dossier ⢠stimmungsbilder inland - Israelitische Kultusgemeinde Wien
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GEMEINDE<br />
DVR 0112305 € 2.-<br />
nr. 649 Juli 2009<br />
tamus/aw 5769<br />
Erscheinungsort <strong>Wien</strong><br />
Verlagspostamt 1010 P.b.b<br />
e 2.-<br />
GZ 03Z034854 W<br />
Die Die<br />
offizielles organ der israelitischen <strong>Kultusgemeinde</strong> wien<br />
magazin
INHALT<br />
&<br />
AUS DEM<br />
GENERALSEKRETARIAT<br />
Spenden spart Steuer 3<br />
IN EIGENER SACHE<br />
ALEXIA WEISS<br />
Serie: Hinter den Kulissen der IKG<br />
Teil 11: Das Rabbinat 4<br />
POLITIK<br />
INLAND<br />
DOSSIER - Stimmungsbilder<br />
aus Österreich II<br />
ALEXIA WEISS<br />
Gusen - Eine Landschaft<br />
des Schreckens sucht<br />
Eigentümer 8-14<br />
Forschungsprojekt<br />
Lublin-Majdanek 15<br />
Massiver Anstieg<br />
rassistischer Übergriffe<br />
in Österreich 16<br />
OÖ. - Rechtsextreme<br />
Aktivitäten 16<br />
Weggeschaut 19<br />
ULRICH SAHM<br />
Empörung um<br />
Felicia Langer 20<br />
Antisemitisches 21<br />
AUSLAND<br />
Anklage gegen Demjanjuk 22<br />
VIP-Betreuung für J. Kumpf 23<br />
ISRAEL<br />
IDF - Zu den neuen<br />
Vorwürfen 24<br />
Zur Diskussion um das<br />
Shepherd Hotel 26<br />
WIRTSCHAFT<br />
REINHARD ENGEL<br />
Mattes Glitzern 29<br />
Ausgewertet werden Meldungen von: APA, Jerusalem Post, Ha’aretz, MEMRI, Yediot Aharonot, Global intelligence<br />
centre, Walla, Y-net, israelnetz (inn), nahostfocus (NOF), ICEJ, Honestly-concerned, GMW, JTA, ILI u.v.a.<br />
GEmEinDE<br />
High-Tech Kompetenz<br />
für israelische Araber 33<br />
WISSENSCHAFT<br />
Solarstrom-Blume<br />
in der Wüste 35<br />
Israel als<br />
Ornithologenparadies 35<br />
Das erste interationale<br />
Telefonbuch der Welt 36<br />
JÜDISCHE WELT<br />
ALEXIA WEISS<br />
Wenn ich Freizeit habe ... 37<br />
20 Jahre <strong>Wien</strong>er<br />
Jüdischer Chor 38<br />
Der Friedhof am Judenbühel 39<br />
ALEXIA WEISS<br />
Es gibt kein jüdisches Gen 40<br />
ALEXIA WEISS<br />
Gedenken als „work<br />
in progress” 41<br />
ALEXIA WEISS<br />
The Leopoldstadt<br />
Brooklyn Bridge 42<br />
DINAH SPRITZER<br />
Letzte Chance für<br />
Holocaust-Restitution 43<br />
Panorama 44<br />
KULTUR<br />
ANITA POLLAK<br />
Jud Bitter-Süß 46<br />
Alma in Jerusalem 47<br />
Titelbild:<br />
Strand von Tel Aviv - 18.07.09<br />
© Liron Almog / FLASH90<br />
Die Redaktion wünscht<br />
schöne Sommerferien!<br />
PLENARSITZUNGEN 2009:<br />
01. September<br />
13. Oktober<br />
05. November<br />
03.Dezember<br />
Medieninhaber (Verleger), Herausgeber: <strong>Israelitische</strong> <strong>Kultusgemeinde</strong> <strong>Wien</strong>.<br />
Zweck: Information der Mitglieder der IKG <strong>Wien</strong> in kulturellen, politischen<br />
und or ganisatori schen Belangen. Stärkung des demokratischen<br />
Bewusst seins in der österreichischen Bevöl kerung. Sitz: 1010 <strong>Wien</strong>, Seitenstettengasse 4, Postfach 145.<br />
Tel. Redaktion/Sekretariat 53 104/271, Anzeigenannahme 53 104/272, Fax: 53104/279, E-mail redaktion@ikg-wien.at<br />
Druck: AV+Astoria Druckzentrum GmbH, A-1030 <strong>Wien</strong><br />
Alle signierten Artikel geben die persönliche Mei nung des Autors wieder, die sich nicht immer mit der<br />
Mei nung der Redaktion deckt. Für die Kaschrut der in der GEMEINDE angezeigten Produkte übernehmen<br />
Herausgeber und Redaktion ausdrücklich keine Verantwortung. Nicht alle Artikel, die in der Redak -<br />
tion einlangen, müs sen zur Veröffentlichung gelangen.<br />
2009.<br />
30. August – 7. September<br />
Dieses Jahr wird das angesagteste jüdische Kulturereignis des Kontinents,<br />
die Jüdischen Sommers Festival<br />
zwischen 30. August und 7. September<br />
2009 zum zwölften<br />
Mal mit Zentrum in der Großen Synagoge von Budapest<br />
(Dohány utca), Europas größter Synagoge, veranstaltet.<br />
Mit einer Auswahl von beinahe 70 Veranstaltungen erwarten die Organi-<br />
satoren des Festivals aufgeschlossene Besucher, die an die Klänge einer<br />
mehrere tausend Jahre alten Kultur und Tradition in moderner Auffassung<br />
interessiert sind.<br />
Am 7.<br />
September<br />
gibt<br />
das<br />
Israelische<br />
Philharmonische<br />
Orchester<br />
in<br />
der<br />
Großen Synagoge Konzert, und wird vom einstigen Direktor der Mailänder<br />
Scala, Riccardo Muti dirigiert.<br />
Die<br />
israelische<br />
Sängerin<br />
Timna<br />
Brauer<br />
reist<br />
aus<br />
Österreich<br />
an,<br />
um<br />
am<br />
2. September ihre<br />
Produktion „Lieder aus Jerusalem“ mit dem Elias Meiri<br />
Ensemble in der Synagoge vorzuführen. Am 31. August laden wir die Lieb-<br />
haber mediterraner<br />
Klangwelten zum Konzert von Elsa Valle und der Latin<br />
Jazz Syndicate ein.<br />
Shai Abramson,<br />
Oberkantor der Israelischen<br />
Armee tritt mit<br />
László Fekete, Oberkantor der Großen Synagoge von Budapest<br />
und dem jungen Talent Zucker Immanuel in der Syna-<br />
goge der Frankel Leo utca auf.<br />
Treu<br />
zu<br />
unseren<br />
Traditionen<br />
darf<br />
natürlich<br />
auch das<br />
Budapest<br />
Klezmer<br />
Band<br />
– Favorit<br />
vieler<br />
Besucher –<br />
vom<br />
Programm nicht fehlen.<br />
Den Liebhabern der lateinischen Rhythmen bietet die isra-<br />
elische<br />
Flamencogruppe<br />
Compas<br />
Dance Company<br />
ein<br />
außergewöhnliches<br />
Erlebnis.<br />
Sie<br />
erzählen<br />
die Geschichte<br />
von David und Bat-Sheba in der Sprache des Flamencos.<br />
Eine<br />
Auswahl<br />
der<br />
Bilder<br />
des legendären<br />
Photographen<br />
Robert<br />
Capa wird<br />
im<br />
Ungarischen<br />
Jüdischen<br />
Museum<br />
ausgestellt; in der Budapest Galerie wird zugleich die zeitgenössische Malerin Hanna Fluk vorgestellt.<br />
Die Jüdischen Sommerspiele werden seit 1998<br />
von der BZSH-ZSIKK mit immer größerem Erfolg organisiert. Die Orga-<br />
nisation wurde mit der Absicht gegründet, die<br />
jüdische Kultur zu propagieren und sie in den ungarischen Tourismus<br />
zu integrieren. Die<br />
Organisatoren erwarten Gäste aus Ungarn, Europa und dem Übersee, jüdisch und nicht-jüdisch<br />
zugleich; genau aus diesem Grund ist das Programm so vielseitig und bunt, und wendet die internationale Sprache<br />
des Tanzes und der Musik an.<br />
Weitere Informationen, Programme und Tickets erhältlich online unter www.jewishfestival.hu.<br />
TICKETS BEI:<br />
und im Internet<br />
unter: www.interticket.hu<br />
WEITERE INFORMATIONEN:<br />
Fesztivál Jegyiroda (Festival<br />
Eintrittskarten) 1075 Budapest, Síp u. 12.<br />
Telefon: 413-55-31 31 | Fax: 462-04-78 | E-mail: zsikk@aviv.hu<br />
Veranstalter des<br />
Jüdischen<br />
Sommerfestivals: estiva<br />
Tourismus und Kulturzentrum der<br />
Budapester Jüdischen Gemeinschaft. Die Veranstalter behalten<br />
sich das<br />
Recht<br />
zur Programmänderung vor.<br />
ERÖFFNUNG DES PROJEKTS<br />
www.jewishfestival.hu<br />
ww.jewi<br />
estival.h<br />
ARNEZHOFERSTRASSE –<br />
EIN STRASSENNAME ALS MAHNMAL<br />
Sonntag, 2. August 2009, 19.00 Uhr<br />
1020, Arnezhoferstraße 7<br />
Die Geschichte der Arnezhoferstraße wird anhand<br />
sieben an der Fassade montierter Tafeln fragmentarisch<br />
ausgestellt:<br />
Bis dato erfährt der Pfarrer und agitatorische Antisemit<br />
Johann Ignaz Arnezhofer, der im 17. Jahr hun -<br />
dert die Vertreibung der <strong>Wien</strong>er Juden organisierte,<br />
eine offizielle und im kollektiven Bewusstsein verankerte<br />
Würdigung.<br />
Das Projekt kann als Ausstellung zur Kontinuität<br />
des Antisemitismus in <strong>Wien</strong> gelesen werden: am 2.<br />
Au gust 1938 wurde die Ausstellung „Der ewige<br />
Jude“ in <strong>Wien</strong> eröffnet.<br />
http://arnezhoferstrasse.currentlynowhere.com<br />
„Ich bin´s leid, in einer Straße zu wohnen, die an einen<br />
Antisemiten erinnert.”<br />
Erich Koller, Initiator<br />
2 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769
AUS DEM GENERALSEKRETARIAT<br />
Spenden spart Steuer<br />
Spenden an die IKG können ab heuer von der Steuer abgesetzt werden<br />
Seit vielen Jahren kämpfen spendensammelnde<br />
Organisationen in Ös ter reich, unter anderem auch die<br />
iKG, darum, dass Spenden von der Steuer abgesetzt werden<br />
können. Was in anderen Ländern längst selbstverständlich<br />
ist, bedurfte in Ös terreich jahrelanger Bemühun -<br />
gen. Es dauerte lange, bis sich auch beim Gesetzgeber die<br />
Erkenntnis durchsetzte, dass nGO’s und nPO’s wesentliche<br />
gesellschaftliche Auf ga ben erfüllen, die die öf fent liche<br />
Hand nicht, oder nur eingeschränkt, erfüllen kann. Und es<br />
sind gerade diese Organisationen, die zur Fi nan zierung<br />
ihrer Tätig kei ten auf Spen den angewesen sind.<br />
noch die alte Bundesregierung ei nig te sich 2008 grundsätzlich<br />
da rauf, die möglichkeit der Spenden absetzbar keit<br />
zu ermöglichen. Dann kamen die nationalrats wah len<br />
und es verzögerte sich weiter. Heuer war es dann so weit<br />
und mit dem Steu er reformgesetz 2009 wurde endlich die<br />
nötige gesetzliche Grund lage ge schaf fen.<br />
Die iKG hat sich nach Bekannt wer den der neuen<br />
möglichkeit so fort darum be müht einen Begün s ti -<br />
gungsbe scheid des Finanzminis te ri ums zu erhalten. Da<br />
die Krite ri en, die eine Or ga nisa ti on erfüllen muss, vom<br />
Gesetz her sehr eng gesteckt sind, war es ein schwieriger<br />
Weg.<br />
Die <strong>Kultusgemeinde</strong> selbst, die ne ben ihren umfangreichen<br />
sozialen Aufga ben auch andere Ge schäfts bereiche<br />
betreibt, (z.B.: im mo bi lienverwal tung), konnte die Be gün -<br />
stigung nicht erhalten. Des halb mussten wir einen der<br />
iKG nahe ste henden Verein heranziehen, der alle<br />
Kriterien, die das Gesetz ver langt, erfüllen kann Dieser<br />
neue Verein „Tmicha – Verein zur Un ter stützung<br />
Hilfsbedürftiger“ erfüllt al le vom Gesetz geforderten Auf la -<br />
gen, die zusätzlich von einem un ab hän gi gen<br />
Wirtschaftsprüfer ge prüft und bestätigt werden mussten.<br />
Da die iKG in ihrer Spen den ver wal-tung sich selbst strenge<br />
Regeln auferlegt, konnte die Bestätigung des Wirt -<br />
schaftsprüfers erlangt wer den. Der<br />
Begünstigungsbescheid des Fi nanzministeriums wurde<br />
uns deshalb auch prompt erteilt.<br />
Damit können alle Spenden für mild tätige Zwecke an den<br />
Verein Tmicha, der ausschließlich bedürftige Perso nen aus<br />
dem Kreis der Kul tusgemeinde unterstützt, ab dem Jahr<br />
2009 von der Steuer ab ge setzt werden.<br />
Wie kommen Sie, als Spender, in den Genuss der<br />
Absetzbarkeit?<br />
Wenn Sie in den Genuss der Steu er er leichterung kommen<br />
wollen, sammeln Sie bitte ihre Einzahlungs be lege (Zahl-<br />
scheine, Abbuchungs auf träge, Konto auszüge mit Überweisungsaufträgen,<br />
etc.).<br />
Die Bele ge müssen den namen des begüns tig ten<br />
Spendenempfängers, al so „Tmicha - Verein zur Unter stüt -<br />
zung Hilfsbedürftiger“, ihren na men und Anschrift und<br />
das Datum der Ein zah lung aufweisen.<br />
Den Ge samt be trag ihrer Spenden können Sie in ihrem<br />
Jahresausgleich geltend ma chen. Obergrenze sind 10% ih -<br />
res Jah res brut to-Einkommens, bei Un ter neh men 10% des<br />
Vor jahr ge winns.<br />
Wie spenden Sie in Zukunft?<br />
Bitte überweisen Sie ihre Spende für mildtätige Zwecke<br />
an „Tmicha – Ver ein zur Unterstützung Hilfs be dürf ti ger“, auf<br />
das Konto der PSK nr. 005 100 100 51, BLZ 60000.<br />
Erlagscheine erhalten Sie im mit glie derservice (Tel.<br />
01/53104-190) oder bei den mitarbeiterinnen der Fund -<br />
raisingabteilung.<br />
Allgemeine informationen zu dem Thema<br />
Spendenabsetzbarkeit finden Sie unter www.bmf.gv.at/Ab -<br />
setz bare Spenden.<br />
mag. Friedrich Herzog<br />
Generalsekretär für kfm. Angelegenheiten<br />
In Kürze<br />
SPENDENABSETZBARKEIT<br />
Der Verein „Tmicha - zur Unterstüt zung<br />
Hilfs be dürf ti ger“, der ausschließlich<br />
be dürftige Perso nen aus dem<br />
Kreis der Kultus ge mein de<br />
unterstützt, ist eine spen den -<br />
be güns tigte Or gani sa ti on. Daher<br />
sind alle Spenden an Tmi cha und<br />
deren Sozialprojekte, steuerlich ab -<br />
setzbar.<br />
Dafür können Sie spenden<br />
Sozial-Patenschaft – Ihr Beitrag zur Hil fe<br />
Übernehmen Sie eine Patenschaft für das Projekt Ze da ka.<br />
Das ist ein So zi al projekt für einmalige Zu schüsse an Hilfs -<br />
bedürftige. Ihr monatlicher Beitrag sind 50 Euro.<br />
Übernehmen Sie eine Patenschaft für das Projekt Ches sed.<br />
Das ist ein So zial projekt für fortlaufende finanzielle Zu wen -<br />
dungen an Hilfsbedürftige. Ihr monatlicher Beitrag sind<br />
100 Euro.<br />
Details folgen in der nächsten Aus ga be „Die Gemeinde“.<br />
Konto<br />
Tmicha – Verein zur Unterstützung Hilfsbedürftiger<br />
PSK Nr. 005 100 100 51, BLZ 60000<br />
Danke für Ihr Interesse und Ihre Hilfe!<br />
Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 3
IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />
SERIE<br />
Hinter den Kulissen –<br />
Die IKG <strong>Wien</strong> stellt sich vor<br />
Teil 11: Das Rabbinat<br />
Religion vermitteln, betont Eisen berg.<br />
Er bittet, sich bei einer ins Auge ge -<br />
fassten Heirat so früh als möglich mit<br />
ihm in Verbindung zu setzen. Einer -<br />
seits könne man so Terminkollisionen<br />
vermeiden. Andererseits gehe es aber<br />
auch um die Vorbereitung des Paares.<br />
„Und immer wieder beschließt dann ein<br />
junges Paar, dass in ihrem neuen Haus<br />
koscher gekocht und gegessen wird“, freut<br />
sich Eisenberg.<br />
Grundsätzlich sei „der Rabbiner immer<br />
auch ein bisschen ein Lehrer“. Das trifft<br />
besonders bei der Vorbereitung junger<br />
Burschen auf ihre Bat mitzwa zu. Hier<br />
ist eine erste Kontaktaufnahme ein<br />
Jahr vor dem Termin sinnvoll, betont<br />
Eisenberg, vor allem dann, wenn der<br />
junge mann keine jüdische Schule<br />
besuche. Schließlich gehe es nicht nur<br />
ums Vorbereiten des entsprechenden<br />
Wochenabschnitts, der für jeden ein<br />
anderer ist und damit individuellen<br />
Privatunterricht nötig macht, sondern<br />
auch um Dinge, wie richtig Tefillin,<br />
also die Gebetsriemen, anzulegen.<br />
Eisenberg kann aus Zeitgründen zwar<br />
die Buben nicht persönlich auf den<br />
großen Tag vorbereiten, ist aber im mer<br />
behilflich bei der Suche nach einem ge -<br />
eigneten Lehrer. Oberkantor Shmuel<br />
Barzilai beispielsweise bereite immer<br />
wieder Buben auf ihre Bar mitzwa vor.<br />
im Stadttempel gibt es zudem seit neu -<br />
estem auch Bat mitzwas. Den Auf ruf<br />
zur Thora erlaube die Halacha zwar<br />
nicht, betont Eisenberg, „aber mir ist es<br />
wichtig, dass sich die Mädchen nicht zweit -<br />
rangig fühlen“. meist würden die jungen<br />
Damen eine Rede halten, in der es<br />
um die Bedeutung der Frau im Juden -<br />
tum gehe.<br />
im Gegensatz zu Hochzeiten und Bar<br />
mitzwas sind Begräbnisse nicht planbar.<br />
Hier ist Eisenberg auch froh, dass<br />
er sich diese Aufgabe mit den anderen<br />
<strong>Wien</strong>er Rabbinern teilt. immer wieserVice<br />
erreichbarkeit<br />
Das Rabbinat ist werktags unter<br />
Tel. 01 - 53 104 - DW 111 erreichbar.<br />
Im Juli und August ist das Rabbinat allerdings<br />
nicht durchgängig besetzt.<br />
Die mail-Adresse lautet:<br />
rabbinat@ikg-wien.at.<br />
„Besonders am<br />
Herzen liegt mir,<br />
dass viele junge<br />
Leute kommen“<br />
Als Oberrabbiner der jüdischen<br />
Gemeinden Österreichs ist<br />
Paul Chaim Eisenberg nicht nur<br />
Gemeindemitgliedern, sondern auch<br />
einer breiteren Öffentlichkeit ein<br />
Begriff. Bekannt sind sein Humor,<br />
sein Talent, Anekdoten zu erzählen,<br />
und seine Liebe zur Musik.<br />
Seine Tage sind aber vor allem durch<br />
einen vollen Terminkalender geprägt.<br />
Ein Oberrabbiner hat wenig Freizeit –<br />
schon gar nicht an den Feiertagen.<br />
VON ALEXIA WEISS<br />
Bar mitzwas, Bat mitzwas, Hochzei -<br />
ten, Begräbnisse, Termine mit dem of -<br />
fiziellen Österreich: ein Oberrabbiner<br />
hat immer alle Hände voll zu tun. Be -<br />
sonders am Herzen liegt Eisenberg<br />
aber vor allem: „der Stadttempel“ – „und<br />
dass viele junge Leute kommen“. Wäh -<br />
rend chassidisch beziehungswei se<br />
streng orthodox geführte Sy na gogen<br />
von 95 Prozent ihrer mitglieder regelmäßig,<br />
ja täglich, besucht werden, sieht<br />
das im Stadttempel – vor allem auch<br />
seit der Gründung des Sefardischen<br />
Zen trums - etwas anders aus. Eisen -<br />
berg freut sich, wenn an einem Schab -<br />
bat-nachmittag 30 statt 16 menschen<br />
kommen, weil er vor dem Gebet ei nen<br />
Thora-Vortrag hält. „Zu Rosch Ha Scha -<br />
na ist der Tempel voll. Zu Jom Kippur<br />
platzt er aus allen Nähten.“<br />
Es sind gerade die „Lebensanlässe“<br />
wie Hochzeiten, die viele menschen<br />
ein Bedürfnis nach größerer nähe zur<br />
4 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769
IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />
der bemüht er sich allerdings bei den<br />
Behörden, dass Tote möglichst ohne<br />
Obduktion rasch zur Bestattung frei<br />
gegeben werden. natürlich besucht er<br />
auch Familien, die Schiwe sitzen, und<br />
organisiert dort auch, wenn es ge -<br />
wünscht wird, G’ttesdienste.<br />
Grundsätzlich hat Eisenberg als Ober -<br />
rabbiner für alle Sorgen seiner Ge -<br />
mein demitglieder ein offenes Ohr. Bei<br />
einem Termin in seinem Büro in der<br />
Seitenstettengasse kann alles besprochen<br />
werden: von Ehe- bis zu Erzie -<br />
hungs problemen, von finanziellen Sor -<br />
gen bis zu religiösen Fragen. Eisen berg<br />
betont, dass seine Tür auch ohne vorherige<br />
Anmeldung jedem offen stehe.<br />
Eine vorherige telefonische Ankündi -<br />
gung des Kommens lohnt sich dennoch,<br />
schon aus Sicherheitsgründen.<br />
Berufstätigen hört der Oberrabbiner<br />
auch gerne frühabends zu. nur Sonn -<br />
tage sind für die Familie reserviert.<br />
Schließlich müsse er als Rabbiner ja<br />
ohnehin jeden Feiertag arbeiten, sagt<br />
Eisenberg, und bittet um Verständnis.<br />
So manche Hochzeit und so manches<br />
Begräbnis macht ihm ohnedies einen<br />
Strich durch die „Sonntag ist mein<br />
freier Tag“-Rechnung.<br />
Eisenberg beklagt zudem, dass viele<br />
erst mit ihren Problemen zu ihm kä -<br />
men, „wenn bereits alle anderen Stricke<br />
gerissen sind“. Wer früher komme, dem<br />
könne er auch besser helfen. Andere<br />
wiederum dächten, er als Oberrab bi -<br />
ner, könne im Handumdrehen „eine<br />
große, günstige Wohnung im Zentrum<br />
und einen guten Job vermitteln“. Dem<br />
sei natürlich nicht so. in der Kultus ge -<br />
meinde gebe es aber glücklicherweise<br />
andere Abteilungen, die hier besser<br />
weiterhelfen könnten und an die er<br />
dann verweise. Eisenberg nennt hier<br />
vor allem ESRA. Etwas Kritik übt Ei -<br />
sen berg daran, dass vor allem finanzielle<br />
Hilfe oft gar nicht leicht aufzutreiben<br />
sei. „Manchmal wundere ich mich,<br />
wieviele Fragen wohlhabende Menschen<br />
stellen, bevor sie ein paar Euro herausrücken.“<br />
Freuen würde sich Eisenberg<br />
zudem, auch von dem einen oder an -<br />
deren, dem er tatsächlich helfen konn -<br />
te, zu hören, wie das Problem schluss -<br />
endlich gelöst worden sei.<br />
manches mal suchen übrigens auch<br />
nichtjuden Rat bei Eisenberg. in seinem<br />
Buch „Erlebnisse eines Rabbi ners“<br />
schildert er die folgende Episode:<br />
„Einmal kam ein Mann zu mir und wollte<br />
mir von den Problemen in seiner Ehe be -<br />
richten. Da ich glaube, fast alle Mit glie der<br />
meiner Gemeinde zu kennen, und dieser<br />
Mann mir nicht bekannt war, fragte ich<br />
ihn, ob er Mitglied der <strong>Kultusgemeinde</strong><br />
wä re. Er antwortete mir daraufhin, dass<br />
er Katholik sei. Als ich ihn fragte, warum er<br />
denn nicht zu seinem katholischen Pries ter<br />
gehe, antwortete er mir: ‚Der ist ja nicht<br />
verheiratet und kennt sich deshalb mit<br />
Eheproblemen nicht so gut aus wie Sie,<br />
Herr Rabbiner …“<br />
Ein großes Anliegen ist Eisenberg,<br />
Schü ler der achten Klasse Gymna si um<br />
in Religion zu unterrichten, die keine<br />
jüdische Schule besuchen. Er ist es<br />
auch, der dann die Religionsmatura<br />
abnimmt. Schiurim gibt Eisenberg<br />
ansonsten nur für Gruppen, sei es in<br />
der Seitenstettengasse oder in seiner<br />
nahe des Stadttempels gelegenen<br />
Wohnung.<br />
Weniger erquicklich, aber dennoch nö -<br />
tig, sind die Besuche jüdischer Häft -<br />
linge in Gefängnissen. natürlich be -<br />
sucht Eisenberg auch Kranke, so er von<br />
deren Spitalsaufenthalt informiert<br />
wird. Diese Aufgaben teilt er sich<br />
eben falls mit den anderen <strong>Wien</strong>er<br />
Rabbinern.<br />
Als Oberrabbiner leitet Eisenberg nicht<br />
nur den Stadttempel, sondern ver tritt<br />
das religiöse Judentum auch nach<br />
außen. Hier ist ihm vor allem der in -<br />
ter religiöse Dialog ein Anliegen, aber<br />
auch das Eintreten für Offenheit und<br />
Toleranz gegenüber anderen. 1993<br />
ergriff er daher beim „Lichtermeer“<br />
als Redner das Wort. „Ich wende mich<br />
auch grundsätzlich ausdrücklich gegen je -<br />
de Form des Fundamentalismus.“ im mer<br />
wieder werde er auch zu religionsübergreifenden<br />
Festakten eingeladen,<br />
erzählt Eisenberg. Als Beispiele nennt<br />
er den 9/11 2001 sowie den Tsunami<br />
von 2004. Auf europäischer Ebene ist<br />
Eisenberg im Vorstand der Europäi -<br />
schen Rabbinerkonferenz vertreten.<br />
Zwei mal im Jahr treffe man einander,<br />
„um gemeinsame Probleme zu be spre -<br />
chen“. „Derzeit ist das Schächten ein<br />
großes Thema“, erzählt Eisenberg.<br />
Die Überprüfung der Kaschrut fällt<br />
übrigens nicht in seine Zuständigkeit<br />
– hier seien andere Rabbiner verantwortlich,<br />
betont der Oberrabbiner<br />
sichtlich erleichtert. Er setze sich aber<br />
stets dafür ein, „dass koscheres Essen<br />
auch für nicht so reiche Leute erschwinglich<br />
sein soll“.<br />
Bei seinen vielfältigen Aufgaben steht<br />
Eisenberg seit kurzem Gemeinderab -<br />
biner Shlomo Hofmeister unterstützend<br />
zur Seite. Rami Ungar-Klein ist Scha -<br />
mes und als solcher ebenfalls Tag für<br />
Tag im Dienst des Rabbinats auf den<br />
Beinen. Für das Sekretariat ist Mona<br />
Joskowicz verantwortlich.<br />
Angesprochen auf seinen Vater, den<br />
früheren Oberrabiner Akiba Eisenberg,<br />
betont Paul Chaim Eisenberg, dass er<br />
sich einerseits sehr viel von seinem<br />
Vater abgeschaut habe, andererseits<br />
Akiba<br />
Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 5
IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />
aber auch vieles anders mache. Ge -<br />
mein sam seien ihnen „die guten Kon -<br />
tak te, das gute Einvernehmen mit der<br />
Ortho doxie“. Als Shoah-Überlebender<br />
habe sein Vater dagegen „doch immer<br />
ein gewisses Misstrauen gegenüber der<br />
Ehrlichkeit der interreligiösen Partner ge -<br />
hegt“. Sein Vater sei zudem „etwas for -<br />
meller als ich“ aufgetreten, „ich bin doch<br />
mit viel mehr Leuten per du als er es war“.<br />
im Ausland, vor allem in israel, stößt<br />
Ei senberg manches mal auf Unver -<br />
ständ nis, wenn er sagt, dass er in Ös -<br />
ter reich lebt. Dann erklärt er, dass sein<br />
Va ter Akiba Eisenberg aus Ungarn<br />
kam, dort die Shoah überlebte, und<br />
danach im Gegensatz zum dort herrschenden<br />
Kommunismus Österreich<br />
als Land der Freiheit empfand. in „Er-<br />
lebnisse eines Rabbiners“ zitiert er zu -<br />
dem die Ant wort, die sein Vater stets<br />
auf diese Fra ge gegeben hatte: „Ich<br />
war während der Shoah in Ungarn. Die<br />
Ent täu schungen, die ich dort erlebt habe,<br />
wa ren, dass ein Teil der ungarischen<br />
Bevöl ke rung mit den Na zis kollaboriert<br />
und uns schon vorher nicht gerade<br />
freund lich be handelt hatte. Später, als die<br />
Herr schaft der Kommu nisten b e gann<br />
oder ab zu sehen war, da war das An gebot,<br />
Ober rab biner in <strong>Wien</strong> zu werden, für mich<br />
eher als Rettung zu sehen und nicht als<br />
Zu mutung.“<br />
Akiba Eisenberg s. A.<br />
1908 - 1983<br />
geb. am 30. September 1908 in Ne mes -<br />
súr, (Slo wakei), gestorben am 8. April<br />
1983 in <strong>Wien</strong>. Akiba Eienberg war der<br />
ers te Oberrabbiner der Israe li ti schen<br />
<strong>Kultusgemeinde</strong> in <strong>Wien</strong> nach dem<br />
Zwei ten Weltkrieg und übte 35 Jahre<br />
lang dieses Amt aus.<br />
Akiba Eisenberg wuchs in Vác (Un-<br />
garn) auf, besuchte die Je schi wot in<br />
Vác und Pápa, erlangte mit 21 Jahren<br />
das Rabbi ner diplom, hol te in Buda pest<br />
die Ma tura nach und erlangte das<br />
zweite Rabbiner di plom bei Michael<br />
Guttmann.<br />
An der Universität Budapest studierte<br />
er Philosophie und orientalische<br />
Spra chen. Promotion 1937.<br />
Nach seinem Studium arbeitete er<br />
als Religionslehrer für die jü dische<br />
Ge mein de in Pest und wurde 1947<br />
Rab bi ner in Györ.<br />
Die Zeit des Na tionalsozialismus<br />
über lebte er versteckt auf dem Land.<br />
1948 heiratete er in Budapest die aus<br />
Ungarn stammende Eva Kalisch und<br />
übersiedelte nach <strong>Wien</strong>, wo er das Or -<br />
dinariat des Oberrabbiners übernahm.<br />
Eisenberg gehörte der 1902 gegrün -<br />
de ten orthodox-zionistischen Be we -<br />
gung Misrachi an.<br />
Nach seinem Tod im Jahre 1983 übernahm<br />
sein Sohn Paul Chaim Eisen -<br />
berg das Amt.<br />
zur Person<br />
oberrabbiner Paul chaim eisenberg, geb. 1950 in <strong>Wien</strong>, studierte zu nächst<br />
ma the ma tik an der Uni ver si tät <strong>Wien</strong>, bevor er am „is rael To rah Research<br />
institute“ ein Leh rer diplom und den „Bachelor of He brew Letters“ erwarb.<br />
Rab bi nerdiplom vom „ARiEL-institut“.<br />
Ab 1978 Ju gend- und Gemein de rab biner un ter seinem Vater und Amts vor -<br />
gän ger, Ober rab bi ner Aki ba Eisen berg. 1979 mitinitiator der Grün dung der<br />
Zwi Perez Chajes-Schule.<br />
Seit 1983 Ober rabbiner von <strong>Wien</strong>, seit 1988 Oberrabbiner des Bun des ver -<br />
ban des der isra eli ti schen Kul tus ge meinden Österreichs. 1988 zu dem<br />
mitbegründer des „Jüdischen in stituts für Erwachse nen bil dung“.<br />
Seit 1989 mitglied des Vor standes der Europäischen Rabbiner kon fe renz.<br />
1993 Redner beim „Lichter meer“ gegen fremden- und minderheitsfeindliche<br />
Tenden zen von SOS mit mensch.<br />
2002 Verleihung des Titels „Profes sor“ durch den damaligen Bundes -<br />
präsidenten Tho mas Kles til.<br />
Eisenberg ist verheiratet, Vater von sechs Kin dern, die heute in israel leben,<br />
und Groß vater von 13 En kel kindern. Vier davon kamen in den vergangenen<br />
monaten zur Welt.<br />
Paul Chaim Eisenberg<br />
Erlebnisse eines Rabbiners.<br />
Geschichte und Geschichten<br />
in Zusammenarbeit mit Evelyn Adunka<br />
Molden Verlag<br />
Buchtipp<br />
6 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769
DOSSIER • STIMMUNGSBILDER INLAND<br />
Bedenkliche Zeiten<br />
auch in Österreich<br />
– Stimmungsbilder II<br />
POLITIK<br />
©Reuters<br />
Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 7
DOSSIER • STIMMUNGSBILDER INLAND<br />
Neuer Eigentümer für „Landschaft des<br />
Schreckens“ gesucht<br />
© christoph mayer chm. (NARA, DORIS)<br />
Überlappende Luftaufnahmen des Konzentrationslagerkomplexes Gusen bzw. des heutigen Gusen.<br />
Und Österreich hinkt wieder<br />
einmal hinterher. Dieser Satz kommt<br />
Ihnen bekannt vor? Kein Wunder – so<br />
haben wir in der Juni-„Gemeinde“ den<br />
Bericht über die Vermittlungsarbeit<br />
an der KZ-Gedenkstätte Mauthausen<br />
betitelt. Dieser war kaum gedruckt,<br />
da flatterte ein Aufschrei des<br />
Gedenkkomitees Gusen in die<br />
Redaktion: die dort von KZ-<br />
„Häftlingen“ in der NS-Zeit errichtete<br />
Stollenanlage werde zur Zeit von der<br />
Bundesimmobiliengesellschaft (BIG)<br />
„verfüllt“ und damit zerstört.<br />
Die BIG argumentiert mit „Gefahr<br />
in Verzug“. „Die Gemeinde“ hat<br />
sich den Umgang der Region,<br />
aber auch des Bundes mit dem<br />
ehemaligen KZ-Areal näher angesehen.<br />
Das Ergebnis: ernüchternd.<br />
VON ALEXIA WEISS<br />
Vieles, was den Alltag der zwischen<br />
1940 und 1945 insgesamt an die<br />
70.000 in das Konzentrationslager<br />
Gusen im heu ti gen Bezirk Perg in<br />
Ober österreich de por tierten men -<br />
schen prägte, ist heute nicht mehr er -<br />
halten. Als die Amerikaner das Lager<br />
Anfang mai 1945 übernahmen, sahen<br />
sie sich vor allem mit Schwer kran ken<br />
und schwachen ehemaligen „Häft lin -<br />
gen“ konfrontiert. Um die Aus brei tung<br />
von Seuchen zu vermeiden, brannten<br />
sie einige Holzbaracken nieder.<br />
Als das Lager etwas später in die Ob -<br />
hut der Sowjets übertragen wurde, ver -<br />
kauften diese alles aus den Ba rac ken,<br />
was nicht niet- und nagelfest war. Vor<br />
allem das Holz war in der Umgebung<br />
als Brennstoff heiß begehrt, erzählt<br />
Eva-Maria Höhne, Generalkonser va to -<br />
rin am Bundesdenkmalamt (BDA),<br />
im Gespräch mit „Die Gemeinde“.<br />
Und: die Russen versuchten die Stol -<br />
len anlagen zu sprengen, um eine weitere<br />
Verwendung als Produktions stät te<br />
für Rüstungsgüter – dazu waren die<br />
unterirdischen Anlagen von der SS an -<br />
gelegt und benutzt worden – für alle<br />
Zeiten zu verhindern. Die Spren gung<br />
misslang, beschädigte die Stollen aber.<br />
Die Konsequenzen treten nun zutage,<br />
Verbrüche nähren die Sorge der BiG,<br />
es könnte zu Einstürzen kommen.<br />
Schließlich wurde das Areal, das einst<br />
das größte nS-Bauwerk auf heimischem<br />
Boden beherbergte, 1955 an<br />
Österreich zurückgegeben. Da passierte<br />
dann „die zweite Tragödie“, so Höhle.<br />
Vertriebenen, vorwiegend sudetendeutschen<br />
Flüchtlingen, sei ein Teil des<br />
Lagers Gusen i (das Hauptlager, Gu -<br />
8 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769
DOSSIER • STIMMUNGSBILDER INLAND<br />
sen ii bestand aus Baracken, Gusen iii<br />
diente der Versorgung) als billiger Bau -<br />
grund angeboten worden. „Die haben<br />
hier neu begonnen, haben sich Häuser ge -<br />
baut.“<br />
Sudetendeutsche Siedler<br />
Stehen gelassen wurde allerdings der<br />
Doppelmuffelofen der Firma Topf &<br />
Söhne. Er hatte in der nS-Zeit als Kre -<br />
matorium gedient, tausende Lei chen<br />
waren in ihm verbrannt worden. Der<br />
Ofen befand sich auf dem Grund stück<br />
1551/1. Zu ihm hatten sich zwei Ge -<br />
denksteine gesellt: einer mit französischer,<br />
einer mit polnischer in schrift.<br />
Genau dieses Grundstück wollte 1956<br />
eine Gastwirtin kaufen, weshalb sie bei<br />
der Finanz landes di rek tion Oberöster -<br />
reich um entsprechende Genehmi gung<br />
ansuchte.<br />
Der Grundstückseigentümer Bund<br />
wollte diesem Verkauf durchaus zu -<br />
stim men, zuerst aber den weiteren Ver -<br />
bleib des Ofens und der beiden Stei ne<br />
klären. Das Thema beschäftigte die<br />
regionale und überregionale Politik,<br />
bis schließlich der oberösterreichische<br />
Landeshauptmannstellvertreter Lud -<br />
wig Bernaschek (SPÖ) in einem Schrei -<br />
ben an seinen Parteikollegen, innen -<br />
mi nister Oskar Helmer, vorschlug die<br />
Objekte stillschweigend nach maut -<br />
hau sen zu verbringen. Dazu war es<br />
al lerdings zu spät, wie Helmer be -<br />
dau erte, denn Polens und Frank -<br />
reichs Regierung hätten sich bereits<br />
nach dem Gedenkort erkundigt.<br />
Es waren schließlich ehemalige italienische<br />
Gusen-„Häftlinge“, die mit dem<br />
Bund in Verhandlungen traten, um das<br />
Grundstück zu kaufen. Das Geschäft<br />
ging 1961 über die Bühne, anschliessend<br />
schenkte die Opfergruppe der<br />
Gemeinde das kleine Areal. Ein me -<br />
mo rial entstand, dessen Errichtung<br />
die Gemeinde zwar zustimmte – das<br />
Geld brachten aber erneut „Häft -<br />
lings“-Verbände auf. Die Planung<br />
übernahm die italienische Architek -<br />
tengruppe B.B.P.R. (Banfi, Belgiojoso,<br />
Peressutti und Rogers). Lodovico<br />
Belgiojoso war selbst in Gusen interniert<br />
gewesen, Gian Luigi Banfi dort<br />
umgekommen.<br />
Das kleine memorial wurde am 8. mai<br />
1965 eingeweiht. Rund 30 Jahre später<br />
– 1997 – wurde es der Obhut des<br />
innenministeriums übergeben und<br />
damit zum öffentlichen Denkmal.<br />
2004 errichtete das innenministerium<br />
daneben ein Besucherzentrum, das<br />
die Topographie des ehemaligen La -<br />
gers vermitteln, über „Zwangsarbeit“<br />
und „Vernichtung“ informieren und<br />
von der Befreiung des Lagers erzählen<br />
soll.<br />
Champignonzucht in Stollen<br />
mehr an öffentlich zugänglichem La -<br />
ger areal ist heute kaum mehr vorhanden.<br />
Die Stollen, deren Bau in der nS-<br />
Zeit tausende Tote gefordert hatten<br />
und in denen Waffen, aber auch mes -<br />
serschmitt-Düsenflugzeuge gefertigt<br />
worden waren, wurden in der nach -<br />
kriegszeit beispielsweise zur Cham -<br />
pi gnonzucht genutzt.<br />
insgesamt gibt es zu den Stollen, die<br />
2001 in das Eigentum der Bundesim -<br />
mo biliengesellschaft (BiG) übertragen<br />
wurden, keinen öffentlichen Zu gang<br />
mehr, schildert Martha Gammer, Spre -<br />
cherin des Gedenkkomitees Gu sen,<br />
gegenüber „Die Gemeinde“ die heutige<br />
Situation. „Die Anlage kann nicht<br />
betreten werden und konnte auch in der<br />
Vergangenheit nicht betreten werden.<br />
Nach der Sprengung 1947 züchtete ein lo -<br />
kaler Mensch mit Einwilligung des Ober -<br />
flächenbesitzers darin Cham pi gnons, der<br />
Oberflächenbesitzer, Herr Pötsch, glaubte<br />
sich lange Zeit auch als Stollenbesitzer,<br />
was gerichtlich 2001 mit einem Vergleich<br />
Pötsch – Innenministerium geklärt werden<br />
konnte.“<br />
16,7 Quadratmeter Oberfläche vor<br />
einem Tor zum ehemaligen KZ Gusen<br />
gehörten aber nach wie vor diesem<br />
mann, so Gammer. „Und da darf niemand<br />
drüber, wie auch auf einer Tafel zu<br />
lesen ist. Alle anderen ehemaligen Ein -<br />
gän ge sind entweder von der Sprengung<br />
1947 verschüttet und sowieso in Privat -<br />
be sitz. Ein anderer Eingang befindet sich<br />
im Wasserschutzgebiet der Gemeinde und<br />
ist im Lauf von 63 Jahren völlig verschlammt,<br />
mannshoch verschüttet und<br />
nicht mehr begehbar“, schildert die Spre -<br />
cherin jenes Komitees, das sich der<br />
Über lebenden und deren nach kom -<br />
men annimmt.<br />
Und es war auch just Gammer, die im<br />
interesse genau dieser Gruppe, also<br />
der Opfer, Ende Juni mit einem schrift -<br />
lichen Aufschrei aufhorchen ließ: die<br />
BiG sei dabei, die Stollenanlage zu<br />
ver füllen und damit zu zerstören, so<br />
der Vorwurf. „Wir verlangen totalen<br />
Bau stopp und eine internationale Überlegung,<br />
wie die Anlage in weiten Teilen er -<br />
hal ten und für gemeldete Besucher zu gäng -<br />
lich gemacht werden könnte. Der derzeitige<br />
Zustand ist unerträglich. Die nächsten<br />
Generationen der Neonazis werden sa gen:<br />
Hat es nie gegeben. Keine Spuren fassbar.“<br />
im innenministerium zeigte man sich<br />
daraufhin zunächst etwas irritiert.<br />
man hätte sich gewünscht, von der<br />
BiG von der Baumaßnahme informiert<br />
zu werden, auch, um die medien entsprechend<br />
informieren und sich die<br />
nun vom Zaun gebrochene Debatte<br />
ersparen zu können, so ein Sprecher.<br />
Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 9
DOSSIER • STIMMUNGSBILDER INLAND<br />
Jerusalem, July 1, 2009<br />
H.E. Mr. Michael Rendi<br />
Ambassador of Austria to Israel<br />
Your Excellency,<br />
I am writing to express our concern re -<br />
gar ding a matter of increasing urgency:<br />
The ongoing landfill work at the St. Ge -<br />
orgen an der Gusen camp site in<br />
Austria.<br />
For some time, various Austrian and in -<br />
ter national bodies have been protesting<br />
this highly problematic process, which<br />
clearly endangers a site that com me -<br />
mo rates the brutal immorality of the Nazi<br />
regime. On December 15 th , 2008, the<br />
Memorials and Museums Working<br />
Group of the 27-nation Task Force for<br />
International Cooperation on Holo caust<br />
Education, Remembrance and Research<br />
(ITF), issued a statement emphasizing<br />
that procedures underway, with the ap -<br />
proval of the Austrian Ministries of the<br />
Interior and of Economic Affairs, to fill<br />
considerable parts of the Gusen site with<br />
trash, and to dismantle authentic Nazi<br />
camp structures, were unacceptable.<br />
Yad Vashem wholeheartedly supported<br />
that statement and continues to do so.<br />
The ITF Chair at that time, Austrian Am -<br />
bassador Ferdinand von Traut manns -<br />
dorf endorsed the statement and conveyed<br />
it to relevant authorities within<br />
your Government. At last week’s ITF<br />
Plenary meeting in Oslo, the Austrian re -<br />
presentative, Hannah Lessing (who ser -<br />
ves as the Secretary General of Aus tria’s<br />
National Fund for Victims of National<br />
Socialism), reported that your Govern -<br />
ment was committed to preventing da -<br />
mage to historically significant components<br />
of the Gusen complex.<br />
Nevertheless, reports continue to reach<br />
us to the contrary, and it would appear<br />
that the danger to Gusen is still real<br />
and present.<br />
On behalf of Yad Vashem and all parties<br />
committed to vigorously guarding<br />
the educational and commemorative le -<br />
gacy of the Holocaust, I urge your Ex cel -<br />
lency to speedily clarify to the Austrian<br />
authorities the gravity of the situation<br />
and our expectation that facts on the<br />
ground at Gusen be rectified with the<br />
utmost haste and firmness.<br />
Sincerely,<br />
Avner Shalev<br />
Chairman Yad Vashem Directorate<br />
Aber: die maßnahme sei nötig, es be -<br />
ste he „Gefahr in Verzug“, wie innen -<br />
minis terium, BiG und Bundesdenk -<br />
mal amt unisono beteuerten. Die<br />
interessenslage der drei institutionen<br />
geht allerdings weit auseinander.<br />
Zwölf Millionen Euro<br />
Die BiG pumpte mit der nun gestarteten<br />
Verfüllung einsturzgefährdeter<br />
Stollen nach bereits acht in dieses<br />
Areal investierten millionen Euro<br />
weitere vier millionen Euro in die<br />
Sicherung. „Wir tun das nicht aus Jux<br />
und Tollerei“, betonte BiG-Sprecher<br />
Ernst Eichinger, sondern weil man<br />
hafte. Die Stollen seien so genannte<br />
Superädifikate, darüber lägen private<br />
Häuser, landwirtschaftlich genutzte<br />
Flächen, eine Bundesstraße. Anfang<br />
Juli dann der Paukenschlag: in einer<br />
Pressekonferenz in St. Georgen bietet<br />
Eichinger an, die Stollenanlage güns -<br />
tig oder sogar kostenlos abzugeben.<br />
man sei als BiG für die Sicherheit zu -<br />
ständig, nicht aber für die Errichtung<br />
einer Gedenkstätte.<br />
Sowohl Eichinger als auch der SPÖ-<br />
Bürgermeister von St. Georgen, Erich<br />
Wahl, sehen hier das innenministe ri -<br />
um, in dessen Kompetenz auch die<br />
KZ-Gedenkstätte mauthausen fällt,<br />
als zuständig und erzählen auch von<br />
entsprechenden Gesprächen, die bisher<br />
aber nicht fruchtbringend gewesen<br />
seien. „Die Gemeinde hat seit dem Jahr<br />
2000 die Errichtung einer Gedenkstätte<br />
beim BMI (Innenministerium, Anm.)<br />
beantragt. Derzeit gibt es eigentlich keine<br />
Gedenkstätte in der Form, dass das Stol -<br />
len system auch tatsächlich besichtigt<br />
werden kann. Auch wir sind der Mei nung,<br />
dass seitens der zuständigen Bundes dienst -<br />
stellen, hier vor allem des Bundes minis te -<br />
riums für Inneres, der politische Wille,<br />
eine öffentliche Gedenkstätte zu errichten,<br />
kaum vorhanden ist, zumal seit neun Jah -<br />
ren keine konkreten Umsetzungs schritte<br />
erfolgt sind“, formulierte es Wahl im<br />
Ge spräch mit „Die Ge mein de“.<br />
Und Eichinger betonte: „Jederzeit wäre<br />
die BIG bereit, die Stollenanlage entgeltfrei<br />
in das Eigentum von natürlichen oder<br />
juristischen Personen zu übertragen.<br />
Dies bezügliche Angebote der BIG an das<br />
Bundesministerium für Inneres (BMI)<br />
wurden abgelehnt. Nach mehrfacher Zu -<br />
rückweisung fanden ab dem Jahr 2005<br />
keine Gespräche mit dem BMI in dieser<br />
Angelegenheit mehr statt.“<br />
nicht ganz Stimmiges förderte daraufhin<br />
Anfang Juli eine Anfrage im in en -<br />
ministerium zutage. So meinte Sprecher<br />
Rudolf Gollia: „Man muss überlegen,<br />
welche Möglichkeiten es gibt, um die<br />
Stollen zu erhalten. Man muss aber auch<br />
überlegen, wie man das finanzieren kann.<br />
Mit der Möglichkeit, die Stollenanlage zu<br />
kaufen, sind wir heute erstmals konfrontiert.“<br />
Grundsätzlich investiere das<br />
in nenressort eine menge zum Betrieb<br />
und in die neugestaltung der KZ-Ge -<br />
denkstätte mauthausen und ihrer Aus -<br />
sen stellen. 1,5 millionen würden da -<br />
zu jährlich aufgewendet. Von der<br />
Burg hauptmannschaft kämen weitere<br />
mittel, die in den Erhalt der<br />
Gebäude gingen.<br />
Wenige Tage später meldete sich in -<br />
nen ministerin maria Fekter (ÖVP) im<br />
ORF-Radio zu Wort: „Es ist so, dass<br />
Gu sen ein Außenlager von Mauthausen<br />
ist und wir die Gedenkstätten sukzessive<br />
sichern und sie erwerben, wo historische<br />
Belastungen drauf sind. Deshalb verhandeln<br />
wir auch mit der BIG.“ So weit, so<br />
unklar.<br />
Das Sichtbarmachen des ehemaligen<br />
KZ-Areals von Gusen ist insofern so<br />
schwierig, als sich heute die meisten<br />
Teile in Privatbesitz befinden. Damit<br />
kämpft auch das Bundes denk mal amt.<br />
Als vor einigen Jahren ein privater<br />
Grundbesitzer, auf dessen Firmen ge -<br />
län de sich zwei ehemalige SS-Bara c -<br />
ken befinden, um Abrissgeneh mi -<br />
gung für ei ne der beiden Baracken<br />
bemühte, wur de ihm diese auch zu -<br />
nächst er teilt – bis sich in letzter<br />
minute das Bun des denk malamt einschaltete,<br />
schil dert Höh le. Das Verfah -<br />
ren sei bis heute of fen.<br />
im Zug dessen habe das BDA dann<br />
aber vor etwa eineinhalb Jahren die<br />
Unterschutzstellung aller noch vorhandenen<br />
Bauelemente des ehemaligen<br />
KZs eingeleitet. Das ehemalige<br />
Jourhaus, in dem die SS ihren Sitz hat -<br />
te und in dessen Keller sie „Häft lin -<br />
ge“ folterte und ermordete,<br />
beispielswei se hat sein Besitzer<br />
Anfang der neunziger Jahre renoviert<br />
und da raus sein Eigenheim gestaltet.<br />
Das Problem bei Objekten in<br />
Privatbesitz: das BDA kön ne durch ein<br />
Unterschutzstellen zwar einen Abriss<br />
verhindern, den Be sitzer aber nicht<br />
zu einem aktiven Denk mal schutz,<br />
10 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769
DOSSIER • STIMMUNGSBILDER INLAND<br />
orf.at unter den Bericht, der über die<br />
Bereitschaft der BiG informierte, das<br />
Stollensystem zu verschenken: „ich<br />
bau euch einen schocker sondergleichen<br />
mit kindertraumatisierungsgarantie, sou -<br />
venirständen mit schrumpfköpfen usw.<br />
die einmalige chance holocaust großindustrieller<br />
zu werden.“<br />
©APA/Harald Shneider<br />
also zu Erhaltungs maß nah men zwingen.<br />
Zweites Pro blem: das BDA könne<br />
Gebäude, nicht aber Land schaften<br />
unter Schutz stellen.<br />
Das BDA beauftragte jedenfalls einen<br />
ausländischen Gutachter mit einer Ex -<br />
pertise über das Areal des ehemaligen<br />
KZs. Fazit von Johannes Cramer, Pro -<br />
fessor für Bau- und Stadtbaugeschich<br />
te an der Technischen Univer si -<br />
tät Berlin: bei dieser „Landschaft des<br />
Schreckens oder des Terrors“ handle es<br />
sich um einen einzigartigen Komplex<br />
auf dem Gebiet des nS-Staates, so<br />
Höhle, dieser sei daher aus historischer<br />
Sicht und zu dokumentarischen<br />
Zwecken zu schützen. Einzigartig sei<br />
hier die Verbindung zwischen Ver -<br />
nich tungslager, Steinbrucharbeit, Stol -<br />
lensystem und Rüstungs produk ti on.<br />
Cramer soll in Bälde mit einer tief ge -<br />
henden Studie beauftragt werden.<br />
Wissenschaftliche<br />
Aufarbeitung fehlt<br />
Denn ein Problem im Umgang mit<br />
dem ehemaligen KZ Gusen besteht<br />
darin, dass es bis heute keine wissenschaftliche<br />
Expertise zu dem Areal<br />
gibt, beklagen Gammer und Höhle.<br />
„Wir brauchen aber eine ordentliche wissenschaftliche<br />
Grundlage. Hier fehlen uns<br />
zwei Generationen wissenschaftliche Ak -<br />
tivitäten“, so die BDA-Expertin.<br />
Gammer fordert nun vom Bund ein<br />
umfassendes Konzept, wie Gedenk -<br />
ar beit hier in Zukunft ermöglicht wer -<br />
den kann. „Wir sind wirklich etwas verzweifelt,<br />
wenn wir an unsere lieben oft<br />
kommenden Überlebenden denken, die<br />
eines Tages feststellen werden: Aus, zu -<br />
ge mauert, keine Reste.“ Von der BiG<br />
werden derzeit von den 7,5 Kilometer<br />
langen Stollen fünf aufgefüllt, sodass<br />
nur mehr zwei potenziell zugänglich<br />
bleiben. Höhle zeigt sich allerdings et -<br />
was skeptisch hinsichtlich der Ver -<br />
füg barkeit der mittel, die für ein solches<br />
Projekt nötig wären: „Geld wird<br />
dort ausgegeben, wo es einen breiten ge -<br />
sellschaftlichen Konsens gibt.“<br />
Dieser Konsens lässt sich derzeit bei<br />
den politischen mitspielern nicht klar<br />
er kennen. Lediglich Oberösterreichs<br />
Grüne sprachen sich nach Bekannt -<br />
wer den der aktuellen Verfüllungs ar -<br />
bei ten an den Stollen durch die BiG<br />
klar für eine Einrichtung einer umfassenden<br />
Gedenkstätte aus. Die eher va -<br />
ge Reaktion des zuständigen in nen mi -<br />
nisteriums wurde bereits geschildert.<br />
Zieht man internet-Foren als Grad -<br />
mes ser gesellschaftlichen Wohlwol -<br />
lens für dieses Projekt heran, taucht<br />
ebenfalls Ernüchterndes auf. Dass<br />
sich neonazis wie jene auf www.<br />
alpen-donau.info gegen eine Gedenk -<br />
stätte wenden, ist klar. Doch auch im<br />
internet-Posting-Bereich von Printund<br />
elektronischen medien ist nicht<br />
gerade Aufmunterndes zu lesen. Da<br />
schrieb etwa User sycl01 auf www.<br />
Und User golderl5 meinte ebendort:<br />
„keiner von uns, der vor dem pc sitzt, ist<br />
schuld daran, was damals passierte! Es<br />
war schlimm genug. Aber ich lass mir<br />
nicht täglich neue schuldgefühle einreden.<br />
Es reicht!“ Auf www.derstandard.at<br />
postete User syclone: „jedes ist<br />
das größte, furchtbarste, einmaligste, un -<br />
vergleichlichste, der geschichte ent rück tes -<br />
te teufelswerk der erde – die vermarktung<br />
solcher gedenkstätten erfolgt vollkommen<br />
selbstlos und ohne hintergedanken – frag<br />
den madoff!“<br />
Was für Aussichten.<br />
Die Todesstiege von Gusen<br />
Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 11
DOSSIER • STIMMUNGSBILDER INLAND<br />
© National<br />
Archives<br />
Überlebender , Mai 1945<br />
„Die härteste Arbeit war die in der Trans -<br />
port kolonne, die Strafkompanie von Gu -<br />
sen. Die dorthin Zugeteilten trugen etwa<br />
50 Kilo schwere Steine auf ihren Schul tern.<br />
In Gänsereihe mussten sie im Laufschritt<br />
vom Steinbruch zum Steinbrecher, morgens<br />
bis abends. Wehe, wenn sich eine<br />
Lücke in der Reihe bildete: der erste, der<br />
zurückblieb, wurde zur Seite gestoßen<br />
und durch Stöcke und Tritte getötet. Sie<br />
mussten, wie Eisenbahnwaggons, einer<br />
neben dem anderen bleiben und sich im<br />
Gleichschritt bewegen. Wenn einer seinen<br />
Holzschuh verlor, hatte er keine Zeit<br />
anzuhalten und ihn wieder anzuziehen,<br />
und er musste barfuß weiterlaufen, wobei<br />
er sich am spitzen Schotter verletzte. Sie<br />
hielten eine oder zwei Wochen durch. Wer<br />
nicht durch die Stockschläge starb, stürzte<br />
vor Erschöpfung zu Boden und die Kapos<br />
erschlugen ihn mit Steinen, dort wo er ge -<br />
stürzt war. Am Abend trugen die Leben -<br />
den die Leichname ihrer toten Kameraden<br />
zum Krematorium.“<br />
Der italienische Häftling Vincenzo Pap pa let te ra<br />
über die Zwangsarbeit in den Steinbrüchen,<br />
in: „Tu passerai per il ca mino. Vita e morte a<br />
Mauthausen“, er-schie nen 1989.<br />
„Unsere Arbeit nahm kein Ende, 24 Stun -<br />
den am Tag, in drei Schichten. Natürlich<br />
dauerte es nicht lange, bis uns dieses<br />
wahnsinnige Arbeitstempo erschöpfte.<br />
Bei unserer Ankunft waren wir unverbraucht,<br />
stark, und voller Energie. Nach<br />
nur zwei Monaten jedoch waren wir wie<br />
schlappe Fetzen, gebeugte Kreaturen auf<br />
von Unterernährung aufgedunsenen Bei -<br />
nen. Wir bestanden buchstäblich nur noch<br />
aus Haut und Knochen. Kiefer und Au gen<br />
traten aus unseren gelblichen Schädeln<br />
her vor. Hatte jemand erst einmal dieses<br />
Stadium erreicht, war es nur noch eine<br />
Fra ge der Zeit, bis er zur Vernichtung<br />
‚selektiert‘ wurde.“<br />
Rabbi Yechezkel Harfenes über die Arbeiten am<br />
Stollen „Bergkristall“, in: „Slingshot of Hell“,<br />
erschienen 1988.<br />
„Er liebte es zu schlagen, zu töten oder zu<br />
verletzen, wobei er für gewöhnlich die<br />
Kie fer des Häftlings mit bloßen Fäusten<br />
zerbrach.“<br />
Zitiert: Häftlinge, Befreier,<br />
Zivilbevölkerung einst und heute<br />
Der Gusen-Überlebende Stanislaw Dobosie wicz<br />
über Lagerführer Fritz Seidler, zitiert auf www.<br />
gusen-memorial.at<br />
„Ich glaube, eines der schockierendsten<br />
Din ge war die Gleichgültigkeit der zivilen<br />
Bevölkerung dem gegenüber, was im<br />
Lager vorgefallen war.“<br />
Reginald Ashby, ehemaliger Staff Sergeant im<br />
21. Infanteriebataillon der 11th Armored Di vi -<br />
sion Panzerdivision der US-Army in einem<br />
Interview, zitiert auf www.gusen-memorial.at<br />
„Hier wurden Menschen aller Nationali -<br />
täten gefangen gehalten, von Russen bis<br />
Spaniern. Sie erzählten uns von unbegreiflichen<br />
Dingen. Sobald wir den Jeep<br />
ge parkt hatten, drängten sich alle dieser<br />
geis terhaften Figuren um uns. Sie wollten<br />
Nahrung, Wasser, Zigaretten. (…) Es war<br />
ein warmer Tag und der furchtbare Ge -<br />
stank von diesen angeblichen Menschen<br />
machte es unerträglich, sich lange dort<br />
auf zuhalten.“<br />
US-Soldat Louis Cernjar im Mai 1945 in ei nem<br />
Brief an seine Familie<br />
„Wir haben ja genug gesehen unterm<br />
Krieg, wie sie das KZ gebaut haben in<br />
Gusen, haben lauter KZler gebaut, das<br />
Gusen-KZ. 13, 14 Jahre war ich, wir sind<br />
noch in die Schule gegangen, wie sie in<br />
Gusen schon verbrannt haben. Da haben<br />
wir’s ja schon geschmeckt, wenn wir auf<br />
St. Georgen gegangen sind, in der Früh,<br />
in die Schule, wie es gestunken hat, wie es<br />
herausgeraucht hat, wir haben das ja alles<br />
gesehen als Kinder.“<br />
Eine Langensteinerin, Jahrgang 1929, in: „Die<br />
Presse“ im Januar 2007<br />
„Wir haben den Grund um fünf Schilling<br />
den Quadratmeter gekauft, das war doch<br />
kein Geld nicht. Wir waren alle nicht von<br />
da, wir haben erst mit der Zeit mitgekriegt,<br />
was da los war. Aber da war es schon zu<br />
spät. Da haben wir schon alle Haus ge baut,<br />
wie wir so manches gefunden haben,<br />
Kno chen, ein Essbesteck und so, aber man<br />
hat das nicht so tragisch genommen. Die<br />
Fundstücke hat man weggeschmissen, wir<br />
haben da mitten in der Wiese einen tiefen<br />
Brunnen gehabt, da ist das Zeug alles hi -<br />
nein gegangen, Erde drauf, das ist da ganz<br />
tief unten.“<br />
Eine Gusener Siedlerin, Jahrgang 1931, in: „Die<br />
Presse“ im Jänner 2007<br />
„Man hat dann schon studiert, da sind ja<br />
immer die Leute gekommen, im Mai, die<br />
KZler, zum Jahrestag der Befreiung, und<br />
haben geschaut und geredet, man fragt<br />
dann halt doch, was war da los. Das ha -<br />
ben wir ja gewusst, dass da ein KZ war,<br />
das haben wir ja schon gewusst, wie wir<br />
den Grund gekauft haben, aber wir haben<br />
wenig Ahnung gehabt, was sich in so ei -<br />
nem KZ abgespielt hat. Sonst hätte sich<br />
vielleicht mancher geschreckt.“<br />
Eine Gusener Siedlerin, Jahrgang 1929, in:<br />
„Die Presse“ im Jänner 2007<br />
„Wir sind oft vorbeigegangen am Kre ma -<br />
torium, wer sich hingehen hat getraut, der<br />
war halt der Starke, so eine Art Mutprobe<br />
war das. Ich weiß nicht, wie es andere<br />
empfunden haben, aber ich hab‘ einen Bo -<br />
gen rundherum gemacht. Es gibt welche,<br />
die würden das am liebsten einebnen, zu -<br />
schütten, etwas hinbauen, und gebt’s end -<br />
lich eine Ruhe. Das ist vor allem mei ne<br />
Generation. Es will keiner mehr damit<br />
konfrontiert werden; auf der anderen Sei te,<br />
ich denk‘ mir halt, wenn wir das wegtun,<br />
dann denkt überhaupt niemand mehr an<br />
das, wo er eigentlich wohnt.“<br />
Eine Gusener Siedlerin, Jahrgang 1966, in:<br />
„Die Presse“ im Jänner 2007<br />
„Früher, da sind hie und da ältere Herr -<br />
schaften aus Italien und Frankreich hierher<br />
gepilgert, da haben wir uns recht nett un -<br />
terhalten mit manchen, die da gefangen<br />
wa ren. Aber dass jetzt die Enkelkinder<br />
bus weise hergeführt werden, da beim Ge -<br />
strüpp und beim Zaun anstehen und auf<br />
diesen komischen Betonstein schauen,<br />
das hat meiner Meinung nach überhaupt<br />
nichts mit geschichtlicher Aufarbeitung<br />
zu tun.“<br />
©Commons-Dt. Bundesarchiv<br />
Das Jour-Haus Gusen<br />
12 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769
DOSSIER • STIMMUNGSBILDER INLAND<br />
Ein Sankt Georgener, Jahrgang 1961, in: „Die<br />
Presse“ im Jänner 2007<br />
„Es kommen Leute hin und sind irritiert,<br />
dass da Leute wohnen. Und die Leute, die<br />
da wohnen, sind irritiert, dass das je -<br />
mand irritierend findet. Mit dieser Irri -<br />
tierung müssen sie leben lernen, die kann<br />
man nicht einfach mit Abwehr behandeln.<br />
Und dafür kann man Bewusstsein schaffen,<br />
dafür sind öffentliche Debatten mit<br />
der Bevölkerung notwendig.“<br />
Der Zeithistoriker Bertrand Perz, in: „Die Pres -<br />
se“ im Jänner 2007<br />
„Jeder hat zu mir gesagt: Das ist ein schö -<br />
nes Haus, die Steine und das alles. So hab‘<br />
ich das Ganze renoviert. Wenn ich ge -<br />
wusst hätte, was da auf mich zukommt,<br />
hätte ich es anders gemacht.“<br />
Gerhard Danner, Nachkomme von Friedrich<br />
Danner, der Anfang der sechziger Jahre in den<br />
gemauerten Häftlingsblocks eine Champi -<br />
gnon farm errichtete und dazu auch teils Stol -<br />
len nutzte, über seine Entscheidung, sich im<br />
ehemaligen „Jourhaus“ der SS, Anfang der<br />
neunziger Jahre sein Eigenheim einzurichten,<br />
in: „Die Presse“ im Jänner 2007<br />
„Die nächsten Generationen der Neo na zis<br />
werden sagen: Hat es nie gegeben. Keine<br />
Spuren fassbar.“<br />
Martha Gammer, Sprecherin des Gedenkko -<br />
mi tees Gusen, Ende Juni 2009 in einem Auf -<br />
ruf zum sofortigen Stopp der Verfüllung des<br />
Stollens „Bergkristall“ durch die Bundesim -<br />
mo biliengesellschaft. Dieser Aufruf bringt die<br />
Situation in Gusen einer breiteren Öffentlichkeit<br />
zur Kenntnis und damit die aktuelle<br />
Diskussion in Gang.<br />
„Österreich betoniert sein größtes KZ-<br />
Ge bäude einfach zu!“<br />
Rudolf Haunschmied, Vorstand des Gedenk -<br />
komitees Gusen, am 1. Juli 2009<br />
„Kein Historiker zeigte Interesse an einer<br />
historischen Forschung, niemand von of fi -<br />
zieller Seite Österreichs, keine Disserta -<br />
tio nen. Wegen dieser Unkenntnis der Ge -<br />
schichte konnte es erst zu dieser Zer stö -<br />
rung kommen!“<br />
Martha Gammer Ende Juni 2009 gegenüber<br />
„Die Gemeinde“<br />
„Derzeit ist eine Generation bestimmend,<br />
die nur mehr die ‚Russenzeit‘ erlebt hat,<br />
und viele Bericht aus dieser Warte sieht,<br />
oder gar nichts. Die Jungen sind am in te -<br />
ressiertesten.“<br />
Martha Gammer, Ende Juni 2009 gegenüber<br />
„Die Gemeinde“<br />
„Ich halte auch fest, dass die Markt ge -<br />
mein de St. Georgen/Gusen in den vergangenen<br />
Jahren mit allen Begehrlichkeiten<br />
in Richtung Baulandwidmung auf dem<br />
betroffenen Areal sehr restriktiv umgegangen<br />
und solchen auch aktiv entgegen<br />
getreten ist. Frühere Baugenehmigungen<br />
mussten aufgrund von jahrzehntelangen<br />
Widmungen aus rechtlicher Sicht erteilt<br />
werden, da vom Grundbesitzer entsprechende<br />
Gutachten über die Standfestig -<br />
keit der Stollen vorgelegt wurden.“<br />
Erich Wahl, SPÖ-Bürgermeister der Gemein de<br />
St. Georgen, Anfang Juli 2009 gegenüber<br />
„Die Gemeinde“<br />
„Die Gemeinde hat seit dem Jahr 2000 die<br />
Errichtung einer Gedenkstätte beim BMI<br />
(Innenministerium, Anm.) beantragt.<br />
Der zeit gibt es eigentlich keine Gedenk -<br />
stät te in der Form, dass das Stollen sys tem<br />
auch tatsächlich besichtigt werden kann.<br />
Auch wir sind der Meinung, dass seitens<br />
der zuständigen Bundesdienststellen, hier<br />
vor allem des Bundesministeriums für In -<br />
neres, der politische Wille, eine öffentliche<br />
Gedenkstätte zu errichten, kaum vorhanden<br />
ist, zumal seit neun Jahren keine konkreten<br />
Umsetzungsschritte erfolgt sind.“<br />
Erich Wahl Anfang Juli 2009 gegenüber „Die<br />
Gemeinde“<br />
„Wer die Stollenanlage haben will, der<br />
kann sie entgeltfrei haben.“<br />
Ernst Eichinger, Sprecher der Bundesimmo bi -<br />
li engesellschaft, in deren Besitz sich die Stol -<br />
lenanlage derzeit befindet, Anfang Juli 2009<br />
in einer Pressekonferenz in St. Georgen<br />
„Jederzeit wäre die BIG bereit, die Stol len -<br />
anlage entgeltfrei in das Eigentum von na -<br />
türlichen oder juristischen Personen zu<br />
übertragen. Diesbezügliche Angebote der<br />
BIG an das Bundesministerium für Inne res<br />
(BMI) wurden abgelehnt. Nach mehrfacher<br />
Zurückweisung fanden ab dem Jahr<br />
2005 keine Gespräche mit dem BMI in<br />
dieser Angelegenheit mehr statt.“<br />
Ernst Eichinger in einer schriftlichen Presse -<br />
un ter lage Anfang Juli 2009<br />
Bohrung von Füllstutzen 2009<br />
© Martha Gammer<br />
„Man muss überlegen, welche Möglich -<br />
kei ten es gibt, um die Stollen zu erhalten.<br />
(…) Man muss aber auch überlegen, wie<br />
man das finanzieren kann. Mit der Mög -<br />
lichkeit, die Stollenanlage zu kaufen, sind<br />
wir heute erstmals konfrontiert.“<br />
Rudolf Gollia, Sprecher des Innenminister i um,<br />
Anfang Juli gegenüber „Die Gemeinde“<br />
„Es ist so, dass Gusenlager ein Außen la ger<br />
von Mauthausen ist und wir die Gedenk -<br />
stätt en sukzessive sichern und sie erwerben,<br />
wo historische Belastungen drauf<br />
sind. Deshalb verhandeln wir auch mit<br />
der BIG.“<br />
Reaktion von Innenministerin Maria Fekter<br />
(ÖVP) am 3. Juli gegenüber dem ORF-Radio<br />
„Die Pläne rufen neurotische Nekrophile<br />
auf den Plan. Man sieht die Chance für<br />
ei nen weiteren Schuldkomplex, der be -<br />
stimm ten Kreisen Geld bringen kann, in<br />
Gefahr. (…) Rettung ist nah. Wie<br />
Innenministe ri umssprecher Rudolf Gollia<br />
gegenüber Sys temmedien ankündigte<br />
will nun das In nen ministerium die An -<br />
lage übernehmen und daraus im bewährten<br />
Stil eine ‚Ge denk stät te‘ ma chen. In te res -<br />
sant werden die Fi nan zie rungspläne sein.<br />
In Zeiten stei gen der Kri minalitätsraten,<br />
das Bud get des In nen ministeriums zu -<br />
gunsten einer Antifa-Ver sor gungsanstalt<br />
mit Millio nen Euro zu be las ten, darauf<br />
kann nur ein Zyniker kommen.“<br />
Die Neonazi-Homepage www.alpen-donau.<br />
info am 4. Juli 2009<br />
„Wir sind längst noch nicht da, wo<br />
Deutsch land schon in den siebziger Jah -<br />
ren war, etwa mit der Unter schutz stel -<br />
lung des Westwalls.“<br />
Eva-Maria Höhle, Generalkonservatorin im<br />
Bun desdenkmalamt, Ende Juni gegenüber<br />
„Die Gemeinde“<br />
„Hier fehlen uns zwei Generationen wissenschaftliche<br />
Aktivitäten.“<br />
Eva-Maria Höhle Ende Juni gegenüber „Die<br />
Ge meinde“<br />
Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 11
DOSSIER • STIMMUNGSBILDER INLAND<br />
Das Konzentrationslager Gusen 1940 bis 1945<br />
Nach der Inbetriebnahme des Steinbruchs <strong>Wien</strong>er Graben wurden im Dezember 1939 etwa 400 „Häftlinge“ des Hauptla gers<br />
Mauthausen zum Aufbau des Lagers Gusen abkommandiert. Offiziell eingerichtet wurde das Lager am 25. Mai 1940. Es<br />
diente zunächst der Erschließung und dem Ausbau der Steinbrüche für die Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH. (DESt.),<br />
dem ersten Großunternehmen der SS. Die 1938 gegründete DESt. sollte die für die Errichtung der Prunkbauten des Drit ten<br />
Reiches nötigen Baustoffe herbeischaffen. Für die Arbeit eingesetzt wurden vor allem KZ-Insassen. Damit sollte auch eine<br />
wirtschaftliche Basis für die SS geschaffen werden.<br />
Gleichzeitig hatte Gusen auch die Funktion eines „Mordlagers“, in dem aus politisch und rassischen Gründen Verfolgte um -<br />
gebracht wurden. Eingesetzt wurden dazu verschiedenste Methoden: „Häftlinge“ wurden auf Schloss Hartheim mit Gift gas<br />
ermordet, andere mittels „Totbadeaktionen“, bei denen sie mit eiskaltem Wasser geduscht wurden, sodass sie tot zusam men -<br />
brachen oder in den darauffolgenden Tagen an Lungenentzündung starben, wieder andere mit Zyklon B-Gas entweder in den<br />
zuvor abgeriegelten Baracken oder in speziellen Gaswagen, die zwischen Gusen und Mauthausen verkehrten, zu Tode ge -<br />
bracht. Das Doppellager Mauthausen/Gusen wurde 1940 in die „Lagerstufe III“ eingeteilt, welche für „kaum noch erziehbare<br />
Schutzhäftlinge“ vorgesehen war. Menschen, die hierher transportiert wurden, hatten nur geringe Überlebenschancen.<br />
Der Haupteingang zum Lager befand sich im so genannten Jourhaus. Dieses diente der SS zur Lagerführung und -verwal tung.<br />
Im Keller befand sich der „Bunker“, das Lagergefängnis, in dem Häftlinge systematisch misshandelt und getötet wurden.<br />
Zen trales bauliches Element in Gusen (wie in anderen KZs auch): der Appellplatz. Küchenbaracke, Häftlingsbaracken, SS-<br />
Verwaltungsbaracken dienten der Versorgung, Unterbringung und Überwachung der Häftlinge.<br />
Die bauliche Sicherung des Lagers erfolgte zunächst mit einem Holzzaun, Stacheldraht und vier hölzernen Wachtürmen. Ab<br />
Sommer 1941 mussten die Häftlinge eine drei Meter hohe Mauer aus Granit errichten, sieben Wachtürme mit Schießstän den<br />
wurden entlang dieser erbaut. Die Mauer schloss einerseits die Häftlinge ein und unterband andererseits den Einblick von<br />
außen in das Lager. Dieser Komplex Gusen I wurde in den folgenden Jahren und mit steigenden Insassen-Zahlen um Gusen<br />
II (vor allem Häftlingsbaracken für jene, die zur Errichtung des Stollens „Bergkristall“ eingesetzt wurden) und Gusen III<br />
(Ver sorgung) erweitert.<br />
Unterirdisch mussten von den Häftlingen riesige Stollenanlagen errichtet werden, die gegen Kriegsende vor allem der Rüs -<br />
t ungsindustrie als Produktionsstätte dienten. Ende 1943 begann man mit den Arbeiten an den „Kellerbau“-Stollen, bei de nen<br />
man allerdings mit geologischen Schwierigkeiten kämpfte. Hier, auf einer Fläche von rund 8.000 Quadratmetern, sowie<br />
in zusätzlichen Hallen wurden von Steyr-Daimler-Puch Teile für Karabiner, Maschinengewehre und Flugmotoren gefertigt.<br />
Die Messerschmitt GmbH. ließ in den Stollen zunächst Flugzeugrümpfe der Me 109 bauen. 1944 wurde die Fertigung auf<br />
den neuartigen Düsenjäger Me 262 umgestellt, die ab Herbst 1944 im „Bergkristall“-Stollen erfolgte. Unter diesem Deck -<br />
namen hatte die SS 1944 in St. Georgen eines der größten Stollen-Bauvorhaben der deutschen Kriegswirtschaft begonnen.<br />
Der Zweck: die Jagdflugzeugproduktion der Firma Messerschmitt.<br />
Insgesamt wurden mindestens 70.000 Menschen nach Gusen deportiert, mindestens 35.800 von ihnen fanden dort den Tod.<br />
Inhaftiert wurden zunächst vor allem politische Gegner aus Deutschland und Österreich sowie politisch unliebsame Po len.<br />
Ab Anfang 1941 trafen Transporte mit republikanischen Spaniern in Gusen ein. Die nächste große Gruppe waren sowjeti sche<br />
Kriegsgefangene. Mitte 1942 wurden die ersten jugoslawischen Deportierten nach Gusen verbracht, ebenso wie die ersten<br />
aus politischen Gründen verfolgten Franzosen. Ab 1942 wurden zudem zivile Sowjetbürger hierher transportiert und als<br />
„Zwangsarbeiter“ eingesetzt. Ab Februar 1944 kam es zu Massendeportationen aus den italienischen Lagern.<br />
Und ab Sommer 1944 begannen die Massentransporte von polnischen und ungarischen Juden nach Gusen. Die Sterb lich -<br />
keit unter ihnen war enorm hoch. Von den 2.700 polnischen Juden starben mehr als 1.600 in Gusen, hunderte wurden<br />
zum Sterben nach Mauthausen überstellt. Von den registrierten 3.500 ungarischen Juden kamen mehr als 2.100 in Gusen,<br />
Hartheim oder Mauthausen ums Leben. Befreit wurde das KZ Gusen im Mai 1945 von der US-Army.<br />
OPFERZAHLEN 1940-1945<br />
HÄFTLINGSKATEGORIE 1940 1941 1942 1943 1944 1945 Gesamt<br />
Häftlinge (ohne Kriegsgefangene) 1.522 5.570 5.005 5.173 4.691 10.954 32.915<br />
Sowjetische Kriegsgefangene . 220 2.197 1.30 99 197 2.843<br />
Vergast in Hartheim . 510 1.132 800 698 . 3.140<br />
Vergast im Gaswagen . . 1.200 . . . 1.200<br />
Zum Sterben ins Sanitätslager Mauthausen verbracht . . . . . 1.900 1.900<br />
In Mauthausen erschossen 240 . . . . . 240<br />
Jüdische Kinder . . . . . 420 420<br />
Nach Befreiung verstorben . . . . . 1.944 1.944<br />
Gesamt 1.762 6.300 9.534 6.103 5.488 15.415 44.602<br />
www.gusen.org; www.gusen-memorial.at<br />
14 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769
DOSSIER • STIMMUNGSBILDER INLAND<br />
©marc Uri<br />
Der Komplex<br />
Lublin-Majdanek und<br />
die österreichische<br />
Justiz<br />
Die Frage der Beteiligung österreichischer Täterinnen an<br />
den nationalsozialistischen Verbrechen führt bis heute zu<br />
zahlreichen Auseinandersetzungen im in- und Ausland.<br />
Österreich wird insbesondere dafür kritisiert, nicht genügend<br />
zur Ausforschung und Aburteilung von nS-Täterin -<br />
nen zu unternehmen.<br />
in jüngster Zeit fand der Fall einer in <strong>Wien</strong> lebenden ehemaligen<br />
Aufseherin des KZ majdanek, Erna Wallisch, öf -<br />
fent liche Aufmerksamkeit. im Zuge der Ermittlungen ge -<br />
gen Wallisch erteilte das Bundesministerium für Justiz der<br />
Forschungsstelle Nachkriegsjustiz den Forschungsauf trag, ei ne<br />
eventuell noch mögliche strafgerichtliche Ver folgbarkeit<br />
von nS-Verbrechen im KZ majdanek vom Standpunkt der<br />
historischen Forschung einzuschätzen.<br />
im Gegensatz zu Auschwitz und mauthausen – den anderen<br />
beiden Konzentrationslagern, in denen Österreicher -<br />
in nen einen relevanten Teil der Wachmannschaften stellten<br />
– wurde kein österreichisches Strafverfahren zu maj -<br />
da nek mit Urteil abgeschlossen. Eine in den 1960er und<br />
1970er Jahren in Graz durchgeführte gerichtliche Unter su -<br />
chung gegen mehr als 50 Beschuldigte endete mit der<br />
Einstellung sämtlicher Verfahren.<br />
Ziel des Forschungsvorhabens der Forschungsstelle ist es,<br />
Verlauf und Ergebnis des österreichischen Vorgehens hinsichtlich<br />
Aufklärung und Ahndung der Verbrechen im KZ<br />
und Vernichtungslager majdanek zu analysieren und mit<br />
den in Polen und Deutschland geführten Verfahren zu<br />
vergleichen.<br />
Ferner sollen Aussagen überlebender Häftlinge gesichtet<br />
werden – sowohl in den Gerichtsakten als auch in<br />
Sammlungen von Überlebenden-interviews in den USA<br />
und israel. Zweck ist die Eruierung von Personen, die an<br />
eventuell noch zu führenden österreichischen majdanek-<br />
Prozessen als Zeuginnen mitwirken könnten. Außerdem<br />
ist die Einladung von Überlebenden des KZ majdanek zu<br />
einer Enquête über die Rolle von Zeitzeuginnen bei der<br />
Aufklärung der Verbrechen in Konzentrations- und Ver -<br />
nich tungslagern geplant.<br />
Die Ergebnisse des auf eineinhalb Jahre angesetzten For -<br />
schungsprojekts sollen in einer Publikation und einer<br />
Konferenz der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.<br />
BITTE UM MITWIRKUNG<br />
Von Oktober 1941 bis Juli 1944 existierte in Lublin das KZ<br />
majdanek, in dem auch Österreicherinnen auf der einen<br />
Seite als Wachorgane tätig waren und andererseits als Häft -<br />
linge gefangen gehalten wurden. Zwar wurde in der<br />
unmittelbaren nachkriegszeit in Polen, in den 1960er bis<br />
1980er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland und in<br />
den 1960er/1970er Jahren auch in Österreich gegen zahlreiche<br />
(mutmaßliche) Täterinnen seitens der Justiz ermit telt.<br />
Dass auch heute noch unter Umständen die möglichkeit<br />
besteht, gegen Personen, die sich an Tötungsverbrechen<br />
beteiligt haben, gerichtliche Untersuchungen anzustrengen,<br />
hat 2007/2008 der Fall Erna Wallisch bewiesen. Wallisch<br />
selbst konnte nicht mehr vor Gericht gestellt werden, da sie<br />
am 16. Februar 2008 verstarb, doch war ihre „Ent de ckung”<br />
im Zuge der „Operation Last Chance” der Anlass zur<br />
einer neuerlichen Zeuginnen-Suche in Polen.<br />
Die Zentrale österreichische Forschungsstelle nachkriegs -<br />
jus tiz führt zur Zeit ein Forschungsprojekt durch mit dem<br />
Ziel, Verlauf und Ergebnis österreichischer Gerichts ver -<br />
fahren hinsichtlich Aufklärung und Ahndung der Ver bre -<br />
chen im KZ und Vernichtungslager majdanek zu analysieren<br />
und mit den in Polen und Deutschland geführten<br />
Verfahren zu vergleichen. Außerdem soll eine eventuell<br />
noch mögliche strafgerichtliche Verfolgbarkeit von nS-Ver -<br />
brechen im KZ maj da nek eingeschätzt werden.<br />
Die Forschungsstelle nachkriegsjustiz ersucht um<br />
Unterstützung bei der Erforschung der in majdanek verübten<br />
Ver bre chen. Gesucht werden sowohl Hinweise auf<br />
von Österreicherinnen verübte Verbrechen bzw. informa -<br />
tio nen über ehemaliges österreichisches Wachpersonal im<br />
KZ majdanek, als auch Kontakte mit österreichischen<br />
Über lebenden des KZ majdanek oder material, das bei<br />
der Erforschung hilfreich sein kann.<br />
Adresse:FStn Postfach 98, A-1013 <strong>Wien</strong><br />
info @ nachkriegsjustiz.at<br />
Tel. im DÖW: (01) 228 94 69 - Durchwahl 315 oder 328<br />
Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 15
DOSSIER • STIMMUNGSBILDER INLAND<br />
VERFAS SUNGS SCHUTZBERICHT 2009<br />
Massiv steigende Zahl rassistischer<br />
Übergriffe in Österreich<br />
Der Trend einer bedenklichen deut li -<br />
chen Zunahme rechts-extremistischer<br />
Tathand lun gen wird auch im aktuellen<br />
Verfas sungs schutzbericht 2009 be -<br />
stätigt: von 2007 auf 2008 ist die Zahl<br />
rechts extremis ti scher Tat hand lungen<br />
um 21,6 Pro zent auf 451 gestiegen.<br />
Die Tat hand lun gen sind dabei bei al -<br />
len mo tiv lagen gestiegen:<br />
bei rechts ex tre mistischer motivlage<br />
von 280 auf 333,<br />
bei fremdenfeindlicher motivlage<br />
von 48 auf 56,<br />
bei antisemitischer motiv la ge<br />
von 15 auf 23,<br />
bei islamophober mo tiv lage<br />
von 2 auf 12 Tat hand lun gen.<br />
Gleichzeitig ist die Auf klärungsquote<br />
von 48,1 Pro zent im Jahr 2007 auf 43,2<br />
Pro zent im Jahr 2008 gesunken.<br />
im Jahr 2008 wurden bundesweit insgesamt<br />
835 einschlägige Anzeigen<br />
erstattet, wobei bei den Anzeigen nach<br />
dem Verbotsgesetz ein leichter Rück -<br />
gang verzeichnet werden konnte.<br />
Von den im Jahr 2008 erstatteten 835<br />
An zeigen waren 350 Personen be trof -<br />
fen. Die Palette der Tathandlun gen<br />
reichte im Jahr 2008 von via E-mail,<br />
SmS oder postalisch versandten rechts -<br />
Anzeigen Jahr 2007 Jahr 2008<br />
Verbotsgesetz 369 360<br />
Verhetzung 52 73<br />
Sonstige relevante Delikte 251 304<br />
Abzeichengesetz 14 21<br />
EGVG 66 77<br />
Summe 752 835<br />
extremen, fremdenfeindlichen/ras sis -<br />
tischen, antisemitischen und is la mo -<br />
phoben Agitationen über Verbal de lik te<br />
bis hin zu Sachbeschä digungen in<br />
Form von einschlägigen Sprüh-, Ritzbzw.<br />
Schmieraktionen und körperli -<br />
chen Übergriffen. Bei der inter net-mel -<br />
de stelle für nS-Wiederbetäti gung<br />
gin gen im Jahr 2008 insgesamt 146 in -<br />
formationen und Hinweise aus der<br />
Bevölkerung und von nGOs ein<br />
Die Anzahl der vom rechtsextremen<br />
Spek trum betriebenen internetweb -<br />
sites hat sich im Berichtsjahr weiter<br />
erhöht. Der zunehmende Einsatz von<br />
Verschlüsselungssoftware erschwerte<br />
sowohl die Beobachtung des internet,<br />
als auch die Durchführung repressiver<br />
maßnahmen im Zusammenhang<br />
mit einschlägigen inhalten.<br />
Die Gefahr der via internet verbreiteten<br />
rechtsextremen ideologie lag auch<br />
im Jahr 2008 darin, dass sich diese vor -<br />
wiegend an jugendliche Empfän -<br />
gerinnen richtete.<br />
neben dem inter net stellte die mo bil -<br />
te lefonie ein weiteres wichtiges Kom -<br />
mu nikations mit tel fürdie Szene dar.<br />
neben der mög lichkeit zur konspirativen<br />
Verab redung via SmS wurde die<br />
verstärkte nutzung von mobiltele fo -<br />
nen als internet-Zugangsmöglichkeit<br />
evident.<br />
Ver doppe lung<br />
seit 2006 (419)<br />
436 (2003) *<br />
322 (2004)<br />
406 (2005)<br />
419 (2006)<br />
* Zahlen aus parlamentarischer<br />
Anfrage be ant wor tung.<br />
OÖ. NETZW<br />
Rechtsextreme<br />
in Oberösterreich haben während der<br />
letzten monate und Wochen neonazistische,<br />
rechtsextreme und rassistische<br />
Umtriebe massiv zugenommen:<br />
im november 2008 wurde eine Wel -<br />
ser Gedenkveranstaltung zum Jah res -<br />
tag der „Reichspogromnacht“ durch<br />
Skinheads gestört.<br />
Ebenfalls im november haben engagierte<br />
Antifaschisten – darunter der<br />
Bürgermeister einer Statutarstadt und<br />
ein Landtagsabgeordneter – mord -<br />
dro hungen erhalten.<br />
im Februar 2009 wurde die KZ-Ge -<br />
denkstätte maut hau sen mit einer so -<br />
wohl juden- als auch islamfeindli chen<br />
Parole be schmiert.<br />
im märz hat in den Re doutensälen<br />
des Landestheaters ein „Freiheits kom -<br />
mers“ der zum rechtsextremen mi lieu<br />
gehörigen Bur schen schaft „Arminia<br />
Czernowitz“ stattgefunden.<br />
im April und mai woll te die „Natio-<br />
na le Volkspartei“ (NVP) – ihr Partei -<br />
pro gramm stammt zum Teil wortwörtlich<br />
aus einem Schulungstext der SS –<br />
zwei Auf mär sche in Braunau und Linz<br />
durch führen, die nach breiten Pro tes -<br />
ten verboten wurden.<br />
im mai haben jugendliche Täter bei<br />
einer Gedenkfeier im Ebensee KZ-<br />
Überlebende attackiert. Ebenfalls im<br />
mai haben sich in einem Gasthaus in<br />
Grünau Rechtsextre misten zur musik<br />
einer einschlägigen Band versammelt.<br />
im Juni wurde ein Linzer Kinder gar -<br />
ten mit der gleichen Parole be schmiert<br />
wie im Februar die KZ-Gedenkstätte<br />
mauthausen.<br />
Motivlage Jahr 2007 Jahr 2008<br />
Rechtsextremistisch 280 333<br />
Fremdenfeindlich/Rassistisch 48 56<br />
Antisemitisch 15 23<br />
Islamophob 2 12<br />
Gemischt .... 27<br />
Summe 345 451<br />
rechtsextremistische<br />
Tat hand lungen<br />
+ 21,6 Pro zent<br />
Eben falls im Juni wur de eine Ärztin<br />
afrikanischer Abstam mung in einem<br />
Lin zer Bus mit den Parolen „Abendland<br />
in Christenhand“ und „Neger raus“<br />
rassistisch angepöbelt.<br />
Derzeit sammelt die „Nationale Volks -<br />
partei“ (NVP) Unterstuẗzungsunterschriften<br />
füreine Kandidatur bei der<br />
Land tagswahl im September.<br />
16 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769
DOSSIER • STIMMUNGSBILDER INLAND<br />
ERK GEGEN RASSISMUS UND RECHTSEXTREMISMUS:<br />
und rassistische Aktivitäten in Oberösterreich<br />
Das sind nur einige Beispiele von vielen.<br />
Schon von 2007 auf 2008 ist die<br />
Zahl der Anzeigen, die in Ober ös ter -<br />
reich nach dem Verbotsgesetz erstattet<br />
wurden, von 40 auf 67 gestiegen –<br />
also um zwei Drittel.<br />
Ein wesentlicher Teil der rechtsextremen<br />
und rassistischen Aussagen und<br />
Aktivitäten, die in Oberösterreich getätigt<br />
werden, ist der FPÖ und ihren Un -<br />
terorganisationen zuzurechnen. Auch<br />
dazu einige Beispiele aus den letzten<br />
monaten und Wochen:<br />
Wie die Tageszeitung „Österreich“<br />
aufgedeckt hat, waren mehrere Funk -<br />
ti o nä re der Freiheitlichen Jugend<br />
gleichzeitig im offen rechtsextremen<br />
„Bund Freier Jugend“ (BFJ) 1 aktiv. Par -<br />
tei interne Kon sequenzen hatte das<br />
kei ne. („Ös ter reich“, 14., 16., 17., 23.<br />
und 31. Juli 2008).<br />
„Jede blonde, blauäugige Frau das heißt<br />
jede Frau mit deutscher Muttersprache –<br />
braucht drei Kinder, weil sonst holen uns<br />
die Türkinnen ein“, hat FPÖ-Lan des -<br />
obmann Lutz Weinzinger öffentlich<br />
erklärt. („OÖ. nachrichten“, 19. Sep -<br />
tem ber 2008)<br />
Auf der Liste der Freiheitlichen Ar -<br />
beit nehmer bei der oö. AK-Wahl 2009<br />
hat Harald Haas kandidiert, gleichzeitig<br />
Aktivist des offen rechtsextremen<br />
„Bundes Freier Jugend“ (BFJ). in seinem<br />
Auto wurde von der Po lizei eine<br />
schwarz-weiß-rote Fahne mit der Auf -<br />
schrift „nationaler Widerstand“ si -<br />
cher gestellt. Bemerkenswert ist eine<br />
Aus sage, die Haas vor Gericht ge macht<br />
hat: „Ich sehe keinen Unter schied zwischen<br />
BFJ und FPÖ ...“ („Ös ter reich“,<br />
26. September 2008) .<br />
Die FPÖ hat den „Freiheitskommers“<br />
der der rechtsextremen milieu zugehörigen<br />
Burschenschaft „Arminia<br />
Czer nowitz“ gegen breite Kritik aus<br />
demokratischen Organisationen verteidigt.<br />
FPÖ-Landesobmann Lutz<br />
Weinzinger war sogar Teilnehmer der<br />
Veranstaltung. Die Burschenschaft<br />
„Arminia Czernowitz“ ist mitglied<br />
der „Burschenschaftlichen Gemein -<br />
schaft“, die fürein Großdeutschland<br />
in den Grenzen vom 1. September 1939<br />
eintritt – also unter Einschluss Österreichs<br />
und der Sudetengebiete. („Ku-<br />
rier“, 28. Februar 2009).<br />
im Linzer Gemeinderat hat die FPÖ<br />
als einzige Fraktion einen Antrag ab -<br />
gelehnt, der „demokratie- und frem -<br />
denfeindliche sowie rechtsextreme<br />
Tendenzen“ verurteilt und sich für<br />
„Pluralität, Demokratie und Welt of -<br />
fenheit“ ausspricht. (Protokoll der<br />
Linzer Gemeinderatssitzung vom 12.<br />
märz 2009)<br />
„Gemischte Sorte – Zuwanderung kann<br />
tödlich sein“ ist auf einem Aufkleber<br />
des Rings Freiheitlicher Jugend zu<br />
lesen. Dennis Russell Davies, der<br />
Chefdirigent des Bruckner-Orches -<br />
ters, hat deshalb Anzeige wegen rassistischer<br />
Diskriminierung erstattet.<br />
Die FPÖ-Spitze steht vollinhaltlich<br />
hinter ihrem Parteinachwuchs.<br />
(„Kurier“, 3. und 7. April 2009)<br />
Der Ring Freiheitlicher Wirtschafts trei -<br />
bender hat eine „notgesetz ge bung“<br />
verlangt, durch die das Parlament sich<br />
selbst und die Sozialpartner für den<br />
Bereich der Arbeitswelt ausschaltet.<br />
Dieser Bruch der Bundesverfassung<br />
soll es jedem Unternehmer ermögli -<br />
chen, das Arbeitszeitgesetz und andere<br />
Arbeitnehmerrechte in seinem Be trieb<br />
außer Kraft zu setzen. Erst ei nen Tag<br />
nachdem ZiB2-moderator Armin Wolf<br />
FPÖ-Bundesobmann Heinz Christian<br />
Strache wegen des de mokratie feind li -<br />
chen Vorstoßes in Bedrängnis ge bracht<br />
hatte, distanzierte sich die FPÖ-Spit -<br />
ze. noch wenige Tage zuvor hatten<br />
die Freiheitlichen Arbeitnehmer in<br />
Oberösterreich ihre Parteikame ra den<br />
ausdrücklich verteidigt. 2 (ZiB2-Tage-<br />
buch von Armin Wolf, 16. märz 2009)<br />
FPÖ-Bundesobmann Heinz Christian<br />
Strache hat in einer Rede vor dem FPÖ-<br />
Bundesparteitag im Linzer De sign-<br />
Cen ter die Attacke auf KZ-Überlebende<br />
bei einer Gedenkfeier in Eben -<br />
see verharmlost: Die Täter seien „wirk-<br />
lich blöde Lausbuben“. man solle nicht<br />
„Atombomben auf Spatzen werfen“.<br />
(„OÖ. nachrichten“, 18. mai 2009)<br />
Auf der Liste der Linzer FPÖ fürdie<br />
Gemeinderatswahl 2009 kandidieren<br />
zwei Personen mit einer Vorge schich te<br />
in offen rechtsextremen Organisa tio -<br />
nen: Horst Rudolf Übelacker war mit -<br />
glied der deutschen „Republi ka ner“.<br />
Sebastian Ortner, der früher Se bastian<br />
Müllegger hieß, war Aktivist der neonazistischen<br />
„Volkstreuen Außer par -<br />
la mentarischen Opposi tion“. Heu te ist<br />
er Obmann der FPÖ Linz-mitte. („tips<br />
Linz“, 20. mai 2009, und „nEWS“, 4.<br />
Juni 2009).<br />
Auch in Oberösterreich wurde der<br />
FPÖ-Wahlkampf-Comic „Der blaue<br />
Pla net“ an zehntausende Jungwäh le -<br />
rin nen und Jungwähler verschickt.<br />
Der Comic – von der FPÖ aus För der -<br />
mitteln für Bildungszwecke finanziert<br />
– schürt Vorurteile gegen Zu wan de rer,<br />
stellt einen EU-Vertreter als Schwein<br />
dar und enthält sowohl den in<br />
Deutschland verbotenen Kühnengruß<br />
als auch in gleich zwei Bil dern die SS-<br />
Runen. („Kurier“, 28. mai 2009).<br />
Karl Polacek war Landesfuḧrer der we -<br />
gen nS-Wiederbetätigung verbotenen<br />
”Freiheitlichen Arbeiter par tei” in nie -<br />
dersachsen. 1992 wurde er we gen ei ner<br />
Axt-Attacke auf eine Anti fa schis tin aus<br />
Deutschland ausgewiesen. Danach<br />
gab Polacek in Oberöster reich jahrelang<br />
die Hetz schrift ‘Brau nauer Aus -<br />
guck’ heraus. Laut Doku men tationsar<br />
chiv des ös ter reichischen Wider stan -<br />
des war er auch „Organis a tor der Skin -<br />
head-Szene". Ungeachtet dessen schien<br />
Polacek ge meinsam mit anderen offenen<br />
Rechts extremisten – wie Richard<br />
Melisch 3 und Konrad Win disch 4 – als<br />
Unterstuẗzer im Personen komitee des<br />
FPÖ-Spit zen kandidaten bei der EU-<br />
Wahl, An dre as Mölzer, auf. Erst nachdem<br />
die Tages zeitung „Ku rier“ darü -<br />
ber berichtet hatte, wurde Polacek als<br />
Unterstuẗzer gestrichen. („Kurier“,<br />
28. mai 2009)<br />
Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 17
DOSSIER • STIMMUNGSBILDER INLAND<br />
Bei einer Kundgebung zum Finale<br />
des EU-Wahlkampfs, die die FPÖ auf<br />
dem Steyrer Hauptplatz abhielt, hat<br />
FPÖ-Bundesobmann Heinz Christian<br />
Strache friedliche Gegend e monstran -<br />
ten als „rote Nazis“ beschimpft. (www.<br />
rundschau.co.at, 6. Juni 2009).<br />
Bei einer weiteren Kundgebung zum<br />
Finale des EU-Wahlkampfs, die die<br />
FPÖ in der Frankenburger mehr -<br />
zweck halle abhielt, haben FPÖ-Bun -<br />
desobmann Heinz Christian Strache<br />
und FPÖ-Spitzenkandidat Andreas<br />
Mölzer ausdrücklich gegen die in<br />
Frankenburg ansässige Arigona Zo gaj<br />
und ihre Familie gehetzt. 5 („profil“, 6.<br />
Juli 2009)<br />
Diese Auflistung von rechtsextremen<br />
und rassistischen Aussagen und Akti -<br />
vitäten der FPÖ und ihrer Unteror ga -<br />
nisationen erhebt keinen Anspruch<br />
auf Vollständigkeit. Es handelt es sich<br />
nur um einige – allerdings sehr aussagekräftige<br />
– Beispiele aus den letzten<br />
monaten und Wochen, und zwar<br />
nur um Beispiele mit Oberösterreich-<br />
Bezug. Viele ähnliche Aussagen und<br />
Aktivitäten aus anderen Bundeslän -<br />
dern (etwa solche des FPÖ-national -<br />
ratspräsidenten Martin Graf oder der<br />
Grazer FPÖ-Politikerin Susanne Win -<br />
ter) wurden hier nicht berücksichtigt.<br />
Trotzdem sind die obigen Beispiele<br />
aufgrund der zeitlichen Dichte und<br />
des inhaltlichen Gewichts ausreichend,<br />
um festzustellen: Die FPÖ ist von ih -<br />
rer Propaganda und ihrem darin zum<br />
Ausdruck kommenden Gedankengut<br />
her keine bloß rechtslastige oder rechts -<br />
populistische, sondern eine eindeutig<br />
rechtsextreme Partei. Eine glaub würdi<br />
ge Abgren zung zu offen rechtsextremen<br />
Person en und Orga ni sationen<br />
findet nicht statt. Kenn zeichnend ist<br />
die Hetze gegen minder heiten und<br />
Andersden kende.<br />
mit dieser Hetze wird auch der Bo den<br />
fürneonazistische Aktivitäten aufbereitet.<br />
Deshalb kann die FPÖ, die bei<br />
Wahlen kandidiert und Stimmen er -<br />
hält, nur rein formal eine demokratische<br />
Partei genannt werden: Wer durch<br />
seine Propaganda immer wieder die<br />
menschen- und minderhei ten rechte<br />
sowie den antifaschistischen Grund -<br />
kon sens der Re pu blik (verankert vor<br />
allem im Ver bots gesetz 6 1945 und im<br />
Staatsver trag 1955) missachtet, handelt<br />
demokratiefeindlich.<br />
Es liegt an den demokratischen Par -<br />
teien, aus diesen Tatsachen den richtigen<br />
Schluss zu ziehen. 7<br />
anmerkungen:<br />
Wels, im Juli 2009<br />
1<br />
Der „Bund Freier Jugend“ (BFJ) hat sich in -<br />
zwischen auf „Junge Aktion“ umbe nannt.<br />
2<br />
Die FPÖ und die Freiheitlichen Ar beit -<br />
neh mer geben vor, Arbeitnehmer in -<br />
teressen zu vertreten. Die Wirklichkeit<br />
sieht allerdings anders aus: Während ih -<br />
rer Regierungs be teiligung (2000 – 2004)<br />
hat die FPÖ zahlreiche Belastun gen für<br />
die Arbeitnehme rin nen und Arbeitneh -<br />
mer mitbeschlossen – von der Pensions -<br />
re form über die An he bung der Rezept -<br />
ge buḧren und die Be steu erung der Un -<br />
fall rente bis zu Verschlech te rungen im<br />
Lehrlingsrecht und im Ur laubs recht der<br />
Bauarbeiter. Aber auch die ak tuellen For -<br />
derungen der FPÖ laufen auf Be las tun -<br />
gen hinaus: So verlangt sie eine „echte<br />
Privatisierung“ öffentlicher Güter, was<br />
erfahrungsgemäß zu Arbeitsplatz ab bau,<br />
schlechteren Arbeitsbedingungen und<br />
teureren Leistungen fürdie Kun din nen<br />
und Kunden führt.<br />
3<br />
Richard Melisch ist u.a. Autor der antise -<br />
mi tischen Agitationsschrift „Krisen ge biet<br />
nahost“.<br />
4<br />
Konrad Windisch, Schriftleiter der von der<br />
rechtsextremen „Arbeitsgemeinschaft für de -<br />
mokratische Politik“ (AFP) herausgegebenen<br />
Zeitschrift „Kommentare zum Zeit ge sche hen“,<br />
wurde 1996 wegen nationalsozialistischer<br />
Wiederbetätigung zu einer be ding -<br />
ten Haftstrafe von einem Jahr verurteilt.<br />
5<br />
Zitat Andreas Mölzer: „Wir sind da ja in der<br />
Heimat des Fräulein Zogaj. Ich wusste gar<br />
nicht, dass wir im Kosovo sind.“<br />
Zitat Heinz Christian Strache: „Wenn ich<br />
Bundes kanzler bin, gibt’s eine Familien zu -<br />
sam menführung – im Kosovo!“ („profil“, 6.<br />
Juli 2009)<br />
6<br />
FPÖ-Bundesobmann Heinz Christian Stra -<br />
che hat sich schon mehrfach aus drück lich<br />
für die Aufhebung des Ver bots ge set zes<br />
ausgesprochen, was eine Legali sie rung<br />
na t ionalsozialistischer Wiederbe tä ti gung<br />
bedeuten würde. (vgl. z.B. „Vorarlberger<br />
nachrichten“, 23. Februar 2007)<br />
7<br />
Der „Standard“-Journalist Hans Rauscher<br />
schreibt in einem Kommentar zur politischen<br />
Entwicklung Österreichs: „Wenn<br />
ÖVP oder SPÖ die extreme Rechte wider<br />
alle Erfahrung doch weiter als Partner<br />
sehen, statt sie energisch und einfallsreich zu<br />
bekämpfen, dann wird das in der Zerstörung<br />
des demokratischen Systems enden.“ („Der<br />
Stan dard“, 10. Juni 2009)<br />
Neonazi-Veranstaltung in Oberösterreich aufgeflogen<br />
Deutsche Skin-Veranstaltung als Geburtstagsfeier getarnt<br />
Ein im Bezirk Braunau als Geburtstags- bzw. Hochzeitsfeier getarntes neo -<br />
nazi-Konzert konnte von den Sicherheitsbehörden vorzeitig aufgelöst werden.<br />
Das berichtete die Sicherheitsdirektion in einer Presseaussendung . Bis<br />
zu 200 Skinheads ausschließlich aus Deutschland und der Schweiz hätten<br />
der Veranstaltung auf oberösterreichischem Boden beiwohnen sollen.<br />
Zwei Personen seien an einen Gastwirt herangetreten und hätten die Veran -<br />
stal tung als Geburtstags- und Hochzeitsfeier bei einem Gastwirten bekannt -<br />
gegeben. Dieser habe daraufhin seinen Festsaal zur Verfügung gestellt.<br />
Über den namen der bei der Feier auftretenden musikband sei die Polizei<br />
schließlich der ganzen Sache auf die Spur gekommen, so der oberösterreichische<br />
Sicherheitsdirektor Alois Lißl. Die Band aus der Schweiz war den<br />
Be hörden als Vertreter rechtsextremer musik bekannt, deren Liedertexte<br />
rechtsradikales Gedankengut verbreiten. Schon des Öfteren waren die mu -<br />
si ker bei Veranstaltungen in Deutschland diesbezüglich aufgefallen. „Wir<br />
haben in Zusammenarbeit mit der bayrischen Polizei sehr kurzfristig von der Veran -<br />
stal tung erfahren”, sagte Lißl. Dennoch habe man alle nötigen Recherchen<br />
zeitgerecht abschließen und die nötigen Schritte gegen die Veranstalter aus<br />
der Schweizer „Hammerskin-Bewegung” setzen können. So erteilte die Be zirks -<br />
hauptmannschaft allen Teilnehmern ein Platzverbot und ordnete zudem die<br />
Auflösung der Feier an. „Wir konnten damit die Veranstaltung noch unterbinden,<br />
bevor irgendwelche straffälligen Tatbestände aufgetreten sind”, so Lißl. Fest nah men<br />
gab es damit keine, betonte der Sicherheitsdirektor. Die ausschließlich aus<br />
Deutschland und der Schweiz stammenden Skins verließen daraufhin ohne<br />
Zwischenfälle das Lokal und zogen Richtung bayrische Grenze wieder ab.<br />
18 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769
DOSSIER • STIMMUNGSBILDER INLAND<br />
Seit Wochen online und von den<br />
zuständigen Stellen unkommentiert:<br />
neonazistisches Internetforum<br />
www.alpen-donau.info<br />
Diese irreführende Meldung erhält man nur für die IP-Adresse der IKG:<br />
Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung: Wenn Sie auf einer Web-Seite oder in<br />
ei ner News-Group Beiträge mit neonazistischen, rassistischen und antisemitischen Inhal ten vorfinden,<br />
mel den Sie bitte Ihre Wahrneh mung der MELDESTELLE für NS-WIEDERBE TÄTI GUNG. Ihre Angaben<br />
werden auf Wunsch vertraulich behandelt. Selbstverständlich können Sie auch bei jeder Poli zei diens t stelle<br />
eine Anzeige wegen Verdachtes der NS-Wiederbetätigung er statten.<br />
Bun des ministerium für Inneres Generaldirektion für die öffentliche Sicher heit Bundesamt für Ver fas -<br />
sungs schutz und Terrorismusbekämpfung Herrengasse 7 A-1014 <strong>Wien</strong> ns-wiederbetaetigung@mail.bmi.gv.at<br />
Von jedem anderen Computer hat man Zugang auf die verhetzenden Tex te –<br />
von „Stänkerjude” bis „ ... der Holocaust ist ein dämonisch genialer Teu fels kreis,<br />
der nur von allen auf einmal, aber nie von einzelnen Mutigen zerstört werden<br />
kann ...”<br />
red<br />
Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 19
POLITIK • AUSLAND<br />
©UNiesert/Creative Commons<br />
Der Kölner Schriftsteller Ralph Gior da no<br />
protestiert „aufs Schärfste“ gegen die<br />
Ver leihung des Bundesverdienst kreu -<br />
zes an die in Tübingen lebende israelische<br />
Anwältin und „menschen rechts -<br />
aktivisten“ Felicia Langer. Ein ebenso<br />
geehrter israelischer Reisefüh rer, Mot -<br />
ke Schomrat, hat angekündigt, dass er<br />
mit Pressebegleitung demonstrativ<br />
sein Bundesverdienstkreuz bei der<br />
deut schen Botschaft in Tel Aviv zu rück -<br />
geben wolle. Deidre Berger, Di rek to rin<br />
der Vertretung des Ame rican Je wish<br />
Com mittee in Berlin, wolle ebenfalls<br />
ihr Bundesverdienst kreuz ab ge ben,<br />
aus Protest gegen den Beschluss von<br />
Bun despräsident Horst Köhler, die<br />
„isra el-Kritikerin“ Langer zu eh ren.<br />
Per Fax schrieb Giordano an einige Be -<br />
kannte, dass die Ehrung Langers ihn<br />
in „einen schweren Konflikt“ stürze.<br />
„Niemand hat in den letzten 25 Jahren mit<br />
einer an Blindheit grenzenden Ein sei tig -<br />
keit Israel mehr geschadet, als diese ange b -<br />
liche Menschenrechtsan wäl tin; niemand<br />
ist jener verbreiteten Gesinnung, sich vom<br />
eigenen Schulddruck durch Kri tik an Isra -<br />
el zu entlasten, so weit entge gen gekom men,<br />
wie sie; niemand hat die ,,P a thologie der<br />
Umarmung” - ,,Hier die bö sen Israeli - da<br />
die guten Palästi nen ser” - so konsequent<br />
durchgehalten wie diese schrillste Anti-<br />
Is r ael-Fanfare in Deutsch land“, schreibt<br />
Giordano.<br />
Folgt man der Schule Felicitas Lan gers,<br />
so Giordano weiter in seinem Brief,<br />
finde der nahostkonflikt in ei nem<br />
qua si luftleeren Raum statt, einem re -<br />
gionalen Vakuum, ohne feindliche<br />
Umwelt. Die Lebensleis tung der mul -<br />
ti plikatorin Felicia Lan ger besteht in<br />
der notorischen Täuschung ihres Pu -<br />
bli kums über Totalität und Kausalität<br />
des nahostkonfliktes. „Was mich in die -<br />
ser inzwischen bereits ei ne Ge neration<br />
an dauernden Fehde im mer am tiefsten<br />
entsetzt hat, ist Feli ci tas Langers unverbergbare<br />
innere Bezie hungs losigkeit zur<br />
Welt der israelischen Op fer.“<br />
Der 74 Jahre alte israelische Reisefüh -<br />
Die schrillste Anti-Israel-<br />
Fanfare in Deutschland<br />
Empörung um Felicia Langers<br />
Auszeichnung<br />
ULRICH W. SAHM<br />
rer Motke Shomrat sagte im Ge spräch,<br />
dass die Ehrung Langers, die in israel<br />
bis 1990 die schlimmsten palästinensischen<br />
Terroristen vor Gericht ver trat<br />
und auch in der Öffentlichkeit für sie<br />
Par tei ergriff, sei „eine Schande für die<br />
Bundesrepublik.”<br />
Shomrat hatte das Bundesver dienst -<br />
kreuz 1995 für seine „Verdienste für die<br />
Versöhnung zwischen dem jüdischen und<br />
deutschen Volk“ vom damaligen Bun -<br />
des präsidenten Roman Herzog verlie -<br />
hen bekommen. „Es ist mir unbegreifbar,<br />
dass die Bundesrepublik sich von ih rer<br />
Nazi Vergangenheit befreien will und<br />
gleich zeitig eine Jüdin auszeichnet, die den<br />
heutigen neuen Hitler (Ahmadine djad)<br />
stützt, der zur Vernichtung des Staates Is -<br />
rael aufruft“, sagt Shomrat, der aus<br />
Köln stammt, in einem Kloster nahe<br />
dem belgischen Ort Dimant und später<br />
im KZ mechlen in Belgien den Krieg<br />
überlebt habe. Sein Vater sei im KZ-Da -<br />
chau am Tag der Befreiung gestorben.<br />
Ein offenes Protestschreiben verbreitete<br />
auch Pastor Albrecht Lohrbächer, Vor -<br />
sit zender des Freundeskreis Wein heim-<br />
Ramat Gan und des Freun des kreises<br />
Kirche und israel in Baden. Der Brief<br />
war an Staatssekretär Hu bert Wicker<br />
gerichtet, der in Stuttgart Lan ger das<br />
Bundesverdienstkreuz überreicht hat,<br />
für ihr „Jahrzehntelanges, he rausragen -<br />
des Engagement für Frieden, Gerechtig -<br />
keit und Wahrung der Men schen rechte.“<br />
Lohrbächer schrieb: „Ich war bisher stolz<br />
auf die klare Linie unserer Kanz le rin in<br />
Sachen Israel, ihre Reden und bisherigen<br />
Verhaltensweisen sind beispielhaft. Mit der<br />
Verleihung und der Laudatio schlagen Sie<br />
ihr ins Gesicht und stellen sie als Lüg ne rin<br />
dar - das muss ich so scharf sagen, weil al -<br />
les, was Langer seit Jahren sagt und tut,<br />
ge gen den Staat Israel gerichtet ist und<br />
Is rael delegitimiert.“ Der Pastor fragt den<br />
Staatssekretär aus Baden-Würt tem -<br />
berg: „Ist es Ihr Ziel, dazu beizutragen,<br />
dass Israel endlich beseitigt wird? An ders<br />
kann man Ihr Tun und Reden nicht interpretieren.<br />
Es ist eine wahre Schande!“<br />
US-Neonazis mit Partnerschaft<br />
für Autobahnabschnitt<br />
mit einer initiative zur Sauberhal tung<br />
der Autobahnen hat sich der US-Staat<br />
missouri massive Probleme aufgehalst.<br />
Um eine Patenschaft für einen<br />
Highway-Abschnitt in Springfield be -<br />
warb sich auch die dortige Vertre tung<br />
der nS-Organisation Nationalist So cia -<br />
list Movement. Und nach einem Urteil<br />
des Obersten Gerichtshofs von 2005<br />
darf keiner Organisation aus politischen<br />
Gründen die Teilnahme an ei -<br />
nem „Adopt-A-Highway”-Pro gramm<br />
verwehrt werden.<br />
So kennzeichnen zwei Tafeln jetzt ei -<br />
nen 800 meter langen Abschnitt des<br />
Highway 160 bei Springfield, in dem<br />
die neonazis sich verpflichtet haben,<br />
die Straßenränder von müll zu säubern.<br />
Die Beteiligung an dem Pro -<br />
gramm sei das gute Recht der Orga -<br />
ni sation, sagt Rabbiner Alan Cohen<br />
vom Ausschuss für Beziehungen zur<br />
Jüdischen Gemeinde in Kansas City.<br />
„Aber offenkundig gibt es Leute, die Be -<br />
denken äußern, dass Autofahrern damit<br />
eine falsche Botschaft vermittelt wird.”<br />
Jetzt soll dieser Abschnitt der Au to -<br />
bahn nach Abraham Joshua Heschel be -<br />
nannt werden, einem Rabbiner, der<br />
im Zweiten Weltkrieg nur knapp den<br />
nazis entkam und sich in den USA<br />
der Bürgerrechtsbewegung um mar tin<br />
Luther King anschloss. Eine entsprechende<br />
Bestimmung wurde an ein<br />
Ver kehrsgesetz angefügt, das bereits<br />
vom Parlament von missouri verabschiedet<br />
wurde.<br />
Aber die idee der Umbenennung wird<br />
von Heschels Tochter scharf kritisiert.<br />
„Ich will nicht, dass Nazis auf einer nach<br />
meinem Vater benannten Straße marschieren”,<br />
sagt Susannah Heschel, die<br />
am Dartmouth College Geschichte<br />
des Judentums lehrt. „Das ist ein Af -<br />
front für die Würde meines Vaters, seinen<br />
Namen an eine Neonazi-Autobahn anzubringen.”<br />
Sie erkenne zwar die gute<br />
Ab sicht, denke aber nicht, dass dies<br />
der richtige Weg sei. Die neonazis in<br />
missouri kritisierten die geplante Um -<br />
benennung auf ihrer Website als<br />
„schwa chen Versuch, die nationalsozialistische<br />
Umweltschutzpolitik zu beleidigen”.<br />
Der Gouverneur des US-Staats<br />
muss bis mitte Juli entscheiden, ob er<br />
das Gesetz mit der Straßenumbe nen -<br />
nung unterzeichnet oder mit seinem<br />
Veto stoppt.<br />
APA<br />
20 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769
POLITIK • ANTISEMITISCHES<br />
Migranten keine Wohnungen vermieten<br />
- Ein Politiker der Lega nord einer klei -<br />
nen Gemeinde in der nähe der lombardischen<br />
Stadt Varese sorgte für ei -<br />
nen Eklat. Cristiano Borghi appellierte<br />
an die Einwohner seiner Gemeinde<br />
Gerenzano, keine Wohnungen an Aus -<br />
länder zu vermieten oder zu verkaufen.<br />
„Wer unsere Gemeinde liebt, verkauft<br />
und vermietet keine Wohnungen an<br />
Migranten. Ansonsten werden wir eine<br />
Ausländerinvasion erleben und Angst<br />
haben, auf die Straße zu gehen”, erklärte<br />
der Politiker.<br />
Flüchtlingsboote versenken - Der rechts -<br />
extreme britische Euro pa abgeordnete<br />
Nick Griffin hat sich für das Versenken<br />
von Booten mit afrikanischen Flücht -<br />
lin gen ausgesprochen. nur drastische<br />
maßnahmen könnten Europa davor<br />
bewahren, „von der Dritten Welt überschwemmt”<br />
zu werden, sagte der EU-<br />
Abgeordnete der rechtsextremen Par tei<br />
BnP dem Rund funksender BBC. nur<br />
durch einen „sehr harschen” Umgang<br />
mit jenen, die nach Europa zu gelangen<br />
versuchten, könne verhindert werden,<br />
dass men schen aus Afrika illegal einwanderten:<br />
„Ganz ehrlich, sie müssen<br />
eine ganze Reihe dieser Boote versenken.”<br />
Auf den Hinweis, es handle sich da -<br />
bei um eine Art „Mord auf hoher See”,<br />
sagte Grif fin, es gehe ihm nicht um<br />
mord auf ho her See, sondern um das<br />
Versen ken der Boote: „Sie können ih -<br />
nen ja ein Ret tungsfloß zuwerfen, dann<br />
können sie zu rück nach Libyen.”<br />
Jüdischer Friedhof in Griechenland ge -<br />
schändet - Unbekannte haben einen<br />
jüdischen Friedhof in der nordwestgriechischen<br />
Provinzhauptstadt Ioan -<br />
nina geschändet. Wie der Rundfunk<br />
berichtete, sei en mehrere Grabsteine<br />
zer stört worden. Die Täter be schmier -<br />
ten zu dem die Gräber mit dem Blut<br />
einer Schildkröte, die sie dort fanden<br />
und töteten. Jüdische Gräber waren<br />
in ioann ina bereits im Januar und märz<br />
dieses Jahres beschädigt worden.<br />
Über die Hintergründe und Täter lag<br />
zunächst nichts vor. Juden leben in<br />
io annina seit mehr als 2000 Jahren.<br />
Während der deutschen Besetzung<br />
wur den 1944 knapp 2.000 Juden aus<br />
ioannina deportiert und ermordet.<br />
Heute zählt die jüdische Gemeinde in<br />
ioannina nur noch etwa zwei Dut -<br />
zend mitglieder.<br />
Jüdischer Friedhof in Oslo geschändet -<br />
Un bekannte haben einen jüdischen<br />
Rumänischer Bürgermeister<br />
in „Nazi-Uniform” am Laufsteg<br />
Weil er in einer nazi-Uniform auf ei -<br />
ner modeschau aufgetreten sein soll,<br />
ist der Bürgermeister der rumänischen<br />
Hafenstadt Constanta heftig<br />
kritisiert worden.<br />
Die rumänische Organisa tion mCA,<br />
die sich der Bekämpfung von Anti -<br />
se mitismus verschrieben hat, forderte<br />
die Staatsanwaltschaft auf, Er mitt -<br />
lun gen gegen Bürgermeister Radu<br />
Ma zare einzuleiten, wie die Organisa -<br />
t ion am mitteilte. Das Ver halten des<br />
Bürger meis ters sei „un ver antwort -<br />
lich” und dürfe nicht akzeptiert werden.<br />
Zu dem verstoße der Auftritt ge -<br />
gen ru mä nisches Recht, das die<br />
nutzung fa schis ti scher und rassistischer<br />
Sym bo le verbiete. mehrere Zei -<br />
Friedhof in Oslo mit Hakenkreuzen<br />
und anderen Schmierereien geschändet.<br />
Wie der Rundfunksender nRK<br />
berichtete, stand auf einem der Grab -<br />
steine „Der Krieg ist nicht vorbei”.<br />
Synagoge in Pecs beschädigt - Unbe -<br />
kann te Täter haben die Synago ge in<br />
der südungarischen Stadt Pecs (Fünf-<br />
kirchen) beschädigt.<br />
Schweinegrippe - Es ist eine Konstante<br />
©Reuters<br />
tungen ver öffentlichten Bilder von<br />
dem in Uniform im Stechschritt über<br />
den Laufsteg marschierenden ma za -<br />
re. Sie kritisierten ihn als „Paradenazi”<br />
und „Küsten-Hitler.<br />
Der Politiker wies die Vorwürfe zu -<br />
rück. Seine Uniform sei die eines<br />
Wehr macht-Generals ge wesen und<br />
von dem Film „Operation Walküre”<br />
inspiriert gewesen, so der Bür ger -<br />
mei s ter. Es befänden sich keine na zi-<br />
Symbole auf der Uniform. „Ich fand<br />
diese Uniform sehr schön und habe im mer<br />
die rigorose Or ga ni sation der deut schen<br />
Armee bewundert”, sagte mazare der<br />
Zeitung. Das Simon Wiesenthal-Zen -<br />
trum in Jerusalem hat seinen Rück -<br />
tritt gefordert.<br />
des arabischen und muslimischen An -<br />
tisemitismus, die Juden und den „Zio -<br />
nisten“ für alles Übel auf der Welt<br />
ver antwortlich zu machen.<br />
nach der Ver breitung von AiDS und<br />
den An schlägen vom 11. September<br />
wird ih nen von der islamistischen<br />
Hass in dus trie nun auch die Schuld<br />
an der Schwei negrippe zugewiesen.<br />
http://www.terrorism-info.org.il/malam_<br />
multimedia/English/eng_n/html/as_e004.htm<br />
Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 21
POLITIK • NS-ZEIT<br />
ANKLAGE GEGEN<br />
DEMJANJUK<br />
SS-Ausweis<br />
als Hauptbeweis<br />
Ein SS-Ausweis mit der nummer<br />
1393 gilt als Hauptbeweismittel ge gen<br />
John Demjanjuk. „Abkommandiert am<br />
27.3.43 Sobibor” ist handschriftlich<br />
darauf notiert. nach monatelangem<br />
Tauziehen hat die Staatsanwaltschaft<br />
münchen i Anklage gegen Demjan juk<br />
wegen Beihilfe zum mord an 27.900<br />
Juden im Vernichtungslager Sobibor<br />
erhoben. Der inzwischen 89-Jährige<br />
sei 1943 als Wachmann direkt am<br />
massenmord der nazis beteiligt ge -<br />
we sen, sagt Oberstaatsanwalt Anton<br />
Winkler. Denn Sobibor war ein reines<br />
Vernichtungslager - wer hier arbeitete,<br />
hatte keine andere Aufgabe, als bei<br />
der Ermordung der aus verschiedenen<br />
Ländern eintreffenden männer,<br />
Frauen und Kinder zu helfen.<br />
©EPA/Uwe Zucchi<br />
Das Simon-Wiesenthal-Zentrum hat te<br />
Dem janjuk an die erste Stelle der zehn<br />
meistgesuchten nazi-Verbrecher ge -<br />
setzt und begrüßt nun die Anklage.<br />
„Das Verfahren sendet ein sehr starkes<br />
Sig nal, dass das Verstreichen von Zeit in<br />
keiner Weise die Schuld der Mörder vermindert”,<br />
sagte der Leiter Efraim Zu roff.<br />
Demjanjuk selbst schweigt zu den<br />
Vor würfen der 86 Seiten starken An -<br />
kla geschrift.<br />
Der gebürtige Ukrainer war im mai<br />
von den USA nach Deutschland ab -<br />
geschoben worden und ist seitdem in<br />
der Krankenabteilung des Unter su -<br />
chungsgefängnisses Stadelheim un ter -<br />
gebracht. Ein Prozessbeginn wird<br />
nicht vor Herbst erwartet. Demjan juks<br />
münchner Anwalt Günther maull<br />
spricht von frühestens Ende Sep tem -<br />
ber, andere Juristen glauben, dass es<br />
noch länger dauern wird. Der Pro zess<br />
selbst könnte sich lange hinziehen.<br />
Ge gen den gesundheitlich angeschlagenen<br />
Senior, der an einer nierener -<br />
kran kung, einer Vorstufe zur Leu kä -<br />
mie sowie Rheuma und Gicht leiden<br />
soll, darf nicht länger als zweimal 90<br />
minuten pro Tag verhandelt werden.<br />
Da er wenig Deutsch spricht, muss die<br />
Verhandlung wahrscheinlich übersetzt<br />
werden - und wenn er weiter schweigt,<br />
steht ein langwieriger indizien pro -<br />
zess bevor.<br />
Der Ukrainer arbeitete als Traktorfah -<br />
rer auf einer Kolchose, als er 1940 als<br />
20-Jähriger von der Roten Armee eingezogen<br />
wird. 1942 gerät er in deutsche<br />
Gefangenschaft, in der millio -<br />
nen sowjetische Gefangene ster ben.<br />
22 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769
POLITIK • NS-ZEIT<br />
Vor die Wahl gestellt, nimmt er offenbar<br />
das Angebot an, mit den Deut -<br />
schen zusammenzuarbeiten und lässt<br />
sich im SS-Ausbildungslager Traw ni -<br />
ki ausbilden. Zuerst soll er auf einem<br />
landwirtschaftlichen Gut jüdische<br />
Zwangsarbeiter bewacht und dann in<br />
Sobibor sowie im KZ Flos senbürg im<br />
Einsatz gewesen sein. nach dem Krieg<br />
meldet sich Dem janjuk als sogenannte<br />
„Displaced Person” und damit<br />
praktisch als nazi-Opfer - als ehemaliger<br />
sowjeti scher Kriegsgefangener<br />
kann er 1952 in die USA ausreisen und<br />
arbeitet dort als Autome chaniker.<br />
Als Zeugen vor Gericht sollen unter<br />
anderem ein anderer Ukrainer und<br />
Ex-Trawniki sowie einer der letzten<br />
Überlebenden aus Sobibor, Thomas<br />
Blatt, aussagen. Der 82-jährige Blatt<br />
will als nebenkläger auftreten: Seine<br />
Eltern und sein kleiner Bruder starben<br />
in den Gaskammern Sobibors, als<br />
Demjanjuk Wachmann gewesen sein<br />
soll. „Er war in Sobibor - damit war er<br />
ein Mörder, ohne Frage”, sagte Blatt im<br />
mai nach Demjanjuks Ankunft in<br />
münchen der dpa. „Vielleicht hat er<br />
nicht mit seiner Hand gemordet, aber er hat<br />
die Leute in die Gaskammern getrieben.”<br />
Bereits 1988 war Demjanjuk in israel<br />
als „Iwan der Schreckliche” im Ver nich -<br />
tungslager Treblinka zum Tode verurteilt<br />
worden. Fünf Jahre saß er in<br />
der Todeszelle, bis 1993 das Urteil<br />
aufgehoben wurde - er war tatsächlich<br />
verwechselt worden. nach insgesamt<br />
siebenjähriger Haft kehrt er in<br />
die USA zurück. Für manchen unerklärlich<br />
bleibt, warum Demjanjuks<br />
mögliche nS-Vergangenheit in Sobi -<br />
bor so lange unentdeckt blieb. Bei seiner<br />
Einreise in die USA soll er auf<br />
Papieren „Sobibor” als einen seiner<br />
Aufenthaltsorte angegeben haben.<br />
Und der Dienstausweis, der nun als<br />
Hauptbeweis gilt, lag den Behörden<br />
schon seit Ende der 1970er Jahre vor.<br />
Es gab freilich immer wieder Dis kus -<br />
0sionen um die Echtheit. Zu letzt stufte<br />
das Bayerische Landeskri minalamt<br />
das Papier als echt ein.<br />
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Skandalöse VIP Betreuung<br />
für mutmaßlichen NS Täter<br />
Der vor wenigen monaten aus den<br />
USA nach Österreich abgeschobene<br />
Josias Kumpf war mitglied der SS-To -<br />
tenkopfdivision und KZ-Wächter im<br />
Lager Trawniki. in Österreich wurde<br />
für ihn in <strong>Wien</strong> eine 1000 Euro-Woh -<br />
nung in bester Lage gemietet und<br />
eine 24-Stunden-Pflege organisiert.<br />
Es liegen konkrete Hinweise vor, dass<br />
österreichische Behörden diese ViP<br />
Be treuung veranlasst haben. Die Spu -<br />
ren führen nach Vorarlberg und ins<br />
innenministerium. Seit die Sache be -<br />
kannt geworden ist, sind alle auf<br />
Tauch station. „Das ganze ist skandalös,<br />
wenn man weiß, was im Vergleich Asyl -<br />
werberInnen in Österreich erhalten. Wa -<br />
rum haben sich österreichische Be hör den<br />
so intensiv um einen ehemaligen KZ Wäch -<br />
ter bemüht?" rätselt Albert Stein hauser,<br />
Der ‘Corriere della Sera’ hat sich<br />
kürz lich mit der in Oberösterreich und<br />
auch darüber hinaus durchaus be -<br />
kannten Tatsache befasst, dass das<br />
monumentale Grab eines Abtes des<br />
Stift es Lambach aus den 19. Jahr hun -<br />
dert von einer goldenen Hakenkreuz-<br />
Darstellung geziert wird. Da Adolf<br />
Hitler sein drittes Volks schuljahr<br />
1897/98 in der oberösterreichischen<br />
Stiftsschule verbrachte, läge die Ver -<br />
mutung nahe, die Darstellung hätte<br />
den späteren Führer bei der Wahl seines<br />
Erkennungszeichens - jedenfalls<br />
indirekt - inspiriert. Das schrieb der<br />
italienische Schriftsteller und Journa -<br />
list Vittorio Messori in der Online-Aus -<br />
gabe des italienischen Blattes. „Für<br />
sein Wappen hat der Abt damals ein Ha -<br />
kenkreuz gewählt, vielleicht weil es Zei -<br />
chen des Zu sam men tref fens von christli -<br />
cher Tradition und jener anderer Weltre -<br />
li gionen ist", schrieb messori in seinem<br />
Beitrag. Das Kreuz mit den abgewinkelten<br />
Ecken sei seit prähistorischer<br />
Zeit ein heiliges Zeichen auf allen<br />
Kontinenten gewesen.<br />
Adolf Hitler selbst gab niemals einen<br />
Hin weis darauf, während seines einjährigen<br />
Aufenthalts von der Dar stel -<br />
lung im Stift Lambach bei der Wahl<br />
seines Erkennungszeichens inspiriert<br />
worden zu sein. Es gebe aber zwei Epi -<br />
soden, die laut messori „zu denken<br />
Justizsprecher der Grünen, über die<br />
mo tivlage der Behörden.<br />
„Während heute in München die Staats -<br />
an waltschaft den mutmaßlichen NS-Ver -<br />
brecher John Demjanjuk wegen Beihilfe<br />
zum Mord in 27.900 Fällen angeklagt hat,<br />
zeigt das österreichische Innen mi nis terium<br />
wenig Interesse, im Fall Kumpf tä tig<br />
zu werden. Dieser "österreichische" Um -<br />
gang mit mutmaßlichen ehemaligen<br />
Kriegs verbrechern ist unerträglich", so<br />
Stein hauser. innenministerin Fekter<br />
und das Land Vorarlberg sind jetzt ge -<br />
fordert den Sachverhalt restlos aufzuklären.<br />
Eine umfassende parlamentarische<br />
Anfrage zwingt das in nen mi nis te -<br />
rium den Fall offen zu legen. Für Fek -<br />
ter gelte „leugnen ist zwecklos”, zu vie -<br />
le Details seien bekannt und belegbar.<br />
Stift Lambach inspirierte Hitlers Hakenkreuz<br />
geben”: nach dem Anschluss Österreichs<br />
1938 stattete Hitler, trotz tausenderlei<br />
anderer Verpflichtungen,<br />
dem Stift Lambach einen Besuch ab<br />
und verweilte vor dem Grabmal in der<br />
klösterlichen Sakristei. Und weiters:<br />
Wie zuvor in Deutschland hätten die<br />
nazis sofort nach dem Anschluss auch<br />
in Österreich die Klöster geschlossen<br />
- mit Ausnahme des Stiftes Lambach,<br />
dessen mönche erst im Jahr 1942 den<br />
Ort verlassen mussten. Schließlich<br />
bringt messori auch die vier Buch sta -<br />
ben rund um die Lambacher Darstel -<br />
lung in Verbindung mit Hitlers Ha ken -<br />
kreuz auf der Fassade der Räum lich -<br />
kei ten der Kanzlei in Berlin: in Lam -<br />
bach sind die vier Buchstaben T.H.A.L.<br />
rund um das Hakenkreuz angeordnet,<br />
sie stehen für „Theoderic Hagn<br />
Abt (von) Lambach”. Ebenso beinhalten<br />
sie aber die initialen Hitlers H. und<br />
A., die Hitler in der Berliner Reichs -<br />
kanzlei in ähnlicher Weise angebracht<br />
habe, so messori.<br />
Das fraglich Grab des Abtes in der Sa -<br />
kristei ist für Besucher nicht zu gäng -<br />
lich. „Im Endeffekt haben die Mön che<br />
beschlossen, den Zugang zu verbieten, um<br />
eine spezielle Art von Pilgerschaft zu<br />
unterbinden: Wohin auch immer Neugie -<br />
ri ge kommen, dorthin kommen auch, so<br />
scheint es, unheimliche Nostalgiker und<br />
gefährliche Verrückte”, so messori.<br />
Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 23
POLITIK • ISRAEL<br />
ZU DEN<br />
NEUEN<br />
VORWÜRFEN<br />
GEGEN DIE<br />
ISRAELISCHE<br />
ARMEE<br />
Die israelische Armee nimmt zu dem veröffentlichten<br />
Bericht der Men schen rechts -<br />
organisation „Das Schweigen brechen“<br />
über das Verhalten von Sol daten während<br />
der Militäropera tion im Gaza-Strei fen<br />
wie folgt Stellung:<br />
Der Sprecher der israelischen Ver tei -<br />
digungsstreitkräfte (ZAHAL) bedauert<br />
die Tatsache, dass noch eine weitere<br />
menschenrechtsorganisation israel<br />
und der Welt einen Bericht präsentiert,<br />
der auf anonymen und pauschalen<br />
Aus sagen basiert, die weder auf Ein -<br />
zelheiten noch Glaubwürdigkeit hin<br />
untersucht wurden.<br />
Zudem hat die Organisation den is ra -<br />
elischen Verteidigungsstreit kräf ten<br />
den minimalen Anstand verweigert,<br />
ihnen den Bericht vorzulegen und so -<br />
mit zu erlauben, die Aussagen vor sei -<br />
ner Veröffentlichung zu prüfen. Dies<br />
geschah unter Verleumdung der isra -<br />
elischen Verteidigungsstreitkräfte und<br />
ihrer Kommandanten.<br />
Um sicher zu gehen, dass die Be haup -<br />
tungen, die in diesen Zeugenaussa gen<br />
aufgestellt wurden, in korrekter Wei se<br />
behandelt werden, sollte die Organi -<br />
sation „Das Schweigen brechen“ diejenigen,<br />
die sie aufgestellt haben, da zu<br />
anhalten, wirklich ihr „Schweigen zu<br />
brechen“ und den israelischen Ver tei -<br />
digungsstreitkräften spezifische Be -<br />
schwer den vorzulegen, statt sich hinter<br />
pauschalen und anonymen Äußerungen<br />
zu verschanzen.<br />
Einige der der Zeugenaussagen des<br />
Be richts wurden den israelischen Ver -<br />
teidigungsstreitkräften durch die me -<br />
di en bekannt gemacht, wonach sie<br />
der militärgeneralanwalt einer vorläufigen<br />
Prüfung unterzogen hat. So<br />
wie es auch bei den Zeugenaussagen,<br />
die vor einigen monaten an der Ra binmilitärakademie<br />
gemacht wurden,<br />
der Fall ist, beruht eine beträchtliche<br />
An zahl der Zeugenaussagen in diesem<br />
Bericht auf Hörensagen und münd li -<br />
cher Überlieferung. Die meisten der<br />
Aus sagen sind anonym und lassen<br />
identifizierende Details vermissen,<br />
die es den israelischen Verteidigungs -<br />
streitkräften erlauben würden, sie zu<br />
prüfen, zu bestätigen oder zurückzuweisen.<br />
Die israelischen Verteidigungsstreit -<br />
kräf te haben die Operation Gegossenes<br />
Blei nach acht Jahren kontinuierlichen<br />
Raketenbeschusses auf Gemeinden in<br />
Südisrael begonnen, der das All tags -<br />
le ben dort schwerwiegend beeinträchtigt<br />
hat. Während der Operation<br />
haben die israelischen Verteidigungs -<br />
streit kräfte die Terrororganisation<br />
Ha mas erfolgreich bekämpft und da -<br />
durch israels Abschreckungskraft er -<br />
höht und die Sicherheit in dem Gebiet<br />
wiederhergestellt.<br />
Die Entscheidung der Organisation<br />
„Das Schweigen brechen“, derartige<br />
Zeugenaussagen zu veröffentlichen,<br />
er weckt Zweifel, ob die Organisation<br />
wirk lich eine glaubwürdige und ernst -<br />
hafte Untersuchung der aufgestellten<br />
Behauptungen wünscht, wie es innerhalb<br />
der israelischen Verteidigungs -<br />
streit kräfte norm ist. Wir bedauern,<br />
dass dies nicht das erste mal ist, dass<br />
die Organisation in dieser Weise<br />
agiert hat.<br />
Die israelischen Vertei digungsstreit -<br />
kräf te sind verpflichtet, jeder ihr be -<br />
kannt gewordener Behauptung, die<br />
durch Fakten gestützt ist, nachzugehen,<br />
so wie es unmittelbar im An -<br />
schluss an die Operation Gegossenes<br />
24 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769
POLITIK • ISRAEL<br />
Blei geschehen ist. Auf Befehl von Ge -<br />
ne ralstabschef Generalleutnant Gabi<br />
Ash kenazi wurden fünf Unter su chun -<br />
gen von Spezialisten auf diesem Ge -<br />
biet zu verschiedenen Aspekten der<br />
Operation, einschließlich spezifischer<br />
Vorfälle, durchgefuḧrt. Zusätzlich<br />
un tersuchen die israelischen Vertei di -<br />
gungsstreitkräfte andere Vorfälle, die<br />
sich auf individuelle Behauptungen<br />
beziehen. Wie bereits veröffentlicht<br />
wor den ist, hat die militärpolizei in<br />
zahlreichen dieser Fälle Ermittlungen<br />
aufgenommen.<br />
Die israelischen Verteidigungsstreit -<br />
kräfte erwarten von jedem Soldaten<br />
und Kommandanten, die das Gefühl<br />
haben, eine Verletzung der Befehle<br />
und Vorschriften erlebt zu haben, sich<br />
mit allen diesbezüglichen Fakten an<br />
die zuständigen Behörden zu wenden,<br />
dies gemäß ihren rechtlichen und mo -<br />
ralischen Verpflichtungen. Diese<br />
Pflicht ist umso wichtiger, wo die vermuteten<br />
Rechtsverletzungen nicht -<br />
kom battanten Schaden zugefügt ha -<br />
ben. Dieser Grad an Professiona li tät<br />
und integrität sollte von jeder Ein rich -<br />
tung, Organisation oder Vereini gung<br />
erwartet werden.<br />
Die israelischen Verteidigungs streit -<br />
kräfte sind der gründlichen Unter su -<br />
chung aller Behauptungen verpflichtet,<br />
wenn ausreichend informationen<br />
dafürvorliegen.<br />
Die israelischen Verteidigungsstreit -<br />
kräfte operieren auf der Grundlage<br />
kompromissloser ethischer Werte.<br />
Diese werden die israelischen Ver tei -<br />
digungsstreitkräfte auch weiterhin bei<br />
jedem Einsatz leiten, auch unter komplizierten<br />
und schwierigen Bedin gun -<br />
gen. Vor und während der Operation<br />
Ge gossenes Blei wurden die Truppen<br />
streng über die Kommandos und Be -<br />
fehle unterrichtet, denen sie zu folgen<br />
hatten, und auch über das internationale<br />
Kriegsrecht.<br />
Aus veröffentlichten Zeugenaussa gen,<br />
einschließlich derer in diesem Be richt,<br />
sowie aus von den israelischen Ver -<br />
tei digungsstreitkräften zur Operation<br />
durchgefuḧrten Untersuchungen geht<br />
klar hervor, dass die Soldaten in Über -<br />
einstimmung mit dem internationalen<br />
Recht und den ihnen erteilten Befeh len<br />
agiert haben, und dies trotz komplizierten<br />
und schwierigen Kämpfen.<br />
Addendum<br />
Der Sprecher der israelischen Ver tei -<br />
di gungsstreitkräfte bittet die medien<br />
um Aufmerksamkeit in Hinsicht auf<br />
ei nige methodische und ethische Fra -<br />
gen diesen Bericht betreffend:<br />
1. Der Bericht, der den israelischen<br />
Ver teidigungsstreitkräften weniger<br />
als 24 Stunden vor seiner Ver öf fent -<br />
lichung zuging, basiert auf Zeu gen -<br />
aussagen, die entscheidende iden -<br />
ti fi zierungsmerkmale vermissen<br />
lassen:<br />
a. Die herangezogenen Zeugen<br />
wur den in keiner Weise identifiziert,<br />
noch nicht einmal durch<br />
ini tialen, so wie es in den medien<br />
nor malerwei se bei anonymen<br />
Zita ten üblich ist.<br />
b. Weder der militärische Rang noch<br />
die Position zur Zeit der be haup -<br />
teten Vorfälle werden genannt.<br />
c. Weder die Einheit noch die Art<br />
der Ein heit (regulär, Reservisten)<br />
werden genannt.<br />
2. Der Bericht teilt nicht mit, in welcher<br />
Weise die Zeugenaussagen gesammelt<br />
worden sind – ob direkt per<br />
interview oder indirekt per Post<br />
oder Email. Es ist unklar, ob es ei nen<br />
oder mehrere interviewer gegeben<br />
hat, ob die Zeugen individuell oder<br />
in Gruppen befragt worden sind.<br />
3. Es wird nicht mitgeteilt, wie die<br />
Glaubwürdigkeit der Aussagen<br />
geprüft wurde:<br />
a. man kann nicht wissen, ob die<br />
Aussage von einem Soldaten ge -<br />
macht wurde oder von jemandem,<br />
der sich als Soldat ausgegeben<br />
hat.<br />
b. in Bezug auf die in den Aus sa -<br />
gen beschriebenen Vorfälle werden<br />
weder Zeitangaben (Datum,<br />
Uhrzeit) noch Ortsangaben ge -<br />
macht.<br />
Stellungnahme von<br />
Verteidigungsminister Ehud Barak<br />
„Jegliche Kritik an den Israelischen Ver tei -<br />
digungsstreitkräften von dieser oder jener<br />
Organisation ist unangebracht und verfehlt.<br />
Wenn jemand Kritik, Informa tio nen<br />
oder Schlussfolgerungen vorzubringen<br />
hat, so bringe er sie zu mir, dem Verteidi -<br />
gungs minister des Staates Israel, und der<br />
israelischen Regierung, die die Israeli schen<br />
Verteidigungsstreit kräfte angewiesen hat,<br />
in den Gemeinden im Süden wieder Ruhe<br />
herzustellen.“ Er fügte hinzu: „Die Is ra -<br />
e lischen Vertei d i gungs streitkräfte sind die<br />
moralischste Ar mee der Welt, und sie han -<br />
deln gemäß dem höchsten ethischen Co de.“<br />
Israelische Verteidigungsstreitkräfte, 15.07.09<br />
Die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte<br />
(Zahal, IDF) setzen sich aus Wehr pflich ti -<br />
gen, Reservisten und Berufssoldaten zu -<br />
sam men. Alle Männer und Frauen im<br />
Alter von 18 Jahren werden eingezogen -<br />
Männer für eine Dienstzeit von drei Jah ren,<br />
Frauen für 21 Monate, mit einer Re ser ve -<br />
dienstpflicht bis zum Alter von 51 für Män -<br />
ner und 24 für Frauen. Personen, die zum<br />
Hochschulstudium in Fächern zugelassen<br />
worden sind, für die bei den IDF ein beson -<br />
derer Bedarf besteht (Medizin, Kranken -<br />
pfle ge, Lehr- und Ingenieurwesen usw.),<br />
können die Einberufung aufschieben und<br />
nach Abschluss ihrer Ausbildung bei den<br />
IDF in ihrem Beruf für drei bis fünf Jahre<br />
Dienst leisten.<br />
Die IDF, mit einem kleinen stehenden<br />
Heer, bauen im wesentlichen auf dem Re -<br />
servedienst auf, zu dem alle Soldaten re -<br />
gel mäßig zur Ausbildung und zu Wehr -<br />
übun gen einberufen werden. Volk und<br />
Streitkräfte sind so im wesentlichen eins.<br />
Die IDF haben außerdem immer Auf ga -<br />
ben für das Wohl der Gemeinschaft in<br />
ihrer Gesamtheit wahrgenommen; dazu<br />
gehören vielfältige Aufgaben nationalge -<br />
sellschaftlicher Art und die Übernahme<br />
un terschiedlicher Projekte in Bereichen,<br />
wo Hilfe gerade am nötigsten ist.<br />
Lagebesprechung für „Operation Gegossenes Blei”<br />
Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 25
POLITIK • ISRAEL<br />
Israels Ministerpräsident Benjamin<br />
Netanyahu und Außenminister Avigdor<br />
Lieberman haben sich in der wöchentli -<br />
chen Kabinettssitzung zur aktuellen Dis -<br />
kussion um Bautätigkeiten in Jerusalem<br />
geäußert:<br />
Das Shepherd Hotel in Ost-Jerusalem<br />
Stellungnahme von<br />
Ministerpräsident Netanyahu:<br />
„Ich habe heute die Schlagzeilen in den<br />
Zeitungen zum Bau eines Wohnviertels<br />
in Jerusalem gelesen und möchte abermals<br />
betonen, dass das vereinigte Jerusa lem die<br />
Hauptstadt des jüdischen Volkes und des<br />
Staates Israel ist. Unsere Hoheit über die<br />
Stadt kann nicht in Frage gestellt werden;<br />
das bedeutet u. a., dass die Bewohner Jeru -<br />
salems in allen Teilen der Stadt Wohnun -<br />
gen erwerben können.<br />
© Reuters<br />
ZUR DISKUSSION UM BAUTÄTIGKEITEN<br />
IN OST-JERUSALEM<br />
Dies ist die Politik aller israelischen Re -<br />
gie rungen gewesen, und ich möchte sa gen,<br />
dass sie wirklich umgesetzt wird; so sind<br />
in den vergangenen Jahren Hunderte von<br />
Wohnungen in jüdischen Stadtvierteln<br />
und im Westteil der Stadt von arabischen<br />
Einwohnern erworben bzw. angemietet<br />
worden, und wir haben da nicht eingegriffen.<br />
Das bedeutet, dass es kein Verbot<br />
arabischen Wohnungskaufs im Westteil<br />
der Stadt und kein Verbot jüdischen Woh -<br />
nungskaufs oder -baus im Ostteil der<br />
Stadt gibt.<br />
Dies ist die Politik einer offenen Stadt, ein<br />
ungeteilten Stadt, die nicht nach Religion<br />
oder nationaler Zugehörigkeit getrennt ist.<br />
Wir können die Idee nicht hinnehmen, dass<br />
Juden kein Recht haben, in allen Teilen<br />
Jerusalem zu leben und zu kaufen. Ich kann<br />
mir nur ausmalen, was passieren würde,<br />
wenn jemand anregen würde, Juden dürf -<br />
ten nicht in bestimmten Stadtteilen in New<br />
York, London, Paris oder Rom leben. Das<br />
würde sicherlich einen großen internationalen<br />
Aufschrei geben. Dementsprechend<br />
können wir einer derartigen Bestimmung<br />
in Jerusalem nicht zustimmen. Dies ist die<br />
Politik der israelischen Regierung über die<br />
Jahre gewesen, und dies ist auch die Poli -<br />
tik unserer Regierung.“<br />
Stellungnahme von<br />
Außenminister Lieberman:<br />
„Tausende von arabischen Familien kaufen<br />
Immobilien in den Jerusalemer Stadt -<br />
teilen Neve Yaakov und French Hill, und<br />
ich habe nie eine Bemerkung darüber ge -<br />
hört, weder aus den USA noch aus ir -<br />
gendeinem europäischen Staat.<br />
Es wäre sehr seltsam – und ich versuche<br />
subtil zu sein -, wenn der Staat Israel<br />
beschließen würde, Juden zu diskriminieren,<br />
insbesondere in Jerusalem, und ihnen<br />
verbieten würde, in ganz Jerusalem zu<br />
kaufen und zu bauen.“<br />
Außenministerium des Staates Israel, 19.07.09<br />
Das Bauprojekt im Shepherd Hotel<br />
Das lokale Planungskomitee der Je ru -<br />
salemer Stadtverwaltung handelt ge -<br />
mäß gleichen Kriterien für alle Fragen<br />
von Baugenehmigungen, unabhängig<br />
von Geschlecht, Reli gion oder nationaler<br />
identität des Bewohners oder<br />
Ei gentümers. Der Erwerb des Grund -<br />
besitzes, zu dem das Shepherd Hotel<br />
gehört, war legal und erhielt die notwendigen<br />
Renovierungs- und Bauge -<br />
neh migungen.<br />
Das Planungskomitee der Jerusale mer<br />
Stadtverwaltung achtet einzig auf die<br />
Übereinstimmung der jeweiligen Pla -<br />
nung mit dem Gesetz. Gemäß dem<br />
Obersten Gerichtshof israels können<br />
Juden, muslime und Christen gleichermaßen<br />
Boden in allen Teilen Jeru sa -<br />
lems erwerben. So gibt es beispielsweise<br />
Araber im Viertel French Hill.<br />
Die Stadtverwaltung handelt in voller<br />
Transparenz und hat die Pläne präsentiert,<br />
auch den Vertretern des britischen<br />
und US-amerikanischen Kon su -<br />
lats in Jerusalem. Von dem Komitee<br />
wurden nicht nur 20 Wohnungen be -<br />
wil ligt, sondern auch eine Zahl von Be -<br />
dingungen auferlegt, die den Er halt der<br />
historischen Struktur einschließen.<br />
Naftali Levi, der stellvertretende Lei -<br />
ter der Baugenehmigungs- und Voll -<br />
streckungsabteilung der Jerusalemer<br />
Stadtverwaltung, gibt die folgende<br />
Hin tergrundinformation zum She perd<br />
Hotel bekannt:<br />
Geschichte<br />
Das Gebäude wurde in den 1930er<br />
Jah ren für den mufti von Jerusalem,<br />
Haj Amin Al-Husayni, erbaut, der in<br />
den 1920er und 1930er Jahren ein<br />
Füh rer der arabisch-palästinensischen<br />
Bewegung und von drei Unruhe wel -<br />
len zu dieser Zeit war.<br />
Als die britische mandatsregierung<br />
ihn deportierte, wurde das Gebäude<br />
konfisziert und in einen militärischen<br />
Außenposten der britischen Armee<br />
ver wandelt. Am Ende der britischen<br />
mandatszeit ging das Gebäude in das<br />
Eigentum des Haschemitischen Kö nig -<br />
reichs Jordanien über, das seine Ori gi -<br />
26 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769
POLITIK • ISRAEL<br />
nalstruktur erweiterte ohne sie zu be -<br />
einträchtigen, und das Gebäude fungierte<br />
als das ‘Shepherd Hotel’.<br />
nach dem Sechs-Tage-Krieg kaufte<br />
C & m Properties das Gebäude und<br />
das umliegende Land von der israelischen<br />
Regierung. Zu Beginn der ers -<br />
ten intifada 1987 kaufte der Grenz -<br />
schutz das Gebäude und blieb dort für<br />
15 Jah re, bis er in sein neues Gebäude<br />
ne ben dem Highway 1 umzog.<br />
Seitdem steht der Besitz leer.<br />
Rechtlicher Hintergrund<br />
Die nutzung dieses Gebäudes ist Teil<br />
des Plans 2591. Dieser Plan wurde<br />
1982 vom Jerusalemer Distriktko mi -<br />
tee des innenministeriums bewilligt<br />
und stellte neue Planungs vor schrif ten<br />
für das gesamte Stadtviertel Sheikh<br />
Jarrah (ein Areal von 310 Quadratkilo -<br />
me tern) auf, einschließlich von Wohn -<br />
ge bie ten, Erholungsgebieten, öffentlichen<br />
Ge bäu den und Einrichtungen<br />
sowie Straßen. Laut der Zonen ein tei -<br />
lung in diesem Plan ist die Land nut -<br />
zung des Grundbesitzes, zu dem das<br />
Shepherd Hotel gehört, für den Wohn -<br />
gebrauch bestimmt.<br />
Baulizenzantrag 08/787<br />
nach der Zoneneinteilung des Plans<br />
2591 beantragten die Grundei gen tü -<br />
mer, C & m Properties, am 6. no vem -<br />
ber 2008 eine Baugenehmigung.<br />
Am 2. Juli 2009 genehmigte das lokale<br />
Planungskomitee der Jerusalemer<br />
Stadt verwaltung den Antrag, der - mit<br />
Ausnahme der historischen Struk tur,<br />
die unter Denkmalschutz gestellt<br />
wurde - die Zerstörung der bestehenden<br />
Gebäude auf dem Grundstück<br />
einschloss sowie den Bau zwei neuer<br />
Wohnhäuser mit 20 Wohneinheiten.<br />
Das Projekt schließt eine Tiefgarage,<br />
Flachdächer und im Ganzen zwei<br />
Stock werke über der Parkebene ein.<br />
Das Grundstück ist zonal für bis zu<br />
vier Stockwerke an Wohnbebauung<br />
ausgezeichnet. Der Bauplan geht von<br />
neun metern über der Bodenhöhe aus.<br />
Das oberirdische Bauareal umfasst<br />
3.604 und das unterirdische 5.769<br />
Quadratkilometer.<br />
Es sei betont, dass der Eigentümer als<br />
Bedingung für die Baugenehmigung<br />
mehrere vom Komitee beschlossene<br />
Be dingungen erfüllen muss. Vor dem<br />
Erhalt der Lizenz kann der Eigen tü mer<br />
keinerlei Arbeiten auf dem Areal vornehmen.<br />
Stadtverwaltung Jerusalem, 19.07.09<br />
Hamas verhöhnt<br />
entführten Israeli<br />
Die im Gazastreifen herrschende ra -<br />
di kal-islamische Hamas hat in einem<br />
Vi deo-Clip den von ihr entführten is -<br />
raelischen Soldaten Gilad Schalit verhöhnt.<br />
Der Hamas-Sender „Al-Aqsa”<br />
strahlte einen mehr als drei minuten<br />
langen Zeichentrickfilm aus, in dem<br />
die Soldatenfigur weinend in einer<br />
Ec ke eines dunklen Zimmers sitzt<br />
und um Hilfe fleht. Ein in den grü nen<br />
Farben der Hamas gekleideter Pa läs -<br />
ti nenserbub höhnt daraufhin: „Ha ha,<br />
armer Gilad, seit drei Jahren bist du jetzt<br />
hier und niemand hat dich beachtet. Du<br />
wirst hier vermodern”. Die Bitte um<br />
Hilfe lehnt die Bubenfigur mit der Be -<br />
grün dung ab, er sei kein „Verräter”<br />
und „Kollaborateur”. Außer dem kön -<br />
ne er den Soldaten nicht freilassen,<br />
weil sein Vater und Bruder in israelischen<br />
Gefängnissen säßen.<br />
Ein palästinensisches Kommando un -<br />
ter Führung der Hamas hatte den<br />
Obergefreiten am 25. Juni 2006 von<br />
is raelischem Boden aus in den Ga za -<br />
streifen entführt. Die Hamas verlangt<br />
jetzt von israel die Freilassung von<br />
mehr als 1.000 palästinensischen Ge -<br />
fan genen. 450 davon verbüßen we gen<br />
der Ausführung oder Planung von<br />
Terr oranschlägen teilweise lebenslange<br />
Freiheitsstrafen. Die unter Ver mitt -<br />
lung Ägyptens geführten indirekten<br />
Verhandlungen über einen Gefange -<br />
nen austausch zwischen israel und der<br />
Hamas ruhen seit mitte märz. Alle<br />
Auf forderungen, den Soldaten un ver -<br />
züglich freizulassen, hat die Hamas<br />
ab ge lehnt.<br />
APA<br />
Gehaltskürzungen für Minister<br />
und Regierungschef<br />
israels ministerpräsident Benjamin<br />
netanyahu und die minister seiner<br />
Regierung verzichten angesichts zahl -<br />
reicher Zumutungen an die Steu er -<br />
zah ler auf einen Teil ihres Gehalts.<br />
Der Finanzausschuss des Parlaments<br />
billigte die vorübergehende Absen -<br />
kung der Gehälter für die minister<br />
und den ministerpräsidenten um<br />
fünf Prozent, wie das Finanz minis te -<br />
rium mitteilte. netanyahu bekommt<br />
damit künftig umgerechnet rund<br />
7.400 Euro im monat, etwa 340 Euro<br />
weniger als bisher. Die minister verzichten<br />
auf etwa 300 Euro monatlich.<br />
Der zeitlich befristete Lohnverzicht ist<br />
als Geste an die Steuerzahler ge dacht,<br />
die über die erst kürzlich beschlossene<br />
Steu er er hö hungen verärgert sind.<br />
Araber müssen mit Israelis sprechen<br />
APA/Reuters<br />
Der Kronprinz von Bahrain, Shaikh Salman bin Hamad al-Khalifa, hat in der<br />
Wa shington Post einen eindringli chen Aufruf an die arabischen Staa ten<br />
veröffentlicht, um sie zu einem Dialog mit israel zu bewegen.<br />
„Unser größter Fehler ist gewesen, dass wir angenommen haben, man könne den<br />
Frieden einfach wie eine Glühbirne an schal ten. In Wirklichkeit ist Frieden ein<br />
Prozess, der von einer guten Idee abhängig ist, aber auch einer Propagierung im<br />
großen Stile bedarf – geduldig und wie der holt müssen alle relevanten Parteien ins<br />
Visier genommen werden. Dies ist der Bereich, wo wir als Araber nicht genug<br />
getan haben, um direkt mit dem israelischen Volk zu kommunizieren.“<br />
„Jetzt laut und deutlich zu sprechen, liegt aus zwei Gründen in unserem Interesse.<br />
Erstens, werden wir alle sicherer sein, so bald wir den Sumpf der Antipathie ausgetrocknet<br />
haben, in dem die Hasspre di ger von beiden Seiten waten. Zweitens,<br />
wird Frieden Wohlstand bringen. Bereits jetzt sind die sechs Öl- und Gasnationen<br />
des Golfkooperationsrats zu einem mächtigen Billionen-Dollar-Markt geworden.<br />
Die Beseitigung der andauernden Dro hung von Tod und Zerstörung würde für die<br />
Re gion als ganze die Bahn ebnen zu einer Ära von Unternehmertum, Partnerschaft<br />
und Entwicklung auf einem noch höheren Niveau.<br />
Das ist der strahlende Preis für die Auf lö sung des Dilemmas von Gerechtigkeit für<br />
die Palästinenser ohne Unge rech tig keit für Israel. Im Grunde ist es dieser Meta as -<br />
pekt, der das Selbstbild der Araber definiert und verrenkt und zu viel von unseren<br />
Energien von der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung wegleitet, derer die<br />
Region bedarf.“<br />
http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2009/07/16/AR2009071602737.<br />
html?wpisrc=newsletter&wpisrc=newsletter<br />
Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 27
POLITIK • ISRAEL<br />
Hamas: Israel schmuggelt<br />
Aphrodisiaka-Kaugummi<br />
Die radikalislamische Palästinenser -<br />
be we gung Hamas hat die israelischen<br />
Geheimdienste beschuldigt, im Gaza -<br />
streifen einen Schmuggelring für<br />
Aphrodisiaka-Kaugummi und Dro -<br />
gen aufgezogen zu haben, „um die pa -<br />
läs tinensische Jugend zu verderben”.<br />
„Wir haben ausgehend von den Grenz -<br />
über gängen nach Israel zwei Arten körperlicher<br />
Stimulantien im Gazastreifen<br />
ent deckt: Als Kaugummi und als Trop -<br />
fen”, erklärte Hamas-Polizeisprecher<br />
islam Shahwan. man habe einige<br />
mitglieder der Schmugglerbande fest -<br />
genommen. Diese hätten gestanden,<br />
„mit den zionistischen Geheim diens ten in<br />
Verbindung zu stehen”. Einer der Fest -<br />
genommenen habe angegeben, er ha -<br />
be große mengen Drogen über einen<br />
Geheimdienstoffizier zu einem sehr<br />
niedrigen Preis erhalten, sagte Shah -<br />
wan. Der Offizier habe erklärt, man<br />
wolle kein Geld dafür, sondern dass<br />
die Substanzen an Jugendliche im<br />
Gazastreifen verteilt würden. Die<br />
„Geheimdienste versuchen die junge Ge -<br />
neration zu verderben, indem sie diese Pro -<br />
dukten an Schüler und Studenten verteilen”,<br />
empörte sich der Polizei spre cher.<br />
Die israelische Armee verweigerte<br />
jeden offiziellen Kommentar zu den<br />
Vorwürfen. Aus militärischer Quelle<br />
hieß es, die Behauptungen der Ha -<br />
mas seien „absurd”.<br />
APA<br />
Palästinenser bekommen<br />
viele Kinder<br />
Die Palästinenser bekommen ungeachtet<br />
aller not und widrigen Le bens -<br />
u mstände weiter mehr Kinder als die<br />
israelis. Wie die palästinensische Sta -<br />
tistikbehörde in Ramallah mitteilte,<br />
bringt eine Frau im Gazastreifen im<br />
Durchschnitt mehr als fünf Kinder<br />
zur Welt (5,2) und im Westjordanland<br />
mehr als vier Kinder (4,1).<br />
nach Angaben der Behörde leben derzeit<br />
2,4 millionen Palästinenser im<br />
Westjordanland und 1,5 millionen im<br />
Gazastreifen.<br />
in israel liegt die Geburtenrate nach<br />
Angaben des zentralen Statistikbüros<br />
bei 2,9. in der arabischen Welt liegen<br />
die Palästinenser bei der Geburten ra -<br />
te nach dem Jemen auf Platz 2. Als<br />
Folge der hohen Zahl an Geburten<br />
wächst der Anteil von Kindern und<br />
Jugendlichen in den Palästinenserge -<br />
bie ten immer weiter. Danach sind<br />
derzeit 41,9 Prozent der Bevölkerung<br />
jünger als 14 Jahre. Der Anteil der über<br />
65-Jährigen liegt dagegen bei nur drei<br />
Prozent. in israel sind 28,4 Pro zent<br />
der Bevölkerung jünger als 14 Jahre,<br />
aber dafür 9,8 Prozent älter als 65.<br />
Hamas-TV: Selbstmordattentäter<br />
im Kinderprogramm<br />
Dass auch im Kinderprogramm des<br />
Hamas-Fernsehens der Hass gegen is -<br />
rael gesät wird, ist an sich nichts<br />
neues. nun ist es abermals zu einem<br />
besonders makabren Höhepunkt ge -<br />
kommen: Die Kinder einer palästinensischen<br />
Selbstmordattentäterin waren<br />
zu Gast in der Sendung, während in ei -<br />
nem musikvideo der tödliche An -<br />
schlag ihrer mutter verherrlicht wur -<br />
de. Die moderatorin der Sendung<br />
stellte das kleine mädchen und das<br />
kleine mädchen mit den folgenden<br />
Worten vor: „Dies sind die Kinder der<br />
Märtyrerin, der heroischen Gotteskriege -<br />
rin, die alles, was sie hatte, für das Wohl<br />
ihres Heimatlands geopfert hat. Sie sorgte<br />
sich weniger um ihr eigenes Fleisch und<br />
Blut und um ihr Wohl, sie opferte sich für<br />
Allah… Wir sagen dem Besatzer, dass wir<br />
in die Fußstapfen der Märtyrerin, der Got -<br />
teskriegerin Reem Riyashi, treten wer den,<br />
bis wir unser Heimatland aus deinen Hän -<br />
den entreißen, Eindringling.“<br />
Reem Riyashi hatte 2005 vier israelis<br />
bei einem Selbstmordattentat getötet.<br />
Unter dem folgenden links gibt es ei -<br />
nen Ausschnitt aus der Sendung, das<br />
Hamas-musikvideo und ein früheres<br />
interview mit den Kindern:<br />
www.youtube.com/watch?v=XELcNMhkKCo<br />
www.youtube.com/watch?v=qy8fbkOHMKU<br />
www.youtube.com/watch?v=RdG3PZndV_4<br />
PMW, 09.07.09<br />
Heiratsvermittlung<br />
Die radikal-islamische Hamas hat ei -<br />
ne Ehevermittlung für Bewohner des<br />
Gazastreifens eröffnet. Dadurch will<br />
die Gruppierung für noch mehr P a läs -<br />
tinenser anziehend werden.<br />
Die Agentur „Tajsir” bietet ihre Dien -<br />
ste Frauen und männern an, der<br />
Groß teil der Anträge kommt von Frau -<br />
en. „Dies ist unsere Vision von humanitärer<br />
Tätigkeit”, zitiert die Zeitung ‘Je-<br />
diot Aharonot’ den Leiter Wael Sard.<br />
„Die Tätigkeit bringt Menschen dazu,<br />
sich der Hamas anzunähern, und auch die<br />
Hamas nähert sich den Leuten an.”<br />
Die Bewerber werden nach dem Grad<br />
der „Vermittelbarkeit” in Kategorien<br />
eingestuft. So finden Frauen unter 25<br />
Jahren am besten einen Bräutigam,<br />
während sie ab 30 besonders schwer<br />
zu vermitteln sind. Das gilt auch für<br />
geschiedene Frauen.<br />
Von den Kandidatinnen veröffentlicht<br />
die Agentur ein Bild mit Kopf tuch.<br />
Hin zu kommt eine Beschrei bung des<br />
Traummannes und eine Antwort auf<br />
die Frage: „Hältst Du Dich selbst für<br />
schön nach den Standards in Gaza?”<br />
Erfahrene Ehevermittler in Gaza er -<br />
zählten, dass die dortigen männer<br />
Frauen mit hellerem Teint und europäischem<br />
Aussehen bevorzugten.<br />
Wenn ein mann und eine Frau zueinander<br />
zu passen scheinen, gibt es ein<br />
Rendezvous unter den prüfenden Au -<br />
gen des Heiratsvermittlers. Stimmt<br />
die „Chemie”, so treffen sich die An -<br />
ge hörigen. in den Gesprächen sind<br />
An spielungen auf die Vermittlung<br />
tabu. Wenn die Familien zu einer Ei -<br />
nigung kommen, wird ein Hoch zeits -<br />
termin vereinbart.<br />
Viele Frauen wenden sich an die Part -<br />
ner vermittlung, wenn ihre Familie<br />
trotz langer Suche keinen geeigneten<br />
Bräutigam gefunden hat.<br />
Seit der Gründung haben bereits mehr<br />
als 40 Paare geheiratet<br />
inn<br />
Mutmaßliches Ku-Klux-Klan-<br />
Mitglied in Israel festgenommen<br />
in israel ist ein mutmaßliches mit glied<br />
der rassistischen und antisemitischen<br />
US-Organisation Ku Klux Klan (KKK)<br />
festgenommen worden. Wie ein mit -<br />
arbeiter des israelischen innenminis -<br />
teriums mitteilte, wurde der 33-Jäh -<br />
rige aufgrund von interpol-Hin wei -<br />
sen in einer Wohnung in Tel Aviv ge -<br />
fasst. Der mann wurde von den Be -<br />
hörden der Stadt Steelton im US-Staat<br />
Pennsylvania gesucht. Er soll mehrere<br />
Gewalttaten verübt und das Auto ei -<br />
nes Richters in Pennsylvania in Brand<br />
gesetzt haben. nach israelischen An -<br />
gaben hielt er sich seit 2008 in israel<br />
auf, weil er damit rechnete, dass dort<br />
nicht nach ihm gefahndet würde. in<br />
den USA macht sich der als Ge heim -<br />
bund entstandene Ku Klux Klan insbesondere<br />
gegen die pro-israelische<br />
Lob by stark. Der Ku-Klux-Klan sieht<br />
sich selbst als eine radikale christliche<br />
Organisation.<br />
28 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769
WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />
Mattes Glitzern<br />
Die internationale Finanz- und Wirt -<br />
schafts krise hat auch die israelische Dia -<br />
mantenbranche erreicht. Mit einem aufwendigen<br />
Marketingprogramm will sie<br />
sich dagegen auflehnen.<br />
VON REINHARD ENGEL<br />
Quartalszahlen können grausam sein<br />
in diesem Jahr, nicht nur für einzelne<br />
Un ternehmen, sondern auch für gan -<br />
ze Geschäftszweige. minus 56 Pro zent<br />
weist die israelische Exportstatistik für<br />
die ersten drei monate 2009 bei ge -<br />
schliffenen Rohdiamanten aus, das ist<br />
ein Rückgang von 2,1 mrd. US-Dollar<br />
auf kaum mehr als 900 millionen.<br />
Dabei könnte diese Statistik die Wirk -<br />
lichkeit noch etwas zu freundlich ab -<br />
bilden, meinen Branchen-insider.<br />
Alan Omsky, ein südafrikanischer Dia -<br />
mantenhändler mit Unternehmen in<br />
Antwerpen und miami: „Das sind nicht<br />
alles echte Exporte. Manche große Unter -<br />
nehmen schicken ihre Ware bloß in eigene<br />
Tochterfirmen ins Ausland, damit sie<br />
weitere Kredite bekommen.“<br />
Die Diamantenbranche ist eine der<br />
Schlüsselindustrien israels. nicht nur<br />
arbeiten in der Diamantenbörse und<br />
in rund 2500 einschlägigen Unter neh -<br />
men Tausende teils hoch spezialisierte<br />
Fachleute am Einkaufen, Bewerten,<br />
Schleifen, Verkaufen der Edelsteine.<br />
Vom Exportvolumen her machten die<br />
geschliffenen Diamanten im Jahr 2007<br />
immerhin rund 20 Prozent aller israelischen<br />
Güter-Ausfuhren aus – und da<br />
konkurrieren sie mit ebenfalls nicht<br />
billigen High-Tech-Produkten. nimmt<br />
man noch die Exporte von Rohdia -<br />
man ten dazu, von denen ein Gutteil<br />
in Verarbeitungsunternehmen israelischer<br />
Gruppen in indien oder anderswo<br />
in Asien geliefert wird, so kratzt<br />
man schnell an der 30-Prozent-mar ke.<br />
natürlich stammen diese Diamanten<br />
nicht aus israelischen minen. Sie kom -<br />
men aus Afrika und Australien, aus<br />
Russland und Asien. Aber israel hat<br />
sich in den letzten Jahrzehnten eine<br />
außergewöhnliche Expertise im Um -<br />
gang mit diesem Produkt erarbeitet<br />
und ist damit zu einem der wichtigsten<br />
internationalen Anbieter geworden.<br />
Entsprechend hart wurde die Bran -<br />
che jetzt von der Krise getroffen. Vor<br />
allem der wichtigste Exportmarkt der<br />
israelis, nordamerika, ist drastisch ein -<br />
gebrochen. Dafür war der Rück gang<br />
des Weihnachtsgeschäfts im De zem ber<br />
2008 beim noblen Schmuck händler<br />
Tiffany nur ein indikator von vielen:<br />
minus 35 Prozent.<br />
WIRTSCHAFT<br />
Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 29
WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />
mittlerweile sind auch die Preise –<br />
vor allem für kleinere und mittlere<br />
Diamanten - abgestürzt, volle Lager<br />
und fehlende nachfrage bringen sie<br />
weiter unter Druck.<br />
Vor allem die ausgebliebenen Bonus -<br />
zah lungen der großen US-Finanz kon -<br />
zer ne gehen den Juwelieren ab. Und<br />
es sind nicht nur die superreichen<br />
Bankvorstände und Wertpa pier händ -<br />
ler, die ihren Frauen keine mehrkarä -<br />
ter mehr schenken, die Krise hat sich<br />
bis tief in die jüngeren mittelschich ten<br />
hinein gegraben. Es gibt Konsumen -<br />
ten-Untersuchungen in den USA, die<br />
davon berichten, dass zahlreiche jun -<br />
ge Paare wegen der wirtschaftlichen<br />
Schwierigkeiten ihre Hochzeiten aufschieben.<br />
Die Praktiker erleben Ähnliches.<br />
Diamanten-Händler Omsky:<br />
„Der Verlobungsring wird dann<br />
eventuell doch gekauft. Aber dafür<br />
gibt man jetzt eher 5.000 Dollar aus<br />
als 20.000 wie früher.“<br />
Die von der nachfrageschwäche ge -<br />
trof fenen Unternehmen reagieren,<br />
wie das auch Firmen in anderen Bran -<br />
chen tun: Sie fahren Kosten-Sen kungs -<br />
programme, bauen mitarbeiter ab,<br />
versuchen management-Ebenen einzusparen,<br />
Prozesse zu automatisieren,<br />
teure Handarbeit in Billiglohnländer<br />
auszulagern. Und nach Branchen-<br />
Kennern gibt es bei einem Gutteil der<br />
Diamanten-Unternehmen noch ge nug<br />
Verbesserungs-Potential. „Manche von<br />
ihnen sind vergleichsweise gut aufgestellt,<br />
mit modernem Management und mit in -<br />
ter nationalen Verkaufsbüros. Aber es gibt<br />
auch andere, die sich auf den hohen Mar -<br />
Alan Omsky<br />
gen der letzten Jahre ausgeruht haben, und<br />
die eigentlich nicht dem heutigen Stand<br />
von Unternehmensführung und Tech nolo<br />
gie entsprechen. Sie werden sich hart<br />
anpassen müssen.“<br />
Kalt erwischt wurden auch zahlreiche<br />
Händler vom Wirtschaftsabschwung.<br />
Denn – ähnlich wie bei der letzten<br />
großen Krise der Diamantenbranche<br />
Anfang der 80er Jahre – hatten sich<br />
viele marktteilnehmer von den steigenden<br />
Preisen in allzu große Fremd -<br />
ka pital-Anteile hineinlocken lassen<br />
(siehe Kasten: Sand und Spekulation).<br />
Jetzt drohen sie zwischen der Kredit -<br />
verknappung und den gesunkenen<br />
Dia manten-Preisen aufgerieben zu<br />
werden. Händler Omsky: „Es hat zu<br />
viel Kredit gegeben. Und jetzt gibt es die<br />
Dis kussion, etwa im Zusammenhang mit<br />
staatlicher Hilfe in Israel, warum man<br />
jemanden mit Steuergeld auffangen sollte,<br />
der sich verspekuliert hat.“<br />
Abgesehen von den Versuchen, die<br />
eigenen Kosten zu verringern und mit<br />
den Banken weiterhin auf gutem Fuß<br />
zu stehen, suchen die israelischen<br />
Dia manten-Händler vor allem nach<br />
neu en, kaufkräftigen Kunden. nach -<br />
dem der dominierende US-markt<br />
schon vor der eigentlichen Krise et was<br />
nachgelassen hatte, sind vor allem<br />
Asien, Russland und der arabische<br />
Raum ins Zentrum der Aufmerk sam -<br />
keit gerückt. Und bei dieser markt be -<br />
arbeitung hilft vor allem das israel<br />
Diamond institute (iDi), eine hoch<br />
spezialisierte Branchenvertretung.<br />
Anders als zahlreiche Unternehmen,<br />
die in der Krise ihre Werbe- und<br />
marketing-Etats herunterfahren, hat<br />
das iDi gerade jetzt eine umfassende<br />
Kampagne gestartet. Und dafür nimmt<br />
man auch ordentlich Geld in die<br />
Hand, betont iDi-Direktor Eli Avidar<br />
(siehe interview: „Keine Massenent las -<br />
sungen“). Das aktuelle Programm des<br />
instituts, das sich vorrangig an Wie -<br />
der verkäufer und weniger an Kon su -<br />
menten wendet, reicht von Werbe -<br />
kam pagnen in Fachmagazinen bis zum<br />
Call Center in Asien, von einer russischund<br />
chinesischsprachigen Website bis<br />
zum systematischen Ein satz von in ter -<br />
net-Plattformen wie Fa ce book, Twit ter<br />
oder YouTube<br />
„Unsere Anstrengungen richten sich<br />
ganz besonders auf kleinere und mittlere<br />
Unternehmen,“ so Avidar Ende märz<br />
Diamantenbörse in Ramat Gan<br />
auf der internationalen Schmuck messe<br />
Baselworld in der Schweiz. „Aber sie<br />
werden genauso gut vom gesamten übrigen<br />
Spektrum unserer Exporteure ge nutzt.<br />
Was wir nicht tun, ist Kredite anbieten,<br />
oder die Diamanten selbst direkt verkaufen.<br />
Wir geben ihnen vielmehr die notwendigen<br />
Werkzeuge, damit sie überleben<br />
und selbst in diesen schwierigen Zeiten<br />
florieren können.“<br />
in der Praxis kann freilich auch die fi -<br />
nanzielle Hilfe für den einen oder an -<br />
deren Abnehmer notwendig sein.<br />
„Wenn Sie einen langjährigen, verlässlichen<br />
Kunden haben, und der kann erst<br />
bezahlen, wenn er den Stein selbst verkauft<br />
hat, dann mache ich es auch,“ so<br />
Händler Omsky in Florida. „Ich muss<br />
ihm helfen, damit er diese schwierige Zeit<br />
übersteht.“<br />
30 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769
WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />
„Keine Massenentlassungen“<br />
Eli Avidar ist managing Di rec tor<br />
des israel Dia mond insti tute, ei ner<br />
vom Staat unabhängigen Bran -<br />
chen vertretung, die unter an de rem<br />
für mar keting, Tech no logie und<br />
mitar bei ter-Schu lung zu stän dig<br />
ist. Avidar war zuvor israelischer<br />
Gene ral kon sul in Hongkong und<br />
Han dels at ta ché in Doha, Katar, ge -<br />
wesen. Da vor hatte er dem da ma -<br />
ligen Außen mi nis ter Ariel Sha ron<br />
als Berater gedient.<br />
Die Gemeinde: Herr Avidar, wie hart wurde die israelische<br />
Dia man ten branche von der globalen Wirtschaftskrise getroffen?<br />
Avidar: natürlich spüren wir die Krise. Alle Branchen, die Lu xus -<br />
artikel erzeugen, wurden getroffen. Aber dennoch ist der Zu stand<br />
der israelischen Diamantenindustrie noch besser als je ner von<br />
Konkurrenten. Wir haben früh reagiert und uns an ge passt.<br />
Was haben Sie gemacht? Sparprogramme gestartet? Mitarbeiter<br />
ge kün digt?<br />
Wir agierten als eine Art Schirm für die Branche. Wir haben schnell<br />
gehandelt. Und wir haben viel Geld investiert, einen beträchtlichen<br />
Betrag ins marketing gesteckt. Es geht nicht nur darum, jetzt<br />
schnell durch die Krise zu kommen, sondern auch neue<br />
Technologien und neue marketing-methoden einzuführen.<br />
© jonathan_torgovnik<br />
Hat es Unternehmenszusammenbrüche gegeben? Eine Kündi gungs -<br />
welle?<br />
Es hat Kündigungen gegeben, aber keine massenentlassungen.<br />
Und es sind wohl einzelne Unternehmen in Konkurs gegangen,<br />
aber auch hier hat es keine Welle gegeben.<br />
Wie groß ist denn Ihre Branche aktuell?<br />
Wir haben 2.500 aktive Unternehmen, die Diamantenbörse ist die<br />
größte der Welt. Was die fix angestellten Vollzeit-mitar bei ter<br />
angeht, so waren es vor der Krise rund 15.000. ich würde schätzen,<br />
dass es aktuell 12.000 bis 13.000 sind.<br />
Wie lange die Diamanten-Depression<br />
noch anhält, darüber scheiden sich<br />
die Geister in der Branche. Der globale<br />
Riese DeBeers, der vor Jahresende<br />
seine Produktion dramatisch eingeschränkt<br />
hatte, beginnt mittlerweile<br />
schon wieder, einzelne afrikanische<br />
minen hochzufahren.<br />
iDi-Direktor Avidar hofft bei aller<br />
Unsicherheit, dass sich die Situation<br />
Ende 2009 bessert. Andere, vor allem<br />
europäische Branchen-insider, gehen<br />
von einem wei teren Rückgang und<br />
einem stark negativen Ergebnis für<br />
dieses Jahr aus. Diamanten-Händler<br />
Omsky ist ebenfalls vorsichtig: „Ich<br />
glaube nicht, dass wir uns in den nächsten<br />
zwei Jahren ganz erholen werden. Es<br />
wird wohl einige Zeit dauern.“<br />
In der israelischen Presse ist zu lesen, dass Sie sich um Staatshilfe<br />
bemüht haben.<br />
normalerweise fragen wir den Staat nicht um Hilfe. Aber wir durch -<br />
laufen auch eine Kreditkrise, und um das Geschäft konkurrenzfä -<br />
hig zu halten, bemühen wir uns um entsprechende Kre dit ga ran tien.<br />
Was sind ihre strategischen Lehren aus der aktuellen Krise?<br />
Wir haben schon vor dem Ausbruch der Krise einen stetigen<br />
Rückgang unseres wichtigsten marktes, der USA, gesehen. Da her<br />
haben wir uns angestrengt, uns stärker in Richtung Asien auszurichten:<br />
nach Hongkong, indien, China.<br />
Wann wird man Ihrer Einschätzung nach eine Verbesserung der Lage<br />
erkennen können?<br />
ich bin definitiv kein Prophet. Aber was wir jetzt sehen können, ist<br />
bereits eine Art Stabilität. ich denke, Ende des Jahres 2009 könnte<br />
die Wirtschaft wieder an Schwung gewinnen. Es ist alles Psy -<br />
chologie: Die Unternehmen müssen erkennen, dass es an der Zeit<br />
ist, wieder aktiv zu werden und nicht nur Budgets kürzen und<br />
Pro gramme einsparen<br />
Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 31
WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />
SAND UND SPEKULATION<br />
Die israelische Diamantenindustrie<br />
ist älter als der Staat. Sie hat seit ihrer<br />
Gründung in den 30er Jahren immer<br />
wieder Krisen erlebt.<br />
1937 gilt offiziell als Geburtsjahr der<br />
Diamanten-Branche in israel. in diesem<br />
Jahr wurden die ersten Werk stät -<br />
ten zum Polieren im damaligen britischen<br />
mandatsgebiet Palästina in Pe -<br />
tach Tikva und in Tel Aviv eröffnet.<br />
Als erste Diamanten-Fabrik mit<br />
mehreren Poliermaschinen gilt jene<br />
von Zwi Rosenberg und Ascher Daskall<br />
in Petach Tikva. Schon im selben<br />
Jahr wurde der „Palestine Diamond<br />
Club“ gegründet, eine eigene Bran -<br />
chen vertretung. Die Briten ahnten<br />
bald die ökonomischen Chancen dieses<br />
Geschäftszweigs und hoben die<br />
Einfuhr-Zölle für Rohdiamanten auf,<br />
die Umsätze stiegen. 1944 gab es be -<br />
reits 33 Unternehmen – Werkstätten<br />
und Fabriken -, und diese beschäftigten<br />
insgesamt 3.300 vergleichsweise<br />
gut bezahlte Arbeiter. Bearbei -<br />
tete Diamanten waren das wichtigste<br />
Exportgut Palästinas.<br />
Doch erste Versuche, in der damals<br />
wirtschaftlich kargen Gegend Dia -<br />
man teure anzusiedeln, gehen weiter<br />
zurück, bis an den Anfang des vorigen<br />
Jahrhunderts, allerdings ohne<br />
Erfolg. Und auch als Rabbi Schlomo<br />
Weinstein, ein polnischer Zionist, im<br />
Jahr 1910 einige Schleifmaschinen in<br />
Antwerpen besorgen und nach Jeru -<br />
sa lem transportieren ließ, sollte daraus<br />
nichts werden. Die gut verstauten<br />
Geräte wurden erst 30 Jahre später<br />
ausgepackt und 1940 erstmals verwendet.<br />
Die Technologie, auf der die israelische<br />
Diamantenbranche aufbaut, da -<br />
tiert ins 15. Jahrhundert, und als be -<br />
deu tender Erfinder gilt ein Antwer -<br />
pener Jude, Lodewyk van Berken. Er<br />
entwickelte den so genannten Scaif,<br />
die Schleifscheibe, die mit Hilfe von<br />
kleinen Diamantsplittern und Oli ven -<br />
öl die Bearbeitung der härtesten ma -<br />
terialien erlaubt. Wie das technisch<br />
überhaupt möglich ist, erforschte<br />
das deutsche Fraunhofer institut erst<br />
in den letzten Jahren. Ein weiterer<br />
jüdischer Erfinder spielte später in<br />
der Entwicklung der industrie eine<br />
entscheidende Rolle: Marcel Tolkows ky,<br />
ein Antwerpener, dessen Familie ur -<br />
sprünglich aus Russland stammte und<br />
Diamanten bearbeitete, hatte 1919<br />
als 21jähriger mit komplizierten Be -<br />
rechnungen das Schleifen der Steine<br />
op timiert. Tolkowskys Ziel: mit mög -<br />
lichste wenig Abfall möglichst viel<br />
Brillanz und Feuer erzeugen. Seine<br />
nachfahren zählen auch heute noch<br />
zu den bedeutendsten Diamanteu-ren<br />
in Belgien.<br />
Die Diamantenindustrie in israel<br />
erlebte ihre erste Krise gleich nach<br />
Ende des zweiten Weltkriegs. in den<br />
USA waren die Preise verfallen,<br />
mehrere Schleif-Zentren, die in den<br />
Jahren zuvor gegründet worden wa -<br />
ren, etwa in Cuba, mexiko oder Bra -<br />
si lien, mussten schließen. Die isra e lis<br />
kamen mit einem blauen Auge da von,<br />
sahen aber ab der Staats grün dung<br />
1948 einen holprigen Weg vor sich,<br />
mit zahlreichen Auf und Abs. Erst<br />
einmal hatte der Unabhängig keits -<br />
krieg die Branche erschüttert, manche<br />
fürchteten sogar bereits ihr Ende.<br />
Doch dann übernahmen zahlreiche<br />
ehe malige Arbeiter einzelne Werk -<br />
stätten und machten sich selbständig,<br />
in den 50er Jahren kam es zu ersten<br />
Zusammenschlüssen und Gruppen-<br />
Bildungen. Hatte es 1948 erst 30 Un -<br />
ter nehmen gegeben, waren es zehn<br />
Jah re später schon 134, davon be -<br />
schäf tigten die fünf größten bereits<br />
jeweils mehr als 90 mitarbeiter.<br />
Die israelische Regierung erkannte<br />
schon sehr früh, dass diese Branche<br />
eine gute möglichkeit eröffnete, De -<br />
Blick in die Diamantenbörse<br />
© jonathan_torgovnik<br />
visen zu generieren, während die<br />
übri ge industrie noch nicht sehr weit<br />
entwickelt war. Daher legte sie den<br />
Unternehmen wenig bürokratische<br />
Hürden in den Weg und ließ sie ar bei -<br />
ten. Auch in den 60er und 70er Jah -<br />
ren wechselten einander im Dia man -<br />
tengeschäft Wachstum und Krise ab.<br />
Die beiden Kriege, 1967 und 1973,<br />
wirkten sich negativ aus, es gab Re -<br />
zes sionen in Europa und den Öl -<br />
schock. Dann traten neue Konkur -<br />
ren ten auf den Plan, vor allem die<br />
Sowjetunion und indien. Dennoch<br />
wurde in israel zügig investiert, 1968<br />
eröffnete die israelische Diamanten -<br />
börse in Ramat Gan im norden von<br />
Tel Aviv ihr Shimshon Building, mit 24<br />
Stockwerken damals eine Besonder -<br />
heit. Auch heute gelten die vier mo -<br />
dernen Wolkenkratzer, in denen ein<br />
Großteil der Diamantenbranche unter -<br />
gebracht ist, als Wahrzeichen der<br />
israelischen Wirtschaft.<br />
Eine ihrer schwersten Krisen durchlief<br />
die Branche am Beginn der 80er<br />
Jahre. Erst hatte eine internationale<br />
Spekulationsblase die Diamanten -<br />
prei se in die Höhe getrieben, hatte<br />
Unternehmer reich gemacht und zu<br />
neuen Firmengründungen geführt.<br />
Doch dann war diese Blase geplatzt,<br />
ein Großteil der Ware war mit Kre di -<br />
ten finanziert wurden, und um diese<br />
ab zudecken, mussten manche schnell<br />
verkaufen. in der Folge verfielen die<br />
Preise dramatisch – um bis zu 80 Pro -<br />
zent. Es brauchte bis 1985, bis sich<br />
der markt stabilisierte und zur früheren<br />
Größe zurückfand. Dann setzte<br />
wieder kräftiges Wachstum ein. in<br />
den folgenden Jahren reagierte die<br />
Branche auf den zunehmenden in -<br />
ter nationalen Wettbewerb: Es wurde<br />
automatisiert, denn die Lohnkosten<br />
eines indischen Schleifers machen<br />
nur einen Bruchteil seines israelischen<br />
Kollegen aus; es wurde ausgelagert,<br />
israelische Unternehmen lassen<br />
selbst anderswo in Asien oder<br />
auch in Osteuropa arbeiten; und es<br />
bildeten sich größere, durchstrukturierte<br />
Unternehmensgruppen heraus,<br />
von denen die besten über eigene<br />
internationale Vertriebskanäle verfügen.<br />
Ramat Gan ist längst zu einem<br />
Knoten im globalen netz geworden.<br />
32 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769
WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />
5<br />
Die Big Five<br />
Die vom Umsatz her<br />
größ ten israelischen Ex -<br />
por teu re polierter Dia -<br />
man ten waren laut industrie- und<br />
Handels ministerium im Jahr 2008:<br />
l.l.d. diamonds von Lev Leviev<br />
mit 417 mio. US-Dollar,<br />
leo schachter ltd.<br />
mit 352 mio.,<br />
a. dalumi dia monds<br />
mit 182 mio.,<br />
espeka dia monds international<br />
mit 159 mio. und<br />
Yerushalmi Bros.<br />
mit 150 mio. Dollar.<br />
Die Branche hat sich trotz 2.500<br />
Unternehmen insgesamt in den<br />
letzten Jahren konzentriert: Die 25<br />
größten Exporteure erzielen ge -<br />
mein sam mehr als 40 Prozent der<br />
Ge samt exporte. Dabei besteht ein<br />
Gutteil der Branche noch immer<br />
aus Familien un ternehmen, die sich<br />
schweigsam und diskret geben: 17<br />
dieser 25 größten Unter nehmen<br />
wol len auch vom mi nis terium<br />
nicht öffentlich genannt werden.<br />
Die internationale jüdische<br />
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High-Tech-Kompetenzen<br />
für israelische Araber<br />
Vorwiegend aus kulturellen Gründen<br />
hat israels arabische Bevölkerung bislang<br />
noch nicht von den Beschäfti -<br />
gungs möglichkeiten der israelischen<br />
High-Tech-Branche zu profitieren ver -<br />
mocht. Während rund 75.000 jüdische<br />
israelis in dem Bereich tätig<br />
sind, beläuft sich die Zahl der Araber<br />
nur auf wenige Hundert.<br />
Smadar nehab, die bereits eine<br />
erfolgreiche Karriere in der Branche<br />
hin ter sich hat, möchte diesem Zu -<br />
stand ein Ende setzen. Dafür hat sie<br />
vor zwei Jahren die gemeinnützige<br />
Organisation „Tsofen“ gegründet,<br />
mit der sie in nazareth, einer für eine<br />
jüdische israelin eher unüblichen<br />
Wir kungsstätte, Fortbildungskurse in<br />
Sachen High-Tech-Kompetenz anbietet.<br />
„Unser Ziel ist es, der israelischen<br />
Tech nikbranche eine signifikante zahl von<br />
arabischern Akademikern zuzuführen“,<br />
sagt nehab, deren Hoffnung es ist,<br />
nazareth zu einem herausragenden<br />
High-Tech-Center zu machen. 35 arabische<br />
ingenieure konnte sie bereits<br />
branchengerecht unterbringen.<br />
Jerusalem BioPark eröffnet -<br />
Haifa will nachziehen<br />
Die ersten mieter haben ihre Büros im<br />
brandneuen Hadassah medical Cen -<br />
ter Hebrew University Biotechnology<br />
Park bezogen. Der Jerusalem BioPark<br />
ist der erste biomedizinische indus -<br />
trie park in israel. Das Gebäude ist<br />
spe ziell auf die Bedürfnisse der For -<br />
schungs- und Entwicklungsaktivitä -<br />
ten in den Life Sciences zugeschnitten<br />
und verfügt im ersten Bauabschnitt<br />
über ca. 10.000qm nutzfläche.<br />
Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat<br />
hat zudem angekündigt, mit neuen<br />
Förderprogrammen das Wachstum<br />
des medizin- und Biotechnikclusters<br />
in der Hauptstadt weiter zu unterstützen.<br />
mit der Hebräischen Univer si tät<br />
und dem angeschlossenen Ha das sah<br />
medical Center verfügt Jeru sa lem<br />
über ausgezeichnete Forschungs in sti -<br />
tute, die einen großen Teil der biotechnologischen<br />
und der klinischen<br />
Forschung israels beitragen. Zum Je -<br />
ru salemer Life Science Cluster gehören<br />
derzeit ca. 110 Firmen mit 3.250<br />
An gestellten.<br />
Auch die Stadt Haifa im norden<br />
israels plant, einen großen Biotech no -<br />
logie-Park zu errichten und über ihre<br />
Haifa Economic Corporation in den<br />
näch sten fünf Jahren etwa eine mil -<br />
liar de Euro in den Ausbau des Parks<br />
zu investieren. Haifa ist eines der<br />
Zentren der israelischen biomedizinischen<br />
industrie. mit dem Technion<br />
verfügt die Stadt über eine der angesehensten<br />
technischen Universitäten<br />
der Welt, und der bereits bestehende<br />
Haifaer matam High Tech Park ist<br />
unter anderem Standort des Technion<br />
Entrepreneurial incubators, der auch<br />
biomedizinische Startups unterstützt.<br />
Neuer Haushalt verabschiedet<br />
Die Knesset hat den Haushalt für 2009<br />
und 2010 verabschiedet. nach einer<br />
langen und erhitzten Debatte stimmten<br />
58 Abgeordnete für und 36 gegen<br />
den Finanzplan der Regierung ne -<br />
tanyahu. Für das laufende Jahr 2009<br />
sind 57,9 mrd. Euro vorgesehen, für<br />
das Jahr 2010 59,5 mrd. Euro.<br />
Finanzminister Yuval Steinitz sprach<br />
nach der Abstimmung von einem „Fei -<br />
ertag für alle Bürger des Staates Is ra el“.<br />
„Die Regierung und die Knesset haben<br />
bewiesen, dass sie über Mut, Vi ta lität<br />
und Führungskraft verfügen. Dies ist der<br />
am stärksten sozial orientierte Haus halt<br />
des vergangenen Jahrzehnts.“<br />
Es war dies das erste mal, dass der<br />
Staatshaushalt für einen Zeitraum<br />
von zwei Jahren festgelegt wurde.<br />
Trotz Krise - Ausländische<br />
Direktinvestitionen gestiegen<br />
Trotz der sich ausweitenden Wirt -<br />
schafts krise ist die Summe der ausländischen<br />
Direktinvestition in israel<br />
im Jahr 2008 um 5% auf US$ 10,5<br />
mrd. gewachsen, wie jüngste Zahlen<br />
der Bank of israel zeigen. momentan<br />
wird auch israel von der globalen<br />
Wirtschaftskrise hart getroffen, dürfte<br />
sich aber aus Sicht von Experten ab<br />
dem zweiten Halbjahr 2009 wieder<br />
erholen.<br />
Der internationale Wäh rungs fonds<br />
(iWF) erwartet, dass die Volks wirt -<br />
schaft des Landes in diesem Jahr um<br />
1,7% schrumpft, 2010 aber wieder ein<br />
leichtes Wachstum von 0,3% er zielt.<br />
im ersten Quartal 2009 schrumpf te die<br />
israelische Wirtschaft um 3,9% ge -<br />
genüber dem ersten Quar tal 2008 und<br />
die Arbeitslosigkeit stieg auf 7,8% im<br />
April 2009 (6,1% im April 2008).<br />
Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 33
WISSENSCHAFT • ISRAEL<br />
Israel ist kein „spontanes Reiseziel“<br />
Ami Tzubery, 51, wird ab dem 2. Au -<br />
gust in Berlin das Staatliche israelische<br />
Verkehrsbüro leiten und Daniel<br />
neumann ablösen. Die Berliner Filia -<br />
le des israelischen Tourismusministe -<br />
ri ums ist Anlaufstelle für Reiseunter -<br />
nehmer in Deutschland, Schweiz und<br />
Österreich.<br />
Der geschiedene Vater von zwei Kin -<br />
dern, ist in Beth Zeit geboren, einem<br />
Dorf nahe Jerusalem, gelernter Lin -<br />
guist und spricht fließend Deutsch.<br />
„Es gibt Unterschiede bei den Zielgruppen<br />
in den von mir betreuten Ländern“,<br />
sagt Tzubery in seinem schlichten<br />
Jerusalemer Büro. „In Österreich sind<br />
70 Prozent der Bevölkerung Katholiken.<br />
Dort arbeiten viele Unternehmer mit dem<br />
religiösen Publikum. Die Österreicher ha -<br />
ben zudem eine ganz besondere Art, auf<br />
Reisen zu gehen. Da gibt es Energie wo -<br />
chen im Februar. In der Schweiz ist es vor<br />
allem der jüdische Markt. Sonst kommen<br />
nicht viele Schweizer nach Israel. In<br />
Deutsch land verteilen sich die Israel-Be -<br />
su che über das ganze Jahr, vor allem je doch<br />
auf die kühlere Periode zwischen Oktober<br />
und April.“<br />
in diesem Jahr, so Tzubery, werde er<br />
das Schwergewicht auf Gruppen rei -<br />
sen und Einzelreisende legen, die an<br />
„Kultur und Geschichte“ interessiert<br />
seien: „Das umfasst die reinen Pilger,<br />
wie jene, die sich nicht als fromm bezeichnen,<br />
dennoch die Grabeskirche und andere<br />
Heilige Stätten besuchen.“ Für Tou -<br />
ris ten aus aller Welt sei israel kein<br />
„gewöhnliches“ Reiseziel. „Niemand<br />
wacht eines Morgens auf und sagt sich,<br />
jetzt fahre ich nach Israel.“ nach Spa ni -<br />
en oder italien brechen Urlauber auch<br />
mal spontan auf. „Wer nach Israel<br />
kommt, hat ein Ziel. Das ist irgendwie<br />
mit dem Heiligen Land verknüpft.“<br />
„Das hat etwas mit der Geschichte dieses<br />
Ortes zu tun. Wir können uns davon<br />
nicht loslösen. Wir werden nicht einfach<br />
besucht, weil Tel Aviv eine Spaßstadt ist.<br />
Das ist nett als Zugabe, aber nur im Rah -<br />
men einer Gesamtrundfahrt. Die We nig -<br />
s ten würden nur Tel Aviv besuchen, so<br />
wie andere Touristen gezielt nach Berlin<br />
oder Paris reisen.”<br />
Für Tzubery ist das eine Tatsache. Es<br />
sei sinnlos, Energie aufzuwenden, das<br />
zu ändern. Sinnvoller sei es, Be su cher<br />
mit kultureller oder religiöser Bin -<br />
von Ulrich W. Sahm<br />
dung zu israel von einem Ab stecher<br />
nach Tel Aviv oder zum Toten meer<br />
zu überzeugen.<br />
Tzubery gesteht, dass die Einrichtung<br />
eines „Tel Aviv Strand“ in <strong>Wien</strong> oder<br />
Journalistenfahrten zu Winzern in is -<br />
rael „nicht den gewünschten Ef fekt“<br />
hatten. Dennoch werde sein minis -<br />
terium damit fortfahren, zum Beispiel<br />
mit marco Rödel, einem deutschen<br />
Radsportler, durch Galiläa radeln.<br />
nächstes Jahr werde es in Haifa eine<br />
Rad-meisterschaft geben. „Wir fahren<br />
damit fort, weil es von Israel ein Bild des<br />
´business as usual´, normalen Lebens, ver -<br />
mittelt.”<br />
nach einer Runde bei Reiseun ter neh -<br />
mern in Deutschland habe er festgestellt,<br />
dass Fernsehreklame, bei der<br />
man menschen beim Jogging sah, die<br />
dann „Schalom, Schalom“ riefen,<br />
sehr gut angekommen sei. Bei „Bibli-<br />
sche Reisen“ habe man ihm gesagt,<br />
dass diese Bilder Pilgern vorgeführt<br />
hätten, wie sehr israel ein „normales<br />
Land“ sei.<br />
Tzubery betont die Kooperation mit<br />
den Palästinensern. natürlich gebe es<br />
politische Probleme. „Die werden wir<br />
bis morgen früh nicht lösen. Wir wollen<br />
genauso wie unsere Partner möglichst<br />
viele Touristen ins Heilige Land locken.<br />
Beide Seiten verdienen daran, Bethlehem<br />
wie Jerusalem. Wer Israel meidet, schadet<br />
auch Palästinensern.“<br />
Tzubery sagte<br />
weiter, dass der<br />
Gaza-Krieg nur<br />
geringfügig am<br />
Einbruch der<br />
Tou ristenzahlen<br />
schuld sei. nach<br />
Angaben deutscher<br />
Reise bü -<br />
ros habe die<br />
Wirt schaftskrise<br />
weltweit einen spür baren Rückgang<br />
der Reisen be wirkt. Bei Studiosus wur -<br />
de ihm er klärt, dass es 2008 einen<br />
Rückgang bei Reisen nach Ägypten,<br />
Jordanien und in die Türkei gegeben<br />
habe, aber ausgerechnet bei israel ein<br />
Zuwachs von 50 Prozent. Studiosus<br />
wen de sich im Falle israels „an ein<br />
ganz spezielles Pu blikum, das Geld hat,<br />
es sich leisten kann und eben großes<br />
Interesse hat.“<br />
Israelische<br />
Wüstenpflanze<br />
bewässert sich selbst<br />
© Simcha Lev-Yadun<br />
Ein Forscherteam der Universität<br />
in Hai fa hat eine Wüstenpflanze<br />
untersucht, die sich selbst bewässern<br />
kann. Bisher ist es die einzige<br />
Pflanze ihrer Art.<br />
Ein israelischer Botaniker hat<br />
schon vor 70 Jahren an der Pflanze<br />
ge forscht. Auf Grund ihres Stand -<br />
ortes hat sie spezielle Blätter entwickelt,<br />
die durch Kerben und Ka -<br />
näle Regen wasser direkt in die<br />
Wur zeln führen können. Wie das<br />
Jour nal „natur wis sen schaften”<br />
be richtet, werde die Pflanze als Bei -<br />
spiel für neue Wege der Bewässe -<br />
rung in der Landwirtschaft gehandelt.<br />
Die Pflanze wachse laut den<br />
Forschern nur in israel und Jorda -<br />
nien.<br />
Der Forscher Simcha Lev-Jadun<br />
sagt: „Das, was wir auf der Ober flä -<br />
che der Pflanze sehen, wurde vor 2.000<br />
Jahren auf mehreren hundert Qua drat -<br />
kilo me tern schon von Menschen angewandt,<br />
die in der Negev-Wüste wohnten.<br />
Ich bin si cher, dass sie diese einfache<br />
physikalische Re gel angewendet<br />
und ausgebaut ha ben.” Schon zur<br />
Zeit des zweiten Tem pels hätten die<br />
Be woh ner der negev-Wüste schon<br />
„Ka nä le” gebaut, um die Bewäs se -<br />
rung zu verbessern.<br />
Die Pflanze könne in lebensfeindli -<br />
chen Gebieten überleben, da sie 16<br />
mal mehr Wasser speichern könne<br />
als andere Pflanzen in dieser Re gi -<br />
on, fan den die Forscher heraus.<br />
Laut einer Studie kann der Wüs -<br />
ten rha barber 4,2 Liter Wasser pro<br />
Jahr ge winnen. Die wachsähnlichen<br />
Blätter verringern den Ver -<br />
lust von Wasser auf dem Weg in<br />
die Wurzel.<br />
inn<br />
34 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769
WISSENSCHAFT • ISRAEL<br />
Israel als<br />
Ornithologenparadies<br />
Solarstrom-Blume<br />
mitten in der Wüste<br />
in der Arava-Wüste, zwischen dem<br />
Toten meer und Eilat, steht seit kur -<br />
zem eine futuristische Solar strom an -<br />
la ge. Rund 200 Bewohner eines Kib -<br />
bu zes können sich nicht nur an kos -<br />
ten losem Strom vom Himmel erfreuen,<br />
sondern auch über eine anziehende<br />
Architektur.<br />
im Januar begann der Bau der Solar -<br />
stromanlage im Kibbuz Samar. Wie<br />
die Tageszeitung „Ha´aretz” berichtet,<br />
ist es die erste kommerzielle So lar -<br />
stromanlage in israel, die den ganzen<br />
Tag ohne Unterbrechung Strom liefern<br />
kann. Die Technik dazu wurde am<br />
Weizmann institut für Wissenschaft<br />
in Rehovot entwickelt.<br />
Die Anlage erstreckt sich über eine<br />
Fläche von 2.000 Quadratmetern und<br />
besteht aus 30 einzelnen Spiegeln, die<br />
sich nach der Sonne ausrichten können.<br />
Jeder Spiegel fokussiert seinen<br />
Strahl auf ein Empfangsteil auf der<br />
Spitze eines Turms, die wie eine Lo -<br />
tusblüte geformt ist. Die Spitze wird<br />
durch die gebündelten Sonnen strah -<br />
len auf eine Temperatur von über<br />
1.000 Grad Celsius erhitzt. Eine Gas -<br />
tur bine wandelt die Hitze in Elektri -<br />
zität um. Rund 100 Kilowatt erzeugt<br />
der Generator, genug für 50 bis 70<br />
Familien.<br />
„Die Solar-Anlage ist nicht nur eine ökologische<br />
Errungenschaft, sondern auch<br />
eine architektonische und künstlerische”,<br />
schreibt die Tageszeitung. Errichtet<br />
wurde die Anlage von der israelischen<br />
Firma AORA. Der Architekt<br />
Haim Dotan half bei der Konstruktion.<br />
Er gilt laut der Tageszeitung „Ha´a-<br />
retz” als einer der kreativsten und<br />
bedeutendsten Architekten isra els.<br />
Von ihm stammt etwa neue Kultur -<br />
zen trum in Aschdod und das Andre<br />
minkoff Auditorium in Be’er Scheva.<br />
Die „Blume” passe gut in das Umfeld<br />
des ländlichen Kibbuz, betont Dotan.<br />
„Die Idee hinter dem Design war, dass<br />
Solarenergie dazu führen kann, dass die<br />
Wüste erblüht”, sagt der Architekt.<br />
„Deshalb entschieden wir uns für eine Blu -<br />
menform. Wenn es mehrere solcher Tür -<br />
me gibt, vielleicht sechs oder zehn, haben<br />
wir einen ‘Garten’ geschaffen.” Der<br />
Stahlturm erhielt eine gelbe Farbe,<br />
die zur Wüste ringsum passt. Laut<br />
Dotan könne das futuristische Design<br />
auch dazu beitragen, die Aufmerk -<br />
samkeit derer, die durch die Gegend<br />
kommen, auf Solarenergie zu lenken.<br />
Der Architekt will nun versuchen, sei -<br />
ne „Blume” nach China zu verkaufen,<br />
wo er am israelischen Pavillon auf der<br />
Expo 2010 in Shanghai arbeitet. inn<br />
israels führende Ornithologen planen,<br />
das Land zu einem internationalen<br />
Anlaufpunkt für vogelbegeis ter te<br />
Touristen zu machen. nun hat sich<br />
auch Stanley Fisher, der Präsident der<br />
Bank of israel, hinter die initiative ge -<br />
stellt, im ganzen Land Vogelbeo bach -<br />
tungsstationen einzurichten<br />
Die initiative wurde am international<br />
Center for the Study of Bird migra ti on<br />
in Latrun entwickelt, das von Dr. Yossi<br />
Leshem vom institut für Zoolo gie an<br />
der Universität Tel Aviv geleitet wird.<br />
Sie basiert auf neun bestehenden Vo -<br />
gelstationen, die ausgebaut und um<br />
sechs weitere ergänzt werden sollen.<br />
israel wird jährlich von rund einer<br />
milliarde Zugvögeln passiert; 540 Ar -<br />
ten sind zu beobachten. Etwa 30.000<br />
Vogelfreunde besuchen das Land je -<br />
des Jahr. Schätzungen zufolge könn te<br />
sich ihre Zahl durch den systematischen<br />
Ausbau der ornithologischen<br />
Zen tren auf 100.000 steigern lassen.<br />
Yossi Leshem meint im Hinblick auf<br />
die sich eröffnenden Aussichten für<br />
die Tourismusbranche: „Wenn man<br />
heute Leute auf der Welt fragt, was sie<br />
über Israel wissen, sagen sie, dass sie<br />
vom israelisch-arabischen Konflikt gehört<br />
haben oder von Sachen, die mit der Ge -<br />
schich te oder Archäologie zu tun haben.<br />
Von nun ab wird Israel durch seine<br />
Natur bekannt sein. Ein Tourist kann<br />
Wis sen über Raubvögel in der Wüste Ju -<br />
däas erwerben. Wenn er sie verpasst, wird<br />
ihm nichts anderes übrig bleiben als<br />
Massada zu besuchen.“<br />
Haaretz<br />
WISSENSCHAFT<br />
Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 35
© Picaphone LTD<br />
Ori Shaked<br />
Das erste<br />
internationale<br />
Telefonbuch<br />
der Welt<br />
in einer Pressemitteilung, die Anfang<br />
Juni in über 100 Ländern veröffentlicht<br />
wurde, fordert die Picaphone<br />
Web site die menschen weltweit dazu<br />
auf, ihre Site aufzurufen und bei der<br />
Erschaffung des weltweit ersten in -<br />
ter nationalen Telefonbuchs und E-<br />
mail-Datenspeichers mitzumachen.<br />
http://www.picaphone.com startete eine<br />
der grössten internationalen Projekte<br />
im Web - das erste internationale Te -<br />
lef onbuch der Welt. in der Presse mit -<br />
teilung wurde die Öffentlichkeit dazu<br />
aufgerufen, sich an dem neuen inter -<br />
net-Projekt zu beteiligen, damit zum<br />
ersten mal in der Geschichte ein in -<br />
ter nationales Telefonbuch geschaffen<br />
wird, das allen zur Verfügung stehen<br />
wird und es nutzern ermöglicht, kostenlose<br />
Anrufe an jeden Ort der Welt<br />
tätigen zu können.<br />
Die Website wird auch weltweit so for -<br />
tigen Zugriff auf jede Telefonnummer<br />
und E-mail-Addres se, die der nutzer<br />
eventuell brauchen könnte, ermögli -<br />
chen. Hierdurch wird die Abhängig -<br />
keit von der Exklusiviät der informa -<br />
tionen, die die Telefon ge sellschaften<br />
derzeit in allen Ländern geniessen,<br />
WISSENSCHAFT • ISRAEL<br />
beendet. Zusätzlich werden die nut -<br />
zer die Dienstleistungen der Telefon -<br />
ge sell schaften nicht mehr in An spruch<br />
nehmen müssen, um An ru fe zu tätigen,<br />
sondern können dies stattdessen<br />
über die Website erledigen - und das<br />
völlig kostenlos. Dies ist eine konzeptionelle<br />
Revolution, die den ganzen<br />
Telefonmarkt weltweit betrifft und<br />
somit das markt monopol der Tele -<br />
fon ge sellschaften beenden wird.<br />
Gleich vom ersten Tag, wird die Web -<br />
site in 12 Sprachen zur Verfügung stehen,<br />
die 91% der Weltbevölkerung<br />
ab decken: Englisch, Chinesisch, ita li e -<br />
nisch, Französisch, Deutsch, Spa nisch,<br />
Arabisch, Portugiesisch, Rus sisch,<br />
Koreanisch, Hebräisch und Japa -<br />
nisch. Ziel für die Zukunft wird sein,<br />
die Website in alle Sprachen zu übersetzen.<br />
Die nutzer werden ihre infor -<br />
mationen in ihrer eigenen Sprache<br />
und auf Englisch eintragen, um das<br />
Suchen und Austauschen der infor ma -<br />
tionen auf internationaler Basis ge -<br />
währ leisten zu können.<br />
Dieses innovative Projekt ist die idee<br />
von Ori Shaked aus israel und wird<br />
von der Shaked Family Foundation<br />
finanziert, die zu den Gründern des<br />
erfolgreichen internet Unternehmens<br />
888.com, einer internet-Gaming Web -<br />
site, gehört, die an der Londoner Börs e<br />
gehandelt wird und von shvoong.com,<br />
einer globalen Plattform zum Aus -<br />
tausch von Wissen, die in 34 Sprachen<br />
verfügbar ist.<br />
Ori Shaked, der Gründer der Web site,<br />
meint hierzu: „Zum erste Mal überhaupt<br />
wird die http://www.picaphone.com<br />
Website es jedem ermöglichen, so einfach<br />
wie möglich, umsonst und schnell Zugriff<br />
auf die Telefonnummern von Privatper -<br />
sonen und Unternehmen weltweit zu er -<br />
hal ten, ohne die Telefongesellschaften für<br />
die benötigten Informationsdienste in<br />
Anspruch nehmen zu müssen und für die -<br />
se zu bezahlen. Der Erfolg dieses ehrgeizigen<br />
Projekts hängt nur von der Koopera -<br />
tion der Websurfer in aller Welt ab. Ziel<br />
ist es, innerhalb der ersten Mo na te Millio -<br />
nen von Nutzern zu erreichen.”<br />
http://de.picaphone.com/default.aspx<br />
Für weitere informationen:<br />
Dan-Oren, Strategie & PR<br />
Büro +972-3-613-1222<br />
maly Cohen-Braier, mobil +972-52-696-1625<br />
Amir Dan, mobil +972-52-696-1621<br />
Neue Therapie für<br />
Verbrennungsopfer<br />
Ein Arzt in Tel Aviv hat eine Therapie<br />
entwickelt, durch die Ver bren nungs -<br />
op fer schneller geheilt werden sollen<br />
– und die macht auch noch Spaß: Um<br />
psychische Folgen durch Brandnar ben<br />
zu verhindern, zocken die Patien ten<br />
Computerspiele.<br />
Allein die USA verzeichnen im Jahr<br />
rund eine halbe million Verbren nungs -<br />
opfer. Ein Drittel von ihnen trägt bleibende<br />
Schäden davon. nicht selten<br />
sind diese auch äußerlich. Eine der<br />
größten Schwierigkeiten für Ver bren -<br />
nungsopfer ist es deshalb häufig, mit<br />
ihren bleibenden narben zu leben und<br />
sich selbst zu akzeptieren, auch wenn<br />
sie nie wieder aussehen werden wie<br />
früher. Eine neuartige Beschäfti gungs -<br />
therapie aus Tel Aviv verspricht nun<br />
eine schnellere Heilung für solche Pa -<br />
tienten, insbesondere soll sie De pres -<br />
sionen vorbeugen. Dazu müssen die<br />
Geschädigten nichts weiter tun, als<br />
Com puter zu spielen - und zwar mithilfe<br />
des „Sony Playstation EyeToy”.<br />
Spieler sieht sich selbst und gewinnt<br />
Selbstbewusstsein<br />
Dr. Joseph Haik hat seine konsolenunterstützte<br />
methode schon 2006 an<br />
der Universität Tel Aviv getestet und<br />
in der von ihm geleiteten Verbren -<br />
nungs abteilung des Krankenhauses Tel<br />
HaSchomer eingeführt. Der „EyeToy”<br />
besteht aus einer Webcam, die die Be -<br />
wegungen des Spielers registriert und<br />
auf einen Bildschirm überträgt. Der<br />
Be nutzer sieht sich also selbst während<br />
des Spiels zu. Das nutzt Haik, um<br />
die realistische Selbstwahr neh mung<br />
seiner Patienten zu unterstützen.<br />
Besonders die Selbstwahrnehmung<br />
sei wichtig, um eine schnelle Heilung<br />
her beizuführen. Depressionen und<br />
andere psychische Beeinträch ti gun -<br />
gen könn ten eine Heilung schwieriger<br />
und schmerzhafter machen, als sie ei -<br />
gent lich wäre. Deshalb sei die „Eye-<br />
Toy”-methode besonders wichtig,<br />
denn das Spiel zeige den Patienten ih -<br />
re Ver letzungen auf originelle Weise.<br />
Zudem würden die Patienten durch<br />
die Beschäftigung mit dem Spiel von<br />
ihren teilweise furchtbaren Schmer zen<br />
abgelenkt.<br />
inn<br />
36 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769
JÜDISCHE WELT • INLAND<br />
Sie haben übermorgen Gäste und<br />
wissen nicht, wie Sie das noch<br />
hinkriegen sollen? Ihre Tochter heiratet<br />
und das Fest wächst sich zu einem<br />
Großevent aus? Dann ist Shalom<br />
Bernholtz Ihr Mann. Er ist aus der<br />
<strong>Wien</strong>er koscheren Gastronomie nicht<br />
mehr wegzudenken. Das Handy ist<br />
sein ständiger Begleiter. Ganz nach<br />
dem Motto: Sie rufen, wir liefern.<br />
VON ALEXIA WEISS<br />
„Wenn ich Freizeit<br />
habe, bin ich unruhig“<br />
Es riecht nach Kuchen in den Räum -<br />
lich keiten von Bernholtz Catering in<br />
der Leopoldstadt. Eine mitarbeiterin<br />
legt kleine Tabletts auf einem großen<br />
Tisch auf, Kante an Kante, am Ende<br />
werden es dutzende sein. Stunden<br />
später werden koscher essende Flug -<br />
gäste der AUA-Gruppe in einen der<br />
köstlichen Brownies beißen, die hier<br />
eben sorgfältig verteilt werden.<br />
Shalom Bernholtz hat immer viel zu<br />
tun. Während des Gesprächs ruft ein<br />
Vater an, dessen Sohn in Kürze Bar<br />
mitzvah feiert. Leider kollidiert sie mit<br />
der Bar mitzwah von Bernholtz‘ jüng -<br />
stem Sohn. insgesamt hat er sechs Kin -<br />
der, eine Tochter und fünf Söhne,<br />
zwi schen 13 und 29 Jahren. Vielleicht<br />
wolle der Vater die Feier verschieben?<br />
Es sieht nicht danach aus. man<br />
wird sich später nochmals zusam men -<br />
rufen. Es ist nicht das einzige mal, dass<br />
in dieser Stunde das Handy klingelt.<br />
Bernholtz ist dennoch immer gut ge -<br />
launt. Stress scheint er nahezu als He -<br />
raus forderung zu betrachten, freie Zeit<br />
ist ihm suspekt. „Wenn ich Freizeit<br />
habe, bin ich unruhig“, sagt er und zieht<br />
an seiner Zigarette. Er rauche seit seinem<br />
17. Lebensjahr erzählt Bernholtz,<br />
einmal habe er für eineinhalb Jahre<br />
aufgehört, zuletzt vor vier Jahren ein<br />
Jahr Rauchpause eingelegt. Doch<br />
auch guter Küche kann der umtriebige<br />
Gastronom viel abgewinnen. Er esse<br />
gerne Fisch, Salate, milchprodukte.<br />
„Am Abend nach einer großen Veran staltung<br />
komme ich nach Hause und esse<br />
Cracker mit gutem Käse.“ Dann sei wieder<br />
ein Fest gut über die Bühne<br />
gegangen, dann fühle er sich wohl.<br />
Feiern für zehn bis 2.000 Personen<br />
richtet Shalom Bernholtz in <strong>Wien</strong> aus.<br />
Zuletzt hat er zudem in Polen den<br />
„march of the Living“ betreut. 2.500<br />
Teilnehmer galt es vier Tage lang mit<br />
koscherem Essen zu versorgen. Seine<br />
im Vorjahr in Krakau eröffnete Küche<br />
lief auf Hochtouren. nervös sei er vor<br />
diesem Großevent doch gewesen, gibt<br />
Bernholtz zu. im kommenden Jahr<br />
werde er schon wissen, dass auch das<br />
zu schaffen ist. „Ich bin ständig am<br />
Lernen.“<br />
Learning by doing: das scheint das<br />
Lebensmotto von Bernholtz zu sein.<br />
nach seiner Jeschiwe-Zeit, in deren<br />
Sommern er bereits in der Betreuung<br />
von Jugendlichen tätig war, bekam er<br />
eine Stelle als Schuldirektor in Zefat.<br />
Zu dieser Zeit hat er wohl nicht ge -<br />
ahnt, dass es ihn, seine Frau mali und<br />
seine Kinder eines Tages nach Österreich<br />
verschlagen würde. Shalom<br />
Bern holtz‘ Familie lebt bereits seit acht<br />
Generationen in Jerusalem, auch er<br />
ist dort geboren. Er liebt israel.<br />
Die junge Familie beschließt in den<br />
achtziger Jahren, nach <strong>Wien</strong> zu ge -<br />
hen, um Jüdischkeit zu verbreiten.<br />
Sha lom Bernholtz unterrichtet zu -<br />
nächst an einer jüdischen Schule, später<br />
vorrangig privat. Rund 500 Buben<br />
habe er auf die Bar mitzwah vorbereitet.<br />
Deutsch hat er innerhalb von<br />
zwei Jahren erlernt, sein Akzent ist<br />
dennoch unverkennbar – und liebenswert.<br />
mitte der achtziger Jahre wechselt<br />
Bernholtz langsam in die Gastrono -<br />
mie. Den Anfang machte er mit ko -<br />
scherer Pizza, das gab es zuvor in<br />
<strong>Wien</strong> nicht. Daneben unterrichtet er<br />
weiter Kinder. Das wird ihm irgendwann<br />
zu viel. Auf die Pizzeria folgt<br />
ein koscheres Restaurant in der Franz<br />
Hochedlinger-Gasse. Sukzessive<br />
kommt das Catering-Geschäft dazu.<br />
Fluglinien, Schulbuffet, private Feste,<br />
jüdische Gruppen, die <strong>Wien</strong>, Prag<br />
und Budapest besuchen, Bestel lun -<br />
gen von Hotels wie dem Hilton über<br />
das Bristol bis zum imperial, Som mer -<br />
frischen am Semmering, in italien, in<br />
Slowenien oder der Schweiz – jedes<br />
Jahr gestaltet sich etwas anders. Teil -<br />
weise pendelt Bernholtz in manchen<br />
Sommern zwischen drei Ländern.<br />
Doch das Autofahren macht ihm<br />
Spaß, „das ist keine Last“. Eigentlich<br />
seien diese Sommer-Tripps alle lustig<br />
gewesen. Und er hört dabei gerne<br />
musik. im Himmel liege die Tür zum<br />
Raum der Lieder gleich neben der<br />
Tür zum Raum der Tschuva, dem<br />
Wie dergutmachen. „Ich bin mit Lie -<br />
dern sehr befreundet.“<br />
JÜDISCHE WELT<br />
Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 37
JÜDISCHE WELT • INLAND<br />
Die wenigen male, die ihn Alpträu me<br />
plagen, träumt er, dass er einen Ter -<br />
min verschwitzt hat. „Da rufen mich die<br />
Leute an und fragen mich, wo bist du,<br />
und ich habe nichts vorbereitet.“ in der<br />
Realität kommt das aber natürlich<br />
nicht vor.<br />
Rosch HaSchana und Pessach, das<br />
sei en in <strong>Wien</strong> die stressigsten Zeiten,<br />
da wollen besonders viele jüdische<br />
Familien von ihm beliefert werden.<br />
Ge fillte Fisch stehe dabei auf der<br />
Wunschliste ganz oben. ins Restau -<br />
rant Alef Alef dagegen kommen auch<br />
immer wieder viele nichtjuden, Tou -<br />
risten wie <strong>Wien</strong>er, die einmal jüdische<br />
Gerichte probieren wollen. Auch<br />
unter seinen Catering-Kunden für<br />
Par tys sind übrigens viele nicht ju -<br />
den, erzählt Bernholtz. insgesamt be -<br />
schäftigt er in seinem Catering-Be trieb<br />
sechs Köche. Bei Großveranstal tun gen<br />
hat er bis zu 70 Leute an der Hand,<br />
die ein eingespieltes Team seien.<br />
Dass er jemals in Pension geht, kann<br />
sich Shalom Bernholtz nicht vorstellen.<br />
„Die Arbeit macht mir wahnsinnig<br />
Spaß.“ Die größte Freude machen ihm<br />
übrigens „gut gelaunte Leute und eine<br />
gelungene Party“.<br />
zur Person<br />
info<br />
restaurant alef alef<br />
Seitenstettengasse 4<br />
1010 <strong>Wien</strong><br />
Tel.: 01 - 535 25 30<br />
Bernholtz catering<br />
Lichtenauergasse 6<br />
1020 <strong>Wien</strong><br />
Tel.: 01 – 214 91 40 oder<br />
0664 – 321 28 99<br />
shalom Bernholtz, geb. 1957 in Jerusalem, Gymnasium und Jeschiwe in<br />
israel. Es folgen eine Lehrerausbildung (Talmud und Religion) sowie<br />
Semichut lerabbanut (Rabbinerprüfung). Danach Schulleiter in Zefat.<br />
Dann Übersiedlung nach <strong>Wien</strong>. Hier zu Beginn Tätigkeit als Lehrer,<br />
mitte der acht ziger Jahre dann Wechsel in die Gastronomie. Start mit<br />
einer koscheren Pizzeria, etwas später milchig-fleischiges koscheres<br />
Restaurant in der Franz Hochedlinger-Gasse. Einstieg in das koschere<br />
Flugcatering, bis heute versorgt Bernholtz die AUA-Gruppe mit koscheren<br />
menüs. Seit 2000 führt er das fleischige Restaurant ‘Alef Alef’ in der<br />
Seitenstettengasse.<br />
Daneben führt er das Bernholtz Catering, das für große und kleine Feste<br />
liefert und im Sommer auch Hotels von der Schweiz über italien bis<br />
Slowenien beliefert. Seit kurzem betreibt er auch eine Küche in Krakau,<br />
versorgte dort im vergangenen mai die 2.500 Teilnehmer des „march of<br />
the Living“ mit koscherem Essen.<br />
Seit 1979 mit mali verheiratet, die in der Schweiz aufgewachsen ist. mali<br />
Bernholtz arbeitet als Lehrerin an der Zwi Perez Chajes-Schule. Das Paar<br />
hat sechs (teilweise bereits erwachsene) Kinder und sieben Enkelkinder.<br />
nur der jüngste Bub (13) lebt in <strong>Wien</strong>, ein Kind ist nach Kanada gegangen,<br />
die anderen Kinder leben in israel.<br />
„Nicht koscher”:<br />
<strong>Wien</strong>er Jüdischer<br />
Chor feiert<br />
20-jähriges Jubiläum<br />
Ein Stück jüdischen Lebens in <strong>Wien</strong><br />
feiert heuer 20-jähriges Jubiläum: Der<br />
<strong>Wien</strong>er Jüdische Chor (WJC), der im<br />
Jahr 1989 von der Familie Smolka ge -<br />
gründet wurde. Der WJC - unter der<br />
Lei tung von Roman Grinberg - gab im<br />
Juni ihr Geburtstagskonzert „A bissele<br />
Glik” im prall gefüllten mozartsaal<br />
des <strong>Wien</strong>er Konzerthauses.<br />
Der <strong>Wien</strong>er Jüdische Chor ist ein Bei -<br />
spiel für kulturellen Austausch und<br />
da für, wie „harmonisch das Miteinan der<br />
von Juden und Nicht-Juden, von gebürtigen<br />
Österreichern und Einwanderern sein<br />
kann”, sagte Chor-Präsident Timothy<br />
Smolka in seiner Ansprache. Der WJC<br />
ist von seiner Zusammensetzung her<br />
kein „koscherer” Chor. Es singen dort<br />
männer und Frauen, Juden und<br />
nicht-Juden - „die die gemeinsame Lie be<br />
zur jüdischen Musik und der Respekt vor<br />
dem Judentum verbindet”, so Smol ka.<br />
ins Leben gerufen wurde der Chor<br />
vor 20 Jahren von Smolkas Tochter<br />
Eva, die damals nach einer möglich -<br />
keit gesucht hat, jüdische Kultur in<br />
<strong>Wien</strong> wieder publik zu machen. Ein<br />
achtköpfiges Ensemble machte den<br />
An fang, als Probenraum diente das<br />
Wohnzimmer der Familie Smolka.<br />
Heute besteht der Chor aus fast 50<br />
mit gliedern und ist als Teil des jüdischen<br />
Lebens in <strong>Wien</strong> nicht mehr weg -<br />
zudenken. Die musikalische Leitung<br />
hat Roman Grinberg inne, der den<br />
größten Teil der Lieder selbst arrangiert.<br />
Das Repertoire des Chores umfasst<br />
vor allem jiddische, hebräische und<br />
englische Stücke, darunter bekannte<br />
Gassenhauer ebenso wie so manch<br />
verloren geglaubtes Liedgut.<br />
Grinberg pflegt den Austausch mit<br />
internationalen musikern, die die<br />
Shoa überlebt und in Vergessenheit<br />
geratene Lieder bewahrt haben. mit<br />
dem Chor will der Künstler dazu beitragen,<br />
diesen Schatz zu bergen, die<br />
Lieder wiederzuentdecken und mit<br />
neuem Leben zu füllen.<br />
http://www.wjchor.at<br />
38 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769
JÜDISCHE WELT • INLAND<br />
Der alte jüdische Friedhof am Judenbühel<br />
©Bloch<br />
©Krausa<br />
Auszug aus der Rede von Esther Fritsch, Prä -<br />
sidentin der <strong>Israelitische</strong>n Kultus ge meinde<br />
Tirol an lässlich der Ein weihung der Ge denk -<br />
stätte „Alter Jüdischer Friedhof – Juden -<br />
bühel“ am 16.7.2009 in Innsbruck<br />
nach dem jüdischen Glauben werden<br />
Friedhöfe für die Ewigkeit errichtet.<br />
Wir sind hier an einem solchen ge -<br />
weih ten Ort, der von Tiroler Juden vor<br />
vielen Jahrhunderten zur Bestat tung<br />
ihrer Toten auserkoren bzw. ihnen<br />
zugewiesen und bis vor 140 Jahren zu<br />
diesem Zweck verwendet wurde.<br />
nach der Verlegung des jüdischen<br />
Fried hofs in einen Teil des Städ ti -<br />
schen Westfriedhofs 1864 geriet dieser<br />
uralte Platz im 20. Jahrhundert langsam<br />
in Vergessenheit.<br />
Wir nachgeborenen hatten bis vor<br />
kur zem nicht mehr als eine zufällige<br />
und sehr lückenhafte Kenntnis von der<br />
Existenz dieses Friedhofs. Er wäre<br />
wohl endgültig in Vergessenheit geraten,<br />
wenn nicht Altbischof Reinhold<br />
Stecher den Anstoß gegeben hätte, der<br />
Sache nachzugehen. ihm sind wir zu<br />
großem Dank verpflichtet, neben ihm<br />
aber auch einer Reihe anderer Perso -<br />
nen bzw. institu tionen: dem Obmann<br />
des Ver schö nerungs ver eins Hermann<br />
Hell; der Öffentlichkeit insgesamt, die<br />
dafür großes Ver ständnis gezeigt und<br />
es finanziert hat – hier möchte ich insbesondere<br />
Bür germeisterin Hilde Zach,<br />
Landes haupt mann Günther Platter<br />
und dem Prä sidenten des Tiroler<br />
Land tags, DDr. Herwig van Staa, danken;<br />
weiters dem Archäologen Mag.<br />
Guggenberger und dem Histo riker<br />
Niko Hofinger, die die Ausgra bun gen<br />
durchgeführt und auf eine wissenschaftliche<br />
Basis gestellt haben; und<br />
schließlich und ganz besonders unseren<br />
Architekten, Reinhard und Ada<br />
Rinderer. Sie haben die sehr edle und<br />
symbolhafte Umrahmung mit Stahl -<br />
platten am Ort der alten Friedhofs -<br />
mauern erdacht und ausgeführt.<br />
Die Existenz dieses Friedhofs beweist<br />
die jahrhunderte lange Anwesenheit<br />
von Juden in Tirol. Die erste urkundliche<br />
Erwähnung erfolgt 1503 und be -<br />
trifft die Erlaubnis zur weiteren Bele -<br />
gung des schon „seit menschen ge -<br />
denken“ als jüdischer Friedhof be nutz -<br />
ten Areals südlich der Weiher burg.<br />
Der uralte Friedhof sagt aber auch ein<br />
zweites aus: zu diesen Zeiten hatten<br />
die Juden nicht nur im Leben von den<br />
mitbürgern getrennt zu sein, sondern<br />
mussten auch im Tod außerhalb der<br />
Stadt beerdigt werden. noch dazu an<br />
einem Platz, der zwar landschaftlich<br />
schön, aber entlegen war und ein steiles,<br />
schwieriges Gelände darstellte.<br />
Die Transferierung des Friedhofs in<br />
den Westfriedhof 1864 erfolgte vermutlich<br />
vorwiegend deshalb, weil es<br />
immer wieder zu Grabschändungen<br />
ge kommen war. man erwartete sich<br />
ver mutlich, dass Schändungen inmitten<br />
der Stadt doch weniger wahrscheinlich<br />
wären als weitab von ihr.<br />
Diese Erwartung traf auch – mit den<br />
uns bekannten Ausnahmen – zu.<br />
Dieser alte Friedhof am Judenbühel,<br />
der durch die mithilfe von vielen Per -<br />
sonen der Vergessenheit entrissen<br />
und „für die Ewigkeit“ bereit ge macht<br />
worden ist, soll jetzt eine würdige<br />
Gedenkstätte sein und daran erinnern,<br />
dass Toleranz und Verständnis,<br />
derer wir uns heute glücklich schätzen,<br />
in den alten, dunklen Zeiten<br />
nicht oder nur wenig vorhanden war<br />
und das Leben vieler bitter machte.<br />
Landtagspräsident Herwig Van Staa, Präsidentin Esther Fritsch, Oberrabbiner<br />
Chaim Eisenberg, Architekten Ada und Reinhard Rinderer<br />
©Schlosser<br />
Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 39
JÜDISCHE WELT • INLAND<br />
Das Schweizer Unternehmen iGENEA<br />
bietet einen Gentest an, der<br />
Informationen zur Herkunft<br />
der Vorfahren liefert. Antwort<br />
verspricht iGENEA auch auf die Frage:<br />
„Bin ich jüdisch?“<br />
Von Rabbiner-Seite wird das<br />
Testergebnis allerdings nicht<br />
anerkannt.<br />
VON ALEXIA WEISS<br />
Es gibt kein<br />
jüdisches Gen<br />
„Sind Sie Jude? Haben Sie jüdische Wur -<br />
zeln? Gehören Sie zu den Aschkenasen?<br />
Sind Sie ein Levi oder ein Cohen?“, heißt<br />
es auf der Homepage der Schweizer<br />
Firma iGEnEA. mittels Speichel pro -<br />
be untersucht das Unternehmen das<br />
DnA-Profil interessierter Personen<br />
auf diese merkmale. Das hat natürlich<br />
seinen Preis: ab 105 Euro ist man<br />
dabei, die tatsächlichen Kosten richten<br />
sich danach, ob nur die eigene<br />
Speichelprobe oder auch die naher<br />
Verwandter untersucht wird.<br />
Wie aber kann man aus der DnA ei nes<br />
menschen dessen Herkunft lokalisieren?<br />
Der Test stützt sich dabei auf die<br />
Zuordnung zu einer so genannten<br />
Hap logruppe. „Haplogruppen kann<br />
man sich als große Äste des Homo Sa piens<br />
vorstellen“, erklärt dazu Joelle Apter,<br />
managing Director von iGEnEA. „Sie<br />
zeigen, wie sich Bevölkerungsgruppen<br />
auf der Erde bewegt haben.“ in den<br />
Haplogruppen werden jeweils men -<br />
schen mit denselben oder ähnlichen<br />
DnA-merkmalen zusammengefasst.<br />
Bestimmte Haplogruppen würden<br />
„auf eine aschkenasische oder sephardische<br />
Herkunft hinweisen“, erklärt Ap ter.<br />
„Außerdem wird ein bestimmtes DNA-<br />
Pro fil ‚Cohen-Modal-Haplotyp‘ genannt,<br />
weil es unter den Cohanim verbreitet ist.<br />
Wenn also ein Mann den Cohen-Modal-<br />
Haplotyp aufweist, ist seine Herkunft vä -<br />
terlicherseits nicht nur unbestritten jü -<br />
disch. Dieser Mann ist auch ein Cohen.“<br />
Und was ist in Fällen, in denen je mand<br />
unbestreitbar weiß, dass er oder sie jü -<br />
disch ist, der Test aber keine spezifisch<br />
jüdische Haplogruppe ausweist? „Hier<br />
ist unsere Datenbank hilfreich“, sagt<br />
Apter. „Indem wir die Personen, die mit<br />
uns genetisch übereinstimmen, kontaktieren<br />
und diese nach ihrer Herkunft fragen,<br />
kann eine jüdische Herkunft indirekt<br />
bestätigt werden.“ Ausschließen könne<br />
man mit dem Test umgekehrt eine jü di -<br />
sche Herkunft nie, wird bei iGEnEA<br />
betont.<br />
Will man als mann mittels Gentest<br />
informationen über seine mütterli -<br />
chen und väterlichen Vorfahren er hal -<br />
ten, ist dazu die eigene Speichel pro be<br />
ausreichend. Als Frau benötigt man<br />
darüberhinaus die Probe eines di rek -<br />
ten männlichen Verwandten. Der<br />
Grund: bei der Weitergabe der DnA<br />
von Eltern an ihre Kinder gibt es zwei<br />
Abschnitte, die unvermischt übertragen<br />
werden, und zwar das Y-Chro mo -<br />
som, das der Vater an seinen Sohn<br />
ver erbt, und die mitochondriale DnA<br />
(mtDnA), welche die mutter an ihr<br />
Kind übermittelt.<br />
Apter, selbst jüdisch und laut iGEnEA-<br />
Test mütterlicherseits Angehörige der<br />
Haplogruppe K, der die meisten Aschkenasen<br />
angehören, beschreibt das<br />
interesse an den Tests als groß. „Als<br />
Jüdin ist es spannend zu wissen, ob man<br />
die Volkszugehörigkeit auch in seinen Ge -<br />
nen sehen kann.“ Folgender Fall illus -<br />
triere, wie Gefühle manches mal wissenschaftliche<br />
Bestätigung erhalten<br />
könnten: „Wir hatten eine Frau, die vor<br />
vielen Jahren zum Judentum konvertiert<br />
ist, weil sie das innigst wollte, und die<br />
durch den iGENEA-Test erfahren hat, dass<br />
sie tatsächlich mütterlicherseits aschkenasischer<br />
Abstammung ist.“<br />
Auf die Frage, ob das Testergebnis<br />
dann auch von einem Rabbiner anerkannt<br />
wird und sich damit für den Fall,<br />
dass es keine sonstigen Do ku mente<br />
gibt, welche die Geburt durch eine jü -<br />
dische mutter bestätigen, ein for mel -<br />
ler Übertritt zum Judentum, also ein<br />
Giur, erübrige, antwortete Apter: „Bis<br />
jetzt habe ich noch nichts dergleichen<br />
gehört.“ insgesamt seien bisher Reak -<br />
tionen von Rabbinaten ausgeblieben.<br />
Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg<br />
meinte zu diesem Thema gegenüber<br />
der „Gemeinde“: „Es gibt kein jüdisches<br />
Gen.“ Aus halachischer Sicht werde<br />
ein solcher Test daher als einziger<br />
nachweis für eine jüdische Her kunft<br />
nicht akzeptiert. Hier bräuchte man<br />
darüberhinaus einen Zeugen, der<br />
glaubhaft machen könne, dass der Be -<br />
troffene jüdisch sei. Könne mit einem<br />
Gentest allerdings nachgewiesen wer -<br />
den, dass man Sohn oder Tochter ei -<br />
ner jüdischen Frau sei (etwa im Fall<br />
von Adoptionen), „dann würde ein<br />
Rab biner dies in seine Entscheidung wohl<br />
einbeziehen“, betont Eisenberg.<br />
Ein weiterer <strong>Wien</strong>er Rabbiner, der<br />
allerdings nicht namentlich zitiert<br />
werden möchte, meinte ebenfalls, dass<br />
ein positiv-jüdisches Tester geb nis aus<br />
Sicht der Halacha keinen Wert besitzt.<br />
Und Rabbiner Joseph Pardes, den<br />
„Die Gemeinde“ auch um eine<br />
Stellungnahme bat, verwies auf den<br />
Oberrabbiner. Dieser spreche für die<br />
gesamte <strong>Kultusgemeinde</strong>.<br />
www.igenea.com<br />
Mordechai Halperin, David Fink,<br />
Shimon Glick (Hg.):<br />
Jewish Medical Ethics<br />
Volume I & II,<br />
Dr. Falk Schlesinger Institute for Medical-<br />
Halachic Research at Sha’are Zedek<br />
Medical Center<br />
www.medethics.org.il<br />
Buchtipp<br />
40 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769
JÜDISCHE WELT • INLAND<br />
seite eine Suchmaske ist. Hier können<br />
menschen aus aller Welt rasch infor -<br />
mationen über Familienangehörige<br />
oder Bekannte abfragen. Es können im<br />
Anschluss an jeden Eintrag aber auch<br />
informationen gepostet werden. So hof -<br />
fen die Wissenschafter, weiter relevante<br />
Daten zu sammeln, die dann wie de -<br />
rum in die Datenbank des elek tro ni -<br />
schen Gedenkbuchs Eingang finden.<br />
Rabbiner Schlomo Eliezer Hofmeister (IKG) und Vizeburgermeister Michael Ludwig<br />
Gedenken als „work in progress“<br />
Seit den 1990er Jahren arbeitet die<br />
Universität <strong>Wien</strong> ihren Umgang mit<br />
rassisch und politisch Verfolgten in der<br />
NS-Zeit auf. Mit einem Gedenkbuch<br />
erinnert die größte Hochschule<br />
Österreichs nun der über 2.700<br />
vertriebenen und in der Folge teils<br />
ermordeten Studierenden und<br />
Lehrenden.<br />
VON ALEXIA WEISS<br />
Der Schriftsteller Stefan Zweig hatte<br />
zwar schon 1904 sein Philosophie-<br />
Doktorat an der Uni <strong>Wien</strong> erworben.<br />
Das hinderte die nationalsozialisten<br />
allerdings nicht, ihm diesen akademischen<br />
Grad im mai 1941 aus rassischen<br />
Gründen wieder abzuerkennen.<br />
Zu dieser Zeit befand sich Zweig be -<br />
reits in der Emigration und war ein<br />
Jahr zuvor britischer Staatsbürger geworden.<br />
Die Aberkennung der Dok -<br />
tor würde wurde erst viele Jahre nach<br />
dessen Tod 2004 in einem Festakt für<br />
nichtig erklärt. Auch Bruno Bettelheim<br />
und Alphonse Rothschild erhielten im<br />
Rahmen dieser Zeremonie ihre Titel<br />
offiziell wieder zurück.<br />
insgesamt wurden zwischen 12. märz<br />
1938 und 9. mai 1945 an der Uni <strong>Wien</strong><br />
274 Personen der akademische Grad<br />
aberkannt. 234 namen wurden nun in<br />
das Gedenkbuch der Hochschule aufgenommen.<br />
Weit größer war die<br />
Gruppe der Studierenden, die mit dem<br />
„Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische<br />
Deutschland die Fort -<br />
führung des Studiums verwehrt wur -<br />
de. mittels statistischer Verfahren er -<br />
mittelten die Zeithistoriker der Uni<br />
<strong>Wien</strong>, dass an die 2.230 männer und<br />
Frauen die Uni vor Abschluss ihres<br />
Studiums verlassen mussten. Bisher<br />
wurden 1.580 von ihnen namentlich<br />
erfasst und in dem nun vorliegenden<br />
Gedenkbuch festgehalten. Und schließ -<br />
lich durften an die 350 Professoren und<br />
Dozenten nicht mehr an der Uni leh -<br />
ren, unter ihnen etwa Charlotte Bühler.<br />
Herbert Posch vom institut für Zeit -<br />
geschichte betonte Ende Juni anlässlich<br />
der feierlichen Hinterlegung des<br />
Gedenkbuches im Denkmal marpe<br />
Lanefesh (Hebräisch: „Heilung für<br />
die Seele“), das an ein früheres Bet -<br />
haus für jüdische Patienten auf dem<br />
Areal des Alten Allgemeinen Kran -<br />
ken hauses, dem heutigen Campus<br />
der Uni <strong>Wien</strong>, erinnert, es handle sich<br />
bei dem Projekt um „work in progress“.<br />
noch seien nicht alle namen<br />
ausgeforscht, fänden sich in den Bio -<br />
grafien der Verfolgten teils große<br />
Lücken. So liest man im Eintrag für<br />
die medizin-Studentin Zelma Apfel -<br />
baum (verheiratete Wessely) zum<br />
Beispiel lediglich das Geburtsdatum,<br />
den Herkunftsort Krakau, die Wohn -<br />
adresse in <strong>Wien</strong>. Das weitere Schick -<br />
sal der am 12. September 1938 vom<br />
Studium Ausgeschlossenen bleibt<br />
jedoch im Dunkeln.<br />
neben dem handschriftlichen Exem -<br />
plar haben die Historiker daher auch<br />
eine Online-Version gestaltet, dessen<br />
zentrales Element schon auf der Start -<br />
Der Zeithistoriker Friedrich Stadler<br />
ergänzte: vielleicht sei diese „unabgeschlossene<br />
Liste“ nicht nur zu ergänzen,<br />
sondern auch in dem einen oder<br />
anderen Punkt noch zu korrigieren.<br />
Be fassen müssen sich die Wissen schaf -<br />
ter im Zug dieses Projekts nämlich<br />
auch mit ihrer eigenen Handhabung<br />
des Opferbegriffs. Von den 350 entlassenen<br />
Lehrenden an der Uni <strong>Wien</strong><br />
wur den rund 130 aus politischen<br />
Gründen von der Universität <strong>Wien</strong><br />
verbannt. Darunter haben sich allerdings<br />
auch Personen befunden, die<br />
Funktionäre und Proponenten des<br />
aus trofaschistischen Ständestaates ge -<br />
wesen oder aber, die als Konkur ren -<br />
ten innerhalb des nationalsozialistischen<br />
Regimes eingestuft worden wa -<br />
ren. Eine eindeutige Zuordnung ist nun<br />
Gegenstand weiterer Forschun gen.<br />
Und so schreiben die Forscher in der<br />
Präambel zu diesem Gedenkbuch:<br />
man sei „dankbar für entsprechende<br />
Hinweise“ und sich dessen bewusst,<br />
„dass vergangenes Unrecht damit nicht<br />
‚wiedergutgemacht‘ werden kann. Es<br />
han delt sich hier um eine späte symbolische<br />
Initiative, die niemals beendet sein wird.<br />
Für die Gegenwart und Zukunft ist dieses<br />
Dokument gedacht als Erinnerung an die<br />
Angehörigen der Universität: ‚Wehret den<br />
Anfängen‘!“<br />
http://gedenkbuch.univie.ac.at<br />
Gemeinsame Eröffnung: Dr. Fritsch (IKG<br />
Innsbruck) und Rektor Dr. Georg Winckler.<br />
Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 41
JÜDISCHE WELT • INLAND<br />
©Andreas Meck<br />
„The Leopoldstadt<br />
Brooklyn Bridge“<br />
Eis aus Israel in New York<br />
Es hat weniger Kalorien und wird aus<br />
fri schen und natürlichen Bestand tei -<br />
len produziert. Daher hat Screme eine<br />
gu te Chance, sehr schnell auch in<br />
den USA populär zu werden. In Israel<br />
gibt es bereits 50 Filialen der leckeren<br />
Eis diele (in Israel als Aldo’s Ice be -<br />
kannt), jetzt werden die ersten Filialen<br />
in New York eröffnet.<br />
Seit 2007 verbindet den <strong>Wien</strong>er<br />
Bezirk Leopoldstadt und den New<br />
Yorker Stadtteil Brooklyn eine<br />
Bezirkspartnerschaft. Diesen Mai<br />
besuchte der Bürgermeister (offizielle<br />
Bezeichnung: Borough President)<br />
Marty Markowitz <strong>Wien</strong> und eröffnete<br />
dabei den neuen Zubau des Lauder<br />
Chabad Campus.<br />
VON ALEXIA WEISS<br />
1.000 Quadratmeter mehr bietet der<br />
Lauder Chabad Campus ab sofort seinen<br />
Schülerinnen und Schülern.<br />
Entstanden sind neue Klassenzimmer<br />
ebenso wie ein großzügiger Compu -<br />
ter raum. Die Wände des neuen Ge -<br />
bäu dekomplexes schmücken Zeich -<br />
nun gen, Collagen, kurze Texte, allesamt<br />
von Kindern und Jugendlichen<br />
ge staltet. Das gemeinsame Thema:<br />
Brücken. im mittelpunkt: die Brook -<br />
lyn Bridge. Das kommt nicht von<br />
ungefähr, trägt der neue Trakt doch<br />
den namen „The Leopoldstadt Brooklyn<br />
Bridge“.<br />
Brücken sollen im Rahmen der Be -<br />
zirkspartnerschaft zwischen Brook -<br />
lyn und der Leopoldstadt mehrere<br />
geschlagen werden, stellvertretend<br />
für den Austausch der beiden Orte:<br />
zwischen der jüdischen Bevölkerung<br />
hier wie dort, zwischen der Jugend –<br />
neben dem Lauder Chabad Campus<br />
sind auch die beiden öffentlichen Ko o -<br />
perativen mittelschulen Pazmaniten -<br />
gasse sowie max-Winter-Platz Teil<br />
dieser Kooperation -, zwischen Künst -<br />
lern. So stellte der new Yorker Künst -<br />
ler Hank Blaustein Ende 2008 im<br />
Theater nestroyhof-Hamakom aus.<br />
im Gegenzug soll heimische Kunst in<br />
Brooklyn sichtbar werden, kündigte<br />
die <strong>Wien</strong>er Vizebürgermeisterin Re na -<br />
te Brauner (SPÖ) anlässlich des Be -<br />
suchs von Marty Markowitz an.<br />
Brücken werden aber auch sichtbar,<br />
wenn man in die Vergangenheit reist.<br />
Von den 2,6 millionen Einwohnern,<br />
die Brooklyn heute zählt, sind 400.000<br />
jüdisch. Viele haben Vorfahren, die aus<br />
der Leopoldstadt kamen (heute insgesamt<br />
93.000 Einwohner). Und auch<br />
der Lubawitscher Rebbe hat kurzzeitig<br />
in der Leopoldstadt gelebt. Später,<br />
in Brooklyn, habe jeder Politiker, ob<br />
jüdisch oder nicht, der Bürgermeister<br />
von Brooklyn habe werden wollen,<br />
sich mit Rabbiner Schneerson fotografieren<br />
lassen müssen, erzählte<br />
mar kowitz lachend den hunderten<br />
Schü lern, die bei der Eröffnung des<br />
neuen Schultrakts für die musikalische<br />
Umrahmung sorgten.<br />
im Gespräch mit „Die Gemeinde“<br />
brachte markowitz, selbst der dritte<br />
jüdische Bürgermeister von Brooklyn<br />
(1960 schaffte es erstmals ein Jude an<br />
die Spitze der Bezirkspolitik), augen -<br />
zwin kernd noch eine weitere Brücke<br />
ins Spiel: den Heiratsmarkt. Eine<br />
400.000 Personen umfassende Bevöl -<br />
ke rung, darunter auch viele chassidische<br />
und sefardische Juden, die ko -<br />
scher leben, das bedeute auch: an die<br />
100 Jeschiwes und jüdische Schulen,<br />
eben so viele koschere Restaurants,<br />
ei nige große Supermärkte „strictly<br />
glatt kosher“. „Wenn du religiöser Jude<br />
bist – dann ist das deine Stadt“, so mar -<br />
ko witz, wenn er auch einräumt, dass<br />
die mehrheit der jüdischen Bevölke -<br />
rung Brooklyns die jüdischen<br />
Gesetze nicht mehr einhalte, sondern<br />
nur – wie er selbst auch – die jüdischen<br />
Fei er tage begehe. Jungen jüdischen<br />
Wie ner Frauen auf<br />
Partnersuche empfiehlt er jedenfalls<br />
einen Besuch in Brooklyn. „Any<br />
woman who wants to marry, come to<br />
Brooklyn! And then bring him back – or<br />
stay at Brooklyn!“<br />
Der jüdischen Gemeinde in <strong>Wien</strong> –<br />
inklusive jüdischer Rückkehrerinnen,<br />
die am Brooklyner Heiratsmarkt er -<br />
folgreich waren und den mitkommenden<br />
neuankömmlingen - will<br />
das SPÖ-geführte <strong>Wien</strong> jedenfalls<br />
eine si chere Heimat bieten. So betonte<br />
Brau ner in Tagen, in denen im in -<br />
zwischen abgelaufenen EU-Wahl -<br />
kampf seitens der FPÖ zunehmend<br />
antisemitische und antiislamische Tö -<br />
ne an ge schla gen wurden: „<strong>Wien</strong> ist<br />
eine Stadt, in der Antisemitismus, Rassis -<br />
mus und In tole ranz keinen Platz haben.“<br />
Sie freu e sich, dass das jüdische Leben<br />
in <strong>Wien</strong> „stark ist und von Tag zu Tag<br />
stärker wird“.<br />
Es werde zwar nie wieder sein, was<br />
einmal war, betonte iKG-Präsident<br />
Ariel muzicant. 200.000 Juden hätten<br />
einmal in <strong>Wien</strong> gelebt, nun seien es<br />
an die 15.000, davon 7.000 mitglieder<br />
der <strong>Kultusgemeinde</strong>. Er freue sich den -<br />
noch, dass es eine lebendige Ge mein -<br />
de sei, in der von rund 1.200 jüdischen<br />
Schülern heute auch an die 900<br />
eine jüdische Schule besuchen würden.<br />
Das verdanke man auch der<br />
Stadt <strong>Wien</strong>, die einen Teil der Kosten<br />
für den Zubau des Lauder Chabad<br />
Campus finanziert hat.<br />
42 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769
JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />
Letzte Chance für Holocaust-Restitution?<br />
Dinah Spritzer, JTA; Übersetzung: Karin Fasching-Kuales<br />
Die Titelseite sieht nach Berlin 1936<br />
aus – doch sie stammt aus Vilnius, im<br />
Jahr 2009: Das übergroße Gesicht<br />
eines Rabbiners auf dem Cover des<br />
rechten litauischen Boulevardblatts<br />
Vakaro Zinios (Abendnachrichten)<br />
vom 26. Juni, darüber die Worte „Her<br />
damit!“.Der Abgebildete ist Rabbi An -<br />
drew Baker, Direktor für interna tio na le<br />
Angelegenheiten des American Je wish<br />
Committee, er wird als Bösewicht<br />
dar gestellt, der auf einen winzigen li -<br />
tauischen Premierminister, Andrius<br />
Kubilius, hinabblickt, dem vermeintlichen<br />
Aggressor wehrlos ausgeliefert.<br />
Der Hintergrund dieser Diffamie rung:<br />
Bakers Forderung an die litauische<br />
Regierung, nach acht Jahren fruchtloser<br />
Versprechungen nun endlich das<br />
gestohlene jüdische Eigentum zurück -<br />
zugeben. Anstelle einer fundierten<br />
Restitution will Litauen lediglich ein<br />
Drittel des Wertes, den sämtliche von<br />
den nazis und Kommunisten geraubte<br />
Güter ausmachen – 33 mio. Euro –<br />
über einen Zeitraum von zehn Jahren<br />
verteilt zahlen, beginnend mit 2011.<br />
Die ses Angebot ist weder für Li tau -<br />
ens Juden noch ihre Anwälte zufrieden<br />
stellend. „Es ist viel zu wenig und<br />
viel zu spät“, erklärt Baker.<br />
Der Fall Litauen ist Beispiel gebend<br />
für Hinhaltetaktik, mangelnden politischen<br />
Willen und von nationalisten<br />
geschürte Ressentiments gegenüber<br />
Juden. Jene, die sich um die Rücker -<br />
stattung des gestohlenen Besitzes be -<br />
mühen, bleiben frustriert zurück,<br />
noch dazu, wo auch noch die Finanz -<br />
krise als Hindernis hinzukommt.<br />
nun haben aber 46 Staaten eine zu -<br />
kunftsweisende Deklaration im Zuge<br />
der Prager Konferenz über die Ver mö -<br />
genswerte aus dem Holocaust un ter -<br />
zeichnet, die den Restitutions prozess<br />
erleichtern soll. Die Terezin-De kla ration<br />
ist eine unverbindliche Samm lung von<br />
Richtlinien für eine schnellere und<br />
transparentere Resti tu tions ab wick -<br />
lung von Kunstwerken und privatem<br />
wie kommunalem Ver mögen, das<br />
von den nazis geraubt wurde.<br />
Doch kann solch ein – lediglich als<br />
moralische instanz daher kommendes<br />
– Dokument tatsächlich zum Er -<br />
folg führen? „In den 1990ern war die<br />
NATO-Mit glied schaft ein wichtiger Mo -<br />
ti va tions grund für die Staaten Osteu ro -<br />
pas.“, erklärt Ba ker. „Die US-Regierung<br />
sagte ihnen, dass der entsprechende Um -<br />
gang mit ihren Juden ein Schlüs selfaktor<br />
für die NATO-Aufnahme sei.” Ganz im<br />
Gegensatz zur Europäischen Union,<br />
die diesbezüglich keinerlei Forde run -<br />
gen stellte. Tatsächlich kippte die EU<br />
eine Resti tu tionsforderung, die die Auf -<br />
nah me Polens 2004 blockiert hätte.<br />
Ein Großteil der Staaten der ehemaligen<br />
Sowjetunion hat allerdings, infolge<br />
des stetigen Drucks der USA, Bemü -<br />
hun gen zur Rückgabe kommunaler<br />
und privater Vermögenswerte oder für<br />
Ausgleichszahlungen unternommen.<br />
nur Polen und Litauen zieren sich<br />
noch immer erfolgreich. in Polen lebten<br />
vor dem Zweiten Weltkrieg drei<br />
millionen Juden, die größte jüdische<br />
Bevölkerung von allen Staaten – dennoch<br />
gibt es bis heute kein Rückgabege<br />
setz für privaten Besitz von Juden<br />
oder nichtjuden. Auch die Restitu ti on<br />
enteigneter Kunst gestaltet sich mehr<br />
als mühsam. Die US-Regierung schätzt,<br />
dass 600.000 Gemälde von den nazis<br />
beschlagnahmt wurden, 100.000 da von<br />
sind noch immer nicht ausgewiesen.<br />
Eine weitere Sammlung unverbindlicher<br />
Empfehlungen, diesmal für die<br />
Rückgabe enteigneter Kunst, wurde<br />
1998 von 44 Staaten in Washington<br />
un terzeichnet, doch lediglich vier<br />
nationen können heute einen signifikanten<br />
Fortschritt in ihren Bemühungen<br />
aufweisen. 23 Staaten haben gar<br />
nichts getan, so die Claims Confe ren ce.<br />
Die Washingtoner Erklärung sollte den<br />
Prozess erleichtern, der Ruf nach in -<br />
tensiveren nachforschungen in Samm -<br />
lungen, der Öffnung von Archiven<br />
und dem Ausräumen von Hinder nis -<br />
sen für Anspruchsteller wurde laut.<br />
Ungarn gehört zu jenen 23 Staaten, die<br />
nichts in Richtung einer erfolgreichen<br />
Kunstrestitution unternommen ha ben.<br />
„Was in Ungarn passiert ist kann be zeich -<br />
net werden als intensive und zielführende<br />
Bemühungen der Regierung, die Raub -<br />
kunst auf jeden Fall in ihren Mu seen zu<br />
behalten“, ist Agnes Peresztegi, An -<br />
wäl tin bei der Kommission für Kunst -<br />
rückerstattung, erbost. Von der Zer stö -<br />
rung von Beweisen in den Archiven<br />
bis hin zur Hinauszögerung der Ver -<br />
handlungen werden sämtliche mittel<br />
angewendet.<br />
in Tschechien können nur direkte<br />
nach kommen verstorbener Besitzer<br />
Ansprüche auf Kunstwerke erheben,<br />
nichten oder neffen haben keine<br />
Rechte, auch wenn dies dem tschechischen<br />
Erbschaftsrecht zuwider handelt.<br />
Und sogar in den USA müssen Erben<br />
oftmals lange Rechtsstreitigkeiten ge -<br />
gen museen in Kauf nehmen, weil es<br />
dafür keine nationale Schiedsinstanz<br />
gibt. in den meisten Staaten haben<br />
die museen überdies keine Ahnung,<br />
ob sich geraubte Kunstwerke in ihren<br />
Sammlungen befinden, weil sie sich<br />
deren fortwährende geschichtliche<br />
Dokumentation nicht leisten können.<br />
„Die Nachforschungen für ein Kunst -<br />
werk kosten uns fast 600.000 Euro“, so<br />
Graham Beal vom Detroiter Kunst -<br />
institut.<br />
Um dem entgegen zu wirken verlangt<br />
die Prager Deklaration nach der Er -<br />
richtung eines Holocaust-instituts in<br />
Terezin (Theresienstadt), wo sich auch<br />
das Konzentrationslager befand. Dort<br />
würde man sich um Aus gleichs zah -<br />
lungen, Restitution, Raubkunst for -<br />
schung, Holocaustbildung, Holo -<br />
caust-Überlebende und den Kampf<br />
gegen den Antisemitismus kümmern.<br />
Allerdings würde es keine nach for -<br />
schungen bezüglich der Rolle einzelner<br />
Staaten geben. Auch die mögliche<br />
Finanzierung des instituts blieb noch<br />
unklar.<br />
Doch die Zeit werde langsam knapp,<br />
sind sich die Konferenzteilnehmer,<br />
un ter denen sich auch Restitutionse x -<br />
perten und Holocaust-Überlebende<br />
befanden, einig. „Ich fürchte, dass uns<br />
auch dies dem Tag, an dem die alternden<br />
Überlebenden einen Ausgleich für ihre<br />
geraubten Güter erhalten, nicht näher<br />
bringen wird“, meint Ruth Deech, jüdisches<br />
mitglied des britischen „Hou se<br />
of Lords“ mit polnischen Vorfahren.<br />
Statt noch eine Erklärung zu verfasse,<br />
solle die EU lieber sofort einen Fonds<br />
gründen, der sich mit den Forderun -<br />
gen befassen kann. „Großbritannien<br />
muss sich mit so vielen europäischen Di -<br />
rektiven herumschlagen – waren kann<br />
man dafür nicht einfach eine weitere<br />
erlassen?“<br />
Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 43
JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />
Panorama<br />
Kurznachrichten aus der jüdischen Welt<br />
Quelle: JTA/Guysen u.a.; Übersetzung: Karin Fasching/Foto:©JTA u.a.<br />
lezak entzündet maccabiah-fackel<br />
Der amerikanische Olympia-Schwim -<br />
mer Jason Lezak entzündete die Fackel<br />
bei der Eröffnung der diesjährigen 18.<br />
maccabiah. mehr als 5.000 Athleten<br />
nah men an der Zeremonie im Ramat<br />
Gan Stadion teil, in deren Eröffnungs -<br />
re de auch auf das Schicksal des entführten<br />
Soldaten Gilad Shalit eingegangen<br />
wurde.<br />
Beeindruckend waren die Worte von<br />
is raels Premierminister Benjamin ne -<br />
tanjahu an die Athleten: „Ich danke für<br />
Ihr Kommen, ich danke für Ihre Teil nah -<br />
me, doch ich bitte Sie auch um etwas:<br />
Ma chen Sie Aliyah, nicht nur zur Mac ca -<br />
biah. Kommen Sie und werden Sie einer<br />
von uns, an jedem Tag des Jahres.“<br />
9 mio. euro für technionwirtschaftsinstitut<br />
israels führender Technik-Hochschu le<br />
wurden 9 mio. Euro (US$ 12 mio.)<br />
zur Errichtung eines Wirtschafts in stituts<br />
zur Verfügung gestellt. Das insti -<br />
tut wird nach den Spendern, der südkalifornischen<br />
„Andre und Katherine<br />
Merage Foundation“ benannt und soll<br />
2010 eröffnet werden. High-Tech-Spe -<br />
zialisten sollen hier in einem mBA-<br />
Programm mit entscheidendem Wirt -<br />
schafts wissen vertraut gemacht und<br />
neue märkte für israelische Firmen<br />
erschlossen werden.<br />
rolling stones in israel<br />
Die Rolling Stones werden zu einem<br />
noch unbekannten Zeitpunkt in israel<br />
auftreten. Bereits Paul McCartney, De -<br />
peche Mode und Susan Vega begeisterten<br />
das israelische Publikum mit ihren<br />
Konzerten. Das Konzert der Pop-ikone<br />
madonna ist für Ende Sep tem ber an -<br />
beraumt.<br />
strafe wegen Klezmermusik<br />
Dem Dresdener Stadtpolitiker Ste phan<br />
Kuhn von den Grünen wurde eine<br />
Geldstrafe von 150 Euro für das laute<br />
Spielen von Klezmermusik außerhalb<br />
des Rathauses zur Störung eines neo -<br />
nazi-Aufmarsches auferlegt. Das Geld<br />
wird an eine Hilfsorganisation für die<br />
Opfer rechtsgerichteter Gewalt ge -<br />
spen det. Am 13. Februar 2008, dem<br />
Jahrestag der Bombardierung Dres -<br />
dens durch die Alliierten Truppen wäh -<br />
rend des Zweiten Weltkriegs, hat ten<br />
neonazis einen Gedenk marsch gegen<br />
den von einschlägigen Gruppie run gen<br />
so bezeichneten „Bomben-Holo caust“<br />
abgehalten. Kuhn hatte daraufhin<br />
vom Fenster des Grünen Parlaments -<br />
bü ros aus die neonazis mit lauter<br />
Klez mermusik beschallt und so eine<br />
Rede gestört. Dies, so das Gerichts -<br />
urteil, hätte das Recht auf Versamm -<br />
lungsfreiheit verletzt. Der Grünen-<br />
Po litiker gab an, seine Tat keinesfalls<br />
zu bereuen.<br />
iranischer Blogger inhaftiert<br />
Der iranische Blogger Dr. Mehdi<br />
Khazali, der in seinem Blog behauptete,<br />
irans Präsident mahmoud Ahma di -<br />
ne jad hätte jüdische Vorfahren, wur de<br />
von den Behörden verhaftet und nach<br />
einem kurzen Gerichtsverfahren in ein<br />
nicht bekanntes Gefängnis verbracht.<br />
Khazali ist der Sohn eines prominenten<br />
Pro-Ahmadinejad-Ayatol lahs und<br />
nahm an verschiedenen oppositionellen<br />
Protestmärschen teil.<br />
„dürre-steuer“ in israel<br />
Um israelische Haushalte zum Was -<br />
ser sparen anzuhalten, hat die Knesset<br />
eine „Dürre-Steuer“ eingeführt. Für<br />
je den verbrauchten Kubikmeter Was -<br />
ser, der über ein festgelegtes Limit hi -<br />
nausgeht, müssen nun etwa 3,5 Euro<br />
Strafe bezahlt werden – was mehr als<br />
dem Doppelten des regulären Preises<br />
entspricht.<br />
So stehen Haushalten bis zu vier Per -<br />
sonen für zwei monate 30 m 3 Wasser<br />
zur Verfügung, für jedes weitere Fa mi -<br />
lienmitglied kommen 6 m 3 hinzu. Das<br />
neue Gesetz trat mit 15. Juli in Kraft.<br />
israelischer windsurfer<br />
gewinnt gold<br />
Bei der Europameisterschaft im Wind -<br />
surfen konnte der israeli Shahar Zu bari<br />
das begehrte Gold für sich beanspruchen.<br />
Das Rennen fand in Tel Aviv<br />
statt. Der in Eilat Geborene zeigte sich<br />
begeistert, in seiner Heimat einen Sieg<br />
davongetragen zu haben. Bei den<br />
Olympischen Spielen in Peking 2008<br />
ge wann er die Bronzemedaille.<br />
Britische abgeordnete wählen<br />
ersten jüdischen „speaker“<br />
Zum ersten mal in seiner Geschichte<br />
wurde im Britischen Parlament ein<br />
Jude zum „Speaker of the House of Com -<br />
mons“ gewählt: der Konservative John<br />
Bercow, 46. Auch Premierminister<br />
Gordon Brown gratulierte ihm zu seiner<br />
Wahl.<br />
historiker untersuchen wagners<br />
nazivergangenheit<br />
Die nachkommen von Hitlers Lieb -<br />
lingskomponisten Richard Wagner<br />
wollen dessen Verbindungen zu den<br />
nazis durch unabhängige Historiker<br />
untersuchen lassen. Dessen Urgroß -<br />
en kelin Katharina Wagner und ihre<br />
äl tere Schwester Eva leiten die Bay -<br />
reuther Wagner-Festspiele.<br />
ihnen sei es wichtig, so Katharina<br />
Wag ner, die nazivergangenheit ihrer<br />
Familie offen zu legen, ohne Beein flus -<br />
sung ihrerseits. in den Familienarchi -<br />
ven befinden sich 300 Briefe von Hit ler.<br />
Überdies wurde der Verdacht laut,<br />
Ka tharinas und Evas Großmutter, Wi -<br />
ni fred marjorie Williams, hätte ein ro -<br />
mantisches Ver hältnis zu Hitler un ter -<br />
halten. Auch dies soll nun auf seinen<br />
Wahrheits ge halt untersucht werden.<br />
Ein informelles Verbot öffentlicher<br />
Auf führungen von Wagners musik in<br />
israel ist seit der Gründung des Jüdi -<br />
schen Staates in Kraft.<br />
holocaust-museum in odessa<br />
Während des Zweiten Welkriegs wur -<br />
den in der ehemaligen Sowjetunion<br />
etwa drei millionen Juden ermordet,<br />
247.000 davon in und um Odessa. nun<br />
hat die Stadt ein Holocaustmuseum,<br />
erbaut auf die initiative des Süd ukra -<br />
i nischen Regionalbüros der Vereini -<br />
gung für ehemalige Ghetto- und KZin<br />
sassen sowie der Ukrainisch-israe -<br />
li schen Vereinigung hin.<br />
Die Dauerausstellung zeigt die Ge -<br />
schichte des Holocaust anhand von<br />
historischen Dokumenten, Artefak ten,<br />
Fotos und Ton- und Videomaterial.<br />
Auch eine Forschungsbibliothek, ein<br />
Bil dungszentrum sowie eine Gedenk -<br />
stätte sind im museumsgebäude zu<br />
fin den.<br />
Polnische häftlinge säubern<br />
jüdische friedhöfe<br />
Die Vereinigung für den Erhalt des<br />
Jüdischen Erbes in Polen startete eine<br />
44 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769
JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />
initiative zur Reinigung jüdischer<br />
Friedhöfe durch polnische Gefäng nis -<br />
insassen. mehr als 1.000 Orte, die als<br />
jüdische Friedhöfe dienten, sind<br />
heute bekannt. nur noch auf wenigen<br />
hundert davon stehen Grabsteine,<br />
viele sind bis zur Unkenntlichkeit<br />
überwachsen und liegen brach.<br />
weniger millionäre in israel<br />
in israel ist die Zahl der millionäre im<br />
Zuge der Finanzkrise um ganze 28%<br />
gefallen – fast doppelt so stark, wie im<br />
Rest der Welt (14,9%). Laut dem Mer -<br />
rill Lynch Welt Wohlstands Re port vom<br />
25. Juni dieses Jahres besitzen nun<br />
5.900 israelis mehr als eine mil lion US-<br />
Dollar in verfügbaren Barmitteln, um<br />
2.300 weniger als 2008. Jene isra e lis, de -<br />
ren Vermögen größer als US$ 30 mio.<br />
ist, verloren 24,6% Gleich ge sinnte und<br />
zählen nur noch 73 Per so nen.<br />
schneider neuer Vorsitzender der<br />
claims conference<br />
Gregory Schneider wurde zum neuen<br />
Vize-Exekutiv-Direktor der Claims<br />
Con ference ernannt. Er ist bereits seit<br />
14 Jahren für die Organisation tätig<br />
und folgt Gideon Taylor nach, der zum<br />
American Jewish Joint Distribution<br />
Committee zurückkehrt. Die Claims<br />
Conference verwaltet die Restitu ti ons -<br />
zah lungen von 24 Staaten und führt<br />
diese naziopfern und de ren Erben in<br />
43 Ländern zu.<br />
Jerusalem unter besten<br />
tourismus-destinationen<br />
Die jährliche Umfrage des ‘Travel and<br />
Leisure Magazine’ listet Jerusalem auf<br />
Platz 17 unter den für Touristen am<br />
besten geeignetsten Städten der Welt.<br />
Es liegt damit vor so beliebten Städ -<br />
ten wie Tel Aviv, London oder Paris.<br />
zehn Prozent der israelischen<br />
Jugend nimmt drogen.<br />
Auf einer Konferenz des Knesset Ko -<br />
mitees für Drogenkonsum, wurde<br />
von der nationalen Autorität für Dro -<br />
genbekämpfung bekannt gegeben,<br />
dass 10% der israelischen Jugend<br />
zwi schen 12 und 18 Jahren Drogen<br />
kon sumiert. Yitzchak Aharonovitz, mi -<br />
nister für öffentliche Sicherheit, sagte,<br />
dass die Grenze zwischen israel und<br />
dem Libanon noch immer eine leicht<br />
zu gängliche Pforte für den Drogen -<br />
schmuggel darstellt. Ungefähr 5 Ton -<br />
nen Heroin, 4 Tonnen Kokain, 90 Ton -<br />
nen marijuana und 20 mio. Do sen<br />
Ecstasy und LSD werden jährlich<br />
nach israel geschmuggelt.<br />
gasvorkommen größer als gedacht<br />
Die naturgasvorkommen vor der Küs -<br />
te Haifas sind etwa 25 bis 30% größer<br />
als bisher angenommen. Dies hat der<br />
US-Energiekonzern Noble Energy nun<br />
mitgeteilt, nachdem er Bohrungen zur<br />
Verifizierung des Fundes durchgeführt<br />
hatte. Bislang war man davon<br />
ausgegangen, dass das Gasfeld „Ta-<br />
mar“ gut 142 mrd. Kubikmeter (BCm)<br />
naturgas umfasst. in Wahrheit könnte<br />
sich das Volumen auf 180 BCm belaufen.<br />
Die potentiellen Verkaufserträge<br />
würden dann bei 20 bis 25 mrd. Euro<br />
liegen. Die Vorkommen im Gasfeld<br />
„Dalit“ vor der Küste Haderas werden<br />
auf ein Volumen von 14 BCm eingeschätzt.<br />
audio-Visuelles holocaustarchiv<br />
in großbritannien<br />
„Refugee Voices“ – „Flüchtlings-Stim-<br />
men“, so nennt sich das neue Audio-<br />
Visuelle-Holocaust-Archiv der Ver ei -<br />
ni gung Jüdischer Flüchtlinge, in dem<br />
150 Überlebende und Flüchtlinge, die<br />
vor den nazis nach Großbritannien<br />
ge flohen waren, über ihr Schicksal<br />
erzählen. Eine spezielle zeitliche<br />
Codie rung des materials erlaubt es<br />
For schern, gezielt nach bestimmten<br />
Stellen im 450 Aufnahme-Stunden<br />
umfassenden material zu suchen. Es<br />
ist in 44 Kategorien unterteilt, von<br />
persönlichen Details bis hin zu den<br />
namen der Eltern, Geburtstagen, Da -<br />
tum und Art der Emigration, Ghettos,<br />
Konzentrationslagern und Berufen..<br />
Berliner mahnmale erinnern an<br />
taube schoa-opfer<br />
Einigen mitgliedern der beinahe vergessenen<br />
Unterkategorie von Opfern<br />
wurde mit der installation von Bron -<br />
ze tafeln, die privat gestiftet wurden,<br />
gedacht. Diese wurden in das Pflaster<br />
vor den Häusern, in denen die Opfer<br />
vor ihrer Deportation gewohnt ha ben,<br />
eingelassen.<br />
Erstes „Museum des Jüdischen Volkes“<br />
in Tel Aviv<br />
Das für 2012 geplante museum des<br />
Jüdischen Volkes wird das erste sein,<br />
welches die Geschichte des jüdischen<br />
Volkes präsentiert. Das 25 millionen-<br />
Dollar-Projekt wurde vom Vorsitzen -<br />
den des Beth Hatefutsoth, Leonid<br />
nevzlin, bei einem internationalen<br />
Vorstandstreffen verkündet.<br />
Das museum wird auf dem Tel Avi -<br />
ver Universitätsgelände im nahum-<br />
Goldmann-Gebäude untergebracht<br />
werden, welches dafür komplett um -<br />
gebaut werden wird. Finanziert wird<br />
es von der israelischen Regierung,<br />
der Claims Conference, dem nADAV-<br />
Fund und internationalen Spendern.<br />
„Die Intention ist, die einzigartige und<br />
fortgesetzte Geschichte des jüdischen Vo l -<br />
kes zu dokumentieren und gleichzeitig eine<br />
neue Perspektive auf die Beziehungen des<br />
jüdischen Volkes und des jüdischen Staa -<br />
tes zu werfen. Es wird das größte experimentelle<br />
und interaktive Museum Israels<br />
werden. Der Kern des Museums wird der<br />
Dialog mit dem Besucher sein, der nicht<br />
nur als Beobachter, sondern als aktiver<br />
Teilnehmer betrachtet wird. Das Ziel ist,<br />
ihn dazu zu inspirieren, danach über sich<br />
und sein Verhältnis zum jüdischen Kol lek -<br />
tiv nachzudenken.“<br />
erster „fairer handel“-laden<br />
öffnet in israel<br />
im. Juni wurde in Tel Aviv (Schlomo<br />
Hamelech Stras se 4) der erste israelische<br />
Laden der sich dem fairen Han -<br />
del widmet eröffnet. An ders als in ter -<br />
national bekannt, werden hier keine<br />
Waren aus der dritten Welt zum Ver -<br />
kauf angeboten, sondern Waren, die<br />
von 100 is ra eli schen Handwerke rin -<br />
nen hergestellt werden. Die Frau en<br />
kommen aus den meisten Sektoren<br />
und nationalen min derheiten des<br />
Lan des und leiden oft finanzielle not.<br />
Die Pro duk te werden traditionalle<br />
ethiopische, arabische und beduinische<br />
Sticke reien einschlies sen, Schmuck,<br />
Sei fen, Olivenöl, mar meladen, Kera -<br />
mik und andere Haushaltsge genstän de.<br />
Die Gründe rin des Ladens ist Shula<br />
Keshet, die auch Leiterin der Achoti-<br />
Or ganisation für die Stärkung von<br />
Frau en in israel ist.<br />
Juli 2009 - Tamus/Aw 5769 45
KULTUR • LITERATUR<br />
JUD BITTER-SÜSS<br />
Vor 125 Jahren wurde<br />
Lion Feuchtwanger geboren<br />
VON ANITA POLLAK<br />
KULTUR<br />
Wenige Tage vor Lion Feuchtwangers<br />
125. Geburtstag begannen in Köln die<br />
Dreharbeiten zu „Jud Süß – Film ohne<br />
Gewissen“. Oskar Roehlers Projekt mit<br />
Stars wie Tobias Moretti, Martina Ge deck<br />
und Moritz Bleibtreu in den Haupt rol -<br />
len soll die Entstehungsge schichte des<br />
nazimachwerks „Jud Süß“ aufarbeiten.<br />
Veit Harlans berüchtigter Streifen<br />
selbst darf in Deutschland bis heute<br />
nicht vertrieben werden.<br />
„Man wird mit Aug und Ohr nachprüfen<br />
können, wie sie alle dazu beigetragen ha -<br />
ben, die Geschichte eines Juden, von dem<br />
sie alle wussten, dass er ein großer Mann<br />
war, ins genaue Gegenteil zu verkehren“,<br />
schrieb Feuchtwanger 1941 in einem<br />
offenen Brief an die Schauspieler des<br />
antisemitischen Hetzfilms, der in<br />
Goeb bels Auftrag entstanden war.<br />
Re gisseur Harlan bestritt immer den<br />
Zusammenhang seines Films mit<br />
dem Roman des Juden Feuchtwan ger,<br />
aber der Schriftsteller wusste sehr<br />
wohl, dass er unfreiwillig die Vorlage<br />
für das übelste filmische Propaganda -<br />
werk der nazis geliefert hatte.<br />
Zwar hatte schon hundert Jahre da -<br />
vor Wilhelm Hauff ein gleichnamiges<br />
antisemitisches „märchen“ geschrieben,<br />
aber erst Feuchtwangers historischer<br />
Erfolgsroman sollte die Figur<br />
des jüdischen Finanzrats Joseph Süß<br />
Oppenheimer aus dem frühen 18. Jahr -<br />
hundert in die beginnende nazizeit<br />
herauf holen. Feuchtwangers Absicht<br />
war die Auseinandersetzung mit dem<br />
anschwellenden Antisemitismus der<br />
Wei marer Zeit gewesen. Als der Ro -<br />
man 1925 schließlich erschien, kam er<br />
diesem aber leider gerade zu pass. Ab -<br />
sicht und Wirkung hätten nicht tra -<br />
gischer auseinander klaffen können.<br />
mit weltweit drei millionen verkaufter<br />
Bücher wurde „Jud Süß“ zum<br />
größten Erfolg und gleichzeitig zur<br />
größten Schmach des Schriftstellers,<br />
der am 7. Juli 1884 in münchen als<br />
ers tes von neun Kindern eines wohlhabenden<br />
margarinefabrikanten zur<br />
Welt kam.<br />
Sein jüdisch-orthodoxes Elternhaus<br />
empfand er später als einen „verzweifelt<br />
engen Rahmen“, dem er entkommen<br />
wollte, aber natürlich nicht entkam.<br />
Viele seiner Hauptfiguren sind Juden,<br />
sein Werk befasst sich oft mit jüdischen<br />
Themen, den Konflikten zwischen mo -<br />
dernen und orthodoxen Strömungen<br />
und mit den Grundfragen der jüdischen<br />
identität in einer nichtjüdischen,<br />
feindlichen Umgebung. An pas -<br />
sung oder Festhalten an den Tradi tio -<br />
nen? Bis ins Alte Rom, am Beispiel des<br />
jüdischen Schriftstellers Josephus Fla -<br />
vius in seiner „Josephus-Trilogie“,<br />
ver folgt Feuchtwanger diese fundamentalen<br />
Gegenpositionen. Seine Pro -<br />
tagonisten scheitern meist beim Ver -<br />
such der Assimilation, eine schmerzliche<br />
Erfahrung, die auch Feuchtwan ger<br />
selbst machen musste.<br />
Seine Bücher wurden 1933 verbrannt,<br />
er selbst ging ins französische Exil und<br />
floh 1940 mit seiner Frau marta auf<br />
abenteuerliche Weise nach Amerika.<br />
Davor wurde er nochmals Werkzeug<br />
politischer Propaganda, diesmal der<br />
stalinistischen, nachdem er 1937 einen<br />
euphorischen Reisebericht aus mos -<br />
kau verfasst hatte und sich sogar einmal<br />
mit Stalin fotografieren ließ. Was<br />
ihm als bekennenden Kommunisten in<br />
Amerika jede menge Probleme einbrachte.<br />
nichts desto trotz lebte der<br />
Bestsellerautor im amerikanischen<br />
Exil in glänzendsten Verhältnissen,<br />
sei ne Villa Aurora mit Blick auf den<br />
Pazifik war ein gesellschaftliches Zen -<br />
trum der künstlerischen Exil-Szene.<br />
Bertolt Brecht, dessen Begabung<br />
Feucht wanger früh entdeckte und<br />
för derte, die Brüder mann, Chaplin<br />
und Einstein sind unter anderen dort<br />
zu bei der eleganten marta, die ihren<br />
kleingewachsenen Ehemann um<br />
Haup teslänge überragte, zu Gast. Sie<br />
war wie Alma mahler-Werfel eine der<br />
großen Dichter-Frauen ihrer Zeit.<br />
Bis zu seinem Tod 1958 bleibt und<br />
schreibt Feuchtwanger im luxuriösen<br />
Exil. Auf deutsch und manchmal un -<br />
ter dem neckischen Pseudonym „Wet-<br />
cheek“. Seine Villa ist heute noch<br />
eine deutsch-amerikanische Kultur ein -<br />
richtung und alljährlich Schauplatz<br />
des Oscar-Empfangs des Deutschen<br />
Films.<br />
„Wir wollen aus der Vergangenheit das<br />
Feuer übernehmen, nicht die Asche“, war<br />
sein Leitsatz für die Verarbeitung historischer<br />
Stoffe, ein Feuer, das ihn<br />
zum weithin geschätzten meister des<br />
historischen Romans werden ließ.<br />
Obwohl Feuchtwanger darüber hinaus<br />
hunderte von Theaterkritiken, Es -<br />
says, jede menge Dramen und Kurz -<br />
geschichten geschrieben hat, sind es<br />
die historischen Romane mit zeitkritischen<br />
Bezügen wie „Die Geschwister<br />
Oppermann“ oder „Erfolg“, denen er,<br />
bei seinem Tod einer der meistgelesenen<br />
deutschsprachigen Autoren des<br />
20. Jahrhunderts, seinen Ruhm verdankt.<br />
„Jud Süß“, sein Erstling in diesem<br />
Genre, wurde früh sein Label und<br />
sein Schicksal. Eine neuverfilmung<br />
wünschte er sich bis zu seinem Tod.<br />
„Feuchtwanger lebt!“ hieß eine Fern -<br />
sehdokumentation, die anlässlich des<br />
Geburtstags in 3sat gesendet wurde.<br />
Das Rufzeichen soll wohl eine Be -<br />
hauptung bekräftigen, die vielleicht<br />
bezweifelt werden darf. Feuchtwan -<br />
gers große Romane sind als Taschen -<br />
bü cher im Aufbau-Verlag lieferbar.<br />
„Jud Süß“ sollte die Welt vergessen<br />
dürfen.<br />
Buchtipp<br />
Manfred Flügge<br />
Die vier Leben<br />
der Marta<br />
Feuchtwanger<br />
Aufbau-Verlag • ISBN<br />
978-3-351-02664-6<br />
46 Juli 2009 - Tamus/Aw 5769
KULTUR • LITERATUR<br />
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Erlebnis pur<br />
Was gibt es Schöneres, als in den schmucken, offenen Wagons der<br />
Liliputbahn durch den <strong>Wien</strong>er Prater zu fahren und viele Sehens -<br />
wür dig keiten aus nächster Nähe zu ge nießen? Wer Lust hat, kann<br />
die Bahn sogar für ein paar Stunden mieten und die Fahrt ganz<br />
exklusiv - nur mit Freun den oder der Familie – machen. Es gibt aber<br />
auch die Mög lichkeit, Pick nick fahrten zu lösen. Sie können dann<br />
zwischen durch aussteigen und gemütlich Rast machen. Auf Wunsch<br />
stellt der Delikatessenspezialist Böhle einen feinen Picknickkorb<br />
oder –rucksack für Sie zusammen!<br />
Infos dazu gibt´s unter Tel.: 726 82 36 oder<br />
im Internet unter www.liliputbahn.com