September 2009 als pdf herunterladen - Israelitische ...
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POLITIK • INLAND<br />
sich lückenlos in die Serie der laufenden<br />
Provokationen der 'Keller-Nazis' ein.<br />
Diese FPÖ ist eine Schande für un ser<br />
Land und kein politischer Partner, weder<br />
für Koalitionen noch für eine Po litik für<br />
die Menschen in Österreich."<br />
Für „absolut abstrus” hält auch Po li -<br />
tik wis senschafter Walter Manoschek<br />
die Aussagen von FPÖ-Chef Heinz-<br />
Christian Strache, wonach „mindestens<br />
15 Prozent” der Wehrmachtsde -<br />
ser teure ihre Kameraden ermordet<br />
hätten. manoschek ist Autor einer im<br />
Jahr 2003 veröffentlichten Studie, bei<br />
der 1.300 Fälle desertierter Österreicher<br />
untersucht wurden. Dabei lag in<br />
„nur” zwei Fällen (<strong>als</strong>o ca. 0,2 Pro -<br />
zent) ein Tötungsdelikt vor.<br />
Anlässlich des 70. Jahrestages des<br />
Aus bruchs des Zweiten Weltkriegs ist<br />
die Diskussion um die lückenlose Re -<br />
habilitierung von Fahnenflüchtigen<br />
wie der entflammt. Die Grünen wollen<br />
noch heuer gemeinsam mit SPÖ<br />
und ÖVP ein entsprechendes Gesetz<br />
durch den Nationalrat bringen. Na tio -<br />
nal rats präsidentin Barbara Pram mer<br />
(S), der Zweite National rats präsident<br />
Fritz Neugebauer und der frühere Na -<br />
tio na l ratspräsident Andreas Khol (bei-<br />
de V) hatten sich zuletzt zustimmend<br />
ge äußert. In der Diskussion geht es<br />
da rum, dass Wehrmachts-Deserteure<br />
mit dem „Anerkennungsgesetz 2005”<br />
zwar sozialrechtlich den anderen Op -<br />
fergruppen gleich gestellt, aber im Ge -<br />
setz nicht explizit erwähnt wurden.<br />
Die Ergebnisse der vom Wissen -<br />
schafts ministerium in Auftrag gegebenen<br />
zweijährigen Studie „Opfer der<br />
NS-Militärjustiz” sollten die Grund la -<br />
ge für eine juristische Rehabilitierung<br />
von während der NS-Zeit verurteilten<br />
Österreichern sein.<br />
In Deutschland und Österreich gehe<br />
man von ungefähr 20.000 Personen<br />
aus, die zwischen 1939 und 1945 von<br />
der NS-Militärjustiz aufgrund von De -<br />
sertion verurteilt wurden, so der Po li -<br />
tologe Walter Manoschek. Hoch ge -<br />
rechnet wären ca. 2.000 Österreicher<br />
un ter den Verurteilten gewesen, un -<br />
gefähr 1.500 davon seien hingerichtet<br />
worden. Manoschek: „Zusam men mit<br />
den Menschen, denen die Desertion ge -<br />
glückt ist, gehen wir von einer dreistelligen<br />
Zahl aus, die heute noch lebt.”<br />
Störenfriede der Erinnerung<br />
Veranstaltung erinnert an Opfer der NS-Militärjustiz<br />
nationalratspräsidentin Barbara Pram -<br />
mer lud am 18. <strong>September</strong> zu einer<br />
Gedenkver an staltung für Verfolgte<br />
der nS-militärjustiz ins Palais Epstein.<br />
Zu Wort kamen dabei die ehemalige<br />
Widerstandskämpferin Helga Emper ger,<br />
der Präsident des Verban des der<br />
Kärntner Partisanen (Zveza Koroskih<br />
Partizanov) Peter Kuchar, der Wider -<br />
stands kämpfer und langjährige Vor -<br />
sitzende des Bundes Sozialdemo kra -<br />
tischer Freiheitskämpfer Hugo Pepper,<br />
der Komponist Friedrich Cerha sowie<br />
der ehemalige Wehrmachtsdeserteur<br />
und Obmann des „Personenkomitee<br />
Gerechtigkeit für die Opfer der nSmi<br />
li tärjustiz” Richard Wadani.<br />
Prammer begrüßte die anwesenden<br />
Gäste und bedankte sich bei den Zeit -<br />
zeugen herzlich für ihr Kommen. An<br />
dieser Stelle zeigte sie sich zufrieden<br />
darüber, dass es gelungen sei, nun<br />
auch die Kärntner Partisanen <strong>als</strong> Op -<br />
fergruppe im nationalfonds aufzunehmen,<br />
sodass diese nun ebenfalls entschädigt<br />
werden könnten. Vor 70 Jah -<br />
ren, führte Prammer weiter aus, ha be<br />
der Zweite Weltkrieg begonnen, der<br />
von Anfang an <strong>als</strong> Vernich tungs krieg<br />
geplant gewesen sei. Ein solches Da -<br />
tum sei hilfreich, sich wieder einmal<br />
mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen,<br />
so die Präsi den tin.<br />
in einer ersten Runde sprachen die<br />
Zeitzeugen von ihren ganz besonderen<br />
Erfahrungen mit dem Thema.<br />
Helga Emperger berichtete von ihren<br />
Aktivitäten im Widerstand und da von,<br />
dass sie mit ihrer mutter Wehr machts -<br />
deserteuren half, wofür sie 1944 in<br />
die Fänge der Gestapo geriet. ihre<br />
mutter wurde von den national so zi a -<br />
lis ten hingerichtet, Emperger über -<br />
lebte knapp.<br />
Peter Kuchar schilderte die Aktiv i täten<br />
der Kärntner Partisanen, die<br />
einen aktiven Beitrag zur Befreiung<br />
Österreichs leisteten. Er selbst wirkte<br />
an deren Kampf <strong>als</strong> Kurier mit. Hugo<br />
Pepper wiederum leistete innerhalb<br />
der Wehrmacht Widerstand und stand<br />
auch mit der Gruppe um Major<br />
Szokoll in Verbindung.<br />
Richard Wadani wiederum desertierte<br />
1944 aus der Wehrmacht, wobei es<br />
ihm gelang, sich nach England durchzuschlagen,<br />
wo er sich einer Gruppe<br />
der tschechoslowakischen Exilarmee<br />
an schloss. Der Komponist Cerha<br />
schließ lich war 1944 zur Wehrmacht<br />
eingezogen und in Dänemark stationiert<br />
worden, von wo aus ihm wenig<br />
später die Flucht aus der Armee<br />
gelang, wobei er sich quer durch<br />
Deutschland nach Tirol durchschlug.<br />
in einer zweiten Gesprächsrunde ging<br />
es um die Erfahrungen der Zeit zeu -<br />
gen nach 1945 und auch darum, wie<br />
sich die Einschätzung ihrer Handlun -<br />
gen im Laufe der Zeit in der Gesell -<br />
schaft geändert hat.<br />
Barbara Prammer und Richard Wadani<br />
©Carina Ott<br />
in Österreich kam es erst 2005 zur<br />
teilweisen rechtlichen Rehabili tie rung<br />
von Opfern der nS-militärjustiz durch<br />
das sogenannte Anerken nungs gesetz.<br />
Zum 70. Jahrestag des Be ginns des<br />
Zweiten Weltkriegs und vier Jah re nach<br />
Verabschiedung des Anerken nungs -<br />
gesetzes 2005 erinnert nun auch eine<br />
Ausstellung an die Ver ur teil ten der<br />
nS-Kriegsgerichte. Am 1. Sep tem ber<br />
<strong>2009</strong> wurde die Wan der ausstel lung<br />
„Was dam<strong>als</strong> Recht war ...” im Wiener<br />
nestroyhof eröffnet. Sie wurde für<br />
Deutschland entwickelt, durch den<br />
Ver ein „Personenkomitee Gerechtig -<br />
keit für die Opfer der nS-militär jus tiz”<br />
in Zusammenarbeit mit dem „Ver ein<br />
Gedenkdienst für Österreich” aktualisiert<br />
und ist noch bis zum 15. Oktober<br />
hierzulande zu sehen.<br />
Die Ausstellung erinnert an weit<br />
mehr <strong>als</strong> 20.000 Soldaten und Zivi listen<br />
aus nahezu ganz Europa, die durch<br />
Unrechtsurteile der Wehr machts ge -<br />
rich te umkamen. in diesem Zusam -<br />
men hang findet wei ters am 1. und 2.<br />
Ok tober <strong>2009</strong> ein themenspezifisches<br />
Symposion im Wie ner Justizpalast<br />
statt, an dem sich Ex pertinnen und<br />
Ex perten aus zahlreichen Ländern be -<br />
teiligen werden.<br />
<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770 11