September 2009 als pdf herunterladen - Israelitische ...
September 2009 als pdf herunterladen - Israelitische ...
September 2009 als pdf herunterladen - Israelitische ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
KULTUR • INLAND<br />
Die 23-jährige Wienerin Clara Trischler<br />
absolviert zur Zeit einen Freiwilligen -<br />
dienst in Yad Vashem und bloggt dabei<br />
aus Israel für fm4.at, den Internet-Auf -<br />
tritt des ORF-Radiosenders FM4. „Die<br />
Gemeinde“ sprach mit ihr über ihre Mo -<br />
ti vation, <strong>als</strong> Nichtjüdin ein Jahr in Israel<br />
zu verbringen, und ihre Beiträge für FM4:<br />
wie eine junge Österreicherin das Leben,<br />
die Menschen und die Politik in Israel<br />
erlebt.<br />
VON ALEXIA WEISS<br />
Wie kamen Sie auf die Idee, einen einjährigen<br />
Freiwilligendienst in Yad Vashem<br />
zu absolvieren?<br />
in einem moment von Zukunfts verlorenheit<br />
habe ich einen Alternativplan<br />
gesucht, im außereuropäischen, weniger<br />
planiert-globalisierten Ausland.<br />
in früheren, politischeren Tagen gab<br />
es schon einmal diese idee, aber noch<br />
keine Gelegenheit, <strong>als</strong> Frau einen<br />
Gedenkdienst zu machen. Dam<strong>als</strong> gab<br />
es für mädchen nur sehr unattraktive<br />
Stellen in Auschwitz und Westerbork.<br />
Erst war nur die idee is ra el interessant<br />
und, so ohne eingehauchtem Le -<br />
ben, abstrakt, festgemacht in Bil dern<br />
von sandfarbenen Städten und süßem<br />
minztee.<br />
ich schreibe, und zwar Drehbücher<br />
und Geschichten. Für mich stand auch<br />
im Vordergrund, dass ich in meiner<br />
Arbeit mit vielen menschlichen Leben<br />
konfrontiert bin. in einer Akte über<br />
Rassenschande findet man etwa Lie -<br />
besbriefe zwischen Juden und nicht -<br />
jü dinnen, Abschiedsbriefe von Eltern<br />
aus Deportationszügen, die über das<br />
Rote Kreuz vermittelt worden sind.<br />
„Fühlbarer<br />
machen,<br />
wie sich ein<br />
junger Mensch<br />
in Israel fühlen<br />
kann“<br />
Und dann die andere Ebene: die Ge -<br />
schichten der menschen, die im aktu -<br />
ellen israel leben und wie jeder eine<br />
andere Sicht auf dieses Leben, diesen<br />
Konflikt, diese Geschichte haben.<br />
Dies ist Ihr erster Israel-Aufenthalt. Wie<br />
kommen Sie mit der Sprache zurecht?<br />
ich bin nicht jüdisch und versuche hier<br />
ein wenig Hebräisch zu lernen, an -<br />
fangs auch in einem Kurs, jetzt im<br />
freieren Sprechen, mit Kinder bü -<br />
chern. ich scheitere und verständige<br />
mich. Die Schriftsprache zu lernen war<br />
wie einen Code zu knacken und das<br />
Gefühl, langsam die bezeichnete Welt<br />
um einen herum verstehen zu können.<br />
Und ich mag den Klang der Spra -<br />
che. Das Sprechen zu lernen ist wie<br />
sich gerade erfundene Worte merken<br />
zu wollen.<br />
Wie lange haben Sie vor, in Israel zu bleiben?<br />
insgesamt ein Jahr, bis <strong>September</strong>. ich<br />
kann mir aber durchaus vorstellen,<br />
später für eine Weile wiederzukommen.<br />
Dieses Land lässt wenige los,<br />
die so lange hier leben.<br />
Sie nutzen Ihren Jerusalem-Aufenthalt<br />
auch, um auf FM4 zu bloggen. In Ihrem<br />
ersten Beitrag diesen Januar schrieben Sie<br />
unter dem Titel „Der Alltag in Jerusa -<br />
lem” u.a. Folgendes: „Gleichzeitig frage<br />
ich mich, warum die Demonstrationen in<br />
Wien aus der Ferne mehr wie Anti-Israel<strong>als</strong><br />
Anti-Kriegsdemos aussehen. Das hal te<br />
ich für gefährlich.” Warum ist dies ge -<br />
fährlich?<br />
Das ist interessant, weil ich diesen<br />
Satz in meiner letzten Fassung eigentlich<br />
gestrichen habe, er wurde dann<br />
aber doch veröffentlicht. ich versuche<br />
oft, nicht wertend zu schreiben, ich<br />
möchte menschen nicht eine mei -<br />
nung vordenken.<br />
Aber nun zur konkreten Frage: Ge -<br />
nausowenig wie israels Politik zu kritisieren<br />
nicht antisemitisch ist, muss<br />
man hier zwischen dem Staat israel -<br />
oder der idee eines Staates israel -<br />
und einem Kriegsinteresse in Gaza<br />
differenzieren. Weil ich mit menschen<br />
in israel gesprochen habe, konnte ich<br />
zumindest ansatzweise nachvollziehen,<br />
was Beweggründe für eine Un -<br />
ter stützung des Krieges sein können.<br />
inhaltsleere Friedens demonstratio nen<br />
in Europa halte ich mittlerweile für<br />
naiv: natürlich wollen die meisten in<br />
israel Frieden, aber auf das wie? ge -<br />
ben die Protestantinnen auch keine<br />
Antwort.<br />
ich halte die Vereinheitlichung des<br />
Staa tes israel mit einem Kriegs in ter -<br />
es se in Gaza für gefährlich, weil mir<br />
nicht immer ganz klar ist, warum dieser<br />
Konflikt soviel mehr Aufmerk sam -<br />
keit bekommt, <strong>als</strong> etwa Darfur. Weil<br />
viele israelis europäische Exilantin nen<br />
sind? Weil israel ein recht „westli-<br />
cher” Staat ist, umgeben von Staaten<br />
mit arabischer Kultur und Tradition?<br />
natürlich spielt unsere Rolle in der<br />
Shoa mit hinein. ich muss jedesmal<br />
schlucken, wenn menschen nach is -<br />
rael reisen, um dann über ihre vorgefertigten<br />
Positionen gegenüber „den<br />
Juden” zu sprechen.<br />
ich fühle mich da zerrissen, die Presse<br />
in Europa scheint mir sehr solidarisch<br />
mit dem palästinensischem Under dog,<br />
in israel meint das Fernsehen recht<br />
offen, dass Gaza das israelische Pu -<br />
blikum außerhalb des Krieges nie<br />
wirklich interessiert hat.<br />
Es ist ein natürlicher Reflex, auf Seite<br />
der Palästinenser zu stehen, wenn man<br />
hört, was man hört. Aber man hört<br />
eben oft nur, was man hören möchte.<br />
Die informationen sehen in den verschiedenen<br />
Staaten sehr unterschiedlich<br />
aus und ich finde es unreflektiert,<br />
medien im Krieg leichtfertig zu glauben.<br />
Schließen Sie hier israelische Medien mit<br />
ein?<br />
Definitiv. Das ist bemerkenswert<br />
spannend, wie medial in israel gegenüber<br />
dem Krieg – natürlich - eine ganz<br />
andere Haltung eingenommen wurde<br />
42 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770