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September 2009 als pdf herunterladen - Israelitische ...

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KULTUR • LITERATUR<br />

bracht. Die Aktivitäten rund um die<br />

Öffnung des Koffers, das Projekt mit<br />

der ehemaligen Schule von Adele in<br />

montauban, mit einer Ausstellung und<br />

einer Kooperation mit einer Grazer<br />

Schule trügen vielleicht. Das Vor -<br />

schnel le: Es wird doch erinnert, alles<br />

in Ordnung, muss mit der Realität des<br />

Jahres <strong>2009</strong> konfrontiert und so schnell<br />

revidiert werden. Adele ist präsent in<br />

Auvillar, eine Ausstellung von marlis<br />

Glaser „Und Abraham pflanzte einen<br />

Tmarisken baum”, ein Jugendbuch,<br />

das soeben in Deutsch erschienen ist.<br />

Warum sollten dies Beispiele für eine<br />

kritische Sicht sein?<br />

Die Präsenz des Themas täuscht nur<br />

scheinbar Selbstverständlichkeit vor,<br />

denn der Grund dafür sind die Akti -<br />

vitäten von Gerhard und marie Jo<br />

Schneider, die das betreiben und im<br />

Rahmen des Pro jek tes JETE, der lokalen<br />

Erinnerungs kultur in ihrem Ort in<br />

Südfrankreich neue impulse gegeben<br />

haben. Die Präsenz von Adele darf<br />

jedoch keineswegs täuschen. Sie ist<br />

keine Selbstverständlichkeit auch im<br />

Jahr <strong>2009</strong> nicht. Denn wer fragt, wo<br />

die Koffer von Adele Kurzweil heute<br />

sind, nachdem sie geöffnet und vorbildhaft<br />

ausgewertet vom Historiker<br />

Pascal wurden, der wird sich wundern<br />

zu hören, dass sie sicher auf Dach -<br />

boden in einem Privathaus la gern,<br />

weil sie dort sicher sind. nachdem sich<br />

die politischen mehrheitsver hältnisse<br />

in montaubaun verändert haben, ist<br />

von einem Raum für die de portierte<br />

Fa milie Kurzweil keine Rede mehr.<br />

Und der Historiker Pascal hat es auch<br />

nicht unbedingt leicht. Die Koffer<br />

wurden gefunden, um versteckt zu<br />

wer den.<br />

Das Land der Resistance hat sich mit<br />

dem Eingeständnis der Kollaboration<br />

reichlich schwer getan, bis heute.<br />

Aber es sind doch nun schon mehr <strong>als</strong><br />

60 Jahre nach dem Kriegsende vergangen<br />

und jetzt sollten wir doch Zeit<br />

für die aktuellen Verbrechen finden.<br />

Alleine viele der “alten” Verbrechen<br />

sind bis heute nicht geklärt und wenn<br />

sie geklärt sind, gibt es auch noch<br />

einen Unterschied zwischen der His -<br />

torie, den veröffentlichten Studien<br />

von Historikerinnen und der öffentlichen<br />

meinung und ist da ist dann<br />

noch das Leben in einer Kleinstadt<br />

wie auch Auvillar. Entweder Partisan<br />

oder diplomatische Pendelmission.<br />

Und Partisanen leben nicht wohlgelitten<br />

in Dörfern, <strong>als</strong>o Diplomatie der<br />

kleinen Schritte auch nach 60 Jahren.<br />

meine Frage, warum nicht am Ort des<br />

Geschehens, die Koffer gezeigt würden<br />

entlockt allen, denen ich diese<br />

Frage gestellt habe ein ungläubiges<br />

La chen, das sei ne unversiegbare<br />

Quel le im Unvor stellbaren hat. Un -<br />

denkbar. Auch wenn dies auch <strong>als</strong><br />

touristischer Anreiz gesehen werden<br />

könnte. Doch an Pilgern auf dem<br />

Jakobsweg ist kein mangel und was<br />

will man mehr. Auch die Lehrerin<br />

Lagrande, die mit ihren Schülerinnen<br />

die Geschichte von Adele Kurzweil<br />

aufgearbeitet hat, erinnert nicht an<br />

jemanden, der sich im Widerstand be -<br />

findet. Selbst für die Geschichte jener<br />

Französinnen und Franzosen, die<br />

Jüdinnen und Juden gerettet haben,<br />

ist jetzt erst, in den letzten zehn<br />

Jahren der Tag der Offenbarung angebrochen.<br />

Adele hat den Anstoß gegeben.<br />

Soviel wird über die Deportier -<br />

ten gesprochen, wobei es doch viele<br />

gegeben hat, die geholfen haben. Von<br />

einer historischen Weißwaschung ist<br />

Frau La grande weit entfernt, verwunderlich<br />

muss es doch erscheinen, wa -<br />

rum selbst die positiven Geschich ten<br />

bis heute nicht aufgearbeitet und<br />

nicht im Alltagsgedächtnis verankert<br />

sind. ist vielleicht auch mit geretteten<br />

Ju den kein Staat zu machen in Süd -<br />

frank reich des Jahres <strong>2009</strong>? nicht nur<br />

die Geschichte der Kollaboration,<br />

sondern auch jene des Widerstandes<br />

ist offenbar noch immer noch nicht<br />

lük kenlos geschrieben und wird nur<br />

dem Vergessen entrissen, wenn es<br />

Aktivis tin nen gibt, die eine mischung<br />

aus Partisan und Diplomat sind.<br />

Für die Lehrerinnen und Erwach se -<br />

nenbildnerinnen aus dem kleinen<br />

litauischen Ort Telsiai war das Projekt<br />

JETE ein Beginnen bei null. Während<br />

Projektepartnerinnen aus Polen, in sti -<br />

tut for Tolerance (Lodz), aus Österreich,<br />

Volkshochschule Hietzing (Wien)<br />

oder die Gesellschaft für Kunst und<br />

Heiterkeit über eine lange Tradition<br />

von Erinnerungsarbeit verfügen und<br />

diese in vielfältigen Pro jekten mitgestaltet<br />

haben, meint Ausra Vilkaite sie<br />

hätten so gut wie nichts über die Ge -<br />

schichte der Juden ihres Or tes ge wusst.<br />

Unglaublich wenn man weiß, dass die<br />

Geschichte der Juden in Telsiai bereits<br />

auf das 17. Jahrhundert zurückgeht<br />

und am Be ginn des 18. Jahrhunderts<br />

Juden die mehrheit im Ort stellten.<br />

Die Jeschiwa von Telsiai besaß Welt -<br />

ruf, im Jahr 1937 studierten dort Rab -<br />

biner aus Ame ri ka, England, Deutsch -<br />

land und Frank reich. Jeden Sommer<br />

ist Telsiai bis heute ein Pilgerort für<br />

Rabbiner aus vielen Ländern. Be -<br />

stärkt durch das Projekt hat sich die<br />

Gruppe rund um Ausra vorgenommen,<br />

aktive Erinne rungs arbeit zu leisten.<br />

im Rat haus von Auvillar in Frank -<br />

reich präsentieren sie das Ergebnis<br />

ihrer drei Jahre. Ein kleiner Folder<br />

liegt auf den Plätzen vor den Teil -<br />

nehmerinnen, ein Folder, eine erste<br />

Geschichte der jüdischen Gemeinde,<br />

eine Topographie jüdischer Gelehr -<br />

sam keit. “Where the Je wish Culture<br />

flourished” Für einen Tag haben sie die<br />

Jeschiwa wieder ge öffnet, haben die<br />

Geschichte des Hau ses und die Er -<br />

gebnisse ihrer Reisen im Rahmen des<br />

EU Projektes JETE prä sentiert und<br />

Steine mit jüdischen Sym bolen be -<br />

malt. Für Telsiai war es das erste mal,<br />

dass sich Bewoh ner in nen mit der jü -<br />

dischen Geschichte auseinandergesetzt<br />

haben. „Leider wa ren bei der Er öff -<br />

nung unserer Aus stel lungen keine Po li -<br />

tiker des Ortes an we send”, umreißt sie<br />

die Situation diplomatisch. Dass es<br />

jedoch keine Quer schüsse ge geben<br />

hat, dass ist doch schon ein halber Sieg<br />

und immerhin rund 50 Per sonen sind<br />

gekommen, mehrheitlich Frauen. na -<br />

türlich wollen sie weitermachen. Die<br />

Gemeinde, die im Besitz des desolaten<br />

Gebäudes der Jeschiwa ist, soll<br />

überzeugt werden dies in ein Kultur -<br />

zentrum umzuwandeln.<br />

Partisanen der Erinnerung sind Ein -<br />

zel kämpferinnen, die sich wenn die<br />

Umstände günstig sind, vielleicht zu<br />

kleineren Verbänden zusammenschließen<br />

und ihre größten Erfolge<br />

erreichen sie dann, wenn sie mit di -<br />

plomatischen Geschick Bildungs- und<br />

informationsnngebote machen, Erin -<br />

nerung an die Shoa mehrheitsfä hig zu<br />

machen, dass sie nicht nur toleriert,<br />

sondern <strong>als</strong> notwendiger Bestandteil<br />

des alltäglichen Lebens er lebt werden<br />

kann, ist ein hohes Ziel. Dies er fordert<br />

langfristiges Planen und einen langen<br />

Atem und dass die ses Ziel nicht erreicht,<br />

sondern immer wieder neu er -<br />

rungen werden muss, ist wohl der<br />

ein deutige Hinweis da für, dass dies<br />

dann möglich ist, wenn Diplo matie im<br />

Spiel ist und erst dann wenn durch<br />

Diplomatie die Erinne rung an die<br />

Opfer der Shoa so allgemein ge halten<br />

wird, dass plötzlich alle Opfer der<br />

Gewalt werden ohne die näheren<br />

Umstände zu definieren, dann sind<br />

na delstiche und Partisa nen kurzfris -<br />

tig von nöten bis ein neuer diplomatischer<br />

Anlauf genommen werden muss.<br />

52 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770

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