser<br />

neue Verein „Tmicha – Verein zur Un ter stützung<br />

Hilfsbedürftiger“ erfüllt al le vom Gesetz geforderten Auf la -<br />

gen, die zusätzlich von einem un ab hän gi gen<br />

Wirtschaftsprüfer ge prüft und bestätigt werden mussten.<br />

Da die iKG in ihrer Spen den ver wal-tung sich selbst strenge<br />

Regeln auferlegt, konnte die Bestätigung des Wirt -<br />

schaftsprüfers erlangt wer den. Der<br />

Begünstigungsbescheid des Fi nanzministeriums wurde<br />

uns deshalb auch prompt erteilt.<br />

Damit können alle Spenden für mild tätige Zwecke an den<br />

Verein Tmicha, der ausschließlich bedürftige Perso nen aus<br />

dem Kreis der Kul tusgemeinde unterstützt, ab dem Jahr<br />

2009 von der Steuer ab ge setzt werden.<br />

Wie kommen Sie, als Spender, in den Genuss der<br />

Absetzbarkeit?<br />

Wenn Sie in den Genuss der Steu er er leichterung kommen<br />

wollen, sammeln Sie bitte ihre Einzahlungs be lege (Zahl-<br />

scheine, Abbuchungs auf träge, Konto auszüge mit Überweisungsaufträgen,<br />

etc.).<br />

Die Bele ge müssen den namen des begüns tig ten<br />

Spendenempfängers, al so „Tmicha - Verein zur Unter stüt -<br />

zung Hilfsbedürftiger“, ihren na men und Anschrift und<br />

das Datum der Ein zah lung aufweisen.<br />

Den Ge samt be trag ihrer Spenden können Sie in ihrem<br />

Jahresausgleich geltend ma chen. Obergrenze sind 10% ih -<br />

res Jah res brut to-Einkommens, bei Un ter neh men 10% des<br />

Vor jahr ge winns.<br />

Wie spenden Sie in Zukunft?<br />

Bitte überweisen Sie ihre Spende für mildtätige Zwecke<br />

an „Tmicha – Ver ein zur Unterstützung Hilfs be dürf ti ger“, auf<br />

das Konto der PSK nr. 005 100 100 51, BLZ 60000.<br />

Erlagscheine erhalten Sie im mit glie derservice (Tel.<br />

01/53104-190) oder bei den mitarbeiterinnen der Fund -<br />

raisingabteilung.<br />

Allgemeine informationen zu dem Thema<br />

Spendenabsetzbarkeit finden Sie unter www.bmf.gv.at/Ab -<br />

setz bare Spenden.<br />

mag. Friedrich Herzog<br />

Generalsekretär für kfm. Angelegenheiten<br />

In Kürze<br />

SPENDENABSETZBARKEIT<br />

Der Verein „Tmicha - zur Unterstüt zung<br />

Hilfs be dürf ti ger“, der ausschließlich<br />

be dürftige Perso nen aus dem<br />

Kreis der Kultus ge mein de<br />

unterstützt, ist eine spen den -<br />

be güns tigte Or gani sa ti on. Daher<br />

sind alle Spenden an Tmi cha und<br />

deren Sozialprojekte, steuerlich ab -<br />

setzbar.<br />

Dafür können Sie spenden<br />

Sozial-Patenschaft – Ihr Beitrag zur Hil fe<br />

Übernehmen Sie eine Patenschaft für das Projekt Ze da ka.<br />

Das ist ein So zi al projekt für einmalige Zu schüsse an Hilfs -<br />

bedürftige. Ihr monatlicher Beitrag sind 50 Euro.<br />

Übernehmen Sie eine Patenschaft für das Projekt Ches sed.<br />

Das ist ein So zial projekt für fortlaufende finanzielle Zu wen -<br />

dungen an Hilfsbedürftige. Ihr monatlicher Beitrag sind<br />

100 Euro.<br />

Details folgen in der nächsten Aus ga be „Die Gemeinde“.<br />

Konto<br />

Tmicha – Verein zur Unterstützung Hilfsbedürftiger<br />

PSK Nr. 005 100 100 51, BLZ 60000<br />

Danke für Ihr Interesse und Ihre Hilfe!<br />

Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 3


IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />

SERIE<br />

Hinter den Kulissen –<br />

Die IKG <strong>Wien</strong> stellt sich vor<br />

Teil 11: Das Rabbinat<br />

Religion vermitteln, betont Eisen berg.<br />

Er bittet, sich bei einer ins Auge ge -<br />

fassten Heirat so früh als möglich mit<br />

ihm in Verbindung zu setzen. Einer -<br />

seits könne man so Terminkollisionen<br />

vermeiden. Andererseits gehe es aber<br />

auch um die Vorbereitung des Paares.<br />

„Und immer wieder beschließt dann ein<br />

junges Paar, dass in ihrem neuen Haus<br />

koscher gekocht und gegessen wird“, freut<br />

sich Eisenberg.<br />

Grundsätzlich sei „der Rabbiner immer<br />

auch ein bisschen ein Lehrer“. Das trifft<br />

besonders bei der Vorbereitung junger<br />

Burschen auf ihre Bat mitzwa zu. Hier<br />

ist eine erste Kontaktaufnahme ein<br />

Jahr vor dem Termin sinnvoll, betont<br />

Eisenberg, vor allem dann, wenn der<br />

junge mann keine jüdische Schule<br />

besuche. Schließlich gehe es nicht nur<br />

ums Vorbereiten des entsprechenden<br />

Wochenabschnitts, der für jeden ein<br />

anderer ist und damit individuellen<br />

Privatunterricht nötig macht, sondern<br />

auch um Dinge, wie richtig Tefillin,<br />

also die Gebetsriemen, anzulegen.<br />

Eisenberg kann aus Zeitgründen zwar<br />

die Buben nicht persönlich auf den<br />

großen Tag vorbereiten, ist aber im mer<br />

behilflich bei der Suche nach einem ge -<br />

eigneten Lehrer. Oberkantor Shmuel<br />

Barzilai beispielsweise bereite immer<br />

wieder Buben auf ihre Bar mitzwa vor.<br />

im Stadttempel gibt es zudem seit neu -<br />

estem auch Bat mitzwas. Den Auf ruf<br />

zur Thora erlaube die Halacha zwar<br />

nicht, betont Eisenberg, „aber mir ist es<br />

wichtig, dass sich die Mädchen nicht zweit -<br />

rangig fühlen“. meist würden die jungen<br />

Damen eine Rede halten, in der es<br />

um die Bedeutung der Frau im Juden -<br />

tum gehe.<br />

im Gegensatz zu Hochzeiten und Bar<br />

mitzwas sind Begräbnisse nicht planbar.<br />

Hier ist Eisenberg auch froh, dass<br />

er sich diese Aufgabe mit den anderen<br />

<strong>Wien</strong>er Rabbinern teilt. immer wieserVice<br />

erreichbarkeit<br />

Das Rabbinat ist werktags unter<br />

Tel. 01 - 53 104 - DW 111 erreichbar.<br />

Im Juli und August ist das Rabbinat allerdings<br />

nicht durchgängig besetzt.<br />

Die mail-Adresse lautet:<br />

rabbinat@ikg-wien.at.<br />

„Besonders am<br />

Herzen liegt mir,<br />

dass viele junge<br />

Leute kommen“<br />

Als Oberrabbiner der jüdischen<br />

Gemeinden Österreichs ist<br />

Paul Chaim Eisenberg nicht nur<br />

Gemeindemitgliedern, sondern auch<br />

einer breiteren Öffentlichkeit ein<br />

Begriff. Bekannt sind sein Humor,<br />

sein Talent, Anekdoten zu erzählen,<br />

und seine Liebe zur Musik.<br />

Seine Tage sind aber vor allem durch<br />

einen vollen Terminkalender geprägt.<br />

Ein Oberrabbiner hat wenig Freizeit –<br />

schon gar nicht an den Feiertagen.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

Bar mitzwas, Bat mitzwas, Hochzei -<br />

ten, Begräbnisse, Termine mit dem of -<br />

fiziellen Österreich: ein Oberrabbiner<br />

hat immer alle Hände voll zu tun. Be -<br />

sonders am Herzen liegt Eisenberg<br />

aber vor allem: „der Stadttempel“ – „und<br />

dass viele junge Leute kommen“. Wäh -<br />

rend chassidisch beziehungswei se<br />

streng orthodox geführte Sy na gogen<br />

von 95 Prozent ihrer mitglieder regelmäßig,<br />

ja täglich, besucht werden, sieht<br />

das im Stadttempel – vor allem auch<br />

seit der Gründung des Sefardischen<br />

Zen trums - etwas anders aus. Eisen -<br />

berg freut sich, wenn an einem Schab -<br />

bat-nachmittag 30 statt 16 menschen<br />

kommen, weil er vor dem Gebet ei nen<br />

Thora-Vortrag hält. „Zu Rosch Ha Scha -<br />

na ist der Tempel voll. Zu Jom Kippur<br />

platzt er aus allen Nähten.“<br />

Es sind gerade die „Lebensanlässe“<br />

wie Hochzeiten, die viele menschen<br />

ein Bedürfnis nach größerer nähe zur<br />

4 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769


IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />

der bemüht er sich allerdings bei den<br />

Behörden, dass Tote möglichst ohne<br />

Obduktion rasch zur Bestattung frei<br />

gegeben werden. natürlich besucht er<br />

auch Familien, die Schiwe sitzen, und<br />

organisiert dort auch, wenn es ge -<br />

wünscht wird, G’ttesdienste.<br />

Grundsätzlich hat Eisenberg als Ober -<br />

rabbiner für alle Sorgen seiner Ge -<br />

mein demitglieder ein offenes Ohr. Bei<br />

einem Termin in seinem Büro in der<br />

Seitenstettengasse kann alles besprochen<br />

werden: von Ehe- bis zu Erzie -<br />

hungs problemen, von finanziellen Sor -<br />

gen bis zu religiösen Fragen. Eisen berg<br />

betont, dass seine Tür auch ohne vorherige<br />

Anmeldung jedem offen stehe.<br />

Eine vorherige telefonische Ankündi -<br />

gung des Kommens lohnt sich dennoch,<br />

schon aus Sicherheitsgründen.<br />

Berufstätigen hört der Oberrabbiner<br />

auch gerne frühabends zu. nur Sonn -<br />

tage sind für die Familie reserviert.<br />

Schließlich müsse er als Rabbiner ja<br />

ohnehin jeden Feiertag arbeiten, sagt<br />

Eisenberg, und bittet um Verständnis.<br />

So manche Hochzeit und so manches<br />

Begräbnis macht ihm ohnedies einen<br />

Strich durch die „Sonntag ist mein<br />

freier Tag“-Rechnung.<br />

Eisenberg beklagt zudem, dass viele<br />

erst mit ihren Problemen zu ihm kä -<br />

men, „wenn bereits alle anderen Stricke<br />

gerissen sind“. Wer früher komme, dem<br />

könne er auch besser helfen. Andere<br />

wiederum dächten, er als Oberrab bi -<br />

ner, könne im Handumdrehen „eine<br />

große, günstige Wohnung im Zentrum<br />

und einen guten Job vermitteln“. Dem<br />

sei natürlich nicht so. in der Kultus ge -<br />

meinde gebe es aber glücklicherweise<br />

andere Abteilungen, die hier besser<br />

weiterhelfen könnten und an die er<br />

dann verweise. Eisenberg nennt hier<br />

vor allem ESRA. Etwas Kritik übt Ei -<br />

sen berg daran, dass vor allem finanzielle<br />

Hilfe oft gar nicht leicht aufzutreiben<br />

sei. „Manchmal wundere ich mich,<br />

wieviele Fragen wohlhabende Menschen<br />

stellen, bevor sie ein paar Euro herausrücken.“<br />

Freuen würde sich Eisenberg<br />

zudem, auch von dem einen oder an -<br />

deren, dem er tatsächlich helfen konn -<br />

te, zu hören, wie das Problem schluss -<br />

endlich gelöst worden sei.<br />

manches mal suchen übrigens auch<br />

nichtjuden Rat bei Eisenberg. in seinem<br />

Buch „Erlebnisse eines Rabbi ners“<br />

schildert er die folgende Episode:<br />

„Einmal kam ein Mann zu mir und wollte<br />

mir von den Problemen in seiner Ehe be -<br />

richten. Da ich glaube, fast alle Mit glie der<br />

meiner Gemeinde zu kennen, und dieser<br />

Mann mir nicht bekannt war, fragte ich<br />

ihn, ob er Mitglied der <strong>Kultusgemeinde</strong><br />

wä re. Er antwortete mir daraufhin, dass<br />

er Katholik sei. Als ich ihn fragte, warum er<br />

denn nicht zu seinem katholischen Pries ter<br />

gehe, antwortete er mir: ‚Der ist ja nicht<br />

verheiratet und kennt sich deshalb mit<br />

Eheproblemen nicht so gut aus wie Sie,<br />

Herr Rabbiner …“<br />

Ein großes Anliegen ist Eisenberg,<br />

Schü ler der achten Klasse Gymna si um<br />

in Religion zu unterrichten, die keine<br />

jüdische Schule besuchen. Er ist es<br />

auch, der dann die Religionsmatura<br />

abnimmt. Schiurim gibt Eisenberg<br />

ansonsten nur für Gruppen, sei es in<br />

der Seitenstettengasse oder in seiner<br />

nahe des Stadttempels gelegenen<br />

Wohnung.<br />

Weniger erquicklich, aber dennoch nö -<br />

tig, sind die Besuche jüdischer Häft -<br />

linge in Gefängnissen. natürlich be -<br />

sucht Eisenberg auch Kranke, so er von<br />

deren Spitalsaufenthalt informiert<br />

wird. Diese Aufgaben teilt er sich<br />

eben falls mit den anderen <strong>Wien</strong>er<br />

Rabbinern.<br />

Als Oberrabbiner leitet Eisenberg nicht<br />

nur den Stadttempel, sondern ver tritt<br />

das religiöse Judentum auch nach<br />

außen. Hier ist ihm vor allem der in -<br />

ter religiöse Dialog ein Anliegen, aber<br />

auch das Eintreten für Offenheit und<br />

Toleranz gegenüber anderen. 1993<br />

ergriff er daher beim „Lichtermeer“<br />

als Redner das Wort. „Ich wende mich<br />

auch grundsätzlich ausdrücklich gegen je -<br />

de Form des Fundamentalismus.“ im mer<br />

wieder werde er auch zu religionsübergreifenden<br />

Festakten eingeladen,<br />

erzählt Eisenberg. Als Beispiele nennt<br />

er den 9/11 2001 sowie den Tsunami<br />

von 2004. Auf europäischer Ebene ist<br />

Eisenberg im Vorstand der Europäi -<br />

schen Rabbinerkonferenz vertreten.<br />

Zwei mal im Jahr treffe man einander,<br />

„um gemeinsame Probleme zu be spre -<br />

chen“. „Derzeit ist das Schächten ein<br />

großes Thema“, erzählt Eisenberg.<br />

Die Überprüfung der Kaschrut fällt<br />

übrigens nicht in seine Zuständigkeit<br />

– hier seien andere Rabbiner verantwortlich,<br />

betont der Oberrabbiner<br />

sichtlich erleichtert. Er setze sich aber<br />

stets dafür ein, „dass koscheres Essen<br />

auch für nicht so reiche Leute erschwinglich<br />

sein soll“.<br />

Bei seinen vielfältigen Aufgaben steht<br />

Eisenberg seit kurzem Gemeinderab -<br />

biner Shlomo Hofmeister unterstützend<br />

zur Seite. Rami Ungar-Klein ist Scha -<br />

mes und als solcher ebenfalls Tag für<br />

Tag im Dienst des Rabbinats auf den<br />

Beinen. Für das Sekretariat ist Mona<br />

Joskowicz verantwortlich.<br />

Angesprochen auf seinen Vater, den<br />

früheren Oberrabiner Akiba Eisenberg,<br />

betont Paul Chaim Eisenberg, dass er<br />

sich einerseits sehr viel von seinem<br />

Vater abgeschaut habe, andererseits<br />

Akiba<br />

Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 5


IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />

aber auch vieles anders mache. Ge -<br />

mein sam seien ihnen „die guten Kon -<br />

tak te, das gute Einvernehmen mit der<br />

Ortho doxie“. Als Shoah-Überlebender<br />

habe sein Vater dagegen „doch immer<br />

ein gewisses Misstrauen gegenüber der<br />

Ehrlichkeit der interreligiösen Partner ge -<br />

hegt“. Sein Vater sei zudem „etwas for -<br />

meller als ich“ aufgetreten, „ich bin doch<br />

mit viel mehr Leuten per du als er es war“.<br />

im Ausland, vor allem in israel, stößt<br />

Ei senberg manches mal auf Unver -<br />

ständ nis, wenn er sagt, dass er in Ös -<br />

ter reich lebt. Dann erklärt er, dass sein<br />

Va ter Akiba Eisenberg aus Ungarn<br />

kam, dort die Shoah überlebte, und<br />

danach im Gegensatz zum dort herrschenden<br />

Kommunismus Österreich<br />

als Land der Freiheit empfand. in „Er-<br />

lebnisse eines Rabbiners“ zitiert er zu -<br />

dem die Ant wort, die sein Vater stets<br />

auf diese Fra ge gegeben hatte: „Ich<br />

war während der Shoah in Ungarn. Die<br />

Ent täu schungen, die ich dort erlebt habe,<br />

wa ren, dass ein Teil der ungarischen<br />

Bevöl ke rung mit den Na zis kollaboriert<br />

und uns schon vorher nicht gerade<br />

freund lich be handelt hatte. Später, als die<br />

Herr schaft der Kommu nisten b e gann<br />

oder ab zu sehen war, da war das An gebot,<br />

Ober rab biner in <strong>Wien</strong> zu werden, für mich<br />

eher als Rettung zu sehen und nicht als<br />

Zu mutung.“<br />

Akiba Eisenberg s. A.<br />

1908 - 1983<br />

geb. am 30. September 1908 in Ne mes -<br />

súr, (Slo wakei), gestorben am 8. April<br />

1983 in <strong>Wien</strong>. Akiba Eienberg war der<br />

ers te Oberrabbiner der Israe li ti schen<br />

<strong>Kultusgemeinde</strong> in <strong>Wien</strong> nach dem<br />

Zwei ten Weltkrieg und übte 35 Jahre<br />

lang dieses Amt aus.<br />

Akiba Eisenberg wuchs in Vác (Un-<br />

garn) auf, besuchte die Je schi wot in<br />

Vác und Pápa, erlangte mit 21 Jahren<br />

das Rabbi ner diplom, hol te in Buda pest<br />

die Ma tura nach und erlangte das<br />

zweite Rabbiner di plom bei Michael<br />

Guttmann.<br />

An der Universität Budapest studierte<br />

er Philosophie und orientalische<br />

Spra chen. Promotion 1937.<br />

Nach seinem Studium arbeitete er<br />

als Religionslehrer für die jü dische<br />

Ge mein de in Pest und wurde 1947<br />

Rab bi ner in Györ.<br />

Die Zeit des Na tionalsozialismus<br />

über lebte er versteckt auf dem Land.<br />

1948 heiratete er in Budapest die aus<br />

Ungarn stammende Eva Kalisch und<br />

übersiedelte nach <strong>Wien</strong>, wo er das Or -<br />

dinariat des Oberrabbiners übernahm.<br />

Eisenberg gehörte der 1902 gegrün -<br />

de ten orthodox-zionistischen Be we -<br />

gung Misrachi an.<br />

Nach seinem Tod im Jahre 1983 übernahm<br />

sein Sohn Paul Chaim Eisen -<br />

berg das Amt.<br />

zur Person<br />

oberrabbiner Paul chaim eisenberg, geb. 1950 in <strong>Wien</strong>, studierte zu nächst<br />

ma the ma tik an der Uni ver si tät <strong>Wien</strong>, bevor er am „is rael To rah Research<br />

institute“ ein Leh rer diplom und den „Bachelor of He brew Letters“ erwarb.<br />

Rab bi nerdiplom vom „ARiEL-institut“.<br />

Ab 1978 Ju gend- und Gemein de rab biner un ter seinem Vater und Amts vor -<br />

gän ger, Ober rab bi ner Aki ba Eisen berg. 1979 mitinitiator der Grün dung der<br />

Zwi Perez Chajes-Schule.<br />

Seit 1983 Ober rabbiner von <strong>Wien</strong>, seit 1988 Oberrabbiner des Bun des ver -<br />

ban des der isra eli ti schen Kul tus ge meinden Österreichs. 1988 zu dem<br />

mitbegründer des „Jüdischen in stituts für Erwachse nen bil dung“.<br />

Seit 1989 mitglied des Vor standes der Europäischen Rabbiner kon fe renz.<br />

1993 Redner beim „Lichter meer“ gegen fremden- und minderheitsfeindliche<br />

Tenden zen von SOS mit mensch.<br />

2002 Verleihung des Titels „Profes sor“ durch den damaligen Bundes -<br />

präsidenten Tho mas Kles til.<br />

Eisenberg ist verheiratet, Vater von sechs Kin dern, die heute in israel leben,<br />

und Groß vater von 13 En kel kindern. Vier davon kamen in den vergangenen<br />

monaten zur Welt.<br />

Paul Chaim Eisenberg<br />

Erlebnisse eines Rabbiners.<br />

Geschichte und Geschichten<br />

in Zusammenarbeit mit Evelyn Adunka<br />

Molden Verlag<br />

Buchtipp<br />

6 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769


DOSSIER • STIMMUNGSBILDER INLAND<br />

Bedenkliche Zeiten<br />

auch in Österreich<br />

– Stimmungsbilder II<br />

POLITIK<br />

©Reuters<br />

Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 7


DOSSIER • STIMMUNGSBILDER INLAND<br />

Neuer Eigentümer für „Landschaft des<br />

Schreckens“ gesucht<br />

© christoph mayer chm. (NARA, DORIS)<br />

Überlappende Luftaufnahmen des Konzentrationslagerkomplexes Gusen bzw. des heutigen Gusen.<br />

Und Österreich hinkt wieder<br />

einmal hinterher. Dieser Satz kommt<br />

Ihnen bekannt vor? Kein Wunder – so<br />

haben wir in der Juni-„Gemeinde“ den<br />

Bericht über die Vermittlungsarbeit<br />

an der KZ-Gedenkstätte Mauthausen<br />

betitelt. Dieser war kaum gedruckt,<br />

da flatterte ein Aufschrei des<br />

Gedenkkomitees Gusen in die<br />

Redaktion: die dort von KZ-<br />

„Häftlingen“ in der NS-Zeit errichtete<br />

Stollenanlage werde zur Zeit von der<br />

Bundesimmobiliengesellschaft (BIG)<br />

„verfüllt“ und damit zerstört.<br />

Die BIG argumentiert mit „Gefahr<br />

in Verzug“. „Die Gemeinde“ hat<br />

sich den Umgang der Region,<br />

aber auch des Bundes mit dem<br />

ehemaligen KZ-Areal näher angesehen.<br />

Das Ergebnis: ernüchternd.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

Vieles, was den Alltag der zwischen<br />

1940 und 1945 insgesamt an die<br />

70.000 in das Konzentrationslager<br />

Gusen im heu ti gen Bezirk Perg in<br />

Ober österreich de por tierten men -<br />

schen prägte, ist heute nicht mehr er -<br />

halten. Als die Amerikaner das Lager<br />

Anfang mai 1945 übernahmen, sahen<br />

sie sich vor allem mit Schwer kran ken<br />

und schwachen ehemaligen „Häft lin -<br />

gen“ konfrontiert. Um die Aus brei tung<br />

von Seuchen zu vermeiden, brannten<br />

sie einige Holzbaracken nieder.<br />

Als das Lager etwas später in die Ob -<br />

hut der Sowjets übertragen wurde, ver -<br />

kauften diese alles aus den Ba rac ken,<br />

was nicht niet- und nagelfest war. Vor<br />

allem das Holz war in der Umgebung<br />

als Brennstoff heiß begehrt, erzählt<br />

Eva-Maria Höhne, Generalkonser va to -<br />

rin am Bundesdenkmalamt (BDA),<br />

im Gespräch mit „Die Gemeinde“.<br />

Und: die Russen versuchten die Stol -<br />

len anlagen zu sprengen, um eine weitere<br />

Verwendung als Produktions stät te<br />

für Rüstungsgüter – dazu waren die<br />

unterirdischen Anlagen von der SS an -<br />

gelegt und benutzt worden – für alle<br />

Zeiten zu verhindern. Die Spren gung<br />

misslang, beschädigte die Stollen aber.<br />

Die Konsequenzen treten nun zutage,<br />

Verbrüche nähren die Sorge der BiG,<br />

es könnte zu Einstürzen kommen.<br />

Schließlich wurde das Areal, das einst<br />

das größte nS-Bauwerk auf heimischem<br />

Boden beherbergte, 1955 an<br />

Österreich zurückgegeben. Da passierte<br />

dann „die zweite Tragödie“, so Höhle.<br />

Vertriebenen, vorwiegend sudetendeutschen<br />

Flüchtlingen, sei ein Teil des<br />

Lagers Gusen i (das Hauptlager, Gu -<br />

8 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769


DOSSIER • STIMMUNGSBILDER INLAND<br />

sen ii bestand aus Baracken, Gusen iii<br />

diente der Versorgung) als billiger Bau -<br />

grund angeboten worden. „Die haben<br />

hier neu begonnen, haben sich Häuser ge -<br />

baut.“<br />

Sudetendeutsche Siedler<br />

Stehen gelassen wurde allerdings der<br />

Doppelmuffelofen der Firma Topf &<br />

Söhne. Er hatte in der nS-Zeit als Kre -<br />

matorium gedient, tausende Lei chen<br />

waren in ihm verbrannt worden. Der<br />

Ofen befand sich auf dem Grund stück<br />

1551/1. Zu ihm hatten sich zwei Ge -<br />

denksteine gesellt: einer mit französischer,<br />

einer mit polnischer in schrift.<br />

Genau dieses Grundstück wollte 1956<br />

eine Gastwirtin kaufen, weshalb sie bei<br />

der Finanz landes di rek tion Oberöster -<br />

reich um entsprechende Genehmi gung<br />

ansuchte.<br />

Der Grundstückseigentümer Bund<br />

wollte diesem Verkauf durchaus zu -<br />

stim men, zuerst aber den weiteren Ver -<br />

bleib des Ofens und der beiden Stei ne<br />

klären. Das Thema beschäftigte die<br />

regionale und überregionale Politik,<br />

bis schließlich der oberösterreichische<br />

Landeshauptmannstellvertreter Lud -<br />

wig Bernaschek (SPÖ) in einem Schrei -<br />

ben an seinen Parteikollegen, innen -<br />

mi nister Oskar Helmer, vorschlug die<br />

Objekte stillschweigend nach maut -<br />

hau sen zu verbringen. Dazu war es<br />

al lerdings zu spät, wie Helmer be -<br />

dau erte, denn Polens und Frank -<br />

reichs Regierung hätten sich bereits<br />

nach dem Gedenkort erkundigt.<br />

Es waren schließlich ehemalige italienische<br />

Gusen-„Häftlinge“, die mit dem<br />

Bund in Verhandlungen traten, um das<br />

Grundstück zu kaufen. Das Geschäft<br />

ging 1961 über die Bühne, anschliessend<br />

schenkte die Opfergruppe der<br />

Gemeinde das kleine Areal. Ein me -<br />

mo rial entstand, dessen Errichtung<br />

die Gemeinde zwar zustimmte – das<br />

Geld brachten aber erneut „Häft -<br />

lings“-Verbände auf. Die Planung<br />

übernahm die italienische Architek -<br />

tengruppe B.B.P.R. (Banfi, Belgiojoso,<br />

Peressutti und Rogers). Lodovico<br />

Belgiojoso war selbst in Gusen interniert<br />

gewesen, Gian Luigi Banfi dort<br />

umgekommen.<br />

Das kleine memorial wurde am 8. mai<br />

1965 eingeweiht. Rund 30 Jahre später<br />

– 1997 – wurde es der Obhut des<br />

innenministeriums übergeben und<br />

damit zum öffentlichen Denkmal.<br />

2004 errichtete das innenministerium<br />

daneben ein Besucherzentrum, das<br />

die Topographie des ehemaligen La -<br />

gers vermitteln, über „Zwangsarbeit“<br />

und „Vernichtung“ informieren und<br />

von der Befreiung des Lagers erzählen<br />

soll.<br />

Champignonzucht in Stollen<br />

mehr an öffentlich zugänglichem La -<br />

ger areal ist heute kaum mehr vorhanden.<br />

Die Stollen, deren Bau in der nS-<br />

Zeit tausende Tote gefordert hatten<br />

und in denen Waffen, aber auch mes -<br />

serschmitt-Düsenflugzeuge gefertigt<br />

worden waren, wurden in der nach -<br />

kriegszeit beispielsweise zur Cham -<br />

pi gnonzucht genutzt.<br />

insgesamt gibt es zu den Stollen, die<br />

2001 in das Eigentum der Bundesim -<br />

mo biliengesellschaft (BiG) übertragen<br />

wurden, keinen öffentlichen Zu gang<br />

mehr, schildert Martha Gammer, Spre -<br />

cherin des Gedenkkomitees Gu sen,<br />

gegenüber „Die Gemeinde“ die heutige<br />

Situation. „Die Anlage kann nicht<br />

betreten werden und konnte auch in der<br />

Vergangenheit nicht betreten werden.<br />

Nach der Sprengung 1947 züchtete ein lo -<br />

kaler Mensch mit Einwilligung des Ober -<br />

flächenbesitzers darin Cham pi gnons, der<br />

Oberflächenbesitzer, Herr Pötsch, glaubte<br />

sich lange Zeit auch als Stollenbesitzer,<br />

was gerichtlich 2001 mit einem Vergleich<br />

Pötsch – Innenministerium geklärt werden<br />

konnte.“<br />

16,7 Quadratmeter Oberfläche vor<br />

einem Tor zum ehemaligen KZ Gusen<br />

gehörten aber nach wie vor diesem<br />

mann, so Gammer. „Und da darf niemand<br />

drüber, wie auch auf einer Tafel zu<br />

lesen ist. Alle anderen ehemaligen Ein -<br />

gän ge sind entweder von der Sprengung<br />

1947 verschüttet und sowieso in Privat -<br />

be sitz. Ein anderer Eingang befindet sich<br />

im Wasserschutzgebiet der Gemeinde und<br />

ist im Lauf von 63 Jahren völlig verschlammt,<br />

mannshoch verschüttet und<br />

nicht mehr begehbar“, schildert die Spre -<br />

cherin jenes Komitees, das sich der<br />

Über lebenden und deren nach kom -<br />

men annimmt.<br />

Und es war auch just Gammer, die im<br />

interesse genau dieser Gruppe, also<br />

der Opfer, Ende Juni mit einem schrift -<br />

lichen Aufschrei aufhorchen ließ: die<br />

BiG sei dabei, die Stollenanlage zu<br />

ver füllen und damit zu zerstören, so<br />

der Vorwurf. „Wir verlangen totalen<br />

Bau stopp und eine internationale Überlegung,<br />

wie die Anlage in weiten Teilen er -<br />

hal ten und für gemeldete Besucher zu gäng -<br />

lich gemacht werden könnte. Der derzeitige<br />

Zustand ist unerträglich. Die nächsten<br />

Generationen der Neonazis werden sa gen:<br />

Hat es nie gegeben. Keine Spuren fassbar.“<br />

im innenministerium zeigte man sich<br />

daraufhin zunächst etwas irritiert.<br />

man hätte sich gewünscht, von der<br />

BiG von der Baumaßnahme informiert<br />

zu werden, auch, um die medien entsprechend<br />

informieren und sich die<br />

nun vom Zaun gebrochene Debatte<br />

ersparen zu können, so ein Sprecher.<br />

Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 9


DOSSIER • STIMMUNGSBILDER INLAND<br />

Jerusalem, July 1, 2009<br />

H.E. Mr. Michael Rendi<br />

Ambassador of Austria to Israel<br />

Your Excellency,<br />

I am writing to express our concern re -<br />

gar ding a matter of increasing urgency:<br />

The ongoing landfill work at the St. Ge -<br />

orgen an der Gusen camp site in<br />

Austria.<br />

For some time, various Austrian and in -<br />

ter national bodies have been protesting<br />

this highly problematic process, which<br />

clearly endangers a site that com me -<br />

mo rates the brutal immorality of the Nazi<br />

regime. On December 15 th , 2008, the<br />

Memorials and Museums Working<br />

Group of the 27-nation Task Force for<br />

International Cooperation on Holo caust<br />

Education, Remembrance and Research<br />

(ITF), issued a statement emphasizing<br />

that procedures underway, with the ap -<br />

proval of the Austrian Ministries of the<br />

Interior and of Economic Affairs, to fill<br />

considerable parts of the Gusen site with<br />

trash, and to dismantle authentic Nazi<br />

camp structures, were unacceptable.<br />

Yad Vashem wholeheartedly supported<br />

that statement and continues to do so.<br />

The ITF Chair at that time, Austrian Am -<br />

bassador Ferdinand von Traut manns -<br />

dorf endorsed the statement and conveyed<br />

it to relevant authorities within<br />

your Government. At last week’s ITF<br />

Plenary meeting in Oslo, the Austrian re -<br />

presentative, Hannah Lessing (who ser -<br />

ves as the Secretary General of Aus tria’s<br />

National Fund for Victims of National<br />

Socialism), reported that your Govern -<br />

ment was committed to preventing da -<br />

mage to historically significant components<br />

of the Gusen complex.<br />

Nevertheless, reports continue to reach<br />

us to the contrary, and it would appear<br />

that the danger to Gusen is still real<br />

and present.<br />

On behalf of Yad Vashem and all parties<br />

committed to vigorously guarding<br />

the educational and commemorative le -<br />

gacy of the Holocaust, I urge your Ex cel -<br />

lency to speedily clarify to the Austrian<br />

authorities the gravity of the situation<br />

and our expectation that facts on the<br />

ground at Gusen be rectified with the<br />

utmost haste and firmness.<br />

Sincerely,<br />

Avner Shalev<br />

Chairman Yad Vashem Directorate<br />

Aber: die maßnahme sei nötig, es be -<br />

ste he „Gefahr in Verzug“, wie innen -<br />

minis terium, BiG und Bundesdenk -<br />

mal amt unisono beteuerten. Die<br />

interessenslage der drei institutionen<br />

geht allerdings weit auseinander.<br />

Zwölf Millionen Euro<br />

Die BiG pumpte mit der nun gestarteten<br />

Verfüllung einsturzgefährdeter<br />

Stollen nach bereits acht in dieses<br />

Areal investierten millionen Euro<br />

weitere vier millionen Euro in die<br />

Sicherung. „Wir tun das nicht aus Jux<br />

und Tollerei“, betonte BiG-Sprecher<br />

Ernst Eichinger, sondern weil man<br />

hafte. Die Stollen seien so genannte<br />

Superädifikate, darüber lägen private<br />

Häuser, landwirtschaftlich genutzte<br />

Flächen, eine Bundesstraße. Anfang<br />

Juli dann der Paukenschlag: in einer<br />

Pressekonferenz in St. Georgen bietet<br />

Eichinger an, die Stollenanlage güns -<br />

tig oder sogar kostenlos abzugeben.<br />

man sei als BiG für die Sicherheit zu -<br />

ständig, nicht aber für die Errichtung<br />

einer Gedenkstätte.<br />

Sowohl Eichinger als auch der SPÖ-<br />

Bürgermeister von St. Georgen, Erich<br />

Wahl, sehen hier das innenministe ri -<br />

um, in dessen Kompetenz auch die<br />

KZ-Gedenkstätte mauthausen fällt,<br />

als zuständig und erzählen auch von<br />

entsprechenden Gesprächen, die bisher<br />

aber nicht fruchtbringend gewesen<br />

seien. „Die Gemeinde hat seit dem Jahr<br />

2000 die Errichtung einer Gedenkstätte<br />

beim BMI (Innenministerium, Anm.)<br />

beantragt. Derzeit gibt es eigentlich keine<br />

Gedenkstätte in der Form, dass das Stol -<br />

len system auch tatsächlich besichtigt<br />

werden kann. Auch wir sind der Mei nung,<br />

dass seitens der zuständigen Bundes dienst -<br />

stellen, hier vor allem des Bundes minis te -<br />

riums für Inneres, der politische Wille,<br />

eine öffentliche Gedenkstätte zu errichten,<br />

kaum vorhanden ist, zumal seit neun Jah -<br />

ren keine konkreten Umsetzungs schritte<br />

erfolgt sind“, formulierte es Wahl im<br />

Ge spräch mit „Die Ge mein de“.<br />

Und Eichinger betonte: „Jederzeit wäre<br />

die BIG bereit, die Stollenanlage entgeltfrei<br />

in das Eigentum von natürlichen oder<br />

juristischen Personen zu übertragen.<br />

Dies bezügliche Angebote der BIG an das<br />

Bundesministerium für Inneres (BMI)<br />

wurden abgelehnt. Nach mehrfacher Zu -<br />

rückweisung fanden ab dem Jahr 2005<br />

keine Gespräche mit dem BMI in dieser<br />

Angelegenheit mehr statt.“<br />

nicht ganz Stimmiges förderte daraufhin<br />

Anfang Juli eine Anfrage im in en -<br />

ministerium zutage. So meinte Sprecher<br />

Rudolf Gollia: „Man muss überlegen,<br />

welche Möglichkeiten es gibt, um die<br />

Stollen zu erhalten. Man muss aber auch<br />

überlegen, wie man das finanzieren kann.<br />

Mit der Möglichkeit, die Stollenanlage zu<br />

kaufen, sind wir heute erstmals konfrontiert.“<br />

Grundsätzlich investiere das<br />

in nenressort eine menge zum Betrieb<br />

und in die neugestaltung der KZ-Ge -<br />

denkstätte mauthausen und ihrer Aus -<br />

sen stellen. 1,5 millionen würden da -<br />

zu jährlich aufgewendet. Von der<br />

Burg hauptmannschaft kämen weitere<br />

mittel, die in den Erhalt der<br />

Gebäude gingen.<br />

Wenige Tage später meldete sich in -<br />

nen ministerin maria Fekter (ÖVP) im<br />

ORF-Radio zu Wort: „Es ist so, dass<br />

Gu sen ein Außenlager von Mauthausen<br />

ist und wir die Gedenkstätten sukzessive<br />

sichern und sie erwerben, wo historische<br />

Belastungen drauf sind. Deshalb verhandeln<br />

wir auch mit der BIG.“ So weit, so<br />

unklar.<br />

Das Sichtbarmachen des ehemaligen<br />

KZ-Areals von Gusen ist insofern so<br />

schwierig, als sich heute die meisten<br />

Teile in Privatbesitz befinden. Damit<br />

kämpft auch das Bundes denk mal amt.<br />

Als vor einigen Jahren ein privater<br />

Grundbesitzer, auf dessen Firmen ge -<br />

län de sich zwei ehemalige SS-Bara c -<br />

ken befinden, um Abrissgeneh mi -<br />

gung für ei ne der beiden Baracken<br />

bemühte, wur de ihm diese auch zu -<br />

nächst er teilt – bis sich in letzter<br />

minute das Bun des denk malamt einschaltete,<br />

schil dert Höh le. Das Verfah -<br />

ren sei bis heute of fen.<br />

im Zug dessen habe das BDA dann<br />

aber vor etwa eineinhalb Jahren die<br />

Unterschutzstellung aller noch vorhandenen<br />

Bauelemente des ehemaligen<br />

KZs eingeleitet. Das ehemalige<br />

Jourhaus, in dem die SS ihren Sitz hat -<br />

te und in dessen Keller sie „Häft lin -<br />

ge“ folterte und ermordete,<br />

beispielswei se hat sein Besitzer<br />

Anfang der neunziger Jahre renoviert<br />

und da raus sein Eigenheim gestaltet.<br />

Das Problem bei Objekten in<br />

Privatbesitz: das BDA kön ne durch ein<br />

Unterschutzstellen zwar einen Abriss<br />

verhindern, den Be sitzer aber nicht<br />

zu einem aktiven Denk mal schutz,<br />

10 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769


DOSSIER • STIMMUNGSBILDER INLAND<br />

orf.at unter den Bericht, der über die<br />

Bereitschaft der BiG informierte, das<br />

Stollensystem zu verschenken: „ich<br />

bau euch einen schocker sondergleichen<br />

mit kindertraumatisierungsgarantie, sou -<br />

venirständen mit schrumpfköpfen usw.<br />

die einmalige chance holocaust großindustrieller<br />

zu werden.“<br />

©APA/Harald Shneider<br />

also zu Erhaltungs maß nah men zwingen.<br />

Zweites Pro blem: das BDA könne<br />

Gebäude, nicht aber Land schaften<br />

unter Schutz stellen.<br />

Das BDA beauftragte jedenfalls einen<br />

ausländischen Gutachter mit einer Ex -<br />

pertise über das Areal des ehemaligen<br />

KZs. Fazit von Johannes Cramer, Pro -<br />

fessor für Bau- und Stadtbaugeschich<br />

te an der Technischen Univer si -<br />

tät Berlin: bei dieser „Landschaft des<br />

Schreckens oder des Terrors“ handle es<br />

sich um einen einzigartigen Komplex<br />

auf dem Gebiet des nS-Staates, so<br />

Höhle, dieser sei daher aus historischer<br />

Sicht und zu dokumentarischen<br />

Zwecken zu schützen. Einzigartig sei<br />

hier die Verbindung zwischen Ver -<br />

nich tungslager, Steinbrucharbeit, Stol -<br />

lensystem und Rüstungs produk ti on.<br />

Cramer soll in Bälde mit einer tief ge -<br />

henden Studie beauftragt werden.<br />

Wissenschaftliche<br />

Aufarbeitung fehlt<br />

Denn ein Problem im Umgang mit<br />

dem ehemaligen KZ Gusen besteht<br />

darin, dass es bis heute keine wissenschaftliche<br />

Expertise zu dem Areal<br />

gibt, beklagen Gammer und Höhle.<br />

„Wir brauchen aber eine ordentliche wissenschaftliche<br />

Grundlage. Hier fehlen uns<br />

zwei Generationen wissenschaftliche Ak -<br />

tivitäten“, so die BDA-Expertin.<br />

Gammer fordert nun vom Bund ein<br />

umfassendes Konzept, wie Gedenk -<br />

ar beit hier in Zukunft ermöglicht wer -<br />

den kann. „Wir sind wirklich etwas verzweifelt,<br />

wenn wir an unsere lieben oft<br />

kommenden Überlebenden denken, die<br />

eines Tages feststellen werden: Aus, zu -<br />

ge mauert, keine Reste.“ Von der BiG<br />

werden derzeit von den 7,5 Kilometer<br />

langen Stollen fünf aufgefüllt, sodass<br />

nur mehr zwei potenziell zugänglich<br />

bleiben. Höhle zeigt sich allerdings et -<br />

was skeptisch hinsichtlich der Ver -<br />

füg barkeit der mittel, die für ein solches<br />

Projekt nötig wären: „Geld wird<br />

dort ausgegeben, wo es einen breiten ge -<br />

sellschaftlichen Konsens gibt.“<br />

Dieser Konsens lässt sich derzeit bei<br />

den politischen mitspielern nicht klar<br />

er kennen. Lediglich Oberösterreichs<br />

Grüne sprachen sich nach Bekannt -<br />

wer den der aktuellen Verfüllungs ar -<br />

bei ten an den Stollen durch die BiG<br />

klar für eine Einrichtung einer umfassenden<br />

Gedenkstätte aus. Die eher va -<br />

ge Reaktion des zuständigen in nen mi -<br />

nisteriums wurde bereits geschildert.<br />

Zieht man internet-Foren als Grad -<br />

mes ser gesellschaftlichen Wohlwol -<br />

lens für dieses Projekt heran, taucht<br />

ebenfalls Ernüchterndes auf. Dass<br />

sich neonazis wie jene auf www.<br />

alpen-donau.info gegen eine Gedenk -<br />

stätte wenden, ist klar. Doch auch im<br />

internet-Posting-Bereich von Printund<br />

elektronischen medien ist nicht<br />

gerade Aufmunterndes zu lesen. Da<br />

schrieb etwa User sycl01 auf www.<br />

Und User golderl5 meinte ebendort:<br />

„keiner von uns, der vor dem pc sitzt, ist<br />

schuld daran, was damals passierte! Es<br />

war schlimm genug. Aber ich lass mir<br />

nicht täglich neue schuldgefühle einreden.<br />

Es reicht!“ Auf www.derstandard.at<br />

postete User syclone: „jedes ist<br />

das größte, furchtbarste, einmaligste, un -<br />

vergleichlichste, der geschichte ent rück tes -<br />

te teufelswerk der erde – die vermarktung<br />

solcher gedenkstätten erfolgt vollkommen<br />

selbstlos und ohne hintergedanken – frag<br />

den madoff!“<br />

Was für Aussichten.<br />

Die Todesstiege von Gusen<br />

Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 11


DOSSIER • STIMMUNGSBILDER INLAND<br />

© National<br />

Archives<br />

Überlebender , Mai 1945<br />

„Die härteste Arbeit war die in der Trans -<br />

port kolonne, die Strafkompanie von Gu -<br />

sen. Die dorthin Zugeteilten trugen etwa<br />

50 Kilo schwere Steine auf ihren Schul tern.<br />

In Gänsereihe mussten sie im Laufschritt<br />

vom Steinbruch zum Steinbrecher, morgens<br />

bis abends. Wehe, wenn sich eine<br />

Lücke in der Reihe bildete: der erste, der<br />

zurückblieb, wurde zur Seite gestoßen<br />

und durch Stöcke und Tritte getötet. Sie<br />

mussten, wie Eisenbahnwaggons, einer<br />

neben dem anderen bleiben und sich im<br />

Gleichschritt bewegen. Wenn einer seinen<br />

Holzschuh verlor, hatte er keine Zeit<br />

anzuhalten und ihn wieder anzuziehen,<br />

und er musste barfuß weiterlaufen, wobei<br />

er sich am spitzen Schotter verletzte. Sie<br />

hielten eine oder zwei Wochen durch. Wer<br />

nicht durch die Stockschläge starb, stürzte<br />

vor Erschöpfung zu Boden und die Kapos<br />

erschlugen ihn mit Steinen, dort wo er ge -<br />

stürzt war. Am Abend trugen die Leben -<br />

den die Leichname ihrer toten Kameraden<br />

zum Krematorium.“<br />

Der italienische Häftling Vincenzo Pap pa let te ra<br />

über die Zwangsarbeit in den Steinbrüchen,<br />

in: „Tu passerai per il ca mino. Vita e morte a<br />

Mauthausen“, er-schie nen 1989.<br />

„Unsere Arbeit nahm kein Ende, 24 Stun -<br />

den am Tag, in drei Schichten. Natürlich<br />

dauerte es nicht lange, bis uns dieses<br />

wahnsinnige Arbeitstempo erschöpfte.<br />

Bei unserer Ankunft waren wir unverbraucht,<br />

stark, und voller Energie. Nach<br />

nur zwei Monaten jedoch waren wir wie<br />

schlappe Fetzen, gebeugte Kreaturen auf<br />

von Unterernährung aufgedunsenen Bei -<br />

nen. Wir bestanden buchstäblich nur noch<br />

aus Haut und Knochen. Kiefer und Au gen<br />

traten aus unseren gelblichen Schädeln<br />

her vor. Hatte jemand erst einmal dieses<br />

Stadium erreicht, war es nur noch eine<br />

Fra ge der Zeit, bis er zur Vernichtung<br />

‚selektiert‘ wurde.“<br />

Rabbi Yechezkel Harfenes über die Arbeiten am<br />

Stollen „Bergkristall“, in: „Slingshot of Hell“,<br />

erschienen 1988.<br />

„Er liebte es zu schlagen, zu töten oder zu<br />

verletzen, wobei er für gewöhnlich die<br />

Kie fer des Häftlings mit bloßen Fäusten<br />

zerbrach.“<br />

Zitiert: Häftlinge, Befreier,<br />

Zivilbevölkerung einst und heute<br />

Der Gusen-Überlebende Stanislaw Dobosie wicz<br />

über Lagerführer Fritz Seidler, zitiert auf www.<br />

gusen-memorial.at<br />

„Ich glaube, eines der schockierendsten<br />

Din ge war die Gleichgültigkeit der zivilen<br />

Bevölkerung dem gegenüber, was im<br />

Lager vorgefallen war.“<br />

Reginald Ashby, ehemaliger Staff Sergeant im<br />

21. Infanteriebataillon der 11th Armored Di vi -<br />

sion Panzerdivision der US-Army in einem<br />

Interview, zitiert auf www.gusen-memorial.at<br />

„Hier wurden Menschen aller Nationali -<br />

täten gefangen gehalten, von Russen bis<br />

Spaniern. Sie erzählten uns von unbegreiflichen<br />

Dingen. Sobald wir den Jeep<br />

ge parkt hatten, drängten sich alle dieser<br />

geis terhaften Figuren um uns. Sie wollten<br />

Nahrung, Wasser, Zigaretten. (…) Es war<br />

ein warmer Tag und der furchtbare Ge -<br />

stank von diesen angeblichen Menschen<br />

machte es unerträglich, sich lange dort<br />

auf zuhalten.“<br />

US-Soldat Louis Cernjar im Mai 1945 in ei nem<br />

Brief an seine Familie<br />

„Wir haben ja genug gesehen unterm<br />

Krieg, wie sie das KZ gebaut haben in<br />

Gusen, haben lauter KZler gebaut, das<br />

Gusen-KZ. 13, 14 Jahre war ich, wir sind<br />

noch in die Schule gegangen, wie sie in<br />

Gusen schon verbrannt haben. Da haben<br />

wir’s ja schon geschmeckt, wenn wir auf<br />

St. Georgen gegangen sind, in der Früh,<br />

in die Schule, wie es gestunken hat, wie es<br />

herausgeraucht hat, wir haben das ja alles<br />

gesehen als Kinder.“<br />

Eine Langensteinerin, Jahrgang 1929, in: „Die<br />

Presse“ im Januar 2007<br />

„Wir haben den Grund um fünf Schilling<br />

den Quadratmeter gekauft, das war doch<br />

kein Geld nicht. Wir waren alle nicht von<br />

da, wir haben erst mit der Zeit mitgekriegt,<br />

was da los war. Aber da war es schon zu<br />

spät. Da haben wir schon alle Haus ge baut,<br />

wie wir so manches gefunden haben,<br />

Kno chen, ein Essbesteck und so, aber man<br />

hat das nicht so tragisch genommen. Die<br />

Fundstücke hat man weggeschmissen, wir<br />

haben da mitten in der Wiese einen tiefen<br />

Brunnen gehabt, da ist das Zeug alles hi -<br />

nein gegangen, Erde drauf, das ist da ganz<br />

tief unten.“<br />

Eine Gusener Siedlerin, Jahrgang 1931, in: „Die<br />

Presse“ im Jänner 2007<br />

„Man hat dann schon studiert, da sind ja<br />

immer die Leute gekommen, im Mai, die<br />

KZler, zum Jahrestag der Befreiung, und<br />

haben geschaut und geredet, man fragt<br />

dann halt doch, was war da los. Das ha -<br />

ben wir ja gewusst, dass da ein KZ war,<br />

das haben wir ja schon gewusst, wie wir<br />

den Grund gekauft haben, aber wir haben<br />

wenig Ahnung gehabt, was sich in so ei -<br />

nem KZ abgespielt hat. Sonst hätte sich<br />

vielleicht mancher geschreckt.“<br />

Eine Gusener Siedlerin, Jahrgang 1929, in:<br />

„Die Presse“ im Jänner 2007<br />

„Wir sind oft vorbeigegangen am Kre ma -<br />

torium, wer sich hingehen hat getraut, der<br />

war halt der Starke, so eine Art Mutprobe<br />

war das. Ich weiß nicht, wie es andere<br />

empfunden haben, aber ich hab‘ einen Bo -<br />

gen rundherum gemacht. Es gibt welche,<br />

die würden das am liebsten einebnen, zu -<br />

schütten, etwas hinbauen, und gebt’s end -<br />

lich eine Ruhe. Das ist vor allem mei ne<br />

Generation. Es will keiner mehr damit<br />

konfrontiert werden; auf der anderen Sei te,<br />

ich denk‘ mir halt, wenn wir das wegtun,<br />

dann denkt überhaupt niemand mehr an<br />

das, wo er eigentlich wohnt.“<br />

Eine Gusener Siedlerin, Jahrgang 1966, in:<br />

„Die Presse“ im Jänner 2007<br />

„Früher, da sind hie und da ältere Herr -<br />

schaften aus Italien und Frankreich hierher<br />

gepilgert, da haben wir uns recht nett un -<br />

terhalten mit manchen, die da gefangen<br />

wa ren. Aber dass jetzt die Enkelkinder<br />

bus weise hergeführt werden, da beim Ge -<br />

strüpp und beim Zaun anstehen und auf<br />

diesen komischen Betonstein schauen,<br />

das hat meiner Meinung nach überhaupt<br />

nichts mit geschichtlicher Aufarbeitung<br />

zu tun.“<br />

©Commons-Dt. Bundesarchiv<br />

Das Jour-Haus Gusen<br />

12 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769


DOSSIER • STIMMUNGSBILDER INLAND<br />

Ein Sankt Georgener, Jahrgang 1961, in: „Die<br />

Presse“ im Jänner 2007<br />

„Es kommen Leute hin und sind irritiert,<br />

dass da Leute wohnen. Und die Leute, die<br />

da wohnen, sind irritiert, dass das je -<br />

mand irritierend findet. Mit dieser Irri -<br />

tierung müssen sie leben lernen, die kann<br />

man nicht einfach mit Abwehr behandeln.<br />

Und dafür kann man Bewusstsein schaffen,<br />

dafür sind öffentliche Debatten mit<br />

der Bevölkerung notwendig.“<br />

Der Zeithistoriker Bertrand Perz, in: „Die Pres -<br />

se“ im Jänner 2007<br />

„Jeder hat zu mir gesagt: Das ist ein schö -<br />

nes Haus, die Steine und das alles. So hab‘<br />

ich das Ganze renoviert. Wenn ich ge -<br />

wusst hätte, was da auf mich zukommt,<br />

hätte ich es anders gemacht.“<br />

Gerhard Danner, Nachkomme von Friedrich<br />

Danner, der Anfang der sechziger Jahre in den<br />

gemauerten Häftlingsblocks eine Champi -<br />

gnon farm errichtete und dazu auch teils Stol -<br />

len nutzte, über seine Entscheidung, sich im<br />

ehemaligen „Jourhaus“ der SS, Anfang der<br />

neunziger Jahre sein Eigenheim einzurichten,<br />

in: „Die Presse“ im Jänner 2007<br />

„Die nächsten Generationen der Neo na zis<br />

werden sagen: Hat es nie gegeben. Keine<br />

Spuren fassbar.“<br />

Martha Gammer, Sprecherin des Gedenkko -<br />

mi tees Gusen, Ende Juni 2009 in einem Auf -<br />

ruf zum sofortigen Stopp der Verfüllung des<br />

Stollens „Bergkristall“ durch die Bundesim -<br />

mo biliengesellschaft. Dieser Aufruf bringt die<br />

Situation in Gusen einer breiteren Öffentlichkeit<br />

zur Kenntnis und damit die aktuelle<br />

Diskussion in Gang.<br />

„Österreich betoniert sein größtes KZ-<br />

Ge bäude einfach zu!“<br />

Rudolf Haunschmied, Vorstand des Gedenk -<br />

komitees Gusen, am 1. Juli 2009<br />

„Kein Historiker zeigte Interesse an einer<br />

historischen Forschung, niemand von of fi -<br />

zieller Seite Österreichs, keine Disserta -<br />

tio nen. Wegen dieser Unkenntnis der Ge -<br />

schichte konnte es erst zu dieser Zer stö -<br />

rung kommen!“<br />

Martha Gammer Ende Juni 2009 gegenüber<br />

„Die Gemeinde“<br />

„Derzeit ist eine Generation bestimmend,<br />

die nur mehr die ‚Russenzeit‘ erlebt hat,<br />

und viele Bericht aus dieser Warte sieht,<br />

oder gar nichts. Die Jungen sind am in te -<br />

ressiertesten.“<br />

Martha Gammer, Ende Juni 2009 gegenüber<br />

„Die Gemeinde“<br />

„Ich halte auch fest, dass die Markt ge -<br />

mein de St. Georgen/Gusen in den vergangenen<br />

Jahren mit allen Begehrlichkeiten<br />

in Richtung Baulandwidmung auf dem<br />

betroffenen Areal sehr restriktiv umgegangen<br />

und solchen auch aktiv entgegen<br />

getreten ist. Frühere Baugenehmigungen<br />

mussten aufgrund von jahrzehntelangen<br />

Widmungen aus rechtlicher Sicht erteilt<br />

werden, da vom Grundbesitzer entsprechende<br />

Gutachten über die Standfestig -<br />

keit der Stollen vorgelegt wurden.“<br />

Erich Wahl, SPÖ-Bürgermeister der Gemein de<br />

St. Georgen, Anfang Juli 2009 gegenüber<br />

„Die Gemeinde“<br />

„Die Gemeinde hat seit dem Jahr 2000 die<br />

Errichtung einer Gedenkstätte beim BMI<br />

(Innenministerium, Anm.) beantragt.<br />

Der zeit gibt es eigentlich keine Gedenk -<br />

stät te in der Form, dass das Stollen sys tem<br />

auch tatsächlich besichtigt werden kann.<br />

Auch wir sind der Meinung, dass seitens<br />

der zuständigen Bundesdienststellen, hier<br />

vor allem des Bundesministeriums für In -<br />

neres, der politische Wille, eine öffentliche<br />

Gedenkstätte zu errichten, kaum vorhanden<br />

ist, zumal seit neun Jahren keine konkreten<br />

Umsetzungsschritte erfolgt sind.“<br />

Erich Wahl Anfang Juli 2009 gegenüber „Die<br />

Gemeinde“<br />

„Wer die Stollenanlage haben will, der<br />

kann sie entgeltfrei haben.“<br />

Ernst Eichinger, Sprecher der Bundesimmo bi -<br />

li engesellschaft, in deren Besitz sich die Stol -<br />

lenanlage derzeit befindet, Anfang Juli 2009<br />

in einer Pressekonferenz in St. Georgen<br />

„Jederzeit wäre die BIG bereit, die Stol len -<br />

anlage entgeltfrei in das Eigentum von na -<br />

türlichen oder juristischen Personen zu<br />

übertragen. Diesbezügliche Angebote der<br />

BIG an das Bundesministerium für Inne res<br />

(BMI) wurden abgelehnt. Nach mehrfacher<br />

Zurückweisung fanden ab dem Jahr<br />

2005 keine Gespräche mit dem BMI in<br />

dieser Angelegenheit mehr statt.“<br />

Ernst Eichinger in einer schriftlichen Presse -<br />

un ter lage Anfang Juli 2009<br />

Bohrung von Füllstutzen 2009<br />

© Martha Gammer<br />

„Man muss überlegen, welche Möglich -<br />

kei ten es gibt, um die Stollen zu erhalten.<br />

(…) Man muss aber auch überlegen, wie<br />

man das finanzieren kann. Mit der Mög -<br />

lichkeit, die Stollenanlage zu kaufen, sind<br />

wir heute erstmals konfrontiert.“<br />

Rudolf Gollia, Sprecher des Innenminister i um,<br />

Anfang Juli gegenüber „Die Gemeinde“<br />

„Es ist so, dass Gusenlager ein Außen la ger<br />

von Mauthausen ist und wir die Gedenk -<br />

stätt en sukzessive sichern und sie erwerben,<br />

wo historische Belastungen drauf<br />

sind. Deshalb verhandeln wir auch mit<br />

der BIG.“<br />

Reaktion von Innenministerin Maria Fekter<br />

(ÖVP) am 3. Juli gegenüber dem ORF-Radio<br />

„Die Pläne rufen neurotische Nekrophile<br />

auf den Plan. Man sieht die Chance für<br />

ei nen weiteren Schuldkomplex, der be -<br />

stimm ten Kreisen Geld bringen kann, in<br />

Gefahr. (…) Rettung ist nah. Wie<br />

Innenministe ri umssprecher Rudolf Gollia<br />

gegenüber Sys temmedien ankündigte<br />

will nun das In nen ministerium die An -<br />

lage übernehmen und daraus im bewährten<br />

Stil eine ‚Ge denk stät te‘ ma chen. In te res -<br />

sant werden die Fi nan zie rungspläne sein.<br />

In Zeiten stei gen der Kri minalitätsraten,<br />

das Bud get des In nen ministeriums zu -<br />

gunsten einer Antifa-Ver sor gungsanstalt<br />

mit Millio nen Euro zu be las ten, darauf<br />

kann nur ein Zyniker kommen.“<br />

Die Neonazi-Homepage www.alpen-donau.<br />

info am 4. Juli 2009<br />

„Wir sind längst noch nicht da, wo<br />

Deutsch land schon in den siebziger Jah -<br />

ren war, etwa mit der Unter schutz stel -<br />

lung des Westwalls.“<br />

Eva-Maria Höhle, Generalkonservatorin im<br />

Bun desdenkmalamt, Ende Juni gegenüber<br />

„Die Gemeinde“<br />

„Hier fehlen uns zwei Generationen wissenschaftliche<br />

Aktivitäten.“<br />

Eva-Maria Höhle Ende Juni gegenüber „Die<br />

Ge meinde“<br />

Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 11


DOSSIER • STIMMUNGSBILDER INLAND<br />

Das Konzentrationslager Gusen 1940 bis 1945<br />

Nach der Inbetriebnahme des Steinbruchs <strong>Wien</strong>er Graben wurden im Dezember 1939 etwa 400 „Häftlinge“ des Hauptla gers<br />

Mauthausen zum Aufbau des Lagers Gusen abkommandiert. Offiziell eingerichtet wurde das Lager am 25. Mai 1940. Es<br />

diente zunächst der Erschließung und dem Ausbau der Steinbrüche für die Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH. (DESt.),<br />

dem ersten Großunternehmen der SS. Die 1938 gegründete DESt. sollte die für die Errichtung der Prunkbauten des Drit ten<br />

Reiches nötigen Baustoffe herbeischaffen. Für die Arbeit eingesetzt wurden vor allem KZ-Insassen. Damit sollte auch eine<br />

wirtschaftliche Basis für die SS geschaffen werden.<br />

Gleichzeitig hatte Gusen auch die Funktion eines „Mordlagers“, in dem aus politisch und rassischen Gründen Verfolgte um -<br />

gebracht wurden. Eingesetzt wurden dazu verschiedenste Methoden: „Häftlinge“ wurden auf Schloss Hartheim mit Gift gas<br />

ermordet, andere mittels „Totbadeaktionen“, bei denen sie mit eiskaltem Wasser geduscht wurden, sodass sie tot zusam men -<br />

brachen oder in den darauffolgenden Tagen an Lungenentzündung starben, wieder andere mit Zyklon B-Gas entweder in den<br />

zuvor abgeriegelten Baracken oder in speziellen Gaswagen, die zwischen Gusen und Mauthausen verkehrten, zu Tode ge -<br />

bracht. Das Doppellager Mauthausen/Gusen wurde 1940 in die „Lagerstufe III“ eingeteilt, welche für „kaum noch erziehbare<br />

Schutzhäftlinge“ vorgesehen war. Menschen, die hierher transportiert wurden, hatten nur geringe Überlebenschancen.<br />

Der Haupteingang zum Lager befand sich im so genannten Jourhaus. Dieses diente der SS zur Lagerführung und -verwal tung.<br />

Im Keller befand sich der „Bunker“, das Lagergefängnis, in dem Häftlinge systematisch misshandelt und getötet wurden.<br />

Zen trales bauliches Element in Gusen (wie in anderen KZs auch): der Appellplatz. Küchenbaracke, Häftlingsbaracken, SS-<br />

Verwaltungsbaracken dienten der Versorgung, Unterbringung und Überwachung der Häftlinge.<br />

Die bauliche Sicherung des Lagers erfolgte zunächst mit einem Holzzaun, Stacheldraht und vier hölzernen Wachtürmen. Ab<br />

Sommer 1941 mussten die Häftlinge eine drei Meter hohe Mauer aus Granit errichten, sieben Wachtürme mit Schießstän den<br />

wurden entlang dieser erbaut. Die Mauer schloss einerseits die Häftlinge ein und unterband andererseits den Einblick von<br />

außen in das Lager. Dieser Komplex Gusen I wurde in den folgenden Jahren und mit steigenden Insassen-Zahlen um Gusen<br />

II (vor allem Häftlingsbaracken für jene, die zur Errichtung des Stollens „Bergkristall“ eingesetzt wurden) und Gusen III<br />

(Ver sorgung) erweitert.<br />

Unterirdisch mussten von den Häftlingen riesige Stollenanlagen errichtet werden, die gegen Kriegsende vor allem der Rüs -<br />

t ungsindustrie als Produktionsstätte dienten. Ende 1943 begann man mit den Arbeiten an den „Kellerbau“-Stollen, bei de nen<br />

man allerdings mit geologischen Schwierigkeiten kämpfte. Hier, auf einer Fläche von rund 8.000 Quadratmetern, sowie<br />

in zusätzlichen Hallen wurden von Steyr-Daimler-Puch Teile für Karabiner, Maschinengewehre und Flugmotoren gefertigt.<br />

Die Messerschmitt GmbH. ließ in den Stollen zunächst Flugzeugrümpfe der Me 109 bauen. 1944 wurde die Fertigung auf<br />

den neuartigen Düsenjäger Me 262 umgestellt, die ab Herbst 1944 im „Bergkristall“-Stollen erfolgte. Unter diesem Deck -<br />

namen hatte die SS 1944 in St. Georgen eines der größten Stollen-Bauvorhaben der deutschen Kriegswirtschaft begonnen.<br />

Der Zweck: die Jagdflugzeugproduktion der Firma Messerschmitt.<br />

Insgesamt wurden mindestens 70.000 Menschen nach Gusen deportiert, mindestens 35.800 von ihnen fanden dort den Tod.<br />

Inhaftiert wurden zunächst vor allem politische Gegner aus Deutschland und Österreich sowie politisch unliebsame Po len.<br />

Ab Anfang 1941 trafen Transporte mit republikanischen Spaniern in Gusen ein. Die nächste große Gruppe waren sowjeti sche<br />

Kriegsgefangene. Mitte 1942 wurden die ersten jugoslawischen Deportierten nach Gusen verbracht, ebenso wie die ersten<br />

aus politischen Gründen verfolgten Franzosen. Ab 1942 wurden zudem zivile Sowjetbürger hierher transportiert und als<br />

„Zwangsarbeiter“ eingesetzt. Ab Februar 1944 kam es zu Massendeportationen aus den italienischen Lagern.<br />

Und ab Sommer 1944 begannen die Massentransporte von polnischen und ungarischen Juden nach Gusen. Die Sterb lich -<br />

keit unter ihnen war enorm hoch. Von den 2.700 polnischen Juden starben mehr als 1.600 in Gusen, hunderte wurden<br />

zum Sterben nach Mauthausen überstellt. Von den registrierten 3.500 ungarischen Juden kamen mehr als 2.100 in Gusen,<br />

Hartheim oder Mauthausen ums Leben. Befreit wurde das KZ Gusen im Mai 1945 von der US-Army.<br />

OPFERZAHLEN 1940-1945<br />

HÄFTLINGSKATEGORIE 1940 1941 1942 1943 1944 1945 Gesamt<br />

Häftlinge (ohne Kriegsgefangene) 1.522 5.570 5.005 5.173 4.691 10.954 32.915<br />

Sowjetische Kriegsgefangene . 220 2.197 1.30 99 197 2.843<br />

Vergast in Hartheim . 510 1.132 800 698 . 3.140<br />

Vergast im Gaswagen . . 1.200 . . . 1.200<br />

Zum Sterben ins Sanitätslager Mauthausen verbracht . . . . . 1.900 1.900<br />

In Mauthausen erschossen 240 . . . . . 240<br />

Jüdische Kinder . . . . . 420 420<br />

Nach Befreiung verstorben . . . . . 1.944 1.944<br />

Gesamt 1.762 6.300 9.534 6.103 5.488 15.415 44.602<br />

www.gusen.org; www.gusen-memorial.at<br />

14 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769


DOSSIER • STIMMUNGSBILDER INLAND<br />

©marc Uri<br />

Der Komplex<br />

Lublin-Majdanek und<br />

die österreichische<br />

Justiz<br />

Die Frage der Beteiligung österreichischer Täterinnen an<br />

den nationalsozialistischen Verbrechen führt bis heute zu<br />

zahlreichen Auseinandersetzungen im in- und Ausland.<br />

Österreich wird insbesondere dafür kritisiert, nicht genügend<br />

zur Ausforschung und Aburteilung von nS-Täterin -<br />

nen zu unternehmen.<br />

in jüngster Zeit fand der Fall einer in <strong>Wien</strong> lebenden ehemaligen<br />

Aufseherin des KZ majdanek, Erna Wallisch, öf -<br />

fent liche Aufmerksamkeit. im Zuge der Ermittlungen ge -<br />

gen Wallisch erteilte das Bundesministerium für Justiz der<br />

Forschungsstelle Nachkriegsjustiz den Forschungsauf trag, ei ne<br />

eventuell noch mögliche strafgerichtliche Ver folgbarkeit<br />

von nS-Verbrechen im KZ majdanek vom Standpunkt der<br />

historischen Forschung einzuschätzen.<br />

im Gegensatz zu Auschwitz und mauthausen – den anderen<br />

beiden Konzentrationslagern, in denen Österreicher -<br />

in nen einen relevanten Teil der Wachmannschaften stellten<br />

– wurde kein österreichisches Strafverfahren zu maj -<br />

da nek mit Urteil abgeschlossen. Eine in den 1960er und<br />

1970er Jahren in Graz durchgeführte gerichtliche Unter su -<br />

chung gegen mehr als 50 Beschuldigte endete mit der<br />

Einstellung sämtlicher Verfahren.<br />

Ziel des Forschungsvorhabens der Forschungsstelle ist es,<br />

Verlauf und Ergebnis des österreichischen Vorgehens hinsichtlich<br />

Aufklärung und Ahndung der Verbrechen im KZ<br />

und Vernichtungslager majdanek zu analysieren und mit<br />

den in Polen und Deutschland geführten Verfahren zu<br />

vergleichen.<br />

Ferner sollen Aussagen überlebender Häftlinge gesichtet<br />

werden – sowohl in den Gerichtsakten als auch in<br />

Sammlungen von Überlebenden-interviews in den USA<br />

und israel. Zweck ist die Eruierung von Personen, die an<br />

eventuell noch zu führenden österreichischen majdanek-<br />

Prozessen als Zeuginnen mitwirken könnten. Außerdem<br />

ist die Einladung von Überlebenden des KZ majdanek zu<br />

einer Enquête über die Rolle von Zeitzeuginnen bei der<br />

Aufklärung der Verbrechen in Konzentrations- und Ver -<br />

nich tungslagern geplant.<br />

Die Ergebnisse des auf eineinhalb Jahre angesetzten For -<br />

schungsprojekts sollen in einer Publikation und einer<br />

Konferenz der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.<br />

BITTE UM MITWIRKUNG<br />

Von Oktober 1941 bis Juli 1944 existierte in Lublin das KZ<br />

majdanek, in dem auch Österreicherinnen auf der einen<br />

Seite als Wachorgane tätig waren und andererseits als Häft -<br />

linge gefangen gehalten wurden. Zwar wurde in der<br />

unmittelbaren nachkriegszeit in Polen, in den 1960er bis<br />

1980er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland und in<br />

den 1960er/1970er Jahren auch in Österreich gegen zahlreiche<br />

(mutmaßliche) Täterinnen seitens der Justiz ermit telt.<br />

Dass auch heute noch unter Umständen die möglichkeit<br />

besteht, gegen Personen, die sich an Tötungsverbrechen<br />

beteiligt haben, gerichtliche Untersuchungen anzustrengen,<br />

hat 2007/2008 der Fall Erna Wallisch bewiesen. Wallisch<br />

selbst konnte nicht mehr vor Gericht gestellt werden, da sie<br />

am 16. Februar 2008 verstarb, doch war ihre „Ent de ckung”<br />

im Zuge der „Operation Last Chance” der Anlass zur<br />

einer neuerlichen Zeuginnen-Suche in Polen.<br />

Die Zentrale österreichische Forschungsstelle nachkriegs -<br />

jus tiz führt zur Zeit ein Forschungsprojekt durch mit dem<br />

Ziel, Verlauf und Ergebnis österreichischer Gerichts ver -<br />

fahren hinsichtlich Aufklärung und Ahndung der Ver bre -<br />

chen im KZ und Vernichtungslager majdanek zu analysieren<br />

und mit den in Polen und Deutschland geführten<br />

Verfahren zu vergleichen. Außerdem soll eine eventuell<br />

noch mögliche strafgerichtliche Verfolgbarkeit von nS-Ver -<br />

brechen im KZ maj da nek eingeschätzt werden.<br />

Die Forschungsstelle nachkriegsjustiz ersucht um<br />

Unterstützung bei der Erforschung der in majdanek verübten<br />

Ver bre chen. Gesucht werden sowohl Hinweise auf<br />

von Österreicherinnen verübte Verbrechen bzw. informa -<br />

tio nen über ehemaliges österreichisches Wachpersonal im<br />

KZ majdanek, als auch Kontakte mit österreichischen<br />

Über lebenden des KZ majdanek oder material, das bei<br />

der Erforschung hilfreich sein kann.<br />

Adresse:FStn Postfach 98, A-1013 <strong>Wien</strong><br />

info @ nachkriegsjustiz.at<br />

Tel. im DÖW: (01) 228 94 69 - Durchwahl 315 oder 328<br />

Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 15


DOSSIER • STIMMUNGSBILDER INLAND<br />

VERFAS SUNGS SCHUTZBERICHT 2009<br />

Massiv steigende Zahl rassistischer<br />

Übergriffe in Österreich<br />

Der Trend einer bedenklichen deut li -<br />

chen Zunahme rechts-extremistischer<br />

Tathand lun gen wird auch im aktuellen<br />

Verfas sungs schutzbericht 2009 be -<br />

stätigt: von 2007 auf 2008 ist die Zahl<br />

rechts extremis ti scher Tat hand lungen<br />

um 21,6 Pro zent auf 451 gestiegen.<br />

Die Tat hand lun gen sind dabei bei al -<br />

len mo tiv lagen gestiegen:<br />

bei rechts ex tre mistischer motivlage<br />

von 280 auf 333,<br />

bei fremdenfeindlicher motivlage<br />

von 48 auf 56,<br />

bei antisemitischer motiv la ge<br />

von 15 auf 23,<br />

bei islamophober mo tiv lage<br />

von 2 auf 12 Tat hand lun gen.<br />

Gleichzeitig ist die Auf klärungsquote<br />

von 48,1 Pro zent im Jahr 2007 auf 43,2<br />

Pro zent im Jahr 2008 gesunken.<br />

im Jahr 2008 wurden bundesweit insgesamt<br />

835 einschlägige Anzeigen<br />

erstattet, wobei bei den Anzeigen nach<br />

dem Verbotsgesetz ein leichter Rück -<br />

gang verzeichnet werden konnte.<br />

Von den im Jahr 2008 erstatteten 835<br />

An zeigen waren 350 Personen be trof -<br />

fen. Die Palette der Tathandlun gen<br />

reichte im Jahr 2008 von via E-mail,<br />

SmS oder postalisch versandten rechts -<br />

Anzeigen Jahr 2007 Jahr 2008<br />

Verbotsgesetz 369 360<br />

Verhetzung 52 73<br />

Sonstige relevante Delikte 251 304<br />

Abzeichengesetz 14 21<br />

EGVG 66 77<br />

Summe 752 835<br />

extremen, fremdenfeindlichen/ras sis -<br />

tischen, antisemitischen und is la mo -<br />

phoben Agitationen über Verbal de lik te<br />

bis hin zu Sachbeschä digungen in<br />

Form von einschlägigen Sprüh-, Ritzbzw.<br />

Schmieraktionen und körperli -<br />

chen Übergriffen. Bei der inter net-mel -<br />

de stelle für nS-Wiederbetäti gung<br />

gin gen im Jahr 2008 insgesamt 146 in -<br />

formationen und Hinweise aus der<br />

Bevölkerung und von nGOs ein<br />

Die Anzahl der vom rechtsextremen<br />

Spek trum betriebenen internetweb -<br />

sites hat sich im Berichtsjahr weiter<br />

erhöht. Der zunehmende Einsatz von<br />

Verschlüsselungssoftware erschwerte<br />

sowohl die Beobachtung des internet,<br />

als auch die Durchführung repressiver<br />

maßnahmen im Zusammenhang<br />

mit einschlägigen inhalten.<br />

Die Gefahr der via internet verbreiteten<br />

rechtsextremen ideologie lag auch<br />

im Jahr 2008 darin, dass sich diese vor -<br />

wiegend an jugendliche Empfän -<br />

gerinnen richtete.<br />

neben dem inter net stellte die mo bil -<br />

te lefonie ein weiteres wichtiges Kom -<br />

mu nikations mit tel fürdie Szene dar.<br />

neben der mög lichkeit zur konspirativen<br />

Verab redung via SmS wurde die<br />

verstärkte nutzung von mobiltele fo -<br />

nen als internet-Zugangsmöglichkeit<br />

evident.<br />

Ver doppe lung<br />

seit 2006 (419)<br />

436 (2003) *<br />

322 (2004)<br />

406 (2005)<br />

419 (2006)<br />

* Zahlen aus parlamentarischer<br />

Anfrage be ant wor tung.<br />

OÖ. NETZW<br />

Rechtsextreme<br />

in Oberösterreich haben während der<br />

letzten monate und Wochen neonazistische,<br />

rechtsextreme und rassistische<br />

Umtriebe massiv zugenommen:<br />

im november 2008 wurde eine Wel -<br />

ser Gedenkveranstaltung zum Jah res -<br />

tag der „Reichspogromnacht“ durch<br />

Skinheads gestört.<br />

Ebenfalls im november haben engagierte<br />

Antifaschisten – darunter der<br />

Bürgermeister einer Statutarstadt und<br />

ein Landtagsabgeordneter – mord -<br />

dro hungen erhalten.<br />

im Februar 2009 wurde die KZ-Ge -<br />

denkstätte maut hau sen mit einer so -<br />

wohl juden- als auch islamfeindli chen<br />

Parole be schmiert.<br />

im märz hat in den Re doutensälen<br />

des Landestheaters ein „Freiheits kom -<br />

mers“ der zum rechtsextremen mi lieu<br />

gehörigen Bur schen schaft „Arminia<br />

Czernowitz“ stattgefunden.<br />

im April und mai woll te die „Natio-<br />

na le Volkspartei“ (NVP) – ihr Partei -<br />

pro gramm stammt zum Teil wortwörtlich<br />

aus einem Schulungstext der SS –<br />

zwei Auf mär sche in Braunau und Linz<br />

durch führen, die nach breiten Pro tes -<br />

ten verboten wurden.<br />

im mai haben jugendliche Täter bei<br />

einer Gedenkfeier im Ebensee KZ-<br />

Überlebende attackiert. Ebenfalls im<br />

mai haben sich in einem Gasthaus in<br />

Grünau Rechtsextre misten zur musik<br />

einer einschlägigen Band versammelt.<br />

im Juni wurde ein Linzer Kinder gar -<br />

ten mit der gleichen Parole be schmiert<br />

wie im Februar die KZ-Gedenkstätte<br />

mauthausen.<br />

Motivlage Jahr 2007 Jahr 2008<br />

Rechtsextremistisch 280 333<br />

Fremdenfeindlich/Rassistisch 48 56<br />

Antisemitisch 15 23<br />

Islamophob 2 12<br />

Gemischt .... 27<br />

Summe 345 451<br />

rechtsextremistische<br />

Tat hand lungen<br />

+ 21,6 Pro zent<br />

Eben falls im Juni wur de eine Ärztin<br />

afrikanischer Abstam mung in einem<br />

Lin zer Bus mit den Parolen „Abendland<br />

in Christenhand“ und „Neger raus“<br />

rassistisch angepöbelt.<br />

Derzeit sammelt die „Nationale Volks -<br />

partei“ (NVP) Unterstuẗzungsunterschriften<br />

füreine Kandidatur bei der<br />

Land tagswahl im September.<br />

16 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769


DOSSIER • STIMMUNGSBILDER INLAND<br />

ERK GEGEN RASSISMUS UND RECHTSEXTREMISMUS:<br />

und rassistische Aktivitäten in Oberösterreich<br />

Das sind nur einige Beispiele von vielen.<br />

Schon von 2007 auf 2008 ist die<br />

Zahl der Anzeigen, die in Ober ös ter -<br />

reich nach dem Verbotsgesetz erstattet<br />

wurden, von 40 auf 67 gestiegen –<br />

also um zwei Drittel.<br />

Ein wesentlicher Teil der rechtsextremen<br />

und rassistischen Aussagen und<br />

Aktivitäten, die in Oberösterreich getätigt<br />

werden, ist der FPÖ und ihren Un -<br />

terorganisationen zuzurechnen. Auch<br />

dazu einige Beispiele aus den letzten<br />

monaten und Wochen:<br />

Wie die Tageszeitung „Österreich“<br />

aufgedeckt hat, waren mehrere Funk -<br />

ti o nä re der Freiheitlichen Jugend<br />

gleichzeitig im offen rechtsextremen<br />

„Bund Freier Jugend“ (BFJ) 1 aktiv. Par -<br />

tei interne Kon sequenzen hatte das<br />

kei ne. („Ös ter reich“, 14., 16., 17., 23.<br />

und 31. Juli 2008).<br />

„Jede blonde, blauäugige Frau das heißt<br />

jede Frau mit deutscher Muttersprache –<br />

braucht drei Kinder, weil sonst holen uns<br />

die Türkinnen ein“, hat FPÖ-Lan des -<br />

obmann Lutz Weinzinger öffentlich<br />

erklärt. („OÖ. nachrichten“, 19. Sep -<br />

tem ber 2008)<br />

Auf der Liste der Freiheitlichen Ar -<br />

beit nehmer bei der oö. AK-Wahl 2009<br />

hat Harald Haas kandidiert, gleichzeitig<br />

Aktivist des offen rechtsextremen<br />

„Bundes Freier Jugend“ (BFJ). in seinem<br />

Auto wurde von der Po lizei eine<br />

schwarz-weiß-rote Fahne mit der Auf -<br />

schrift „nationaler Widerstand“ si -<br />

cher gestellt. Bemerkenswert ist eine<br />

Aus sage, die Haas vor Gericht ge macht<br />

hat: „Ich sehe keinen Unter schied zwischen<br />

BFJ und FPÖ ...“ („Ös ter reich“,<br />

26. September 2008) .<br />

Die FPÖ hat den „Freiheitskommers“<br />

der der rechtsextremen milieu zugehörigen<br />

Burschenschaft „Arminia<br />

Czer nowitz“ gegen breite Kritik aus<br />

demokratischen Organisationen verteidigt.<br />

FPÖ-Landesobmann Lutz<br />

Weinzinger war sogar Teilnehmer der<br />

Veranstaltung. Die Burschenschaft<br />

„Arminia Czernowitz“ ist mitglied<br />

der „Burschenschaftlichen Gemein -<br />

schaft“, die fürein Großdeutschland<br />

in den Grenzen vom 1. September 1939<br />

eintritt – also unter Einschluss Österreichs<br />

und der Sudetengebiete. („Ku-<br />

rier“, 28. Februar 2009).<br />

im Linzer Gemeinderat hat die FPÖ<br />

als einzige Fraktion einen Antrag ab -<br />

gelehnt, der „demokratie- und frem -<br />

denfeindliche sowie rechtsextreme<br />

Tendenzen“ verurteilt und sich für<br />

„Pluralität, Demokratie und Welt of -<br />

fenheit“ ausspricht. (Protokoll der<br />

Linzer Gemeinderatssitzung vom 12.<br />

märz 2009)<br />

„Gemischte Sorte – Zuwanderung kann<br />

tödlich sein“ ist auf einem Aufkleber<br />

des Rings Freiheitlicher Jugend zu<br />

lesen. Dennis Russell Davies, der<br />

Chefdirigent des Bruckner-Orches -<br />

ters, hat deshalb Anzeige wegen rassistischer<br />

Diskriminierung erstattet.<br />

Die FPÖ-Spitze steht vollinhaltlich<br />

hinter ihrem Parteinachwuchs.<br />

(„Kurier“, 3. und 7. April 2009)<br />

Der Ring Freiheitlicher Wirtschafts trei -<br />

bender hat eine „notgesetz ge bung“<br />

verlangt, durch die das Parlament sich<br />

selbst und die Sozialpartner für den<br />

Bereich der Arbeitswelt ausschaltet.<br />

Dieser Bruch der Bundesverfassung<br />

soll es jedem Unternehmer ermögli -<br />

chen, das Arbeitszeitgesetz und andere<br />

Arbeitnehmerrechte in seinem Be trieb<br />

außer Kraft zu setzen. Erst ei nen Tag<br />

nachdem ZiB2-moderator Armin Wolf<br />

FPÖ-Bundesobmann Heinz Christian<br />

Strache wegen des de mokratie feind li -<br />

chen Vorstoßes in Bedrängnis ge bracht<br />

hatte, distanzierte sich die FPÖ-Spit -<br />

ze. noch wenige Tage zuvor hatten<br />

die Freiheitlichen Arbeitnehmer in<br />

Oberösterreich ihre Parteikame ra den<br />

ausdrücklich verteidigt. 2 (ZiB2-Tage-<br />

buch von Armin Wolf, 16. märz 2009)<br />

FPÖ-Bundesobmann Heinz Christian<br />

Strache hat in einer Rede vor dem FPÖ-<br />

Bundesparteitag im Linzer De sign-<br />

Cen ter die Attacke auf KZ-Überlebende<br />

bei einer Gedenkfeier in Eben -<br />

see verharmlost: Die Täter seien „wirk-<br />

lich blöde Lausbuben“. man solle nicht<br />

„Atombomben auf Spatzen werfen“.<br />

(„OÖ. nachrichten“, 18. mai 2009)<br />

Auf der Liste der Linzer FPÖ fürdie<br />

Gemeinderatswahl 2009 kandidieren<br />

zwei Personen mit einer Vorge schich te<br />

in offen rechtsextremen Organisa tio -<br />

nen: Horst Rudolf Übelacker war mit -<br />

glied der deutschen „Republi ka ner“.<br />

Sebastian Ortner, der früher Se bastian<br />

Müllegger hieß, war Aktivist der neonazistischen<br />

„Volkstreuen Außer par -<br />

la mentarischen Opposi tion“. Heu te ist<br />

er Obmann der FPÖ Linz-mitte. („tips<br />

Linz“, 20. mai 2009, und „nEWS“, 4.<br />

Juni 2009).<br />

Auch in Oberösterreich wurde der<br />

FPÖ-Wahlkampf-Comic „Der blaue<br />

Pla net“ an zehntausende Jungwäh le -<br />

rin nen und Jungwähler verschickt.<br />

Der Comic – von der FPÖ aus För der -<br />

mitteln für Bildungszwecke finanziert<br />

– schürt Vorurteile gegen Zu wan de rer,<br />

stellt einen EU-Vertreter als Schwein<br />

dar und enthält sowohl den in<br />

Deutschland verbotenen Kühnengruß<br />

als auch in gleich zwei Bil dern die SS-<br />

Runen. („Kurier“, 28. mai 2009).<br />

Karl Polacek war Landesfuḧrer der we -<br />

gen nS-Wiederbetätigung verbotenen<br />

”Freiheitlichen Arbeiter par tei” in nie -<br />

dersachsen. 1992 wurde er we gen ei ner<br />

Axt-Attacke auf eine Anti fa schis tin aus<br />

Deutschland ausgewiesen. Danach<br />

gab Polacek in Oberöster reich jahrelang<br />

die Hetz schrift ‘Brau nauer Aus -<br />

guck’ heraus. Laut Doku men tationsar<br />

chiv des ös ter reichischen Wider stan -<br />

des war er auch „Organis a tor der Skin -<br />

head-Szene". Ungeachtet dessen schien<br />

Polacek ge meinsam mit anderen offenen<br />

Rechts extremisten – wie Richard<br />

Melisch 3 und Konrad Win disch 4 – als<br />

Unterstuẗzer im Personen komitee des<br />

FPÖ-Spit zen kandidaten bei der EU-<br />

Wahl, An dre as Mölzer, auf. Erst nachdem<br />

die Tages zeitung „Ku rier“ darü -<br />

ber berichtet hatte, wurde Polacek als<br />

Unterstuẗzer gestrichen. („Kurier“,<br />

28. mai 2009)<br />

Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 17


DOSSIER • STIMMUNGSBILDER INLAND<br />

Bei einer Kundgebung zum Finale<br />

des EU-Wahlkampfs, die die FPÖ auf<br />

dem Steyrer Hauptplatz abhielt, hat<br />

FPÖ-Bundesobmann Heinz Christian<br />

Strache friedliche Gegend e monstran -<br />

ten als „rote Nazis“ beschimpft. (www.<br />

rundschau.co.at, 6. Juni 2009).<br />

Bei einer weiteren Kundgebung zum<br />

Finale des EU-Wahlkampfs, die die<br />

FPÖ in der Frankenburger mehr -<br />

zweck halle abhielt, haben FPÖ-Bun -<br />

desobmann Heinz Christian Strache<br />

und FPÖ-Spitzenkandidat Andreas<br />

Mölzer ausdrücklich gegen die in<br />

Frankenburg ansässige Arigona Zo gaj<br />

und ihre Familie gehetzt. 5 („profil“, 6.<br />

Juli 2009)<br />

Diese Auflistung von rechtsextremen<br />

und rassistischen Aussagen und Akti -<br />

vitäten der FPÖ und ihrer Unteror ga -<br />

nisationen erhebt keinen Anspruch<br />

auf Vollständigkeit. Es handelt es sich<br />

nur um einige – allerdings sehr aussagekräftige<br />

– Beispiele aus den letzten<br />

monaten und Wochen, und zwar<br />

nur um Beispiele mit Oberösterreich-<br />

Bezug. Viele ähnliche Aussagen und<br />

Aktivitäten aus anderen Bundeslän -<br />

dern (etwa solche des FPÖ-national -<br />

ratspräsidenten Martin Graf oder der<br />

Grazer FPÖ-Politikerin Susanne Win -<br />

ter) wurden hier nicht berücksichtigt.<br />

Trotzdem sind die obigen Beispiele<br />

aufgrund der zeitlichen Dichte und<br />

des inhaltlichen Gewichts ausreichend,<br />

um festzustellen: Die FPÖ ist von ih -<br />

rer Propaganda und ihrem darin zum<br />

Ausdruck kommenden Gedankengut<br />

her keine bloß rechtslastige oder rechts -<br />

populistische, sondern eine eindeutig<br />

rechtsextreme Partei. Eine glaub würdi<br />

ge Abgren zung zu offen rechtsextremen<br />

Person en und Orga ni sationen<br />

findet nicht statt. Kenn zeichnend ist<br />

die Hetze gegen minder heiten und<br />

Andersden kende.<br />

mit dieser Hetze wird auch der Bo den<br />

fürneonazistische Aktivitäten aufbereitet.<br />

Deshalb kann die FPÖ, die bei<br />

Wahlen kandidiert und Stimmen er -<br />

hält, nur rein formal eine demokratische<br />

Partei genannt werden: Wer durch<br />

seine Propaganda immer wieder die<br />

menschen- und minderhei ten rechte<br />

sowie den antifaschistischen Grund -<br />

kon sens der Re pu blik (verankert vor<br />

allem im Ver bots gesetz 6 1945 und im<br />

Staatsver trag 1955) missachtet, handelt<br />

demokratiefeindlich.<br />

Es liegt an den demokratischen Par -<br />

teien, aus diesen Tatsachen den richtigen<br />

Schluss zu ziehen. 7<br />

anmerkungen:<br />

Wels, im Juli 2009<br />

1<br />

Der „Bund Freier Jugend“ (BFJ) hat sich in -<br />

zwischen auf „Junge Aktion“ umbe nannt.<br />

2<br />

Die FPÖ und die Freiheitlichen Ar beit -<br />

neh mer geben vor, Arbeitnehmer in -<br />

teressen zu vertreten. Die Wirklichkeit<br />

sieht allerdings anders aus: Während ih -<br />

rer Regierungs be teiligung (2000 – 2004)<br />

hat die FPÖ zahlreiche Belastun gen für<br />

die Arbeitnehme rin nen und Arbeitneh -<br />

mer mitbeschlossen – von der Pensions -<br />

re form über die An he bung der Rezept -<br />

ge buḧren und die Be steu erung der Un -<br />

fall rente bis zu Verschlech te rungen im<br />

Lehrlingsrecht und im Ur laubs recht der<br />

Bauarbeiter. Aber auch die ak tuellen For -<br />

derungen der FPÖ laufen auf Be las tun -<br />

gen hinaus: So verlangt sie eine „echte<br />

Privatisierung“ öffentlicher Güter, was<br />

erfahrungsgemäß zu Arbeitsplatz ab bau,<br />

schlechteren Arbeitsbedingungen und<br />

teureren Leistungen fürdie Kun din nen<br />

und Kunden führt.<br />

3<br />

Richard Melisch ist u.a. Autor der antise -<br />

mi tischen Agitationsschrift „Krisen ge biet<br />

nahost“.<br />

4<br />

Konrad Windisch, Schriftleiter der von der<br />

rechtsextremen „Arbeitsgemeinschaft für de -<br />

mokratische Politik“ (AFP) herausgegebenen<br />

Zeitschrift „Kommentare zum Zeit ge sche hen“,<br />

wurde 1996 wegen nationalsozialistischer<br />

Wiederbetätigung zu einer be ding -<br />

ten Haftstrafe von einem Jahr verurteilt.<br />

5<br />

Zitat Andreas Mölzer: „Wir sind da ja in der<br />

Heimat des Fräulein Zogaj. Ich wusste gar<br />

nicht, dass wir im Kosovo sind.“<br />

Zitat Heinz Christian Strache: „Wenn ich<br />

Bundes kanzler bin, gibt’s eine Familien zu -<br />

sam menführung – im Kosovo!“ („profil“, 6.<br />

Juli 2009)<br />

6<br />

FPÖ-Bundesobmann Heinz Christian Stra -<br />

che hat sich schon mehrfach aus drück lich<br />

für die Aufhebung des Ver bots ge set zes<br />

ausgesprochen, was eine Legali sie rung<br />

na t ionalsozialistischer Wiederbe tä ti gung<br />

bedeuten würde. (vgl. z.B. „Vorarlberger<br />

nachrichten“, 23. Februar 2007)<br />

7<br />

Der „Standard“-Journalist Hans Rauscher<br />

schreibt in einem Kommentar zur politischen<br />

Entwicklung Österreichs: „Wenn<br />

ÖVP oder SPÖ die extreme Rechte wider<br />

alle Erfahrung doch weiter als Partner<br />

sehen, statt sie energisch und einfallsreich zu<br />

bekämpfen, dann wird das in der Zerstörung<br />

des demokratischen Systems enden.“ („Der<br />

Stan dard“, 10. Juni 2009)<br />

Neonazi-Veranstaltung in Oberösterreich aufgeflogen<br />

Deutsche Skin-Veranstaltung als Geburtstagsfeier getarnt<br />

Ein im Bezirk Braunau als Geburtstags- bzw. Hochzeitsfeier getarntes neo -<br />

nazi-Konzert konnte von den Sicherheitsbehörden vorzeitig aufgelöst werden.<br />

Das berichtete die Sicherheitsdirektion in einer Presseaussendung . Bis<br />

zu 200 Skinheads ausschließlich aus Deutschland und der Schweiz hätten<br />

der Veranstaltung auf oberösterreichischem Boden beiwohnen sollen.<br />

Zwei Personen seien an einen Gastwirt herangetreten und hätten die Veran -<br />

stal tung als Geburtstags- und Hochzeitsfeier bei einem Gastwirten bekannt -<br />

gegeben. Dieser habe daraufhin seinen Festsaal zur Verfügung gestellt.<br />

Über den namen der bei der Feier auftretenden musikband sei die Polizei<br />

schließlich der ganzen Sache auf die Spur gekommen, so der oberösterreichische<br />

Sicherheitsdirektor Alois Lißl. Die Band aus der Schweiz war den<br />

Be hörden als Vertreter rechtsextremer musik bekannt, deren Liedertexte<br />

rechtsradikales Gedankengut verbreiten. Schon des Öfteren waren die mu -<br />

si ker bei Veranstaltungen in Deutschland diesbezüglich aufgefallen. „Wir<br />

haben in Zusammenarbeit mit der bayrischen Polizei sehr kurzfristig von der Veran -<br />

stal tung erfahren”, sagte Lißl. Dennoch habe man alle nötigen Recherchen<br />

zeitgerecht abschließen und die nötigen Schritte gegen die Veranstalter aus<br />

der Schweizer „Hammerskin-Bewegung” setzen können. So erteilte die Be zirks -<br />

hauptmannschaft allen Teilnehmern ein Platzverbot und ordnete zudem die<br />

Auflösung der Feier an. „Wir konnten damit die Veranstaltung noch unterbinden,<br />

bevor irgendwelche straffälligen Tatbestände aufgetreten sind”, so Lißl. Fest nah men<br />

gab es damit keine, betonte der Sicherheitsdirektor. Die ausschließlich aus<br />

Deutschland und der Schweiz stammenden Skins verließen daraufhin ohne<br />

Zwischenfälle das Lokal und zogen Richtung bayrische Grenze wieder ab.<br />

18 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769


DOSSIER • STIMMUNGSBILDER INLAND<br />

Seit Wochen online und von den<br />

zuständigen Stellen unkommentiert:<br />

neonazistisches Internetforum<br />

www.alpen-donau.info<br />

Diese irreführende Meldung erhält man nur für die IP-Adresse der IKG:<br />

Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung: Wenn Sie auf einer Web-Seite oder in<br />

ei ner News-Group Beiträge mit neonazistischen, rassistischen und antisemitischen Inhal ten vorfinden,<br />

mel den Sie bitte Ihre Wahrneh mung der MELDESTELLE für NS-WIEDERBE TÄTI GUNG. Ihre Angaben<br />

werden auf Wunsch vertraulich behandelt. Selbstverständlich können Sie auch bei jeder Poli zei diens t stelle<br />

eine Anzeige wegen Verdachtes der NS-Wiederbetätigung er statten.<br />

Bun des ministerium für Inneres Generaldirektion für die öffentliche Sicher heit Bundesamt für Ver fas -<br />

sungs schutz und Terrorismusbekämpfung Herrengasse 7 A-1014 <strong>Wien</strong> ns-wiederbetaetigung@mail.bmi.gv.at<br />

Von jedem anderen Computer hat man Zugang auf die verhetzenden Tex te –<br />

von „Stänkerjude” bis „ ... der Holocaust ist ein dämonisch genialer Teu fels kreis,<br />

der nur von allen auf einmal, aber nie von einzelnen Mutigen zerstört werden<br />

kann ...”<br />

red<br />

Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 19


POLITIK • AUSLAND<br />

©UNiesert/Creative Commons<br />

Der Kölner Schriftsteller Ralph Gior da no<br />

protestiert „aufs Schärfste“ gegen die<br />

Ver leihung des Bundesverdienst kreu -<br />

zes an die in Tübingen lebende israelische<br />

Anwältin und „menschen rechts -<br />

aktivisten“ Felicia Langer. Ein ebenso<br />

geehrter israelischer Reisefüh rer, Mot -<br />

ke Schomrat, hat angekündigt, dass er<br />

mit Pressebegleitung demonstrativ<br />

sein Bundesverdienstkreuz bei der<br />

deut schen Botschaft in Tel Aviv zu rück -<br />

geben wolle. Deidre Berger, Di rek to rin<br />

der Vertretung des Ame rican Je wish<br />

Com mittee in Berlin, wolle ebenfalls<br />

ihr Bundesverdienst kreuz ab ge ben,<br />

aus Protest gegen den Beschluss von<br />

Bun despräsident Horst Köhler, die<br />

„isra el-Kritikerin“ Langer zu eh ren.<br />

Per Fax schrieb Giordano an einige Be -<br />

kannte, dass die Ehrung Langers ihn<br />

in „einen schweren Konflikt“ stürze.<br />

„Niemand hat in den letzten 25 Jahren mit<br />

einer an Blindheit grenzenden Ein sei tig -<br />

keit Israel mehr geschadet, als diese ange b -<br />

liche Menschenrechtsan wäl tin; niemand<br />

ist jener verbreiteten Gesinnung, sich vom<br />

eigenen Schulddruck durch Kri tik an Isra -<br />

el zu entlasten, so weit entge gen gekom men,<br />

wie sie; niemand hat die ,,P a thologie der<br />

Umarmung” - ,,Hier die bö sen Israeli - da<br />

die guten Palästi nen ser” - so konsequent<br />

durchgehalten wie diese schrillste Anti-<br />

Is r ael-Fanfare in Deutsch land“, schreibt<br />

Giordano.<br />

Folgt man der Schule Felicitas Lan gers,<br />

so Giordano weiter in seinem Brief,<br />

finde der nahostkonflikt in ei nem<br />

qua si luftleeren Raum statt, einem re -<br />

gionalen Vakuum, ohne feindliche<br />

Umwelt. Die Lebensleis tung der mul -<br />

ti plikatorin Felicia Lan ger besteht in<br />

der notorischen Täuschung ihres Pu -<br />

bli kums über Totalität und Kausalität<br />

des nahostkonfliktes. „Was mich in die -<br />

ser inzwischen bereits ei ne Ge neration<br />

an dauernden Fehde im mer am tiefsten<br />

entsetzt hat, ist Feli ci tas Langers unverbergbare<br />

innere Bezie hungs losigkeit zur<br />

Welt der israelischen Op fer.“<br />

Der 74 Jahre alte israelische Reisefüh -<br />

Die schrillste Anti-Israel-<br />

Fanfare in Deutschland<br />

Empörung um Felicia Langers<br />

Auszeichnung<br />

ULRICH W. SAHM<br />

rer Motke Shomrat sagte im Ge spräch,<br />

dass die Ehrung Langers, die in israel<br />

bis 1990 die schlimmsten palästinensischen<br />

Terroristen vor Gericht ver trat<br />

und auch in der Öffentlichkeit für sie<br />

Par tei ergriff, sei „eine Schande für die<br />

Bundesrepublik.”<br />

Shomrat hatte das Bundesver dienst -<br />

kreuz 1995 für seine „Verdienste für die<br />

Versöhnung zwischen dem jüdischen und<br />

deutschen Volk“ vom damaligen Bun -<br />

des präsidenten Roman Herzog verlie -<br />

hen bekommen. „Es ist mir unbegreifbar,<br />

dass die Bundesrepublik sich von ih rer<br />

Nazi Vergangenheit befreien will und<br />

gleich zeitig eine Jüdin auszeichnet, die den<br />

heutigen neuen Hitler (Ahmadine djad)<br />

stützt, der zur Vernichtung des Staates Is -<br />

rael aufruft“, sagt Shomrat, der aus<br />

Köln stammt, in einem Kloster nahe<br />

dem belgischen Ort Dimant und später<br />

im KZ mechlen in Belgien den Krieg<br />

überlebt habe. Sein Vater sei im KZ-Da -<br />

chau am Tag der Befreiung gestorben.<br />

Ein offenes Protestschreiben verbreitete<br />

auch Pastor Albrecht Lohrbächer, Vor -<br />

sit zender des Freundeskreis Wein heim-<br />

Ramat Gan und des Freun des kreises<br />

Kirche und israel in Baden. Der Brief<br />

war an Staatssekretär Hu bert Wicker<br />

gerichtet, der in Stuttgart Lan ger das<br />

Bundesverdienstkreuz überreicht hat,<br />

für ihr „Jahrzehntelanges, he rausragen -<br />

des Engagement für Frieden, Gerechtig -<br />

keit und Wahrung der Men schen rechte.“<br />

Lohrbächer schrieb: „Ich war bisher stolz<br />

auf die klare Linie unserer Kanz le rin in<br />

Sachen Israel, ihre Reden und bisherigen<br />

Verhaltensweisen sind beispielhaft. Mit der<br />

Verleihung und der Laudatio schlagen Sie<br />

ihr ins Gesicht und stellen sie als Lüg ne rin<br />

dar - das muss ich so scharf sagen, weil al -<br />

les, was Langer seit Jahren sagt und tut,<br />

ge gen den Staat Israel gerichtet ist und<br />

Is rael delegitimiert.“ Der Pastor fragt den<br />

Staatssekretär aus Baden-Würt tem -<br />

berg: „Ist es Ihr Ziel, dazu beizutragen,<br />

dass Israel endlich beseitigt wird? An ders<br />

kann man Ihr Tun und Reden nicht interpretieren.<br />

Es ist eine wahre Schande!“<br />

US-Neonazis mit Partnerschaft<br />

für Autobahnabschnitt<br />

mit einer initiative zur Sauberhal tung<br />

der Autobahnen hat sich der US-Staat<br />

missouri massive Probleme aufgehalst.<br />

Um eine Patenschaft für einen<br />

Highway-Abschnitt in Springfield be -<br />

warb sich auch die dortige Vertre tung<br />

der nS-Organisation Nationalist So cia -<br />

list Movement. Und nach einem Urteil<br />

des Obersten Gerichtshofs von 2005<br />

darf keiner Organisation aus politischen<br />

Gründen die Teilnahme an ei -<br />

nem „Adopt-A-Highway”-Pro gramm<br />

verwehrt werden.<br />

So kennzeichnen zwei Tafeln jetzt ei -<br />

nen 800 meter langen Abschnitt des<br />

Highway 160 bei Springfield, in dem<br />

die neonazis sich verpflichtet haben,<br />

die Straßenränder von müll zu säubern.<br />

Die Beteiligung an dem Pro -<br />

gramm sei das gute Recht der Orga -<br />

ni sation, sagt Rabbiner Alan Cohen<br />

vom Ausschuss für Beziehungen zur<br />

Jüdischen Gemeinde in Kansas City.<br />

„Aber offenkundig gibt es Leute, die Be -<br />

denken äußern, dass Autofahrern damit<br />

eine falsche Botschaft vermittelt wird.”<br />

Jetzt soll dieser Abschnitt der Au to -<br />

bahn nach Abraham Joshua Heschel be -<br />

nannt werden, einem Rabbiner, der<br />

im Zweiten Weltkrieg nur knapp den<br />

nazis entkam und sich in den USA<br />

der Bürgerrechtsbewegung um mar tin<br />

Luther King anschloss. Eine entsprechende<br />

Bestimmung wurde an ein<br />

Ver kehrsgesetz angefügt, das bereits<br />

vom Parlament von missouri verabschiedet<br />

wurde.<br />

Aber die idee der Umbenennung wird<br />

von Heschels Tochter scharf kritisiert.<br />

„Ich will nicht, dass Nazis auf einer nach<br />

meinem Vater benannten Straße marschieren”,<br />

sagt Susannah Heschel, die<br />

am Dartmouth College Geschichte<br />

des Judentums lehrt. „Das ist ein Af -<br />

front für die Würde meines Vaters, seinen<br />

Namen an eine Neonazi-Autobahn anzubringen.”<br />

Sie erkenne zwar die gute<br />

Ab sicht, denke aber nicht, dass dies<br />

der richtige Weg sei. Die neonazis in<br />

missouri kritisierten die geplante Um -<br />

benennung auf ihrer Website als<br />

„schwa chen Versuch, die nationalsozialistische<br />

Umweltschutzpolitik zu beleidigen”.<br />

Der Gouverneur des US-Staats<br />

muss bis mitte Juli entscheiden, ob er<br />

das Gesetz mit der Straßenumbe nen -<br />

nung unterzeichnet oder mit seinem<br />

Veto stoppt.<br />

APA<br />

20 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769


POLITIK • ANTISEMITISCHES<br />

Migranten keine Wohnungen vermieten<br />

- Ein Politiker der Lega nord einer klei -<br />

nen Gemeinde in der nähe der lombardischen<br />

Stadt Varese sorgte für ei -<br />

nen Eklat. Cristiano Borghi appellierte<br />

an die Einwohner seiner Gemeinde<br />

Gerenzano, keine Wohnungen an Aus -<br />

länder zu vermieten oder zu verkaufen.<br />

„Wer unsere Gemeinde liebt, verkauft<br />

und vermietet keine Wohnungen an<br />

Migranten. Ansonsten werden wir eine<br />

Ausländerinvasion erleben und Angst<br />

haben, auf die Straße zu gehen”, erklärte<br />

der Politiker.<br />

Flüchtlingsboote versenken - Der rechts -<br />

extreme britische Euro pa abgeordnete<br />

Nick Griffin hat sich für das Versenken<br />

von Booten mit afrikanischen Flücht -<br />

lin gen ausgesprochen. nur drastische<br />

maßnahmen könnten Europa davor<br />

bewahren, „von der Dritten Welt überschwemmt”<br />

zu werden, sagte der EU-<br />

Abgeordnete der rechtsextremen Par tei<br />

BnP dem Rund funksender BBC. nur<br />

durch einen „sehr harschen” Umgang<br />

mit jenen, die nach Europa zu gelangen<br />

versuchten, könne verhindert werden,<br />

dass men schen aus Afrika illegal einwanderten:<br />

„Ganz ehrlich, sie müssen<br />

eine ganze Reihe dieser Boote versenken.”<br />

Auf den Hinweis, es handle sich da -<br />

bei um eine Art „Mord auf hoher See”,<br />

sagte Grif fin, es gehe ihm nicht um<br />

mord auf ho her See, sondern um das<br />

Versen ken der Boote: „Sie können ih -<br />

nen ja ein Ret tungsfloß zuwerfen, dann<br />

können sie zu rück nach Libyen.”<br />

Jüdischer Friedhof in Griechenland ge -<br />

schändet - Unbekannte haben einen<br />

jüdischen Friedhof in der nordwestgriechischen<br />

Provinzhauptstadt Ioan -<br />

nina geschändet. Wie der Rundfunk<br />

berichtete, sei en mehrere Grabsteine<br />

zer stört worden. Die Täter be schmier -<br />

ten zu dem die Gräber mit dem Blut<br />

einer Schildkröte, die sie dort fanden<br />

und töteten. Jüdische Gräber waren<br />

in ioann ina bereits im Januar und märz<br />

dieses Jahres beschädigt worden.<br />

Über die Hintergründe und Täter lag<br />

zunächst nichts vor. Juden leben in<br />

io annina seit mehr als 2000 Jahren.<br />

Während der deutschen Besetzung<br />

wur den 1944 knapp 2.000 Juden aus<br />

ioannina deportiert und ermordet.<br />

Heute zählt die jüdische Gemeinde in<br />

ioannina nur noch etwa zwei Dut -<br />

zend mitglieder.<br />

Jüdischer Friedhof in Oslo geschändet -<br />

Un bekannte haben einen jüdischen<br />

Rumänischer Bürgermeister<br />

in „Nazi-Uniform” am Laufsteg<br />

Weil er in einer nazi-Uniform auf ei -<br />

ner modeschau aufgetreten sein soll,<br />

ist der Bürgermeister der rumänischen<br />

Hafenstadt Constanta heftig<br />

kritisiert worden.<br />

Die rumänische Organisa tion mCA,<br />

die sich der Bekämpfung von Anti -<br />

se mitismus verschrieben hat, forderte<br />

die Staatsanwaltschaft auf, Er mitt -<br />

lun gen gegen Bürgermeister Radu<br />

Ma zare einzuleiten, wie die Organisa -<br />

t ion am mitteilte. Das Ver halten des<br />

Bürger meis ters sei „un ver antwort -<br />

lich” und dürfe nicht akzeptiert werden.<br />

Zu dem verstoße der Auftritt ge -<br />

gen ru mä nisches Recht, das die<br />

nutzung fa schis ti scher und rassistischer<br />

Sym bo le verbiete. mehrere Zei -<br />

Friedhof in Oslo mit Hakenkreuzen<br />

und anderen Schmierereien geschändet.<br />

Wie der Rundfunksender nRK<br />

berichtete, stand auf einem der Grab -<br />

steine „Der Krieg ist nicht vorbei”.<br />

Synagoge in Pecs beschädigt - Unbe -<br />

kann te Täter haben die Synago ge in<br />

der südungarischen Stadt Pecs (Fünf-<br />

kirchen) beschädigt.<br />

Schweinegrippe - Es ist eine Konstante<br />

©Reuters<br />

tungen ver öffentlichten Bilder von<br />

dem in Uniform im Stechschritt über<br />

den Laufsteg marschierenden ma za -<br />

re. Sie kritisierten ihn als „Paradenazi”<br />

und „Küsten-Hitler.<br />

Der Politiker wies die Vorwürfe zu -<br />

rück. Seine Uniform sei die eines<br />

Wehr macht-Generals ge wesen und<br />

von dem Film „Operation Walküre”<br />

inspiriert gewesen, so der Bür ger -<br />

mei s ter. Es befänden sich keine na zi-<br />

Symbole auf der Uniform. „Ich fand<br />

diese Uniform sehr schön und habe im mer<br />

die rigorose Or ga ni sation der deut schen<br />

Armee bewundert”, sagte mazare der<br />

Zeitung. Das Simon Wiesenthal-Zen -<br />

trum in Jerusalem hat seinen Rück -<br />

tritt gefordert.<br />

des arabischen und muslimischen An -<br />

tisemitismus, die Juden und den „Zio -<br />

nisten“ für alles Übel auf der Welt<br />

ver antwortlich zu machen.<br />

nach der Ver breitung von AiDS und<br />

den An schlägen vom 11. September<br />

wird ih nen von der islamistischen<br />

Hass in dus trie nun auch die Schuld<br />

an der Schwei negrippe zugewiesen.<br />

http://www.terrorism-info.org.il/malam_<br />

multimedia/English/eng_n/html/as_e004.htm<br />

Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 21


POLITIK • NS-ZEIT<br />

ANKLAGE GEGEN<br />

DEMJANJUK<br />

SS-Ausweis<br />

als Hauptbeweis<br />

Ein SS-Ausweis mit der nummer<br />

1393 gilt als Hauptbeweismittel ge gen<br />

John Demjanjuk. „Abkommandiert am<br />

27.3.43 Sobibor” ist handschriftlich<br />

darauf notiert. nach monatelangem<br />

Tauziehen hat die Staatsanwaltschaft<br />

münchen i Anklage gegen Demjan juk<br />

wegen Beihilfe zum mord an 27.900<br />

Juden im Vernichtungslager Sobibor<br />

erhoben. Der inzwischen 89-Jährige<br />

sei 1943 als Wachmann direkt am<br />

massenmord der nazis beteiligt ge -<br />

we sen, sagt Oberstaatsanwalt Anton<br />

Winkler. Denn Sobibor war ein reines<br />

Vernichtungslager - wer hier arbeitete,<br />

hatte keine andere Aufgabe, als bei<br />

der Ermordung der aus verschiedenen<br />

Ländern eintreffenden männer,<br />

Frauen und Kinder zu helfen.<br />

©EPA/Uwe Zucchi<br />

Das Simon-Wiesenthal-Zentrum hat te<br />

Dem janjuk an die erste Stelle der zehn<br />

meistgesuchten nazi-Verbrecher ge -<br />

setzt und begrüßt nun die Anklage.<br />

„Das Verfahren sendet ein sehr starkes<br />

Sig nal, dass das Verstreichen von Zeit in<br />

keiner Weise die Schuld der Mörder vermindert”,<br />

sagte der Leiter Efraim Zu roff.<br />

Demjanjuk selbst schweigt zu den<br />

Vor würfen der 86 Seiten starken An -<br />

kla geschrift.<br />

Der gebürtige Ukrainer war im mai<br />

von den USA nach Deutschland ab -<br />

geschoben worden und ist seitdem in<br />

der Krankenabteilung des Unter su -<br />

chungsgefängnisses Stadelheim un ter -<br />

gebracht. Ein Prozessbeginn wird<br />

nicht vor Herbst erwartet. Demjan juks<br />

münchner Anwalt Günther maull<br />

spricht von frühestens Ende Sep tem -<br />

ber, andere Juristen glauben, dass es<br />

noch länger dauern wird. Der Pro zess<br />

selbst könnte sich lange hinziehen.<br />

Ge gen den gesundheitlich angeschlagenen<br />

Senior, der an einer nierener -<br />

kran kung, einer Vorstufe zur Leu kä -<br />

mie sowie Rheuma und Gicht leiden<br />

soll, darf nicht länger als zweimal 90<br />

minuten pro Tag verhandelt werden.<br />

Da er wenig Deutsch spricht, muss die<br />

Verhandlung wahrscheinlich übersetzt<br />

werden - und wenn er weiter schweigt,<br />

steht ein langwieriger indizien pro -<br />

zess bevor.<br />

Der Ukrainer arbeitete als Traktorfah -<br />

rer auf einer Kolchose, als er 1940 als<br />

20-Jähriger von der Roten Armee eingezogen<br />

wird. 1942 gerät er in deutsche<br />

Gefangenschaft, in der millio -<br />

nen sowjetische Gefangene ster ben.<br />

22 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769


POLITIK • NS-ZEIT<br />

Vor die Wahl gestellt, nimmt er offenbar<br />

das Angebot an, mit den Deut -<br />

schen zusammenzuarbeiten und lässt<br />

sich im SS-Ausbildungslager Traw ni -<br />

ki ausbilden. Zuerst soll er auf einem<br />

landwirtschaftlichen Gut jüdische<br />

Zwangsarbeiter bewacht und dann in<br />

Sobibor sowie im KZ Flos senbürg im<br />

Einsatz gewesen sein. nach dem Krieg<br />

meldet sich Dem janjuk als sogenannte<br />

„Displaced Person” und damit<br />

praktisch als nazi-Opfer - als ehemaliger<br />

sowjeti scher Kriegsgefangener<br />

kann er 1952 in die USA ausreisen und<br />

arbeitet dort als Autome chaniker.<br />

Als Zeugen vor Gericht sollen unter<br />

anderem ein anderer Ukrainer und<br />

Ex-Trawniki sowie einer der letzten<br />

Überlebenden aus Sobibor, Thomas<br />

Blatt, aussagen. Der 82-jährige Blatt<br />

will als nebenkläger auftreten: Seine<br />

Eltern und sein kleiner Bruder starben<br />

in den Gaskammern Sobibors, als<br />

Demjanjuk Wachmann gewesen sein<br />

soll. „Er war in Sobibor - damit war er<br />

ein Mörder, ohne Frage”, sagte Blatt im<br />

mai nach Demjanjuks Ankunft in<br />

münchen der dpa. „Vielleicht hat er<br />

nicht mit seiner Hand gemordet, aber er hat<br />

die Leute in die Gaskammern getrieben.”<br />

Bereits 1988 war Demjanjuk in israel<br />

als „Iwan der Schreckliche” im Ver nich -<br />

tungslager Treblinka zum Tode verurteilt<br />

worden. Fünf Jahre saß er in<br />

der Todeszelle, bis 1993 das Urteil<br />

aufgehoben wurde - er war tatsächlich<br />

verwechselt worden. nach insgesamt<br />

siebenjähriger Haft kehrt er in<br />

die USA zurück. Für manchen unerklärlich<br />

bleibt, warum Demjanjuks<br />

mögliche nS-Vergangenheit in Sobi -<br />

bor so lange unentdeckt blieb. Bei seiner<br />

Einreise in die USA soll er auf<br />

Papieren „Sobibor” als einen seiner<br />

Aufenthaltsorte angegeben haben.<br />

Und der Dienstausweis, der nun als<br />

Hauptbeweis gilt, lag den Behörden<br />

schon seit Ende der 1970er Jahre vor.<br />

Es gab freilich immer wieder Dis kus -<br />

0sionen um die Echtheit. Zu letzt stufte<br />

das Bayerische Landeskri minalamt<br />

das Papier als echt ein.<br />

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Skandalöse VIP Betreuung<br />

für mutmaßlichen NS Täter<br />

Der vor wenigen monaten aus den<br />

USA nach Österreich abgeschobene<br />

Josias Kumpf war mitglied der SS-To -<br />

tenkopfdivision und KZ-Wächter im<br />

Lager Trawniki. in Österreich wurde<br />

für ihn in <strong>Wien</strong> eine 1000 Euro-Woh -<br />

nung in bester Lage gemietet und<br />

eine 24-Stunden-Pflege organisiert.<br />

Es liegen konkrete Hinweise vor, dass<br />

österreichische Behörden diese ViP<br />

Be treuung veranlasst haben. Die Spu -<br />

ren führen nach Vorarlberg und ins<br />

innenministerium. Seit die Sache be -<br />

kannt geworden ist, sind alle auf<br />

Tauch station. „Das ganze ist skandalös,<br />

wenn man weiß, was im Vergleich Asyl -<br />

werberInnen in Österreich erhalten. Wa -<br />

rum haben sich österreichische Be hör den<br />

so intensiv um einen ehemaligen KZ Wäch -<br />

ter bemüht?" rätselt Albert Stein hauser,<br />

Der ‘Corriere della Sera’ hat sich<br />

kürz lich mit der in Oberösterreich und<br />

auch darüber hinaus durchaus be -<br />

kannten Tatsache befasst, dass das<br />

monumentale Grab eines Abtes des<br />

Stift es Lambach aus den 19. Jahr hun -<br />

dert von einer goldenen Hakenkreuz-<br />

Darstellung geziert wird. Da Adolf<br />

Hitler sein drittes Volks schuljahr<br />

1897/98 in der oberösterreichischen<br />

Stiftsschule verbrachte, läge die Ver -<br />

mutung nahe, die Darstellung hätte<br />

den späteren Führer bei der Wahl seines<br />

Erkennungszeichens - jedenfalls<br />

indirekt - inspiriert. Das schrieb der<br />

italienische Schriftsteller und Journa -<br />

list Vittorio Messori in der Online-Aus -<br />

gabe des italienischen Blattes. „Für<br />

sein Wappen hat der Abt damals ein Ha -<br />

kenkreuz gewählt, vielleicht weil es Zei -<br />

chen des Zu sam men tref fens von christli -<br />

cher Tradition und jener anderer Weltre -<br />

li gionen ist", schrieb messori in seinem<br />

Beitrag. Das Kreuz mit den abgewinkelten<br />

Ecken sei seit prähistorischer<br />

Zeit ein heiliges Zeichen auf allen<br />

Kontinenten gewesen.<br />

Adolf Hitler selbst gab niemals einen<br />

Hin weis darauf, während seines einjährigen<br />

Aufenthalts von der Dar stel -<br />

lung im Stift Lambach bei der Wahl<br />

seines Erkennungszeichens inspiriert<br />

worden zu sein. Es gebe aber zwei Epi -<br />

soden, die laut messori „zu denken<br />

Justizsprecher der Grünen, über die<br />

mo tivlage der Behörden.<br />

„Während heute in München die Staats -<br />

an waltschaft den mutmaßlichen NS-Ver -<br />

brecher John Demjanjuk wegen Beihilfe<br />

zum Mord in 27.900 Fällen angeklagt hat,<br />

zeigt das österreichische Innen mi nis terium<br />

wenig Interesse, im Fall Kumpf tä tig<br />

zu werden. Dieser "österreichische" Um -<br />

gang mit mutmaßlichen ehemaligen<br />

Kriegs verbrechern ist unerträglich", so<br />

Stein hauser. innenministerin Fekter<br />

und das Land Vorarlberg sind jetzt ge -<br />

fordert den Sachverhalt restlos aufzuklären.<br />

Eine umfassende parlamentarische<br />

Anfrage zwingt das in nen mi nis te -<br />

rium den Fall offen zu legen. Für Fek -<br />

ter gelte „leugnen ist zwecklos”, zu vie -<br />

le Details seien bekannt und belegbar.<br />

Stift Lambach inspirierte Hitlers Hakenkreuz<br />

geben”: nach dem Anschluss Österreichs<br />

1938 stattete Hitler, trotz tausenderlei<br />

anderer Verpflichtungen,<br />

dem Stift Lambach einen Besuch ab<br />

und verweilte vor dem Grabmal in der<br />

klösterlichen Sakristei. Und weiters:<br />

Wie zuvor in Deutschland hätten die<br />

nazis sofort nach dem Anschluss auch<br />

in Österreich die Klöster geschlossen<br />

- mit Ausnahme des Stiftes Lambach,<br />

dessen mönche erst im Jahr 1942 den<br />

Ort verlassen mussten. Schließlich<br />

bringt messori auch die vier Buch sta -<br />

ben rund um die Lambacher Darstel -<br />

lung in Verbindung mit Hitlers Ha ken -<br />

kreuz auf der Fassade der Räum lich -<br />

kei ten der Kanzlei in Berlin: in Lam -<br />

bach sind die vier Buchstaben T.H.A.L.<br />

rund um das Hakenkreuz angeordnet,<br />

sie stehen für „Theoderic Hagn<br />

Abt (von) Lambach”. Ebenso beinhalten<br />

sie aber die initialen Hitlers H. und<br />

A., die Hitler in der Berliner Reichs -<br />

kanzlei in ähnlicher Weise angebracht<br />

habe, so messori.<br />

Das fraglich Grab des Abtes in der Sa -<br />

kristei ist für Besucher nicht zu gäng -<br />

lich. „Im Endeffekt haben die Mön che<br />

beschlossen, den Zugang zu verbieten, um<br />

eine spezielle Art von Pilgerschaft zu<br />

unterbinden: Wohin auch immer Neugie -<br />

ri ge kommen, dorthin kommen auch, so<br />

scheint es, unheimliche Nostalgiker und<br />

gefährliche Verrückte”, so messori.<br />

Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 23


POLITIK • ISRAEL<br />

ZU DEN<br />

NEUEN<br />

VORWÜRFEN<br />

GEGEN DIE<br />

ISRAELISCHE<br />

ARMEE<br />

Die israelische Armee nimmt zu dem veröffentlichten<br />

Bericht der Men schen rechts -<br />

organisation „Das Schweigen brechen“<br />

über das Verhalten von Sol daten während<br />

der Militäropera tion im Gaza-Strei fen<br />

wie folgt Stellung:<br />

Der Sprecher der israelischen Ver tei -<br />

digungsstreitkräfte (ZAHAL) bedauert<br />

die Tatsache, dass noch eine weitere<br />

menschenrechtsorganisation israel<br />

und der Welt einen Bericht präsentiert,<br />

der auf anonymen und pauschalen<br />

Aus sagen basiert, die weder auf Ein -<br />

zelheiten noch Glaubwürdigkeit hin<br />

untersucht wurden.<br />

Zudem hat die Organisation den is ra -<br />

elischen Verteidigungsstreit kräf ten<br />

den minimalen Anstand verweigert,<br />

ihnen den Bericht vorzulegen und so -<br />

mit zu erlauben, die Aussagen vor sei -<br />

ner Veröffentlichung zu prüfen. Dies<br />

geschah unter Verleumdung der isra -<br />

elischen Verteidigungsstreitkräfte und<br />

ihrer Kommandanten.<br />

Um sicher zu gehen, dass die Be haup -<br />

tungen, die in diesen Zeugenaussa gen<br />

aufgestellt wurden, in korrekter Wei se<br />

behandelt werden, sollte die Organi -<br />

sation „Das Schweigen brechen“ diejenigen,<br />

die sie aufgestellt haben, da zu<br />

anhalten, wirklich ihr „Schweigen zu<br />

brechen“ und den israelischen Ver tei -<br />

digungsstreitkräften spezifische Be -<br />

schwer den vorzulegen, statt sich hinter<br />

pauschalen und anonymen Äußerungen<br />

zu verschanzen.<br />

Einige der der Zeugenaussagen des<br />

Be richts wurden den israelischen Ver -<br />

teidigungsstreitkräften durch die me -<br />

di en bekannt gemacht, wonach sie<br />

der militärgeneralanwalt einer vorläufigen<br />

Prüfung unterzogen hat. So<br />

wie es auch bei den Zeugenaussagen,<br />

die vor einigen monaten an der Ra binmilitärakademie<br />

gemacht wurden,<br />

der Fall ist, beruht eine beträchtliche<br />

An zahl der Zeugenaussagen in diesem<br />

Bericht auf Hörensagen und münd li -<br />

cher Überlieferung. Die meisten der<br />

Aus sagen sind anonym und lassen<br />

identifizierende Details vermissen,<br />

die es den israelischen Verteidigungs -<br />

streitkräften erlauben würden, sie zu<br />

prüfen, zu bestätigen oder zurückzuweisen.<br />

Die israelischen Verteidigungsstreit -<br />

kräf te haben die Operation Gegossenes<br />

Blei nach acht Jahren kontinuierlichen<br />

Raketenbeschusses auf Gemeinden in<br />

Südisrael begonnen, der das All tags -<br />

le ben dort schwerwiegend beeinträchtigt<br />

hat. Während der Operation<br />

haben die israelischen Verteidigungs -<br />

streit kräfte die Terrororganisation<br />

Ha mas erfolgreich bekämpft und da -<br />

durch israels Abschreckungskraft er -<br />

höht und die Sicherheit in dem Gebiet<br />

wiederhergestellt.<br />

Die Entscheidung der Organisation<br />

„Das Schweigen brechen“, derartige<br />

Zeugenaussagen zu veröffentlichen,<br />

er weckt Zweifel, ob die Organisation<br />

wirk lich eine glaubwürdige und ernst -<br />

hafte Untersuchung der aufgestellten<br />

Behauptungen wünscht, wie es innerhalb<br />

der israelischen Verteidigungs -<br />

streit kräfte norm ist. Wir bedauern,<br />

dass dies nicht das erste mal ist, dass<br />

die Organisation in dieser Weise<br />

agiert hat.<br />

Die israelischen Vertei digungsstreit -<br />

kräf te sind verpflichtet, jeder ihr be -<br />

kannt gewordener Behauptung, die<br />

durch Fakten gestützt ist, nachzugehen,<br />

so wie es unmittelbar im An -<br />

schluss an die Operation Gegossenes<br />

24 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769


POLITIK • ISRAEL<br />

Blei geschehen ist. Auf Befehl von Ge -<br />

ne ralstabschef Generalleutnant Gabi<br />

Ash kenazi wurden fünf Unter su chun -<br />

gen von Spezialisten auf diesem Ge -<br />

biet zu verschiedenen Aspekten der<br />

Operation, einschließlich spezifischer<br />

Vorfälle, durchgefuḧrt. Zusätzlich<br />

un tersuchen die israelischen Vertei di -<br />

gungsstreitkräfte andere Vorfälle, die<br />

sich auf individuelle Behauptungen<br />

beziehen. Wie bereits veröffentlicht<br />

wor den ist, hat die militärpolizei in<br />

zahlreichen dieser Fälle Ermittlungen<br />

aufgenommen.<br />

Die israelischen Verteidigungsstreit -<br />

kräfte erwarten von jedem Soldaten<br />

und Kommandanten, die das Gefühl<br />

haben, eine Verletzung der Befehle<br />

und Vorschriften erlebt zu haben, sich<br />

mit allen diesbezüglichen Fakten an<br />

die zuständigen Behörden zu wenden,<br />

dies gemäß ihren rechtlichen und mo -<br />

ralischen Verpflichtungen. Diese<br />

Pflicht ist umso wichtiger, wo die vermuteten<br />

Rechtsverletzungen nicht -<br />

kom battanten Schaden zugefügt ha -<br />

ben. Dieser Grad an Professiona li tät<br />

und integrität sollte von jeder Ein rich -<br />

tung, Organisation oder Vereini gung<br />

erwartet werden.<br />

Die israelischen Verteidigungs streit -<br />

kräfte sind der gründlichen Unter su -<br />

chung aller Behauptungen verpflichtet,<br />

wenn ausreichend informationen<br />

dafürvorliegen.<br />

Die israelischen Verteidigungsstreit -<br />

kräfte operieren auf der Grundlage<br />

kompromissloser ethischer Werte.<br />

Diese werden die israelischen Ver tei -<br />

digungsstreitkräfte auch weiterhin bei<br />

jedem Einsatz leiten, auch unter komplizierten<br />

und schwierigen Bedin gun -<br />

gen. Vor und während der Operation<br />

Ge gossenes Blei wurden die Truppen<br />

streng über die Kommandos und Be -<br />

fehle unterrichtet, denen sie zu folgen<br />

hatten, und auch über das internationale<br />

Kriegsrecht.<br />

Aus veröffentlichten Zeugenaussa gen,<br />

einschließlich derer in diesem Be richt,<br />

sowie aus von den israelischen Ver -<br />

tei digungsstreitkräften zur Operation<br />

durchgefuḧrten Untersuchungen geht<br />

klar hervor, dass die Soldaten in Über -<br />

einstimmung mit dem internationalen<br />

Recht und den ihnen erteilten Befeh len<br />

agiert haben, und dies trotz komplizierten<br />

und schwierigen Kämpfen.<br />

Addendum<br />

Der Sprecher der israelischen Ver tei -<br />

di gungsstreitkräfte bittet die medien<br />

um Aufmerksamkeit in Hinsicht auf<br />

ei nige methodische und ethische Fra -<br />

gen diesen Bericht betreffend:<br />

1. Der Bericht, der den israelischen<br />

Ver teidigungsstreitkräften weniger<br />

als 24 Stunden vor seiner Ver öf fent -<br />

lichung zuging, basiert auf Zeu gen -<br />

aussagen, die entscheidende iden -<br />

ti fi zierungsmerkmale vermissen<br />

lassen:<br />

a. Die herangezogenen Zeugen<br />

wur den in keiner Weise identifiziert,<br />

noch nicht einmal durch<br />

ini tialen, so wie es in den medien<br />

nor malerwei se bei anonymen<br />

Zita ten üblich ist.<br />

b. Weder der militärische Rang noch<br />

die Position zur Zeit der be haup -<br />

teten Vorfälle werden genannt.<br />

c. Weder die Einheit noch die Art<br />

der Ein heit (regulär, Reservisten)<br />

werden genannt.<br />

2. Der Bericht teilt nicht mit, in welcher<br />

Weise die Zeugenaussagen gesammelt<br />

worden sind – ob direkt per<br />

interview oder indirekt per Post<br />

oder Email. Es ist unklar, ob es ei nen<br />

oder mehrere interviewer gegeben<br />

hat, ob die Zeugen individuell oder<br />

in Gruppen befragt worden sind.<br />

3. Es wird nicht mitgeteilt, wie die<br />

Glaubwürdigkeit der Aussagen<br />

geprüft wurde:<br />

a. man kann nicht wissen, ob die<br />

Aussage von einem Soldaten ge -<br />

macht wurde oder von jemandem,<br />

der sich als Soldat ausgegeben<br />

hat.<br />

b. in Bezug auf die in den Aus sa -<br />

gen beschriebenen Vorfälle werden<br />

weder Zeitangaben (Datum,<br />

Uhrzeit) noch Ortsangaben ge -<br />

macht.<br />

Stellungnahme von<br />

Verteidigungsminister Ehud Barak<br />

„Jegliche Kritik an den Israelischen Ver tei -<br />

digungsstreitkräften von dieser oder jener<br />

Organisation ist unangebracht und verfehlt.<br />

Wenn jemand Kritik, Informa tio nen<br />

oder Schlussfolgerungen vorzubringen<br />

hat, so bringe er sie zu mir, dem Verteidi -<br />

gungs minister des Staates Israel, und der<br />

israelischen Regierung, die die Israeli schen<br />

Verteidigungsstreit kräfte angewiesen hat,<br />

in den Gemeinden im Süden wieder Ruhe<br />

herzustellen.“ Er fügte hinzu: „Die Is ra -<br />

e lischen Vertei d i gungs streitkräfte sind die<br />

moralischste Ar mee der Welt, und sie han -<br />

deln gemäß dem höchsten ethischen Co de.“<br />

Israelische Verteidigungsstreitkräfte, 15.07.09<br />

Die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte<br />

(Zahal, IDF) setzen sich aus Wehr pflich ti -<br />

gen, Reservisten und Berufssoldaten zu -<br />

sam men. Alle Männer und Frauen im<br />

Alter von 18 Jahren werden eingezogen -<br />

Männer für eine Dienstzeit von drei Jah ren,<br />

Frauen für 21 Monate, mit einer Re ser ve -<br />

dienstpflicht bis zum Alter von 51 für Män -<br />

ner und 24 für Frauen. Personen, die zum<br />

Hochschulstudium in Fächern zugelassen<br />

worden sind, für die bei den IDF ein beson -<br />

derer Bedarf besteht (Medizin, Kranken -<br />

pfle ge, Lehr- und Ingenieurwesen usw.),<br />

können die Einberufung aufschieben und<br />

nach Abschluss ihrer Ausbildung bei den<br />

IDF in ihrem Beruf für drei bis fünf Jahre<br />

Dienst leisten.<br />

Die IDF, mit einem kleinen stehenden<br />

Heer, bauen im wesentlichen auf dem Re -<br />

servedienst auf, zu dem alle Soldaten re -<br />

gel mäßig zur Ausbildung und zu Wehr -<br />

übun gen einberufen werden. Volk und<br />

Streitkräfte sind so im wesentlichen eins.<br />

Die IDF haben außerdem immer Auf ga -<br />

ben für das Wohl der Gemeinschaft in<br />

ihrer Gesamtheit wahrgenommen; dazu<br />

gehören vielfältige Aufgaben nationalge -<br />

sellschaftlicher Art und die Übernahme<br />

un terschiedlicher Projekte in Bereichen,<br />

wo Hilfe gerade am nötigsten ist.<br />

Lagebesprechung für „Operation Gegossenes Blei”<br />

Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 25


POLITIK • ISRAEL<br />

Israels Ministerpräsident Benjamin<br />

Netanyahu und Außenminister Avigdor<br />

Lieberman haben sich in der wöchentli -<br />

chen Kabinettssitzung zur aktuellen Dis -<br />

kussion um Bautätigkeiten in Jerusalem<br />

geäußert:<br />

Das Shepherd Hotel in Ost-Jerusalem<br />

Stellungnahme von<br />

Ministerpräsident Netanyahu:<br />

„Ich habe heute die Schlagzeilen in den<br />

Zeitungen zum Bau eines Wohnviertels<br />

in Jerusalem gelesen und möchte abermals<br />

betonen, dass das vereinigte Jerusa lem die<br />

Hauptstadt des jüdischen Volkes und des<br />

Staates Israel ist. Unsere Hoheit über die<br />

Stadt kann nicht in Frage gestellt werden;<br />

das bedeutet u. a., dass die Bewohner Jeru -<br />

salems in allen Teilen der Stadt Wohnun -<br />

gen erwerben können.<br />

© Reuters<br />

ZUR DISKUSSION UM BAUTÄTIGKEITEN<br />

IN OST-JERUSALEM<br />

Dies ist die Politik aller israelischen Re -<br />

gie rungen gewesen, und ich möchte sa gen,<br />

dass sie wirklich umgesetzt wird; so sind<br />

in den vergangenen Jahren Hunderte von<br />

Wohnungen in jüdischen Stadtvierteln<br />

und im Westteil der Stadt von arabischen<br />

Einwohnern erworben bzw. angemietet<br />

worden, und wir haben da nicht eingegriffen.<br />

Das bedeutet, dass es kein Verbot<br />

arabischen Wohnungskaufs im Westteil<br />

der Stadt und kein Verbot jüdischen Woh -<br />

nungskaufs oder -baus im Ostteil der<br />

Stadt gibt.<br />

Dies ist die Politik einer offenen Stadt, ein<br />

ungeteilten Stadt, die nicht nach Religion<br />

oder nationaler Zugehörigkeit getrennt ist.<br />

Wir können die Idee nicht hinnehmen, dass<br />

Juden kein Recht haben, in allen Teilen<br />

Jerusalem zu leben und zu kaufen. Ich kann<br />

mir nur ausmalen, was passieren würde,<br />

wenn jemand anregen würde, Juden dürf -<br />

ten nicht in bestimmten Stadtteilen in New<br />

York, London, Paris oder Rom leben. Das<br />

würde sicherlich einen großen internationalen<br />

Aufschrei geben. Dementsprechend<br />

können wir einer derartigen Bestimmung<br />

in Jerusalem nicht zustimmen. Dies ist die<br />

Politik der israelischen Regierung über die<br />

Jahre gewesen, und dies ist auch die Poli -<br />

tik unserer Regierung.“<br />

Stellungnahme von<br />

Außenminister Lieberman:<br />

„Tausende von arabischen Familien kaufen<br />

Immobilien in den Jerusalemer Stadt -<br />

teilen Neve Yaakov und French Hill, und<br />

ich habe nie eine Bemerkung darüber ge -<br />

hört, weder aus den USA noch aus ir -<br />

gendeinem europäischen Staat.<br />

Es wäre sehr seltsam – und ich versuche<br />

subtil zu sein -, wenn der Staat Israel<br />

beschließen würde, Juden zu diskriminieren,<br />

insbesondere in Jerusalem, und ihnen<br />

verbieten würde, in ganz Jerusalem zu<br />

kaufen und zu bauen.“<br />

Außenministerium des Staates Israel, 19.07.09<br />

Das Bauprojekt im Shepherd Hotel<br />

Das lokale Planungskomitee der Je ru -<br />

salemer Stadtverwaltung handelt ge -<br />

mäß gleichen Kriterien für alle Fragen<br />

von Baugenehmigungen, unabhängig<br />

von Geschlecht, Reli gion oder nationaler<br />

identität des Bewohners oder<br />

Ei gentümers. Der Erwerb des Grund -<br />

besitzes, zu dem das Shepherd Hotel<br />

gehört, war legal und erhielt die notwendigen<br />

Renovierungs- und Bauge -<br />

neh migungen.<br />

Das Planungskomitee der Jerusale mer<br />

Stadtverwaltung achtet einzig auf die<br />

Übereinstimmung der jeweiligen Pla -<br />

nung mit dem Gesetz. Gemäß dem<br />

Obersten Gerichtshof israels können<br />

Juden, muslime und Christen gleichermaßen<br />

Boden in allen Teilen Jeru sa -<br />

lems erwerben. So gibt es beispielsweise<br />

Araber im Viertel French Hill.<br />

Die Stadtverwaltung handelt in voller<br />

Transparenz und hat die Pläne präsentiert,<br />

auch den Vertretern des britischen<br />

und US-amerikanischen Kon su -<br />

lats in Jerusalem. Von dem Komitee<br />

wurden nicht nur 20 Wohnungen be -<br />

wil ligt, sondern auch eine Zahl von Be -<br />

dingungen auferlegt, die den Er halt der<br />

historischen Struktur einschließen.<br />

Naftali Levi, der stellvertretende Lei -<br />

ter der Baugenehmigungs- und Voll -<br />

streckungsabteilung der Jerusalemer<br />

Stadtverwaltung, gibt die folgende<br />

Hin tergrundinformation zum She perd<br />

Hotel bekannt:<br />

Geschichte<br />

Das Gebäude wurde in den 1930er<br />

Jah ren für den mufti von Jerusalem,<br />

Haj Amin Al-Husayni, erbaut, der in<br />

den 1920er und 1930er Jahren ein<br />

Füh rer der arabisch-palästinensischen<br />

Bewegung und von drei Unruhe wel -<br />

len zu dieser Zeit war.<br />

Als die britische mandatsregierung<br />

ihn deportierte, wurde das Gebäude<br />

konfisziert und in einen militärischen<br />

Außenposten der britischen Armee<br />

ver wandelt. Am Ende der britischen<br />

mandatszeit ging das Gebäude in das<br />

Eigentum des Haschemitischen Kö nig -<br />

reichs Jordanien über, das seine Ori gi -<br />

26 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769


POLITIK • ISRAEL<br />

nalstruktur erweiterte ohne sie zu be -<br />

einträchtigen, und das Gebäude fungierte<br />

als das ‘Shepherd Hotel’.<br />

nach dem Sechs-Tage-Krieg kaufte<br />

C & m Properties das Gebäude und<br />

das umliegende Land von der israelischen<br />

Regierung. Zu Beginn der ers -<br />

ten intifada 1987 kaufte der Grenz -<br />

schutz das Gebäude und blieb dort für<br />

15 Jah re, bis er in sein neues Gebäude<br />

ne ben dem Highway 1 umzog.<br />

Seitdem steht der Besitz leer.<br />

Rechtlicher Hintergrund<br />

Die nutzung dieses Gebäudes ist Teil<br />

des Plans 2591. Dieser Plan wurde<br />

1982 vom Jerusalemer Distriktko mi -<br />

tee des innenministeriums bewilligt<br />

und stellte neue Planungs vor schrif ten<br />

für das gesamte Stadtviertel Sheikh<br />

Jarrah (ein Areal von 310 Quadratkilo -<br />

me tern) auf, einschließlich von Wohn -<br />

ge bie ten, Erholungsgebieten, öffentlichen<br />

Ge bäu den und Einrichtungen<br />

sowie Straßen. Laut der Zonen ein tei -<br />

lung in diesem Plan ist die Land nut -<br />

zung des Grundbesitzes, zu dem das<br />

Shepherd Hotel gehört, für den Wohn -<br />

gebrauch bestimmt.<br />

Baulizenzantrag 08/787<br />

nach der Zoneneinteilung des Plans<br />

2591 beantragten die Grundei gen tü -<br />

mer, C & m Properties, am 6. no vem -<br />

ber 2008 eine Baugenehmigung.<br />

Am 2. Juli 2009 genehmigte das lokale<br />

Planungskomitee der Jerusalemer<br />

Stadt verwaltung den Antrag, der - mit<br />

Ausnahme der historischen Struk tur,<br />

die unter Denkmalschutz gestellt<br />

wurde - die Zerstörung der bestehenden<br />

Gebäude auf dem Grundstück<br />

einschloss sowie den Bau zwei neuer<br />

Wohnhäuser mit 20 Wohneinheiten.<br />

Das Projekt schließt eine Tiefgarage,<br />

Flachdächer und im Ganzen zwei<br />

Stock werke über der Parkebene ein.<br />

Das Grundstück ist zonal für bis zu<br />

vier Stockwerke an Wohnbebauung<br />

ausgezeichnet. Der Bauplan geht von<br />

neun metern über der Bodenhöhe aus.<br />

Das oberirdische Bauareal umfasst<br />

3.604 und das unterirdische 5.769<br />

Quadratkilometer.<br />

Es sei betont, dass der Eigentümer als<br />

Bedingung für die Baugenehmigung<br />

mehrere vom Komitee beschlossene<br />

Be dingungen erfüllen muss. Vor dem<br />

Erhalt der Lizenz kann der Eigen tü mer<br />

keinerlei Arbeiten auf dem Areal vornehmen.<br />

Stadtverwaltung Jerusalem, 19.07.09<br />

Hamas verhöhnt<br />

entführten Israeli<br />

Die im Gazastreifen herrschende ra -<br />

di kal-islamische Hamas hat in einem<br />

Vi deo-Clip den von ihr entführten is -<br />

raelischen Soldaten Gilad Schalit verhöhnt.<br />

Der Hamas-Sender „Al-Aqsa”<br />

strahlte einen mehr als drei minuten<br />

langen Zeichentrickfilm aus, in dem<br />

die Soldatenfigur weinend in einer<br />

Ec ke eines dunklen Zimmers sitzt<br />

und um Hilfe fleht. Ein in den grü nen<br />

Farben der Hamas gekleideter Pa läs -<br />

ti nenserbub höhnt daraufhin: „Ha ha,<br />

armer Gilad, seit drei Jahren bist du jetzt<br />

hier und niemand hat dich beachtet. Du<br />

wirst hier vermodern”. Die Bitte um<br />

Hilfe lehnt die Bubenfigur mit der Be -<br />

grün dung ab, er sei kein „Verräter”<br />

und „Kollaborateur”. Außer dem kön -<br />

ne er den Soldaten nicht freilassen,<br />

weil sein Vater und Bruder in israelischen<br />

Gefängnissen säßen.<br />

Ein palästinensisches Kommando un -<br />

ter Führung der Hamas hatte den<br />

Obergefreiten am 25. Juni 2006 von<br />

is raelischem Boden aus in den Ga za -<br />

streifen entführt. Die Hamas verlangt<br />

jetzt von israel die Freilassung von<br />

mehr als 1.000 palästinensischen Ge -<br />

fan genen. 450 davon verbüßen we gen<br />

der Ausführung oder Planung von<br />

Terr oranschlägen teilweise lebenslange<br />

Freiheitsstrafen. Die unter Ver mitt -<br />

lung Ägyptens geführten indirekten<br />

Verhandlungen über einen Gefange -<br />

nen austausch zwischen israel und der<br />

Hamas ruhen seit mitte märz. Alle<br />

Auf forderungen, den Soldaten un ver -<br />

züglich freizulassen, hat die Hamas<br />

ab ge lehnt.<br />

APA<br />

Gehaltskürzungen für Minister<br />

und Regierungschef<br />

israels ministerpräsident Benjamin<br />

netanyahu und die minister seiner<br />

Regierung verzichten angesichts zahl -<br />

reicher Zumutungen an die Steu er -<br />

zah ler auf einen Teil ihres Gehalts.<br />

Der Finanzausschuss des Parlaments<br />

billigte die vorübergehende Absen -<br />

kung der Gehälter für die minister<br />

und den ministerpräsidenten um<br />

fünf Prozent, wie das Finanz minis te -<br />

rium mitteilte. netanyahu bekommt<br />

damit künftig umgerechnet rund<br />

7.400 Euro im monat, etwa 340 Euro<br />

weniger als bisher. Die minister verzichten<br />

auf etwa 300 Euro monatlich.<br />

Der zeitlich befristete Lohnverzicht ist<br />

als Geste an die Steuerzahler ge dacht,<br />

die über die erst kürzlich beschlossene<br />

Steu er er hö hungen verärgert sind.<br />

Araber müssen mit Israelis sprechen<br />

APA/Reuters<br />

Der Kronprinz von Bahrain, Shaikh Salman bin Hamad al-Khalifa, hat in der<br />

Wa shington Post einen eindringli chen Aufruf an die arabischen Staa ten<br />

veröffentlicht, um sie zu einem Dialog mit israel zu bewegen.<br />

„Unser größter Fehler ist gewesen, dass wir angenommen haben, man könne den<br />

Frieden einfach wie eine Glühbirne an schal ten. In Wirklichkeit ist Frieden ein<br />

Prozess, der von einer guten Idee abhängig ist, aber auch einer Propagierung im<br />

großen Stile bedarf – geduldig und wie der holt müssen alle relevanten Parteien ins<br />

Visier genommen werden. Dies ist der Bereich, wo wir als Araber nicht genug<br />

getan haben, um direkt mit dem israelischen Volk zu kommunizieren.“<br />

„Jetzt laut und deutlich zu sprechen, liegt aus zwei Gründen in unserem Interesse.<br />

Erstens, werden wir alle sicherer sein, so bald wir den Sumpf der Antipathie ausgetrocknet<br />

haben, in dem die Hasspre di ger von beiden Seiten waten. Zweitens,<br />

wird Frieden Wohlstand bringen. Bereits jetzt sind die sechs Öl- und Gasnationen<br />

des Golfkooperationsrats zu einem mächtigen Billionen-Dollar-Markt geworden.<br />

Die Beseitigung der andauernden Dro hung von Tod und Zerstörung würde für die<br />

Re gion als ganze die Bahn ebnen zu einer Ära von Unternehmertum, Partnerschaft<br />

und Entwicklung auf einem noch höheren Niveau.<br />

Das ist der strahlende Preis für die Auf lö sung des Dilemmas von Gerechtigkeit für<br />

die Palästinenser ohne Unge rech tig keit für Israel. Im Grunde ist es dieser Meta as -<br />

pekt, der das Selbstbild der Araber definiert und verrenkt und zu viel von unseren<br />

Energien von der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung wegleitet, derer die<br />

Region bedarf.“<br />

http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2009/07/16/AR2009071602737.<br />

html?wpisrc=newsletter&wpisrc=newsletter<br />

Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 27


POLITIK • ISRAEL<br />

Hamas: Israel schmuggelt<br />

Aphrodisiaka-Kaugummi<br />

Die radikalislamische Palästinenser -<br />

be we gung Hamas hat die israelischen<br />

Geheimdienste beschuldigt, im Gaza -<br />

streifen einen Schmuggelring für<br />

Aphrodisiaka-Kaugummi und Dro -<br />

gen aufgezogen zu haben, „um die pa -<br />

läs tinensische Jugend zu verderben”.<br />

„Wir haben ausgehend von den Grenz -<br />

über gängen nach Israel zwei Arten körperlicher<br />

Stimulantien im Gazastreifen<br />

ent deckt: Als Kaugummi und als Trop -<br />

fen”, erklärte Hamas-Polizeisprecher<br />

islam Shahwan. man habe einige<br />

mitglieder der Schmugglerbande fest -<br />

genommen. Diese hätten gestanden,<br />

„mit den zionistischen Geheim diens ten in<br />

Verbindung zu stehen”. Einer der Fest -<br />

genommenen habe angegeben, er ha -<br />

be große mengen Drogen über einen<br />

Geheimdienstoffizier zu einem sehr<br />

niedrigen Preis erhalten, sagte Shah -<br />

wan. Der Offizier habe erklärt, man<br />

wolle kein Geld dafür, sondern dass<br />

die Substanzen an Jugendliche im<br />

Gazastreifen verteilt würden. Die<br />

„Geheimdienste versuchen die junge Ge -<br />

neration zu verderben, indem sie diese Pro -<br />

dukten an Schüler und Studenten verteilen”,<br />

empörte sich der Polizei spre cher.<br />

Die israelische Armee verweigerte<br />

jeden offiziellen Kommentar zu den<br />

Vorwürfen. Aus militärischer Quelle<br />

hieß es, die Behauptungen der Ha -<br />

mas seien „absurd”.<br />

APA<br />

Palästinenser bekommen<br />

viele Kinder<br />

Die Palästinenser bekommen ungeachtet<br />

aller not und widrigen Le bens -<br />

u mstände weiter mehr Kinder als die<br />

israelis. Wie die palästinensische Sta -<br />

tistikbehörde in Ramallah mitteilte,<br />

bringt eine Frau im Gazastreifen im<br />

Durchschnitt mehr als fünf Kinder<br />

zur Welt (5,2) und im Westjordanland<br />

mehr als vier Kinder (4,1).<br />

nach Angaben der Behörde leben derzeit<br />

2,4 millionen Palästinenser im<br />

Westjordanland und 1,5 millionen im<br />

Gazastreifen.<br />

in israel liegt die Geburtenrate nach<br />

Angaben des zentralen Statistikbüros<br />

bei 2,9. in der arabischen Welt liegen<br />

die Palästinenser bei der Geburten ra -<br />

te nach dem Jemen auf Platz 2. Als<br />

Folge der hohen Zahl an Geburten<br />

wächst der Anteil von Kindern und<br />

Jugendlichen in den Palästinenserge -<br />

bie ten immer weiter. Danach sind<br />

derzeit 41,9 Prozent der Bevölkerung<br />

jünger als 14 Jahre. Der Anteil der über<br />

65-Jährigen liegt dagegen bei nur drei<br />

Prozent. in israel sind 28,4 Pro zent<br />

der Bevölkerung jünger als 14 Jahre,<br />

aber dafür 9,8 Prozent älter als 65.<br />

Hamas-TV: Selbstmordattentäter<br />

im Kinderprogramm<br />

Dass auch im Kinderprogramm des<br />

Hamas-Fernsehens der Hass gegen is -<br />

rael gesät wird, ist an sich nichts<br />

neues. nun ist es abermals zu einem<br />

besonders makabren Höhepunkt ge -<br />

kommen: Die Kinder einer palästinensischen<br />

Selbstmordattentäterin waren<br />

zu Gast in der Sendung, während in ei -<br />

nem musikvideo der tödliche An -<br />

schlag ihrer mutter verherrlicht wur -<br />

de. Die moderatorin der Sendung<br />

stellte das kleine mädchen und das<br />

kleine mädchen mit den folgenden<br />

Worten vor: „Dies sind die Kinder der<br />

Märtyrerin, der heroischen Gotteskriege -<br />

rin, die alles, was sie hatte, für das Wohl<br />

ihres Heimatlands geopfert hat. Sie sorgte<br />

sich weniger um ihr eigenes Fleisch und<br />

Blut und um ihr Wohl, sie opferte sich für<br />

Allah… Wir sagen dem Besatzer, dass wir<br />

in die Fußstapfen der Märtyrerin, der Got -<br />

teskriegerin Reem Riyashi, treten wer den,<br />

bis wir unser Heimatland aus deinen Hän -<br />

den entreißen, Eindringling.“<br />

Reem Riyashi hatte 2005 vier israelis<br />

bei einem Selbstmordattentat getötet.<br />

Unter dem folgenden links gibt es ei -<br />

nen Ausschnitt aus der Sendung, das<br />

Hamas-musikvideo und ein früheres<br />

interview mit den Kindern:<br />

www.youtube.com/watch?v=XELcNMhkKCo<br />

www.youtube.com/watch?v=qy8fbkOHMKU<br />

www.youtube.com/watch?v=RdG3PZndV_4<br />

PMW, 09.07.09<br />

Heiratsvermittlung<br />

Die radikal-islamische Hamas hat ei -<br />

ne Ehevermittlung für Bewohner des<br />

Gazastreifens eröffnet. Dadurch will<br />

die Gruppierung für noch mehr P a läs -<br />

tinenser anziehend werden.<br />

Die Agentur „Tajsir” bietet ihre Dien -<br />

ste Frauen und männern an, der<br />

Groß teil der Anträge kommt von Frau -<br />

en. „Dies ist unsere Vision von humanitärer<br />

Tätigkeit”, zitiert die Zeitung ‘Je-<br />

diot Aharonot’ den Leiter Wael Sard.<br />

„Die Tätigkeit bringt Menschen dazu,<br />

sich der Hamas anzunähern, und auch die<br />

Hamas nähert sich den Leuten an.”<br />

Die Bewerber werden nach dem Grad<br />

der „Vermittelbarkeit” in Kategorien<br />

eingestuft. So finden Frauen unter 25<br />

Jahren am besten einen Bräutigam,<br />

während sie ab 30 besonders schwer<br />

zu vermitteln sind. Das gilt auch für<br />

geschiedene Frauen.<br />

Von den Kandidatinnen veröffentlicht<br />

die Agentur ein Bild mit Kopf tuch.<br />

Hin zu kommt eine Beschrei bung des<br />

Traummannes und eine Antwort auf<br />

die Frage: „Hältst Du Dich selbst für<br />

schön nach den Standards in Gaza?”<br />

Erfahrene Ehevermittler in Gaza er -<br />

zählten, dass die dortigen männer<br />

Frauen mit hellerem Teint und europäischem<br />

Aussehen bevorzugten.<br />

Wenn ein mann und eine Frau zueinander<br />

zu passen scheinen, gibt es ein<br />

Rendezvous unter den prüfenden Au -<br />

gen des Heiratsvermittlers. Stimmt<br />

die „Chemie”, so treffen sich die An -<br />

ge hörigen. in den Gesprächen sind<br />

An spielungen auf die Vermittlung<br />

tabu. Wenn die Familien zu einer Ei -<br />

nigung kommen, wird ein Hoch zeits -<br />

termin vereinbart.<br />

Viele Frauen wenden sich an die Part -<br />

ner vermittlung, wenn ihre Familie<br />

trotz langer Suche keinen geeigneten<br />

Bräutigam gefunden hat.<br />

Seit der Gründung haben bereits mehr<br />

als 40 Paare geheiratet<br />

inn<br />

Mutmaßliches Ku-Klux-Klan-<br />

Mitglied in Israel festgenommen<br />

in israel ist ein mutmaßliches mit glied<br />

der rassistischen und antisemitischen<br />

US-Organisation Ku Klux Klan (KKK)<br />

festgenommen worden. Wie ein mit -<br />

arbeiter des israelischen innenminis -<br />

teriums mitteilte, wurde der 33-Jäh -<br />

rige aufgrund von interpol-Hin wei -<br />

sen in einer Wohnung in Tel Aviv ge -<br />

fasst. Der mann wurde von den Be -<br />

hörden der Stadt Steelton im US-Staat<br />

Pennsylvania gesucht. Er soll mehrere<br />

Gewalttaten verübt und das Auto ei -<br />

nes Richters in Pennsylvania in Brand<br />

gesetzt haben. nach israelischen An -<br />

gaben hielt er sich seit 2008 in israel<br />

auf, weil er damit rechnete, dass dort<br />

nicht nach ihm gefahndet würde. in<br />

den USA macht sich der als Ge heim -<br />

bund entstandene Ku Klux Klan insbesondere<br />

gegen die pro-israelische<br />

Lob by stark. Der Ku-Klux-Klan sieht<br />

sich selbst als eine radikale christliche<br />

Organisation.<br />

28 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769


WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />

Mattes Glitzern<br />

Die internationale Finanz- und Wirt -<br />

schafts krise hat auch die israelische Dia -<br />

mantenbranche erreicht. Mit einem aufwendigen<br />

Marketingprogramm will sie<br />

sich dagegen auflehnen.<br />

VON REINHARD ENGEL<br />

Quartalszahlen können grausam sein<br />

in diesem Jahr, nicht nur für einzelne<br />

Un ternehmen, sondern auch für gan -<br />

ze Geschäftszweige. minus 56 Pro zent<br />

weist die israelische Exportstatistik für<br />

die ersten drei monate 2009 bei ge -<br />

schliffenen Rohdiamanten aus, das ist<br />

ein Rückgang von 2,1 mrd. US-Dollar<br />

auf kaum mehr als 900 millionen.<br />

Dabei könnte diese Statistik die Wirk -<br />

lichkeit noch etwas zu freundlich ab -<br />

bilden, meinen Branchen-insider.<br />

Alan Omsky, ein südafrikanischer Dia -<br />

mantenhändler mit Unternehmen in<br />

Antwerpen und miami: „Das sind nicht<br />

alles echte Exporte. Manche große Unter -<br />

nehmen schicken ihre Ware bloß in eigene<br />

Tochterfirmen ins Ausland, damit sie<br />

weitere Kredite bekommen.“<br />

Die Diamantenbranche ist eine der<br />

Schlüsselindustrien israels. nicht nur<br />

arbeiten in der Diamantenbörse und<br />

in rund 2500 einschlägigen Unter neh -<br />

men Tausende teils hoch spezialisierte<br />

Fachleute am Einkaufen, Bewerten,<br />

Schleifen, Verkaufen der Edelsteine.<br />

Vom Exportvolumen her machten die<br />

geschliffenen Diamanten im Jahr 2007<br />

immerhin rund 20 Prozent aller israelischen<br />

Güter-Ausfuhren aus – und da<br />

konkurrieren sie mit ebenfalls nicht<br />

billigen High-Tech-Produkten. nimmt<br />

man noch die Exporte von Rohdia -<br />

man ten dazu, von denen ein Gutteil<br />

in Verarbeitungsunternehmen israelischer<br />

Gruppen in indien oder anderswo<br />

in Asien geliefert wird, so kratzt<br />

man schnell an der 30-Prozent-mar ke.<br />

natürlich stammen diese Diamanten<br />

nicht aus israelischen minen. Sie kom -<br />

men aus Afrika und Australien, aus<br />

Russland und Asien. Aber israel hat<br />

sich in den letzten Jahrzehnten eine<br />

außergewöhnliche Expertise im Um -<br />

gang mit diesem Produkt erarbeitet<br />

und ist damit zu einem der wichtigsten<br />

internationalen Anbieter geworden.<br />

Entsprechend hart wurde die Bran -<br />

che jetzt von der Krise getroffen. Vor<br />

allem der wichtigste Exportmarkt der<br />

israelis, nordamerika, ist drastisch ein -<br />

gebrochen. Dafür war der Rück gang<br />

des Weihnachtsgeschäfts im De zem ber<br />

2008 beim noblen Schmuck händler<br />

Tiffany nur ein indikator von vielen:<br />

minus 35 Prozent.<br />

WIRTSCHAFT<br />

Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 29


WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />

mittlerweile sind auch die Preise –<br />

vor allem für kleinere und mittlere<br />

Diamanten - abgestürzt, volle Lager<br />

und fehlende nachfrage bringen sie<br />

weiter unter Druck.<br />

Vor allem die ausgebliebenen Bonus -<br />

zah lungen der großen US-Finanz kon -<br />

zer ne gehen den Juwelieren ab. Und<br />

es sind nicht nur die superreichen<br />

Bankvorstände und Wertpa pier händ -<br />

ler, die ihren Frauen keine mehrkarä -<br />

ter mehr schenken, die Krise hat sich<br />

bis tief in die jüngeren mittelschich ten<br />

hinein gegraben. Es gibt Konsumen -<br />

ten-Untersuchungen in den USA, die<br />

davon berichten, dass zahlreiche jun -<br />

ge Paare wegen der wirtschaftlichen<br />

Schwierigkeiten ihre Hochzeiten aufschieben.<br />

Die Praktiker erleben Ähnliches.<br />

Diamanten-Händler Omsky:<br />

„Der Verlobungsring wird dann<br />

eventuell doch gekauft. Aber dafür<br />

gibt man jetzt eher 5.000 Dollar aus<br />

als 20.000 wie früher.“<br />

Die von der nachfrageschwäche ge -<br />

trof fenen Unternehmen reagieren,<br />

wie das auch Firmen in anderen Bran -<br />

chen tun: Sie fahren Kosten-Sen kungs -<br />

programme, bauen mitarbeiter ab,<br />

versuchen management-Ebenen einzusparen,<br />

Prozesse zu automatisieren,<br />

teure Handarbeit in Billiglohnländer<br />

auszulagern. Und nach Branchen-<br />

Kennern gibt es bei einem Gutteil der<br />

Diamanten-Unternehmen noch ge nug<br />

Verbesserungs-Potential. „Manche von<br />

ihnen sind vergleichsweise gut aufgestellt,<br />

mit modernem Management und mit in -<br />

ter nationalen Verkaufsbüros. Aber es gibt<br />

auch andere, die sich auf den hohen Mar -<br />

Alan Omsky<br />

gen der letzten Jahre ausgeruht haben, und<br />

die eigentlich nicht dem heutigen Stand<br />

von Unternehmensführung und Tech nolo<br />

gie entsprechen. Sie werden sich hart<br />

anpassen müssen.“<br />

Kalt erwischt wurden auch zahlreiche<br />

Händler vom Wirtschaftsabschwung.<br />

Denn – ähnlich wie bei der letzten<br />

großen Krise der Diamantenbranche<br />

Anfang der 80er Jahre – hatten sich<br />

viele marktteilnehmer von den steigenden<br />

Preisen in allzu große Fremd -<br />

ka pital-Anteile hineinlocken lassen<br />

(siehe Kasten: Sand und Spekulation).<br />

Jetzt drohen sie zwischen der Kredit -<br />

verknappung und den gesunkenen<br />

Dia manten-Preisen aufgerieben zu<br />

werden. Händler Omsky: „Es hat zu<br />

viel Kredit gegeben. Und jetzt gibt es die<br />

Dis kussion, etwa im Zusammenhang mit<br />

staatlicher Hilfe in Israel, warum man<br />

jemanden mit Steuergeld auffangen sollte,<br />

der sich verspekuliert hat.“<br />

Abgesehen von den Versuchen, die<br />

eigenen Kosten zu verringern und mit<br />

den Banken weiterhin auf gutem Fuß<br />

zu stehen, suchen die israelischen<br />

Dia manten-Händler vor allem nach<br />

neu en, kaufkräftigen Kunden. nach -<br />

dem der dominierende US-markt<br />

schon vor der eigentlichen Krise et was<br />

nachgelassen hatte, sind vor allem<br />

Asien, Russland und der arabische<br />

Raum ins Zentrum der Aufmerk sam -<br />

keit gerückt. Und bei dieser markt be -<br />

arbeitung hilft vor allem das israel<br />

Diamond institute (iDi), eine hoch<br />

spezialisierte Branchenvertretung.<br />

Anders als zahlreiche Unternehmen,<br />

die in der Krise ihre Werbe- und<br />

marketing-Etats herunterfahren, hat<br />

das iDi gerade jetzt eine umfassende<br />

Kampagne gestartet. Und dafür nimmt<br />

man auch ordentlich Geld in die<br />

Hand, betont iDi-Direktor Eli Avidar<br />

(siehe interview: „Keine Massenent las -<br />

sungen“). Das aktuelle Programm des<br />

instituts, das sich vorrangig an Wie -<br />

der verkäufer und weniger an Kon su -<br />

menten wendet, reicht von Werbe -<br />

kam pagnen in Fachmagazinen bis zum<br />

Call Center in Asien, von einer russischund<br />

chinesischsprachigen Website bis<br />

zum systematischen Ein satz von in ter -<br />

net-Plattformen wie Fa ce book, Twit ter<br />

oder YouTube<br />

„Unsere Anstrengungen richten sich<br />

ganz besonders auf kleinere und mittlere<br />

Unternehmen,“ so Avidar Ende märz<br />

Diamantenbörse in Ramat Gan<br />

auf der internationalen Schmuck messe<br />

Baselworld in der Schweiz. „Aber sie<br />

werden genauso gut vom gesamten übrigen<br />

Spektrum unserer Exporteure ge nutzt.<br />

Was wir nicht tun, ist Kredite anbieten,<br />

oder die Diamanten selbst direkt verkaufen.<br />

Wir geben ihnen vielmehr die notwendigen<br />

Werkzeuge, damit sie überleben<br />

und selbst in diesen schwierigen Zeiten<br />

florieren können.“<br />

in der Praxis kann freilich auch die fi -<br />

nanzielle Hilfe für den einen oder an -<br />

deren Abnehmer notwendig sein.<br />

„Wenn Sie einen langjährigen, verlässlichen<br />

Kunden haben, und der kann erst<br />

bezahlen, wenn er den Stein selbst verkauft<br />

hat, dann mache ich es auch,“ so<br />

Händler Omsky in Florida. „Ich muss<br />

ihm helfen, damit er diese schwierige Zeit<br />

übersteht.“<br />

30 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769


WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />

„Keine Massenentlassungen“<br />

Eli Avidar ist managing Di rec tor<br />

des israel Dia mond insti tute, ei ner<br />

vom Staat unabhängigen Bran -<br />

chen vertretung, die unter an de rem<br />

für mar keting, Tech no logie und<br />

mitar bei ter-Schu lung zu stän dig<br />

ist. Avidar war zuvor israelischer<br />

Gene ral kon sul in Hongkong und<br />

Han dels at ta ché in Doha, Katar, ge -<br />

wesen. Da vor hatte er dem da ma -<br />

ligen Außen mi nis ter Ariel Sha ron<br />

als Berater gedient.<br />

Die Gemeinde: Herr Avidar, wie hart wurde die israelische<br />

Dia man ten branche von der globalen Wirtschaftskrise getroffen?<br />

Avidar: natürlich spüren wir die Krise. Alle Branchen, die Lu xus -<br />

artikel erzeugen, wurden getroffen. Aber dennoch ist der Zu stand<br />

der israelischen Diamantenindustrie noch besser als je ner von<br />

Konkurrenten. Wir haben früh reagiert und uns an ge passt.<br />

Was haben Sie gemacht? Sparprogramme gestartet? Mitarbeiter<br />

ge kün digt?<br />

Wir agierten als eine Art Schirm für die Branche. Wir haben schnell<br />

gehandelt. Und wir haben viel Geld investiert, einen beträchtlichen<br />

Betrag ins marketing gesteckt. Es geht nicht nur darum, jetzt<br />

schnell durch die Krise zu kommen, sondern auch neue<br />

Technologien und neue marketing-methoden einzuführen.<br />

© jonathan_torgovnik<br />

Hat es Unternehmenszusammenbrüche gegeben? Eine Kündi gungs -<br />

welle?<br />

Es hat Kündigungen gegeben, aber keine massenentlassungen.<br />

Und es sind wohl einzelne Unternehmen in Konkurs gegangen,<br />

aber auch hier hat es keine Welle gegeben.<br />

Wie groß ist denn Ihre Branche aktuell?<br />

Wir haben 2.500 aktive Unternehmen, die Diamantenbörse ist die<br />

größte der Welt. Was die fix angestellten Vollzeit-mitar bei ter<br />

angeht, so waren es vor der Krise rund 15.000. ich würde schätzen,<br />

dass es aktuell 12.000 bis 13.000 sind.<br />

Wie lange die Diamanten-Depression<br />

noch anhält, darüber scheiden sich<br />

die Geister in der Branche. Der globale<br />

Riese DeBeers, der vor Jahresende<br />

seine Produktion dramatisch eingeschränkt<br />

hatte, beginnt mittlerweile<br />

schon wieder, einzelne afrikanische<br />

minen hochzufahren.<br />

iDi-Direktor Avidar hofft bei aller<br />

Unsicherheit, dass sich die Situation<br />

Ende 2009 bessert. Andere, vor allem<br />

europäische Branchen-insider, gehen<br />

von einem wei teren Rückgang und<br />

einem stark negativen Ergebnis für<br />

dieses Jahr aus. Diamanten-Händler<br />

Omsky ist ebenfalls vorsichtig: „Ich<br />

glaube nicht, dass wir uns in den nächsten<br />

zwei Jahren ganz erholen werden. Es<br />

wird wohl einige Zeit dauern.“<br />

In der israelischen Presse ist zu lesen, dass Sie sich um Staatshilfe<br />

bemüht haben.<br />

normalerweise fragen wir den Staat nicht um Hilfe. Aber wir durch -<br />

laufen auch eine Kreditkrise, und um das Geschäft konkurrenzfä -<br />

hig zu halten, bemühen wir uns um entsprechende Kre dit ga ran tien.<br />

Was sind ihre strategischen Lehren aus der aktuellen Krise?<br />

Wir haben schon vor dem Ausbruch der Krise einen stetigen<br />

Rückgang unseres wichtigsten marktes, der USA, gesehen. Da her<br />

haben wir uns angestrengt, uns stärker in Richtung Asien auszurichten:<br />

nach Hongkong, indien, China.<br />

Wann wird man Ihrer Einschätzung nach eine Verbesserung der Lage<br />

erkennen können?<br />

ich bin definitiv kein Prophet. Aber was wir jetzt sehen können, ist<br />

bereits eine Art Stabilität. ich denke, Ende des Jahres 2009 könnte<br />

die Wirtschaft wieder an Schwung gewinnen. Es ist alles Psy -<br />

chologie: Die Unternehmen müssen erkennen, dass es an der Zeit<br />

ist, wieder aktiv zu werden und nicht nur Budgets kürzen und<br />

Pro gramme einsparen<br />

Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 31


WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />

SAND UND SPEKULATION<br />

Die israelische Diamantenindustrie<br />

ist älter als der Staat. Sie hat seit ihrer<br />

Gründung in den 30er Jahren immer<br />

wieder Krisen erlebt.<br />

1937 gilt offiziell als Geburtsjahr der<br />

Diamanten-Branche in israel. in diesem<br />

Jahr wurden die ersten Werk stät -<br />

ten zum Polieren im damaligen britischen<br />

mandatsgebiet Palästina in Pe -<br />

tach Tikva und in Tel Aviv eröffnet.<br />

Als erste Diamanten-Fabrik mit<br />

mehreren Poliermaschinen gilt jene<br />

von Zwi Rosenberg und Ascher Daskall<br />

in Petach Tikva. Schon im selben<br />

Jahr wurde der „Palestine Diamond<br />

Club“ gegründet, eine eigene Bran -<br />

chen vertretung. Die Briten ahnten<br />

bald die ökonomischen Chancen dieses<br />

Geschäftszweigs und hoben die<br />

Einfuhr-Zölle für Rohdiamanten auf,<br />

die Umsätze stiegen. 1944 gab es be -<br />

reits 33 Unternehmen – Werkstätten<br />

und Fabriken -, und diese beschäftigten<br />

insgesamt 3.300 vergleichsweise<br />

gut bezahlte Arbeiter. Bearbei -<br />

tete Diamanten waren das wichtigste<br />

Exportgut Palästinas.<br />

Doch erste Versuche, in der damals<br />

wirtschaftlich kargen Gegend Dia -<br />

man teure anzusiedeln, gehen weiter<br />

zurück, bis an den Anfang des vorigen<br />

Jahrhunderts, allerdings ohne<br />

Erfolg. Und auch als Rabbi Schlomo<br />

Weinstein, ein polnischer Zionist, im<br />

Jahr 1910 einige Schleifmaschinen in<br />

Antwerpen besorgen und nach Jeru -<br />

sa lem transportieren ließ, sollte daraus<br />

nichts werden. Die gut verstauten<br />

Geräte wurden erst 30 Jahre später<br />

ausgepackt und 1940 erstmals verwendet.<br />

Die Technologie, auf der die israelische<br />

Diamantenbranche aufbaut, da -<br />

tiert ins 15. Jahrhundert, und als be -<br />

deu tender Erfinder gilt ein Antwer -<br />

pener Jude, Lodewyk van Berken. Er<br />

entwickelte den so genannten Scaif,<br />

die Schleifscheibe, die mit Hilfe von<br />

kleinen Diamantsplittern und Oli ven -<br />

öl die Bearbeitung der härtesten ma -<br />

terialien erlaubt. Wie das technisch<br />

überhaupt möglich ist, erforschte<br />

das deutsche Fraunhofer institut erst<br />

in den letzten Jahren. Ein weiterer<br />

jüdischer Erfinder spielte später in<br />

der Entwicklung der industrie eine<br />

entscheidende Rolle: Marcel Tolkows ky,<br />

ein Antwerpener, dessen Familie ur -<br />

sprünglich aus Russland stammte und<br />

Diamanten bearbeitete, hatte 1919<br />

als 21jähriger mit komplizierten Be -<br />

rechnungen das Schleifen der Steine<br />

op timiert. Tolkowskys Ziel: mit mög -<br />

lichste wenig Abfall möglichst viel<br />

Brillanz und Feuer erzeugen. Seine<br />

nachfahren zählen auch heute noch<br />

zu den bedeutendsten Diamanteu-ren<br />

in Belgien.<br />

Die Diamantenindustrie in israel<br />

erlebte ihre erste Krise gleich nach<br />

Ende des zweiten Weltkriegs. in den<br />

USA waren die Preise verfallen,<br />

mehrere Schleif-Zentren, die in den<br />

Jahren zuvor gegründet worden wa -<br />

ren, etwa in Cuba, mexiko oder Bra -<br />

si lien, mussten schließen. Die isra e lis<br />

kamen mit einem blauen Auge da von,<br />

sahen aber ab der Staats grün dung<br />

1948 einen holprigen Weg vor sich,<br />

mit zahlreichen Auf und Abs. Erst<br />

einmal hatte der Unabhängig keits -<br />

krieg die Branche erschüttert, manche<br />

fürchteten sogar bereits ihr Ende.<br />

Doch dann übernahmen zahlreiche<br />

ehe malige Arbeiter einzelne Werk -<br />

stätten und machten sich selbständig,<br />

in den 50er Jahren kam es zu ersten<br />

Zusammenschlüssen und Gruppen-<br />

Bildungen. Hatte es 1948 erst 30 Un -<br />

ter nehmen gegeben, waren es zehn<br />

Jah re später schon 134, davon be -<br />

schäf tigten die fünf größten bereits<br />

jeweils mehr als 90 mitarbeiter.<br />

Die israelische Regierung erkannte<br />

schon sehr früh, dass diese Branche<br />

eine gute möglichkeit eröffnete, De -<br />

Blick in die Diamantenbörse<br />

© jonathan_torgovnik<br />

visen zu generieren, während die<br />

übri ge industrie noch nicht sehr weit<br />

entwickelt war. Daher legte sie den<br />

Unternehmen wenig bürokratische<br />

Hürden in den Weg und ließ sie ar bei -<br />

ten. Auch in den 60er und 70er Jah -<br />

ren wechselten einander im Dia man -<br />

tengeschäft Wachstum und Krise ab.<br />

Die beiden Kriege, 1967 und 1973,<br />

wirkten sich negativ aus, es gab Re -<br />

zes sionen in Europa und den Öl -<br />

schock. Dann traten neue Konkur -<br />

ren ten auf den Plan, vor allem die<br />

Sowjetunion und indien. Dennoch<br />

wurde in israel zügig investiert, 1968<br />

eröffnete die israelische Diamanten -<br />

börse in Ramat Gan im norden von<br />

Tel Aviv ihr Shimshon Building, mit 24<br />

Stockwerken damals eine Besonder -<br />

heit. Auch heute gelten die vier mo -<br />

dernen Wolkenkratzer, in denen ein<br />

Großteil der Diamantenbranche unter -<br />

gebracht ist, als Wahrzeichen der<br />

israelischen Wirtschaft.<br />

Eine ihrer schwersten Krisen durchlief<br />

die Branche am Beginn der 80er<br />

Jahre. Erst hatte eine internationale<br />

Spekulationsblase die Diamanten -<br />

prei se in die Höhe getrieben, hatte<br />

Unternehmer reich gemacht und zu<br />

neuen Firmengründungen geführt.<br />

Doch dann war diese Blase geplatzt,<br />

ein Großteil der Ware war mit Kre di -<br />

ten finanziert wurden, und um diese<br />

ab zudecken, mussten manche schnell<br />

verkaufen. in der Folge verfielen die<br />

Preise dramatisch – um bis zu 80 Pro -<br />

zent. Es brauchte bis 1985, bis sich<br />

der markt stabilisierte und zur früheren<br />

Größe zurückfand. Dann setzte<br />

wieder kräftiges Wachstum ein. in<br />

den folgenden Jahren reagierte die<br />

Branche auf den zunehmenden in -<br />

ter nationalen Wettbewerb: Es wurde<br />

automatisiert, denn die Lohnkosten<br />

eines indischen Schleifers machen<br />

nur einen Bruchteil seines israelischen<br />

Kollegen aus; es wurde ausgelagert,<br />

israelische Unternehmen lassen<br />

selbst anderswo in Asien oder<br />

auch in Osteuropa arbeiten; und es<br />

bildeten sich größere, durchstrukturierte<br />

Unternehmensgruppen heraus,<br />

von denen die besten über eigene<br />

internationale Vertriebskanäle verfügen.<br />

Ramat Gan ist längst zu einem<br />

Knoten im globalen netz geworden.<br />

32 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769


WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />

5<br />

Die Big Five<br />

Die vom Umsatz her<br />

größ ten israelischen Ex -<br />

por teu re polierter Dia -<br />

man ten waren laut industrie- und<br />

Handels ministerium im Jahr 2008:<br />

l.l.d. diamonds von Lev Leviev<br />

mit 417 mio. US-Dollar,<br />

leo schachter ltd.<br />

mit 352 mio.,<br />

a. dalumi dia monds<br />

mit 182 mio.,<br />

espeka dia monds international<br />

mit 159 mio. und<br />

Yerushalmi Bros.<br />

mit 150 mio. Dollar.<br />

Die Branche hat sich trotz 2.500<br />

Unternehmen insgesamt in den<br />

letzten Jahren konzentriert: Die 25<br />

größten Exporteure erzielen ge -<br />

mein sam mehr als 40 Prozent der<br />

Ge samt exporte. Dabei besteht ein<br />

Gutteil der Branche noch immer<br />

aus Familien un ternehmen, die sich<br />

schweigsam und diskret geben: 17<br />

dieser 25 größten Unter nehmen<br />

wol len auch vom mi nis terium<br />

nicht öffentlich genannt werden.<br />

Die internationale jüdische<br />

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High-Tech-Kompetenzen<br />

für israelische Araber<br />

Vorwiegend aus kulturellen Gründen<br />

hat israels arabische Bevölkerung bislang<br />

noch nicht von den Beschäfti -<br />

gungs möglichkeiten der israelischen<br />

High-Tech-Branche zu profitieren ver -<br />

mocht. Während rund 75.000 jüdische<br />

israelis in dem Bereich tätig<br />

sind, beläuft sich die Zahl der Araber<br />

nur auf wenige Hundert.<br />

Smadar nehab, die bereits eine<br />

erfolgreiche Karriere in der Branche<br />

hin ter sich hat, möchte diesem Zu -<br />

stand ein Ende setzen. Dafür hat sie<br />

vor zwei Jahren die gemeinnützige<br />

Organisation „Tsofen“ gegründet,<br />

mit der sie in nazareth, einer für eine<br />

jüdische israelin eher unüblichen<br />

Wir kungsstätte, Fortbildungskurse in<br />

Sachen High-Tech-Kompetenz anbietet.<br />

„Unser Ziel ist es, der israelischen<br />

Tech nikbranche eine signifikante zahl von<br />

arabischern Akademikern zuzuführen“,<br />

sagt nehab, deren Hoffnung es ist,<br />

nazareth zu einem herausragenden<br />

High-Tech-Center zu machen. 35 arabische<br />

ingenieure konnte sie bereits<br />

branchengerecht unterbringen.<br />

Jerusalem BioPark eröffnet -<br />

Haifa will nachziehen<br />

Die ersten mieter haben ihre Büros im<br />

brandneuen Hadassah medical Cen -<br />

ter Hebrew University Biotechnology<br />

Park bezogen. Der Jerusalem BioPark<br />

ist der erste biomedizinische indus -<br />

trie park in israel. Das Gebäude ist<br />

spe ziell auf die Bedürfnisse der For -<br />

schungs- und Entwicklungsaktivitä -<br />

ten in den Life Sciences zugeschnitten<br />

und verfügt im ersten Bauabschnitt<br />

über ca. 10.000qm nutzfläche.<br />

Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat<br />

hat zudem angekündigt, mit neuen<br />

Förderprogrammen das Wachstum<br />

des medizin- und Biotechnikclusters<br />

in der Hauptstadt weiter zu unterstützen.<br />

mit der Hebräischen Univer si tät<br />

und dem angeschlossenen Ha das sah<br />

medical Center verfügt Jeru sa lem<br />

über ausgezeichnete Forschungs in sti -<br />

tute, die einen großen Teil der biotechnologischen<br />

und der klinischen<br />

Forschung israels beitragen. Zum Je -<br />

ru salemer Life Science Cluster gehören<br />

derzeit ca. 110 Firmen mit 3.250<br />

An gestellten.<br />

Auch die Stadt Haifa im norden<br />

israels plant, einen großen Biotech no -<br />

logie-Park zu errichten und über ihre<br />

Haifa Economic Corporation in den<br />

näch sten fünf Jahren etwa eine mil -<br />

liar de Euro in den Ausbau des Parks<br />

zu investieren. Haifa ist eines der<br />

Zentren der israelischen biomedizinischen<br />

industrie. mit dem Technion<br />

verfügt die Stadt über eine der angesehensten<br />

technischen Universitäten<br />

der Welt, und der bereits bestehende<br />

Haifaer matam High Tech Park ist<br />

unter anderem Standort des Technion<br />

Entrepreneurial incubators, der auch<br />

biomedizinische Startups unterstützt.<br />

Neuer Haushalt verabschiedet<br />

Die Knesset hat den Haushalt für 2009<br />

und 2010 verabschiedet. nach einer<br />

langen und erhitzten Debatte stimmten<br />

58 Abgeordnete für und 36 gegen<br />

den Finanzplan der Regierung ne -<br />

tanyahu. Für das laufende Jahr 2009<br />

sind 57,9 mrd. Euro vorgesehen, für<br />

das Jahr 2010 59,5 mrd. Euro.<br />

Finanzminister Yuval Steinitz sprach<br />

nach der Abstimmung von einem „Fei -<br />

ertag für alle Bürger des Staates Is ra el“.<br />

„Die Regierung und die Knesset haben<br />

bewiesen, dass sie über Mut, Vi ta lität<br />

und Führungskraft verfügen. Dies ist der<br />

am stärksten sozial orientierte Haus halt<br />

des vergangenen Jahrzehnts.“<br />

Es war dies das erste mal, dass der<br />

Staatshaushalt für einen Zeitraum<br />

von zwei Jahren festgelegt wurde.<br />

Trotz Krise - Ausländische<br />

Direktinvestitionen gestiegen<br />

Trotz der sich ausweitenden Wirt -<br />

schafts krise ist die Summe der ausländischen<br />

Direktinvestition in israel<br />

im Jahr 2008 um 5% auf US$ 10,5<br />

mrd. gewachsen, wie jüngste Zahlen<br />

der Bank of israel zeigen. momentan<br />

wird auch israel von der globalen<br />

Wirtschaftskrise hart getroffen, dürfte<br />

sich aber aus Sicht von Experten ab<br />

dem zweiten Halbjahr 2009 wieder<br />

erholen.<br />

Der internationale Wäh rungs fonds<br />

(iWF) erwartet, dass die Volks wirt -<br />

schaft des Landes in diesem Jahr um<br />

1,7% schrumpft, 2010 aber wieder ein<br />

leichtes Wachstum von 0,3% er zielt.<br />

im ersten Quartal 2009 schrumpf te die<br />

israelische Wirtschaft um 3,9% ge -<br />

genüber dem ersten Quar tal 2008 und<br />

die Arbeitslosigkeit stieg auf 7,8% im<br />

April 2009 (6,1% im April 2008).<br />

Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 33


WISSENSCHAFT • ISRAEL<br />

Israel ist kein „spontanes Reiseziel“<br />

Ami Tzubery, 51, wird ab dem 2. Au -<br />

gust in Berlin das Staatliche israelische<br />

Verkehrsbüro leiten und Daniel<br />

neumann ablösen. Die Berliner Filia -<br />

le des israelischen Tourismusministe -<br />

ri ums ist Anlaufstelle für Reiseunter -<br />

nehmer in Deutschland, Schweiz und<br />

Österreich.<br />

Der geschiedene Vater von zwei Kin -<br />

dern, ist in Beth Zeit geboren, einem<br />

Dorf nahe Jerusalem, gelernter Lin -<br />

guist und spricht fließend Deutsch.<br />

„Es gibt Unterschiede bei den Zielgruppen<br />

in den von mir betreuten Ländern“,<br />

sagt Tzubery in seinem schlichten<br />

Jerusalemer Büro. „In Österreich sind<br />

70 Prozent der Bevölkerung Katholiken.<br />

Dort arbeiten viele Unternehmer mit dem<br />

religiösen Publikum. Die Österreicher ha -<br />

ben zudem eine ganz besondere Art, auf<br />

Reisen zu gehen. Da gibt es Energie wo -<br />

chen im Februar. In der Schweiz ist es vor<br />

allem der jüdische Markt. Sonst kommen<br />

nicht viele Schweizer nach Israel. In<br />

Deutsch land verteilen sich die Israel-Be -<br />

su che über das ganze Jahr, vor allem je doch<br />

auf die kühlere Periode zwischen Oktober<br />

und April.“<br />

in diesem Jahr, so Tzubery, werde er<br />

das Schwergewicht auf Gruppen rei -<br />

sen und Einzelreisende legen, die an<br />

„Kultur und Geschichte“ interessiert<br />

seien: „Das umfasst die reinen Pilger,<br />

wie jene, die sich nicht als fromm bezeichnen,<br />

dennoch die Grabeskirche und andere<br />

Heilige Stätten besuchen.“ Für Tou -<br />

ris ten aus aller Welt sei israel kein<br />

„gewöhnliches“ Reiseziel. „Niemand<br />

wacht eines Morgens auf und sagt sich,<br />

jetzt fahre ich nach Israel.“ nach Spa ni -<br />

en oder italien brechen Urlauber auch<br />

mal spontan auf. „Wer nach Israel<br />

kommt, hat ein Ziel. Das ist irgendwie<br />

mit dem Heiligen Land verknüpft.“<br />

„Das hat etwas mit der Geschichte dieses<br />

Ortes zu tun. Wir können uns davon<br />

nicht loslösen. Wir werden nicht einfach<br />

besucht, weil Tel Aviv eine Spaßstadt ist.<br />

Das ist nett als Zugabe, aber nur im Rah -<br />

men einer Gesamtrundfahrt. Die We nig -<br />

s ten würden nur Tel Aviv besuchen, so<br />

wie andere Touristen gezielt nach Berlin<br />

oder Paris reisen.”<br />

Für Tzubery ist das eine Tatsache. Es<br />

sei sinnlos, Energie aufzuwenden, das<br />

zu ändern. Sinnvoller sei es, Be su cher<br />

mit kultureller oder religiöser Bin -<br />

von Ulrich W. Sahm<br />

dung zu israel von einem Ab stecher<br />

nach Tel Aviv oder zum Toten meer<br />

zu überzeugen.<br />

Tzubery gesteht, dass die Einrichtung<br />

eines „Tel Aviv Strand“ in <strong>Wien</strong> oder<br />

Journalistenfahrten zu Winzern in is -<br />

rael „nicht den gewünschten Ef fekt“<br />

hatten. Dennoch werde sein minis -<br />

terium damit fortfahren, zum Beispiel<br />

mit marco Rödel, einem deutschen<br />

Radsportler, durch Galiläa radeln.<br />

nächstes Jahr werde es in Haifa eine<br />

Rad-meisterschaft geben. „Wir fahren<br />

damit fort, weil es von Israel ein Bild des<br />

´business as usual´, normalen Lebens, ver -<br />

mittelt.”<br />

nach einer Runde bei Reiseun ter neh -<br />

mern in Deutschland habe er festgestellt,<br />

dass Fernsehreklame, bei der<br />

man menschen beim Jogging sah, die<br />

dann „Schalom, Schalom“ riefen,<br />

sehr gut angekommen sei. Bei „Bibli-<br />

sche Reisen“ habe man ihm gesagt,<br />

dass diese Bilder Pilgern vorgeführt<br />

hätten, wie sehr israel ein „normales<br />

Land“ sei.<br />

Tzubery betont die Kooperation mit<br />

den Palästinensern. natürlich gebe es<br />

politische Probleme. „Die werden wir<br />

bis morgen früh nicht lösen. Wir wollen<br />

genauso wie unsere Partner möglichst<br />

viele Touristen ins Heilige Land locken.<br />

Beide Seiten verdienen daran, Bethlehem<br />

wie Jerusalem. Wer Israel meidet, schadet<br />

auch Palästinensern.“<br />

Tzubery sagte<br />

weiter, dass der<br />

Gaza-Krieg nur<br />

geringfügig am<br />

Einbruch der<br />

Tou ristenzahlen<br />

schuld sei. nach<br />

Angaben deutscher<br />

Reise bü -<br />

ros habe die<br />

Wirt schaftskrise<br />

weltweit einen spür baren Rückgang<br />

der Reisen be wirkt. Bei Studiosus wur -<br />

de ihm er klärt, dass es 2008 einen<br />

Rückgang bei Reisen nach Ägypten,<br />

Jordanien und in die Türkei gegeben<br />

habe, aber ausgerechnet bei israel ein<br />

Zuwachs von 50 Prozent. Studiosus<br />

wen de sich im Falle israels „an ein<br />

ganz spezielles Pu blikum, das Geld hat,<br />

es sich leisten kann und eben großes<br />

Interesse hat.“<br />

Israelische<br />

Wüstenpflanze<br />

bewässert sich selbst<br />

© Simcha Lev-Yadun<br />

Ein Forscherteam der Universität<br />

in Hai fa hat eine Wüstenpflanze<br />

untersucht, die sich selbst bewässern<br />

kann. Bisher ist es die einzige<br />

Pflanze ihrer Art.<br />

Ein israelischer Botaniker hat<br />

schon vor 70 Jahren an der Pflanze<br />

ge forscht. Auf Grund ihres Stand -<br />

ortes hat sie spezielle Blätter entwickelt,<br />

die durch Kerben und Ka -<br />

näle Regen wasser direkt in die<br />

Wur zeln führen können. Wie das<br />

Jour nal „natur wis sen schaften”<br />

be richtet, werde die Pflanze als Bei -<br />

spiel für neue Wege der Bewässe -<br />

rung in der Landwirtschaft gehandelt.<br />

Die Pflanze wachse laut den<br />

Forschern nur in israel und Jorda -<br />

nien.<br />

Der Forscher Simcha Lev-Jadun<br />

sagt: „Das, was wir auf der Ober flä -<br />

che der Pflanze sehen, wurde vor 2.000<br />

Jahren auf mehreren hundert Qua drat -<br />

kilo me tern schon von Menschen angewandt,<br />

die in der Negev-Wüste wohnten.<br />

Ich bin si cher, dass sie diese einfache<br />

physikalische Re gel angewendet<br />

und ausgebaut ha ben.” Schon zur<br />

Zeit des zweiten Tem pels hätten die<br />

Be woh ner der negev-Wüste schon<br />

„Ka nä le” gebaut, um die Bewäs se -<br />

rung zu verbessern.<br />

Die Pflanze könne in lebensfeindli -<br />

chen Gebieten überleben, da sie 16<br />

mal mehr Wasser speichern könne<br />

als andere Pflanzen in dieser Re gi -<br />

on, fan den die Forscher heraus.<br />

Laut einer Studie kann der Wüs -<br />

ten rha barber 4,2 Liter Wasser pro<br />

Jahr ge winnen. Die wachsähnlichen<br />

Blätter verringern den Ver -<br />

lust von Wasser auf dem Weg in<br />

die Wurzel.<br />

inn<br />

34 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769


WISSENSCHAFT • ISRAEL<br />

Israel als<br />

Ornithologenparadies<br />

Solarstrom-Blume<br />

mitten in der Wüste<br />

in der Arava-Wüste, zwischen dem<br />

Toten meer und Eilat, steht seit kur -<br />

zem eine futuristische Solar strom an -<br />

la ge. Rund 200 Bewohner eines Kib -<br />

bu zes können sich nicht nur an kos -<br />

ten losem Strom vom Himmel erfreuen,<br />

sondern auch über eine anziehende<br />

Architektur.<br />

im Januar begann der Bau der Solar -<br />

stromanlage im Kibbuz Samar. Wie<br />

die Tageszeitung „Ha´aretz” berichtet,<br />

ist es die erste kommerzielle So lar -<br />

stromanlage in israel, die den ganzen<br />

Tag ohne Unterbrechung Strom liefern<br />

kann. Die Technik dazu wurde am<br />

Weizmann institut für Wissenschaft<br />

in Rehovot entwickelt.<br />

Die Anlage erstreckt sich über eine<br />

Fläche von 2.000 Quadratmetern und<br />

besteht aus 30 einzelnen Spiegeln, die<br />

sich nach der Sonne ausrichten können.<br />

Jeder Spiegel fokussiert seinen<br />

Strahl auf ein Empfangsteil auf der<br />

Spitze eines Turms, die wie eine Lo -<br />

tusblüte geformt ist. Die Spitze wird<br />

durch die gebündelten Sonnen strah -<br />

len auf eine Temperatur von über<br />

1.000 Grad Celsius erhitzt. Eine Gas -<br />

tur bine wandelt die Hitze in Elektri -<br />

zität um. Rund 100 Kilowatt erzeugt<br />

der Generator, genug für 50 bis 70<br />

Familien.<br />

„Die Solar-Anlage ist nicht nur eine ökologische<br />

Errungenschaft, sondern auch<br />

eine architektonische und künstlerische”,<br />

schreibt die Tageszeitung. Errichtet<br />

wurde die Anlage von der israelischen<br />

Firma AORA. Der Architekt<br />

Haim Dotan half bei der Konstruktion.<br />

Er gilt laut der Tageszeitung „Ha´a-<br />

retz” als einer der kreativsten und<br />

bedeutendsten Architekten isra els.<br />

Von ihm stammt etwa neue Kultur -<br />

zen trum in Aschdod und das Andre<br />

minkoff Auditorium in Be’er Scheva.<br />

Die „Blume” passe gut in das Umfeld<br />

des ländlichen Kibbuz, betont Dotan.<br />

„Die Idee hinter dem Design war, dass<br />

Solarenergie dazu führen kann, dass die<br />

Wüste erblüht”, sagt der Architekt.<br />

„Deshalb entschieden wir uns für eine Blu -<br />

menform. Wenn es mehrere solcher Tür -<br />

me gibt, vielleicht sechs oder zehn, haben<br />

wir einen ‘Garten’ geschaffen.” Der<br />

Stahlturm erhielt eine gelbe Farbe,<br />

die zur Wüste ringsum passt. Laut<br />

Dotan könne das futuristische Design<br />

auch dazu beitragen, die Aufmerk -<br />

samkeit derer, die durch die Gegend<br />

kommen, auf Solarenergie zu lenken.<br />

Der Architekt will nun versuchen, sei -<br />

ne „Blume” nach China zu verkaufen,<br />

wo er am israelischen Pavillon auf der<br />

Expo 2010 in Shanghai arbeitet. inn<br />

israels führende Ornithologen planen,<br />

das Land zu einem internationalen<br />

Anlaufpunkt für vogelbegeis ter te<br />

Touristen zu machen. nun hat sich<br />

auch Stanley Fisher, der Präsident der<br />

Bank of israel, hinter die initiative ge -<br />

stellt, im ganzen Land Vogelbeo bach -<br />

tungsstationen einzurichten<br />

Die initiative wurde am international<br />

Center for the Study of Bird migra ti on<br />

in Latrun entwickelt, das von Dr. Yossi<br />

Leshem vom institut für Zoolo gie an<br />

der Universität Tel Aviv geleitet wird.<br />

Sie basiert auf neun bestehenden Vo -<br />

gelstationen, die ausgebaut und um<br />

sechs weitere ergänzt werden sollen.<br />

israel wird jährlich von rund einer<br />

milliarde Zugvögeln passiert; 540 Ar -<br />

ten sind zu beobachten. Etwa 30.000<br />

Vogelfreunde besuchen das Land je -<br />

des Jahr. Schätzungen zufolge könn te<br />

sich ihre Zahl durch den systematischen<br />

Ausbau der ornithologischen<br />

Zen tren auf 100.000 steigern lassen.<br />

Yossi Leshem meint im Hinblick auf<br />

die sich eröffnenden Aussichten für<br />

die Tourismusbranche: „Wenn man<br />

heute Leute auf der Welt fragt, was sie<br />

über Israel wissen, sagen sie, dass sie<br />

vom israelisch-arabischen Konflikt gehört<br />

haben oder von Sachen, die mit der Ge -<br />

schich te oder Archäologie zu tun haben.<br />

Von nun ab wird Israel durch seine<br />

Natur bekannt sein. Ein Tourist kann<br />

Wis sen über Raubvögel in der Wüste Ju -<br />

däas erwerben. Wenn er sie verpasst, wird<br />

ihm nichts anderes übrig bleiben als<br />

Massada zu besuchen.“<br />

Haaretz<br />

WISSENSCHAFT<br />

Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 35


© Picaphone LTD<br />

Ori Shaked<br />

Das erste<br />

internationale<br />

Telefonbuch<br />

der Welt<br />

in einer Pressemitteilung, die Anfang<br />

Juni in über 100 Ländern veröffentlicht<br />

wurde, fordert die Picaphone<br />

Web site die menschen weltweit dazu<br />

auf, ihre Site aufzurufen und bei der<br />

Erschaffung des weltweit ersten in -<br />

ter nationalen Telefonbuchs und E-<br />

mail-Datenspeichers mitzumachen.<br />

http://www.picaphone.com startete eine<br />

der grössten internationalen Projekte<br />

im Web - das erste internationale Te -<br />

lef onbuch der Welt. in der Presse mit -<br />

teilung wurde die Öffentlichkeit dazu<br />

aufgerufen, sich an dem neuen inter -<br />

net-Projekt zu beteiligen, damit zum<br />

ersten mal in der Geschichte ein in -<br />

ter nationales Telefonbuch geschaffen<br />

wird, das allen zur Verfügung stehen<br />

wird und es nutzern ermöglicht, kostenlose<br />

Anrufe an jeden Ort der Welt<br />

tätigen zu können.<br />

Die Website wird auch weltweit so for -<br />

tigen Zugriff auf jede Telefonnummer<br />

und E-mail-Addres se, die der nutzer<br />

eventuell brauchen könnte, ermögli -<br />

chen. Hierdurch wird die Abhängig -<br />

keit von der Exklusiviät der informa -<br />

tionen, die die Telefon ge sellschaften<br />

derzeit in allen Ländern geniessen,<br />

WISSENSCHAFT • ISRAEL<br />

beendet. Zusätzlich werden die nut -<br />

zer die Dienstleistungen der Telefon -<br />

ge sell schaften nicht mehr in An spruch<br />

nehmen müssen, um An ru fe zu tätigen,<br />

sondern können dies stattdessen<br />

über die Website erledigen - und das<br />

völlig kostenlos. Dies ist eine konzeptionelle<br />

Revolution, die den ganzen<br />

Telefonmarkt weltweit betrifft und<br />

somit das markt monopol der Tele -<br />

fon ge sellschaften beenden wird.<br />

Gleich vom ersten Tag, wird die Web -<br />

site in 12 Sprachen zur Verfügung stehen,<br />

die 91% der Weltbevölkerung<br />

ab decken: Englisch, Chinesisch, ita li e -<br />

nisch, Französisch, Deutsch, Spa nisch,<br />

Arabisch, Portugiesisch, Rus sisch,<br />

Koreanisch, Hebräisch und Japa -<br />

nisch. Ziel für die Zukunft wird sein,<br />

die Website in alle Sprachen zu übersetzen.<br />

Die nutzer werden ihre infor -<br />

mationen in ihrer eigenen Sprache<br />

und auf Englisch eintragen, um das<br />

Suchen und Austauschen der infor ma -<br />

tionen auf internationaler Basis ge -<br />

währ leisten zu können.<br />

Dieses innovative Projekt ist die idee<br />

von Ori Shaked aus israel und wird<br />

von der Shaked Family Foundation<br />

finanziert, die zu den Gründern des<br />

erfolgreichen internet Unternehmens<br />

888.com, einer internet-Gaming Web -<br />

site, gehört, die an der Londoner Börs e<br />

gehandelt wird und von shvoong.com,<br />

einer globalen Plattform zum Aus -<br />

tausch von Wissen, die in 34 Sprachen<br />

verfügbar ist.<br />

Ori Shaked, der Gründer der Web site,<br />

meint hierzu: „Zum erste Mal überhaupt<br />

wird die http://www.picaphone.com<br />

Website es jedem ermöglichen, so einfach<br />

wie möglich, umsonst und schnell Zugriff<br />

auf die Telefonnummern von Privatper -<br />

sonen und Unternehmen weltweit zu er -<br />

hal ten, ohne die Telefongesellschaften für<br />

die benötigten Informationsdienste in<br />

Anspruch nehmen zu müssen und für die -<br />

se zu bezahlen. Der Erfolg dieses ehrgeizigen<br />

Projekts hängt nur von der Koopera -<br />

tion der Websurfer in aller Welt ab. Ziel<br />

ist es, innerhalb der ersten Mo na te Millio -<br />

nen von Nutzern zu erreichen.”<br />

http://de.picaphone.com/default.aspx<br />

Für weitere informationen:<br />

Dan-Oren, Strategie & PR<br />

Büro +972-3-613-1222<br />

maly Cohen-Braier, mobil +972-52-696-1625<br />

Amir Dan, mobil +972-52-696-1621<br />

Neue Therapie für<br />

Verbrennungsopfer<br />

Ein Arzt in Tel Aviv hat eine Therapie<br />

entwickelt, durch die Ver bren nungs -<br />

op fer schneller geheilt werden sollen<br />

– und die macht auch noch Spaß: Um<br />

psychische Folgen durch Brandnar ben<br />

zu verhindern, zocken die Patien ten<br />

Computerspiele.<br />

Allein die USA verzeichnen im Jahr<br />

rund eine halbe million Verbren nungs -<br />

opfer. Ein Drittel von ihnen trägt bleibende<br />

Schäden davon. nicht selten<br />

sind diese auch äußerlich. Eine der<br />

größten Schwierigkeiten für Ver bren -<br />

nungsopfer ist es deshalb häufig, mit<br />

ihren bleibenden narben zu leben und<br />

sich selbst zu akzeptieren, auch wenn<br />

sie nie wieder aussehen werden wie<br />

früher. Eine neuartige Beschäfti gungs -<br />

therapie aus Tel Aviv verspricht nun<br />

eine schnellere Heilung für solche Pa -<br />

tienten, insbesondere soll sie De pres -<br />

sionen vorbeugen. Dazu müssen die<br />

Geschädigten nichts weiter tun, als<br />

Com puter zu spielen - und zwar mithilfe<br />

des „Sony Playstation EyeToy”.<br />

Spieler sieht sich selbst und gewinnt<br />

Selbstbewusstsein<br />

Dr. Joseph Haik hat seine konsolenunterstützte<br />

methode schon 2006 an<br />

der Universität Tel Aviv getestet und<br />

in der von ihm geleiteten Verbren -<br />

nungs abteilung des Krankenhauses Tel<br />

HaSchomer eingeführt. Der „EyeToy”<br />

besteht aus einer Webcam, die die Be -<br />

wegungen des Spielers registriert und<br />

auf einen Bildschirm überträgt. Der<br />

Be nutzer sieht sich also selbst während<br />

des Spiels zu. Das nutzt Haik, um<br />

die realistische Selbstwahr neh mung<br />

seiner Patienten zu unterstützen.<br />

Besonders die Selbstwahrnehmung<br />

sei wichtig, um eine schnelle Heilung<br />

her beizuführen. Depressionen und<br />

andere psychische Beeinträch ti gun -<br />

gen könn ten eine Heilung schwieriger<br />

und schmerzhafter machen, als sie ei -<br />

gent lich wäre. Deshalb sei die „Eye-<br />

Toy”-methode besonders wichtig,<br />

denn das Spiel zeige den Patienten ih -<br />

re Ver letzungen auf originelle Weise.<br />

Zudem würden die Patienten durch<br />

die Beschäftigung mit dem Spiel von<br />

ihren teilweise furchtbaren Schmer zen<br />

abgelenkt.<br />

inn<br />

36 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769


JÜDISCHE WELT • INLAND<br />

Sie haben übermorgen Gäste und<br />

wissen nicht, wie Sie das noch<br />

hinkriegen sollen? Ihre Tochter heiratet<br />

und das Fest wächst sich zu einem<br />

Großevent aus? Dann ist Shalom<br />

Bernholtz Ihr Mann. Er ist aus der<br />

<strong>Wien</strong>er koscheren Gastronomie nicht<br />

mehr wegzudenken. Das Handy ist<br />

sein ständiger Begleiter. Ganz nach<br />

dem Motto: Sie rufen, wir liefern.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

„Wenn ich Freizeit<br />

habe, bin ich unruhig“<br />

Es riecht nach Kuchen in den Räum -<br />

lich keiten von Bernholtz Catering in<br />

der Leopoldstadt. Eine mitarbeiterin<br />

legt kleine Tabletts auf einem großen<br />

Tisch auf, Kante an Kante, am Ende<br />

werden es dutzende sein. Stunden<br />

später werden koscher essende Flug -<br />

gäste der AUA-Gruppe in einen der<br />

köstlichen Brownies beißen, die hier<br />

eben sorgfältig verteilt werden.<br />

Shalom Bernholtz hat immer viel zu<br />

tun. Während des Gesprächs ruft ein<br />

Vater an, dessen Sohn in Kürze Bar<br />

mitzvah feiert. Leider kollidiert sie mit<br />

der Bar mitzwah von Bernholtz‘ jüng -<br />

stem Sohn. insgesamt hat er sechs Kin -<br />

der, eine Tochter und fünf Söhne,<br />

zwi schen 13 und 29 Jahren. Vielleicht<br />

wolle der Vater die Feier verschieben?<br />

Es sieht nicht danach aus. man<br />

wird sich später nochmals zusam men -<br />

rufen. Es ist nicht das einzige mal, dass<br />

in dieser Stunde das Handy klingelt.<br />

Bernholtz ist dennoch immer gut ge -<br />

launt. Stress scheint er nahezu als He -<br />

raus forderung zu betrachten, freie Zeit<br />

ist ihm suspekt. „Wenn ich Freizeit<br />

habe, bin ich unruhig“, sagt er und zieht<br />

an seiner Zigarette. Er rauche seit seinem<br />

17. Lebensjahr erzählt Bernholtz,<br />

einmal habe er für eineinhalb Jahre<br />

aufgehört, zuletzt vor vier Jahren ein<br />

Jahr Rauchpause eingelegt. Doch<br />

auch guter Küche kann der umtriebige<br />

Gastronom viel abgewinnen. Er esse<br />

gerne Fisch, Salate, milchprodukte.<br />

„Am Abend nach einer großen Veran staltung<br />

komme ich nach Hause und esse<br />

Cracker mit gutem Käse.“ Dann sei wieder<br />

ein Fest gut über die Bühne<br />

gegangen, dann fühle er sich wohl.<br />

Feiern für zehn bis 2.000 Personen<br />

richtet Shalom Bernholtz in <strong>Wien</strong> aus.<br />

Zuletzt hat er zudem in Polen den<br />

„march of the Living“ betreut. 2.500<br />

Teilnehmer galt es vier Tage lang mit<br />

koscherem Essen zu versorgen. Seine<br />

im Vorjahr in Krakau eröffnete Küche<br />

lief auf Hochtouren. nervös sei er vor<br />

diesem Großevent doch gewesen, gibt<br />

Bernholtz zu. im kommenden Jahr<br />

werde er schon wissen, dass auch das<br />

zu schaffen ist. „Ich bin ständig am<br />

Lernen.“<br />

Learning by doing: das scheint das<br />

Lebensmotto von Bernholtz zu sein.<br />

nach seiner Jeschiwe-Zeit, in deren<br />

Sommern er bereits in der Betreuung<br />

von Jugendlichen tätig war, bekam er<br />

eine Stelle als Schuldirektor in Zefat.<br />

Zu dieser Zeit hat er wohl nicht ge -<br />

ahnt, dass es ihn, seine Frau mali und<br />

seine Kinder eines Tages nach Österreich<br />

verschlagen würde. Shalom<br />

Bern holtz‘ Familie lebt bereits seit acht<br />

Generationen in Jerusalem, auch er<br />

ist dort geboren. Er liebt israel.<br />

Die junge Familie beschließt in den<br />

achtziger Jahren, nach <strong>Wien</strong> zu ge -<br />

hen, um Jüdischkeit zu verbreiten.<br />

Sha lom Bernholtz unterrichtet zu -<br />

nächst an einer jüdischen Schule, später<br />

vorrangig privat. Rund 500 Buben<br />

habe er auf die Bar mitzwah vorbereitet.<br />

Deutsch hat er innerhalb von<br />

zwei Jahren erlernt, sein Akzent ist<br />

dennoch unverkennbar – und liebenswert.<br />

mitte der achtziger Jahre wechselt<br />

Bernholtz langsam in die Gastrono -<br />

mie. Den Anfang machte er mit ko -<br />

scherer Pizza, das gab es zuvor in<br />

<strong>Wien</strong> nicht. Daneben unterrichtet er<br />

weiter Kinder. Das wird ihm irgendwann<br />

zu viel. Auf die Pizzeria folgt<br />

ein koscheres Restaurant in der Franz<br />

Hochedlinger-Gasse. Sukzessive<br />

kommt das Catering-Geschäft dazu.<br />

Fluglinien, Schulbuffet, private Feste,<br />

jüdische Gruppen, die <strong>Wien</strong>, Prag<br />

und Budapest besuchen, Bestel lun -<br />

gen von Hotels wie dem Hilton über<br />

das Bristol bis zum imperial, Som mer -<br />

frischen am Semmering, in italien, in<br />

Slowenien oder der Schweiz – jedes<br />

Jahr gestaltet sich etwas anders. Teil -<br />

weise pendelt Bernholtz in manchen<br />

Sommern zwischen drei Ländern.<br />

Doch das Autofahren macht ihm<br />

Spaß, „das ist keine Last“. Eigentlich<br />

seien diese Sommer-Tripps alle lustig<br />

gewesen. Und er hört dabei gerne<br />

musik. im Himmel liege die Tür zum<br />

Raum der Lieder gleich neben der<br />

Tür zum Raum der Tschuva, dem<br />

Wie dergutmachen. „Ich bin mit Lie -<br />

dern sehr befreundet.“<br />

JÜDISCHE WELT<br />

Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 37


JÜDISCHE WELT • INLAND<br />

Die wenigen male, die ihn Alpträu me<br />

plagen, träumt er, dass er einen Ter -<br />

min verschwitzt hat. „Da rufen mich die<br />

Leute an und fragen mich, wo bist du,<br />

und ich habe nichts vorbereitet.“ in der<br />

Realität kommt das aber natürlich<br />

nicht vor.<br />

Rosch HaSchana und Pessach, das<br />

sei en in <strong>Wien</strong> die stressigsten Zeiten,<br />

da wollen besonders viele jüdische<br />

Familien von ihm beliefert werden.<br />

Ge fillte Fisch stehe dabei auf der<br />

Wunschliste ganz oben. ins Restau -<br />

rant Alef Alef dagegen kommen auch<br />

immer wieder viele nichtjuden, Tou -<br />

risten wie <strong>Wien</strong>er, die einmal jüdische<br />

Gerichte probieren wollen. Auch<br />

unter seinen Catering-Kunden für<br />

Par tys sind übrigens viele nicht ju -<br />

den, erzählt Bernholtz. insgesamt be -<br />

schäftigt er in seinem Catering-Be trieb<br />

sechs Köche. Bei Großveranstal tun gen<br />

hat er bis zu 70 Leute an der Hand,<br />

die ein eingespieltes Team seien.<br />

Dass er jemals in Pension geht, kann<br />

sich Shalom Bernholtz nicht vorstellen.<br />

„Die Arbeit macht mir wahnsinnig<br />

Spaß.“ Die größte Freude machen ihm<br />

übrigens „gut gelaunte Leute und eine<br />

gelungene Party“.<br />

zur Person<br />

info<br />

restaurant alef alef<br />

Seitenstettengasse 4<br />

1010 <strong>Wien</strong><br />

Tel.: 01 - 535 25 30<br />

Bernholtz catering<br />

Lichtenauergasse 6<br />

1020 <strong>Wien</strong><br />

Tel.: 01 – 214 91 40 oder<br />

0664 – 321 28 99<br />

shalom Bernholtz, geb. 1957 in Jerusalem, Gymnasium und Jeschiwe in<br />

israel. Es folgen eine Lehrerausbildung (Talmud und Religion) sowie<br />

Semichut lerabbanut (Rabbinerprüfung). Danach Schulleiter in Zefat.<br />

Dann Übersiedlung nach <strong>Wien</strong>. Hier zu Beginn Tätigkeit als Lehrer,<br />

mitte der acht ziger Jahre dann Wechsel in die Gastronomie. Start mit<br />

einer koscheren Pizzeria, etwas später milchig-fleischiges koscheres<br />

Restaurant in der Franz Hochedlinger-Gasse. Einstieg in das koschere<br />

Flugcatering, bis heute versorgt Bernholtz die AUA-Gruppe mit koscheren<br />

menüs. Seit 2000 führt er das fleischige Restaurant ‘Alef Alef’ in der<br />

Seitenstettengasse.<br />

Daneben führt er das Bernholtz Catering, das für große und kleine Feste<br />

liefert und im Sommer auch Hotels von der Schweiz über italien bis<br />

Slowenien beliefert. Seit kurzem betreibt er auch eine Küche in Krakau,<br />

versorgte dort im vergangenen mai die 2.500 Teilnehmer des „march of<br />

the Living“ mit koscherem Essen.<br />

Seit 1979 mit mali verheiratet, die in der Schweiz aufgewachsen ist. mali<br />

Bernholtz arbeitet als Lehrerin an der Zwi Perez Chajes-Schule. Das Paar<br />

hat sechs (teilweise bereits erwachsene) Kinder und sieben Enkelkinder.<br />

nur der jüngste Bub (13) lebt in <strong>Wien</strong>, ein Kind ist nach Kanada gegangen,<br />

die anderen Kinder leben in israel.<br />

„Nicht koscher”:<br />

<strong>Wien</strong>er Jüdischer<br />

Chor feiert<br />

20-jähriges Jubiläum<br />

Ein Stück jüdischen Lebens in <strong>Wien</strong><br />

feiert heuer 20-jähriges Jubiläum: Der<br />

<strong>Wien</strong>er Jüdische Chor (WJC), der im<br />

Jahr 1989 von der Familie Smolka ge -<br />

gründet wurde. Der WJC - unter der<br />

Lei tung von Roman Grinberg - gab im<br />

Juni ihr Geburtstagskonzert „A bissele<br />

Glik” im prall gefüllten mozartsaal<br />

des <strong>Wien</strong>er Konzerthauses.<br />

Der <strong>Wien</strong>er Jüdische Chor ist ein Bei -<br />

spiel für kulturellen Austausch und<br />

da für, wie „harmonisch das Miteinan der<br />

von Juden und Nicht-Juden, von gebürtigen<br />

Österreichern und Einwanderern sein<br />

kann”, sagte Chor-Präsident Timothy<br />

Smolka in seiner Ansprache. Der WJC<br />

ist von seiner Zusammensetzung her<br />

kein „koscherer” Chor. Es singen dort<br />

männer und Frauen, Juden und<br />

nicht-Juden - „die die gemeinsame Lie be<br />

zur jüdischen Musik und der Respekt vor<br />

dem Judentum verbindet”, so Smol ka.<br />

ins Leben gerufen wurde der Chor<br />

vor 20 Jahren von Smolkas Tochter<br />

Eva, die damals nach einer möglich -<br />

keit gesucht hat, jüdische Kultur in<br />

<strong>Wien</strong> wieder publik zu machen. Ein<br />

achtköpfiges Ensemble machte den<br />

An fang, als Probenraum diente das<br />

Wohnzimmer der Familie Smolka.<br />

Heute besteht der Chor aus fast 50<br />

mit gliedern und ist als Teil des jüdischen<br />

Lebens in <strong>Wien</strong> nicht mehr weg -<br />

zudenken. Die musikalische Leitung<br />

hat Roman Grinberg inne, der den<br />

größten Teil der Lieder selbst arrangiert.<br />

Das Repertoire des Chores umfasst<br />

vor allem jiddische, hebräische und<br />

englische Stücke, darunter bekannte<br />

Gassenhauer ebenso wie so manch<br />

verloren geglaubtes Liedgut.<br />

Grinberg pflegt den Austausch mit<br />

internationalen musikern, die die<br />

Shoa überlebt und in Vergessenheit<br />

geratene Lieder bewahrt haben. mit<br />

dem Chor will der Künstler dazu beitragen,<br />

diesen Schatz zu bergen, die<br />

Lieder wiederzuentdecken und mit<br />

neuem Leben zu füllen.<br />

http://www.wjchor.at<br />

38 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769


JÜDISCHE WELT • INLAND<br />

Der alte jüdische Friedhof am Judenbühel<br />

©Bloch<br />

©Krausa<br />

Auszug aus der Rede von Esther Fritsch, Prä -<br />

sidentin der <strong>Israelitische</strong>n Kultus ge meinde<br />

Tirol an lässlich der Ein weihung der Ge denk -<br />

stätte „Alter Jüdischer Friedhof – Juden -<br />

bühel“ am 16.7.2009 in Innsbruck<br />

nach dem jüdischen Glauben werden<br />

Friedhöfe für die Ewigkeit errichtet.<br />

Wir sind hier an einem solchen ge -<br />

weih ten Ort, der von Tiroler Juden vor<br />

vielen Jahrhunderten zur Bestat tung<br />

ihrer Toten auserkoren bzw. ihnen<br />

zugewiesen und bis vor 140 Jahren zu<br />

diesem Zweck verwendet wurde.<br />

nach der Verlegung des jüdischen<br />

Fried hofs in einen Teil des Städ ti -<br />

schen Westfriedhofs 1864 geriet dieser<br />

uralte Platz im 20. Jahrhundert langsam<br />

in Vergessenheit.<br />

Wir nachgeborenen hatten bis vor<br />

kur zem nicht mehr als eine zufällige<br />

und sehr lückenhafte Kenntnis von der<br />

Existenz dieses Friedhofs. Er wäre<br />

wohl endgültig in Vergessenheit geraten,<br />

wenn nicht Altbischof Reinhold<br />

Stecher den Anstoß gegeben hätte, der<br />

Sache nachzugehen. ihm sind wir zu<br />

großem Dank verpflichtet, neben ihm<br />

aber auch einer Reihe anderer Perso -<br />

nen bzw. institu tionen: dem Obmann<br />

des Ver schö nerungs ver eins Hermann<br />

Hell; der Öffentlichkeit insgesamt, die<br />

dafür großes Ver ständnis gezeigt und<br />

es finanziert hat – hier möchte ich insbesondere<br />

Bür germeisterin Hilde Zach,<br />

Landes haupt mann Günther Platter<br />

und dem Prä sidenten des Tiroler<br />

Land tags, DDr. Herwig van Staa, danken;<br />

weiters dem Archäologen Mag.<br />

Guggenberger und dem Histo riker<br />

Niko Hofinger, die die Ausgra bun gen<br />

durchgeführt und auf eine wissenschaftliche<br />

Basis gestellt haben; und<br />

schließlich und ganz besonders unseren<br />

Architekten, Reinhard und Ada<br />

Rinderer. Sie haben die sehr edle und<br />

symbolhafte Umrahmung mit Stahl -<br />

platten am Ort der alten Friedhofs -<br />

mauern erdacht und ausgeführt.<br />

Die Existenz dieses Friedhofs beweist<br />

die jahrhunderte lange Anwesenheit<br />

von Juden in Tirol. Die erste urkundliche<br />

Erwähnung erfolgt 1503 und be -<br />

trifft die Erlaubnis zur weiteren Bele -<br />

gung des schon „seit menschen ge -<br />

denken“ als jüdischer Friedhof be nutz -<br />

ten Areals südlich der Weiher burg.<br />

Der uralte Friedhof sagt aber auch ein<br />

zweites aus: zu diesen Zeiten hatten<br />

die Juden nicht nur im Leben von den<br />

mitbürgern getrennt zu sein, sondern<br />

mussten auch im Tod außerhalb der<br />

Stadt beerdigt werden. noch dazu an<br />

einem Platz, der zwar landschaftlich<br />

schön, aber entlegen war und ein steiles,<br />

schwieriges Gelände darstellte.<br />

Die Transferierung des Friedhofs in<br />

den Westfriedhof 1864 erfolgte vermutlich<br />

vorwiegend deshalb, weil es<br />

immer wieder zu Grabschändungen<br />

ge kommen war. man erwartete sich<br />

ver mutlich, dass Schändungen inmitten<br />

der Stadt doch weniger wahrscheinlich<br />

wären als weitab von ihr.<br />

Diese Erwartung traf auch – mit den<br />

uns bekannten Ausnahmen – zu.<br />

Dieser alte Friedhof am Judenbühel,<br />

der durch die mithilfe von vielen Per -<br />

sonen der Vergessenheit entrissen<br />

und „für die Ewigkeit“ bereit ge macht<br />

worden ist, soll jetzt eine würdige<br />

Gedenkstätte sein und daran erinnern,<br />

dass Toleranz und Verständnis,<br />

derer wir uns heute glücklich schätzen,<br />

in den alten, dunklen Zeiten<br />

nicht oder nur wenig vorhanden war<br />

und das Leben vieler bitter machte.<br />

Landtagspräsident Herwig Van Staa, Präsidentin Esther Fritsch, Oberrabbiner<br />

Chaim Eisenberg, Architekten Ada und Reinhard Rinderer<br />

©Schlosser<br />

Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 39


JÜDISCHE WELT • INLAND<br />

Das Schweizer Unternehmen iGENEA<br />

bietet einen Gentest an, der<br />

Informationen zur Herkunft<br />

der Vorfahren liefert. Antwort<br />

verspricht iGENEA auch auf die Frage:<br />

„Bin ich jüdisch?“<br />

Von Rabbiner-Seite wird das<br />

Testergebnis allerdings nicht<br />

anerkannt.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

Es gibt kein<br />

jüdisches Gen<br />

„Sind Sie Jude? Haben Sie jüdische Wur -<br />

zeln? Gehören Sie zu den Aschkenasen?<br />

Sind Sie ein Levi oder ein Cohen?“, heißt<br />

es auf der Homepage der Schweizer<br />

Firma iGEnEA. mittels Speichel pro -<br />

be untersucht das Unternehmen das<br />

DnA-Profil interessierter Personen<br />

auf diese merkmale. Das hat natürlich<br />

seinen Preis: ab 105 Euro ist man<br />

dabei, die tatsächlichen Kosten richten<br />

sich danach, ob nur die eigene<br />

Speichelprobe oder auch die naher<br />

Verwandter untersucht wird.<br />

Wie aber kann man aus der DnA ei nes<br />

menschen dessen Herkunft lokalisieren?<br />

Der Test stützt sich dabei auf die<br />

Zuordnung zu einer so genannten<br />

Hap logruppe. „Haplogruppen kann<br />

man sich als große Äste des Homo Sa piens<br />

vorstellen“, erklärt dazu Joelle Apter,<br />

managing Director von iGEnEA. „Sie<br />

zeigen, wie sich Bevölkerungsgruppen<br />

auf der Erde bewegt haben.“ in den<br />

Haplogruppen werden jeweils men -<br />

schen mit denselben oder ähnlichen<br />

DnA-merkmalen zusammengefasst.<br />

Bestimmte Haplogruppen würden<br />

„auf eine aschkenasische oder sephardische<br />

Herkunft hinweisen“, erklärt Ap ter.<br />

„Außerdem wird ein bestimmtes DNA-<br />

Pro fil ‚Cohen-Modal-Haplotyp‘ genannt,<br />

weil es unter den Cohanim verbreitet ist.<br />

Wenn also ein Mann den Cohen-Modal-<br />

Haplotyp aufweist, ist seine Herkunft vä -<br />

terlicherseits nicht nur unbestritten jü -<br />

disch. Dieser Mann ist auch ein Cohen.“<br />

Und was ist in Fällen, in denen je mand<br />

unbestreitbar weiß, dass er oder sie jü -<br />

disch ist, der Test aber keine spezifisch<br />

jüdische Haplogruppe ausweist? „Hier<br />

ist unsere Datenbank hilfreich“, sagt<br />

Apter. „Indem wir die Personen, die mit<br />

uns genetisch übereinstimmen, kontaktieren<br />

und diese nach ihrer Herkunft fragen,<br />

kann eine jüdische Herkunft indirekt<br />

bestätigt werden.“ Ausschließen könne<br />

man mit dem Test umgekehrt eine jü di -<br />

sche Herkunft nie, wird bei iGEnEA<br />

betont.<br />

Will man als mann mittels Gentest<br />

informationen über seine mütterli -<br />

chen und väterlichen Vorfahren er hal -<br />

ten, ist dazu die eigene Speichel pro be<br />

ausreichend. Als Frau benötigt man<br />

darüberhinaus die Probe eines di rek -<br />

ten männlichen Verwandten. Der<br />

Grund: bei der Weitergabe der DnA<br />

von Eltern an ihre Kinder gibt es zwei<br />

Abschnitte, die unvermischt übertragen<br />

werden, und zwar das Y-Chro mo -<br />

som, das der Vater an seinen Sohn<br />

ver erbt, und die mitochondriale DnA<br />

(mtDnA), welche die mutter an ihr<br />

Kind übermittelt.<br />

Apter, selbst jüdisch und laut iGEnEA-<br />

Test mütterlicherseits Angehörige der<br />

Haplogruppe K, der die meisten Aschkenasen<br />

angehören, beschreibt das<br />

interesse an den Tests als groß. „Als<br />

Jüdin ist es spannend zu wissen, ob man<br />

die Volkszugehörigkeit auch in seinen Ge -<br />

nen sehen kann.“ Folgender Fall illus -<br />

triere, wie Gefühle manches mal wissenschaftliche<br />

Bestätigung erhalten<br />

könnten: „Wir hatten eine Frau, die vor<br />

vielen Jahren zum Judentum konvertiert<br />

ist, weil sie das innigst wollte, und die<br />

durch den iGENEA-Test erfahren hat, dass<br />

sie tatsächlich mütterlicherseits aschkenasischer<br />

Abstammung ist.“<br />

Auf die Frage, ob das Testergebnis<br />

dann auch von einem Rabbiner anerkannt<br />

wird und sich damit für den Fall,<br />

dass es keine sonstigen Do ku mente<br />

gibt, welche die Geburt durch eine jü -<br />

dische mutter bestätigen, ein for mel -<br />

ler Übertritt zum Judentum, also ein<br />

Giur, erübrige, antwortete Apter: „Bis<br />

jetzt habe ich noch nichts dergleichen<br />

gehört.“ insgesamt seien bisher Reak -<br />

tionen von Rabbinaten ausgeblieben.<br />

Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg<br />

meinte zu diesem Thema gegenüber<br />

der „Gemeinde“: „Es gibt kein jüdisches<br />

Gen.“ Aus halachischer Sicht werde<br />

ein solcher Test daher als einziger<br />

nachweis für eine jüdische Her kunft<br />

nicht akzeptiert. Hier bräuchte man<br />

darüberhinaus einen Zeugen, der<br />

glaubhaft machen könne, dass der Be -<br />

troffene jüdisch sei. Könne mit einem<br />

Gentest allerdings nachgewiesen wer -<br />

den, dass man Sohn oder Tochter ei -<br />

ner jüdischen Frau sei (etwa im Fall<br />

von Adoptionen), „dann würde ein<br />

Rab biner dies in seine Entscheidung wohl<br />

einbeziehen“, betont Eisenberg.<br />

Ein weiterer <strong>Wien</strong>er Rabbiner, der<br />

allerdings nicht namentlich zitiert<br />

werden möchte, meinte ebenfalls, dass<br />

ein positiv-jüdisches Tester geb nis aus<br />

Sicht der Halacha keinen Wert besitzt.<br />

Und Rabbiner Joseph Pardes, den<br />

„Die Gemeinde“ auch um eine<br />

Stellungnahme bat, verwies auf den<br />

Oberrabbiner. Dieser spreche für die<br />

gesamte <strong>Kultusgemeinde</strong>.<br />

www.igenea.com<br />

Mordechai Halperin, David Fink,<br />

Shimon Glick (Hg.):<br />

Jewish Medical Ethics<br />

Volume I & II,<br />

Dr. Falk Schlesinger Institute for Medical-<br />

Halachic Research at Sha’are Zedek<br />

Medical Center<br />

www.medethics.org.il<br />

Buchtipp<br />

40 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769


JÜDISCHE WELT • INLAND<br />

seite eine Suchmaske ist. Hier können<br />

menschen aus aller Welt rasch infor -<br />

mationen über Familienangehörige<br />

oder Bekannte abfragen. Es können im<br />

Anschluss an jeden Eintrag aber auch<br />

informationen gepostet werden. So hof -<br />

fen die Wissenschafter, weiter relevante<br />

Daten zu sammeln, die dann wie de -<br />

rum in die Datenbank des elek tro ni -<br />

schen Gedenkbuchs Eingang finden.<br />

Rabbiner Schlomo Eliezer Hofmeister (IKG) und Vizeburgermeister Michael Ludwig<br />

Gedenken als „work in progress“<br />

Seit den 1990er Jahren arbeitet die<br />

Universität <strong>Wien</strong> ihren Umgang mit<br />

rassisch und politisch Verfolgten in der<br />

NS-Zeit auf. Mit einem Gedenkbuch<br />

erinnert die größte Hochschule<br />

Österreichs nun der über 2.700<br />

vertriebenen und in der Folge teils<br />

ermordeten Studierenden und<br />

Lehrenden.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

Der Schriftsteller Stefan Zweig hatte<br />

zwar schon 1904 sein Philosophie-<br />

Doktorat an der Uni <strong>Wien</strong> erworben.<br />

Das hinderte die nationalsozialisten<br />

allerdings nicht, ihm diesen akademischen<br />

Grad im mai 1941 aus rassischen<br />

Gründen wieder abzuerkennen.<br />

Zu dieser Zeit befand sich Zweig be -<br />

reits in der Emigration und war ein<br />

Jahr zuvor britischer Staatsbürger geworden.<br />

Die Aberkennung der Dok -<br />

tor würde wurde erst viele Jahre nach<br />

dessen Tod 2004 in einem Festakt für<br />

nichtig erklärt. Auch Bruno Bettelheim<br />

und Alphonse Rothschild erhielten im<br />

Rahmen dieser Zeremonie ihre Titel<br />

offiziell wieder zurück.<br />

insgesamt wurden zwischen 12. märz<br />

1938 und 9. mai 1945 an der Uni <strong>Wien</strong><br />

274 Personen der akademische Grad<br />

aberkannt. 234 namen wurden nun in<br />

das Gedenkbuch der Hochschule aufgenommen.<br />

Weit größer war die<br />

Gruppe der Studierenden, die mit dem<br />

„Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische<br />

Deutschland die Fort -<br />

führung des Studiums verwehrt wur -<br />

de. mittels statistischer Verfahren er -<br />

mittelten die Zeithistoriker der Uni<br />

<strong>Wien</strong>, dass an die 2.230 männer und<br />

Frauen die Uni vor Abschluss ihres<br />

Studiums verlassen mussten. Bisher<br />

wurden 1.580 von ihnen namentlich<br />

erfasst und in dem nun vorliegenden<br />

Gedenkbuch festgehalten. Und schließ -<br />

lich durften an die 350 Professoren und<br />

Dozenten nicht mehr an der Uni leh -<br />

ren, unter ihnen etwa Charlotte Bühler.<br />

Herbert Posch vom institut für Zeit -<br />

geschichte betonte Ende Juni anlässlich<br />

der feierlichen Hinterlegung des<br />

Gedenkbuches im Denkmal marpe<br />

Lanefesh (Hebräisch: „Heilung für<br />

die Seele“), das an ein früheres Bet -<br />

haus für jüdische Patienten auf dem<br />

Areal des Alten Allgemeinen Kran -<br />

ken hauses, dem heutigen Campus<br />

der Uni <strong>Wien</strong>, erinnert, es handle sich<br />

bei dem Projekt um „work in progress“.<br />

noch seien nicht alle namen<br />

ausgeforscht, fänden sich in den Bio -<br />

grafien der Verfolgten teils große<br />

Lücken. So liest man im Eintrag für<br />

die medizin-Studentin Zelma Apfel -<br />

baum (verheiratete Wessely) zum<br />

Beispiel lediglich das Geburtsdatum,<br />

den Herkunftsort Krakau, die Wohn -<br />

adresse in <strong>Wien</strong>. Das weitere Schick -<br />

sal der am 12. September 1938 vom<br />

Studium Ausgeschlossenen bleibt<br />

jedoch im Dunkeln.<br />

neben dem handschriftlichen Exem -<br />

plar haben die Historiker daher auch<br />

eine Online-Version gestaltet, dessen<br />

zentrales Element schon auf der Start -<br />

Der Zeithistoriker Friedrich Stadler<br />

ergänzte: vielleicht sei diese „unabgeschlossene<br />

Liste“ nicht nur zu ergänzen,<br />

sondern auch in dem einen oder<br />

anderen Punkt noch zu korrigieren.<br />

Be fassen müssen sich die Wissen schaf -<br />

ter im Zug dieses Projekts nämlich<br />

auch mit ihrer eigenen Handhabung<br />

des Opferbegriffs. Von den 350 entlassenen<br />

Lehrenden an der Uni <strong>Wien</strong><br />

wur den rund 130 aus politischen<br />

Gründen von der Universität <strong>Wien</strong><br />

verbannt. Darunter haben sich allerdings<br />

auch Personen befunden, die<br />

Funktionäre und Proponenten des<br />

aus trofaschistischen Ständestaates ge -<br />

wesen oder aber, die als Konkur ren -<br />

ten innerhalb des nationalsozialistischen<br />

Regimes eingestuft worden wa -<br />

ren. Eine eindeutige Zuordnung ist nun<br />

Gegenstand weiterer Forschun gen.<br />

Und so schreiben die Forscher in der<br />

Präambel zu diesem Gedenkbuch:<br />

man sei „dankbar für entsprechende<br />

Hinweise“ und sich dessen bewusst,<br />

„dass vergangenes Unrecht damit nicht<br />

‚wiedergutgemacht‘ werden kann. Es<br />

han delt sich hier um eine späte symbolische<br />

Initiative, die niemals beendet sein wird.<br />

Für die Gegenwart und Zukunft ist dieses<br />

Dokument gedacht als Erinnerung an die<br />

Angehörigen der Universität: ‚Wehret den<br />

Anfängen‘!“<br />

http://gedenkbuch.univie.ac.at<br />

Gemeinsame Eröffnung: Dr. Fritsch (IKG<br />

Innsbruck) und Rektor Dr. Georg Winckler.<br />

Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 41


JÜDISCHE WELT • INLAND<br />

©Andreas Meck<br />

„The Leopoldstadt<br />

Brooklyn Bridge“<br />

Eis aus Israel in New York<br />

Es hat weniger Kalorien und wird aus<br />

fri schen und natürlichen Bestand tei -<br />

len produziert. Daher hat Screme eine<br />

gu te Chance, sehr schnell auch in<br />

den USA populär zu werden. In Israel<br />

gibt es bereits 50 Filialen der leckeren<br />

Eis diele (in Israel als Aldo’s Ice be -<br />

kannt), jetzt werden die ersten Filialen<br />

in New York eröffnet.<br />

Seit 2007 verbindet den <strong>Wien</strong>er<br />

Bezirk Leopoldstadt und den New<br />

Yorker Stadtteil Brooklyn eine<br />

Bezirkspartnerschaft. Diesen Mai<br />

besuchte der Bürgermeister (offizielle<br />

Bezeichnung: Borough President)<br />

Marty Markowitz <strong>Wien</strong> und eröffnete<br />

dabei den neuen Zubau des Lauder<br />

Chabad Campus.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

1.000 Quadratmeter mehr bietet der<br />

Lauder Chabad Campus ab sofort seinen<br />

Schülerinnen und Schülern.<br />

Entstanden sind neue Klassenzimmer<br />

ebenso wie ein großzügiger Compu -<br />

ter raum. Die Wände des neuen Ge -<br />

bäu dekomplexes schmücken Zeich -<br />

nun gen, Collagen, kurze Texte, allesamt<br />

von Kindern und Jugendlichen<br />

ge staltet. Das gemeinsame Thema:<br />

Brücken. im mittelpunkt: die Brook -<br />

lyn Bridge. Das kommt nicht von<br />

ungefähr, trägt der neue Trakt doch<br />

den namen „The Leopoldstadt Brooklyn<br />

Bridge“.<br />

Brücken sollen im Rahmen der Be -<br />

zirkspartnerschaft zwischen Brook -<br />

lyn und der Leopoldstadt mehrere<br />

geschlagen werden, stellvertretend<br />

für den Austausch der beiden Orte:<br />

zwischen der jüdischen Bevölkerung<br />

hier wie dort, zwischen der Jugend –<br />

neben dem Lauder Chabad Campus<br />

sind auch die beiden öffentlichen Ko o -<br />

perativen mittelschulen Pazmaniten -<br />

gasse sowie max-Winter-Platz Teil<br />

dieser Kooperation -, zwischen Künst -<br />

lern. So stellte der new Yorker Künst -<br />

ler Hank Blaustein Ende 2008 im<br />

Theater nestroyhof-Hamakom aus.<br />

im Gegenzug soll heimische Kunst in<br />

Brooklyn sichtbar werden, kündigte<br />

die <strong>Wien</strong>er Vizebürgermeisterin Re na -<br />

te Brauner (SPÖ) anlässlich des Be -<br />

suchs von Marty Markowitz an.<br />

Brücken werden aber auch sichtbar,<br />

wenn man in die Vergangenheit reist.<br />

Von den 2,6 millionen Einwohnern,<br />

die Brooklyn heute zählt, sind 400.000<br />

jüdisch. Viele haben Vorfahren, die aus<br />

der Leopoldstadt kamen (heute insgesamt<br />

93.000 Einwohner). Und auch<br />

der Lubawitscher Rebbe hat kurzzeitig<br />

in der Leopoldstadt gelebt. Später,<br />

in Brooklyn, habe jeder Politiker, ob<br />

jüdisch oder nicht, der Bürgermeister<br />

von Brooklyn habe werden wollen,<br />

sich mit Rabbiner Schneerson fotografieren<br />

lassen müssen, erzählte<br />

mar kowitz lachend den hunderten<br />

Schü lern, die bei der Eröffnung des<br />

neuen Schultrakts für die musikalische<br />

Umrahmung sorgten.<br />

im Gespräch mit „Die Gemeinde“<br />

brachte markowitz, selbst der dritte<br />

jüdische Bürgermeister von Brooklyn<br />

(1960 schaffte es erstmals ein Jude an<br />

die Spitze der Bezirkspolitik), augen -<br />

zwin kernd noch eine weitere Brücke<br />

ins Spiel: den Heiratsmarkt. Eine<br />

400.000 Personen umfassende Bevöl -<br />

ke rung, darunter auch viele chassidische<br />

und sefardische Juden, die ko -<br />

scher leben, das bedeute auch: an die<br />

100 Jeschiwes und jüdische Schulen,<br />

eben so viele koschere Restaurants,<br />

ei nige große Supermärkte „strictly<br />

glatt kosher“. „Wenn du religiöser Jude<br />

bist – dann ist das deine Stadt“, so mar -<br />

ko witz, wenn er auch einräumt, dass<br />

die mehrheit der jüdischen Bevölke -<br />

rung Brooklyns die jüdischen<br />

Gesetze nicht mehr einhalte, sondern<br />

nur – wie er selbst auch – die jüdischen<br />

Fei er tage begehe. Jungen jüdischen<br />

Wie ner Frauen auf<br />

Partnersuche empfiehlt er jedenfalls<br />

einen Besuch in Brooklyn. „Any<br />

woman who wants to marry, come to<br />

Brooklyn! And then bring him back – or<br />

stay at Brooklyn!“<br />

Der jüdischen Gemeinde in <strong>Wien</strong> –<br />

inklusive jüdischer Rückkehrerinnen,<br />

die am Brooklyner Heiratsmarkt er -<br />

folgreich waren und den mitkommenden<br />

neuankömmlingen - will<br />

das SPÖ-geführte <strong>Wien</strong> jedenfalls<br />

eine si chere Heimat bieten. So betonte<br />

Brau ner in Tagen, in denen im in -<br />

zwischen abgelaufenen EU-Wahl -<br />

kampf seitens der FPÖ zunehmend<br />

antisemitische und antiislamische Tö -<br />

ne an ge schla gen wurden: „<strong>Wien</strong> ist<br />

eine Stadt, in der Antisemitismus, Rassis -<br />

mus und In tole ranz keinen Platz haben.“<br />

Sie freu e sich, dass das jüdische Leben<br />

in <strong>Wien</strong> „stark ist und von Tag zu Tag<br />

stärker wird“.<br />

Es werde zwar nie wieder sein, was<br />

einmal war, betonte iKG-Präsident<br />

Ariel muzicant. 200.000 Juden hätten<br />

einmal in <strong>Wien</strong> gelebt, nun seien es<br />

an die 15.000, davon 7.000 mitglieder<br />

der <strong>Kultusgemeinde</strong>. Er freue sich den -<br />

noch, dass es eine lebendige Ge mein -<br />

de sei, in der von rund 1.200 jüdischen<br />

Schülern heute auch an die 900<br />

eine jüdische Schule besuchen würden.<br />

Das verdanke man auch der<br />

Stadt <strong>Wien</strong>, die einen Teil der Kosten<br />

für den Zubau des Lauder Chabad<br />

Campus finanziert hat.<br />

42 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769


JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

Letzte Chance für Holocaust-Restitution?<br />

Dinah Spritzer, JTA; Übersetzung: Karin Fasching-Kuales<br />

Die Titelseite sieht nach Berlin 1936<br />

aus – doch sie stammt aus Vilnius, im<br />

Jahr 2009: Das übergroße Gesicht<br />

eines Rabbiners auf dem Cover des<br />

rechten litauischen Boulevardblatts<br />

Vakaro Zinios (Abendnachrichten)<br />

vom 26. Juni, darüber die Worte „Her<br />

damit!“.Der Abgebildete ist Rabbi An -<br />

drew Baker, Direktor für interna tio na le<br />

Angelegenheiten des American Je wish<br />

Committee, er wird als Bösewicht<br />

dar gestellt, der auf einen winzigen li -<br />

tauischen Premierminister, Andrius<br />

Kubilius, hinabblickt, dem vermeintlichen<br />

Aggressor wehrlos ausgeliefert.<br />

Der Hintergrund dieser Diffamie rung:<br />

Bakers Forderung an die litauische<br />

Regierung, nach acht Jahren fruchtloser<br />

Versprechungen nun endlich das<br />

gestohlene jüdische Eigentum zurück -<br />

zugeben. Anstelle einer fundierten<br />

Restitution will Litauen lediglich ein<br />

Drittel des Wertes, den sämtliche von<br />

den nazis und Kommunisten geraubte<br />

Güter ausmachen – 33 mio. Euro –<br />

über einen Zeitraum von zehn Jahren<br />

verteilt zahlen, beginnend mit 2011.<br />

Die ses Angebot ist weder für Li tau -<br />

ens Juden noch ihre Anwälte zufrieden<br />

stellend. „Es ist viel zu wenig und<br />

viel zu spät“, erklärt Baker.<br />

Der Fall Litauen ist Beispiel gebend<br />

für Hinhaltetaktik, mangelnden politischen<br />

Willen und von nationalisten<br />

geschürte Ressentiments gegenüber<br />

Juden. Jene, die sich um die Rücker -<br />

stattung des gestohlenen Besitzes be -<br />

mühen, bleiben frustriert zurück,<br />

noch dazu, wo auch noch die Finanz -<br />

krise als Hindernis hinzukommt.<br />

nun haben aber 46 Staaten eine zu -<br />

kunftsweisende Deklaration im Zuge<br />

der Prager Konferenz über die Ver mö -<br />

genswerte aus dem Holocaust un ter -<br />

zeichnet, die den Restitutions prozess<br />

erleichtern soll. Die Terezin-De kla ration<br />

ist eine unverbindliche Samm lung von<br />

Richtlinien für eine schnellere und<br />

transparentere Resti tu tions ab wick -<br />

lung von Kunstwerken und privatem<br />

wie kommunalem Ver mögen, das<br />

von den nazis geraubt wurde.<br />

Doch kann solch ein – lediglich als<br />

moralische instanz daher kommendes<br />

– Dokument tatsächlich zum Er -<br />

folg führen? „In den 1990ern war die<br />

NATO-Mit glied schaft ein wichtiger Mo -<br />

ti va tions grund für die Staaten Osteu ro -<br />

pas.“, erklärt Ba ker. „Die US-Regierung<br />

sagte ihnen, dass der entsprechende Um -<br />

gang mit ihren Juden ein Schlüs selfaktor<br />

für die NATO-Aufnahme sei.” Ganz im<br />

Gegensatz zur Europäischen Union,<br />

die diesbezüglich keinerlei Forde run -<br />

gen stellte. Tatsächlich kippte die EU<br />

eine Resti tu tionsforderung, die die Auf -<br />

nah me Polens 2004 blockiert hätte.<br />

Ein Großteil der Staaten der ehemaligen<br />

Sowjetunion hat allerdings, infolge<br />

des stetigen Drucks der USA, Bemü -<br />

hun gen zur Rückgabe kommunaler<br />

und privater Vermögenswerte oder für<br />

Ausgleichszahlungen unternommen.<br />

nur Polen und Litauen zieren sich<br />

noch immer erfolgreich. in Polen lebten<br />

vor dem Zweiten Weltkrieg drei<br />

millionen Juden, die größte jüdische<br />

Bevölkerung von allen Staaten – dennoch<br />

gibt es bis heute kein Rückgabege<br />

setz für privaten Besitz von Juden<br />

oder nichtjuden. Auch die Restitu ti on<br />

enteigneter Kunst gestaltet sich mehr<br />

als mühsam. Die US-Regierung schätzt,<br />

dass 600.000 Gemälde von den nazis<br />

beschlagnahmt wurden, 100.000 da von<br />

sind noch immer nicht ausgewiesen.<br />

Eine weitere Sammlung unverbindlicher<br />

Empfehlungen, diesmal für die<br />

Rückgabe enteigneter Kunst, wurde<br />

1998 von 44 Staaten in Washington<br />

un terzeichnet, doch lediglich vier<br />

nationen können heute einen signifikanten<br />

Fortschritt in ihren Bemühungen<br />

aufweisen. 23 Staaten haben gar<br />

nichts getan, so die Claims Confe ren ce.<br />

Die Washingtoner Erklärung sollte den<br />

Prozess erleichtern, der Ruf nach in -<br />

tensiveren nachforschungen in Samm -<br />

lungen, der Öffnung von Archiven<br />

und dem Ausräumen von Hinder nis -<br />

sen für Anspruchsteller wurde laut.<br />

Ungarn gehört zu jenen 23 Staaten, die<br />

nichts in Richtung einer erfolgreichen<br />

Kunstrestitution unternommen ha ben.<br />

„Was in Ungarn passiert ist kann be zeich -<br />

net werden als intensive und zielführende<br />

Bemühungen der Regierung, die Raub -<br />

kunst auf jeden Fall in ihren Mu seen zu<br />

behalten“, ist Agnes Peresztegi, An -<br />

wäl tin bei der Kommission für Kunst -<br />

rückerstattung, erbost. Von der Zer stö -<br />

rung von Beweisen in den Archiven<br />

bis hin zur Hinauszögerung der Ver -<br />

handlungen werden sämtliche mittel<br />

angewendet.<br />

in Tschechien können nur direkte<br />

nach kommen verstorbener Besitzer<br />

Ansprüche auf Kunstwerke erheben,<br />

nichten oder neffen haben keine<br />

Rechte, auch wenn dies dem tschechischen<br />

Erbschaftsrecht zuwider handelt.<br />

Und sogar in den USA müssen Erben<br />

oftmals lange Rechtsstreitigkeiten ge -<br />

gen museen in Kauf nehmen, weil es<br />

dafür keine nationale Schiedsinstanz<br />

gibt. in den meisten Staaten haben<br />

die museen überdies keine Ahnung,<br />

ob sich geraubte Kunstwerke in ihren<br />

Sammlungen befinden, weil sie sich<br />

deren fortwährende geschichtliche<br />

Dokumentation nicht leisten können.<br />

„Die Nachforschungen für ein Kunst -<br />

werk kosten uns fast 600.000 Euro“, so<br />

Graham Beal vom Detroiter Kunst -<br />

institut.<br />

Um dem entgegen zu wirken verlangt<br />

die Prager Deklaration nach der Er -<br />

richtung eines Holocaust-instituts in<br />

Terezin (Theresienstadt), wo sich auch<br />

das Konzentrationslager befand. Dort<br />

würde man sich um Aus gleichs zah -<br />

lungen, Restitution, Raubkunst for -<br />

schung, Holocaustbildung, Holo -<br />

caust-Überlebende und den Kampf<br />

gegen den Antisemitismus kümmern.<br />

Allerdings würde es keine nach for -<br />

schungen bezüglich der Rolle einzelner<br />

Staaten geben. Auch die mögliche<br />

Finanzierung des instituts blieb noch<br />

unklar.<br />

Doch die Zeit werde langsam knapp,<br />

sind sich die Konferenzteilnehmer,<br />

un ter denen sich auch Restitutionse x -<br />

perten und Holocaust-Überlebende<br />

befanden, einig. „Ich fürchte, dass uns<br />

auch dies dem Tag, an dem die alternden<br />

Überlebenden einen Ausgleich für ihre<br />

geraubten Güter erhalten, nicht näher<br />

bringen wird“, meint Ruth Deech, jüdisches<br />

mitglied des britischen „Hou se<br />

of Lords“ mit polnischen Vorfahren.<br />

Statt noch eine Erklärung zu verfasse,<br />

solle die EU lieber sofort einen Fonds<br />

gründen, der sich mit den Forderun -<br />

gen befassen kann. „Großbritannien<br />

muss sich mit so vielen europäischen Di -<br />

rektiven herumschlagen – waren kann<br />

man dafür nicht einfach eine weitere<br />

erlassen?“<br />

Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 43


JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

Panorama<br />

Kurznachrichten aus der jüdischen Welt<br />

Quelle: JTA/Guysen u.a.; Übersetzung: Karin Fasching/Foto:©JTA u.a.<br />

lezak entzündet maccabiah-fackel<br />

Der amerikanische Olympia-Schwim -<br />

mer Jason Lezak entzündete die Fackel<br />

bei der Eröffnung der diesjährigen 18.<br />

maccabiah. mehr als 5.000 Athleten<br />

nah men an der Zeremonie im Ramat<br />

Gan Stadion teil, in deren Eröffnungs -<br />

re de auch auf das Schicksal des entführten<br />

Soldaten Gilad Shalit eingegangen<br />

wurde.<br />

Beeindruckend waren die Worte von<br />

is raels Premierminister Benjamin ne -<br />

tanjahu an die Athleten: „Ich danke für<br />

Ihr Kommen, ich danke für Ihre Teil nah -<br />

me, doch ich bitte Sie auch um etwas:<br />

Ma chen Sie Aliyah, nicht nur zur Mac ca -<br />

biah. Kommen Sie und werden Sie einer<br />

von uns, an jedem Tag des Jahres.“<br />

9 mio. euro für technionwirtschaftsinstitut<br />

israels führender Technik-Hochschu le<br />

wurden 9 mio. Euro (US$ 12 mio.)<br />

zur Errichtung eines Wirtschafts in stituts<br />

zur Verfügung gestellt. Das insti -<br />

tut wird nach den Spendern, der südkalifornischen<br />

„Andre und Katherine<br />

Merage Foundation“ benannt und soll<br />

2010 eröffnet werden. High-Tech-Spe -<br />

zialisten sollen hier in einem mBA-<br />

Programm mit entscheidendem Wirt -<br />

schafts wissen vertraut gemacht und<br />

neue märkte für israelische Firmen<br />

erschlossen werden.<br />

rolling stones in israel<br />

Die Rolling Stones werden zu einem<br />

noch unbekannten Zeitpunkt in israel<br />

auftreten. Bereits Paul McCartney, De -<br />

peche Mode und Susan Vega begeisterten<br />

das israelische Publikum mit ihren<br />

Konzerten. Das Konzert der Pop-ikone<br />

madonna ist für Ende Sep tem ber an -<br />

beraumt.<br />

strafe wegen Klezmermusik<br />

Dem Dresdener Stadtpolitiker Ste phan<br />

Kuhn von den Grünen wurde eine<br />

Geldstrafe von 150 Euro für das laute<br />

Spielen von Klezmermusik außerhalb<br />

des Rathauses zur Störung eines neo -<br />

nazi-Aufmarsches auferlegt. Das Geld<br />

wird an eine Hilfsorganisation für die<br />

Opfer rechtsgerichteter Gewalt ge -<br />

spen det. Am 13. Februar 2008, dem<br />

Jahrestag der Bombardierung Dres -<br />

dens durch die Alliierten Truppen wäh -<br />

rend des Zweiten Weltkriegs, hat ten<br />

neonazis einen Gedenk marsch gegen<br />

den von einschlägigen Gruppie run gen<br />

so bezeichneten „Bomben-Holo caust“<br />

abgehalten. Kuhn hatte daraufhin<br />

vom Fenster des Grünen Parlaments -<br />

bü ros aus die neonazis mit lauter<br />

Klez mermusik beschallt und so eine<br />

Rede gestört. Dies, so das Gerichts -<br />

urteil, hätte das Recht auf Versamm -<br />

lungsfreiheit verletzt. Der Grünen-<br />

Po litiker gab an, seine Tat keinesfalls<br />

zu bereuen.<br />

iranischer Blogger inhaftiert<br />

Der iranische Blogger Dr. Mehdi<br />

Khazali, der in seinem Blog behauptete,<br />

irans Präsident mahmoud Ahma di -<br />

ne jad hätte jüdische Vorfahren, wur de<br />

von den Behörden verhaftet und nach<br />

einem kurzen Gerichtsverfahren in ein<br />

nicht bekanntes Gefängnis verbracht.<br />

Khazali ist der Sohn eines prominenten<br />

Pro-Ahmadinejad-Ayatol lahs und<br />

nahm an verschiedenen oppositionellen<br />

Protestmärschen teil.<br />

„dürre-steuer“ in israel<br />

Um israelische Haushalte zum Was -<br />

ser sparen anzuhalten, hat die Knesset<br />

eine „Dürre-Steuer“ eingeführt. Für<br />

je den verbrauchten Kubikmeter Was -<br />

ser, der über ein festgelegtes Limit hi -<br />

nausgeht, müssen nun etwa 3,5 Euro<br />

Strafe bezahlt werden – was mehr als<br />

dem Doppelten des regulären Preises<br />

entspricht.<br />

So stehen Haushalten bis zu vier Per -<br />

sonen für zwei monate 30 m 3 Wasser<br />

zur Verfügung, für jedes weitere Fa mi -<br />

lienmitglied kommen 6 m 3 hinzu. Das<br />

neue Gesetz trat mit 15. Juli in Kraft.<br />

israelischer windsurfer<br />

gewinnt gold<br />

Bei der Europameisterschaft im Wind -<br />

surfen konnte der israeli Shahar Zu bari<br />

das begehrte Gold für sich beanspruchen.<br />

Das Rennen fand in Tel Aviv<br />

statt. Der in Eilat Geborene zeigte sich<br />

begeistert, in seiner Heimat einen Sieg<br />

davongetragen zu haben. Bei den<br />

Olympischen Spielen in Peking 2008<br />

ge wann er die Bronzemedaille.<br />

Britische abgeordnete wählen<br />

ersten jüdischen „speaker“<br />

Zum ersten mal in seiner Geschichte<br />

wurde im Britischen Parlament ein<br />

Jude zum „Speaker of the House of Com -<br />

mons“ gewählt: der Konservative John<br />

Bercow, 46. Auch Premierminister<br />

Gordon Brown gratulierte ihm zu seiner<br />

Wahl.<br />

historiker untersuchen wagners<br />

nazivergangenheit<br />

Die nachkommen von Hitlers Lieb -<br />

lingskomponisten Richard Wagner<br />

wollen dessen Verbindungen zu den<br />

nazis durch unabhängige Historiker<br />

untersuchen lassen. Dessen Urgroß -<br />

en kelin Katharina Wagner und ihre<br />

äl tere Schwester Eva leiten die Bay -<br />

reuther Wagner-Festspiele.<br />

ihnen sei es wichtig, so Katharina<br />

Wag ner, die nazivergangenheit ihrer<br />

Familie offen zu legen, ohne Beein flus -<br />

sung ihrerseits. in den Familienarchi -<br />

ven befinden sich 300 Briefe von Hit ler.<br />

Überdies wurde der Verdacht laut,<br />

Ka tharinas und Evas Großmutter, Wi -<br />

ni fred marjorie Williams, hätte ein ro -<br />

mantisches Ver hältnis zu Hitler un ter -<br />

halten. Auch dies soll nun auf seinen<br />

Wahrheits ge halt untersucht werden.<br />

Ein informelles Verbot öffentlicher<br />

Auf führungen von Wagners musik in<br />

israel ist seit der Gründung des Jüdi -<br />

schen Staates in Kraft.<br />

holocaust-museum in odessa<br />

Während des Zweiten Welkriegs wur -<br />

den in der ehemaligen Sowjetunion<br />

etwa drei millionen Juden ermordet,<br />

247.000 davon in und um Odessa. nun<br />

hat die Stadt ein Holocaustmuseum,<br />

erbaut auf die initiative des Süd ukra -<br />

i nischen Regionalbüros der Vereini -<br />

gung für ehemalige Ghetto- und KZin<br />

sassen sowie der Ukrainisch-israe -<br />

li schen Vereinigung hin.<br />

Die Dauerausstellung zeigt die Ge -<br />

schichte des Holocaust anhand von<br />

historischen Dokumenten, Artefak ten,<br />

Fotos und Ton- und Videomaterial.<br />

Auch eine Forschungsbibliothek, ein<br />

Bil dungszentrum sowie eine Gedenk -<br />

stätte sind im museumsgebäude zu<br />

fin den.<br />

Polnische häftlinge säubern<br />

jüdische friedhöfe<br />

Die Vereinigung für den Erhalt des<br />

Jüdischen Erbes in Polen startete eine<br />

44 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769


JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

initiative zur Reinigung jüdischer<br />

Friedhöfe durch polnische Gefäng nis -<br />

insassen. mehr als 1.000 Orte, die als<br />

jüdische Friedhöfe dienten, sind<br />

heute bekannt. nur noch auf wenigen<br />

hundert davon stehen Grabsteine,<br />

viele sind bis zur Unkenntlichkeit<br />

überwachsen und liegen brach.<br />

weniger millionäre in israel<br />

in israel ist die Zahl der millionäre im<br />

Zuge der Finanzkrise um ganze 28%<br />

gefallen – fast doppelt so stark, wie im<br />

Rest der Welt (14,9%). Laut dem Mer -<br />

rill Lynch Welt Wohlstands Re port vom<br />

25. Juni dieses Jahres besitzen nun<br />

5.900 israelis mehr als eine mil lion US-<br />

Dollar in verfügbaren Barmitteln, um<br />

2.300 weniger als 2008. Jene isra e lis, de -<br />

ren Vermögen größer als US$ 30 mio.<br />

ist, verloren 24,6% Gleich ge sinnte und<br />

zählen nur noch 73 Per so nen.<br />

schneider neuer Vorsitzender der<br />

claims conference<br />

Gregory Schneider wurde zum neuen<br />

Vize-Exekutiv-Direktor der Claims<br />

Con ference ernannt. Er ist bereits seit<br />

14 Jahren für die Organisation tätig<br />

und folgt Gideon Taylor nach, der zum<br />

American Jewish Joint Distribution<br />

Committee zurückkehrt. Die Claims<br />

Conference verwaltet die Restitu ti ons -<br />

zah lungen von 24 Staaten und führt<br />

diese naziopfern und de ren Erben in<br />

43 Ländern zu.<br />

Jerusalem unter besten<br />

tourismus-destinationen<br />

Die jährliche Umfrage des ‘Travel and<br />

Leisure Magazine’ listet Jerusalem auf<br />

Platz 17 unter den für Touristen am<br />

besten geeignetsten Städten der Welt.<br />

Es liegt damit vor so beliebten Städ -<br />

ten wie Tel Aviv, London oder Paris.<br />

zehn Prozent der israelischen<br />

Jugend nimmt drogen.<br />

Auf einer Konferenz des Knesset Ko -<br />

mitees für Drogenkonsum, wurde<br />

von der nationalen Autorität für Dro -<br />

genbekämpfung bekannt gegeben,<br />

dass 10% der israelischen Jugend<br />

zwi schen 12 und 18 Jahren Drogen<br />

kon sumiert. Yitzchak Aharonovitz, mi -<br />

nister für öffentliche Sicherheit, sagte,<br />

dass die Grenze zwischen israel und<br />

dem Libanon noch immer eine leicht<br />

zu gängliche Pforte für den Drogen -<br />

schmuggel darstellt. Ungefähr 5 Ton -<br />

nen Heroin, 4 Tonnen Kokain, 90 Ton -<br />

nen marijuana und 20 mio. Do sen<br />

Ecstasy und LSD werden jährlich<br />

nach israel geschmuggelt.<br />

gasvorkommen größer als gedacht<br />

Die naturgasvorkommen vor der Küs -<br />

te Haifas sind etwa 25 bis 30% größer<br />

als bisher angenommen. Dies hat der<br />

US-Energiekonzern Noble Energy nun<br />

mitgeteilt, nachdem er Bohrungen zur<br />

Verifizierung des Fundes durchgeführt<br />

hatte. Bislang war man davon<br />

ausgegangen, dass das Gasfeld „Ta-<br />

mar“ gut 142 mrd. Kubikmeter (BCm)<br />

naturgas umfasst. in Wahrheit könnte<br />

sich das Volumen auf 180 BCm belaufen.<br />

Die potentiellen Verkaufserträge<br />

würden dann bei 20 bis 25 mrd. Euro<br />

liegen. Die Vorkommen im Gasfeld<br />

„Dalit“ vor der Küste Haderas werden<br />

auf ein Volumen von 14 BCm eingeschätzt.<br />

audio-Visuelles holocaustarchiv<br />

in großbritannien<br />

„Refugee Voices“ – „Flüchtlings-Stim-<br />

men“, so nennt sich das neue Audio-<br />

Visuelle-Holocaust-Archiv der Ver ei -<br />

ni gung Jüdischer Flüchtlinge, in dem<br />

150 Überlebende und Flüchtlinge, die<br />

vor den nazis nach Großbritannien<br />

ge flohen waren, über ihr Schicksal<br />

erzählen. Eine spezielle zeitliche<br />

Codie rung des materials erlaubt es<br />

For schern, gezielt nach bestimmten<br />

Stellen im 450 Aufnahme-Stunden<br />

umfassenden material zu suchen. Es<br />

ist in 44 Kategorien unterteilt, von<br />

persönlichen Details bis hin zu den<br />

namen der Eltern, Geburtstagen, Da -<br />

tum und Art der Emigration, Ghettos,<br />

Konzentrationslagern und Berufen..<br />

Berliner mahnmale erinnern an<br />

taube schoa-opfer<br />

Einigen mitgliedern der beinahe vergessenen<br />

Unterkategorie von Opfern<br />

wurde mit der installation von Bron -<br />

ze tafeln, die privat gestiftet wurden,<br />

gedacht. Diese wurden in das Pflaster<br />

vor den Häusern, in denen die Opfer<br />

vor ihrer Deportation gewohnt ha ben,<br />

eingelassen.<br />

Erstes „Museum des Jüdischen Volkes“<br />

in Tel Aviv<br />

Das für 2012 geplante museum des<br />

Jüdischen Volkes wird das erste sein,<br />

welches die Geschichte des jüdischen<br />

Volkes präsentiert. Das 25 millionen-<br />

Dollar-Projekt wurde vom Vorsitzen -<br />

den des Beth Hatefutsoth, Leonid<br />

nevzlin, bei einem internationalen<br />

Vorstandstreffen verkündet.<br />

Das museum wird auf dem Tel Avi -<br />

ver Universitätsgelände im nahum-<br />

Goldmann-Gebäude untergebracht<br />

werden, welches dafür komplett um -<br />

gebaut werden wird. Finanziert wird<br />

es von der israelischen Regierung,<br />

der Claims Conference, dem nADAV-<br />

Fund und internationalen Spendern.<br />

„Die Intention ist, die einzigartige und<br />

fortgesetzte Geschichte des jüdischen Vo l -<br />

kes zu dokumentieren und gleichzeitig eine<br />

neue Perspektive auf die Beziehungen des<br />

jüdischen Volkes und des jüdischen Staa -<br />

tes zu werfen. Es wird das größte experimentelle<br />

und interaktive Museum Israels<br />

werden. Der Kern des Museums wird der<br />

Dialog mit dem Besucher sein, der nicht<br />

nur als Beobachter, sondern als aktiver<br />

Teilnehmer betrachtet wird. Das Ziel ist,<br />

ihn dazu zu inspirieren, danach über sich<br />

und sein Verhältnis zum jüdischen Kol lek -<br />

tiv nachzudenken.“<br />

erster „fairer handel“-laden<br />

öffnet in israel<br />

im. Juni wurde in Tel Aviv (Schlomo<br />

Hamelech Stras se 4) der erste israelische<br />

Laden der sich dem fairen Han -<br />

del widmet eröffnet. An ders als in ter -<br />

national bekannt, werden hier keine<br />

Waren aus der dritten Welt zum Ver -<br />

kauf angeboten, sondern Waren, die<br />

von 100 is ra eli schen Handwerke rin -<br />

nen hergestellt werden. Die Frau en<br />

kommen aus den meisten Sektoren<br />

und nationalen min derheiten des<br />

Lan des und leiden oft finanzielle not.<br />

Die Pro duk te werden traditionalle<br />

ethiopische, arabische und beduinische<br />

Sticke reien einschlies sen, Schmuck,<br />

Sei fen, Olivenöl, mar meladen, Kera -<br />

mik und andere Haushaltsge genstän de.<br />

Die Gründe rin des Ladens ist Shula<br />

Keshet, die auch Leiterin der Achoti-<br />

Or ganisation für die Stärkung von<br />

Frau en in israel ist.<br />

Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 45


KULTUR • LITERATUR<br />

JUD BITTER-SÜSS<br />

Vor 125 Jahren wurde<br />

Lion Feuchtwanger geboren<br />

VON ANITA POLLAK<br />

KULTUR<br />

Wenige Tage vor Lion Feuchtwangers<br />

125. Geburtstag begannen in Köln die<br />

Dreharbeiten zu „Jud Süß – Film ohne<br />

Gewissen“. Oskar Roehlers Projekt mit<br />

Stars wie Tobias Moretti, Martina Ge deck<br />

und Moritz Bleibtreu in den Haupt rol -<br />

len soll die Entstehungsge schichte des<br />

nazimachwerks „Jud Süß“ aufarbeiten.<br />

Veit Harlans berüchtigter Streifen<br />

selbst darf in Deutschland bis heute<br />

nicht vertrieben werden.<br />

„Man wird mit Aug und Ohr nachprüfen<br />

können, wie sie alle dazu beigetragen ha -<br />

ben, die Geschichte eines Juden, von dem<br />

sie alle wussten, dass er ein großer Mann<br />

war, ins genaue Gegenteil zu verkehren“,<br />

schrieb Feuchtwanger 1941 in einem<br />

offenen Brief an die Schauspieler des<br />

antisemitischen Hetzfilms, der in<br />

Goeb bels Auftrag entstanden war.<br />

Re gisseur Harlan bestritt immer den<br />

Zusammenhang seines Films mit<br />

dem Roman des Juden Feuchtwan ger,<br />

aber der Schriftsteller wusste sehr<br />

wohl, dass er unfreiwillig die Vorlage<br />

für das übelste filmische Propaganda -<br />

werk der nazis geliefert hatte.<br />

Zwar hatte schon hundert Jahre da -<br />

vor Wilhelm Hauff ein gleichnamiges<br />

antisemitisches „märchen“ geschrieben,<br />

aber erst Feuchtwangers historischer<br />

Erfolgsroman sollte die Figur<br />

des jüdischen Finanzrats Joseph Süß<br />

Oppenheimer aus dem frühen 18. Jahr -<br />

hundert in die beginnende nazizeit<br />

herauf holen. Feuchtwangers Absicht<br />

war die Auseinandersetzung mit dem<br />

anschwellenden Antisemitismus der<br />

Wei marer Zeit gewesen. Als der Ro -<br />

man 1925 schließlich erschien, kam er<br />

diesem aber leider gerade zu pass. Ab -<br />

sicht und Wirkung hätten nicht tra -<br />

gischer auseinander klaffen können.<br />

mit weltweit drei millionen verkaufter<br />

Bücher wurde „Jud Süß“ zum<br />

größten Erfolg und gleichzeitig zur<br />

größten Schmach des Schriftstellers,<br />

der am 7. Juli 1884 in münchen als<br />

ers tes von neun Kindern eines wohlhabenden<br />

margarinefabrikanten zur<br />

Welt kam.<br />

Sein jüdisch-orthodoxes Elternhaus<br />

empfand er später als einen „verzweifelt<br />

engen Rahmen“, dem er entkommen<br />

wollte, aber natürlich nicht entkam.<br />

Viele seiner Hauptfiguren sind Juden,<br />

sein Werk befasst sich oft mit jüdischen<br />

Themen, den Konflikten zwischen mo -<br />

dernen und orthodoxen Strömungen<br />

und mit den Grundfragen der jüdischen<br />

identität in einer nichtjüdischen,<br />

feindlichen Umgebung. An pas -<br />

sung oder Festhalten an den Tradi tio -<br />

nen? Bis ins Alte Rom, am Beispiel des<br />

jüdischen Schriftstellers Josephus Fla -<br />

vius in seiner „Josephus-Trilogie“,<br />

ver folgt Feuchtwanger diese fundamentalen<br />

Gegenpositionen. Seine Pro -<br />

tagonisten scheitern meist beim Ver -<br />

such der Assimilation, eine schmerzliche<br />

Erfahrung, die auch Feuchtwan ger<br />

selbst machen musste.<br />

Seine Bücher wurden 1933 verbrannt,<br />

er selbst ging ins französische Exil und<br />

floh 1940 mit seiner Frau marta auf<br />

abenteuerliche Weise nach Amerika.<br />

Davor wurde er nochmals Werkzeug<br />

politischer Propaganda, diesmal der<br />

stalinistischen, nachdem er 1937 einen<br />

euphorischen Reisebericht aus mos -<br />

kau verfasst hatte und sich sogar einmal<br />

mit Stalin fotografieren ließ. Was<br />

ihm als bekennenden Kommunisten in<br />

Amerika jede menge Probleme einbrachte.<br />

nichts desto trotz lebte der<br />

Bestsellerautor im amerikanischen<br />

Exil in glänzendsten Verhältnissen,<br />

sei ne Villa Aurora mit Blick auf den<br />

Pazifik war ein gesellschaftliches Zen -<br />

trum der künstlerischen Exil-Szene.<br />

Bertolt Brecht, dessen Begabung<br />

Feucht wanger früh entdeckte und<br />

för derte, die Brüder mann, Chaplin<br />

und Einstein sind unter anderen dort<br />

zu bei der eleganten marta, die ihren<br />

kleingewachsenen Ehemann um<br />

Haup teslänge überragte, zu Gast. Sie<br />

war wie Alma mahler-Werfel eine der<br />

großen Dichter-Frauen ihrer Zeit.<br />

Bis zu seinem Tod 1958 bleibt und<br />

schreibt Feuchtwanger im luxuriösen<br />

Exil. Auf deutsch und manchmal un -<br />

ter dem neckischen Pseudonym „Wet-<br />

cheek“. Seine Villa ist heute noch<br />

eine deutsch-amerikanische Kultur ein -<br />

richtung und alljährlich Schauplatz<br />

des Oscar-Empfangs des Deutschen<br />

Films.<br />

„Wir wollen aus der Vergangenheit das<br />

Feuer übernehmen, nicht die Asche“, war<br />

sein Leitsatz für die Verarbeitung historischer<br />

Stoffe, ein Feuer, das ihn<br />

zum weithin geschätzten meister des<br />

historischen Romans werden ließ.<br />

Obwohl Feuchtwanger darüber hinaus<br />

hunderte von Theaterkritiken, Es -<br />

says, jede menge Dramen und Kurz -<br />

geschichten geschrieben hat, sind es<br />

die historischen Romane mit zeitkritischen<br />

Bezügen wie „Die Geschwister<br />

Oppermann“ oder „Erfolg“, denen er,<br />

bei seinem Tod einer der meistgelesenen<br />

deutschsprachigen Autoren des<br />

20. Jahrhunderts, seinen Ruhm verdankt.<br />

„Jud Süß“, sein Erstling in diesem<br />

Genre, wurde früh sein Label und<br />

sein Schicksal. Eine neuverfilmung<br />

wünschte er sich bis zu seinem Tod.<br />

„Feuchtwanger lebt!“ hieß eine Fern -<br />

sehdokumentation, die anlässlich des<br />

Geburtstags in 3sat gesendet wurde.<br />

Das Rufzeichen soll wohl eine Be -<br />

hauptung bekräftigen, die vielleicht<br />

bezweifelt werden darf. Feuchtwan -<br />

gers große Romane sind als Taschen -<br />

bü cher im Aufbau-Verlag lieferbar.<br />

„Jud Süß“ sollte die Welt vergessen<br />

dürfen.<br />

Buchtipp<br />

Manfred Flügge<br />

Die vier Leben<br />

der Marta<br />

Feuchtwanger<br />

Aufbau-Verlag • ISBN<br />

978-3-351-02664-6<br />

46 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769


KULTUR • LITERATUR<br />

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Erlebnis pur<br />

Was gibt es Schöneres, als in den schmucken, offenen Wagons der<br />

Liliputbahn durch den <strong>Wien</strong>er Prater zu fahren und viele Sehens -<br />

wür dig keiten aus nächster Nähe zu ge nießen? Wer Lust hat, kann<br />

die Bahn sogar für ein paar Stunden mieten und die Fahrt ganz<br />

exklusiv - nur mit Freun den oder der Familie – machen. Es gibt aber<br />

auch die Mög lichkeit, Pick nick fahrten zu lösen. Sie können dann<br />

zwischen durch aussteigen und gemütlich Rast machen. Auf Wunsch<br />

stellt der Delikatessenspezialist Böhle einen feinen Picknickkorb<br />

oder –rucksack für Sie zusammen!<br />

Infos dazu gibt´s unter Tel.: 726 82 36 oder<br />

im Internet unter www.liliputbahn.com

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