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September 2009 als pdf herunterladen - Israelitische ...

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KULTUR • INLAND<br />

ben lernen, damit wir sie erinnern?<br />

Und er porträtiert die menschen dieses<br />

Landes, stellt die Frage nach ihren<br />

Sehnsüchten und ihren Fehlern, be -<br />

schreibt ihre Lebensläufe. Wir hatten<br />

zwanzig gute Jahre; das ist in unserem<br />

Land schon fast eine Frechheit,<br />

oder?<br />

Doch auch Grossman, der Friedens -<br />

ak tivist, versteckt sich nicht zwischen<br />

den Zeilen. Sein politisches Credo,<br />

für das er auch auf die Straße geht –<br />

eine Woche vor dem Tod seines Soh -<br />

nes demonstrierte er für ein Ende des<br />

Libanonkrieges - wird immer wieder<br />

spürbar, nicht zuletzt im Verständnis<br />

für die arabische Perspektive und das<br />

moralische Dilemma, das sich aus<br />

ebendiesem Verständnis ergibt.<br />

Sich eindenken, sich einfühlen können<br />

in Andere, das gehört zu Grossmans<br />

größten künstlerischen Qualitäten.<br />

So ist letztlich der ganze Roman aus<br />

der weiblichen Sicht erzählt, eine in -<br />

nenschau und eine Schau aus dem<br />

inne-ren einer Frau, die bis in die<br />

intimsten, erotischen Details überzeugen.<br />

Ora, die Geliebte, die Ehe frau,<br />

die Leidenschaftliche und Ver zwei -<br />

felte, sie ist ein sehr weibliches, sehr<br />

sinnliches Wesen. Und sie ist eine<br />

mutter, deren Angst um ihren Sohn,<br />

deren Panik vor einer nachricht, die<br />

kein mensch je vernehmen will,<br />

schmerzlich nachvollziehbar wird.<br />

Ob er diesen breit angelegten Roman,<br />

der seinen Sohn hätte schützen sollen,<br />

je würde vollenden können, daran<br />

hatte David Grossman Zweifel. „Ich<br />

bin mir nicht sicher, ob ich das Buch retten<br />

kann“, habe er zu seinem Freund<br />

Amos Oz, der ihn in der Trauerwoche<br />

besuchte, gesagt, erzählt er in einem<br />

„ZEiT“- interview. Oz antwortete:<br />

„Das Buch wird dich retten“.<br />

David Grossman:<br />

„Eine Frau flieht vor einer Nachricht“<br />

Aus dem Hebr. von Anne Birkenhauer<br />

Hanser Verlag,<br />

ZUM AUTOR - Der 1954 <strong>als</strong> Sohn eines Bus-Chauf -<br />

feurs in Jerusalem geborene David Grossman zählt mit<br />

seinen Romanen, Kinderbüchern und Essays zur Auto -<br />

ren-Elite Israels. Er studierte in Jerusa lem und arbeitete<br />

<strong>als</strong> Korrespondent und Moderator beim Sender Kol<br />

Israel. Dort war er jahrelang für eine Kindersendung<br />

verantwortlich und schrieb auch Hörspiele.<br />

Grossman gilt <strong>als</strong> linksgerichteter Friedensaktivist und<br />

hat sich in vielen Schriften und Reden kritisch zur<br />

Politik Israels geäußert. Zu seinen bekanntesten Wer -<br />

ken zählen „Stichwort Liebe“, „Der Kindheitse r fin -<br />

der“, „Das Gedächtnis der Haut“ und „Diesen Krieg<br />

kann keiner gewinnen“. Grossman ist verheiratet, Vater<br />

dreier Kinder und lebt in einem Vorort von Jerusalem.<br />

Partisanen der Erinnerung<br />

oder diplomatische Pendelmissionen<br />

Zum Ende des europäischen Erinnerungsprojektes JETE <strong>2009</strong><br />

Diplomaten und Partisanen haben<br />

eines gemeinsam, beide erreichen ihr<br />

Ziel nicht unbedingt auf dem direkten<br />

Weg. Die Unterschiede sind nicht<br />

nur in der Einstellung zur Ge walt<br />

festzumachen, sondern auch in der De -<br />

finition von Erfolgen. Die einen arbeiten<br />

im Hintergrund und dürfen ihre<br />

Siege oft nicht feiern, die anderen le -<br />

ben von kurzfristigen Siegen, weil die<br />

langfristigen meist unerreichbar sind.<br />

Erinnerungsarbeit an die Shoa, an die<br />

Verbrechen des nation<strong>als</strong>ozialismus<br />

hat die möglichkeit, im Pendelschlag<br />

zwischen Partisanen und Diplomaten<br />

Ta ge der Erinnerung einläuten zu lassen.<br />

Partisanen der Erinnerung. Das lässt<br />

aufmerken und diese Feststellung<br />

scheint aus einem anderen Land zu<br />

kommen. Sicherlich ist dies ein Tribut<br />

an den letzten Ort des europäischen<br />

Erinnerungsprojektes JETE Jüdische<br />

Bildungstraditionen in Europa, das<br />

nach drei Jahren mit einem Partner -<br />

treffen in Auvillar in Südfrankreich<br />

zu Ende gegangen ist. Und Frank -<br />

reich ist unbestritten das Land der<br />

Restistance und der genius loci ist<br />

vielleicht anregend, ansteckend, doch<br />

anders <strong>als</strong> auf den ersten Blick angenommen<br />

werden könnte.<br />

Wie kämpfen Partisanen? Sie arbeiten<br />

im Untergrund, sie schlagen überraschend<br />

zu, sie haben angesichts ihrer<br />

Schwäche einen Hang zu spektakulären<br />

Aktionen, die ihre zahlenmäßige<br />

Schwäche vergessen lassen. Wer heu -<br />

te noch von Partisanen spricht, der<br />

zeigt seine verganenheitsverliebten<br />

Wurzeln, fühlt sich auf der richtigen<br />

Seite der Geschichte, <strong>als</strong>o <strong>als</strong> minder -<br />

heit, denn für die mehrheit dam<strong>als</strong><br />

und wohl auch heute, waren Partisa -<br />

nen schon immer Verbrecher, denn<br />

die mehrheit stand unter Uniform.<br />

Für den einen Teil sind die Partisanen<br />

mit der Gloriole der Vergangenheit<br />

geadelt, doch nur mehr ganz Un ver -<br />

besserliche glauben, dass die Rettung<br />

der Welt in bolivianischen Urwäldern<br />

verraten worden sei, guter alter Che<br />

hilf uns nicht nachdenken lassen zu<br />

müssen. Partisanenkampf firmiert<br />

VON ROBERT STREIBEL<br />

heu te unter Terrorismus und damit<br />

ist kein Staat zu machen, so ändern<br />

sich die Zeiten. Erinnerungsarbeit hat<br />

in vielen Teilen Europas noch immer<br />

mit Auseinandersetzungen zu tun,<br />

Kampf wäre vielleicht übertrieben,<br />

aber die zahlenmäßige Schwäche und<br />

das Agieren in einer feindlichen Um -<br />

ge bung erinnern an den Partisanen -<br />

kampf. natürlich gibt es in einer Um -<br />

gebung, die den Anliegen ablehnend,<br />

abwartend und gleichgültig gegenübersteht<br />

auch Sympatisanten und<br />

Unterstützer, das Licht der Öffentlichkeit<br />

müssen sie jedoch meist scheuen.<br />

Patisanen sind in ländlichen Gebieten<br />

und mit dieser geographischen Fixie -<br />

rung ist ein weiterer Berührungs -<br />

punkt mit Erinnerungsarbeit gefunden,<br />

wenn es auch weiße Flecken in<br />

städtischen Gebieten gibt, auf dem<br />

Land, in der Provinz kann die Aus ein -<br />

andersetzung zuweilen bittere Züge<br />

annehmen, wenn sie überhaupt ge -<br />

führt wird. Partisanen gewinnen kei -<br />

ne Kriege und haben nicht die Wahl<br />

der mittel, Erinnerungs arbeiter innen<br />

haben diese Wahl und da heute zum<br />

überwiegenden Teil dem Lager der<br />

Pa zifisten zuzuordnen sind, auch<br />

wenn Hitler durch ebensolche nicht<br />

besiegt hätte werden können, soll die<br />

zweite notwendige Existenz form<br />

beschrieben werden. Wenn schon<br />

nicht Partisanenkampf, dann doch<br />

diplomatische Pendelmission. Wie<br />

man/frau es auch dreht, wenn die<br />

Pendeluhr der Aufmerksamkeit<br />

schlägt und wer hellhörig ist, muss<br />

ein gestehen, Erinnerung ist keine<br />

Selbstverständlichkeit wie der Tages -<br />

an bruch. Damit Erinnerung auf dem<br />

Plan kommender Tage erscheint,<br />

braucht es Fingerspützengefühlt. Es<br />

ist keine leichte Sache. Und ohne Um -<br />

wege ist das Ziel oft nicht zu erreichen.<br />

Auvillar ist der Ort, von dem Adele<br />

Kurzweil und ihre Familie aus Graz<br />

geflohen, 1942 deportiert wurden<br />

und wo 1990 die gepackten Koffer ge -<br />

funden wurden. Ein geschichts träch -<br />

tiger Ort und der Zufall des Ver kaufs<br />

des Bürgermeisteramtes hatte die<br />

Koffer zweier jüdischer Familien in<br />

die Erinnerung des Ortes zu rück ge -<br />

<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770 51

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