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September 2009 als pdf herunterladen - Israelitische ...

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GEMEINDE<br />

DVR 0112305 € 2.-<br />

nr. 653 september <strong>2009</strong><br />

elul/tischri 5770<br />

Erscheinungsort Wien<br />

Verlagspostamt 1010 P.b.b<br />

e 2.-<br />

GZ 03Z034854 W<br />

Die Die<br />

offizielles organ der israelitischen Kultusgemeinde wien<br />

magazin


INHALT<br />

&<br />

AUS DEM BÜRO<br />

DES PRÄSIDENTEN<br />

Einladung 3<br />

IN EIGENER SACHE<br />

AKFT-NEU Ausblicke 4<br />

Schalom Bait 5<br />

ALEXIA WEISS<br />

Serie: Hinter den Kulissen der IKG<br />

Teil 13: Fundraising 6<br />

POLITIK<br />

INLAND<br />

Vorarlberg: Mit Antisemitismus<br />

zum Wahlerfolg 9<br />

ALEXIA WEISS<br />

Der Exiljude 10<br />

DORI MUCH<br />

Antisemitismus - ein<br />

unausrottbares Phänomen 11<br />

Störenfriede derErinnerung 13<br />

Salzburg arbeitet NS-Zeit auf 14<br />

ALEXIA WEISS<br />

Vor dem Urnengang gestoppt<br />

- die NVP 15<br />

Israels Botschafter über Mangel<br />

an Nah-Ost-Information 18<br />

AUSLAND<br />

Holocaust-Leugner<br />

Ahmadinedjad 19<br />

Antisemitisches 20<br />

Rechte Botschaften<br />

im Internet 21<br />

ISRAEL<br />

Israels Reaktion auf den<br />

Goldstone-Bericht 22<br />

ULRICH W. Sahm<br />

Kommentar zu Goldstone 24<br />

ULRICH W. Sahm<br />

Israel erklärt Menschenrechtsorganisationen<br />

den Krieg 24<br />

ULRICH W. Sahm<br />

Der Dreiergipfel 29<br />

WIRTSCHAFT<br />

REINHARD ENGEL<br />

Schnee bei Sonnenschein 28<br />

Ausgewertet werden Meldungen von: APA, Jerusalem Post, Ha’aretz, MEMRI, Yediot Aharonot, Global intelligence<br />

centre, Walla, Y-net, israelnetz (inn), nahostfocus (NOF), ICEJ, Honestly-concerned, GMW, JTA, ILI u.v.a.<br />

GEmEinDE<br />

Wirtschaft-News 31<br />

WISSENSCHAFT<br />

LifeBond 32<br />

Wissenschaftler können<br />

DNA fälschen 33<br />

JÜDISCHE WELT<br />

ALEXIA WEISS<br />

Schächtregelung in der EU 34<br />

Panorama 38<br />

Das war 5769 40<br />

Neue Synagoge für<br />

Petach Tikva 41<br />

KULTUR<br />

ALEXIA WEISS<br />

Fühlbar machen 42<br />

ALEXIA WEISS<br />

Heldenverehrung im Bunker 45<br />

Hohe Auszeichnung für<br />

Künstlerin Soshana 47<br />

MARTA S. HALPERT<br />

Orsolya Korcsolán -Mit der<br />

Violine auf Spurensuche 48<br />

ANITA POLLAK<br />

Erzählen gegen den Tod 50<br />

ROBERT STREIBEL<br />

Partisanen der Erinnerung 51<br />

ANITA POLLAK<br />

Versteckte Spuren des<br />

Rassenwahns 53<br />

JUDENTUM<br />

RABB. SCHLOMO HOFMEISTER<br />

Schailes & Tschuwos 54<br />

Titelbild: © L. Foeger/Reuters<br />

Kundgebung vor der Wiener<br />

Staatsoper gegen Ahmadinejad<br />

Organisiert vom Bündnis "Stop<br />

the Bomb" mit zahlreichen Unter -<br />

stüt zern; unter den Rednern u.a.<br />

IKG-Präsi dent Muzi cant, Grüne-<br />

Klub ob frau Petr ovic, Gruß bot -<br />

schaf ten von Bez.Vst. Sten zel, van<br />

der Bellen und R. Schindel.<br />

Medieninhaber (Verleger), Herausgeber: <strong>Israelitische</strong> Kultusgemeinde Wien.<br />

Zweck: Information der Mitglieder der IKG Wien in kulturellen, politischen<br />

und or ganisatori schen Belangen. Stärkung des demokratischen<br />

Bewusst seins in der österreichischen Bevöl kerung. Sitz: 1010 Wien, Seitenstettengasse 4, Postfach 145.<br />

Tel. Redaktion/Sekretariat 53 104/271, Anzeigenannahme 53 104/272, Fax: 53104/279, E-mail redaktion@ikg-wien.at<br />

Druck: AV+Astoria Druckzentrum GmbH, A-1030 Wien<br />

Alle signierten Artikel geben die persönliche Mei nung des Autors wieder, die sich nicht immer mit der<br />

Mei nung der Redaktion deckt. Für die Kaschrut der in der GEMEINDE angezeigten Produkte übernehmen<br />

Herausgeber und Redaktion ausdrücklich keine Verantwortung. Nicht alle Artikel, die in der Redak -<br />

tion einlangen, müs sen zur Veröffentlichung gelangen.<br />

NEU<br />

AB OKTOBER<br />

„DIE GEMEINDE” ONLINE-BLÄTTERN<br />

"ASK THE RABBI"<br />

AUF DER WEBSITE DER IKG WIEN<br />

LESEN SIE MEHR DARÜBER<br />

IM OKTOBER-INSIDER<br />

PLENARSITZUNGEN <strong>2009</strong>:<br />

13. Oktober - 05. November - 01.Dezember<br />

Wünsche? Probleme? Anregungen?<br />

Wenden Sie sich vertrauensvoll an unsere IKG-Ombudsleute<br />

Gustav Adler Tel: 0676 636 5118,<br />

Heinrich Ehlers Tel: 0676 421 3670<br />

DI Hans Gelbard Tel: 0699 11058 606<br />

Dr. Slawik Jakubow Tel: 0664 103 2349<br />

Prof. Dr. Franziska Smolka Tel: 531 04 -105<br />

fsmolka@chello.at<br />

Letzte Meldung<br />

NEU<br />

Österreichs Delegation blieb bei<br />

Ahmadinejad-Rede sitzen<br />

Vertreter der USA, Deutschlands, Ungarns und<br />

einer Reihe weiterer Staaten verließen den Saal<br />

Im Gegensatz zu einer Reihe westlicher Delegationen sind die<br />

Vertreter Österreichs bei der UN-Vollversammlung in New<br />

York während der Rede des iranischen Präsidenten Mahmoud<br />

Ahmadinejad im Sitzungssaal geblieben. Das be richtete das<br />

Frühjournal des Ö1-Radios am 24. Septem ber.<br />

Neben den USA verließen von europäischer Seite nach An ga -<br />

ben aus Diplomatenkreisen Deutsch land, Groß bri tan nien,<br />

Frank reich, Italien, Dänemark und Ungarn den Saal. Auch die<br />

Delegationen aus Argentinien, Costa Rica, Australien und Neu -<br />

seeland zogen sich zurück. Die israelische Delegation hatte die<br />

Rede Ahmadinejads von vornherein boykottiert.<br />

„Es ist enttäuschend, dass Herr Ahmadinejad einmal mehr hasserfüllte,<br />

beleidigende und antisemitische Rhetorik gewählt hat”, er -<br />

klärte der Sprecher der US-Vertretung bei den Vereinten Na tio -<br />

nen, Mark Kornblau. Ahmadinejad griff in seiner Rede Israel<br />

scharf an, wobei er das Land nie beim Namen nannte, sondern<br />

nur vom „zionistischen Regime” sprach. Er warf Israel unter<br />

anderem „unmenschliche Politik” gegenüber den Palästinen -<br />

sern vor. Diese seien Opfer von „Völkermord”. Den Juden warf<br />

der umstrittene iranische Präsident vor, „eine neue Form der<br />

Sklaverei” aufbauen zu wollen. Dabei würden sie versuchen,<br />

die USA und die Europäer für ihre Zwecke einzuspannen.<br />

Der iranische Präsident hatte erst in der vergangenen Woche für<br />

weltweite Empörung gesorgt, <strong>als</strong> er in einer Rede in Tehe ran<br />

erneut den Holocaust leugnete.<br />

2 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770


AUS DEM BÜRO DES PRÄSIDENTEN<br />

Tage der offenen Tür<br />

in der Simon-Wiesenthalgasse<br />

Halle - Aufzugsvorplatz<br />

© Arch. Thomas Feiger<br />

18. Oktober <strong>2009</strong> – 11.00 - 13.00 Uhr<br />

Schwerpunkt MZ mit Tagesstätte<br />

15. November <strong>2009</strong> – 11.00 - 13.00 Uhr<br />

Schwerpunkt MZ, Seniorenresidenz, Wohnheim<br />

Abschied von der Bauernfeldgasse<br />

Verein Freunde des Elternheimes<br />

15. November <strong>2009</strong> - ab 15.00 Uhr<br />

<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770<br />

3


IN EIGENER SACHE • ANNI KOHN-FEUERMANN-TAGESSTÄTTE<br />

Die neue „Anne Kohn-Feuermann“- Tagesstätte<br />

im Sanatorium Maimonides-Zentrum<br />

Bald wird der große moment gekommen<br />

sein und die „Anne Kohn-Feuer -<br />

mann“- Tagesstätte wird ihre neuen<br />

Räumlichkeiten in der Simon Wiesen -<br />

thal Gasse beziehen können. Der neue<br />

Standort bringt eine Reihe von internen<br />

infrastrukturellen Verbesserun gen<br />

mit sich, eröffnet aber auch ungeahnte<br />

möglichkeiten an der nutzung lokaler<br />

Angebote: So können unsere Besu che -<br />

r innen in Zukunft aufgrund der Pra -<br />

ter nähe die dortigen Freizeitbeschäf -<br />

ti gun gen nutzen oder einfach nur<br />

lust wandeln in der Praterallee wie zur<br />

Zeit des Biedermeiers, exklusives Flair<br />

geniessen bei einer Tasse Kaffee oder<br />

einem Lunch im nahegelegenen Yacht -<br />

hafen von Wien oder gemeinsam<br />

Aus flüge auf die Donauinsel unternehmen.<br />

Wir bieten weiterhin für unsere Besu -<br />

cherinnen ein Fahrtendienst-Service<br />

zum und retour vom Tageszentrum.<br />

mit den neuen Räumlichkeiten der<br />

„An ne Kohn-Feuermann“- Tagesstät te<br />

in der Simon Wiesenthal Gasse löst<br />

sich das durch die in den letzten Jah ren<br />

kontinuierlich steigende Besu cherin -<br />

nen zahl entstandene Platzproblem.<br />

im neuen Haus werden wir endlich<br />

über einen eigenen Therapie- und Be -<br />

wegungsraum, der modernst ausgestattet<br />

sein wird, verfügen und können<br />

somit die Physiotherapie- und<br />

Re mobilisierungsmöglichkeiten für<br />

un sere Gäste ausbauen. Besonders<br />

stolz sind wir auf das geräumige, nach<br />

den neuesten Pflegestandards eingerichtete<br />

Badezimmer, das unsere Se -<br />

niorinnen selbständig oder mit Un -<br />

ter stützung von diplomiertem Pflege -<br />

per sonal zur Körperpflege (für ein<br />

genüssliches Bad oder eine erfrischende<br />

Dusche) verwenden können. Auch<br />

haben wir eine eigene Schneiderecke<br />

vorgesehen für das für uns unersetzbare<br />

Schneiderservice von Herrn<br />

Schnei dermeister manfred Wonsch,<br />

der seit mehreren Jahren ehrenamtlich<br />

für die Tagesstättenbesu cherin nen<br />

und Heimbewohnerinnen Änderungsarbeiten<br />

vornimmt.<br />

Die neue räumliche Struktur bringt in<br />

Zukunft auch ein erweitertes Akti vi -<br />

tä tenangebot für unsere Gäste mit sich:<br />

Da wir mehrere Funktionsräume <strong>als</strong><br />

bisher zur gleichzeitigen nutzung<br />

ha ben werden, können verschiedene<br />

Grup penaktivitäten bzw. Therapien<br />

pa rallel durchgeführt werden. So wer -<br />

den wir zusätzlich zu unserem bis -<br />

herigen Programmpunkten (Ge dächt -<br />

nis training, Kunsttherapie, Physiothe -<br />

rapie, Tanztherapie, Tiergestützte<br />

The rapie, Sturzprophylaxe, Tanz stun -<br />

de, Sing- und musikgruppe, musi ka -<br />

lische matinee) 1x wöchentlich - in Zu -<br />

sammenarbeit mit dem JBBZ – ei nen<br />

Computerkurs für die Seniorinnen<br />

anbieten. Ab Feburar 2010 startet der<br />

„English Conversation Club“ mit ei -<br />

ner Amerikanerin, die u.a. 7 Jahre lang<br />

stellvertretende Leiterin des Bureau<br />

for Survivor Affairs am Holocaust me -<br />

morial museum in Washington D.C.<br />

war. Weiters wird auf Wunsch unserer<br />

Seniorinnen ein Tischfußball-Set<br />

an geschafft, um in Zukunft Turniere<br />

(u.a. gegen das maimonides-Zen trum!)<br />

veranstalten zu können.<br />

im neuen Haus setzen wir noch mehr<br />

auf sinnvolle Synergieeffekte mit den<br />

Strukturen des Eltern- und Pflege -<br />

heims des Sanatoriums maimonides-<br />

Zentrum.<br />

Die ausschließlich den Besucher in nen<br />

und mitarbeiterinnen der „Anne<br />

Kohn-Feuermann“-Tagesstätte zur<br />

Ver fügung stehende netto-Fläche des<br />

Tageszentrums beträgt rund 378 m².<br />

Synergieeffekte ergeben sich durch die<br />

mögliche mitbenützung der an das Ta -<br />

geszentrum unmittelbar angrenzenden<br />

Elektrotherapie-Räume des mai mo ni -<br />

des-Zentrums, des gesamten Thera -<br />

pie pavillons und seiner Geräte so wie<br />

des Therapiegartens im Rah men der<br />

physiotherapeutischen Einzelbe hand -<br />

lungen durch die für die Tages stät te<br />

tätige diplomierte Physio- und Sporttherapeutin.<br />

Ein weiterer Syner gie ef -<br />

fekt wird ermöglicht durch die Abtren -<br />

nung des Speisesa<strong>als</strong> der Ta ges stätte<br />

vom Person<strong>als</strong>peiseraum des mai mo -<br />

nides-Zentrums mittels einer mo bilen<br />

Trennwand, die bei mittelgroßen<br />

Veranstaltungen der Tages stät te durch<br />

die Haustechniker entfernt werden<br />

kann. Eine weitere mobile Wand trennt<br />

den Personal spei seraum vom Spei se -<br />

raum der Heim be woh ner innen. Bei<br />

Der Eingangsbereich ins neue MZ<br />

Großver an stal tungen (z.B. der Tag der<br />

offenen Tür) kann auch diese Wand<br />

entfernt werden.<br />

Von Vorteil für unsere Tagesstättenbe -<br />

sucherinnen wird es auch sein, dass<br />

die Tagesstätte ebenerdig gelegen ist<br />

und drei Ausgänge direkt in den Gar -<br />

ten führen. im Außenbereich hinter<br />

dem Salon der Tagesstätte wird eine<br />

kleine Terrasse eigens für die Tages -<br />

stät ten besucherinnen zur Verfügung<br />

stehen und ein mehrere m² großes Beet<br />

sowie mehrere Hochbeete für die Wei -<br />

terführung des Projektes „Unser klei -<br />

ner Kibbuz“. So hat die Tages stät te ne -<br />

ben der nutzungsmög lichkeit des<br />

gesamten mZ-Gartens auch einen<br />

eigenen kleinen Grünbereich.<br />

Weitere Dienstleistungen, die im Haus<br />

geboten und durch die Besucher in nen<br />

der Tagesstätte in Anspruch ge nom -<br />

men werden können, sind Pedi küre,<br />

maniküre, der Friseursalon und das<br />

hauseigene Bistrot.<br />

Unsere Seniorinnen dürfen sich auf<br />

eine farblich ansprechende, lichtdurchflutete,<br />

mit stilvollen möbeln<br />

eingerichtete Tagesstätte, die weiterhin<br />

ein wohliges Flair von Zuhause<br />

vermitteln wird, freuen!<br />

Dr. Susanne Ogris<br />

Leiterin der Tagesstätte<br />

© Arch. Thomas Feiger<br />

4 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770


IN EIGENER SACHE • SCHALOM BAIT<br />

PLATTFORM GEGEN GEWALT IN DER FAMILIE<br />

Die Frauen- und Familienkommission der iKG startet ge mein sam mit ESRA und Ver tre terinnen<br />

und Vertretern un serer Gemeinde ein Projekt gegen Gewalt in der Familie.<br />

Wir wollen über Ursachen familiärer Gewalt informieren, wir wollen aufklären und Hilfe anbieten.<br />

Betroffene sind hauptsächlich Kinder und Frauen. Aber auch den Männern, die aufgrund von Überfor -<br />

derung ge walttätig werden, möchten wir mit unserer Kampagne hel fen.<br />

Frauen, die von Gewalt betroffen sind, fühlen sich oft allein gelassen und schämen sich für das,<br />

was ihnen angetan wird. Zu der Angst vor dem gewalttätigen Partner und der Sorge über die<br />

Reaktionen des Umfeldes kommt häufig noch das Gefühl von Schuld und Ohnmacht.<br />

Zur Unterstützung betroffener Frauen und Kinder wird durch ESRA eine „Anonyme Telefon be ra -<br />

tung“ <strong>als</strong> Pilot pro jekt (ab Dezember <strong>2009</strong>) angeboten werden. Betroffene werden die mög lich keit<br />

haben, sich telefonisch anonym und vertraulich beraten zu lassen und sich Unterstützung zu<br />

ho len. Die Beratung wird sensibel und mit Rücksicht auf traditionelle und religiöse Gepflo gen hei -<br />

ten geführt.<br />

Wir arbeiten eng mit Vertreterinnen aller jüdischen Grup pierungen zusammen. Zunächst werden<br />

wir verschiedene Artikel zu diesem The ma in den jüdischen medien publizieren. Am 18.<br />

no vem ber <strong>2009</strong> wird im Gemeinde zen trum eine Veran staltung mit Expertinnen stattfinden.<br />

Wir wollen durch Aufklärungsmaßnahmen, Infor ma tion und Unterstützungsmöglichkeiten helfen, dass<br />

das Thema „Ge walt in der Familie“ in unserer Ge mein de möglichst kein (Tabu)-Thema mehr ist!<br />

Berta Pixner<br />

Vorsitzende der Frauen- und Familienkommission<br />

Personenkomitee (in alphabetischer Reihenfolge ohne Titel): Judith Adler, Edla Biderman, Jacob Biderman, Agnes<br />

Buch egger, Rita Dauber, Oskar Deutsch, Anette Eisen berg, Paul Chaim Ei sen berg, Yvonne Feiger, Lydia Fisch man,<br />

Yasmin Freyer, Rosa Gil karov, Uri Gilkarov, Schlomo Hofmeister, Lili Kolisch, Arlette Leupold-Löwenthal, Ariel<br />

mu zicant, irma Pani, Joseph Pardess, Berta Pixner, Tamir Pixner, nina Schamunov, Susi Shaked, Kon stanze Thau,<br />

naomi Vorhand.<br />

<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770 5


IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />

SERIE<br />

Hinter den Kulissen –<br />

Die IKG Wien stellt sich vor<br />

Teil 13: Abteilung für Fundraising<br />

und Sponsoring<br />

serVice<br />

erreichbarkeit der abteilung für<br />

fundraising und sponsoring<br />

Die mitarbeiterinnen der Abtei lung<br />

für Fundraising und Sponso ring<br />

sind montag bis Freitag zwischen<br />

9.00 Uhr und 18.00 Uhr telefonisch<br />

erreichbar.<br />

Pia angel: 01 - 531 01 – DW 174<br />

p.angel@ikg-wien.at<br />

hanni haber: 0676 844 512 600<br />

hannihaber@a1.net<br />

miriam tenner: 0676 844 512 601<br />

m.tenner@ikg-wien.at<br />

Helfen macht<br />

Freu(n)de<br />

Mit der Abschaffung der Kultussteuer<br />

und der Einführung des Kultusbeitrags<br />

im Jahr 2001 wurde in der IKG das<br />

Fundraising auf eine professionelle<br />

Basis gestellt. Fundraiserin der ersten<br />

Stunde ist Hanni Haber, die sich bis<br />

heute vor allem um den Kontakt zu den<br />

Mitgliedern bemüht. Im Lauf der Zeit<br />

wurde daraus ein Zweier-Team mit Pia<br />

Angel, das gemeinsam Spender und<br />

Sponsoren in jüdischen und nichtjüdischen<br />

Kreisen finden konnte. Aus dem<br />

Duo wurde mit Miriam Tenner ein Trio.<br />

Alle drei sind mit ganzem Einsatz<br />

dabei, denn: im Bereich Fundraising<br />

gilt, nur wer stetig das Feld beackert,<br />

wird auch ernten. Immer konkreter werden<br />

vor allem die Sozialprojekte der<br />

IKG.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

Hanni Haber hält Kontakt zu vielen<br />

mitgliedern, besucht regelmäßig das<br />

maimonides Zentrum, sieht sich nicht<br />

nur <strong>als</strong> „Schnorrerin“, sondern auch<br />

„<strong>als</strong> soziale Institution, <strong>als</strong> Klagemau er für<br />

Beschwerden und <strong>als</strong> Vermittlerin für<br />

soziale Bedürfnisse“. Pia Angel, selbst<br />

mutter dreier kleiner Kinder, wirbt um<br />

Spenden im Unterneh mens be reich,<br />

haupt sächlich für Stipendien für Schü -<br />

ler der Zwi Perez Chajes-Schule. Und<br />

Miriam Tenner hat sich zur zentralen<br />

Aufga be gemacht, fi nan zielle mittel<br />

für neue konkrete Pro jekte aufzutreiben.<br />

Alle drei betonen, „selbstständig –<br />

und gleichzeitig Hand in Hand zu arbeiten“:<br />

sie sind ein Team, in dem jede ei -<br />

genverantwortlich an de re potenzielle<br />

Spender betreut.<br />

mit der Umstellung von der sich am<br />

Einkommen orientierenden und da mit<br />

individuell verschieden hoch ausfallenden<br />

Kultussteuer auf den einheitlichen,<br />

im Vergleich dazu relativ niedrigen<br />

Kultusbeitrag, entgingen der<br />

iKG beträchtliche Einnahmen. Um<br />

hier entgegenzuwirken, begann Han ni<br />

Haber, mitglieder anzusprechen, um<br />

sie gleichzeitig mit der Einzahlung des<br />

Kultusbeitrags um eine Spende zu bit -<br />

ten. Bei ihrer Arbeit hilft ihr die De vi se,<br />

„dass es schön ist, geben zu können“, er -<br />

zählt Haber. Und: „Da ich so wohl mei -<br />

ne Aufgabe, <strong>als</strong> auch die IKG positiv sehe,<br />

konnte und kann ich meine Einstellung<br />

leicht vermitteln und glaubwürdig vertreten“.<br />

6 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770


IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />

Pia Angel kam 2002 in die iKG um das<br />

„Externe Fundraising“ aufzubauen,<br />

sprich: mehr Kontakte zu nichtjüdischen<br />

Spendern zu knüpfen. Zu Beginn<br />

galt es dabei aus dem „Spen den<br />

brauchen wir an allen Ecken und Enden“<br />

etwas Konkretes herauszufiltern, „das<br />

Menschen, die spenden wollen, auch wirk -<br />

lich anspricht“, erin nert sich Angel.<br />

„Nach einiger Zeit war das gelungen und<br />

das Stipen dienprojekt hatte innen und<br />

außen Form an ge nommen. Das schönste<br />

war, <strong>als</strong> dieses Projekt bei den Geschäfts -<br />

füh rern wirklich Anklang fand – meist<br />

natürlich im persönlichen Gespräch“, so<br />

Angel. Und sie erzählt weiter: „Einer<br />

war so angetan, dass er im Hochsommer<br />

2003 unbedingt einen Termin in der IKG<br />

wollte. Gesagt, getan. Dieser Vorstands di -<br />

rektor blieb mir bis zu seinem Ausschei den<br />

aus dem Unternehmen fünf Jahre lang<br />

treu.“<br />

Zwei Zielgruppen hat Angel im Vi sier:<br />

einerseits Firmen und Unternehmen,<br />

die Stipendien für die Zwi Perez Cha -<br />

jes-Schule (ZPC) übernehmen. Ein<br />

Stipendium für ein Schuljahr beträgt<br />

rund 3.300 Euro. Zur Zeit sind zwischen<br />

70 und 80 Prozent der ZPC-<br />

Schü lerinnen und Schüler Stipen di en -<br />

empfänger. Andererseits spricht Angel<br />

Stiftungen an, „was eine sehr gründliche<br />

und zeitintensive Vorberei tung erfordert.<br />

Transparenz und Offenheit sind immer<br />

noch das, was die Spenden be reitschaft<br />

aus löst, vorausgesetzt dem Spender ist das<br />

Projekt wirklich sympathisch“.<br />

Dritte im Bunde wurde Hannah Kneu -<br />

cker, die von 2005 bis 2008 das Team<br />

verstärkte und dabei viele wichtige<br />

im pulse setzte. inzwischen hat Miri am<br />

Tenner ihre Agenden übernommen.<br />

Sie kümmert sich einerseits um jene<br />

mitglieder, die bisher nicht erreicht<br />

werden konnten. „Das sind vor allem<br />

bucharische und georgische Familien. Hier<br />

versuche ich, einen persönlichen Kontakt<br />

herzustellen. Es geht darum, das Bewusst -<br />

sein zu schaffen, dass die Gemeinde auch<br />

ihre Gemeinde ist. Das ‚Wir‘ ist hier noch<br />

nicht entstanden. Dabei sind gerade die<br />

bucharischen Fami lien kinderreich und<br />

damit große Nutznießer der Stipendien<br />

für die ZPC-Schule.“<br />

Andererseits kreiert Tenner bestimmte<br />

Projekte, die für den Spender die Ver -<br />

wendung seines Geldes transparenter<br />

werden lassen. Zu Purim veranstaltete<br />

Tenner erstm<strong>als</strong> einen mischloach<br />

manot-markt, bei dem Körbe für be -<br />

dürftige Familien gefüllt werden<br />

konnten, und war von dem Echo<br />

über wältigt. „Es waren schließlich über<br />

300 Körbe – mit diesem Zulauf habe ich<br />

nicht gerechnet.“<br />

Alle drei Fundraiserinnen haben sich<br />

natürlich dafür eingesetzt, im Rah men<br />

der Capital Campaign für den neu bau<br />

der Zwi Perez Chajes-Schule so wie<br />

den neubau des Elternheims mittel<br />

aufzutreiben. Der iKG-Campus habe<br />

allerdings eine Größenordnung, „die<br />

viele nicht nachvollziehen können – das<br />

ist dann teilweise ein Überforderung der<br />

Mitglieder und auch derjenigen, die nicht<br />

Mitglieder sind, aber helfen wollen“, so<br />

Tenner. nicht jeder könne viel geben,<br />

viele aber ein bisschen etwas, sind<br />

sich die drei Fundraiserinnen einig.<br />

nun gibt es daher ein neues Sozial -<br />

pro jekt, um jene Personen anzusprechen,<br />

die weniger geben können oder<br />

möchten: die sozialpatenschaft. Aus -<br />

gangs punkt war die neue gesetzliche<br />

Regelung der Absetzbarkeit von Spen -<br />

den für karitative Zwecke, die rückwirkend<br />

mit Jahresbeginn <strong>2009</strong> in<br />

Kraft getreten ist. Unternehmen, aber<br />

auch unselbstständige Arbeitnehmer<br />

können nun Spenden an bestimmte<br />

Hilfs organisationen im Ausmaß von<br />

bis zu zehn Prozent ihres Gewinns be -<br />

ziehungsweise Einkommens steuerlich<br />

geltend machen. Vorausset zung ist,<br />

dass die bedachte Organisa tion auf ei -<br />

ner vom Finanzminis teri um veröffentlichten<br />

und laufend ak tu a li sierten<br />

Liste vertreten ist (siehe auch: www.<br />

bmf.gv.at/service/allg/spen den).<br />

Auf dieser Liste ist auch „Tmicha –<br />

Verein zur Unterstützung Hilfsbe dürf -<br />

tiger“ angeführt. Dieser Verein wurde<br />

von der iKG mit dem Ziel gegründet,<br />

sozial Bedürftige zu un terstützen und<br />

den Spendern die steuerliche Absetz -<br />

bar keit ihrer Zuwendungen zu er mög -<br />

lichen. Das ist die eine Seite der medail<br />

le. Die andere: derzeit erhalten<br />

rund 2.500 Gemeindemitglieder in<br />

der einen oder anderen Form soziale<br />

Un terstützung. Das neue Projekt, die<br />

Sozialpatenschaft, springt genau hier<br />

ein: iKG-mitglieder und alle Freunde<br />

der iKG können mit einem überschau -<br />

baren Beitrag pro monat helfen, soziales<br />

Leid zu mindern. „Wer ein bisschen<br />

geben kann, übernimmt eine Pa ten schaft.<br />

Wer mehr geben kann, übernimmt mehrere<br />

Patenschaften“, erklärt Tenner. (nä -<br />

heres zur Sozialpaten schaft, siehe<br />

Kasten und Beilage.)<br />

Das Auftreiben von mitteln ist für alle<br />

drei Fundraiserinnen das tägliche<br />

Bohren von dicken Brettern. Auch an<br />

ihnen geht die für viele finanziell<br />

schwierige Zeit nicht spurlos vorüber,<br />

Spender und Sponsoren sind dieser<br />

Tage dünner gesät. Dennoch gibt es<br />

auch „die anderen Geschichten“, wie<br />

alle drei berichten können.<br />

So erzählt miriam Tenner: „Vor etwa<br />

einem halben Jahr hat ein nichtjüdischer<br />

Österreicher angerufen und gesagt, er<br />

wol le der IKG etwas spenden, das aber<br />

persönlich machen.“ Gesagt, getan:<br />

schließlich stand ein Steirer in Tracht<br />

mit dazugehörigem Hut vor Tenner,<br />

ein Kuvert in der Hand, in dem sich<br />

ein größerer Betrag befand. Bei einer<br />

Tasse Kaffee erzählte er dann über<br />

seine Beweggründe.<br />

„Seine Mutter war vor dem Krieg Kin der -<br />

mädchen oder Haushälterin bei einer<br />

jüdischen Familie in Wien und ist dann<br />

mit der Familie nach Holland gegangen.<br />

Als die Familie in die USA emigrierte,<br />

kehrte die Frau in die Steiermark zurück,<br />

heiratete, brachte zwei Buben auf die Welt.<br />

Mit der jüdischen Familie blieb sie in Kon -<br />

takt und nach dem Krieg wurde sie von<br />

dieser unterstützt. Er erzählte, dass er und<br />

sein Bruder in dem Ort dam<strong>als</strong> die einzigen<br />

waren, die Schokolade und Jeans aus<br />

Amerika hatten“, so Tenner. Der mann<br />

ist nicht verheiratet und hat keine<br />

Kinder, und nun bei Pensionsantritt,<br />

wo er etwas Geld ausbezahlt erhalten<br />

habe, sah er eine möglichkeit, der iKG<br />

etwas zu spenden. „Eine jüdische<br />

Familie hat seine Familie nach dem Krieg<br />

unterstützt, das ist nun sein Beitrag, der<br />

Gemeinde etwas Gutes zurückzugeben.“<br />

Und Hanni Haber erinnert sich: „Eine<br />

ältere nicht-jüdische Dame hatte eine<br />

klei ne Erbschaft gemacht und aus dieser<br />

Erbschaft der IKG eine Spende gewidmet.<br />

Der Hintergrund dazu: die Mutter hatte<br />

vor dem Krieg bei einem jüdischen Koh -<br />

lenhändler im Haushalt gearbeitet. Er hat<br />

ihre Mutter und auch sie selbst immer gut<br />

behandelt und ihnen im Winter, wenn<br />

<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770 7


IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />

das Geld knapp war, mit Kohlen ausgeholfen.<br />

Sie war entsetzt und geschockt,<br />

<strong>als</strong> sie miterleben musste, wie ihr Wohl -<br />

täter 1938 zum Straßenwaschen gezwungen<br />

wurde, ein Erlebnis, das sie nicht<br />

mehr vergessen konnte. Nunmehr, nach<br />

vielen Jahren, hat sie Gelegenheit wahrgenommen,<br />

das Andenken an diese Familie<br />

durch die Spende an die IKG zu ehren.“<br />

Die Sozialpatenschaft<br />

Helfen kann man mit der Übernahme einer Sozialpatenschaft im Rahmen<br />

von zwei Projekten:<br />

Das „Projekt Zedaka“ (Hebräisch für Wohltätigkeit) unterstützt menschen,<br />

die durch Arbeitslosigkeit und/oder Krankheit in finanzielle Schwierigkei -<br />

ten geraten. Sie können im Winter ihre Wohnung nicht heizen oder Repa ra -<br />

turen nicht durchführen lassen. Sie erhalten einmalige Zuschüsse. Wer eine<br />

Sozialpatenschaft für dieses Projekt übernimmt, zahlt 100 Euro im Monat.<br />

Das „Projekt Chessed“ (Hebräisch für barmherziges Tun) hilft menschen, die<br />

monat für monat mit einem finanziellen Engpass kämpfen und es nicht<br />

schaffen, den Lebensalltag zu finanzieren, etwa Alleinerziehende, kinderreiche<br />

Familien, alte und kranke Personen. Hier kann man mit einer Sozial -<br />

pa tenschaft helfen, für die 50 Euro pro Monat zu bezahlen sind.<br />

„Es gibt viele Leute, die bedürftig sind – leider geht das ein wenig unter“, bedauert<br />

miriam Tenner. Andererseits gebe es eben eine menge menschen, die zwar<br />

nicht viel, aber doch ein wenig geben könnten. „Das ist eine Möglichkeit, wo<br />

Leute auch mit kleinen Beträgen etwas machen können.“ mit der Sozialpaten schaft<br />

sei zudem transparent, was mit dem Geld passiere.<br />

Es gibt immer wieder solche Ge schich -<br />

ten, wo Leute das Bedürfnis haben,<br />

der Kultusgemeinde etwas zu spenden,<br />

sind sich Haber, Tenner und An -<br />

gel einig . Das sei die schöne Seite dieser<br />

Aufgabe. insgesamt ist der Ar beits -<br />

alltag des Trios abwechslungsreich.<br />

„Wir Fundraiserinnen müssen alles können:<br />

vom Texten, Layouten, schnell Or ga -<br />

nisieren bis zum Durchhalten und vor<br />

allem dem raschen Eingehen auf Wün sche<br />

der Spender. Es braucht eben ein wenig<br />

Phantasie, viel Einfühlungs vermögen –<br />

und Unternehmergeist.“<br />

Wer sich nicht zu einem monatlichen Beitrag verpflichten wolle, der könne<br />

zudem jederzeit eine Spende, auch in geringerer Höhe <strong>als</strong> 50 Euro, an den<br />

Verein Tmicha überweisen, betont Tenner. Damit die Spende auch steuerlich<br />

absetzbar ist, ist es allerdings wichtig, anzugeben, ob das Geld für das<br />

„Projekt Zedaka“ oder das „Projekt Chessed“ verwendet werden soll.<br />

insgesamt gehe es in der Fundraising-Arbeit immer stärker in Richtung<br />

„zu sätzlicher nutzen“, meint Tenner. Soll heißen: es reicht längst nicht mehr,<br />

die Hand aufzuhalten,. Für den Spender muss sich entweder ein nutzen<br />

ergeben oder aber die Verwendung des gespendeten Geldes möglichst klar<br />

und definiert sein. Dafür hat Tenner Verständnis – und versucht, siehe<br />

mischloach manot-markt und Sozialpatenschaften, neue Wege zu beschreiten.<br />

Eines regt sie allerdings auf: „Gleichgültigkeit. Das kann ich nicht akzeptieren.“<br />

Wichtig ist ihr zudem zu transportieren: „Wenn ich spende, warum<br />

nicht in meinen eigenen Kreisen?“<br />

Bitte beachten Sie auch die Beilage!<br />

zur Person<br />

mag. Pia angel, geb. 1969, aufgewachsen in Wien, besuchte das Lyçée Francais, maturierte bei den Domini ka ne rin nen<br />

in Wien-Hietzing und studierte anschließend Jus. nach vier Jahren Tätigkeit <strong>als</strong> Rechtsanwaltsanwärterin wechselte<br />

sie in den Finanzbereich zu C-Quadrat AG, später in den Sponsoringbereich. Für die iKG ist Angel seit 2002 tätig. Ver -<br />

heiratet mit mag. Günter K. Angel, mBA, und stolze mutter dreier kleiner mädchen (eineinhalb, vier und sechs Jah re).<br />

hanni haber, geb. in Wien, lebte in montreal, St. Gilgen und Salzburg, wo sie rund 20 Jahre lang selbstständig tätig<br />

war. 1995 Rückkehr nach Wien, seit 2001 <strong>als</strong> Fundraiserin für die iKG Wien tätig. Sie ist mit Univ. Prof. Dr. Paul<br />

Haber vereiratet und mutter eines erwachsenen Sohnes.<br />

miriam tenner, geb. 1959 in Deutschland, aufgewachsen in Frankfurt am main, wo sie auch ihr Abitur ablegte sowie<br />

Sport und Geschichte studierte. 1981 Umzug nach Wien. Hier zunächst bis 1988 in der Presse- und Kulturabteilung<br />

der israelischen Botschaft tätig, von 1989 bis 1999 Geschäftsführerin einer israelischen Sicherheitsfirma am Flug ha fen<br />

Wien-Schwechat, danach für die Austrian Airlines tätig. Seit 2002 selbstständige Unternehmensberaterin. Für die<br />

Fundraising-Abteilung der iKG ist Tenner seit Juni 2008 tätig. Sie ist mit Dr. Wilhelm Tenner verheiratet und mutter<br />

dreier bereits erwachsener Kinder.<br />

8 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770


POLITIK • INLAND<br />

VORARLBERG-WAHL<br />

Mit<br />

Antisemitismus<br />

zum Wahlerfolg<br />

Der Vorarlberger Nibelungenstadt Hohen ems<br />

(15.340 Einwohner) mit dem über die Gren -<br />

zen der Region hinaus bekannten jüdischen<br />

Museum war bis vor einigen Monaten ein ru -<br />

hige Ort. Im Wahlkampf kam Hohen ems<br />

plötz lich zu ungewollter Be rühmt heit, <strong>als</strong> Die -<br />

ter Egger (FPÖ), ein gebürtiger Hohen emser,<br />

den Mu seumsdirektor Loewy beim offi ziellen<br />

Wahlkampfauftakt der FPÖ <strong>als</strong> „den Exil-Juden<br />

aus Amerika in seinem hochsubventionierten<br />

Museum“ bezeichnete.<br />

Die Kommentatoren der österreichischen<br />

Zei tungen haben das starke Ab schneiden der<br />

FPÖ ins Zentrum ihrer Analysen zum Land -<br />

tags wahltag am 20. <strong>September</strong> in Vorarlberg<br />

gestellt:<br />

Kurier – „Ein dramatischer Wahl sonn tag<br />

im Wes ten war das”, konstatiert Josef<br />

Votzi. „Angesichts blei ern matter Um -<br />

fra gen (...) setzte FPÖ-Chef Dieter Egger<br />

mit Wahlkampfstart auf das Motto ‘Wer<br />

provoziert, gewinnt’. (...) Kurz fris tig ist das<br />

zynische blaue Kalkül, Pro vo zie ren um<br />

jeden Preis, am gestrigen Wahltag aufgegangen.<br />

Politisch haben sich die Blauen<br />

mit dem Verlust des Regierungssitzes ins<br />

Out manövriert.” Die Lehren auf Bun -<br />

des ebene? „Jene bis zu 30 Prozent, die sich<br />

österreichweit in Krisenzeiten vermehrt<br />

<strong>als</strong> Modernisierungsverlierer fühlen, su -<br />

chen ihr Heil einmal mehr mit einer Fahrt<br />

ins Blaue”, so Votzi weiter. „Ein klares<br />

Nein zum frivolen Spiel mit Antisemitis -<br />

mus und Fremdenhass wird aber vom<br />

großen Rest der Wähler honoriert. Wer<br />

dazwischen laviert wird gnadenlos aufgerieben.”<br />

standard – „Der FPÖ-Spitzenkandidat<br />

Dieter Egger hat mit seinen provokanten<br />

Äußerungen erst über Fremde und dann<br />

über Juden genau jene Stimmenma xi mie -<br />

rung erreicht, an der ihm gelegen war”,<br />

schreibt Conrad Seidl. „Heißt das, dass<br />

ein Viertel der Vorarlberger den An tise -<br />

mi ten oder gar Nazis zuzurechnen sind?<br />

Natürlich nicht. Aber es bedeutet, dass eine<br />

beachtliche Zahl von Wählern nicht durch<br />

entsprechende Äußerungen abgeschreckt<br />

wird.” Die SPÖ sei in einer „höchst un -<br />

be friedigenden Situation”, den Grünen<br />

attestiert Seidl, sich „gut geschlagen”<br />

zu haben. Seidls Resümee: „Für Sausgru<br />

ber hat sich die Entscheidung gegen<br />

die FPÖ ebenso gelohnt wie die Drohung,<br />

bei Verlust der absoluten Mehrheit zu<br />

gehen: Wer den bewährten Landeshaupt -<br />

mann Sausgruber haben wollte, musste<br />

ihn auch wählen - wer nicht, der konnte<br />

zum Teufel gehen (oder zur FPÖ). Das<br />

war eine klare Alternative, mit der die an -<br />

deren Parteien weitgehend an die Wand<br />

gespielt worden sind.”<br />

Presse – „(...) die Entscheidung der<br />

Viertelmillion Wahlberechtigten im westlichsten<br />

Bundesland stellt nicht nur die po -<br />

litische Landschaft im kleinen Vorarl berg<br />

auf den Kopf. Die FPÖ <strong>als</strong> locker zweitstärkste<br />

Kraft hat die SPÖ zu einer Mini -<br />

partei degradiert, und die Erschütte run gen<br />

dieses rot-blauen Verdrängungswettbe -<br />

werbs strahlen weit über den Arlberg hi -<br />

naus bis nach Wien aus. Es ist be stimmt<br />

keine ausreichende Erklärung, die massiven<br />

blauen Zuwächse auf den dummen<br />

antisemitischen Ausfall von FPÖ-Lan des -<br />

chef Egger gegen einen vermeintlichen<br />

‘Exil juden aus Amerika’ beim Wahl kampf -<br />

auftakt zurückzuführen. Die FPÖ hat vor<br />

allem mit ihrem Antiauslän der kurs ge -<br />

punktet. (...) Die SPÖ-Bundesführung ist<br />

darüber hinaus mit ihren War nungen vor<br />

den blauen Schmuddel kindern im rechten<br />

Eck nicht glaubwürdig. (...) Bei Bundes -<br />

kanzler SPÖ-Chef Werner Faymann muss<br />

spätestens nach diesem Sonntag endgültig<br />

der Angstschweiß ausbrechen. (...) Für<br />

Kurzzeit-SPÖ-Darling Faymann wird die<br />

Situation in der Regierung nach der Obe r -<br />

österreich-Wahl extrem ungemütlich<br />

wer den.”, schreibt Karl Ettinger<br />

OBERÖSTERREICH:<br />

Hetze und Nähe der FPÖ nach Rechtsaußen<br />

Am 27. <strong>September</strong> wird auch in Oberösterreich gewählt.<br />

66% der OberösterreicherInnen bestätigen laut Sora-Umfrage, dass FPÖ-Poli ti ker mit ih ren<br />

Aussagen die unterschiedlichsten Gruppen in der Gesellschaft ge gen einander aufhetzen<br />

FPÖ-Spitzenkandidat Haimbuchner hat die Vor würfe Rich tung Hetze zurückgewiesen und<br />

die Grünen aufgefordert, Beispiele zu liefern. Diese kamen der Aufforderung gerne nach:<br />

D Oberösterreichs FPÖ hat sich von der Skandalaussage ihres Vorarlberger Par tei freundes<br />

Egger bis heute nicht distanziert. Die FPÖ Oberösterreich schweigt und die Bundes-<br />

FPÖ legitimiert die beschämenden Aussagen;<br />

D ob Rechtsaußen-Aussagen von Strache oder Graf - in keinem einzigen Fall hat es eine<br />

Distanzierung durch die FPÖ Oberösterreich gegeben;<br />

D die FPÖ deckt die beschämenden Aufkleber („Zuwanderung kann tödlich sein”) ihrer<br />

Jugendorganisation RFJ, gegen die Anzeige durch den Stardirigenten Den nis Russel<br />

Davies eingebracht wurde;<br />

D mehrere Funktionäre des RFJ haben in den vergangenen Jahren auch beim rechts extremen<br />

BFJ mitgearbeitet. Über den BFJ schreibt Verfassungrechtsexperte Heinz Mayer: „Of fen -<br />

kundige und verbrämte Verherrlichung nation<strong>als</strong>ozialistischer Ideen und Maßnahmen, zynische<br />

Leugnung von nation<strong>als</strong>ozialistischen Gewaltmaßnahmen, eine hetzerische Sprache mit<br />

deutlich aggressivem Ton gegen Ausländer, Juden und ,Volksfremde’ sowie eine Darstellung<br />

‘des Deutschen’ <strong>als</strong> Opfer sind typische und stets wiederkehrende Signale".<br />

D der FP-Spitzenkandidat für die Linzer Gemeinderatswahlen, Detlef Wimmer, formulierte<br />

laut OÖN: „Wenn die Zuwanderung aus dem Ausland weiterhin so stark bleibt, besteht<br />

langfristig die Gefahr, dass unser eigenes Volk ausstirbt.”<br />

D FP-Oberösterreich-Chef Weinzinger laut OÖN: „Jede blonde, blauäugige Frau - das heißt<br />

jede Frau mit deutscher Muttersprache - braucht drei Kinder, weil sonst holen uns die<br />

Türkinnen ein”, hat FPÖ-Landesobmann Lutz Weinzinger öffentlich erklärt (‘OÖ.<br />

Nachrichten’, 19. <strong>September</strong> 2008).<br />

D Im Linzer Gemeinderat hat die FPÖ <strong>als</strong> einzige Fraktion einen Antrag abgelehnt, der<br />

„demokratie- und fremdenfeindliche sowie rechtsextreme Tendenzen” verurteilt und<br />

sich für „Pluralität, Demokratie und Weltoffenheit” ausspricht (Protokoll der Linzer<br />

Gemeinderatssitzung vom 12. März <strong>2009</strong>).<br />

D Auf der Kandidatenliste der FPÖ in Linz stehen z.B. ein ehemaliger Aktivitst der deutschen<br />

Republikaner und ein Ehemaliger der VAPO an wählbarer Stelle.<br />

D Dazu hat das oö. Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus vor wenigen<br />

Wo chen eine Fülle von Belegen publiziert. ... uswusf.<br />

POLITIK<br />

<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770 9


POLITIK • INLAND<br />

HINTERGRUND<br />

Der Exiljude<br />

Von Alexia Weiss<br />

© Foto zur Ausstellung „Joseph Roth im Exil 1933 - 1939”<br />

Den Begriff Exiljude hat der bis vor<br />

kurzem weitgehend unbekannte Chef<br />

der Vorarlberger FPÖ, Dieter Egger,<br />

nicht erfunden. Auch in jüdischen<br />

Kreisen wird von Exiljuden gesprochen,<br />

wenn man Personen meint, die<br />

vor dem nS-Terror flüchteten, zu meist<br />

in die USA, und an diesem neuen Ort<br />

ein zweites Leben begannen. in diesem<br />

Fall schwingt meist etwas nostal -<br />

gie mit, es geht oft um Anekdoten aus<br />

dem Leben mehr oder weniger be -<br />

rühmter ehemaliger österreichischer<br />

Juden, es geht darum eine Ver bin dung<br />

herzustellen zwischen Leben eins hier<br />

zu Lande und Leben zwei anderswo.<br />

Leider gibt es nicht mehr viele Le ben -<br />

de dieser Generation.<br />

Einen negativen Subton erfährt der<br />

Begriff, wenn er von israelis für nicht<br />

in israel lebende Juden verwendet<br />

wird. Das meint jedenfalls Amnon<br />

Raz-Krakotzkin, Experte für Jüdische<br />

Geschichte an der Ben Gurion Uni ver -<br />

sität in Beer Sheva. Er kritisiert immer<br />

wieder den israelischen nationalis mus<br />

und meint, die zionistische Bewe gung<br />

basiert auf einer kategorischen Ableh -<br />

nung der Diaspora. Daher sei in den<br />

ersten Jahrzehnten nach der Staats -<br />

grün dung streng zwischen Exiljuden<br />

und neuen Juden – jenen <strong>als</strong>o, die in<br />

ihr angestammtes Heimatland israel<br />

zu rückkehren – unterschieden worden.<br />

Baut Egger hier <strong>als</strong>o mit seinem Wahl -<br />

kampf-Sager, der Direktor des Jüdi -<br />

schen museums Hohenems, Hanno<br />

Loewy, sei ein „Exiljude aus Amerika in<br />

seinem hochsubventionierten Mu se um“,<br />

den die innenpolitik nichts angehe<br />

(Loewy hatte zuvor in einem Offenen<br />

Brief auf den ausländerfeindlichen<br />

Wahlkampf der FPÖ in Vorarlberg<br />

hingewiesen, wo am 20. <strong>September</strong><br />

der Landtag neu gewählt wurde), gar<br />

auf einer israelischen Konzeption auf?<br />

nur: wie sinnvoll ist es, einen Begriff<br />

aus der österreichischen Perspektive<br />

zu verwenden, der nur aus der israelischen<br />

Perspektive Sinn macht?<br />

Gar nicht, meint Martin Blumenau in<br />

seinem Blog auf fm4.at, der internet-<br />

Präsenz des ORF-Radiosenders Fm4<br />

nach. Der Begriff sei eben nur von is -<br />

ra el aus anwendbar. Der Begriff sei<br />

hier „fehl am Platz und f<strong>als</strong>ch eingesetzt“,<br />

und werde durch den von FPÖ-Bun -<br />

desobmann Heinz-Christian Stra che<br />

in diesem Zusammenhang genannten<br />

früheren SPÖ-Bundeskanzler Bruno<br />

Kreisky, der auch Exiljude gewesen sei,<br />

auch nicht richtiger. Denn, so Blu me -<br />

nau: „Bruno Kreisky war genauso wenig<br />

wie abertausende andere Österreicher, die<br />

vom Nazi-Terror enteignet und vertrieben<br />

wurden, die rechtzeitig flüchten konnten,<br />

um so ihrer flächendeckenden Ermor dung<br />

zu entgehen, ein Exiljude, sondern Exil-<br />

Österreicher.“ Außerdem: auch der<br />

Da lai Lama sei kein Exil-Buddhist,<br />

sondern ein Exil-Tibeter. Der Begriff<br />

Exil bedinge eine nation. „Selbstver -<br />

ständ lich werden immer wieder Men schen<br />

aus religiösen Gründen ins Exil vertrieben,<br />

es kann allerdings nur ein geografisches<br />

sein. Es gibt kein religiöses Exil.“<br />

Passender Begriff oder nicht: Fakt ist<br />

– Loewy befindet sich weder im Exil<br />

noch ist er Amerikaner. Die Frage wä -<br />

re allemal, befindet sich ein Deut scher,<br />

der in Österreich ein museum leitet,<br />

im Exil? Was <strong>als</strong>o schwingt hier mit –<br />

und was davon ist wiederum be wusst<br />

lanciert, um antisemitische Res sen ti -<br />

ments zu schüren und bei der bevorstehenden<br />

Landtagswahl Stimmen zu<br />

bringen? Der Wahlkampfauftritt Eg -<br />

gers wurde von jener Werbeagen tur<br />

inszeniert, die auch den Schweizer po -<br />

pulistischen Rechts-Außen-Politi ker<br />

Christoph Blocher betreut. Deutet das<br />

auf eine vorab fixierte Strategie hin?<br />

Wirkt Antisemitismus vor Wahlen<br />

stim merhöhend bei potenziellen Blau-<br />

Wählern?<br />

Es ist der Betroffene selbst, der hier<br />

eine andere Perspektive einnimmt. Es<br />

sei wohl mit Egger „durchgegangen“.<br />

Dass es mit Egger „so durchgegangen“<br />

sei, „zeigt doch, dass der Affekt ziemlich<br />

tief sitzen muss“, so Loewy in den ‘Vor -<br />

arlberger nachrichten’. in ei nem in -<br />

terview mit der „Presse“ meint er,<br />

wenn man tatsächlich „Exiljude aus<br />

Amerika“ wäre, wäre gegen die Wort -<br />

wahl Eggers nichts einzuwenden.<br />

„Aber wenn man keiner ist und der, der<br />

das sagt, das weiß, wird es interessant“.<br />

Denn, so Loewy: „Ich bin in Frankfurt<br />

geborener Jude und lebe in Vorarlberg. Ich<br />

bin nicht im Exil, sondern freiwillig und<br />

auf Einladung hier. Wenn jemand eindeutig<br />

etwas sagt, was nicht stimmt, muss er<br />

etwas damit meinen. Also zwingt er uns<br />

jetzt darüber nachzudenken, was er meint.“<br />

Was er meint, das haben die Regie -<br />

rungs parteien auf Bundesebene, SPÖ<br />

und ÖVP, das haben die Grünen, das<br />

hat auch der amtierende Vorarlberger<br />

Landeshauptmann Herbert Saus gru -<br />

ber (ÖVP) umgehend auf den Punkt<br />

gebracht: hier kommt Antisemitis mus<br />

zum Ausdruck. Das Wahljahr <strong>2009</strong><br />

lässt erahnen, womit beim Wiener<br />

Wahl kampf kommendes Jahr zu rechnen<br />

ist. Der EU-Wahlkampf zeichnete<br />

sich durch mehrere antisemitische At -<br />

tacken der FPÖ aus (inserate, die vor<br />

einem gar nicht angestrebten israel-<br />

Beitritt zur EU warnen; ein Dritter<br />

nationalratspräsident, der iKG-Präsi -<br />

dent Ariel muzicant <strong>als</strong> „Ziehvater<br />

des antifaschistischen Linksterroris -<br />

mus“ bezeichnet). in Oberösterreich<br />

wollte gar eine klar rechtsextreme<br />

Par tei, die nationale Volkspartei<br />

(nVP), zur Landtagswahl antreten.<br />

Und nun in Vorarlberg die – geplante<br />

oder ungeplante – Entgleisung<br />

Eggers. Wieder einmal wird der Wäh -<br />

ler entscheiden. Wie, das wissen wir<br />

am 20. <strong>September</strong>.<br />

10 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770


POLITIK • INLAND<br />

Antisemitismus –<br />

ein unausrottbares Phänomen?<br />

Antisemitisches<br />

Wahlplakat 1920<br />

VON DORI MUCH<br />

Nur konsequente Aufklärung und Ächtung<br />

der Hetzer könnten den Judenhass<br />

aus der Welt schaffen.<br />

Der Antisemitismus in mitteleuropa ist<br />

ein uraltes und scheinbar unausrottbares<br />

Phänomen. Obwohl heute in<br />

Österreich, <strong>als</strong> Folge des Holocausts,<br />

nur noch wenige tausend Juden leben<br />

(fast ausschließlich in Wien), zeigen<br />

alle repräsentativen Umfragen der<br />

ver gangenen Jahrzehnte, dass sich an<br />

der negativen Grundeinstellung der<br />

Bevölkerung zum Judentum nicht viel<br />

geändert hat.<br />

Der aus dem 19. Jahrhundert stam men -<br />

de Begriff „Antisemitismus“ wird <strong>als</strong><br />

feindliche Einstellung gegenüber Ju -<br />

den <strong>als</strong> Personen oder dem Judentum<br />

<strong>als</strong> Konfession definiert.<br />

„Antisemitismus“ – ein geläufiger,<br />

aber unsinniger Ausdruck, da Juden -<br />

tum mit Rassenzugehörigkeit nichts<br />

zu tun hat und die meisten Juden<br />

außerhalb israels nicht einmal hebräisch<br />

(<strong>als</strong>o eine semitische Sprache)<br />

sprechen – ist nach all den ausgewerteten<br />

Umfrageergebnissen der vergangenen<br />

Jahren zwar „nur“ noch bei ei -<br />

nem harten antisemitischen Kern von<br />

zehn bis 15 Prozent der Österreicher<br />

deutlich ausgeprägt; Vorurteile, ohne<br />

ausgesprochene Hassgefühle gegen<br />

Juden, finden sich hingegen bei rund<br />

75 Prozent der Befragten. Das bedeutet<br />

aber auch, dass nicht jeder mensch,<br />

der bestimmte antijüdische Vorurteile<br />

hegt, automatisch <strong>als</strong> Antisemit be -<br />

zeich net werden kann, weil Vorur tei le<br />

nicht zwangsläufig zu feindlichen Ge -<br />

fühlen führen müssen. Doch, dass Vor -<br />

urteile und Hassgefühle gegen be -<br />

stimmte menschengruppen eng miteinander<br />

zusammenhängen, kann<br />

nicht geleugnet werden.<br />

Biologisch gefärbte Schlussfolgerung<br />

Bei den typischen antijüdischen Vor -<br />

ur teilen muss zwischen vielfältigen<br />

negativen und positiven Klischees<br />

unterschieden werden. Denn wenn je -<br />

mand beispielsweise meint, dass Ju -<br />

den „tüchtiger“, „schlauer“ oder „in tel li -<br />

gen ter“ <strong>als</strong> nichtjuden seien, heißt das<br />

wiederum nichts anderes, <strong>als</strong> dass „sie<br />

eben doch von Natur aus an ders sind“ –<br />

eine nicht ungefährliche, weil biologische<br />

gefärbte Schlussfol ge rung.<br />

Antijudaismus – die korrekte Be zeich -<br />

nung des Phänomens der Ablehnung<br />

des Judentums aufgrund religiöser<br />

Vorurteile – hat in christlichen Län -<br />

dern eine fast zweitausend Jahre alte<br />

Tradition. Selbst wenn die Religion<br />

heute nicht mehr die dominierende<br />

Rol le im Leben der Bevölkerung spielt<br />

wie in vergangenen Zeiten, ist dennoch<br />

unbestreitbar, dass schon die<br />

Jüngsten seit jeher mit den massiven<br />

antijüdischen Beschuldigungen und<br />

antijüdischen Klischees des neuen<br />

Testaments aufgewachsen sind. Ty pi -<br />

sche derartige Antijudaismen sind<br />

u.a.: „geldgierige Gesellen“ (mk 12,32–<br />

37); „Gottes- und Prophetenmörder und<br />

Feinde aller Menschen“ (1.Thes 2,14ff);<br />

„Kinder des Teufels“ (Joh 8,37–44); „wi-<br />

der spenstiges Volk“ (Röm 10,21); „Diebe<br />

und Heuchler“ (Röm 2,22–37); „Schlan-<br />

genbrut“ (Lk 3,7). Es kann da her nicht<br />

bestritten werden, dass der „moderne“<br />

antisemitische Judenhass eng mit dem<br />

uralten Antijudaismus der Kirche zu -<br />

sammenhängt.<br />

Doch das moderne Christentum hat<br />

längst einen neuanfang gesetzt. Schon<br />

im August 1948 haben bei der Grün -<br />

dung des Weltkirchenrates in Amster -<br />

dam 146 Kirchen den Antisemitismus<br />

<strong>als</strong> Sünde gegen Gott und die men -<br />

schen verurteilt und mit dem 2.<br />

Vatikanischen Konzil (1959) kam es<br />

auch zu einer Kehrtwende der katholischen<br />

Kirche in Bezug auf sämtliche<br />

Formen des Judenhasses. Sowohl die<br />

katholische <strong>als</strong> auch die evangelische<br />

Kirche vertreten heute die Lehre, dass<br />

es keine Kollektivschuld der Juden ge -<br />

ben kann für das, was vor 2000 Jahren<br />

mit Jesus geschehen ist, dass die Ju den<br />

nicht von Gott verstoßen wurden und<br />

der alte Bund von Gott nie aufgekün -<br />

digt wurde. Sie bekräftigen, dass Je sus,<br />

maria und alle Apostel Juden waren,<br />

dass die Aufforderung zur näch s ten -<br />

liebe ein Eckpfeiler der He bräischen<br />

Bibel („Altes Testa ment“) ist, und dass<br />

es zwischen Judentum und Chris ten -<br />

tum eine Art mutter-Toch ter- bzw.<br />

Geschwisterbeziehung gibt.<br />

Das Umdenken der Kirchen in Bezug<br />

auf das Judentum und der intensive<br />

christlich-jüdische Dialog haben si cher -<br />

lich sehr viel Positives bewirkt, doch<br />

solange viele menschen immer noch<br />

in den alten Denkschemata verharren<br />

und antijüdische Vorurteile hegen<br />

(wie der längst noch nicht überwundene<br />

Anderlkult in Tirol beweist),<br />

bleibt für alle Gutwilligen noch viel<br />

zu tun.<br />

neben dem bereits besprochenen religiösen<br />

Antijudaismus gibt es aber noch<br />

andere Formen der Judenablehnung.<br />

Bekannt sind: der soziale Antise mi tis -<br />

mus („jüdische Machenschaften im Han -<br />

del und im Geldverkehr“), der politische<br />

Antisemitismus („Beherrschung der<br />

Welt“), der Rassenantisemitismus<br />

(„Juden von Natur aus böse“) und – seit<br />

einigen Jahrzehnten – der antizionistische<br />

Antisemitismus.<br />

Kritik ist legitim<br />

Einzelmerkmale dieser neuartigen Va -<br />

riante des Antisemitismus, bei der<br />

man die „bösen“ Zionisten be schimpft<br />

und in Wirklichkeit „die Juden“ meint,<br />

sind: Ablehnung des Existenzrechts<br />

des jüdischen Staates, Verneinung des<br />

Anspruchs von Juden auf nationale<br />

Selbstbestimmung, Vergleiche von is -<br />

rael mit nazideutschland, die einseitige,<br />

meist schrille Verdammung is ra els<br />

wegen wirklicher oder vermeintli cher<br />

menschenrechtsverletzungen, ohne<br />

sich jem<strong>als</strong> um entsetzliche men schen -<br />

rechtsverletzungen in anderen Welt -<br />

<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770 11


ge genden zu kümmern, negierung<br />

des Holocaust, Bezugnahme auf den<br />

„Gott der Rache“ im Alten Testament,<br />

Projektion der Politik israels auf das<br />

Ver halten aller Juden der Welt und das<br />

Gutheißen von Anschlägen gegen un -<br />

schuldige Personen jüdischer Abstam -<br />

mung in- und außerhalb von israel.<br />

Diese Art des offenen und latenten<br />

Antisemitismus ist besonders bei<br />

Rechts- und Linksextremisten zu finden,<br />

aber auch im fundamentalistischen<br />

islam.<br />

An dieser Stelle muss aber betont werden,<br />

dass eine ausgewogene Kri tik an<br />

der derzeitigen oder vergangenen<br />

Politik der israelischen Regierung<br />

nicht automatisch mit Antisemitis -<br />

mus gleichgesetzt werden kann. Eine<br />

fundierte, faire und konstruktive Kri -<br />

tik ist immer legitim und manchmal<br />

durchaus notwendig.<br />

Bis vor einigen Jahren hielten sich An -<br />

tisemiten mit offen vorgetragenen<br />

Ver leumdungen von Juden weitgehend<br />

zurück. Doch nach und nach<br />

ändert sich das Bild. Offener und versteckter<br />

Antisemitismus wird gesellschaftlich<br />

und politisch immer mehr<br />

toleriert und die Bereitschaft der Bür -<br />

ger, der Justiz und der Politiker, ge -<br />

gen antijüdische Hetzer vorzugehen,<br />

nimmt langsam, aber sicher ab.<br />

Eggers Antisemitismus<br />

in diesem Zusammenhang muss ge -<br />

fragt werden, woran man denn einen<br />

Antisemiten erkennen kann. Hier kann<br />

zwischen denjenigen Personen, die<br />

ihre Judenfeindschaft offen artikulieren,<br />

und solchen menschen, die weit<br />

POLITIK • INLAND<br />

vorsichtiger formulieren, aber mit leisen<br />

Tönen Gleiches sagen wollen, un -<br />

ter schieden werden. Letztere sprechen<br />

gerne „von den Mächten der Ostküste“<br />

oder versuchen, Juden <strong>als</strong> „übermäßig<br />

einflussreiche und heimatlose Gesellen“<br />

darzustellen. Gleiches gilt für den Um -<br />

gang mit kriminell gewordenen Per -<br />

sonen (wie etwa Bernard madoff). So -<br />

bald es sich um Juden handelt, wird<br />

ihre Religion genüsslich hervorgehoben.<br />

Ein ähnliches Denkmuster zeigt<br />

auch das Verhalten des Vorarl berger<br />

FPÖ-Politikers Dieter Egger, der im<br />

Zuge des Vorwahlkampfes der Land -<br />

tagswahl <strong>2009</strong> den Direktor des Jü di -<br />

schen museums (einen gebürtigen<br />

Deut schen) in Hohenems <strong>als</strong> „amerikanischen<br />

Exiljuden“ beschimpft hat.<br />

Selbst wenn der Vorwurf, „Exi ljude zu<br />

sein“, nicht <strong>als</strong> Straftat gewertet werden<br />

kann, ist die Absicht, die dahin -<br />

Pakistanischer Student 2003<br />

tersteckt, klar: Es kann angenommen<br />

werden, dass Dieter Egger bei der Er -<br />

wähnung von nichtjüdischen Gegnern<br />

und Kritikern nie auf die idee kommen<br />

würde, deren Religion an die<br />

große Glocke zu hängen.<br />

Der Antijudaismus/Antisemitismus<br />

ist ein schwer zu behebendes und ir ri -<br />

tierendes Uraltphänomen, das nur<br />

durch konsequente Erziehung der Ju -<br />

gend, Aufklärung und gesellschaftliche<br />

bzw. politische Ächtung der Hetzer<br />

aus der Welt geschafft werden kann.<br />

Ersterscheinung: „Die Presse”,<br />

Gastkommentar vom 05.09.09<br />

Anm. d. Redaktion: Die Staatsanwaltschaft Feld kirch<br />

ist nicht mehr gegen FPÖ-Chef Dieter Egger wegen<br />

Verdachts auf Verhetzung tätig.<br />

Trauriger Graf<br />

Der Dritte nationalratspräsident<br />

Mar tin Graf (F) ist „grundsätzlich traurig”,<br />

dass sich der Präsident der is -<br />

raelitischen Kultusgemeinde, Ariel<br />

muzicant, nun doch nicht mit ihm tref -<br />

fen will. Dies sei eine „Dialogverwei-<br />

gerung” - und eine solche sei „nicht<br />

be sonders demokratisch”, sagte Graf ge -<br />

genüber der APA. Ur sprüng lich hatte<br />

sich muzicant bereit erklärt, nach seinem<br />

Urlaub einer Einladung Grafs zu<br />

einem Gespräch nachzukommen -<br />

nach den vor dem Sommer über die<br />

me dien geführten Auseinan der set -<br />

zungen, weil Graf den iKG-Prä siden -<br />

ten „Ziehvater des antifaschistischen<br />

Linksterror” nannte. in der „Pres se”<br />

teilte muzicant aber mit, dass ein solcher<br />

Termin keinen Sinn mache und<br />

nur der PR Grafs dienen würde, weil<br />

beinahe täglich Aussagen und Pro vo -<br />

ka tionen zu hören seien. Graf meinte<br />

er werde sich dennoch weiterhin um<br />

ei nen Termin mit muzicant be mü hen,<br />

„meine Türen stehen immer offen”. Auf<br />

die Argumentation des iKG-Prä si den -<br />

ten ging er nicht näher ein. Er führte<br />

nur seine „berufliche und persönliche<br />

Erfah rung generell” an, dass man „im-<br />

mer eine Ausrede findet, wenn man einen<br />

Ter min nicht ernsthaft will”<br />

Der FPÖ sei es nicht um die Dees ka -<br />

la tion gegangen, „ihnen ging es angeblich<br />

darum, Missverständnisse aufzuklären.<br />

Ich bin aber nicht bereit, mit Graf und<br />

Co. über Missverständnisse zu verhandeln,<br />

weil es keine Missverständnisse gibt.<br />

Olym pia ist eine rechtsextreme Organi sa -<br />

tion, Mitgliedschaft dort ist für einen Prä -<br />

sidenten des Nationalrats einfach nicht<br />

tragbar", so muzicant weiter. Auch die<br />

Ar gu mentation von FPÖ-Obmann<br />

Heinz-Christian Strache nach dem<br />

„Exilju den”-Sager des freiheitlichen<br />

Spit zen kandidaten Dieter Egger lässt<br />

muzi cant nicht gelten. „Stimmt, es ist<br />

keine Beleidigung. Es ist Antisemitis mus.”<br />

Ganz klar spricht sich der iKG-Prä si -<br />

dent für eine lückenlose Re habi li tie -<br />

rung von Wehrmachts-Deser teu ren,<br />

wie sie derzeit diskutiert wird, aus.<br />

"Natürlich. Ich bin nicht nur dafür, dass<br />

man sie rehabilitiert, ich bin auch dafür,<br />

dass man eingesteht, dass die bisherige<br />

Politik f<strong>als</strong>ch war", so muzicant. „Stra -<br />

ches Äußerung dazu ist rechtsextremistisches<br />

Gedankengut in Reinkul tur und reiht<br />

12 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770


POLITIK • INLAND<br />

sich lückenlos in die Serie der laufenden<br />

Provokationen der 'Keller-Nazis' ein.<br />

Diese FPÖ ist eine Schande für un ser<br />

Land und kein politischer Partner, weder<br />

für Koalitionen noch für eine Po litik für<br />

die Menschen in Österreich."<br />

Für „absolut abstrus” hält auch Po li -<br />

tik wis senschafter Walter Manoschek<br />

die Aussagen von FPÖ-Chef Heinz-<br />

Christian Strache, wonach „mindestens<br />

15 Prozent” der Wehrmachtsde -<br />

ser teure ihre Kameraden ermordet<br />

hätten. manoschek ist Autor einer im<br />

Jahr 2003 veröffentlichten Studie, bei<br />

der 1.300 Fälle desertierter Österreicher<br />

untersucht wurden. Dabei lag in<br />

„nur” zwei Fällen (<strong>als</strong>o ca. 0,2 Pro -<br />

zent) ein Tötungsdelikt vor.<br />

Anlässlich des 70. Jahrestages des<br />

Aus bruchs des Zweiten Weltkriegs ist<br />

die Diskussion um die lückenlose Re -<br />

habilitierung von Fahnenflüchtigen<br />

wie der entflammt. Die Grünen wollen<br />

noch heuer gemeinsam mit SPÖ<br />

und ÖVP ein entsprechendes Gesetz<br />

durch den Nationalrat bringen. Na tio -<br />

nal rats präsidentin Barbara Pram mer<br />

(S), der Zweite National rats präsident<br />

Fritz Neugebauer und der frühere Na -<br />

tio na l ratspräsident Andreas Khol (bei-<br />

de V) hatten sich zuletzt zustimmend<br />

ge äußert. In der Diskussion geht es<br />

da rum, dass Wehrmachts-Deserteure<br />

mit dem „Anerkennungsgesetz 2005”<br />

zwar sozialrechtlich den anderen Op -<br />

fergruppen gleich gestellt, aber im Ge -<br />

setz nicht explizit erwähnt wurden.<br />

Die Ergebnisse der vom Wissen -<br />

schafts ministerium in Auftrag gegebenen<br />

zweijährigen Studie „Opfer der<br />

NS-Militärjustiz” sollten die Grund la -<br />

ge für eine juristische Rehabilitierung<br />

von während der NS-Zeit verurteilten<br />

Österreichern sein.<br />

In Deutschland und Österreich gehe<br />

man von ungefähr 20.000 Personen<br />

aus, die zwischen 1939 und 1945 von<br />

der NS-Militärjustiz aufgrund von De -<br />

sertion verurteilt wurden, so der Po li -<br />

tologe Walter Manoschek. Hoch ge -<br />

rechnet wären ca. 2.000 Österreicher<br />

un ter den Verurteilten gewesen, un -<br />

gefähr 1.500 davon seien hingerichtet<br />

worden. Manoschek: „Zusam men mit<br />

den Menschen, denen die Desertion ge -<br />

glückt ist, gehen wir von einer dreistelligen<br />

Zahl aus, die heute noch lebt.”<br />

Störenfriede der Erinnerung<br />

Veranstaltung erinnert an Opfer der NS-Militärjustiz<br />

nationalratspräsidentin Barbara Pram -<br />

mer lud am 18. <strong>September</strong> zu einer<br />

Gedenkver an staltung für Verfolgte<br />

der nS-militärjustiz ins Palais Epstein.<br />

Zu Wort kamen dabei die ehemalige<br />

Widerstandskämpferin Helga Emper ger,<br />

der Präsident des Verban des der<br />

Kärntner Partisanen (Zveza Koroskih<br />

Partizanov) Peter Kuchar, der Wider -<br />

stands kämpfer und langjährige Vor -<br />

sitzende des Bundes Sozialdemo kra -<br />

tischer Freiheitskämpfer Hugo Pepper,<br />

der Komponist Friedrich Cerha sowie<br />

der ehemalige Wehrmachtsdeserteur<br />

und Obmann des „Personenkomitee<br />

Gerechtigkeit für die Opfer der nSmi<br />

li tärjustiz” Richard Wadani.<br />

Prammer begrüßte die anwesenden<br />

Gäste und bedankte sich bei den Zeit -<br />

zeugen herzlich für ihr Kommen. An<br />

dieser Stelle zeigte sie sich zufrieden<br />

darüber, dass es gelungen sei, nun<br />

auch die Kärntner Partisanen <strong>als</strong> Op -<br />

fergruppe im nationalfonds aufzunehmen,<br />

sodass diese nun ebenfalls entschädigt<br />

werden könnten. Vor 70 Jah -<br />

ren, führte Prammer weiter aus, ha be<br />

der Zweite Weltkrieg begonnen, der<br />

von Anfang an <strong>als</strong> Vernich tungs krieg<br />

geplant gewesen sei. Ein solches Da -<br />

tum sei hilfreich, sich wieder einmal<br />

mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen,<br />

so die Präsi den tin.<br />

in einer ersten Runde sprachen die<br />

Zeitzeugen von ihren ganz besonderen<br />

Erfahrungen mit dem Thema.<br />

Helga Emperger berichtete von ihren<br />

Aktivitäten im Widerstand und da von,<br />

dass sie mit ihrer mutter Wehr machts -<br />

deserteuren half, wofür sie 1944 in<br />

die Fänge der Gestapo geriet. ihre<br />

mutter wurde von den national so zi a -<br />

lis ten hingerichtet, Emperger über -<br />

lebte knapp.<br />

Peter Kuchar schilderte die Aktiv i täten<br />

der Kärntner Partisanen, die<br />

einen aktiven Beitrag zur Befreiung<br />

Österreichs leisteten. Er selbst wirkte<br />

an deren Kampf <strong>als</strong> Kurier mit. Hugo<br />

Pepper wiederum leistete innerhalb<br />

der Wehrmacht Widerstand und stand<br />

auch mit der Gruppe um Major<br />

Szokoll in Verbindung.<br />

Richard Wadani wiederum desertierte<br />

1944 aus der Wehrmacht, wobei es<br />

ihm gelang, sich nach England durchzuschlagen,<br />

wo er sich einer Gruppe<br />

der tschechoslowakischen Exilarmee<br />

an schloss. Der Komponist Cerha<br />

schließ lich war 1944 zur Wehrmacht<br />

eingezogen und in Dänemark stationiert<br />

worden, von wo aus ihm wenig<br />

später die Flucht aus der Armee<br />

gelang, wobei er sich quer durch<br />

Deutschland nach Tirol durchschlug.<br />

in einer zweiten Gesprächsrunde ging<br />

es um die Erfahrungen der Zeit zeu -<br />

gen nach 1945 und auch darum, wie<br />

sich die Einschätzung ihrer Handlun -<br />

gen im Laufe der Zeit in der Gesell -<br />

schaft geändert hat.<br />

Barbara Prammer und Richard Wadani<br />

©Carina Ott<br />

in Österreich kam es erst 2005 zur<br />

teilweisen rechtlichen Rehabili tie rung<br />

von Opfern der nS-militärjustiz durch<br />

das sogenannte Anerken nungs gesetz.<br />

Zum 70. Jahrestag des Be ginns des<br />

Zweiten Weltkriegs und vier Jah re nach<br />

Verabschiedung des Anerken nungs -<br />

gesetzes 2005 erinnert nun auch eine<br />

Ausstellung an die Ver ur teil ten der<br />

nS-Kriegsgerichte. Am 1. Sep tem ber<br />

<strong>2009</strong> wurde die Wan der ausstel lung<br />

„Was dam<strong>als</strong> Recht war ...” im Wiener<br />

nestroyhof eröffnet. Sie wurde für<br />

Deutschland entwickelt, durch den<br />

Ver ein „Personenkomitee Gerechtig -<br />

keit für die Opfer der nS-militär jus tiz”<br />

in Zusammenarbeit mit dem „Ver ein<br />

Gedenkdienst für Österreich” aktualisiert<br />

und ist noch bis zum 15. Oktober<br />

hierzulande zu sehen.<br />

Die Ausstellung erinnert an weit<br />

mehr <strong>als</strong> 20.000 Soldaten und Zivi listen<br />

aus nahezu ganz Europa, die durch<br />

Unrechtsurteile der Wehr machts ge -<br />

rich te umkamen. in diesem Zusam -<br />

men hang findet wei ters am 1. und 2.<br />

Ok tober <strong>2009</strong> ein themenspezifisches<br />

Symposion im Wie ner Justizpalast<br />

statt, an dem sich Ex pertinnen und<br />

Ex perten aus zahlreichen Ländern be -<br />

teiligen werden.<br />

<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770 11


POLITIK • INLAND<br />

Die internationale jüdische<br />

EHE-PARTNER-VERMITTLUNG<br />

Weber José<br />

PF 180182<br />

D-60082 Frankfurt a.M.<br />

Telefon +49/69-597 34 57<br />

+49/17/267 14940<br />

Fax +49/69-55 75 95<br />

eMail: weber@simantov.de<br />

www.simantov.de<br />

Leute aus Terror-<br />

Camps stellen ein<br />

Risiko dar<br />

Peter Gridling, Leiter des Bundes am tes<br />

für Verfassungsschutz und Terroris -<br />

mus bekämpfung (BVT), zeigte sich im<br />

interview mit der ‘Presse am Sonn tag’<br />

besorgt über in Österreich lebende<br />

islamisten, die sich in ausländischen<br />

Terror-Camps ausbilden lassen. Das<br />

BVT habe bereits mehrere derartige<br />

Fälle angezeigt, aufgrund der Geset -<br />

zes lage habe man aber wenig Hand -<br />

habe gegen solche menschen. Ent -<br />

spre chende Ermittlungsergebnisse des<br />

BVT lägen aktuel bei der Justiz, so<br />

Gridling.<br />

„Diese Personen stellen einfach ein Risi ko<br />

dar, wenn sie nach Österreich zurückkommen.<br />

Die Kontakte, die sie in den Terror-<br />

Camps gewinnen, pflegen sie auch weiter”,<br />

so Gridling. Überhaupt diagnostiziert<br />

der BVT-Chef eine steigende Zahl an<br />

„radikalisierten Personen” in der isla mis -<br />

ten-Szene im Land: „Die Szene verändert<br />

sich”, auch die Anwesenheit von<br />

„Schläfern” in Österreich sei nicht<br />

aus zuschließen.<br />

im Zusammenhang mit dem sogenannten<br />

„Spitzel-Ausschuss” im Par -<br />

lament, der auch Vorwürfen kasachischer<br />

Spionageakte in Österreich<br />

nachgehen soll, kritisiert Gridling die<br />

verzerrte verharmlosende Bericht erstattung<br />

in den medien: „Ein ausländischer<br />

Nachrichtendienst hat all seine<br />

Möglichkeiten genutzt, um konsequent<br />

und mit allen Mitteln die Anliegen seines<br />

Landes umzusetzen.” in drei Fällen ha be<br />

es in dieser Causa Versuche ge geben,<br />

menschen mit Gewalt zu entführen,<br />

das BVT habe hier zahlreiche Perso -<br />

nen angezeigt.<br />

Stadt Salzburg arbeitet die Zeit des<br />

Nation<strong>als</strong>ozialismus auf<br />

Forschungsprojekt bis 2015 mit 30 bis 40 Wissenschaftern<br />

nach dem Vorbild Linz wird nun die<br />

Stadt Salzburg ihre Geschichte während<br />

der nS-Zeit aufarbeiten. Es sei<br />

zwar punktuell schon viel geforscht<br />

worden, aber nun sollen diese Jahre<br />

um fassend dargestellt und in einem<br />

Stan dardwerk zusammengefasst wer -<br />

den, kündigte Bürgermeister Heinz<br />

Schaden (S) bei einem Presse gespräch<br />

an.<br />

immer wieder gebe es heute Proble me,<br />

etwa bei Straßenbenennungen, wenn<br />

es gelte, Personen einzuordnen, er -<br />

klär te Ingrid Tröger-Gordon, „es fehlen<br />

oft die Zusammenhänge”. Und genau<br />

diese sollen mit dem bis 2015 angesetzten<br />

Projekt geschaffen werden. Un -<br />

ter Federführung des nS-Forschers<br />

Ernst Hanisch und des Hauses der<br />

Stadt geschichte werden 40 bis 50 Wis -<br />

senschafter die verschiedensten The -<br />

men bereiche aufarbeiten.<br />

Die ersten Forschungen seit dem<br />

Frühjahr betrafen die Vorgeschichte<br />

des nation<strong>als</strong>ozialismus in der mo zart -<br />

stadt. Die Ergebnisse werden jetzt in<br />

einer Vortragsreihe vorgestellt. Wei -<br />

tere Schwerpunkte sind unter anderem<br />

der Alltag in diesen Jahren, die<br />

Kultur und Bildung, der Terror und<br />

die Verfolgung oder die macht struk -<br />

tu ren in der Stadt, der Justiz und der<br />

Polizei. Die Ergebnisse werden jedes<br />

Jahr in Buchform publiziert, vieles soll<br />

auch im internet veröffentlicht werden.<br />

Auch Ausstellungen und Workshops<br />

sind geplant. 25.000 Euro stellt die<br />

Stadt jährlich dafür bereit.<br />

Die Suche nach Quellen werde über<br />

Europa hinausgehen, sagte Hanisch.<br />

Gegen Kriegsende seien viele Doku -<br />

men te vernichtet worden, so dass man<br />

heute kaum etwas über die nSDAP<br />

oder die anderen Verbände in Salz burg<br />

wisse. „Wir kennen nur die Füh rer.” Dass<br />

die Forscher bei ihrer Arbeit auf Sen -<br />

sationen stoßen werden, erwartet der<br />

Historiker nicht. Wichtig sei es aber,<br />

die Zusammenhänge herzustellen,<br />

etwa, was die menschen dam<strong>als</strong> wirk -<br />

lich gewusst, wie sie darauf reagiert<br />

und das alles wahrgenommen haben.<br />

http://www.stadt-salzburg.at/internet/<br />

nation<strong>als</strong>ozialismus/p2_296694.htm<br />

Wiener Grüne zeigen Polizei wegen „Ethnic Profiling” an<br />

Rassismus-Vorwürfe gegen die Wiener Polizei: Der Grünen Stadtrat David<br />

Ellensohn hat angekündigt, die Exekutive der Stadt anzuzeigen. Hinter -<br />

grund ist ein neuer Ermittlungsweg, den die Polizei beschreitet. Laut ei -<br />

nem Bericht in der jüngsten Ausgabe der Wiener Stadtzeitung „Falter” setzen<br />

die Ermittler im Kampf gegen Einbrecher „Ethnic Profiling” ein. Dabei<br />

werden nicht konkret verdächtige Personen aufgrund ihrer Herkunft oder<br />

Religionszugehörig keit überprüft.<br />

Es handelt sich um eine ursprünglich aus Großbritannien stammende und<br />

höchst umstrittene methode, die im Wiener Fall gegen menschen aus Geor -<br />

gi en und moldawien eingesetzt werde, wie Ellensohn erklärte. „Mit Ethnic<br />

Profiling werden Menschen aufgrund ihrer Herkunft pauschal verdächtigt. Diese<br />

Fahndungs me thode ist rechtlich nicht gedeckt und damit in Österreich nicht<br />

zulässig. Deshalb bringen wir jetzt eine Anzeige ein”, sagte der Stadtrat.<br />

Gegenüber dem ORF-Landesstudio Wien verteidigte Landespolizei kom -<br />

man dant Karl mahrer die methode. Demnach handle es sich um eine reine<br />

Befra gung, um an informationen aus der Szene zu kommen: „Es geht sehr<br />

oft um Kontaktaufnahme, Gespräche und Gefahrenerforschung. Und all das ist ge -<br />

setzlich legitimiert.” Dazu Ellensohn: „Dass der Wiener Polizeikommandant<br />

Mah rer diese Vorgangsweise <strong>als</strong> reine ‘Befragung’ darstellt, ist ein misslungener<br />

Versuch, rassistische Polizei-Praktiken zu beschönigen. Wir fordern Mahrer auf,<br />

diese Praktiken zu beenden und nicht weiter durchzuführen.”<br />

14 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770


POLITIK • INLAND<br />

Mitlieder der NVP<br />

mit Fahnen beim<br />

Prozessbeginn gegen<br />

Josef Fritzl in St. Pölten,<br />

März <strong>2009</strong><br />

© APA/Georg Hochmuth<br />

Vor dem Urnengang<br />

gestoppt<br />

Seit 2007 gibt es sie: die Nationale Volks -<br />

partei (NVP). Wer ihre Home page be -<br />

sucht, dem wird rasch klar, welche Ge sin -<br />

nung hier vertreten wird: gefordert wird<br />

die Aufhebung des Verbotsge set zes, un -<br />

terstrichen das Volk <strong>als</strong> „Fort pflan zungs -<br />

ge meinschaft“, gehetzt gegen „Multi -<br />

kultur“ und Ausländer. Zwei Jahre später<br />

wollte die Partei nun erstm<strong>als</strong> bei einer<br />

Wahl antreten – in Ober österreich. Die<br />

Landeswahlbehörde untersagte allerdings<br />

die Teilnahme an der Landtags wahl<br />

am 27. Sep tem ber. Zudem wurde An zei -<br />

ge bei der Staatsanwaltschaft erstattet –<br />

wegen Verdachts des Verstoßes gegen<br />

das Vebotsgesetz.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

Das Dokumentationsarchiv des Öster -<br />

reichischen Widerstands (DÖW) stuft<br />

die nationale Volkspartei <strong>als</strong> „zumindest<br />

rechtsextrem“ ein. Ein Teil der<br />

handelnden Personen trägt mit ihrem<br />

bisherigen Werdegang und einschlägigen<br />

Engagement ein Übriges dazu<br />

bei, die rechtsextreme Gesinnung der<br />

Fraktion außer Zweifel zu stellen und<br />

ein naheverhältnis zu nazismus be -<br />

zie hungsweise neonazismus zu vermuten.<br />

An vorderster Parteifront:<br />

Robert Faller.<br />

Faller, Bundesgener<strong>als</strong>ekretär der<br />

nVP, hatte im Frühjahr 2007, <strong>als</strong> die<br />

nationale Volkspartei gegründet wur -<br />

de, bereits Erfahrung in und mit den<br />

verschiedensten initiativen gesammelt<br />

und ist damit für Beobachter der<br />

rechts extremen Szene kein unbeschriebenes<br />

Blatt. Er war Anführer der beiden<br />

neonazistischen Gruppen „Ka me -<br />

radschaft Germania“ sowie „Natio nal -<br />

de mokratisches Aktions bü ro NDAB“.<br />

Und er steht hinter der internet-Platt -<br />

form „Stop3g“, die sich dem Kampf<br />

gegen das Verbotsgetz verschrieben<br />

hat. Der Leitspruch lässt dabei nichts<br />

an Klarheit zu wünschen übrig: „Nur<br />

wer mit der Lüge lebt, muss Meinungs -<br />

frei heit fürchten! Maulkorb und Sprech -<br />

verbot für Nationalisten in Österreich“.<br />

Unterlegt ist der Slogan mit einem<br />

Foto des Holocaust-Leugners und Ge -<br />

schichts-Revisionisten David irving.<br />

Dennoch konnte die nVP im no vem -<br />

ber 2007 ihre Satzung im innen mi nis -<br />

terium hinterlegen. Denn, so erklärt<br />

ministeriumssprecher Rudolf Gollia<br />

auf Anfrage der „Gemeinde“: „Allein<br />

durch die Hinterlegung der Satzungen ei -<br />

ner politischen Partei, was im Innen mi -<br />

nis terium erfolgt, erhält die Partei noch<br />

keine Rechtspersönlichkeit. Erst durch das<br />

beabsichtigte Antreten einer Partei wird<br />

diese zur Wahlpartei und erst dann tritt<br />

die Rechtspersönlichkeit ein. In diesem Fall<br />

war – nachdem die NVP bei den oberösterreichischen<br />

Landtagswahlen zu kandidieren<br />

beabsichtigte, die oberösterreichische<br />

Landeswahlbehörde für das Prüfver fah ren<br />

zuständig.“<br />

in Oberösterreich hatte man sich<br />

bereits frühzeitig vorbereitet. Schließ -<br />

lich fiel die nVP seit ihrer Gründung<br />

immer wieder unangenehm auf: im<br />

<strong>September</strong> 2007 nahmen laut DÖW<br />

an die 100, zum Teil amtsbekannte<br />

neo nazis an einer Demonstration ge -<br />

gen einen angeblichen moscheebau in<br />

Wien-Brigittenau teil. Unter ihnen fan -<br />

den sich Vertreter der nVP, etwa der<br />

Wiener Anführer Karl Gosche scheck.<br />

Sie brüllten Parolen wie „Ausländer<br />

raus!“ und „Hier marschiert der nationale<br />

Widerstand!“ Zu der Demon stra -<br />

tion aufgerufen hatte die FPÖ.<br />

Um die Jahreswende 2007/08 fiel die<br />

nVP durch Aussagen von Aktivisten<br />

aus den eigenen Reihen auf, wonach<br />

man gezielt versuche, muslime zu pro -<br />

vozieren. „Unbekannte“ hätten zu<br />

Silvester ihren „islamischen Freunden<br />

[…] Glückwünsche in Form echter Schwei -<br />

neköpfe direkt zum Baugrund der zu -<br />

künftigen Moschee in Linz überbracht“.<br />

Bis dato hätte man „vor allem mit verbalen<br />

Taten der Aufklärung“ gegen „ei ne<br />

weitere Großmoschee in Österreich“<br />

gekämpft, nun „haben sich mutige Bür -<br />

ger entschlossen, ihren Unmut mit einem<br />

außergewöhnlichen Neujahrsgruß kundzutun“.<br />

Am ganzen Gelände seien<br />

„über ein Dutzend Schweineköpfe“ ver-<br />

<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770 15


POLITIK • INLAND<br />

teilt worden. Dieses Bekenntnis fand<br />

sich auf der Homepage der nVP-na -<br />

hen Bürgerinitiative „Keine Moschee in<br />

Linz“, die vom nVP-Aktivisten Wolf -<br />

gang Schrögendorfer angeführt wird. Er<br />

ist im internet zudem mit einer Ar -<br />

beitsgemeinschaft gegen Glo balisie -<br />

rung vertreten.<br />

Ende märz 2008 versammelten sich<br />

auf Einladung der nationalistischen<br />

Plattform „Neutralität retten: Nein zum<br />

EU-Vertrag!“ mehr <strong>als</strong> 5.000 men -<br />

schen in der Wiener City. Darunter<br />

mischten sich an die 200 neonazis, u.a.<br />

auch der bekannte neonazi Gottfried<br />

Küssel. Ein Teil dieser rechtsextremen<br />

Grupp versammelte sich bei der<br />

Kundgebung unter dem Ban ner der<br />

nVP. Hier marschierten übrigens<br />

auch Vertreter von FPÖ und BZÖ mit.<br />

Anfang Jänner dieses Jahres fand in<br />

Passau eine Demonstration statt, die<br />

sich gegen die Ermittlung und Be richt -<br />

erstattung im Zusammenhang mit<br />

dem mordanschlag auf den Passauer<br />

Polizeichef Alois Mannichl. Dieser war<br />

niedergestochen worden, die Er mitt -<br />

ler gingen nach Aussagen des Op fers<br />

von einem Täter aus dem rechtsextremen<br />

milieu aus. Der Fall ist bis heute<br />

nicht geklärt, zog aber in Deutsch land<br />

eine neuerliche Dis kus sion um ein<br />

Verbot der national de mo kratischen<br />

Partei Deutschlands (nPD) nach sich<br />

(ein früheres Verfah ren wurde 2003<br />

auf Grund eines „Verfahrenshin der -<br />

nis ses“ eingestellt). Unter den De mon -<br />

stranten am 3. Jänner <strong>2009</strong> befanden<br />

sich auch Reisekader aus dem be -<br />

nach barten Oberösterreich – und un ter<br />

ihnen nach eigenen Angaben „eine<br />

kleine Abordnung der NVP“. Die nVP-<br />

Vertreter sollen laut DÖW sogar Ord -<br />

nerfunktionen übernommen haben.<br />

Ebenfalls im Januar berichtete das<br />

DÖW von einem befremdlichen Bei -<br />

trag auf der Homepage der nVP. The -<br />

ma des Artikels: die damalige israelische<br />

Offensive gegen den dauernden<br />

Hamas-Raketenterror aus dem Gaza -<br />

strei fen. Der insgesamt hetzerische<br />

Text endet „mit einer mehr oder weniger<br />

offenen antisemitischen Vernichtungs -<br />

phan tasie“ (DÖW): „Es wird Zeit, dass<br />

man die Welt aus den Händen derjenigen<br />

befreit, die nur Macht, Geld, Mord und<br />

Totschlag säen!“<br />

Am 18. April dieses Jahres meldete<br />

die nVP einen Aufmarsch unter dem<br />

Titel „Mehr Demokratie – gegen totalitäre<br />

Systeme. Zum Gedenken der 100 Millio -<br />

nen Opfer des Kommunismus“ in Brau -<br />

nau an. Die Kundgebung, die zwei<br />

Ta ge vor dem Geburtstag Adolf Hit -<br />

lers, der am 20. April 1889 in Braunau<br />

geboren wurde, stattfinden hätte sollen,<br />

wurde behördlich verboten und<br />

im Zuge dessen zudem bekannt, dass<br />

die nVP Teile ihres Parteiprogramms<br />

aus einem „Lehrplan für die weltanschauliche<br />

Erziehung in der SS und Poli zei“<br />

fast wortident übernommen hatte.<br />

Die oberösterreichische Wahlbehörde<br />

wusste <strong>als</strong>o in etwa, womit sie sich bei<br />

einem allfälligen Antreten der nVP –<br />

formale Voraussetzung ist die Vor la ge<br />

von 400 Unterstützungsunter schrif ten<br />

für ein landesweites Antreten beziehungsweise<br />

von 80 Unterschriften zur<br />

Zulassung in einem Wahlkreis – auseinanderzusetzen<br />

hatte. Schlussend -<br />

lich schaffte es die nVP, 269 Personen<br />

dazu zu bewegen, auf einem Gemein -<br />

de amt mit ihrer Unterschrift ein An tre -<br />

ten der nVP zu unterstützen. Al ler -<br />

dings konnte nur in einem Wahlkreis<br />

– nämlich in Linz/Umgebung – die<br />

nötige Anzahl von 80 überschritten<br />

werden (87). Hier sahen sich die nVP-<br />

Verantwortlichen bereits auf dem<br />

Stimmzettel stehen.<br />

in einem schriftlich geführten inter -<br />

view mit der ‘Oberösterreichischen<br />

Rundschau’ nannten Faller und nVP-<br />

Bundesschriftführer Stephan Ruprechts -<br />

berger <strong>als</strong> Grund für ihr Antreten:<br />

„Nationale Stimmen müssen endlich zur<br />

Wirkung kommen, und das ist nur im Zug<br />

einer Partei möglich.“ insgesamt sprachen<br />

die beiden in dem interview Klar -<br />

text. Einmal mehr wird die Abschaf -<br />

fung des Verbotsgesetzes gefordert,<br />

die Einstufung <strong>als</strong> „rechtsextrem“<br />

durch das DÖW mit den Worten kommentiert,<br />

„Auf Meinungen, Ansichten<br />

oder Beleidigungen eines privaten Ver -<br />

eins gehe ich nicht ein“. Befragt, ob es<br />

nation<strong>als</strong>ozialistische Werte und An -<br />

sich ten gibt, die gut für die Gesell schaft<br />

seien, sagten Faller und Ru prechts -<br />

ber ger: „Jede positive Äußerung über den<br />

Nation<strong>als</strong>ozialismus ist in Österreich ver -<br />

boten.“ nächste Frage: „Was denken Sie<br />

über den Holocaust?“ Antwort: „Da gibt<br />

es nichts zu denken. Den Holocaust zu<br />

hinterfragen, ist per Gesetz verboten. Wir<br />

sind keine Gesetzesbrecher.“<br />

Angesprochen auf die Tatsache, dass<br />

Teile des nVP-Parteiprogramms wort -<br />

gleich mit Passagen aus einer SS-<br />

Schrift seien, meinten die nVP-Ver tre -<br />

ter, diese Teile des Programms seien<br />

bereits seitens der Staatsanwaltschaft<br />

Wien geprüft und „für nicht weiter verfolgenswert<br />

erachtet“ worden. Tatsäch -<br />

lich hatte hier die KPÖ eine entsprechende<br />

Anzeige vorgenommen. nun<br />

allerdings wird sich die Staatsanwalt -<br />

schaft intensiv mit der gesamten nVP<br />

auseinandersetzen müssen.<br />

Die oberösterreichische Wahlbehörde<br />

hat nämlich schon lange vor Vorlage<br />

der nötigen Unterschriften durch die<br />

nVP Expertisen in Auftrag gegeben,<br />

so der Leiter der Landeswahl be hör de,<br />

Michael Gugler. Bei den Sicher heits be -<br />

hörden wurden Auskünfte über die<br />

Partei, die beteiligten Personen, deren<br />

Hintergründe und Ziele eingeholt. Ex -<br />

perten des Landesarchivs wurden um<br />

eine Prüfung des nVP-Parteipro -<br />

gramms gebeten und stellten dabei<br />

fest, dass etliche Passagen eine „für<br />

NS-Ideologie charakteristische Symbolik“<br />

aufweise, so Gugler. Genau durchforstet<br />

habe man auch das internet, be -<br />

sonders hinsichtlich der Vernetzung<br />

mit anderen rechtsextremen beziehungsweise<br />

neonazistischen Organi -<br />

sa tionen. Dabei sei man auf Verbin -<br />

dun gen zur nation<strong>als</strong>ozialistischen<br />

Szene in ganz Europa gestoßen.<br />

Schlussendlich entschied sich die<br />

Landeswahlbehörden für ein Verbot.<br />

UnD eben für eine Anzeige wegen des<br />

Verdachts des Verstoßes gegen das<br />

Ver botsgesetz.<br />

Sieht man sich die Homepage an, sind<br />

allerdings bereits mehrere Dinge au -<br />

gen scheinlich: zum einen prangt hier<br />

das Logo der nVP: ein Zahnrad, das<br />

eine österreichische Fahne um schließt.<br />

Laut DÖW fand das Zahnrad mit dem<br />

Hakenkreuz in der mitte bereits <strong>als</strong><br />

Sym bol der „Deutschen Arbeitsfront“<br />

Ver wendung. mit der inschrift FAP<br />

war es das Parteiabzeichen der 1995<br />

verbotenen Freiheitlichen Deutschen<br />

Arbeiterpartei, heute verwenden es<br />

auch die „Hammer-Skins“ und die nPD.<br />

Zum anderen führen „Verweise“ (so<br />

werden auf deutsch-nationalen Seiten<br />

„Links“ bezeichnet) zu Stop3g (initia-<br />

tive gegen das Verbotsgesetz), zur<br />

ini tiative „Keine Moschee in Linz“, zur<br />

Seite des Parteiorgans „Freie Stim me“,<br />

zur JnVP (Junge nationale Volks par -<br />

tei), deren Slogan „frei + sozi al + national“<br />

<strong>als</strong> Leitspruch für jene neonazistischen<br />

Gruppen dient, die sich dem<br />

16 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770


POLITIK • INLAND<br />

Spektrum der militanten „Freien Ka -<br />

me radschaften“ zurechnen.<br />

Und schließlich ist da noch das Par -<br />

tei programm. Dieses enthält Aussa -<br />

gen wie: „Volk ist Abstammungs- und<br />

Schicks<strong>als</strong>gemeinschaft. Jedes Volk hat sei -<br />

ne völkische Eigenart, deren Wurzeln in<br />

den Erbanlagen des Volkes verankert sind.<br />

(…) Volk ist somit ein biologischer Be griff.<br />

Bedenke, dass du die Voraussetzun gen<br />

deines Daseins deinen Ahnen verdankst!“<br />

Spätestens hier werden As so ziationen<br />

zu den nürnberger Ras sen ge setzen<br />

wach. Auch andere Elemen te des Par -<br />

teiprogramms sprechen für sich: „Der<br />

Ausländer wurde zum Men schen erster<br />

Klasse – vor dem Ein hei mischen. Wir<br />

sind weder das Sozialamt der Welt, noch<br />

ein Sammelbecken für Aus länder, die mit<br />

krimineller Absicht nach Österreich einwandern.<br />

Wir werden den Zuzug ausländischer<br />

Arbeitsloser stoppen und werden<br />

ein Ausländerrückfüh rungs gesetz<br />

beschließen, das friedlich und gesetzmäßig<br />

die Ausländerpro ble ma tik in unserem<br />

Staat beendet.“<br />

Das Grausen packt angesichts solcher<br />

„ideen“ nicht nur linke Jugend orga -<br />

ni sationen, die am 30. April gemeinsam<br />

mit der katholischen Jugend<br />

Ober österreichs und dem Oberös ter -<br />

reichischen netzwerk gegen Rassis -<br />

mus und Rechtsextremismus zu ei nem<br />

„Lich terzug gegen Rechts“ in Linz<br />

auf riefen. im Zug des laufenden<br />

Wahl kampfs ließ auch der mittlerweile<br />

95-jährige Hans marsalek, Überlebender<br />

des Konzentrationslagers maut -<br />

hausen, mit einem Offenen Brief aufhorchen.<br />

„Oberösterreich gilt <strong>als</strong> derzeitige<br />

Hochburg der rechtsextremen Szene“,<br />

schrieb er darin und forderte von Lan -<br />

deshauptmann Josef Pühringer (V) ein<br />

breites demokratisches Bündnis ge gen<br />

„die erstarkte Szene“. Darauf meinte<br />

Pühringer: die Be hör den gingen konsequent<br />

und im Rah men der gesetzlichen<br />

möglich keiten vor.<br />

Tatsächlich ist ja nun in Sachen nVP<br />

die Staatsanwaltschaft am Zug. Kon -<br />

kretes wird man aller Voraussicht<br />

nach allerdings erst nach der Wahl in<br />

Oberösterreich hören. Und auch erst<br />

nach der Wahl kann die nVP ihre<br />

nichtzulassung beeinspruchen. Die<br />

Partei gibt sich jedenfalls kämpferisch.<br />

Auf ihrer Homepage schreibt die<br />

nVP: „Der Kampf hat begonnen! Jetzt<br />

erst recht!“<br />

www.nvp.at<br />

Ex-FPÖ-Abgeordneter<br />

wegen Verhetzung verurteilt<br />

Der ehemalige FPÖ-Abgeordnete Karl -<br />

heinz Klement ist am Landesge richt<br />

Klagenfurt wegen Verhetzung zu fünf<br />

monaten bedingter Freiheitsstrafe<br />

verurteilt worden. Er hat auf seiner<br />

Website von Oktober bis Dezember<br />

2008 „verhetzende Textpassagen, in de nen<br />

das jüdische Volk in einer die Men schen -<br />

würde herabsetzende Art beschimpft wird”<br />

veröffentlicht, so die Anklage. Das Ur -<br />

teil ist nicht rechtskräftig, sowohl die<br />

Staatsanwaltschaft <strong>als</strong> auch die Ver tei -<br />

digung meldeten volle Beru fung an.<br />

„Es ist absolut erschütternd, so etwas im<br />

Jahre 2008 noch lesen zu müssen”, sagte<br />

Staatsanwältin Sandra Agnoli. Kle ment<br />

sei zum „Sprachrohr eines absolut rassistischen<br />

Artikels” geworden, er habe<br />

ihn bewusst ausgesucht und so einer<br />

breiten Öffentlichkeit zugänglich ge -<br />

macht und eine inhaltliche Distanz<br />

sei auf keine Art und Weise gegeben.<br />

Sie legte Berufung gegen die Höhe<br />

des Urteils ein. Auch die Vertei di -<br />

gung - die einen Freispruch beantragt<br />

hatte.<br />

Die Wien Holding GmbH<br />

sucht für eines ihrer<br />

Tochterunternehmen im<br />

kulturellen Bereich, die<br />

Jüdisches Museum<br />

der Stadt Wien<br />

Ges.m.b.H., gemäß<br />

Stellenbesetzungsgesetz<br />

BGBL I Nr. 26/<br />

1998 eine/n künstlerische/n<br />

Geschäftsführer<br />

/in mit Dienstbeginn ab<br />

01.07.2010:<br />

Künstlerische/r Geschäftsführer/in für die<br />

Jüdisches Museum der Stadt Wien Ges.m.b.H.<br />

ab 01.07.2010<br />

Mit der nachfolgend beschriebenen Funktion ist die Gesamtverantwortung für eines der im internationalen Vergleich<br />

bedeutendsten Jüdischen Museen verbunden:<br />

Hauptaufgaben:<br />

• Künstlerisch-wissenschaftliche Leitung des Museums inklusive Mitarbeiterverantwortung<br />

• Erarbeitung strategischer Konzepte zur erfolgreichen Weiterführung des Museumsbetriebs<br />

• Organisation von Ausstellungen, Veranstaltungen und Outreach-Aktivitäten<br />

Erforderlich:<br />

• Abschluss eines einschlägigen Studiums oder langjährige einschlägige Erfahrung<br />

• Allgemeine Führungserfahrung sowie Erfahrung in der Führung von MitarbeiterInnen<br />

• Hohe soziale Kompetenz und Kontaktfreudigkeit im Innen- und Außenverhältnis<br />

• Vorlage eines Konzeptes für die weitere Arbeit des Museums<br />

Erwünscht:<br />

• Fundierte Kenntnisse in dem vom Museum betreuten Themenbereich<br />

• Kenntnisse von öffentlichen bzw. privaten Verwaltungseinheiten<br />

• Strategisches Denken in Kombination mit Umsetzungsstärke<br />

• Organisationsgeschick<br />

• Mehrsprachigkeit<br />

• Kontakte zur Jüdischen Gemeinde in Wien<br />

• Möglichkeit, den Dienst mit 1. Juli 2010 anzutreten<br />

Wenn wir Ihr Interesse geweckt haben, übermitteln Sie bitte Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen sowie ein Konzept<br />

über die Thematik des Jüdischen Museums Wien mit der von Ihnen angestrebten strategischen Ausrichtung des Hauses bis<br />

30. Oktober <strong>2009</strong> an Herrn Mag. Michael Maier, Wien Holding GmbH, Universitätsstraße 11, 1010 Wien. Die entsprechenden<br />

unterstützenden Unterlagen zur Konzepterstellung sind bei der Wien Holding abzufragen.<br />

www.wienholding.at<br />

Die Stadt Wien ist daran interessiert, den Anteil an Frauen in Leitungsfunktionen zu erhöhen. Frauen sind deshalb besonders<br />

nachdrücklich zur Bewerbung eingeladen.<br />

<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770 17


POLITIK • INLAND<br />

Israels Botschafter beklagt Mangel an Information über Nahost<br />

„Europa verlangt von Israel sehr viel und von den arabischen Nachbarn sehr wenig”<br />

Der scheidende israelische Botschaf ter<br />

Dan Ashbel beklagt einen mangel an<br />

information der österreichischen Öf -<br />

fentlichkeit über den nahost-Konflikt<br />

und die exponierte Lage israels. israel<br />

befinde sich in der Situation eines<br />

Staa tes, der sich 61 Jahre nach seiner<br />

Gründung immer noch verteidigen<br />

müsse, um überhaupt überleben zu<br />

können, und dem ein Teil der nach -<br />

barn bis zum heutigen Tag das Exis -<br />

tenzrecht abspreche. „Obwohl wir da mit<br />

tagtäglich leben müssen, gelingt es uns,<br />

vieles zu schaffen, was sonst nur in normalen<br />

Ländern geschaffen wird - vielleicht<br />

sogar mehr”, sagte der Botschafter in<br />

einem Gespräch mit der APA.<br />

Er habe den Eindruck, dass viele Po si -<br />

tionen gegenüber israel auf „einem<br />

Mangel an Information” beruhten, und<br />

versuche die menschen durch Vor trä -<br />

ge, interviews und Gespräche „zum<br />

Nach denken zu bringen”. in den me di -<br />

en erzeugten Schlagzeilen sehr rasch<br />

eine bestimmte Stimmung, sagte Ash -<br />

bel, „da wir in einer Zeit der schnellen In -<br />

formation leben und man wenig Geduld<br />

hat, längere Beiträge zu lesen”. Schlag -<br />

zei len könnten aber nie das ganze<br />

Bild geben, „manchmal geben sie sogar<br />

ein verzerrtes Bild.”<br />

„Ich erwarte weder von der österreichischen<br />

Regierung noch von der Öffentlichkeit,<br />

dass man automatisch jede Haltung<br />

Israels akzeptiert. Nicht einmal innerhalb<br />

der EU sind sich die Staaten über ihre<br />

Positionen immer einig.” Die Erwartun -<br />

gen an israel seien sehr hoch, die Er -<br />

wartungen an die arabischen nach -<br />

barn jedoch sehr niedrig, kritisierte<br />

Ashbel. „Es ist unfair, unsere Nach bar -<br />

staaten in einer Art und Weise zu behandeln,<br />

<strong>als</strong> wären sie nicht voll verantwortlich.<br />

Ich glaube, Europa macht es sich<br />

manch mal leicht, indem es den Staaten um<br />

Israel herum das Bewusstsein abspricht,<br />

dass sie voll ausgewachsene Spieler auf<br />

der politischen Bühne sind. Das hilft<br />

nicht der Sache.”<br />

Bei den Palästinensern müsse man<br />

zwischen dem Westjordanland und<br />

Gaza unterscheiden, betonte der Bot -<br />

schafter. „Ich glaube, dass Minister prä -<br />

sident Salam Fayyad sich echte Mühe gibt,<br />

ein System aufzubauen, das dem nahekommt,<br />

was man von einem normalen<br />

Staat erwartet, mit Sicherheitskräften, die<br />

funktionieren, mit Ministerien, die funktionieren,<br />

mit einem Budget, das durchsichtig<br />

ist.” Diese Entwicklung sei neu<br />

und gebe israel die möglichkeit zu<br />

einer Antwort, die die Lebens be din -<br />

gun gen im Westjordanland verbessere.<br />

Die Wirtschaft des Westjordanlands<br />

sei im vergangenen Jahr um sieben<br />

Prozent gewachsen.<br />

im Gazastreifen hingegen regiere eine<br />

„Terrororganisation”, die hauptsächlich<br />

vom iran unterstützt werde, dessen<br />

Führung sich der Vernichtung des<br />

Staates israel verpflichtet habe. Die je -<br />

nigen die behaupteten, die Politik der<br />

Hamas sei nicht so radikal wie deren<br />

Charta, sollten sich ansehen, wie die<br />

Hamas im Gazastreifen tagtäglich mit<br />

den Gegnern in den eigenen Reihen<br />

umgehe, sagte Ashbel. „Jede Stimme,<br />

die gegen die Hamas ist, wird nicht nur<br />

mundtot, sondern tot gemacht. Es ist nicht<br />

nur Rhetorik, es ist eine Haltung. Der Ha -<br />

mas ist ein Staat Israel auf jedem Qua -<br />

dratzentimeter des Landes ein Dorn im<br />

Auge. Da muss man alles tun, uns zu vernichten.<br />

Das wird nicht dementiert.”<br />

Die Beziehungen zwischen Österreich<br />

und israel stünden heute auf einer<br />

soliden Basis, zitierte der Botschafter<br />

Bundespräsident Heinz Fischer. Und<br />

er fügte hinzu: „Österreich und Israel<br />

sind nicht immer einer Meinung. Aber wir<br />

haben eine Atmosphäre des Dialoges und<br />

des gegenseitigen Respektes aufgebaut,<br />

die eine gute Grundlage er bilateralen Be -<br />

ziehungen darstellen.”<br />

Der Diplomat hatte 2005 seinen Vor -<br />

gän ger Avraham Toledo in Wien abgelöst,<br />

der im De zem ber 2003 zum Bot -<br />

schafter ernannt worden war und is -<br />

rael zuvor <strong>als</strong> Geschäftsträger - israel<br />

hatte die Beziehungen 2000 aus Pro test<br />

gegen die FPÖ-Regierungs be tei li gung<br />

herabgestuft - in Österreich vertreten<br />

hatte.<br />

Er habe es in den vier Jahren und acht<br />

monaten seiner Amtszeit <strong>als</strong> eine der<br />

wichtigen Aufgaben betrachtet, die is -<br />

raelische Gesellschaft, Kultur und<br />

Wissenschaft in Österreich bekannt<br />

zu machen. Er sei stolz darauf, dass in<br />

den letzten viereinhalb Jahren nicht<br />

eine Woche in Österreich vergangen<br />

sei „ohne ein kulturelles Ereignis, das von<br />

Israel kam oder mit Israel zu tun hatte”.<br />

Als diesbezügliche Höhepunkte be -<br />

zeichnete der Botschafter den Tel Aviv<br />

Beach am Wiener Donaukanal anlässlich<br />

des 100. Geburtstages von Tel<br />

Aviv und die Präsentation einer is -<br />

raelischen Schneekanone, die unabhängig<br />

von der Außentemperatur ar -<br />

beitet, in der Vorwoche im Tiroler<br />

Pitz tal. Ashbel: „Wir sind für die Österreicher<br />

Ausland, aber wir sind nur drei -<br />

einhalb Flugstunden entfernt.”<br />

Das Gespräch führte Ambros Kindel/APA<br />

Gemeindezentrum: Abschiedsfeier, herzliche Worte und ein Geschenk von IKG-Präsident<br />

Muzicant (l.) an Botschafter Dan Ashbel (r.)<br />

18 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770


POLITIK • AUSLAND<br />

DEUTSCHLAND:<br />

Politiker zum Thema<br />

Israel befragt<br />

Christen an der Seite Israels e.V. und die<br />

Internationale Christliche Bot schaft Jeru sa -<br />

lem (ICEJ) haben in Zusammenarbeit<br />

mit dem Christlichen Forum für Israel<br />

(CFFI) die ca. 1.500 Kandidaten der<br />

Bundestagswahl zum Thema israel be -<br />

fragt. Die Antworten der Politiker sind<br />

unter www.projekt-bundestagswahl.de<br />

im internet einzusehen. Den Politi kern<br />

aus den 299 Wahlkreisen in Deutsch -<br />

land wurden fünf konkrete Fragen<br />

zum Thema deutsch-israelisches Ver -<br />

hältnis, Antisemitismus, nahost po -<br />

litik und der potenziellen Bedrohung<br />

israels durch den iran vorgelegt. Die<br />

veröffentlichten Ant worten sollen den<br />

Wählern eine Ori en tierungs- und<br />

Entscheidungshilfe bei der Bundes -<br />

tagswahl am 27. Sep tember bieten.<br />

Die Fragen an Bundes politi ker und Kan -<br />

d idaten der Bundestagswahl <strong>2009</strong>:<br />

Frage 1 - Deutsch-Israelische Beziehungen<br />

Wie bewerten Sie die Aussage: Deutsch -<br />

land hat aus der Geschichte he raus eine be -<br />

sondere Verantwor tung gegenüber Isra el?<br />

Frage 2 - Neuer Antisemitismus<br />

Deutschland hat sich aus der sogenannten<br />

„Durban II“-Konferenz im April<br />

<strong>2009</strong> in Genf zurückgezogen – aus Sorge<br />

heraus, dass diese Konfe renz zum Beispiel<br />

von Irans Präsi dent Ah madinejad zu antisemitischer<br />

Het ze missbraucht werden<br />

könnte. Wie beurteilen Sie die Entschei -<br />

dung Deutsch lands?<br />

Frage 3 - Bedrohung Israels durch Iran<br />

Welche Maßnahmen ziehen Sie in Erwä -<br />

gung angesichts der potenziellen atomaren<br />

Bedrohung Israels durch den Iran und an -<br />

gesichts der Tatsache, dass Deutschland<br />

der wichtigste west liche Handelspartner<br />

des Irans ist?<br />

Frage 4 - Rolle der Hamas im Nahost-Konflikt<br />

Die Hamas strebt laut eigener Charta nach<br />

wie vor die Zerstörung Israels an, be kennt<br />

sich zum Terrorkampf ge gen Israel und<br />

erkennt bestehende Ver träge nicht an. Was<br />

ist Ihrer Mei nung nach eine angemessene<br />

Stra tegie?<br />

Frage 5 - Beispiele regionalen Engagements<br />

Zum Anliegen der Verbesserung der<br />

deutsch-israelischen Beziehungen: Wel che<br />

Erfahrungen haben Sie persönlich ge -<br />

macht? Welche Empfehlungen haben Sie<br />

– auch für das konkrete Engagement von<br />

Bürgern in Ihrem Wahlkreis?<br />

ÄGYPTEN:<br />

Journalistin verstößt<br />

gegen „Israel-Boykott”<br />

Die prominente ägyptische Jour -<br />

nalistin Hala Mustafa hat in Kairo den<br />

israelischen Botschafter interviewt -<br />

und wird nun kritisiert, weil sie da -<br />

mit gegen einen "israel-Boykott" verstoßen<br />

hat.<br />

Das Gespräch mit dem israelischen<br />

Bot schafter in Ägypten, Schalom Co hen,<br />

fand in mustafas Büro in der Re dak -<br />

tion der Zeitung „Al-Ahram” statt. Die<br />

„Arbeitsgemeinschaft Ägyptischer<br />

Journalisten” konfrontiert mus ta fa<br />

mit dem Vorwurf, gegen einen Boy -<br />

kott der medien gegenüber isra e lis<br />

ver stoßen zu haben. Die Jour na lis tin<br />

unterhalte seit langem en ge Ver bin -<br />

dun gen zu Dschamal mu ba rak, dem<br />

Sohn des amtierenden Präsi den ten<br />

Hos ni mubarak. Dschamal mu ba rak,<br />

so der Vorwurf, habe das in ter view ini -<br />

tiiert, um mehr Unter stüt zung aus den<br />

USA und anderen west lichen Staaten<br />

zu erhalten.<br />

inn<br />

Gewinnbringende Bewirtschaftung seit 1959<br />

Hausverwalter<br />

dkfm. Viktor & dr. Peter maier<br />

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Der Holocaust-Leugner Mahmoud Ahmadinejad<br />

Der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad hat mit heftigen Attacken gegen<br />

Israel schon oft für Empörung gesorgt. Mehrfach stellte er dabei den Holocaust<br />

infrage – einige Zitate:<br />

„Mit Gottes Segen läuft der Countdown für den Zerfall Israels, und dies ist der<br />

Wunsch aller Na tio nen der Welt. Der Westen hat dieses Regime erschaffen, jetzt muss<br />

er es wieder abschaffen, damit wieder Frieden in der Welt einkehrt.”<br />

(„Holocaust-Konferenz” Teheran, Dezember 2006)<br />

„Das zionistische Regime sucht genau wie seinerzeit Hitler einen Vorwand, um militärische<br />

An griffe zu starten.”<br />

(Am Rande des Libanonkonflikts, Juli 2006)<br />

„Zionismus ist in der Tat Neofaschismus.”<br />

(Interview mit der iranischen Nach rich tenagentur ISNA, 2006)<br />

EU:<br />

Protest gegen Holocaust-<br />

Aussage von Ahmadinejad<br />

Die EU hat gegen die erneute Leug -<br />

nung des Holocaust durch den iranischen<br />

Präsident mahmoud Ah ma -<br />

dinejad protestiert. in einer Erklä rung<br />

der schwedischen EU-Rats prä si dent -<br />

schaft in Stockholm hieß es, die Uni on<br />

verurteile Ahmadinejads Re de. Dabei<br />

hatte er am „Al-Kuds-Tag” in Tehe ran<br />

auch das Existenz recht is raels abgestritten.<br />

Dies und die Holo caust-Leugnung er -<br />

mutigten zu Antisemitismus und<br />

Hass, hieß es in der EU-Stellung nah me<br />

weiter.<br />

„Wenn Gott, die Propheten und die Religion im Westen verleugnet werden, kümmert<br />

das niemanden, aber wenn jemand dieses Märchen vom Massaker an den Juden<br />

nicht glaubt, dann heult die zionistische Propagandamaschine laut auf." (Rede in<br />

Zahedan, Dezember 2005)<br />

„Wie ist es möglich, dass die Beleidigung des Propheten der Muslime weltweit mit<br />

Presse freiheit ge recht fertigt wird, nicht aber eine Untersuchung über das Märchen des<br />

Holo caust?" (Dezember 2005 zum Streit um die Veröffentlichung von Mohammed-Kari -<br />

katuren)<br />

„Manche der europäischen Staaten bestehen darauf, dass Hitler Millionen von<br />

unschuldigen Juden ermordet hat. (...) Wir erkennen diese Behauptungen nicht an,<br />

aber auch falls es wahr sein sollte, stellen wir den Europäern die folgende Frage: Ist<br />

die Ermordung von unschuldigen Juden Grund genug, um Besatzer in Jerusalem zu<br />

unterstützen? Falls die Europäer es ehrlich meinen, sollten sie den Zionisten in einigen<br />

ihrer Länder, wie zum Beispiel Deutschland oder Österreich, einen Platz geben.”<br />

(Auf einer Pressekonferenz in der saudischen Stadt Mekka, Dezember 2005)<br />

<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770 19


POLITIK • ANTISEMITISMUS<br />

Palästinensische Propaganda<br />

in niederländischer Online-Community<br />

Die größte niederländische Online-<br />

Com munity, „Hyves”, wird offenbar<br />

für anti-israelische Propaganda und<br />

antisemitische Hetze missbraucht.<br />

Das berichtet die israelische Zeitung<br />

‘Ha´aretz’ unter Berufung auf eine<br />

Untersuchung der Gruppe „israel<br />

Facts monitor”.<br />

nach dem Bericht von israelischen<br />

und niederländischen Beobachtern<br />

werde neben „Hyves”, das von 9 mio.<br />

menschen genutzt wird auch das Dis -<br />

kussionsforum der Zeitung „Volks-<br />

krant” für solche Zwecke missbraucht.<br />

Unter anderem werde der Holocaust<br />

verherrlicht und dazu aufgerufen,<br />

„alle Juden zu töten”. Die modera toren<br />

der Foren würden nur sehr unzureichend<br />

gegen diese Fälle vorgehen,<br />

hier sei eine strengere Kontrolle der<br />

inhalte dringend erforderlich.<br />

Moderne Dolchstoßlegenden im Web<br />

israel wird auch zu politischen Zwe k -<br />

ken verleumdet. Eine Beispiel ist der<br />

Fall eines nutzers, der sich im Januar<br />

<strong>als</strong> palästinensisches mädchen in Je ru -<br />

salem ausgab und erzählte, der Vater<br />

sei von „Juden entführt und in Stücke<br />

gehackt” worden. Die mutter sei dann<br />

vor ihren Augen von Juden zu Tode<br />

geprügelt worden. Beobach ter vermuten,<br />

dass palästinensische Grup -<br />

pen auf diese Weise gezielt Stimmung<br />

gegen israel in westlichen Ländern<br />

schüren wollen.<br />

inn<br />

Muslimische Heiligtümer „jüdisch<br />

kontaminiert“<br />

Saudi Arabien verweigert israelischen<br />

Verkehrsflugzeugen Überflugrechte<br />

auf den Strecken nach Ostasien<br />

einzuräumen, „weil sie die Luft über den<br />

Heiligen Stätten in Mekka und Me di na<br />

verpesten würden“. Das behauptete der<br />

israelische Verkehrsminister israel<br />

Katz im israelischen Rundfunk.<br />

im Rahmen des internationalen Drucks<br />

auf israel, umgehend die Siedlungs po -<br />

litik zu stoppen, haben die Ame ri ka -<br />

ner arabische Staaten aufgefordert, <strong>als</strong><br />

Gegenleistung Schrit te in Rich tung<br />

„normalisierung“ mit israel einzuleiten.<br />

Bisher hatten die Amerikaner<br />

dabei nur mäßigen Erfolg. Aus verschiedenen<br />

arabischen Quellen war zu<br />

hören, dass die Aufnahme diplomatischer<br />

Bezie hun gen, Handel, Öffnung<br />

der Grenzen für Tourismus oder eben<br />

Überflugrechte für maschinen der<br />

israelischen Fluggesellschaft EL AL<br />

nur denkbar nach einem völligen<br />

Rückzug israels aus allen besetzten<br />

Gebieten, inklusive Jerusalems und<br />

einer Auflösung der Siedlungen denk -<br />

bar seien.<br />

Das vom israelischen Verkehrs minis -<br />

ter erwähnte saudische Argument ei -<br />

ner „jüdischen Kontaminierung der Hei li -<br />

gen Städte“, habe der minister „in einer<br />

arabischen Zeitung gelesen“, sagte auf<br />

Anfrage ein Sprecher des Ver kehrs mi -<br />

nisteriums.<br />

uws<br />

Brandanschlag auf jüdische Schule<br />

in Marseille<br />

Eine jüdische Schule im südfranzösischen<br />

marseille ist Ziel eines Brand -<br />

an schlags geworden. Laut medienbe -<br />

richten wurden am Vormit tag mehrere<br />

Brandsätze auf das Ge bäude im zehnten<br />

Stadtbezirk geworfen. Sie lösten<br />

ein Feuer aus, das eine Hecke und vier<br />

vor dem Gebäude geparkte Autos<br />

zer störte. Verletzt wurde niemand.<br />

Von den Tätern fehlt bisher jede Spur.<br />

„Das Feuer war beeindruckend, aber<br />

brannte vor der Kantine, weit entfernt<br />

von den Schulklassen mit den Kindern”,<br />

sagte Schuldirektor mau rice Cohen-<br />

Zagouri und betonte weiter, dass der<br />

Unterricht den ganzen Tag lang un -<br />

verändert fortgesetzt wurde. Die Schu -<br />

le wird von insgesamt 400 Kin dern<br />

besucht. in marseil le waren 2002 be -<br />

reits eine Synagoge und 2005 eine an -<br />

dere jüdische Schule in Brand ge steckt<br />

worden. Die Polizeiüberwachung vor<br />

der Schule wurde intensiviert. APA<br />

Angebliches Trainingslager für Neonazis<br />

nahe Györ<br />

Die ungarische Polizei hat Ermitt lun -<br />

gen zu einem Ausbildungslager eingeleitet,<br />

in dem ungarische neonazis<br />

in diesem Sommer ein militärisches<br />

Trai ning für deutsche Gesinnungs ge -<br />

nossen abgehalten haben sollen. Dies<br />

be richtete die ungarische nachrich -<br />

tenagentur mTi. Zuvor hatten ungarische<br />

medien unter Berufung auf die<br />

deutsche linke Zeitung „Junge Welt”<br />

über die Existenz eines solchen Aus -<br />

bildungslagers in einem Wald nahe<br />

Györ berichtet. Das ungarische Staats -<br />

fernsehen hatte Bilder aus dem nun<br />

menschenleeren Lager im Wald nahe<br />

dem Dorf Böny gezeigt. Zu sehen war,<br />

dass dort immer noch eine „Haus ord -<br />

nung” aushängt, wonach „Schwule, Ju -<br />

den und Zigeuner” keinen Zutritt hätten.<br />

Ein Vertreter der rechtsextremen<br />

Or ganisation „Ungarische Nationale<br />

Front” (Magyar Nemzeti Arcvonal)<br />

bestätigte im Fernsehen, in diesem Ju li<br />

in dem Lager militärische Ausbil dun -<br />

gen veranstaltet zu haben. Er be stritt<br />

jedoch, dass daran auch Deut sche<br />

teilgenommen hätten.<br />

APA<br />

Studenten feierten <strong>als</strong> Nazis verkleidet<br />

Party<br />

Studenten der Lincoln Universität in<br />

neuseeland haben nach einem Zei -<br />

tungs bericht <strong>als</strong> nazis und KZ-in -<br />

sassen verkleidet eine Oktoberfest par -<br />

ty gefeiert. Dies sagte ein Student der<br />

in Christchurch erscheinende Zeitung<br />

‘The Press’. Der Vizerektor der Uni -<br />

versität, Roger Field, sagte dem Blatt,<br />

die Hochschule prüfe die Vorwürfe.<br />

Der Präsident des Rates der Juden in<br />

neuseeland, Stephan Goodman, zeigte<br />

sich enttäuscht. Es sei nicht das erste<br />

mal und werde wohl auch nicht das<br />

letzte mal sein, dass so etwas geschehe.<br />

in den meisten Fälle geschehe es je -<br />

doch aus Unwissen und nicht in böswilliger<br />

Absicht.<br />

APA<br />

Wieder Aufregung um Hitler-Etiketten<br />

auf Weinflaschen<br />

Weinflaschen mit den Kon -<br />

terfeis von Adolf Hitler und<br />

Nazi-Parolen haben in ita -<br />

lien wieder einmal für Pro -<br />

test ge sorgt. Der französische<br />

Großhandels konzern<br />

Carrefour, der in italien die<br />

Su permarktkette GS be -<br />

treibt, nahm entsprechende<br />

Flaschen in italien aus<br />

dem Handel, nachdem eine französische<br />

Kundin jüdischer Abstammung<br />

bei einem Urlaub in italien zufällig die<br />

Flaschen mit den Etiketten von Hitler<br />

und Benito Mussolini gesehen hatte.<br />

Bei ihrer Rückkehr nach Frankreich<br />

hatte sich die Touristin an Carrefour<br />

gewandt und wegen der Wein fla schen<br />

heftig protestiert. Carrefour entschuldigte<br />

sich und machte die italienische<br />

Tochtergesellschaft für den Vertrieb der<br />

umstrittenen Flaschen verantwortlich,<br />

die jetzt aus den Regalen genommen<br />

wurden. Der Weinproduzent aus dem<br />

Piemont, der die Flaschen herstellt,<br />

zeigt sich auch durchaus vielfältig in -<br />

teressiert: Er vertreibt auch Wein mit<br />

Etiketten zu Ehren von Papst Johannes<br />

Paul II, Che Guevara und Bob Marley,<br />

die alle reißenden Absatz finden. APA<br />

20 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770


POLITIK • ANTISEMITISMUS<br />

Hippe Auftritte mit rechter Botschaft im Internet<br />

Der Sprayer hinterlässt seine Zeichen<br />

in rasant wechselnden Bildern. Han -<br />

no ver ist seine Leinwand, seine Tags<br />

sind rechtsextrem, dahinter dröhnt<br />

harter Gitarrensound. Das Video ei ner<br />

neonazi-Gruppe aus dem deutschen<br />

Bundesland niedersachen bedient<br />

sich der Bildersprache der afroamerikanischen<br />

Ghetto-Szene, um deutsch<br />

nationale inhalte zu propagieren. Die<br />

Rechten geben sich hipp, um bei ihrer<br />

jugendlichen Zielgruppe anzukommen.<br />

Eine Untersuchung des Projekts<br />

„jugendschutz.net” kommt zu dem Er -<br />

gebnis, dass es nicht nur immer mehr<br />

rechtsextreme internetseiten gibt, son -<br />

dern dass diese auch moderner und<br />

aggressiver werden.<br />

Jugendschutz.net stellte in Berlin ak tu -<br />

elle Zahlen vor. Rund 1.800 Webseiten<br />

mit rechtsextremem inhalt stehen<br />

der zeit im netz, rund 100 mehr <strong>als</strong><br />

ver gangenes Jahr. Rechtsextreme in -<br />

hal te finden sich aber nicht nur auf<br />

eigens geschaffenen Webseiten. Die<br />

Szene benutzt Portale wie youtube,<br />

my space, schülervz - Seiten mit mas sen -<br />

verbreitung und ohne politischen An -<br />

spruch. 5.000 Videos und Profile entdeckte<br />

jugendschutz.net. „Darunter<br />

sind 1.500 unzulässige Videos”, berichtet<br />

Ste fan Glaser, Leiter des Arbeitsbe -<br />

reichs Rechtsextremismus.<br />

Das Problem der rechtsextremen in -<br />

hal te im Web gerät zunehmend auch<br />

in den Fokus der Politik. „Die Bekämp -<br />

fung von Hass im Internet ist eine Auf -<br />

gabe, der sich Staat und Gesellschaft ge -<br />

meinsam stellen müssen”, kommentierte<br />

Bundesjustizministerin Brigitte Zy pries<br />

(SPD) die Untersuchung. Die Grünen<br />

sehen akuten Handlungsbedarf: „Die<br />

An bieter von sozialen Netzwerken müssen<br />

ihre personellen Ressourcen aufstocken,<br />

um endlich volksverhetzende Inhalte zu<br />

entfernen. Sollte dies nicht geschehen, for -<br />

dern wir eine gesetzliche Regelung,” er -<br />

klärten Parteichefin Claudia Roth und<br />

Bundesvorstandsmitglied Malte Spitz.<br />

Häufig sitzen diese Anbieter aber im<br />

Ausland, was die Zugriffsmög lichk ei -<br />

ten deutscher Gerichte beschränkt. Ein<br />

anderer Weg sind harmlos wirkende<br />

Webseiten. Ein internetportal, das vermeintlich<br />

über Straßenkunst in for -<br />

miert, etwa enthält nicht nur Fotos mit<br />

Wandmalereien, sondern auch ei nen<br />

Stundenplan fürs neue Schuljahr mit<br />

VON MECHTHILD HENNEKE/AFP<br />

dem Logo des rechtsextremen „Na tio -<br />

nalen Widerstands” und Links zu anderen,<br />

härteren neonazi-Seiten.<br />

Die Szene nutzt das netz indes längst<br />

nicht mehr nur für Propaganda. Web -<br />

seiten bieten Sprühvorlagen für Graf -<br />

fi tis, T-Shirts mit radikalem Aufdruck<br />

oder Kapuzenpullis im Kamerad -<br />

schafts look. Auch vor Brecht-Zitaten<br />

scheuen sie nicht zurück: „Wer wenn<br />

nicht du, wann, wenn nicht jetzt”, fordert<br />

eine Seite ihre Besucher zum Han deln<br />

auf.<br />

Jugendschutz.net arbeitet ge gen die<br />

Verbreitung verbotener inhalte an, in<br />

dem es die Provider direkt auf Seiten<br />

anspricht. „In 80 Prozent der Fälle wa ren<br />

wir erfolgreich, und die Seiten gingen vom<br />

Netz”, berichtet Glaser. Die On line-Be -<br />

ratung gegen Rechtsextre mis mus des<br />

Vereins „Gegen Vergessen - für Demo kra -<br />

tie” hat zudem einen Chan nel auf der<br />

Videoplattform YouTube eingerichtet.<br />

„Wer jetzt die üblichen Schlag worte für<br />

rechte Seiten eingibt, bekommt auch uns<br />

<strong>als</strong> Angebot”, sagt Projektlei ter Martin<br />

Zie genhagen. „Neben dem Bera tungs an -<br />

gebot geht es außerdem da rum, der rechtextremen<br />

Szene zu signalisieren: Sie ist<br />

im Netz nicht allein und vor allem nicht<br />

unbeobachtet.”<br />

Fachleute beraten deutsche<br />

Regierung im Kampf gegen<br />

Antisemitismus<br />

Ein Arbeitskreis unabhängiger Fach -<br />

leu te wird künftig die deutsche Bun -<br />

desregierung in Fragen des Antisem i -<br />

tis mus beraten. Der Expertenkreis An -<br />

ti semitismus ist im <strong>September</strong> zu seiner<br />

konstituierenden Sitzung zu sam men -<br />

ge kommen. Er erhoffe sich von dem<br />

Gremium praxisbezogene im pul se<br />

und Empfehlungen für die Bekämp -<br />

fung des Antisemitismus, er klärte in -<br />

nenminister Wolfgang Schäub le. „Die<br />

nachhaltige Aus ein an der set zung und Be -<br />

kämpfung des An tise mi tismus in all seinen<br />

Erschei nungs for men ist eine politische<br />

Priorität der Bun desregierung.”<br />

Dem Arbeitskreis gehören Historiker,<br />

Politologen, islamwissenschaftler und<br />

Experten aus dem in- und Aus land<br />

an. Seine Gründung geht auf einen Be -<br />

schluss des Bundestages vom no -<br />

vem ber 2008 zurück. Bis Ende 2011<br />

soll ein Bericht vorliegen.<br />

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<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770 21


POLITIK • ISRAEL<br />

Israels Reaktion auf den „Goldstone-Bericht”<br />

israel ist entrüstet und enttäuscht über<br />

den Bericht, der am 15. <strong>September</strong> von<br />

der Gaza-Untersuchungsmission veröffentlicht<br />

wurde. Der ‚Goldstone-Be-<br />

richt’ ignoriert praktisch israels Recht<br />

auf Selbstverteidigung, stellt unbegründete<br />

Behauptungen zu seinen<br />

Ab sichten auf und stellt israels demokratische<br />

Werte und Rechts staat -<br />

lichkeit infrage.<br />

Gleichzeitig ignoriert der Bericht völlig<br />

die gezielte Strategie der Hamas,<br />

innerhalb der Zivilbevölkerung zu ope -<br />

rieren und dicht bevölkerte Gebiete<br />

zum Kampfschauplatz zu machen.<br />

indem er über solche Taktiken hinwegsieht,<br />

belohnt er sie regelrecht.<br />

Der Bericht verhüllt kaum sein Ziel,<br />

zu einer politischen Kampagne gegen<br />

israel anzustacheln; mit seinen Em -<br />

pfeh lungen trachtet er danach, den<br />

Un-Sicherheitsrat, die Un-Vollver -<br />

samm lung, den internationalen Ge -<br />

richts hof, den Un-menschenrechtsrat<br />

und die gesamte internationale Ge -<br />

mein schaft in eine derartige Kampa gne<br />

hineinzuziehen.<br />

Das Mandat der Mission<br />

Das einseitige mandat der Gaza-Un -<br />

ter suchungsmission sowie der von<br />

ihr gefasste Beschluss haben Anlass zu<br />

ernster Sorge gegeben - sowohl israel<br />

<strong>als</strong> auch den vielen Staaten im Rat,<br />

die ihm die Unterstützung versagten,<br />

einschließlich der mitgliedsstaaten<br />

der Europäischen Union, der Schweiz,<br />

Kanadas, Südkoreas und Japans.<br />

Ebenso hat es zahlreiche angesehene<br />

Persönlichkeiten beunruhigt, u. a. die<br />

frühere Un-Hochkommissarin für<br />

menschenrechte, Mary Robinson, die<br />

sich weigerte, der Einladung zur Lei -<br />

tung der mission nachzukommen,<br />

und einräumte, dass diese nicht von<br />

menschenrechten, sondern von Po li tik<br />

geleitet sei.<br />

Das Vorgehen der Mission<br />

Diese Befürchtungen wurden von der<br />

Vorgehensweise der mission selbst<br />

noch verstärkt. So etwa wurde in pa läs -<br />

tinensischen medien berichtet, dass<br />

sie bei all ihren Besuchen in Gaza<br />

kontinuierlich von Hamas-Vertretern<br />

begleitet wurde. Auch weigerte sie<br />

sich, mitglieder der mission mit klaren<br />

politischen Haltungen zu den zur<br />

Untersuchung stehenden Fragen we -<br />

gen Voreingenommenheit abzulehnen.<br />

Ein missionsmitglied unterzeichnete<br />

einen Brief an die ‘Sunday Times’, in<br />

dem es hieß, israels Aktionen gegen<br />

die Hamas-Angriffe seien Akte der<br />

„Aggression, nicht der Selbstverteidi -<br />

gung“, und sprach so bereits ein Urteil<br />

über die Untersuchung aus, bevor<br />

diese überhaupt begonnen hatte.<br />

Auch das präzedenzlose Verfahren<br />

von Fernsehanhörungen hat Anlass<br />

zur schweren Sorge gegeben. Die<br />

Tatsache, dass alle Zeugen im Vorfeld<br />

gescreent und selektiert wurden, je -<br />

doch niemand Auskunft zu palästinensischen<br />

Terroraktionen oder der<br />

Lo kalisierung von Waffen und Terro -<br />

risten in Wohngebieten geben musste,<br />

verstärkt nur die Befürchtung,<br />

dass sie Teil einer fein abgestimmten<br />

politischen Kampagne waren.<br />

Ein „nichtjuristisches“ Dokument<br />

Richter Goldstone hat <strong>als</strong> Leiter der mis -<br />

sion wiederholt darauf insistiert, dass<br />

22 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770


POLITIK • ISRAEL<br />

die mission keine juristische Un ter su -<br />

chung darstelle und so auch „kei ne<br />

juristischen Schlüsse ziehen könnte“. Auf<br />

dieser Grundlage rechtfertigte er die<br />

miteinbeziehung von parteiischen mis -<br />

sionsmitgliedern, wobei er zugab, ih re<br />

involvierung „wäre einer juristischen<br />

Un tersuchung nicht angemessen“. Der<br />

Bericht ist jedoch höchst juristischer<br />

natur; er kommt zu abschließenden<br />

juristischen Schuldzu weisun gen und<br />

schließt selbst in Abwesen heit der sensiblen<br />

Geheimdienstinforma tionen,<br />

die israel zu liefern sich nicht in der La -<br />

ge sah, „detaillierte rechtliche Befunde“<br />

ein. Diese Schuldzuweisun gen wurden<br />

gefällt, obwohl der Be richt zu gibt,<br />

er gebe nicht vor, „den in Strafpro zes sen<br />

geltenden Beweisstandard zu erreichen“.<br />

Ignorierte Aspekte<br />

Der Bericht ignoriert völlig die gezielte<br />

terroristische Strategie, im Herzen<br />

von dicht bevölkerten Wohngebieten<br />

zu operieren, die den Kampf schau -<br />

platz bestimmt hat. Selbst wenn sich<br />

die Hamas-Terroristen unter Zivi lis -<br />

ten mischten, weist der Bericht die<br />

Behauptung zurück, dass die Zivilbe -<br />

völ kerung absichtlich einem Risiko<br />

ausgesetzt wurde.<br />

Erstaunlicherweise stellt der Bericht -<br />

trotz der vielen in der internationalen<br />

Presse gemeldeten Beispiele für den<br />

missbrauch ziviler Einrichtungen<br />

durch Terrorgruppen und den Erklä -<br />

run gen von Hamas-Führern selbst,<br />

die Frauen und Kinder priesen, welche<br />

<strong>als</strong> menschliche Schutzschilde fungiert<br />

hatten - wiederholt fest, dass er keine<br />

Beweise für derartige Ak ti vi tä ten ha -<br />

be finden können. Und dies, obwohl<br />

er einräumt, dass die inter viewten<br />

„un willig waren, über die Prä senz oder<br />

das Kampfverhalten von be waff ne ten<br />

palästinensischen Gruppen zu spre chen“.<br />

Der Bericht ignoriert auch israels um -<br />

fassende Bemühungen, selbst inmitten<br />

der Kämpfe humanitäre Stan -<br />

dards aufrecht zu erhalten. Während<br />

er in zurückhaltender Weise israels<br />

„beträchtliche Bemühungen“ anerkennt,<br />

vor den Angriffen Warnungen<br />

auszusprechen, betrachtet er keine<br />

dieser Bemühungen <strong>als</strong> wirksam.<br />

Während der Bericht israel hinsichtlich<br />

beinahe aller Anschuldigungen verurteilt,<br />

sucht er die Hamas von beinahe<br />

jedem Fehlverhalten freizusprechen.<br />

Das Wort „Terrorist“ fehlt fast völlig.<br />

Der Soldat Gilad Shalit, der sich mittlerweile<br />

seit über drei Jahren von der<br />

Außenwelt abgeschnitten in Gefan gen -<br />

schaft befindet, wurde „während ei nes<br />

feindlichen Einfalls gefangen ge nom men“,<br />

und den Hamas-mitgliedern, mit de -<br />

nen sich die mission in Gaza getroffen<br />

hat, wird <strong>als</strong> ‚Behörden von Gaza’ („Ga-<br />

za authorities“) dafür gedankt, dass sie<br />

der mission ihre volle Ko o pe ration<br />

und Unterstützung gewährt ha ben.<br />

Die Tausenden von Raketenangriffen<br />

auf israelis, die die Gaza-Operation<br />

not wendig gemacht haben, erfahren<br />

nur flüchtigste Erwähnung; tatsächlich<br />

gibt der Bericht israel indirekt die<br />

Schuld für diese, indem er sie <strong>als</strong> „Ver -<br />

geltungsmaßnahmen“ bezeichnet.<br />

Zurückweisung demokratischer Werte<br />

Als ein Bericht, der sich stark auf is -<br />

raelische menschenrecht sorganisa tio -<br />

nen stützt und sich in sensiblen Si cher -<br />

heitsfragen an israels Obersten Ge -<br />

richtshof wendet, widmet der Be richt<br />

ein beträchtliches maß an Auf merk -<br />

samkeit der „Unterdrückung von Wi der -<br />

spruch in Israel“. Diese Be haup tung<br />

begründet er zum großen Teil mit der<br />

weit verbreiteten Zustim mung für die<br />

militäroperation innerhalb der israelischen<br />

Öffentlichkeit, wobei er an nimmt,<br />

dass israel ein po litisches Klima ge -<br />

schaffen habe, „in dem Wi der spruch nicht<br />

geduldet wird“. Der Ge danke, dass die<br />

mehrheit der israelis aus innerster<br />

Überzeugung ein Vor ge hen zur Been -<br />

di gung der andauernden Raketen an -<br />

griffe auf israelische Zivi lis ten unterstützte,<br />

scheint den mit glie dern der<br />

mission nicht ge kom men zu sein.<br />

Der Bericht ist auch kritisch gegenüber<br />

internen israelischen Untersu chun gen,<br />

obwohl diese im Vergleich mit Unter -<br />

su chungen von Anschuldi gun gen in<br />

mi litärischen Fragen in den meisten<br />

westlichen Ländern gut ab schneiden<br />

und oft strafrechtliche Er mittlungen<br />

und Schuldsprüche nach sich gezogen<br />

haben.<br />

Empfehlungen<br />

Die Empfehlungen des Berichts sind so<br />

einseitig wie seine Befunde. Er trach -<br />

tet danach, den menschen rechts rat,<br />

den Sicherheitsrat, die Vollver samm -<br />

lung, das Büro der Hoch kom mis sa rin<br />

für menschenrechte, den in terna tio na -<br />

len Gerichtshof und die in ternatio na le<br />

Gemeinschaft in seine feindselige po li -<br />

tische Kampagne einzuspannen.<br />

Trotz symbolischer Empfehlungen in<br />

Hinsicht auf die palästinensische Sei -<br />

te richtet sich der internationale Druck<br />

ausschließlich gegen israel.<br />

Die wahre Prüfung eines solchen Be -<br />

richts kann nur darin bestehen, ob er in<br />

zukünftigen Konflikten die Ach tung<br />

vor dem Gesetz steigern oder vermindern<br />

wird. Ein derart einseitiger Be -<br />

richt, der zudem noch den Anspruch<br />

erhebt, das internationale Recht zu re -<br />

präsentieren, kann die Stellung des<br />

Rechts in zukünftigen Konflikten leider<br />

nur schwächen. Gleichzeitig wird er<br />

den Terrororga ni sationen, wo auch im -<br />

mer sie sein mögen, die beunruhigende<br />

Botschaft übermitteln, dass sich die<br />

zynischen Taktiken der instru men ta li -<br />

sierung des Leidens von Zivilis ten für<br />

politische Zwecke in der Tat auszahlen.<br />

Außenministerium des Staates Israel, 15.09.09<br />

<br />

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<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770 23


Der Goldstone-Report der UnO zum<br />

Gazakrieg vom Frühjahr unterscheidet<br />

nicht zwischen dem Aggressor<br />

und einem sich verteidigenden Staat.<br />

Deshalb „mockiert er sich über die Ge -<br />

schichte“, heißt es in einer Erklä rung<br />

des israelischen Staatspräsidenten<br />

Schimon Peres. „Krieg ist ein Verbre -<br />

chen. Der Aggressor ist ein Verbrecher.<br />

Wer jedoch Selbstverteidigung übt, hat<br />

keine Wahl“, heißt es da weiter. Der<br />

Report legitimiere de facto terroristische<br />

initiativen und ignoriere die<br />

Pflicht und das Recht eines jeden<br />

Staates, sich zu verteidigen, wie es<br />

die UnO ausdrücklich festgeschrieben<br />

habe.<br />

noam Schalit, der Vater des vor drei<br />

Jahren von der Hamas in den Ga za -<br />

strei fen entführten Soldaten Gilad<br />

Schalit und seitdem Faustpfand für<br />

ei nen erpresserischen Gefan genen -<br />

aus tausch, kritisiert die Darstellun gen<br />

der Goldstone Kommission zu seinem<br />

Sohn. Er schließt sich aber ihren<br />

Schlussfolgerungen an. in dem Re port,<br />

den die „UnO-Kommission für men -<br />

schenrechte“ in Auftrag gegeben hat -<br />

te, lasse unerwähnt, dass Schalit verschleppt<br />

worden sei. „Mein Sohn ist<br />

kein Kriegsgefangener“, sagte Schalit.<br />

Gleichwohl erklärte die Kommission<br />

den Soldaten im Gewahrsam der „faktischen<br />

Regierungsautorität im Gaza strei -<br />

fen“ zu einem „Kriegsgefan ge nen“.<br />

Wenn dem so sei, sagte Schalit weiter,<br />

stünden seinem Sohn gemäß der dritten<br />

Genfer Konvention auch Kon takt<br />

zur Außenwelt und regelmäßige Be su -<br />

che des iKRK zu. Seit drei Jahren gibt<br />

es jedoch nicht einmal ein Lebens -<br />

zeichen des 22-jährigen, der mutmaßlich<br />

irgendwo in Rafah im Süden des<br />

Gazastreifens festgehalten wird.<br />

in einer ersten offiziellen Reaktion<br />

rechtfertig das israelische Außen mi nis -<br />

terium die Verweigerung einer Koo -<br />

pe ration mit der „fact-finding“ Unter -<br />

suchung der UnO. ihr mandat sei von<br />

vornherein „deutlich einseitig“ ge we -<br />

sen und habe den Beschuss is raels<br />

mit Tausenden Raketen der Ha mas vor<br />

Beginn der Operation „Ge gos senees<br />

Blei“ ignoriert. Alle EU-Staaten, die<br />

Schweiz und Japan hätten deshalb die<br />

Einrichtung der Untersuchungs kom -<br />

mis sion abgelehnt. „Eine israelische<br />

POLITIK • ISRAEL<br />

Kommentar zum Goldstone-Report<br />

VON ULRICH W. SAHM, JERUSALEM<br />

Zusammenarbeit mit Goldstone hätte die<br />

im Voraus beschlossenen Unter su chungs -<br />

ergebnisse legitimiert und kein einziges<br />

Wort in dem 600 Seiten langen Report ge -<br />

ändert“, sagte Dani Ayalon, stellvertretender<br />

Außenminister. Die israelische<br />

Regierung wolle den Report dennoch<br />

gründlich studieren. israel wolle sich<br />

an internationales Recht halten. Bis -<br />

her seien hundert Ermittlungen ge gen<br />

Soldaten gestartet worden wegen<br />

vermeintlicher Verbrechen. Die meisten<br />

Akten seien geschlossen worden,<br />

weil sich die Vorwürfe <strong>als</strong> „grundlos“<br />

erwiesen hätten. 23 kriminelle Un -<br />

tersuchung liefen noch.<br />

Ein Bürger von Sderot nahe der Grenze<br />

zum Gazastreifen erzählte im israelischen<br />

Rundfunk, wie er auf ei ge ne initi<br />

ative nach Genf gereist sei, um Rich -<br />

ter Richard Goldstone die Auswir kun -<br />

gen des Raketenbeschusses auf seine<br />

Heimatstadt mit Bildern und Zeu gen -<br />

berichten vorzuführen: „Goldstone ist<br />

während meiner Präsentation eingeschlafen<br />

und keines der anderen Mitglieder der<br />

Kommission hat mir auch nur eine einzige<br />

Frage gestellt. Ich hatte das Gefühl, zu<br />

einer Wand zu reden.“<br />

Der UnO-Report hat einen hitzigen<br />

Widerstreit unter den nGO´s (nicht-<br />

Regierungs-Organisationen) ausgelöst.<br />

Ein gutes Dutzend israelischer men -<br />

schen rechtsorganisation, darunter Be -<br />

t zelem, Rabbiner für menschenrechte<br />

und Andere, begrüßte in einem ge -<br />

mein samen Schreiben die Veröffent li -<br />

chung des Reports und forderte die<br />

israelische Regierung auf, mögliche<br />

Kriegsverbrechen in den Reihen der<br />

Soldaten zu untersuchen. Viele dieser<br />

Organisationen haben, teilweise mit<br />

großzügiger Finanzierung ausländischer<br />

Regierungen, schon eigene Re -<br />

ports und „Zeugenaussagen“ von<br />

namentlich nicht identifizierten Sol da -<br />

ten veröffentlicht, die von Kriegs ver -<br />

brechen gehört hätten, in den meisten<br />

Fällen aber nicht selber Zeu gen wa ren.<br />

Einige dieser Behaup tun gen wurden<br />

von offiziellen Stellen geprüft und <strong>als</strong><br />

„unseriös“ oder <strong>als</strong> „f<strong>als</strong>ch“ abgetan.<br />

in einem Fall, der weltweite Schlag -<br />

zei len machte, haben die vermeintlichen<br />

„Zeugen“ eingestanden, nur<br />

Ge rüchte wiedergegeben zu haben.<br />

Eine rechtsgerichtete nGO, die sich<br />

„nGO-Watch“ (nGO-Beobachter)<br />

nennt, bezichtigt Goldstone gar,<br />

längst widerlegte, ungeprüfte und<br />

offenkundig f<strong>als</strong>che Behauptungen<br />

linksgerichteter israelischer men schen -<br />

rechtsorganisationen per „Cut und<br />

Paste“ (Ausschneiden und Einfügen)<br />

in ihren Report kopiert zu haben. Die<br />

Goldstone Kommission habe sogar<br />

Am nesty international und Human<br />

Rights Watch widersprochen und be -<br />

hauptet, dass es angeblich keinerlei<br />

Beweise für den missbrauch von mo -<br />

scheen <strong>als</strong> Waffenlager oder Stellungen<br />

der Hamas-Kämpfer gebe. nGO-<br />

Watch wirft Goldstone vor, sich selber<br />

widersprochen und internationales<br />

Recht verdreht zu haben. So heißt es<br />

im Paragrafen 493, dass die palästinensischen<br />

Kämpfer nicht gegen in -<br />

ter nationales Recht verstoßen hätten,<br />

wenn sie in ziviler Kleidung vorgegangen<br />

seien. nGO-Watch widerlegt<br />

diese und andere Behauptungen des<br />

Reports mit Videofilmen und seitenlangen<br />

Aufstellungen.<br />

Israelische Medien haben den ersten aus der Ge fan -<br />

genschaft geschriebenen Brief des vor rund drei Jah -<br />

ren verschleppten Soldaten Gilad Shalit veröffentlicht.<br />

In dem drei Monate nach seiner Geisel nah me durch<br />

radikale Palästinenser verfassten Brief wen det sich<br />

Shalit an seine Eltern und Freunde: "Ich sage euch<br />

Scha lom. Mein Gesundheitszu stand wird täglich schlech -<br />

ter, vor allem, was die Moral an geht, bin ich niedergeschlagen.<br />

Ich warte darauf, dass die ser un erträgliche<br />

Alptraum aufhört und ich aus der Zel le ge lassen werde,<br />

in der ich in Isolation gehalten werde".<br />

Der Brief war im <strong>September</strong> 2006 über das Inter na -<br />

tionale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und ägyp ti -<br />

sche Vermittler den israelischen Behörden zugespielt<br />

worden. Laut dem israelischen TV-Sender Kanal 10,<br />

wurde dieser Brief offensichtlich von seinen Kid -<br />

nappern diktiert, wie auch andere Briefe, die später<br />

veröffentlicht wurden.<br />

24 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770


POLITIK • ISRAEL<br />

Israel erklärt Menschenrechtsorganisationen den Krieg<br />

VON ULRICH W. SAHM, JERUSALEM, 19. SEPTEMBER <strong>2009</strong><br />

internationale und israelische men -<br />

schen rechtsorganisationen veröffentlichen<br />

fast wöchentlich Reports über<br />

das militärische Vorgehen israels. Die<br />

Liste israelischer Kriegsverbrechen<br />

der Soldaten enthält „Verbrechen gegen<br />

die Menschlichkeit“, Völkermord, ethnische<br />

Säuberung, Rassismus, Schi ka ne<br />

und Kollektivstrafen. Einen Höhe -<br />

punkt setzte der Goldstone-Report (sie-<br />

he Seite 22-23) der UnO zu Kriegs -<br />

verbrechen während des Gazakriegs.<br />

Richter Richard Goldstone verglich is -<br />

rael mit Darfur, wo Hundert tau sen de<br />

ermordet und millionen zu Flücht -<br />

lingen wurden.<br />

Das offizielle israel reagierte unterschiedlich<br />

auf Reports von Amnesty<br />

international, Human Rights Watch,<br />

Betselem, Rabbiner für menschen rech -<br />

te und anderen Organisationen, die<br />

teilweise mit sechsstelligen Beträgen<br />

europäischer Regierungen finanziert<br />

werden, um israelische menschen -<br />

rechts verstöße aufzudecken, zu do ku -<br />

mentieren und weltweit zu verbreiten.<br />

Diese Kampagne ist längst zur wirksamsten<br />

Waffe gegen die Legitimität<br />

und den Bestand israels geworden.<br />

nur selten reichten jedoch die Be haup -<br />

tungen aus, um Soldaten wegen mor -<br />

des oder misshandlung von Paläs ti -<br />

nensern vor Gericht zu stellen. in vielen<br />

Fällen erweisen sich die Ermitt -<br />

lungs methoden der Organisationen <strong>als</strong><br />

„unseriös“. Oft werden nicht einmal<br />

der Ort des vermeintlichen Verbre -<br />

chens, die namen der Betroffenen<br />

oder der Zeitpunkt genannt.<br />

Die israelische Regierung will jetzt<br />

zurückschlagen und hat den men -<br />

schenrechtsorganisationen den Krieg<br />

erklärt. Die können nicht verboten<br />

werden, weil meinungsfreiheit ge -<br />

setzlich verankert ist. Aber der Staat<br />

kann sie mit legitimen mitteln einschränken<br />

und diskreditieren.<br />

Am 13. <strong>September</strong> schickte Colonel<br />

Mosche Levi, Chef des Verbin dungs -<br />

bü ros der israelischen Armee zum<br />

Ga za streifen, unter dem Akten zei chen<br />

DCO-192690, einen „aufklärenden“<br />

Brief an „Ärzte für menschenrechte“,<br />

„Gi scha – Legal-Zentrum für Bewegungs<br />

freiheit“ und „moked – Zen trum<br />

für die Verteidigung des individu ums“.<br />

„Wie Sie doch sicherlich wissen...“, gelten<br />

Verträge zwischen israel und der<br />

PLO, wonach allein offiziell anerkannte<br />

palästinensische Stellen Ansprech -<br />

part ner für israelische Verbindungs -<br />

büros seien. Ausreiseanträge von Pa -<br />

lästinensern des Gazastreifens seien<br />

zwar „provisorisch“ über andere<br />

Wege akzeptiert und abgewickelt<br />

wor den. Aber ab dem 15. <strong>September</strong><br />

<strong>2009</strong> müssten alle Anträge wieder<br />

schriftlich über das „Palästinensische<br />

Komitee für zivile Angelegenheiten“<br />

laufen.<br />

Der Hinweis, sich künftig an die Ver -<br />

träge halten zu wollen und keine<br />

Aus nahmen mehr zuzulassen, trifft die<br />

menschenrechtsorganisationen hart.<br />

Sie verlieren ihre Rolle <strong>als</strong> Vermittler<br />

und Ansprechpartner für Palästinen ser<br />

im Gazastreifen. Das genannte Ko -<br />

mitee hat seinen Sitz in Ramallah und<br />

ist Teil der Autonomiebehörde. Seit<br />

dem Putsch der Hamas im Juli 2007<br />

existiert es im Gazastreifen nicht mehr.<br />

<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770 25


POLITIK • ISRAEL<br />

Die „de facto Regierung“ der Hamas<br />

im Gazastreifen wird weder von is -<br />

rael noch von der Autonomiebehörde<br />

anerkannt. Jährlich wurden rund<br />

7.000 Palästinenser aus dem Gaza -<br />

strei fen dank der unbürokratischen<br />

Vermittlung nach israel zwecks medizinischer<br />

Behandlung eingelassen.<br />

Jetzt haben die kranken Palästinenser<br />

und die menschenrechtsorga nisatio -<br />

nen keinen Ansprechpartner mehr.<br />

Einen ersten Erfolg verbuchten israelische<br />

Journalisten und Vereine wie<br />

nGO-Watch (Beobachter von nicht-<br />

Regierungs-Organisationen). Unter<br />

dem Titel „Eine Büchse voller Wür -<br />

mer“ veröffentlichte Ben Dror Yemini<br />

fragwürdige Einzelheiten über Hob -<br />

bys und extremistische Aktivitäten<br />

füh render mitarbeiter von „Human<br />

Rights Watch“ (HRW). neben Am nes -<br />

ty international ist das die angesehenste<br />

internationale menschen rechts or -<br />

ga nisation. Der stellvertretende Leit er,<br />

Joe Stork, sei ein „antizionistischer Ex -<br />

tremist“, der das massa ker an israelischen<br />

Athleten bei den olympischen<br />

Spielen in münchen 1972 befürwortet<br />

und zur Vernich tung israels aufgerufen<br />

habe. „Wir sollten den Er folg der Mün -<br />

chen-Aktion anerkennen... Sie hob die Mo -<br />

ral unter Palästinensern in den Lagern“,<br />

wird Stork zitiert. Die Leiterin der nah -<br />

ost abteilung, Sarah Leah Whitson, habe<br />

zum Boykott isra els aufgerufen. Ye -<br />

mini schreibt: „Von solchen Leuten ist<br />

eine vorbehaltlose Prü fung von Men schen -<br />

rechtsverlet zungen nicht zu erwarten.“<br />

Und jetzt traf es auch noch den mili -<br />

tärexperten von HRW, Mark Garlasco.<br />

„Ob er selber ein Nazi ist, bleibt unklar“,<br />

schreibt Yemini. Doch nachgewiesen<br />

ist, dass Garlasco nazi-Abzeichen<br />

sammelt, ein 430 Seiten starkes Buch<br />

dazu veröffentlicht hat und – nach ei -<br />

genen Angaben - unter dem Alias „Flak<br />

88“ in Bloggs mitdiskutiert. Der 1970<br />

in new York geborene Sohn einer<br />

Deut schen und eines italieners habe<br />

<strong>als</strong> Kind seinen Großvater bewundert,<br />

weil der bei der Wehrmacht gedient<br />

hat te.<br />

HRW geriet in Erklärungsnot und sus -<br />

pendierte Garlasco bei vollem Ge halt<br />

vom Dienst. Einige Kritiker hätten ihm<br />

„Sympathien für den Nation<strong>als</strong>o zia lis mus<br />

unterstellt, weil dieser deutsche Kriegs -<br />

me morabilien sammelt. Diese An schul di -<br />

gungen sind nachweislich f<strong>als</strong>ch und Teil<br />

einer Kampagne, die von der detaillierten<br />

und schonungslosen Bericht erstattung von<br />

Human Rights Watch über Völkerrechtsund<br />

Menschen rechts verletzungen durch<br />

die israelische Regierung ablenken soll“,<br />

heißt es in einer offiziellen HRW-Er -<br />

klä rung.<br />

Ist Holocaust-Erziehung im Gazastreifen<br />

ein Kriegsverbrechen?<br />

Die UnO-Flüchtlingshilfe organisa ti on<br />

UnWRA ist wegen einer vermeintli -<br />

chen Weigerung, in UnO-Schulen im<br />

Gazastreifen palästinensische Kinder<br />

über den Holocaust zu unterrichten,<br />

un ter Druck geraten. Offiziell dementierte<br />

die UnO Behauptungen des Si -<br />

mon Wiesenthal Centers in Los Ange -<br />

les (SWC), wonach der UnWRA-Ge -<br />

ne ral be auf tragte im Gazastreifen, Ka -<br />

ren Abu Zayd, und UnWRA-Direktor<br />

John Ging sich geweigert hätten, den<br />

nazi-Holocaust dem Lehrplan einzufügen,<br />

weil der Holocaust keine „men-<br />

schen rechts frage” sei.<br />

Das SWC hatte vom UnO-Gener<strong>als</strong>e -<br />

kre tär gefordert, die bei den hochrangigen<br />

UnWRA-Be dien steten zu entlassen<br />

und jegliche fi nanzielle Unter -<br />

stüt zung für die UnO-Organisation<br />

zu unterbinden, so lan ge nicht der Ho -<br />

locaust auf den Lehrplan der palästinensischen<br />

Schü ler gesetzt werde.<br />

„Während die Welt sich in Polen versammelte,<br />

um des 70. Jah restages des Be ginns<br />

des Zweiten Welt kriegs zu ge den ken, bei<br />

dem 50 Millionen Menschen ihr Le ben<br />

ließen, entschlossen sich einseitig Beamte<br />

der UNWRA in Gaza, jegliche Erwäh nung<br />

des Holocaust auszuradieren.” Weiter hieß<br />

es in der Presse mit teilung des SWC,<br />

dass die UnO-Beamten nicht den Vor -<br />

ga ben der islamistischen Hamas-Or ga -<br />

nisation folgen sollten, die den Holo -<br />

caust leugnen.<br />

Darauf antwortete jetzt die UnWRA,<br />

dass die für die Versorgung palästinensischer<br />

Flüchtlinge in den besetzten<br />

Gebieten israels, im Libanon, in Sy rien<br />

und Jordanien verantwortliche Orga -<br />

ni sation, „jegliche Form der Holo caust-<br />

Leugung” verurteile. Gleich wohl verurteile<br />

die Organisation auch eine „Po-<br />

litisierung” des Holocaust. Ohne sich<br />

zu verpflichten, in UnO-Schulen den<br />

Ho locaust tatsächlich zu erwähnen,<br />

er klärte die UnWRA, dass sie ei nem<br />

„positiven Lehrplan” ver pflich tet sei,<br />

den Kindern „die Werte der Men schen -<br />

rechte beizubringen, wie sie in der univer -<br />

sa len Menschenrechts-Er klärung ver an kert<br />

sind”. in dieser „All gemeinen Er klä -<br />

rung der menschen rech te” wird frei -<br />

lich der Holocaust nicht ausdrücklich<br />

erwähnt. Dem öf fent lichen Streit zwischen<br />

dem SWC und der UnRWA ging<br />

voraus, dass Vertreter der im Ga za -<br />

strei fen herrschenden Hamas die UnO<br />

gar ei nes „Kriegsverbrechens” be -<br />

zich tigen, weil sie den Holocaust in<br />

den Lehrplan in UnO-Schulen aufgenommen<br />

habe, obgleich der Holo caust<br />

„keine wis senschaftlich nachgewiesene<br />

Wahr heit” sei und palästinensischen<br />

Kin dern so „Sympathie für die Juden”<br />

bei gebracht werden könnte.<br />

Die UnWRA versorgt nach eigenen<br />

An gaben allein im Gazastreifen etwa<br />

250.000 Kinder mit Schulerziehung,<br />

fi nanziert durch die internationale Ge -<br />

meinschaft. im nahen Osten würden<br />

etwa eine halbe million Kin der palästinensischer<br />

Flüchtlinge aus dem Jahr<br />

1948, <strong>als</strong> der Staat israel entstand,<br />

UnO-Schulen besuchen. Auf An frage<br />

erklärte der UnWRA-Spre cher Chris<br />

Gun ness, dass Lehr plan und Schul bü -<br />

cher in UnO-Schulen vom je wei ligen<br />

Gastland übernommen würden, in<br />

die sem Fall der pa läs ti nen si schen Au -<br />

tonomiebehörde in Ramal lah. Gleich -<br />

wohl entwickle die UnWRA zu sätz li -<br />

ches Lehrmaterial, um den Kin dern<br />

auch Werte wie men schenrechte zu<br />

vermitteln. „Dieser Lehrstoff wird in Dis -<br />

kus sions grup pen mit Eltern und Leh rern<br />

erarbeitet”, sagte Gunnes. Die Auf regung<br />

der Ha mas über die Erwäh nung<br />

des Holocaust in Schul büchern der<br />

UnO sei „verfrüht”. Das Thema werde<br />

zwar diskutiert, aber es gebe noch keinen<br />

Be schluss dazu. „Und so lange kei ne<br />

Beschlüsse gefasst sind, können wir die<br />

Bücher nicht der Druckerei übergeben”,<br />

sag te Gunnes. Solange <strong>als</strong>o die Un W -<br />

RA nicht be schlossen hat, den Holo caust<br />

in das Lehr material einzufügen, kann<br />

die Ha mas ihr nicht vorwerfen, ein<br />

„Kriegs verbrechen” zu be gehen. Auch<br />

kann das SWC der Or gani sa tion keine<br />

Vorwürfe ma chen, den Holo caust zu<br />

verleugnen. Doch auch die UnO kann<br />

nicht behaupten, entsprechend ih rer<br />

ei genen Vorgab en, den Ho lo caust <strong>als</strong><br />

menschen rechts fra ge in den Lehr plan<br />

aufgenommen zu ha ben, so lange das<br />

nach Angaben ihres eigenen Spre chers<br />

eine unbeschlossene Sachse sei und<br />

noch diskutiert werde. USW/APA<br />

26 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770


POLITIK • ISRAEL<br />

Der Dreiergipfel<br />

von Ulrich W. Sahm<br />

Sie haben sich im Waldorf Astoria<br />

Ho tel sogar die Hand geschüttelt, der<br />

palästinensische Präsident mahmoud<br />

Abbas und israels Regierungschef<br />

Ben jamin netanjahu. Doch von ei nem<br />

„Durchbruch“ könne keine Rede sein,<br />

sagen vorsichtig die israelischen Re -<br />

porter in new York. Die konzentrierten<br />

sich vor allem auf die Analyse der<br />

Körpersprache des amerikanischen<br />

Präsidenten Barack Obama und der<br />

nahöstlichen Kontrahenten.<br />

Obama habe den Raum nachdenklich<br />

und nicht mit hüpfenden Schritten be -<br />

treten. Abbas habe erst einmal dem<br />

„ge mäßigten“ israelischen Verteidi -<br />

gungs minister Ehud Barak herzlich die<br />

Hand geschüttelt, obgleich der vor we -<br />

nigen Tagen weitere 500 Wohnungen<br />

in den „völkerrechtlich illegalen Sied lun -<br />

gen in den Palästinen sergebieten“ ge neh -<br />

migt hatte. Dann sei es Abbas ge lun -<br />

gen, israels Außenminister Avig dor<br />

Liberman zu umgehen, ohne ihm die<br />

Hand zu drücken. in den palästinensischen<br />

medien wurde das <strong>als</strong> großer<br />

Sieg von Abbas gefeiert. israelische Zei -<br />

tungen berichten hingegen, dass Ab bas<br />

Libermann mit „Herr Außen mi nister“<br />

angesprochen habe, woraufhin Liber -<br />

mann gesagt habe: „Warum eine so formale<br />

Anrede, wir sind doch Nach barn.“<br />

Ohne in Euphorie zu verfallen, sagten<br />

israelische Journalisten in new York<br />

und israel, dass netanjahu bei dieser<br />

mini-Etappe des Konflikts einen di -<br />

plo matischen Sieg errungen habe. Er<br />

überzeugte die USA, dass israel „ohne<br />

jede Vorbedingung“ zur Erneuerung der<br />

Gespräche bereit sei. Abbas je doch<br />

woll te nicht einmal zu diesem Drei er -<br />

treffen mit Obama kommen, so lange<br />

is rael keinen „völligen Bau stopp in den<br />

Siedlungen“ verkündet habe. Obama<br />

benötigte aber aus innenpolitischen<br />

Grün den einen außenpolitischen<br />

Trumpf und zwang deshalb Ab bas zu<br />

dem Treffen, auch ohne Er füllung seiner<br />

„Konditionen“. Es sei hier angemerkt,<br />

dass Abbas mehrfach ne tan -<br />

jahus Vorgänger Ehud Olmert in dessen<br />

Jerusalemer Residenz besucht hat,<br />

ohne irgend welche Bedingun gen zu<br />

stellen, während Olmert munter wei -<br />

terbauen ließ.<br />

Der schwächliche Abbas sei „eingeknickt“<br />

und habe sich „von den Ameri ka -<br />

nern an den Haaren nach New York ziehen<br />

lassen“, kritisierten palästinensische<br />

Kommentatoren. Die palästinensische<br />

Bestürzung war umso größer, <strong>als</strong> Oba -<br />

ma mit einigen wenigen Wor ten ei nen<br />

Rückzieher nach dem anderen machte.<br />

An die Stelle eines „totalen Bau stopps<br />

in den Siedlungen“ redete er jetzt nur<br />

noch von einem „zügeln“ (restain) der<br />

Bautätigkeit. Anstatt wie an gekün digt<br />

„einen neuen Friedens pro zess anzuschieben“,<br />

war nur noch die Re de von „Ge-<br />

sprä chen“. Ein straffer Ter minplan<br />

wurde überhaupt nicht mehr er wähnt.<br />

Ebenso fehlte die Er wähnung eines<br />

Bau stopps speziell in dem von den Pa -<br />

läs tinensern beanspruchten und von<br />

den israelis an nek tierten Ost-Jeru sa -<br />

lem. Aber auch die von israel geforderte<br />

„Nor malisie rung“ der Bezie hun -<br />

gen der arabischen Staa ten mit israel,<br />

wie Überflugrechte is ra elischer Zivil -<br />

flugzeuge, hatte Oba ma ausgelassen,<br />

nachdem die Sau dis er klärt hatten,<br />

dass „jüdische Flug zeu ge“ die Luft über<br />

den heiligen Städten mek ka und me -<br />

dina „verpesten“ könnten.<br />

israelische Kommentatoren meinen,<br />

dass der Dreiergipfel reichlich überflüssig<br />

und „hohl“ war. Die Ame ri ka -<br />

ner scheiterten, netanjahu zu einem<br />

Baustopp in den Siedlungen zu zwingen.<br />

Umgekehrt war es für die Pa -<br />

lästinenser nur ein Trostpflaster, dass<br />

der amerikanische nahostvermittler<br />

George mitchell später auf einer Pres -<br />

se konferenz von einer „unveränderten“<br />

Position zu den Siedlungen redete.<br />

Für Abbas war die Zustimmung zu<br />

dem Händedruck nach Ansicht israelischer<br />

Experten und palästinensischer<br />

Beobachter ein schwerer Schritt.<br />

Denn Abbas schaffe es, „andere für sich<br />

arbeiten zu lassen“. Als Arafat noch leb -<br />

te wartete er geduldig ab, während<br />

die Europäer und Amerikaner Druck<br />

auf Arafat ausübten, einen „gemäßigten“<br />

ministerpräsidenten unter sich zu -<br />

zulassen. nach dem gleichen Prinzip<br />

ließ Abbas auch jetzt die Amerikaner<br />

und die EU für sich arbeiten, ohne sel -<br />

ber aktiv werden zu müssen. Für ein<br />

Verschwinden der israelischen Sied lun -<br />

gen aus den besetzten Gebieten sorgen<br />

die Amerikaner mit erheblichem Druck<br />

auf israel und die EU-Staaten mit deut -<br />

lichen Erklärungen. Ebenso ist sich<br />

die Welt einig, dass Ost-Jeru sa lem den<br />

Palästinensern zustehe, während die<br />

gleiche Welt nicht einmal West-Jeru -<br />

sa lem den israelis zu bil ligt und deshalb<br />

alle Botschaften in Tel Aviv angesiedelt<br />

hat. Selbst ver ständ lich wird<br />

die Waffenstillstandsli nie zwi schen<br />

Jordanien und israel be han delt, <strong>als</strong><br />

wäre es die international an er kannte<br />

Staatsgrenze zu dem noch gar nicht<br />

existierenden Staat Paläs tina, ob gleich<br />

diese „grüne Linie“ eigentlich, gemäß<br />

dem Vertrag von Rhodos 1950, „kein<br />

Vor griff auf künftige diplomatische Ver -<br />

hand lungen“ sein sollte. Sogar das<br />

„Rückkehrrecht“ für palästinensische<br />

Flüchtlinge, das is ra el <strong>als</strong> mittel zur<br />

Zerstörung des jüdischen Staates mit<br />

de mografischen mit teln be trach tet,<br />

wird von ausländischen Po litikern wie<br />

eine legitime Forderung der Pa läs ti nen -<br />

ser behandelt. Bun des außen mi nister<br />

Frank-Walter Stein mei er ver wendete<br />

während seiner in deutscher Sprache<br />

ge haltenen Pres se kon ferenz in Jeru sa -<br />

lem den englischen Fach be griff „Right<br />

of Return“. Wenn <strong>als</strong>o alle Welt versucht,<br />

die pa lästinen si schen For de run -<br />

gen durch zuset zen, könne Abbas bei<br />

Ver hand lungen mit israel nur verlieren,<br />

sowie die is raelis von Ab bas Gegen lei s -<br />

tun gen und Konzes sio nen einfordern.<br />

<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770 27


M<br />

WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />

Schnee bei<br />

Sonnen<br />

Hoch in den Pitztaler<br />

Alpen beginnt die Ski -<br />

saison heuer am Gletscher<br />

so schneesicher wie schon<br />

lange nicht – dank einer<br />

neuen Technologie Made<br />

in Israel.<br />

VON REINHARD ENGEL<br />

WIRTSCHAFT<br />

Entsalzungsanlage in Ashkelon<br />

„Es ist wirklich Schnee, was da herauskommt,<br />

nicht Crash-Eis für Caipirinha,“<br />

lacht Willi Krüger. Er arbeitet <strong>als</strong> mar -<br />

ketingleiter für die Pitztaler Glet scher -<br />

bahnen, und diese haben schon im<br />

August mit dem probeweisen Schnee -<br />

machen bei Sommertemperaturen be -<br />

gonnen. Die Saison startete dann<br />

mitte <strong>September</strong>, mit einer sicheren<br />

weißen Decke, die von einer neuartigen<br />

Anlage aus israel hergestellt worden<br />

war.<br />

Die maschine, die das ermöglicht,<br />

nennt sich „All Weather Snowmaker“,<br />

und damit gleich jeder weiß, was sie<br />

kann, liest man auf ihrem Werbe -<br />

prospekt: „Wenn andere Schneekanonen<br />

versagen“. Das Unternehmen, das sie<br />

erzeugt, hat seinen Sitz in israel: iDE<br />

Technologies. Und seine ingenieure,<br />

die seit Ende 2008 auf dem 2800 me -<br />

ter hohen Tiroler Gebirgsgletscher<br />

herumgeschraubt haben, sind eigentlich<br />

Schnee in ihrer übrigen Arbeit<br />

nicht wirklich gewöhnt.<br />

28 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770


WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />

schein<br />

Doch wie fand iDE nach Tirol? „Schon<br />

in den 60er Jahren haben wir zum Ent sal -<br />

zen von Meerwasser eine neue Techno lo gie<br />

entwickelt, den Einsatz von Vakuum,“ er -<br />

zählt Moshe Tessel, der für die Schnee -<br />

erzeugung verantwortliche Bereichs -<br />

di rektor. „Dabei frieren wir das Wasser<br />

ein und entfernen so das Salz.“ Diese<br />

Technologie funktionierte zwar, ließ<br />

sich aber kostengünstig nur für kleinere<br />

Anlagen nutzen, der Entwick lungs -<br />

trend ging aber Richtung große Ent -<br />

salzungswerke für urbane Regionen.<br />

Also nutzte iDE die Geräte andersherum<br />

– zur Kühlung. Vor allem in heissen,<br />

tiefen Gold- und Diamanten mi -<br />

nen in Südafrika kamen die iDE-ma -<br />

schinen zum Einsatz, man musste dank<br />

ihnen nicht mehr große mengen von<br />

Kühlwasser mehrere tausend meter<br />

in die Tiefe pumpen. Was bei diesen<br />

ma schinen herauskam, sah Schnee<br />

sehr ähnlich, und dann begannen die<br />

iDE-Techniker sich entsprechende An -<br />

wendungsmöglichkeiten zu überlegen.<br />

Benny Raich, der Blitz von Pitz,<br />

am Pitztaler Gletscher<br />

oshe Tessel, IDE Direktor, beim Test<br />

normalerweise entwerfen und konstruieren<br />

sie meerwasser-Entsalzungs -<br />

anlagen, zuletzt waren sie etwa für den<br />

Bau einer derartigen Trinkwasser-Fa -<br />

brik im israelischen Ashkelon verantwortlich,<br />

einer der größten weltweit.<br />

iDE wurde auch für diesen Zweck ge -<br />

gründet, 1965, dam<strong>als</strong> <strong>als</strong> staatliches<br />

Forschungs- und Entwicklungs in sti -<br />

tut. Jahrzehnte später wurde es privatisiert<br />

und gehört heute zwei der<br />

größ ten israelischen industriegrup pen,<br />

iCL und Delek (siehe Kasten: Konzerne<br />

in den Alpen).<br />

Braune Hänge – steinige<br />

Gletscherpisten<br />

Eine erste markstudie erarbeiteten sie<br />

im Jahr 2006, dann begannen sie systematisch,<br />

Skigebiete in den österreichischen,<br />

Schweizer und italienischen<br />

Alpen abzuklappern. Aber sie zielten<br />

ursprünglich noch nicht auf Glet scher.<br />

„Ich bin ein Marketing-Mann,“ erzählt<br />

Tessel, „ich habe viel gelesen über Skige -<br />

bie te und auch über die Probleme von solchen<br />

in tieferen Lagen mit ihren grünbraunen<br />

Hängen bei wärmeren Wintern<br />

– und diese Probleme nehmen ja zu.“<br />

mehrm<strong>als</strong> lud iDE Delegationen aus<br />

Europa ein, um ihnen die neue Tech -<br />

no logie vorzuführen.<br />

Aber es waren schließlich doch zwei<br />

Skigebiete in besonders hohen Lagen,<br />

das Pitztal in Österreich und Zermatt<br />

in der Schweiz, die sich früh konkret<br />

in teressierten, und die dann die ers ten<br />

Aufträge vergaben. Beide bieten Glet -<br />

scherskilauf an, und beide kämpf ten<br />

mit ähnlichen Problemen: „Im Spät -<br />

herbst, so Anfang Oktober, reicht die Glet -<br />

scherpiste nur bis 500 Meter vor der Berg -<br />

station,“ erzählt Christen Baumann,<br />

CEO der Zermatt Bergbahnen AG.<br />

„Die verbleibende Strecke musste zu Fuß<br />

zurückgelegt werden.“ Wenn jemand<br />

schon ordentlich Geld ausgibt für<br />

hoch alpinen Skilauf weit über 3000<br />

me tern, dann darf ihn der Liftbe treiber<br />

nicht mehr mühsam weite Strec ken<br />

zwischen Piste und Seilbahn in schwe -<br />

ren Skischuhen herumstapfen lassen.<br />

Den Tirolern ist es ähnlich ergangen.<br />

Sie fahren ihre Lifte am Gletscher zwar<br />

nicht über den Sommer, aber am Sai -<br />

sonbeginn mitte <strong>September</strong> warten<br />

schon zahlreiche internationale Ski -<br />

© Pitztaler Gletscherbahnen<br />

teams, die hier ihre Trainings abhalten<br />

– ob das die Österreicher sind, die<br />

Franzosen, italiener oder die Deut -<br />

schen, bis hin zu Alpin-Exoten aus<br />

Russland oder Bulgarien. Bald darauf<br />

folgen die Herbstferien in Deutsch -<br />

land, und Skiklubs wie Skischulen aus<br />

zahlreichen Städten und Regionen<br />

wollen dann am Gletscher die Saison<br />

eröffnen.<br />

Aber meist hat es noch nicht rechtzeitig<br />

geschneit, da sind manchmal noch<br />

Steine auf den Pisten, und für den<br />

Ein satz der fix eingebauten Schnee -<br />

ka nonen ist es oft zu warm. marke -<br />

ting-manager Krüger: „Dazu braucht<br />

man Minus-Temperaturen, eine hohe<br />

Luftfeuchtigkeit über 60 Prozent, und zu<br />

viel Wind sollte auch nicht wehen.“<br />

mit der neuen israelischen maschine<br />

3wenn es warm ist. Sie steht allerdings<br />

fix in der nähe der Bergstation<br />

der Seilbahn, der Schnee rutscht über<br />

<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770 29


WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />

ein Rohr herunter und muss von dort<br />

mit Pistengeräten auf die Hänge<br />

geschoben werden. Für das Wasser<br />

sorgen zwei bereits bestehende<br />

Stauseen auf dem Berg. Da die<br />

Produktion mittels Vakuum etwas<br />

mehr Energie braucht <strong>als</strong> die herkömmliche,<br />

schalten die Ti roler wieder<br />

ihre alte, fix verrohrte An lage ein,<br />

sobald es kälter geworden ist. „Was<br />

ganz wichtig ist,“ so Krüger, „das<br />

Ganze läuft völlig chemiefrei ab. Sonst<br />

hätten wir von der Tiroler Landes re -<br />

gierung auch nie eine Genehmigung be -<br />

kommen. Die sind heute schon sehr restriktiv.“<br />

Die gesamte investition hat die Pitz -<br />

taler Gleterscherbahnen 1,8 mio. Euro<br />

gekostet, „und wir sind gemeinsam mit<br />

Zermatt wirklich weltweit die ersten,“<br />

freut sich Krüger. manche seiner<br />

Branchenkollegen hatten sich bis zu -<br />

letzt skeptisch gezeigt. Aber die erste<br />

Schneeproduktion sei bei 14 bis 15<br />

Grad Außentemperatur gleich 24<br />

Stun den lang gelaufen und habe gut<br />

geklappt. „Natürlich ist der Schnee bei<br />

diesen Temperaturen feucht, aber er<br />

schmilzt auch nicht gleich, wenn er dann<br />

auf die warmen Steine geschoben wird.“<br />

Die israelis haben bei ihrer markt be -<br />

arbeitung trotz technischer Vorbe halte<br />

auch in anderen Skigebieten „großes<br />

interesse“ festgestellt. Jetzt, nach den<br />

ersten beiden Referenzprojekten, sollte<br />

das Geschäft eigentlich losgehen. Vor<br />

allem die italienischen Dolomiten<br />

haben sie <strong>als</strong> nächstes im Blick.<br />

© Krüger<br />

Konzerne in den Alpen<br />

iDE Technologies im Hasharon industriepark im nordisraelischen Kadima ist nach europäischen maßstäben ein größerer<br />

mittelbetrieb, mit 250 meist hoch qualifizierten mitarbeitern und Jahresumsätzen jenseits der 200 mio. US-<br />

Dollar. Das Unternehmen hat neben der Zentrale in israel noch Aus lands-niederlassungen in den USA, in Spanien<br />

und in China. Die Firma gehört aber keiner industriellen- oder Technikerfamilie. Sie wurde in den 60er Jahren wegen<br />

der Wasserknappheit im Land vom Staat gegründet, um bessere Techniken zur Entsalzung von meerwasser zu entwickeln.<br />

in den 90ern trennte sich dann die Regierung von einer ganzen Reihe von Un ter nehmen, auch von iDE<br />

Technologies.<br />

iDE gehört heute zu jeweils 50 Prozent den beiden israelischen Konzernen iCL und Delek. Und diese haben beide<br />

jeweils unterschiedliche, weit gespannte Unternehmens-Aktivitäten, aber mit Gletscher-Schnee wohl sonst kaum zu<br />

tun. iCL (israel Chemic<strong>als</strong> Ltd.) ist eine Chemie-Gruppe mit knapp sieben mrd. Dollar Umsatz im Jahr 2008. Dieses<br />

war laut Geschäftsbericht „das beste Jahr in der Geschichte von iCL“, aber im vierten Quartal machte sich die globale<br />

Krise bereits mit Umsatz- und Gewinnrückgängen bemerkbar. Zum Halbjahr <strong>2009</strong> schrieb iCL mit seiner<br />

Kunstdünger-, industriechemie- und Feinchemie-Erzeugung (etwa für Vorprodukte zur Lebensmittel industrie,<br />

Phar mazeutik- oder Kosmetika-Herstellung) noch schwarze Zahlen, die Gewinne waren aber gegenüber dem Vor -<br />

jahr deutlich eingebrochen. iCL notiert an der Tel Aviver Börse, der größte Aktionär ist mit 53 Prozent die israel<br />

Corporation der Ofer Group.<br />

Delek ist den meisten israelis und auch vielen Touristen durch das gleichnamige Tankstellennetz bekannt. Die<br />

investment-Gruppe mit Umsätzen von 8,7 mrd. Euro im Jahr 2008 hat ihre Aktivitäten sehr breit gestreut. in 1600<br />

Tankstellen in israel, den USA wird Benzin und Diesel verkauft, weiters gehören zu Delek Tochterfirmen, die selbst<br />

nach Öl und Gas bohren – die beiden großen jüngst gefundenen Felder im mittelmeer vor der israelischen Küste<br />

gehen auf ihr Konto. Überdies betreibt Delek Kraftwerke und meerentsalzungsanlagen, verkauft Ver si-cherungen<br />

(in israel und in den USA), besitzt Kabel-TV-Firmen, Bauunternehmen sowie die israelische immo bi li en-Gruppe El-<br />

Ad und ist israels größter Automobil-importeur mit den marken mazda und Ford. Delek notiert an der Börse von Tel<br />

Aviv, der Hauptaktionär ist Yitzhak Tshuva. Delek hat 2008 wegen der Wirtschafts kri se rote Zahlen ge schrieben. Elf seiner<br />

Tochter-Unternehmen werden ebenfalls an der israelischen Börse gehandelt – von Avner Oil Exploration bis zu<br />

Delek Drilling, von Delek Energy bis zur Versicherung Phoenix Holdings.<br />

30 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770


WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />

CASTRO eröffnet vier weitere Stores<br />

in Deutschland<br />

CASTRO, das urbane Fashionlabel aus<br />

israel, ist erfolgreich auf Expansions -<br />

kurs. nachdem sich die marke bereits<br />

in den Städten Köln, münster, Ober -<br />

hausen und Stuttgart einen namen<br />

gemacht hat, wurde in Köln-Weiden<br />

der fünfte CASTRO Store eröffnet.<br />

Gleichzeitig präsentiert das Label hier<br />

sein neues Store-Design.<br />

Für 2010 sind die nächsten Shops fest<br />

geplant und weitere Objekte sind be -<br />

reits in aussichtsreichen Verhandlun -<br />

gen. in der Schweiz, die vom deutschen<br />

management mit geführt wird,<br />

eröffnet zudem am 24.09. ein CAS-<br />

TRO Store im Dreiländereck Basel.<br />

CASTRO Deutschland ist eine 100% -<br />

ige Tochter der CASTRO model Lt.<br />

aus Tel Aviv. Den Kunden werden<br />

komplette Looks zusammengestellt -<br />

in dividuell auf jeden Typ abgestimmt.<br />

mit dieser Philosophie ist CASTRO in<br />

seinem Heimatland israel seit den<br />

50er Jah ren erfolgreich und hat hier<br />

die marktführerschaft übernommen.<br />

Exportzuwachs von 25%<br />

Weiterhin mehren sich die Anzeichen<br />

dafür, dass sich die israelische Wirt -<br />

schaft von den Folgen der internationalen<br />

Finanzkrise erholt. So hat das<br />

Sta tistische Zentralamt nun mitgeteilt,<br />

dass die israelischen Exporte in<br />

den monaten Juni bis August auf das<br />

Jahr umgerechnet um 25,6% angewachsen<br />

sind. Zwischen märz und<br />

mai war noch ein Rückgang von 0,4%<br />

zu verzeichnen gewesen.<br />

Auch beim import ist zwischen Juni<br />

und August ein Wachstum zu registrieren,<br />

und zwar von 10,4%. in den<br />

monaten märz bis mai hatte es einen<br />

Rückgang von 24,5% gegeben. Die po -<br />

sitive Entwicklung im Ver gleich zum<br />

Vorjahr wird anhand des Han dels de -<br />

fizits besonders augenfällig. Wäh rend<br />

sich dieses 2008 noch auf 8.9 mrd. Eu ro<br />

belief, wird es in diesem Jahr voraus -<br />

sicht lich nur 4 mrd. betragen. Yed. Ahronot<br />

Israels Bevölkerung steigt auf 7.5 Mio.<br />

Zum diesjährigen neujahrsfest be läuft<br />

sich die Bevölkerung israels auf 7.465<br />

mio. Davon sind 75,5% Juden (5.569<br />

mio.) und 20,2% Araber (1.488 mio.);<br />

die verbliebenen 4,3% lassen sich keiner<br />

der beiden Volksgruppen zurechnen<br />

(Sta tistisches Zentralamt).<br />

Die israelische Bevölkerung wächst<br />

wei ter um 1,8% pro Jahr, und sie ist<br />

nach wie vor sehr jung: 30% sind jünger<br />

<strong>als</strong> 14, in den meisten westlichen<br />

Staaten liegt der Anteil bei lediglich<br />

17%. Der Anteil der im Lande geborenen<br />

is raelis ist kontinuierlich angestiegen.<br />

Während in den Anfangsjah -<br />

ren des Staates nur 35% der jüdischen<br />

Bevöl ke rung dort geboren waren,<br />

beläuft sich die Zahl inzwischen auf<br />

über 70%. 2008 wurden 151.923 Kin -<br />

der in israel geboren, 3.5% mehr <strong>als</strong><br />

im Jahr zuvor. Eine jüdische Familie<br />

hatte durchschnittlich 2,96 Kinder, ei -<br />

ne mus limische 3,84 und eine christliche<br />

2,11.<br />

JP<br />

Saison für Medjoul-Datteln beginnt –<br />

Granatapfelexporte verdoppelt<br />

Die ersten medjoul-Datteln der neuen<br />

Ernte aus israel sind bereits in Euro pa.<br />

Für dieses Jahr geht das Unter neh men<br />

Mehadrin Tnu port Export von 1.400 t<br />

aus. Die ersten Früchte stammen aus<br />

den Anbaugebieten im Sü den des Lan -<br />

des, nahe dem Roten meer. Die hohen<br />

Temperaturen, die in der Region herrschen,<br />

sowie die Troc ken heit tragen<br />

zum frühen Reifen der Früchte bei.<br />

Die medjoul-Datteln werden unter<br />

der marke „Red Sea“ verpackt. mTEX<br />

bietet das Produkt das ganze Jahr<br />

über in zahlreichen Verpackungen an.<br />

Gleichzeitig teilte das israelische Ex -<br />

portunternehmen Agrexco mit, dass<br />

es die Ausfuhren seiner Granatäpfel<br />

der marke „Carmel“ in dieser Saison<br />

auf 6.500 t verdoppeln wird. neben<br />

den ganzen Früchten hat auch der Ex -<br />

port an verzehrfertigen Gra nat apfel-<br />

Ker nen zugenommen.<br />

Economist würdigt Israel<br />

<strong>als</strong> Innovationsland<br />

Einem aktualisierten Ranking der<br />

Intelligence Unit des britischen Wirt -<br />

schafts magazins ‘The Economist’ zu -<br />

fol ge hat israel 2008 den 9. Platz unter<br />

den innovativsten Ländern der Welt<br />

belegt. Zwischen <strong>2009</strong> und 2013 soll<br />

es ihm der Voraussage nach sogar<br />

gelingen, auf Rang acht zu gelangen.<br />

Der innovationsindex bewertet 82<br />

Staa ten hinsichtlich ihrer innova ti ons -<br />

fähigkeit und sagt ihre Leistung bis<br />

2013 voraus. Die neuen Rankings be -<br />

stä tigen größtenteils die ursprüngli -<br />

chen Forschungsergebnisse aus dem<br />

Jahr 2007.<br />

Die Prognose für die kommenden<br />

vier Jahre berücksichtigt bereits die<br />

schwerwiegenden Folgen der globalen<br />

Wirtschaftskrise, die sich langfristig<br />

negativ auf die innovationskraft von<br />

Staaten auswirken wird.<br />

Jüngste Zahlen zeigen jedoch, dass<br />

die israelische innovation weiter durch<br />

das stete Einströmen ausländischer<br />

Di rektinvestitionen angetrieben wird.<br />

Der israelische markt bleibt weiter<br />

ein hoch attraktives Zielland für die<br />

weltweit erfolgreichsten Unter neh men.<br />

http://graphics.eiu.com/upload/portal/<br />

CiscoInnoSmallFile.<strong>pdf</strong><br />

Israel High-Tech & Investment Report, Juli <strong>2009</strong><br />

Wirtschaftswachstum<br />

im Westjordanland<br />

im Westjordanland geht es wirtschaftlich<br />

weiter steil bergauf. nun hat der<br />

internationale Währungs fonds (iWF)<br />

für das laufende Jahr ein Wachstum<br />

von ganzen 7% vorhergesagt. Seit<br />

2005 ist in dem palästinensischen Au -<br />

to nomiegebiet kein Wirtschaftswachs -<br />

tum mehr zu verzeichnen gewesen.<br />

„Erstm<strong>als</strong> seit 2005 gibt es eine realistische<br />

Chance, dass der Abwärtstrend im Le bens -<br />

standard der Palästinenser im Westjor -<br />

dan land in naher Zukunft umgekehrt wer -<br />

den kann, vorausgesetzt, dass die (is ra eli -<br />

schen) Bewegungs- und Einreisebe schrän -<br />

kungen weiter gelockert werden“, sagte<br />

Oussama Kanaan, der iWF-Vertreter<br />

für das Westjordanland und Gaza.<br />

israel hat in den vergangenen mo na -<br />

ten im großen Stil maßnahmen eingeleitet,<br />

um das Leben der Zivilbevöl -<br />

ke rung im Westjordanland zu erleichtern<br />

und dadurch auch die Wirtschaft<br />

anzukurbeln. Diese Politik trägt nun<br />

Früchte.<br />

Yedioth Ahronot<br />

Siemens investiert in israelische<br />

Solarwirtschaft<br />

Die deutsche Siemens AG hat für US$<br />

15 mio. einen Anteil von 40% an dem<br />

Unternehmen Arava Power erworben<br />

und damit erstm<strong>als</strong> in die israelische<br />

Solarwirtschaft investiert.<br />

Arava Power ist ein marktführer in<br />

pho tovoltaischen Systemen zur Ener -<br />

gie erzeugung. 40% des Unterneh mens<br />

besitzt der Kibbutz Ketura, der Rest<br />

wird von einer amerikanischen inves -<br />

torengruppe gehalten. Das Geschäft<br />

mit Siemens wurde bei einem Unter -<br />

neh menswert von US$ 37.5 mio. ab -<br />

geschlossen. Die Firma wurde 2006<br />

gegründet und hat 20 mitarbeiter.<br />

informationen zu Arava Power gibt<br />

es unter dem folgenden Link:<br />

http://www.aravapower.com/<br />

<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770 31


WISSENSCHAFT • ISRAEL<br />

LifeBond: Mit innovativen<br />

Technologien Leben retten<br />

Wie können ein Veteran und ein israelischer<br />

immigrant ihre Talente kombinieren,<br />

um Leben zu retten?<br />

Während israels Krieg gegen die His -<br />

bollah im Jahr 2006 erlebten die biomedizinischen<br />

ingenieure Ishay Attar<br />

und Orahn Preiss-Bloom in ihrer Hei -<br />

matstadt Haifa, wie in nächster nähe<br />

Bomben einschlugen und jeden Tag<br />

Bilder von schwer verwundeten men -<br />

schen im TV zu sehen waren. Die bis<br />

dahin existierenden methoden er schie -<br />

nen ihnen <strong>als</strong> ungeeignet zur Be hand -<br />

lung so komplexer Schrapnell-Ver -<br />

letzungen, <strong>als</strong>o beschlossen sie, dafür<br />

eine Lösung zu finden: 2007 erblickte<br />

das Unternehmen LifeBond und sein<br />

Übersetzung: Karin Fasching-Kuales<br />

gleichnamiges Produkt das Licht der<br />

Welt, ein innovatives mittel aus biokompatiblen<br />

Substanzen, das Blutun -<br />

gen stoppt und Wunden versiegelt,<br />

in dem es das Spätstadium der Blut ge -<br />

rinnung nachahmt.<br />

Das nun neu entwickelte LifeSeal-Pro -<br />

dukt (www.life-bond.com) bildet mit Hil -<br />

fe eines speziellen Klebers ein netz<br />

ähnlich einem Fi brin-netzwerk von<br />

Blut klümpchen, das eine höhere Sta -<br />

bi lität <strong>als</strong> auf Blut basierende Fibrin-<br />

Versiegelungen auf weist. Es wird be -<br />

reits in den USA und israel anhand<br />

von klinischen Studien getestet und<br />

kommt voraussichtlich in zwei bis<br />

drei Jahren auf den markt.<br />

Für Attar war die Entwicklung innovativer<br />

Technologien schon immer<br />

von höchstem interesse. „Für mich wa -<br />

ren die attraktivsten Herausforder un gen<br />

stets jene im medizinischen Bereich, denn<br />

die Möglichkeit Menschen zu helfen und<br />

Leben zu retten gibt dem Aufbau eines Un -<br />

ternehmens erst die entsprechende Be deu -<br />

tung.“, erklärt der 36Jährige seine<br />

motivation.<br />

Den um neun Jahre jüngeren Preiss-<br />

Bloom traf Attar erstm<strong>als</strong> in einem<br />

Wirtschaftskurs am Technion in Hai fa.<br />

Der ehemalige new Yorker hatte verschiedensten<br />

Forschungserfahrungen<br />

gesammelt und kurz davor im insti -<br />

tut für militärische Physiologie der<br />

israelischen Streitkräfte gedient.<br />

Die beiden erkannten schnell, dass die<br />

Kombination ihrer Fähigkeiten sie<br />

weit würde bringen können und für<br />

Preiss-Bloom ist ihr Erfolg auch ein<br />

Be weis dafür, dass man in israel<br />

ebenso effizient Karriere machen<br />

kann, wie in den USA, auch wenn oftm<strong>als</strong><br />

das Gegenteil behauptet wird.<br />

„Israel hat die Infrastruktur und das er -<br />

fah rene Personal“, so Attar. Außerdem<br />

würde das Geld der investoren aufgrund<br />

des sich bloß bei einem Drittel<br />

des US-Preisniveaus befindlichen Ge -<br />

haltsschemas in israel hier wesentlich<br />

zielführender eingesetzt: „Der Indus -<br />

trie zweig medizinischer Produkte ist hier<br />

wirklich herangereift.“<br />

Und an ideen für weitere revolutionäre<br />

Produkte fehlt es den Wissen -<br />

schaft lern von LifeBond keineswegs,<br />

es müssen sich nur geeignete Spon so -<br />

ren finden. Quelle: 21c;<br />

WISSENSCHAFT<br />

Auch Sumo-Ringer haben Spaß<br />

im Toten Meer<br />

Totes Meer auf dem Weg zum Weltnaturwunder<br />

Das Tote meer hat es in die Endrunde des globalen internet-Wettbewerbs der<br />

neuen sieben Weltnaturwunder geschafft, so die Organisatoren von New 7<br />

Wonders.<br />

Der berühmte Salzsee am tiefsten Punkt der Erde tritt gegen 14 andere spektakuläre<br />

naturphänomene wie den Amazonas, die Galapagos-inseln und den<br />

Grand Canyaon an. israel, Jordanien und die Palästinensische Autonomie be -<br />

hörde haben das Tote meer gemeinsam ins Rennen geschickt. Ein Kom pro -<br />

miss in der letzten minute rettete die Kandidatur, nachdem diese aufgrund<br />

politischer Spannungen beinahe verhindert worden war.<br />

Das Endergebnis wird 2011 erwartet. Die Organisatoren rechnen damit, dass bis dahin eine milliarde menschen welt -<br />

weit abgestimmt haben werden. An der Wahl zu den von menschen gemachten sieben Weltwundern, aus der im Juli<br />

2007 das jordanische Petra <strong>als</strong> Sieger hervorging, hatten mehr <strong>als</strong> 100 millionen menschen teilgenommen.<br />

Unter dem folgenden Link kann man (für das Tote meer!) abstimmen: http://www.vote7.com/n7w<br />

32 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770


WISSENSCHAFT • ISRAEL<br />

dem man echte DnA-Proben von ge -<br />

fälschten unterscheiden kann. Sie<br />

hof fen, diese Tests an forensische in -<br />

sti tute verkaufen zu können.<br />

Wissenschaftler<br />

können DNA fälschen<br />

israelischen Wissenschaftlern ist es<br />

gelungen, menschliche DnA künstlich<br />

zu erzeugen. Die Experimente<br />

bringen die Ansicht, DnA-Proben an<br />

Tatorten könnten den Täter eindeutig<br />

identifizieren, ins Wanken.<br />

Wie die Tageszeitung ‘new York Ti -<br />

mes’ berichtet, haben die israelis ge -<br />

zeigt, dass es möglich ist, in Kri mi -<br />

nalfällen Beweise mittels DnA selbst<br />

zu produzieren. Die Wissenschaftler<br />

konnten Blut- und Speichel-Proben<br />

produzieren, die DnA enthielten, die<br />

nicht von derselben Person stammte<br />

wie der Blut- oder Speichel-Spender.<br />

Sie konnten dabei die DnA-Fäl -<br />

schung auf zwei unterschiedliche<br />

Arten erreichen. Entweder, indem sie<br />

echte DnA der Zielperson benutzen,<br />

Israelis führend in Europäischer<br />

Debattiermeisterschaft<br />

Es ist bekannt, dass israelis gerne de -<br />

battieren, und so sollte es eigentlich<br />

keine Überaschung sein, dass zwei<br />

Stundenten der Tel Aviv Universität,<br />

Yoni Cohen-Idov und Uri Mehav, auf<br />

Platz eins und zwei der europäischen<br />

Debattier meisterschaft in newcastle,<br />

England landeten. Jetzt will das Paar<br />

sich an der Debattierwelt meister schaft<br />

versuchen, die im Dezember in der<br />

Tür kei stattfindet. Die Debatte der<br />

Eu ropäischen meisterschaft findet in<br />

zwei Kategorien statt – Englisch <strong>als</strong><br />

muttersprache und Englisch <strong>als</strong><br />

Fremd sprache. in der Endrunde treffen<br />

die besten 16 Teams aufeinander.<br />

Obwohl das israelische Team fest in<br />

die Englisch <strong>als</strong> Fremdsprache-Grup pe<br />

gehört, haben sie die Anwesenden da -<br />

mit überrascht, dass sie die englischen,<br />

©Flah90<br />

etwa durch Haare von einem Kamm<br />

oder von einer benutzten Tasse, oder<br />

indem sie sich DnA-Profilen großer<br />

Da ten ban ken bedienten. Aus den langen<br />

Rei hen von Zahlen und Buchsta -<br />

ben erstellen sie ein menschliches<br />

Genom.<br />

Die Experimente zeigen, dass auf<br />

DnA-Proben in der Kriminalistik<br />

kein Verlass mehr ist. „Man kann sehr<br />

einfach einen Kriminalfall fingieren”,<br />

sagte Dan Frumkin, Hauptautor der<br />

Studie, die online vom Journal<br />

‘Forensic Sci ence international:<br />

Genetics’ veröffentlicht wurde. „Jeder<br />

Biologie-Student kann das.”<br />

Frumkin ist der Gründer der Firma<br />

Nucleix mit Sitz in Tel Aviv. Die For -<br />

scher haben einen Test entwickelt, mit<br />

irischen, walisischen und schot ti schen<br />

Kontrahenten unter den Tisch debattierten.<br />

Es ist das zweite mal in der<br />

Ge schichte des Wettbe werbs, dass ein<br />

Fremdsprachen team die mutterspra -<br />

chen teams be sieg te. Das besiegte ka -<br />

tholisch-irische Team und das besiegte<br />

muslimisch-tür kische Team ermunterten<br />

die jüdischen Tel Aviver darin,<br />

weiter zu siegen. Cohen-idov sagte,<br />

das israelische Team bekam Kultsta tus:<br />

“Jedes Jahr kom men Teams der Oxford<br />

Universität in die Endrunde und es wird<br />

erwartet, dass sie gewinnen. Ein Fremd -<br />

spra chen-Team im Viertelfinale ist überraschend,<br />

aber in der Endrunde ein Schock.<br />

Die Iren fügten blaue und weisse Bänder<br />

und den Da vid stern auf ihre Fahnen. Die<br />

Cambridge Uni versität sang für uns. Und<br />

die Türken und Slovenier standen auch<br />

hinter uns. Es gab ein echtes Gefühl der<br />

Brü derlichkeit zwischen den Nicht-Mut -<br />

tersprachlern.”<br />

nach der neuen methode, die die<br />

israelis entdeckten, ist es möglich, die<br />

identität einer Person vorzugeben,<br />

lediglich indem man sich etwa eine<br />

Tasse oder eine Zigarette besorgt, die<br />

diese Person benutzt hat. Gail H. Javitt<br />

vom Zentrum für Genetik und öffentliche<br />

Angelegenheiten an der Johns<br />

Hopkins Universität weist auf die Ge -<br />

fahr hin, dass berühmte Personen in<br />

Zukunft „genetische Paparazzi”<br />

fürch ten müssten.<br />

Tania Simoncelli, wissenschaftliche Be -<br />

raterin bei der Amerikanischen Bürger<br />

rechtsunion (ACLU) nannte die Er -<br />

kenntnisse „unangenehm”. „Man kann<br />

DNA noch viel einfacher fälschen <strong>als</strong><br />

Fingerabdrücke. Wir schaffen ein System<br />

von Kriminalitätsaufklärung, das immer<br />

mehr auf diese Technologie aufbaut.”<br />

John M. Butler, Leiter eines Projektes<br />

zur DnA-identifizierung am natio -<br />

na len institut für Standardisierung<br />

(niST) zeigte sich beeindruckt von<br />

den Erkenntnissen der israelis. Den -<br />

noch ist er überzeugt, dass ein durchschnittlicher<br />

Krimineller nicht in der<br />

Lage sei, solche Fälschungen vorzunehmen.<br />

inn<br />

Biologisch abbaubare<br />

Plastikflaschen<br />

Log, eine israelische Plastikfirma<br />

hat, unter Anwendung von mais -<br />

stär ken po lymer, eine voll biologisch<br />

abbaubare Plastikflasche entwik -<br />

kelt. Die Entwicklung von biologisch<br />

abbaubaren Plastikflaschen ist<br />

nicht neu, aber Log ging einen<br />

Schritt weiter und stellte auch die<br />

Eti quetten der Fla schen aus mais -<br />

stärkenpolymer her. Der einzige<br />

Teil, der noch aus dem traditionellen<br />

petroliumbasierten Plas tik hergestellt<br />

wird, ist der Verschluß.<br />

Gemeinsam mit einer lo kalen Was -<br />

ser geschellschaft präsentierte Log<br />

bei der Ausstellung Plasto ispak in<br />

Tel Aviv dem Publikum zum ers ten<br />

mal 5.000 dieser Flaschen.<br />

mit dieser Ent wick lung könnte der<br />

Um welt ein großer Dienst er wie sen<br />

werden. Aller dings nur, wenn die<br />

israelis lernen, ihre Fla schen nicht<br />

einfach wegzuwerfen, sondern sie<br />

zum Kompostieren abgeben.<br />

<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770 33


JÜDISCHE WELT • INLAND<br />

Weiter keine EU-einheitliche Schächt-Regelung<br />

JÜDISCHE WELT<br />

Die Erwartungshaltung war groß, nachdem<br />

das Europäische Parlament im Mai<br />

das Schlachten ohne vorherige Betäu -<br />

bung aus religiösen Gründen ohne wenn<br />

und aber erlauben wollte. Zuvor hatte<br />

die EU-Kommission in ihrem Entwurf für<br />

eine „Verordnung über den Schutz von<br />

Tieren zum Zeitpunkt ihrer Tötung“ den<br />

Mitgliedstaaten das Recht eingeräumt,<br />

hier dennoch ein Verbot auszusprechen.<br />

Nun hat der Europäische Rat endgültig<br />

entschieden: demnach ist das Schäch ten<br />

zwar EU-weit erlaubt, auf nationaler Ebe -<br />

ne dürfen aber strengere Regeln <strong>als</strong> in der<br />

Verordnung enthalten angewandt werden.<br />

Im österreichischen Gesundheits mi -<br />

nisterium wird jedoch versichert: hier zu<br />

Lande wird sich am Status quo nichts<br />

ändern.<br />

Von Alexia Weiss<br />

Sechs bis sieben Rinder, sechs bis sieben<br />

Kälber und rund 1.000 Hühner<br />

werden in Österreich jede Woche ko -<br />

scher geschlachtet, erzählt ein masch -<br />

giach (Aufseher) der „Gemeinde“. Bis<br />

vor fünf Jahren wurde in St. marx ge -<br />

schächtet. nach der Auflösung dieses<br />

Schlachthofes mussten sich die jüdischen<br />

Schlachter und ihre islamischen<br />

Kollegen nach einer Alternative um -<br />

se hen. Rinder werden nun in einem<br />

Schlachthof in niederösterreich ge -<br />

schäch tet. Das Geflügel wird in zwei<br />

steirischen Orten koscher geschlachtet.<br />

Rund 2.000 Familien essen in Wien<br />

der zeit koscher, schätzt der masch gi -<br />

ach. Tendenz steigend, denn: „Die bu -<br />

cha rischen Jugendlichen bleiben meist in<br />

Wien und sie leben oft strenger <strong>als</strong> ihre<br />

Eltern. Dadurch steigt der Bedarf an ko -<br />

scherem Fleisch stetig an.“<br />

Derzeit gibt es in Österreich keinerlei<br />

Probleme, koscher zu schlachten.<br />

Wenn Kritik am Schächten geübt wird,<br />

hat sie zwei Stoßrichtungen: die eine<br />

ist tatsächlich antisemitisch motiviert<br />

und fußt auf Jahrhunderte alten Ver -<br />

hetzungsmustern. in diesem Zusam -<br />

menhang werden dann im Deutschen<br />

auch gerne Begriffe wie „rituelles<br />

Schlachten“, „die Kehle durchschneiden“,<br />

„ausbluten“ benutzt, Begriffe, deren<br />

Hin tergrund nicht unrichtig ist, die<br />

über die Jahre aber eine deutliche ne -<br />

gative Konnotation erfahren haben.<br />

Die mehrzahl der Kritiker kommt<br />

heu te aber aus der Tierschützer-Sze ne.<br />

Und manchmal überschneiden sich<br />

die beiden Gruppen – wie 2005, <strong>als</strong> es<br />

in Österreich darum ging, im Rahmen<br />

des bundeseinheitlichen Tierschutz ge -<br />

setzes (davor war diese materie auf<br />

34 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770


JÜDISCHE WELT • INLAND<br />

Länderebene unterschiedlich geregelt<br />

gewesen) auch eine Regelung fürs<br />

Schächten zu finden. Die Frei heit li -<br />

chen nutzten hier unter dem Deck -<br />

man tel des Tierschutzes einmal mehr<br />

die möglichkeit, antisemitische, aber<br />

auch islam-feindliche Ressentiments<br />

zu bedienen.<br />

Das österreichische Parlament einigte<br />

sich schließlich auf die heute in Österreich<br />

gültige Regelung, dass ohne vor -<br />

herige Betäubung koscher (jüdisch)<br />

beziehungsweise halal (muslimisch)<br />

ge schlachtet werden darf, dies aber in<br />

einem Schlachthof zu erfolgen hat und<br />

dass sofort nach dem Schächtschnitt<br />

eine Betäubung vorzunehmen ist<br />

(„post cut stunning“).<br />

An diesem Status Quo wird sich auch<br />

nach der nun in der EU geltenden<br />

„Verordnung über den Schutz von Tie -<br />

ren zum Zeitpunkt ihrer Tötung“<br />

nichts ändern, versichert Peter-Vitus<br />

Stangl, der im Gesundheitsminis te ri -<br />

um für die Lebensmittelsicherheit bei<br />

der Fleischerzeugung verantwortlich<br />

zeichnet. „Es bleibt alles wie gehabt“,<br />

betont der Beamte.<br />

Von Rabbinerseite hatte man nach der<br />

spektakulären Entscheidung des EU-<br />

Parlaments im mai, wonach das<br />

Schäch ten in der gesamten EU erlaubt<br />

sein müsse, große Hoffnungen ge habt,<br />

dass damit die Jahre langen Dis kus -<br />

sio nen um ein Schächtverbot in manchen<br />

EU-Staaten ein Ende haben. Hier<br />

machte nun allerdings der Rat einen<br />

Strich durch die Rechnung. Die EU<br />

gibt zwar den politischen Willen vor,<br />

das Schlachten ohne vorherige Be täu -<br />

bung aus religiösen Gründen zu er -<br />

lau ben, räumt aber eben auch den<br />

einzelnen mitgliedstaaten ein, sich<br />

hier für eine strengere Handhabung<br />

zu entscheiden.<br />

innerhalb der EU gibt es derzeit ein<br />

Land, in dem das Schächten verboten<br />

ist, erläutert der Religions rechtsex -<br />

per t e Wolfgang Wieshaider von der<br />

Universität Wien: Schweden. in dem<br />

skandinavischen Land ist das koschere<br />

Schlachten allerdings bereits seit 1937<br />

untersagt. Weitere europäische Staa ten,<br />

die jedoch nicht der EU angehören, in<br />

denen das Schächten verboten ist, sind<br />

norwegen und die Schweiz. Zu den<br />

Ländern, die wie Österreich auf einer<br />

sofortigen Betäubung nach dem<br />

Schächtschnitt bestehen, gehören laut<br />

Wieshaider Dänemark, Estland und<br />

Finnland.<br />

Außerhalb Europas gibt es sogar Län -<br />

der, in denen heute koscheres Fleisch<br />

auch zunehmend von nichtjuden<br />

nachgefragt wird – weil es <strong>als</strong> qualitativ<br />

hochwertig gilt, erzählt Rabbiner<br />

Schlomo Hofmeister, selbst ausgebildeter<br />

Schochet (<strong>als</strong>o Schlachter) und Bo -<br />

dek (Fleischbeschauer). Als Beispiel<br />

nennt er den nordamerikanischen<br />

Raum. Woher aber kommt die hohe<br />

Qualität?<br />

„Um <strong>als</strong> koscher zu gelten, muss ein Tier<br />

vor der Schlachtung gesund sein“, so<br />

Hofmeister. Das schließt lange Tier -<br />

trans porte aus. Wenn sich beispielsweise<br />

ein Rind in einem zu engen<br />

Transportwagen Knochenbrücke zu -<br />

zieht oder auf Grund zu langer Fahrt<br />

in einem schlechten Zustand ist,<br />

kommt es für das Schächten nicht<br />

mehr in Frage. nach der erfolgten<br />

Schlachtung wiederum gibt es eine<br />

Fleischbeschau durch einen Bodek,<br />

der sich – etwa an Hand der Lunge -<br />

ansieht, ob das Tier gesundheitliche<br />

Probleme gehabt habe. ist dies der<br />

Fall, scheidet es für die koschere<br />

Fleisch produktion aus.<br />

in der Auslegung des Bodeks, was <strong>als</strong><br />

gesund, was <strong>als</strong> krank gilt, liegt übrigens<br />

auch der Unterschied zwischen<br />

aschkenasischer und sefardischer Aus -<br />

legung, wann ein Tier <strong>als</strong> koscher gilt.<br />

Als Beispiel nennt Hofmeister „Ver-<br />

wach sungen zwischen Lungenlap pen“.<br />

Hier haben Aschkenasen in be stimm -<br />

ten Fällen ein strikteres Regel werk <strong>als</strong><br />

Sefarden, welche Verwach sung okay<br />

ist und welche nicht. Um gekehrt ist es<br />

Aschkenasen erlaubt, zu versuchen,<br />

Verwachsungen mit Was ser zu lösen,<br />

um zu sehen, ob es sich tatsächlich<br />

um Verwachsungen oder nur um<br />

unbedeutende Schleimschlie ren handelt<br />

– Sefarden dürfen dies nicht.<br />

Wer in Europa oder Amerika koscheres<br />

Fleisch kauft beziehungsweise<br />

kon sumiert, braucht allerdings nicht<br />

extra nach aschkenasischem oder se -<br />

fardischem Ritus zu fragen, denn alle<br />

Tiere müssen so bewertet werden, dass<br />

sie beiden mindeststandards entsprechen.<br />

Anders ist das in israel: Hier<br />

muss man sich genau erkundigen,<br />

nach welchem Ritus vorgegangen -<br />

wur de.<br />

Rasierscharfes Messer<br />

für den Schnitt<br />

Schechita (Schlachtung) einer Kuh:<br />

Der jüdische Schochet benutzt ein spezielles,<br />

rasierklingenscharfes Messer<br />

(genannt: Chalef), das mit einem Schnitt<br />

die Luftröhre, die Spei seröhre, sowie die<br />

Karotiden und die beiden Jugularis Venen<br />

durchtrennt. Da durch wird nicht nur die<br />

Blut- und somit die Sauer stoff zufuhr zum<br />

Hirn unterbrochen, sondern es kommt zu -<br />

sätzlich zum augenblicklichen Blut druck -<br />

abfall im Hirn, und somit zur so for tigen<br />

Bewusstlosigkeit des Tieres. D. h. das Tier<br />

wird bewusstlos, bevor Schmerz das Hirn<br />

erriechen kann.<br />

Dies ist einer anatomischen Besonderheit<br />

von koscheren Tierarten zu verdanken:<br />

Während bei allen nicht-koscheren Tieren<br />

das Hirn für einige Sekunden nach der<br />

Schechita durch die Vertebral Arterien,<br />

die nicht durchschnitten werden, noch<br />

weiterhin mit Blut und Sauerstoff versorgt<br />

werden könnte, was dazu führen<br />

würde, dass das Tier noch einige Zeit bei<br />

Bewusstsein bleibt und Schmerz empfinden<br />

kann, sind bei allen koscheren<br />

Tierarten die Vertebral Arterien mit den<br />

beiden Karotiden unterhalb des Hirns<br />

durch eine besondere Brückenver bin dung,<br />

die sogenannte Rete Mirabilis miteinander<br />

verbunden. Dies hat den Effekt, daß<br />

sich die Vertebralaterien durch die durchtrennten<br />

Karotiden entleeren, das Hirn<br />

nicht weiter versorgen können und somit<br />

die gesamte Blutzufuhr zum Hirn ohne<br />

Verzögerung vollständig unterbrochen<br />

wird. Das sich im Augenblick der Sche chi -<br />

ta noch im Hirn befindliche Blut entleert<br />

sich durch die durchtrennten Jugelaris<br />

Venen, und dieser sofortige Blutdruck ab -<br />

fall sowie der Abfall des zur Funktion des<br />

Hirnes nötigen Dru ckes der Cereospinal -<br />

flüs sigkeit führt zur sofortigen Bewusst lo -<br />

sigkeit des Tieres. Der gesamte Vor gang,<br />

vom Ansetzen des Schechita Mes sers bis<br />

zur Bewusstlosigkeit des Tieres dauert we -<br />

niger <strong>als</strong> 2 Sekunden.<br />

<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770 35


JÜDISCHE WELT • INLAND<br />

Kontrolle der Lungenlappen<br />

Bedika (Untersuchung der Lunge); auf<br />

Photo: Der Bodek bläst jede Lunge auf,<br />

um sie auf Verwachsungen und kleine<br />

Löcher zu untersuchen welche die Kuh<br />

eine Traifa, d. h. das Fleisch nicht koscher<br />

machen würde.)<br />

Wenn man höre, dass beim Schächten<br />

die Kehle durchgeschnitten werde,<br />

dann höre sich das zunächst einmal<br />

zwar archaisch an, räumt Hofmeister<br />

ein. „Weil andere mit moderneren Me -<br />

thoden schlachten, heißt das aber nicht,<br />

dass es humaner ist“, so der Rab biner.<br />

Er unterstreicht die Hand ar beit des<br />

Schächters: mit stets perfekt ge schlif -<br />

fenem Schächtmesser, das schäfer <strong>als</strong><br />

eine Rasierklinge ist, setzt er den<br />

Schächt schnitt an. Dieser durchtrennt<br />

Luft- und Speiseröhre und damit<br />

auch die meisten Blutgefäße, die zu<br />

und vom Gehirn führen.<br />

„Damit kommt es zu einem sofortigen<br />

Blut druckabfall und zu sofortiger Be -<br />

wusst losigkeit – schneller <strong>als</strong> ein Schmerz<br />

einsetzen könnte“, betont Hofmeister.<br />

Die Schechita, <strong>als</strong>o das Schächten, sei<br />

da her „an sich schmerzfrei“. Untersu -<br />

chun gen hätten auch gezeigt, dass<br />

koscher ge schlachtetes Fleisch we sent -<br />

licher niedrigere Adrenalinwerte aufweise<br />

<strong>als</strong> anders hergestelltes. Der<br />

Rabbiner und Tierarzt I. M. Levinger<br />

schreibt in seinem Buch „Schechita<br />

im Lichte des Jahres 2000“: „Das Tier<br />

leidet psychologisch vor, während und<br />

nach dem Schächt schnitt nicht.“ Des wei -<br />

teren hält Levinger fest: „Im Ver gleich<br />

zu anderen Schlachtmethoden ist das jüdische<br />

Schäch ten mindestens so gut wie<br />

jede andere Schlachtmethode.“<br />

Warum aber besteht das Judentum<br />

auf dem Schächten? natürlich gebe es<br />

auch rationale Gründe, wie das völlige<br />

Ausbluten des Fleisches oder der<br />

bewusste und schonende Umgang mit<br />

dem Tier, der wiederum für qualitativ<br />

hochwertiges und gesundes Fleisch<br />

sorge, sagt Hofmeister. Vor allem aber<br />

stehe es in der Tora. Konkret ist in der<br />

Tora (Deut. 12:21) festgehalten: „Du<br />

sollst von Deinem Großvieh und Klein -<br />

vieh schlachten, so wie ich Dir befohlen<br />

habe …“. Da die Anweisung „wie ich<br />

Dir befohlen habe“ allerdings in der<br />

schriftlichen Tora nicht weiter ausgeführt<br />

wird, muss hier auf die mündliche<br />

Lehre zurückgegriffen werden.<br />

Die spezifischen Gesetze, die das<br />

Schäch ten betreffen finden sich im<br />

Talmud (Traktat Chullin), in den<br />

Kodizes der Halacha, im Kodex von<br />

maimonides (mischne Tora) – sowie<br />

im Gesetzbuch von Josef Karo (Schul-<br />

chan Aruch, im Teil Jore De’a).<br />

Übrigens: muslimisches Schächten ist<br />

nicht mit jüdischem Schächten gleichzusetzen.<br />

Beide Religionsgruppen<br />

schächten hier zu Lande zwar in den<br />

selben Schlachthöfen und zeitlich an<br />

jeweils einem Tag der Woche hintereinander<br />

(die muslimen schlachten<br />

laut Auskunft eines rituellen Aufse hers<br />

in Österreich pro Woche an die 80<br />

Rin der), dennoch unterscheidet sich<br />

die Vorgangsweise. So wird im islam<br />

der Schnitt anders angesetzt, es geht<br />

nur darum, die H<strong>als</strong>schlagader zu<br />

durchtrennen. Aus jüdischer Sicht<br />

reicht das nicht aus – hier ist es nötig,<br />

sowohl Luft- <strong>als</strong> auch Speiseröhre zu<br />

durchschneiden. Wer <strong>als</strong>o, weil es viel -<br />

leicht billiger ist, auf muslimisch ge -<br />

schächtetes Fleisch zurückgreifen will,<br />

dem sei gesagt: es ist nicht ko scher.<br />

im Gegenzug entspricht koscher ge -<br />

schlachtetes Fleisch allerdings den<br />

muslimischen Vorgaben, betont Hof -<br />

meister, der in israel auch <strong>als</strong> Scho -<br />

chet tätig gewesen ist. Geschlachtet<br />

habe er dort Tiere von islamischen<br />

Be duinen und diese hätten jene Tiere,<br />

die von ihm nach der Fleischbeschau<br />

<strong>als</strong> trejfe, <strong>als</strong>o nicht koscher, eingestuft<br />

worden waren, gerne für den<br />

eigenen Verzehr genommen.<br />

Das EU-Recht<br />

Der EU-Rat hat sich Ende Juni auf<br />

eine „Verordnung von Tieren zum Zeit -<br />

punkt der Tötung“ geeinigt. Sie ersetzt<br />

eine Richtline aus dem Jahr 1993.<br />

Darin heißt es im Artikel 4 (in der<br />

eng lischen Fassung, die deutsche<br />

Übersetzung lag zu Redak tions -<br />

schluss noch nicht vor):<br />

„In the case of anim<strong>als</strong> subject to<br />

par ticular methods of slaughter pre -<br />

scribed by religious rites, the requirements<br />

of paragraph 1 shall not apply<br />

provides that the slaughter takes<br />

place in a slaughterhouse.“ In Para -<br />

graph 1 wird festgehalten, dass Tiere<br />

nur nach vorheriger Betäubung oder<br />

so geschlachtet werden müssen, dass<br />

sie sofort tot sind.<br />

Allerdings fügte der EU-Rat im Schluss -<br />

teil der Verordnung allgemeine For -<br />

mu lierungen über die Möglichkeit<br />

strengerer nationaler Be stimmungen<br />

ein:<br />

„(Article 22a)<br />

Stricter National rules<br />

This Regulation shall not prevent<br />

Member states from maintaining any<br />

national rules aimed at ensuring<br />

more extensive protection of anim<strong>als</strong><br />

at the time of killing in force at the<br />

time of entry into force of this<br />

Regulation.<br />

(…)<br />

Member States may adopt national<br />

rules aimed at ensuring more extensive<br />

protection of anim<strong>als</strong> at the time<br />

of killing than those contained in this<br />

Regulation in relation to the following<br />

fields:<br />

(….)<br />

(c) the slaughtering and related operations<br />

of anim<strong>als</strong> in accordance with<br />

Article 4(2).“<br />

BuchtiPP<br />

Buchtipp<br />

i. m. levinger<br />

„Schechita im Lichte des Jahres<br />

2000. Kritische Betrachtung der<br />

wissenschaftlichen Aspekte der<br />

Schlachtmethoden und des Schächtens“,<br />

herausgegeben durch den Zentralrat<br />

der Juden in Deutschland und machon<br />

mASKiL L’DAViD (Forschungsinstitut<br />

für Kaschrutfragen in Jerusalem),<br />

Jerusalem 1996<br />

36 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770


JÜDISCHE WELT • INLAND<br />

Die österreichische Rechtslage<br />

Das Schächten ist in Österreich seit 1. Jänner 2005 im Tierschutzgesetz geregelt.<br />

Darin heißt es im Paragraphen 32:<br />

„(3) Das Schlachten von Tieren ohne Betäubung vor dem Blutentzug ist verboten.<br />

Ist eine Betäubung unter den gegebenen Umständen, wie etwa bei<br />

einer Not schlach tung, nicht möglich oder stehen ihr zwingende religiöse<br />

Gebote oder Verbote einer gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaft entgegen<br />

(rituelle Schlachtung), so ist die Schlachtung so vorzunehmen, dass<br />

dem Tier nicht unnötig Schmerzen, Leiden, Schäden oder schwere Angst<br />

zugefügt werden.<br />

(4) Rituelle Schlachtungen dürfen nur in einer dafür eingerichteten und von<br />

der Be hörde dafür zugelassenen Schlachtanlage durchgeführt werden.<br />

(5) Rituelle Schlachtungen ohne vorausgehende Betäubung der Schlachttiere<br />

dür fen nur vorgenommen werden, wenn dies auf Grund zwingender religiöser<br />

Ge bo te oder Verbote einer gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaft notwendig<br />

ist und die Behörde eine Bewilligung zur Schlachtung ohne Betäubung<br />

erteilt hat. Die Behörde hat die Bewilligung zur Durchführung der rituellen<br />

Schlachtung nur dann zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass<br />

1. die rituellen Schlachtungen von Personen vorgenommen werden, die über<br />

die dazu notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen,<br />

2. die rituellen Schlachtungen ausschließlich in Anwesenheit eines mit der<br />

Schlacht tier- und Fleischuntersuchung beauftragten Tierarztes erfolgen,<br />

3. Einrichtungen vorhanden sind, die gewährleisten, dass die für die rituelle<br />

Schlachtung vorgesehenen Tiere so rasch wie möglich in eine für die<br />

Schlachtung notwendige Position gebracht werden können,<br />

4. die Schlachtung so erfolgt, dass die großen Blutgefäße wirksam betäubt<br />

werden,<br />

5. die Tiere unmittelbar nach dem Eröffnen der Blutgefäße wirksam betäubt<br />

werden,<br />

6. sofort nach dem Schnitt die Betäubung wirksam wird und<br />

7. die zur rituellen Schlachtung bestimmten Tiere erst dann in die dafür vorgesehene<br />

Position gebracht werden, wenn der Betäuber zur Vornahme der<br />

Betäubung bereit ist.“<br />

Ergänzend gilt die Tierschutz-Schlachtverordnung.<br />

Die Grabsteinstellung<br />

für unseren lieben Chawer<br />

ludwig rosenmann<br />

romeK<br />

findet s.G.w. am<br />

sonntag, den 18. oktober <strong>2009</strong>,<br />

um 12 uhr<br />

am Zentralfriedhof iV. Tor statt.<br />

Über den<br />

Holocaust<br />

sprechen<br />

(Eine Veranstaltungsreihe des<br />

Jüdischen Museums Wien und<br />

von www.erinnern.at)<br />

Thema der Oktober-<br />

Veranstaltung:<br />

Die Gedenkstätte<br />

Mauthausen<br />

<strong>als</strong> Lernort<br />

Donnerstag, 22. Oktober <strong>2009</strong><br />

Jüdisches Museum Wien,<br />

16.00 Uhr bis 18.00 Uhr<br />

Dorotheergasse 11, 1010 Wien<br />

Vhs hietzing 100 Jahre tel aviv<br />

Aus Anlass von 100 Jahre Tel Aviv stellt der Herzelia Photography<br />

Club zum ersten mal in Östereich die Arbeiten einiger mitglieder<br />

vor. Die Foto grafinnen haben versucht, den Geist dieser pulsierenden,<br />

modernen metro pole israels einzufangen, in der sich Jung<br />

und Alt des Lebens freut und wo die verschiedenen Generationen<br />

fried- und freudvoll nebeneinander leben, arbeiten und feiern.<br />

Gezeigt werden Fotos von: Talmi Doron, Hight Shlomit, Levy<br />

Nissim, Mushkin Nira, Angel Rozi und Tsfaty Irit.<br />

Kurator der Ausstellung Eli Atias. Organisation irit Tsfaty.<br />

in Kooperation mit dem Herzelia Photography Club<br />

mit Unterstützung des Kulturvereins Hietzing<br />

ausstellungsdauer: bis 12. oktober <strong>2009</strong><br />

<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770 37


JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

Panorama<br />

Kurznachrichten aus der jüdischen Welt<br />

Quelle: JTA/Guysen u.a.; Übersetzung: Karin Fasching/Foto:©JTA u.a.<br />

Proteste gegen toronto film festival<br />

mehr <strong>als</strong> 1.000 Filmemacher, Schau -<br />

spie ler und Akademiker, darunter<br />

Größen wie Jane Fonda, Harry Bela -<br />

fonte oder Julie Christie hatten im<br />

Vorfeld des im <strong>September</strong> stattfindenden<br />

internationalen Filmfestiv<strong>als</strong><br />

von Toronto aufgrund der israelischen<br />

Politik hinsichtlich der Palästinenser<br />

gegen den Festival-Fokus Tel Aviv<br />

pro testiert. Das Festival mache sich<br />

„ob nun mit Absicht oder nicht, zu einem<br />

Teil der israelischen Propaganda ma schi -<br />

ne rie“. Daraufhin veröffentlichten<br />

zahlreiche namhafte Künstler – Jerry<br />

Seinfeld, natalie Portman, Sacha Ba -<br />

ron Cohen, Lisa Kudrow u.v.a. – ein<br />

Gegenstatement, in dem sie die Stig -<br />

matisierung israelischer Künstler an -<br />

prangerten: Diese würden ein dynamisches<br />

Kino repräsentieren, israels<br />

offenen, unzensierten künstlerischen<br />

Ausdruck und gäben sich niem<strong>als</strong> für<br />

die Propaganda irgendeiner Regie rung<br />

her.<br />

assaf ramon<br />

neben seinem<br />

Vater beerdigt<br />

Der israelische Pi -<br />

lot Assaf Ramon, 20,<br />

der beim Absturz<br />

seiner F-16 in den<br />

Bergen von He bron<br />

ums Leben gekommen<br />

ist, wurde neben seinem Vater,<br />

dem As tro nau ten ilan Ramon, beerdigt.<br />

ilan Ramon war im Jahr 2003<br />

beim Unglück mit US-Spaceshuttle<br />

Columbia gestorben.<br />

Jementische jüdische Schule<br />

Shimon Peres<br />

mit Assaf Ramon<br />

© APA<br />

drei jüdische familien<br />

verlassen den Jemen<br />

nachdem im vergangenen Dezember<br />

ein jemenitischer Jude von einem<br />

mos lem getötet worden war, haben<br />

nun drei jüdische Familien den Jemen<br />

in Richtung USA verlassen. Die jemenitische<br />

jüdische Gemeinde zählt zwi -<br />

schen 200 und 300 mitglieder, einst<br />

wa ren es 60.000 gewesen.<br />

straße zum Jerusalemer tempel<br />

freigelegt<br />

Bei archäologischen Ausgrabungen in<br />

Jerusalem wurde ein Teil der Pil ger -<br />

straße, die zum Zweiten Tempel führte,<br />

freigelegt. Als die Briten Frederick Bliss<br />

und Archibald Dickey sie im Jahr 1890<br />

entdeckt hatten, war die Exis tenz der<br />

Straße schon seit mehr <strong>als</strong> 100 Jahren<br />

bekannt. Doch nach dem Ende der<br />

Aus grabungen war die Straße wieder<br />

zugeschüttet worden, ebenso weitere<br />

Teile im Jahr 1937 und von 1961 bis<br />

1967. nun wurde die Pilgerstraße in<br />

der Shiloach Ebene südlich des Tem -<br />

pelberges freigelegt.<br />

christen helfen bedürftigen Juden<br />

zu den hohen feiertagen<br />

Die internationale Freundschafts ver -<br />

einigung von Christen und Juden hat<br />

US$ 4,6 mio. zur Verfügung gestellt,<br />

um bedürftigen israelis den Erwerb<br />

des Essens für die Hohen Feiertage<br />

zu ermöglichen. 46.000 Gutscheine<br />

werden an die Betroffenen verteilt<br />

und können in den lokalen Super -<br />

märkten eingelöst werden, außerdem<br />

werden von Latet und Colel Chabad<br />

15.000 Geschenkkörbe mit Lebens -<br />

mit teln verteilt.<br />

die meisten israelischen Juden<br />

positiv gegenüber deutschland<br />

Eine am 10. <strong>September</strong> von der He -<br />

brä ischen Universität in Jerusalem<br />

und der deutschen Friedrich Ebert<br />

Stiftung veröffentlichte Umfrage hat<br />

gezeigt, dass ein Großteil der israelischen<br />

Juden Deutschland positiv<br />

gegenüber steht. Bei der Befragung der<br />

1.200 jüdischen und 500 arabischen<br />

israelis gaben 95% an, sie würden<br />

deutsche Produkte kaufen. 52% der<br />

israelischen Juden sind zufrieden mit<br />

Deutschlands nahostpolitik, bei den<br />

Arabern sind es 27%. Weiters ergab<br />

die Umfrage, dass 83% der säkularen<br />

israelis die Beziehungen ihres Staates<br />

zu Deutschland <strong>als</strong> normal ansehen,<br />

während bei den streng Orthodoxen<br />

lediglich 48% eine positive Angabe<br />

machten.<br />

Projekt zur untersuchung von<br />

holocaust-massengräbern<br />

Ein neues Projekt soll massengräber<br />

und jüdische Friedhöfe in den Balti -<br />

schen Staaten, wo die jüdischen<br />

Gemein den während des Zweiten<br />

Welt krieges großteils zerstört wurden,<br />

un tersuchen, um so die letzten Erin -<br />

ne run gen an das einst blühende jüdische<br />

Leben zu erhalten und die Holo -<br />

caust-Gedenkstätten vor dem Verfall<br />

zu bewahren. Das Projekt Lo Tishkach<br />

– Niem<strong>als</strong> Vergessen wird koordiniert<br />

von der Europäischen Rabbinerkon -<br />

ferenz. Jugendgruppen aus Litauen,<br />

Lettland und Estland werden daran<br />

mitarbeiten.<br />

israel arbeitet mit westafrikanischer<br />

wirtschaftsvereinigung zusammen<br />

israels Außenminister Avigdor Lie -<br />

ber man unterzeichnete im Zuge eines<br />

offiziellen Aufenthalts in nigeria ein<br />

Abkommen zur Zusammenarbeit mit<br />

15 westafrikanischen Staaten. Drei<br />

von ihnen – Guinea, mali und niger -<br />

haben bislang keine diplomatischen<br />

Ver bindungen zu israel. Die Koope ra -<br />

tion soll die Bereiche Bildung, Land -<br />

wirtschaft, Kultur und Wirtschaft<br />

umfassen und kann auch auf weitere<br />

Bereiche ausgedehnt werden.<br />

geheimdienst: ron arad starb<br />

mitte der 1990er<br />

Ein Bericht des israelischen militär ge -<br />

heimdienstes hat bestätigt, dass der<br />

vermisste israelische Pilot Ron Arad<br />

bereits mitte der 1990er gestorben ist,<br />

so die Tageszeitung Yediot Achronot.<br />

Arad sei wahrscheinlich neun Jahre<br />

lang am Leben und in libanesischer<br />

und iranischer Gefangenschaft gewesen,<br />

nachdem sein Flugzeug 1986 im<br />

Libanon abgestürzt war. Dennoch<br />

würde israel auf jeden Fall weiterhin<br />

nach ihm suchen, verlautbarte das<br />

Büro des Premierministers <strong>als</strong> Ant -<br />

wort auf den Bericht. Denn „so lange<br />

wir keine schlüssigen Beweise für das Ge -<br />

genteil haben, nehmen wir an, dass Ron<br />

Arad am Leben ist“.<br />

38 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770


JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

madonna begeistert von<br />

israelischer energie<br />

Für madonna sei israel die „Ene r gie -<br />

hauptstadt der Welt“, meinte die Sän -<br />

gerin, die sich seit Jahren mit der<br />

Kabbalah-Lehre beschäftigt, bei einem<br />

Auftritt in Tel Aviv. „Wenn wir hier in<br />

Frieden zusammen leben können, können<br />

wir auf der ganzen Welt in Frieden le ben“,<br />

rief sie den 50.000 menschen zu, die<br />

gekommen waren, um sie zu sehen.<br />

Es war ihr erstes Konzert in israel seit<br />

16 Jahren.<br />

große synagoge in Budapest<br />

ist 150 Jahre alt<br />

Die Synagoge in der Dohány utca in<br />

Budapest feierte am 6. <strong>September</strong> ih ren<br />

150. Geburtstag. Sie gilt <strong>als</strong> die zweitgrößte<br />

Synagoge Europas und bietet<br />

bis zu 6.000 menschen Platz und hat<br />

2.840 Sitz plätze. Das neo-romanischeklektizistische<br />

Bauwerk, dass zu den<br />

berühmten Se henswürdigkeiten der<br />

ungarischen Hautpstadt gehört, wur -<br />

de am 6. Sep tember 1859 eröffnet.<br />

Oberrabbiner Robert Frolich kommentiert<br />

den Jahrestag mit den Worten:<br />

„Trotz zweier Weltkriege und dem Schre k -<br />

ken des Holocausts hat diese Synagoge nie<br />

aufgehört <strong>als</strong> ein religöses Zentrum für<br />

die Jü dische Gemeinschaft in Budapest zu<br />

wirken.” Aus Anlass des Jubiläums<br />

ge staltete die Gemeinde eine Ausstel -<br />

lung zur Geschichte der Synagoge, die<br />

nationalbank brachte eine Erinne -<br />

rungsmünze heraus.<br />

Vandalen im jüdischen Viertel<br />

von Budapest<br />

Eine menge von 500 Demonstranten,<br />

darunter neonazis und Skinheads<br />

hat in Budapests jüdischem Viertel<br />

randaliert und mehrere Personen tätlich<br />

angegriffen, um die jährige<br />

Homosexuellenparade zu stören. Die<br />

ungarische Polizei musste Tränengas<br />

und Schlagstöcke gegen die Vandalen<br />

einsetzen, mehr <strong>als</strong> 30 Personen wurden<br />

verhaftet.<br />

stiftung übernimmt sh´ma magazin<br />

Die Lippman Kanfer Familienstiftung<br />

wird mit Hilfe einer nGO das ma ga -<br />

zin Sh´ma: A Journal of Jewish Respon si -<br />

bility vom Verlag Jewish Familie and Life<br />

übernehmen, der in finanzielle Schwie -<br />

rigkeiten geraten war. Herausgeber<br />

wird Josh Rolnick von der Lippman<br />

Kanfer Stiftung, Susan Berrin wird<br />

auch weiterhin <strong>als</strong> Chefredakteurin<br />

fungieren. Eine umfassende Aus wei -<br />

tung von Angebot und Auflage ist in<br />

Planung.<br />

religionsfreiheit<br />

Die in Tel Aviv neu gegründete Or -<br />

ganisation Hiddush (Hebräisch für<br />

innovation, Erneuerung) tritt für vol -<br />

le Religionsfreiheit und Vielfalt ein.<br />

Diese würde im israelischen Staat fehlen,<br />

so Hiddush in einem State ment.<br />

israelische umweltorganisationen<br />

bekommen us$ 1,5 mio. zuschuss<br />

Dreizehn israelische Umweltorga ni -<br />

sationen werden insgesamt US$ 1,5<br />

mio. an Zuschüssen vom Jewish Fun -<br />

ders network und dem Richard und<br />

Rhoda Goldman Fund erhalten, unter<br />

ihnen Bustan, Derech Hateva, Eco -<br />

Ocean, israel Green Building Council<br />

und Sviva israel.<br />

Kooperation im weltraum<br />

Die israelische und die italienische<br />

Welt raumagentur haben bei der Paris<br />

Air Show ein bilaterales Abkommen<br />

zur friedlichen Erforschung des Welt -<br />

raumes unterzeichnet.<br />

Das Fünfjahresabkommen beinhaltet<br />

fünf Schlüsselbereiche für Koopera -<br />

tion: Weltraumforschung, inklusive<br />

dem Austausch von Professoren und<br />

Forschern; Weltraumwissenschaft und<br />

Forschung; Erdbeobachtungsfor -<br />

schung und angewandte Forschung;<br />

Weltraumkommunikation und die<br />

An wendung von Bodeneinrichtun -<br />

gen und Bodensegmentsinfrastruk tur.<br />

danone-namensgeber gestorben<br />

Der namenspatron und Ehren vor sit -<br />

zende des Joghurt-Unternehmens<br />

Dan non (in Europa bekannt unter<br />

dem namen Danone), Daniel Carasso,<br />

verstarb am 17. mai 103jährig in Pa -<br />

ris. Der Sohn sephardischer Juden,<br />

de ren Vorfahren 1492 aus Spanien<br />

ver trieben worden waren, wurde im<br />

griechischen Thessaloniki geboren.<br />

Carassos Vater isaac hatte, laut An ga -<br />

ben der new York Times, den Joghurt<br />

im Jahr 1919 in Barcelona entwickelt<br />

und nach seinem Sohn, dessen katalanischer<br />

Kosename „Danon“ war, be -<br />

nannt. Dieser trat in seine Fuß stapfen,<br />

studierte Bakteriologie am Pasteur in -<br />

stitut und erwarb 1923 ei nen Di plom -<br />

kaufmannstitel in mar seille.<br />

1929 expandierte das Unternehmen<br />

nach Frankreich, doch schon 1941<br />

musste Carasso vor den nazis in die<br />

USA fliehen. Dort vergrößerte er sein<br />

Joghurt-imperium enorm, indem er<br />

dem Joghurt Erdbeermarmelade hinzufügte.<br />

1959 wurde es von Beatrice<br />

Foods übernommen. Carasso kehrte<br />

nach Europa zurück und belebte Da -<br />

none in Spanien und Frankreich neu,<br />

erweiterte die Pro dukt palette, bis er<br />

sein ehemaliges Unternehmen 1981<br />

von den Ameri ka nern zurückkaufte<br />

und das Konglo me rat in Groupe Da -<br />

none umbenannte.<br />

auf der Jagd nach der meerjungfrau<br />

in den letzten monaten häufen sich<br />

Berichte, nach denen menschen in<br />

Ki riat Jam eine Art meerjungfrau be -<br />

obachtet haben sollen. natürlich<br />

glauben die meisten nicht an solche<br />

Geschichten, trotzdem zieht es immer<br />

mehr israelis mit Kamera am be sag -<br />

ten Strand. Auch die Stadt verwaltung<br />

ist auf den meerjungfrau-Zug aufgesprungen<br />

und hat angekündigt, demjenigen<br />

eine Belohnung von US$ 1<br />

mio. zu zahlen, der einen Beweis für<br />

die Existenz des meerwesens bringen<br />

kann – Foto genügt.<br />

<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770 39


JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

Oktober<br />

Die im <strong>September</strong> nach Ehud Olmerts Ab -<br />

gang zur Kadima-Vorsitzenden gewählte<br />

Tzipi Livni schafft es nicht, eine Koalitions -<br />

regierung aufzustellen und Premier ministe -<br />

rin zu werden. Israels Präsident Shimon<br />

Peres ruft daraufhin Neuwahlen aus.<br />

Ein Säureanschlag auf das Jüdische Theater<br />

in Budapest kurz vor Rosch Ha schanah verstärkt<br />

die Besorgnis über einen wachsenden<br />

Antise mitis mus in Ungarn.<br />

Die Rabbinerin Julie Schonfeld wird <strong>als</strong> erste<br />

Frau zur neuen Exekutiv-Vize prä sidentin der<br />

Rabbinatsver samm lung der konservativen<br />

Bewegung in den USA ernannt.<br />

November<br />

Der Demokrat Barack Obama wird mit 78%<br />

der jüdischen Stimmen zum ersten afroamerikanischen<br />

Präsiden ten der USA gewählt.<br />

Der amerikanische Koscher fleisch pro duzent<br />

„Agriprocessors“ muss Konkurs anmelden<br />

und wird an ein kanadisches Unternehmen<br />

verkauft.<br />

Rahm Emanuel wird zum Stabschef des<br />

Weißen Hauses ernannt und hält da mit eine<br />

Schlüsselposition im Ver wal tungsteam von<br />

US-Präsident Obama inne, vor allem auch<br />

was israelbezogene Themen betrifft.<br />

Der säkulare Geschäftsmann Nir Bar kat wird<br />

Bürgermeister von Jeru sa lem.<br />

Bei einem Terroranschlag auf das Chabad Haus<br />

in Mubai, Indien, werden dessen Di rektoren<br />

Gavriel und Riv ka Holtzberg, und vier weitere<br />

Personen getötet.<br />

Dezember<br />

Israelische Sicherheitskräfte entfernen jüdische<br />

Siedler aus einem be setz ten Haus in<br />

He bron. Eine Welle der Gewalt zwischen<br />

jüdischen Extremis ten und Palästinensern<br />

im Westjor dan land ist die Folge.<br />

Der Kollaps des Madoff-Imperiums reißt auch<br />

zwei jüdische Organisat io nen mit in den Ruin<br />

und zieht die ge samte jüdisch-philantrope<br />

Welt in Mitleidenschaft.<br />

Die auslaufende Bush-Adminis tra tion ermutigt<br />

den neuen US-Präsi den ten Barack Oba ma<br />

zur Weiterführung des Weges in Richtung ei -<br />

nes eigenständigen palästinensischen Staa tes.<br />

Beim tödlichsten Verkehrsunfall in der israelischen<br />

Geschichte kommen 24 russische Rei -<br />

seleiter ums Leben. Dies bedeutet auch einen<br />

Rückschlag für die Bemühungen um eine<br />

ver mehrte touristische Erschließung der<br />

südisraelischen Stadt Eilat.<br />

Im Zuge der „Operation Gegossenes Blei“<br />

mar schieren israelische Trup pen in den Ga -<br />

zastreifen ein, um den Beschuss israelischer<br />

Städte durch Hamas-Raketen zu unterbinden.<br />

Januar<br />

Als Antwort auf massiv-antisemitische und<br />

anti-israelische Demonstrationen in Europa<br />

aufgrund des Gazakrieges organisieren die<br />

jüdischen Ge mein den Gegenkundgebungen,<br />

Das war 5769<br />

um ihre Soli da rität mit Israel und dessen<br />

Kampf ge gen die Hamas zu betonen.<br />

Die aufgrund der scharfen anti-israelischen<br />

Rhe torik von Venezuelas Präsi dent Hugo<br />

Cha vez ohnehin bereits ge schwächte jüdische<br />

Gemeinde des Lan des erleidet einen erneuten<br />

Rück schlag, <strong>als</strong> eine Synagoge in der Haupt -<br />

stadt Caracas verwüstet wird.<br />

Der Animationsfilm „Waltz with Bashir“ von Ari<br />

Folman über den Libanon-Krieg erhält den<br />

Gol den Globe für den besten fremdsprachigen<br />

Film.<br />

Nach dreieinhalb Wochen wird „Ope ra tion<br />

Gegossenes Blei“ beendet – 1.300 Palästi -<br />

nen ser und 13 Israelis sind bei den Kämpfen<br />

ums Leben gekommen. Die Raketen der Ha -<br />

mas reichten bis zu den israelischen Städten<br />

Yav neh, Beersheva und Kiryat Gat.<br />

Als Papst Benedict XVI. die Exkom mu ni zie -<br />

rung eines den Holocaust leugnenden Bi -<br />

schofs aufhebt ist das ein Rückschlag für die<br />

katholisch-jüdischen Beziehungen.<br />

Februar<br />

Die Kadima-Partei von Tzipi Livni kann sich bei<br />

den Wahlen in Israel zwar <strong>als</strong> stärkste Ein zel -<br />

partei behaupten, doch der rechte Block, an -<br />

ge führt von Ben ja min Netanyahu vom Likud,<br />

hält die Mehrheit der Knessetsitze.<br />

Avigdor Liebermans Partei „Yisrael Bei teinu”<br />

überholt die Arbeiterpartei und ist nun mit 15<br />

Knessetsitzen die drittstärkste Kraft im israelischen<br />

Par lament. Einen Monat später ge hen<br />

Li kud und Yisrael Beiteinu eine Regie rungs-<br />

Koalition ein und der umstrittene Lieberman<br />

übernimmt den Pos ten des Außenministers.<br />

März<br />

Die Regierung unter US-Präsident Obama<br />

hält den ersten Seder in der Geschichte des<br />

Weißen Hauses ab.<br />

Die vorsichtigen Formulierungen in Benja min<br />

Netanyahus Antrittsrede lassen seine Posi tion<br />

in Bezug auf wich tige Themen in Israel und ver -<br />

schiedene Übersee-Regierungen be tref fend<br />

of fen.<br />

April<br />

Israelische und amerikanische Juden versammeln<br />

sich, um Birkat Hacha mah zu sagen,<br />

ein Segensspruch für die Sonne, der nur alle<br />

28 Jahre rezitiert wird, wenn die Sonne dieselbe<br />

Position am Firmament wie bei ihrer<br />

Erschaffung einnimmt.<br />

Die Entdeckung eines Terrornetz werks der<br />

His bollah in Ägypten verschärft die Konflikte<br />

zwischen den prowestlichen Gemäßigten im<br />

Nahen Osten und den vom Iran beeinfluss -<br />

ten Radikalen, ebenso wie bei den regionalen<br />

Interessen Israels und Ägyptens.<br />

Eine große Zahl jüdischer und israelischer Ak -<br />

tivisten nimmt von der UN-An tirassis mus -<br />

kon ferenz „Durban II“ in Genf Abstand.<br />

Europäische Dele gier te verlassen <strong>als</strong> Protest<br />

gegen die aufwiegelnde antiisraelische Rede<br />

des iranischen Präsidenten Ahma di ne jad den<br />

Konferenzsaal.<br />

Der Republikaner Arlen Specter läuft zu den<br />

De mokraten über, was dazu führt dass es<br />

zum ersten Mal seit Jahr zehnten keinen jüdischen<br />

Republi ka ner im US-Senat gibt.<br />

In Tel Aviv beginnen die Feier lich kei ten zum<br />

100jährigen Jubiläum.<br />

Mai<br />

In ihren Reden während der jährli chen AIPAC-<br />

Konferenz in Washington plädieren US-Vize -<br />

präsident Joe Biden und Senator John Kerry<br />

dafür, zum Schutze Israels gegen den Iran<br />

vorzugehen, doch gleichzeitig rufen sie auch<br />

Israel zur Einstellung seiner Siedlungsaktivi -<br />

tä ten auf. In den darauf folgenden Wochen<br />

bleibt das amerikanisch-israelische Verhält nis<br />

angespannt, denn auch Präsident Oba ma<br />

und andere Regierungsmit ar beiter verlangen<br />

einen Stopp der israelischen Siedlungen.<br />

Papst Benedict XVI besucht Israel und das<br />

Westjordanland. In Bethle hem fordert er ei nen<br />

palästinensischen Staat. Als ein palästinensischer<br />

Kleri ker bei einer interkonfessionellen<br />

Konferenz in Jerusalem Israel des Mor des an<br />

Frauen und Kindern sowie der Zerstörung<br />

von Moscheen beschuldigt, verlässt der<br />

Papst bald darauf das Gebäude. Außerdem<br />

sehen manche Israelis die Stellungnahmen<br />

von Benedict XVI zum Thema Holocaust <strong>als</strong><br />

unzureichend an.<br />

Präsident Obama und Israels Premier Ne tan -<br />

yahu treffen sich erstm<strong>als</strong> im Weißen Haus.<br />

Der US-Präsident spricht von einem Zeitplan<br />

für das Vorgehen der USA gegen die iranischen<br />

Atompläne, betont aber auch, dass Is -<br />

rael „schwierige Schritte“ wie den Stopp seiner<br />

Siedlungen machen muss. Netanyahu<br />

bestätigt sein Inter es se an einem dauerhaften<br />

Frieden, lässt sich aber nicht auf eine<br />

Zwei staa tenlösung festlegen.<br />

Juni<br />

Bei seiner Rede in Kairo in Richtung der<br />

mos lemischen Weltgemeinde be schreibt US-<br />

Präsident Obama Israel und die USA <strong>als</strong> eine<br />

durch ein unzerstörbares Band verbundene<br />

Gemein schaft, kritisiert die Holocaust leug -<br />

nung in der arabischen Welt und die Ver -<br />

wendung palästinensischer Anlie gen zur<br />

Ablenkung der arabischen Bevölkerung von<br />

anderen Proble men. Dennoch wird er von<br />

manchen Mit gliedern der jüdischen Gemein -<br />

schaft für sein Beharren auf einem israelischen<br />

Siedlungsstopp kritisiert. Auch der Iran<br />

würde zu sanft behandelt.<br />

Alysa Stanton wird <strong>als</strong> erste afroamerikanische<br />

Rabbinerin vom Jüdisch-reformierten<br />

In stitut für Religion am Hebrew Union<br />

College ordiniert.<br />

Die Vereinigten Jüdischen Gemein den än -<br />

dern ihren Namen in Jüdische Fö de rationen<br />

von Nordamerika und ma chen Jerry Silver -<br />

40 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770


JÜDISCHE WELT • ISRAEL<br />

man zu ihrem Präsidenten.<br />

Ein Sicherheitsmann wird getötet, <strong>als</strong> ein für<br />

seine antisemitische Einstel lung bekannter<br />

Schütze im US Holo caust Memorial Mu -<br />

seum in Washing ton das Feuer eröffnet.<br />

Bei seiner Rede an der Bar-Ilan Uni versität<br />

drückt Israels Premier Ben jamin Netanyahu<br />

seine vorbehaltliche Unterstützung für die<br />

mögliche Grün dung eines demilitarisierten<br />

palästinensischen Staat aus. Die Oba ma-Ad -<br />

ministration wertet dies <strong>als</strong> „positiven<br />

Schritt“, während die Paläs ti nen serbehörde<br />

ihr Missfallen kund tut.<br />

Der ehemalige Sowjet-Dissident Na tan Sha -<br />

ransky wird zum Präsiden ten der Jewish<br />

Agency for Israel gewählt.<br />

Am Ende der „Holocaust Era Assets Con fe ren -<br />

ce“ in Prag unterzeichnen 46 Staa ten die<br />

Terezin Deklaration, eine unverbindliche<br />

Liste von Leitsätzen, die eine schnellere,<br />

offenere und trans parentere Restitution von<br />

Kunst ge gen ständen und privatem Eigen tum<br />

ermöglichen sollen.<br />

Aufgrund der Unruhen nach den iranischen<br />

Wahlen verlangen jüdische US-Organisa tio nen<br />

von der Regie rung mehr Unterstützung für<br />

die Demon s tran ten und schärfere internationale<br />

Aktionen zum Stopp des Nuklear pro -<br />

gramms der islamischen Republik.<br />

Als sich die Debatte um die Reform des US-<br />

Ge sundheitssystems zuspitzt, stellen sich<br />

die jüdischen Organisa tio nen bei verschiedenen<br />

Schlüssel stel len hinter Präsident Oba ma,<br />

da dies auch der rapide alternden jüdischen<br />

Ge meinschaft zugute kommen würde.<br />

Juli<br />

Der Anführer der Bande, die für die Ent füh -<br />

rung, Folterung und Ermor dung des französischen<br />

Juden Ilan Ha limi im Jahr 2006 verantwortlich<br />

ist wird zu lebenslanger Haft verurteilt.<br />

US-Präsident Obama trifft sich erstm<strong>als</strong> im<br />

Weißen Haus mit den Vor sit zenden von 14<br />

jüdischen Organisatio nen. Diese äußern kei -<br />

ne direkte Kritik an Obamas Ruf nach einem<br />

is rae lischen Siedlungsstopp, geben jedoch<br />

zu bedenken, dass der Eindruck entstehe, er<br />

wür de mehr Druck auf Israel <strong>als</strong> auf die<br />

Palästinenser und arabische Staaten ausüben.<br />

Etwa 8.000 Athleten aus aller Welt neh men<br />

an den 18. Maccabiah-Spie len teil, darunter<br />

auch der US-Olympia-Schwimmer Jason<br />

Lezak. Er kann vier Goldmedaillen für sich<br />

beanspruchen, doch Israel erringt mit<br />

Abstand die meisten Medaillen bei den diesjährigen<br />

Spielen.<br />

August<br />

Ein maskierter Schütze überfällt ein Homo -<br />

sexuellenzentrum in Tel Aviv und tötet zwei<br />

Menschen. Dutzende werden verwundet. In<br />

ganz Israel werden daraufhin Solidaritäts -<br />

kundge bungen mit den Opfern und der ho -<br />

mo sexuellen Gemeinschaft des Landes<br />

abgehalten.<br />

Synagoge in Petach Tikva<br />

zum Gedenken an Chajim Weisz s.A.<br />

Der Rohbau des zentralen Bet Knesset „nigune Chajim“ - benannt nach<br />

Chajim Amos Weisz s.A., der im Alter von 18 Jahren einer schweren Krankheit<br />

erlegen ist - ist vollendet.<br />

Die Familie von Chajim Amos Weisz s.A. stammt aus Wien und den berühmten<br />

sieben burgenländischen Gemeinden („Schewa Kehillot“). Seine Eltern<br />

Gabi und Kochava Weisz und seine Großeltern Alfred und Schulamit Weisz haben<br />

dieses Projekt im Andenken an ihren viel zu früh verstorbenen Sohn bzw. En -<br />

kel sohn ins Leben gerufen.<br />

Der Bau der Synagoge ist für die expandierende religiöse infrastruktur von<br />

Petach Tikva von großer Bedeutung, und so hat die Stadtverwaltung ein<br />

Grunstück an einem der schönsten Plätze für den für den Bau zur Verfügung<br />

gestellt.. Die <strong>als</strong> Bauträger und Betreiber ins Leben gerufene Organisation „ni-<br />

gu ne Chajim“ wurde <strong>als</strong> gemeinnützige „non profit“- Organisation staatlich<br />

anerkannt.<br />

Am Festakt zur Fertigstellung des Rohbaues nahmen unter anderem der Bür -<br />

germeister von Petach Tikva, Izik Ochion, dessen Stellvertreter Motti Sefet, der<br />

Generaldirektor der Stadtverwaltung sowie Architekten und ingenieure teil.<br />

in den Ansprachen des Bürgermeisters sowie von Gabi Weisz wurde hervorgehoben,<br />

dass dieses Zentrum nicht nur <strong>als</strong> Bet Knesset und Bet midrasch<br />

zum täglichen Lernen dienen wird, sondern auch <strong>als</strong> Gemeindezentrum mit<br />

Küche und Festsaal für Festlichkeiten, wie Kidduschim, Britot, Bar mizwa und<br />

Hochzeiten – insbesondere für finanziell schwächere Schichten. Das Gemein -<br />

dezentrum „Ulam hachessed“ wird bis zu 600 Per sonen Platz bieten.<br />

Weitere informationen: gabriel_weisz@yahoo.com<br />

T: 00 972 43-1-2148011<br />

F: 00 972 43-1-2148010<br />

E: info@misrachi.at<br />

Sponsoren für die<br />

innenausstattung<br />

sind willkommen!<br />

<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770 41


KULTUR • INLAND<br />

Die 23-jährige Wienerin Clara Trischler<br />

absolviert zur Zeit einen Freiwilligen -<br />

dienst in Yad Vashem und bloggt dabei<br />

aus Israel für fm4.at, den Internet-Auf -<br />

tritt des ORF-Radiosenders FM4. „Die<br />

Gemeinde“ sprach mit ihr über ihre Mo -<br />

ti vation, <strong>als</strong> Nichtjüdin ein Jahr in Israel<br />

zu verbringen, und ihre Beiträge für FM4:<br />

wie eine junge Österreicherin das Leben,<br />

die Menschen und die Politik in Israel<br />

erlebt.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

Wie kamen Sie auf die Idee, einen einjährigen<br />

Freiwilligendienst in Yad Vashem<br />

zu absolvieren?<br />

in einem moment von Zukunfts verlorenheit<br />

habe ich einen Alternativplan<br />

gesucht, im außereuropäischen, weniger<br />

planiert-globalisierten Ausland.<br />

in früheren, politischeren Tagen gab<br />

es schon einmal diese idee, aber noch<br />

keine Gelegenheit, <strong>als</strong> Frau einen<br />

Gedenkdienst zu machen. Dam<strong>als</strong> gab<br />

es für mädchen nur sehr unattraktive<br />

Stellen in Auschwitz und Westerbork.<br />

Erst war nur die idee is ra el interessant<br />

und, so ohne eingehauchtem Le -<br />

ben, abstrakt, festgemacht in Bil dern<br />

von sandfarbenen Städten und süßem<br />

minztee.<br />

ich schreibe, und zwar Drehbücher<br />

und Geschichten. Für mich stand auch<br />

im Vordergrund, dass ich in meiner<br />

Arbeit mit vielen menschlichen Leben<br />

konfrontiert bin. in einer Akte über<br />

Rassenschande findet man etwa Lie -<br />

besbriefe zwischen Juden und nicht -<br />

jü dinnen, Abschiedsbriefe von Eltern<br />

aus Deportationszügen, die über das<br />

Rote Kreuz vermittelt worden sind.<br />

„Fühlbarer<br />

machen,<br />

wie sich ein<br />

junger Mensch<br />

in Israel fühlen<br />

kann“<br />

Und dann die andere Ebene: die Ge -<br />

schichten der menschen, die im aktu -<br />

ellen israel leben und wie jeder eine<br />

andere Sicht auf dieses Leben, diesen<br />

Konflikt, diese Geschichte haben.<br />

Dies ist Ihr erster Israel-Aufenthalt. Wie<br />

kommen Sie mit der Sprache zurecht?<br />

ich bin nicht jüdisch und versuche hier<br />

ein wenig Hebräisch zu lernen, an -<br />

fangs auch in einem Kurs, jetzt im<br />

freieren Sprechen, mit Kinder bü -<br />

chern. ich scheitere und verständige<br />

mich. Die Schriftsprache zu lernen war<br />

wie einen Code zu knacken und das<br />

Gefühl, langsam die bezeichnete Welt<br />

um einen herum verstehen zu können.<br />

Und ich mag den Klang der Spra -<br />

che. Das Sprechen zu lernen ist wie<br />

sich gerade erfundene Worte merken<br />

zu wollen.<br />

Wie lange haben Sie vor, in Israel zu bleiben?<br />

insgesamt ein Jahr, bis <strong>September</strong>. ich<br />

kann mir aber durchaus vorstellen,<br />

später für eine Weile wiederzukommen.<br />

Dieses Land lässt wenige los,<br />

die so lange hier leben.<br />

Sie nutzen Ihren Jerusalem-Aufenthalt<br />

auch, um auf FM4 zu bloggen. In Ihrem<br />

ersten Beitrag diesen Januar schrieben Sie<br />

unter dem Titel „Der Alltag in Jerusa -<br />

lem” u.a. Folgendes: „Gleichzeitig frage<br />

ich mich, warum die Demonstrationen in<br />

Wien aus der Ferne mehr wie Anti-Israel<strong>als</strong><br />

Anti-Kriegsdemos aussehen. Das hal te<br />

ich für gefährlich.” Warum ist dies ge -<br />

fährlich?<br />

Das ist interessant, weil ich diesen<br />

Satz in meiner letzten Fassung eigentlich<br />

gestrichen habe, er wurde dann<br />

aber doch veröffentlicht. ich versuche<br />

oft, nicht wertend zu schreiben, ich<br />

möchte menschen nicht eine mei -<br />

nung vordenken.<br />

Aber nun zur konkreten Frage: Ge -<br />

nausowenig wie israels Politik zu kritisieren<br />

nicht antisemitisch ist, muss<br />

man hier zwischen dem Staat israel -<br />

oder der idee eines Staates israel -<br />

und einem Kriegsinteresse in Gaza<br />

differenzieren. Weil ich mit menschen<br />

in israel gesprochen habe, konnte ich<br />

zumindest ansatzweise nachvollziehen,<br />

was Beweggründe für eine Un -<br />

ter stützung des Krieges sein können.<br />

inhaltsleere Friedens demonstratio nen<br />

in Europa halte ich mittlerweile für<br />

naiv: natürlich wollen die meisten in<br />

israel Frieden, aber auf das wie? ge -<br />

ben die Protestantinnen auch keine<br />

Antwort.<br />

ich halte die Vereinheitlichung des<br />

Staa tes israel mit einem Kriegs in ter -<br />

es se in Gaza für gefährlich, weil mir<br />

nicht immer ganz klar ist, warum dieser<br />

Konflikt soviel mehr Aufmerk sam -<br />

keit bekommt, <strong>als</strong> etwa Darfur. Weil<br />

viele israelis europäische Exilantin nen<br />

sind? Weil israel ein recht „westli-<br />

cher” Staat ist, umgeben von Staaten<br />

mit arabischer Kultur und Tradition?<br />

natürlich spielt unsere Rolle in der<br />

Shoa mit hinein. ich muss jedesmal<br />

schlucken, wenn menschen nach is -<br />

rael reisen, um dann über ihre vorgefertigten<br />

Positionen gegenüber „den<br />

Juden” zu sprechen.<br />

ich fühle mich da zerrissen, die Presse<br />

in Europa scheint mir sehr solidarisch<br />

mit dem palästinensischem Under dog,<br />

in israel meint das Fernsehen recht<br />

offen, dass Gaza das israelische Pu -<br />

blikum außerhalb des Krieges nie<br />

wirklich interessiert hat.<br />

Es ist ein natürlicher Reflex, auf Seite<br />

der Palästinenser zu stehen, wenn man<br />

hört, was man hört. Aber man hört<br />

eben oft nur, was man hören möchte.<br />

Die informationen sehen in den verschiedenen<br />

Staaten sehr unterschiedlich<br />

aus und ich finde es unreflektiert,<br />

medien im Krieg leichtfertig zu glauben.<br />

Schließen Sie hier israelische Medien mit<br />

ein?<br />

Definitiv. Das ist bemerkenswert<br />

spannend, wie medial in israel gegenüber<br />

dem Krieg – natürlich - eine ganz<br />

andere Haltung eingenommen wurde<br />

42 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770


KULTUR • INLAND<br />

<strong>als</strong> im Rest der Welt. Hier finde ich<br />

äh nelt israel ein wenig den Vereinig ten<br />

Staaten: wenn sie eine meinung ha -<br />

ben, dann lassen sie sich nicht davon<br />

beirren, dass sie oder darauffolgende<br />

Taten weltweit Aufsehen erregen, im<br />

Gegenteil, sie fühlen sich dann geradezu<br />

erst recht im Recht, <strong>als</strong> Außen -<br />

seiter, <strong>als</strong> Unverstandene, <strong>als</strong> „maverick”,<br />

wie Sarah Palin das in ihrem<br />

Wahlkampf immer sehr amüsant ausdrückte.<br />

Das mediale missverständ nis<br />

des Krieges, die misswahrneh mung -<br />

nicht erleichtert worden durch das<br />

Feh len von internationalen Journa -<br />

list innen in Gaza - kann ja nur auf<br />

unterschiedlichen Positionen beruhen.<br />

Als „naiv” bezeichnen Sie die Sicht, dass<br />

„die Hamas den Waffenstillstand mit<br />

Quassam-Raketen brach, woraufhin Isra -<br />

el hunderte Menschen auf einen Schlag<br />

tötete”. Woraus resultiert diese Naivität?<br />

Was ist Ihrer Meinung nach die richtige<br />

Sicht?<br />

man macht es sich einfach zu leicht,<br />

ein Leben zu leben, auf das der Kon -<br />

flikt keinen Einfluss hat, sich, sobald<br />

etwas passiert, darüber zu informieren.<br />

Und dann zu sagen: in der Zei -<br />

tung beginnt die Zeitleiste bei 27. De -<br />

zember. Der Konflikt ist nicht vergangenheitslos,<br />

es geht nicht mehr da -<br />

rum, wer diesmal angefangen hat. in<br />

Wahrheit werden doch keine Kriege<br />

begonnen, weil überraschend attackiert<br />

wurde, Kriege sind geplant.<br />

Die naivität entspringt <strong>als</strong>o Unin for -<br />

miertheit. natürlich muss sich nicht<br />

jeder mit dem Konflikt im nahen Os -<br />

ten auseinandersetzen, menschen le -<br />

ben woanders ja ganz andere Leben.<br />

Aber viele - gerade außerhalb israels<br />

- haben so extreme, vorgefertigte mei -<br />

nungen, die einfach irgendwo abgelesen<br />

oder zurechtgelegt, übernommen<br />

worden sind.<br />

Sie beschreiben in Ihrem Blog auch eine<br />

Anti-Kriegs-Demo, bei der Demonstranten<br />

von einem Polizisten am Telefon <strong>als</strong><br />

„trash of the country” bezeichnet werden.<br />

In einem anderen Beitrag geht es um<br />

Wehrdienstverweigerer, die in Israel mit<br />

Gefängnis bestraft werden. Zivildienst gibt<br />

es keinen. Wie empfinden Sie <strong>als</strong> Ös ter -<br />

reicherin das Standing der Armee in der<br />

israelischen Gesellschaft?<br />

ich kann nachempfinden, dass ein ver -<br />

letzlicher, junger Staat, der zu einem<br />

großen Teil aus lange Verfolgten be -<br />

steht, sich verteidigen können möchte.<br />

ich finde es aber traurig, dass 18-,19-<br />

jährige menschen nicht nur mehrere<br />

Jahre unfrei gemacht werden, sondern<br />

sie in ihrer formbaren Jugendlichkeit<br />

oft Befehlen folgen, deren Bedeutung<br />

ihnen erst später klar wird. Viele<br />

junge Erwachsene sind nach diesen<br />

Jahren traumatisiert.<br />

man soll sich durch die omnipräsenten<br />

bewaffneten jungen Soldaten sicherer<br />

fühlen. Aber das Bild der Armee <strong>als</strong><br />

moralische instanz würde ich jetzt<br />

ein mal in Frage stellen. Also so<br />

bezeichnet sich die Armee selbst, weil<br />

sie oft Flugblätter abwirft, bevor sie<br />

Häuser bombardiert, damit Zivilist in -<br />

nen in Gaza - wohin? - fliehen können.<br />

Eine Armee zu haben ist ja völlig in<br />

Ord nung, aber ihre Wertigkeit im is ra -<br />

elischen Lebenslauf, ihren politischen<br />

Einfluss im öffentlichen Leben finde<br />

ich problematisch. Dass sie nämlich<br />

Einfluss auf die Kunst nimmt, auf<br />

mu sikerkarrieren. Aber auch einfache<br />

private Leben, Berufsbewerbungen<br />

vom Armeedienst abhängen können.<br />

Dass vorausgesetzt wird, dass man<br />

damit einverstanden ist, sich militärisch<br />

zu beteiligen und zwar nach den<br />

Regeln eines politischen System oder<br />

einer Regierung, die menschenrechte<br />

nicht besonders genau nimmt, die<br />

Wer te und Grenzen vertritt, an die<br />

man möglicherweise nicht glaubt.<br />

Sie meinen, mit den Menschenrechten<br />

wer de es seitens Israels nicht so genau<br />

genommen. Beruht diese Einschätzung<br />

auf persönlichen Beobachtungen, aus Ge -<br />

sprächen mit Israelis oder aus Medien -<br />

berichten? Können Sie Beispiele nennen?<br />

ich bin in Kontakt mit einem Paläs ti -<br />

nenser aus Gaza, der nach einer israelischen<br />

Bombe an den Checkpoint<br />

Rich tung israel gebracht, dort acht<br />

Stunden blutend liegen gelassen wur -<br />

de und dann später deshalb in israel<br />

sein Bein amputiert bekam. ich bin in<br />

Kontakt mit menschen, die versuchen,<br />

menschen in der Westbank beim Er -<br />

langen von Baugenehmigungen zu<br />

unterstützen, was ein relativ aussichtsloses<br />

Unterfangen scheint, so wie<br />

mit Familien, die nächte lang wach<br />

bleiben, weil gerichtlich genehmigt<br />

wird, ihre Häuser zu räumen, weil sie<br />

wissentlich oder unwissentlich - weil<br />

nur gemietet - in Gebäuden ohne Bau -<br />

genehmigung leben.<br />

im medial zirkulierenden Protokoll<br />

ha be ich die Stellungnahmen der<br />

Soldaten gelesen, die von bewussten<br />

Vergehen gegen Zivilistinnen sprechen,<br />

von menschenrechtsver letzun -<br />

gen und unnötiger Gewalt, ich habe<br />

mit Soldaten aus dem Libanon-Krieg<br />

gesprochen und aus der Zeit der letzten<br />

intifada. mit einem Palästinenser,<br />

der im Gefängnis war, weil er zur Zeit<br />

der intifada neben jemandem stand,<br />

der einen Stein geworfen hatte. Aus -<br />

ser dem sieht jeder, der einmal an ei -<br />

nem Checkpoint vorbeifährt, wie lange<br />

Palästinenser aufgehalten und wie sie<br />

behandelt werden, wie aufgrund der<br />

Hautfarbe oder des Ausse hens der<br />

Ein reiseprozess verlängert wird.<br />

Immer wieder werden in Ihrem Blog jun -<br />

ge Erwachsene zitiert. Wie finden Sie Ihre<br />

Gesprächspartner, wie finden Sie Ihre<br />

Themen?<br />

ich unterhalte mich viel mit men schen,<br />

ich gehe offen durch die Welt, ich rei se<br />

in besetzte Gebiete und durch is ra el,<br />

rede mit israelis und Palästinen sern,<br />

lese viel, sehe mir Filme an. im inter -<br />

net gibt es Videos von men schen, die<br />

hier in extremen Bedingungen, in<br />

Sde rot oder Gaza, leben. Die Themen<br />

kommen durch das tägliche Leben zu<br />

mir, akuter war das aber natürlich<br />

während des Krieges, <strong>als</strong> ich das Be -<br />

dürfnis hatte, zu erzählen, wie es ei -<br />

nem israelischem Soldaten vor Gaza<br />

geht, oder einem Österreicher, der<br />

israel wegen gefallener Raketen verlassen<br />

möchte.<br />

meine Berichte sind persönlich, ich lie -<br />

fere keine politischen Analysen, sondern<br />

will fühlbarer machen, wie sich<br />

ein junger mensch in israel (vergleichbar<br />

mit einem jungen menschen in<br />

Österreich) fühlen kann. Welche<br />

motivationen und Gedanken in der<br />

Luft liegen oder nicht ausgesprochen<br />

werden, welchen Ausdruck Streetar -<br />

tists dafür finden. Es schadet ja nicht,<br />

sich die Frage zu stellen: Was würde<br />

ich tun, wenn ich drei Jahre militär -<br />

dienst leisten müsste oder sonst nicht<br />

mehr nach israel einreisen könnte,<br />

wo meine Großeltern leben?<br />

Ihr Beitrag über Wehrdienstverweigerer<br />

ver anlasste einen fm4.at-poster, folgenden<br />

Kommentar zu verfassen. „jaja, schon<br />

ganz einfühlsam geschrieben. mein mitgefühl<br />

mit den isralis hält sich aber angesichts<br />

deren genozid- und völkerrechtsverbrechen<br />

in grenzen. da ist es nur fair<br />

und billig in deren militärapparat mitma-<br />

KULTUR<br />

<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770 43


KULTUR • INLAND<br />

chen zu müssen. ansonsten könnten sie ja<br />

auch nicht die palästinenser massakrieren.”<br />

Was dachten Sie, <strong>als</strong> Sie das gelesen<br />

haben?<br />

mich besorgt immer, wie verbittert<br />

men schen anonym schreiben können,<br />

und wie wunderbar es wäre, wenn sie<br />

ihre Energie oder Empathie in einen<br />

Zweck investieren würden, anstatt<br />

sich konsequenzfrei in Foren zu er -<br />

leich tern. ich verstehe die Wut über<br />

die Art, in der dieser Krieg geführt<br />

wurde, über den Krieg selbst. Aber<br />

wenn man menschen nicht <strong>als</strong> individuelle,<br />

dreidimensionale menschen<br />

mit verborgenen Talenten und ge -<br />

schei ter ten Träumen betrachtet, sondern<br />

national oder religiös schubladisiert,<br />

dann macht man es sich unqualifiziert<br />

einfach und hat etwas mit den<br />

Beteiligten am Konflikt gemein: es ist<br />

immer leichter Fremdes, Unbe kann tes<br />

zu hassen.<br />

Welche Erfahrungen werden Sie aus<br />

Israel nach Österreich mitnehmen?<br />

Die mentalität. Es ist spannend, in<br />

einem Land zu leben, dass sich viele<br />

<strong>als</strong> Lebensmittelpunkt aussu chen.<br />

nicht wie in Österreich sind men -<br />

schen hier einfach hineingeboren,<br />

sondern treffen an einer besonderen<br />

Stelle in ihrem Leben die Entschei -<br />

dung, dass sie hier sein möchten. Weil<br />

die menschen hier miteinander re -<br />

den, etwa, wenn sie im Bus nebeneinandersitzen.<br />

Weil sie sich in die Au -<br />

gen schauen, weil sie direkt sind. man<br />

kann von Fremden, in der Bank, im<br />

Bus, einfach angeschrien werden,<br />

gleichzeitig passiert es auch, dass ei -<br />

nen fremde menschen aus dem<br />

nichts auf einen Tee oder ein Schab -<br />

batessen einladen.<br />

Die Erinnerung an die Schönheit des<br />

Landes (<strong>als</strong>o auch: Palmen und<br />

Kakteen und Wüste).<br />

Die Angespanntheit des Kriegszu stan -<br />

zur Person<br />

des, weil es in einem israelischen Le -<br />

ben um anderes geht <strong>als</strong> in einem ös -<br />

terreichischen. Weil menschen auch<br />

viel existenziellere Erfahrungen ma -<br />

chen, Tod nicht so abstrakt ist.<br />

Dann das Blicken hinter den medialen<br />

Filter, ein politisches Scharfstellen<br />

in einem Land, das weder nur ein Ga -<br />

za-Streifen ist, noch eines, in dem man<br />

sich vor Cafébesuch und Busfahrten<br />

fürchten muss, aber eben auch. Über<br />

das Leben wird hier ganz anders<br />

gesprochen.<br />

clara trischler, geb. 1986 in Kor neuburg, aufgewachsen in Wien, so sie am<br />

„Schulschiff“ auch die matura ablegte.<br />

2004/05 Europäi scher Freiwilli gen dienst in einem Holiday Retreat für<br />

menschen mit multipler Skle rose in Schott land, 2005 bis 2007 Studium der<br />

Theater-, Film- und medienwissen schaft, der Verglei chen den Literatur wis -<br />

senschaft und der Philosophie an der Universität Wien.<br />

2006 bis 2007 Studium am Euro pe an Film College in Ebel toft (Däne mark).<br />

2008 Filmproduktions prak ti kum in Berlin. Teilnahme an Kurzfilmfestiv<strong>als</strong>,<br />

Tätigkeit <strong>als</strong> Ra diosprecherin für ein österreichisch-slo wa ki sches Jugend pro -<br />

gramm.<br />

Derzeit im Rahmen des Gedenk dienstes Freiwilligendienst im Do kumen ta -<br />

tionsarchiv von Yad Va shem in Jerusalem. Dort sichtet sie letzte Zeugnisse<br />

von Shoa-Opfern wie Postkarten, Liebesbriefe, Ge burts urkunden, um Ster -<br />

bedaten, geglückte Fluchten und illegale Be ziehungen zu rekonstruieren.<br />

Trischler bloggt zudem für den ORF-Radiosender Fm4 aus israel.<br />

http://fm4.orf.at/claratrischler<br />

50 Jahre Dachverband PaN - Im Juni wurden zusammen mit dem Bot schafter<br />

des Staates Israel in Österreich Dan Ashbel in den Räumlichkeiten seiner<br />

Residenz rot-weiß-rote PaN-Ehrenzeichen verliehen an: den 1. Präsi den ten der<br />

Ös terreichisch-Israelischen Gesell schaft, Vizebürgermeister a.D. Dr. Sepp Rieder,<br />

den 2. Präsidenten der Österreichisch-Israelischen Gesell schaft, Bezirksvor ste her<br />

a.D. Dr. Richard Schmitz, das Vorstands mitglied der Österreichisch-Israe li schen<br />

Gesellschaft, Generaldirektor a.D. Komm.-Rat Erik Hanke sowie den Initia tor von<br />

Alpine Peace Crossing, Direktor Dr. Ernst Löschner<br />

© Heinz Husslik<br />

Gesellschaft für politische Aufklärung<br />

und die BHW-Akademie für Bildung<br />

und Regionalkultur<br />

ermordung von Behinderten<br />

und unerwünschten in der<br />

ns-zeit<br />

Dreitägiges Seminar in Verbin dung<br />

mit einer Studienexkursion Wien-<br />

Steinhof und zum einstigen "mord-<br />

schloss" Hartheim (OÖ) gibt einen<br />

differenzierten Einblick in dieses<br />

Kapitel unserer Geschichte und er -<br />

möglicht eine intensive Auseinan -<br />

der setzung mit der Thematik, vor<br />

al lem aber auch mit aktuellen Be -<br />

zü gen.<br />

23. bis 25. oktober <strong>2009</strong><br />

Wien und Hartheim/OÖ<br />

Kosten: € 200,-- (für Bus, Unterkunft<br />

DZ, Essen), für Studentinnen: € 180,--<br />

info unter: http://www.bhw-n.eu<br />

44 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770


„Heldenverehrung<br />

im Bunker“<br />

Im Klagenfurter Bergbaumuseum öffnet<br />

am 10. Oktober eine Ausstellung über<br />

Jörg Haider ihre Pforten. Das Datum ist<br />

doppelt bedeutsam: 1920 fand an diesem<br />

Tag jene Volksabstimmung statt, bei der<br />

sich die Südkärntner für den Verbleib bei<br />

Österreich aussprachen. 2008 sollte es<br />

der letzte Lebenstag des amtierenden<br />

Lan deshauptmanns von Kärnten werden.<br />

In den Morgenstunden des 11. Oktober<br />

fuhr der langjährige FPÖ-Politiker und<br />

Gründer des BZÖ stark alkoholisiert mit<br />

seinem Dienstwagen mit überhöhter<br />

Ge schwindigkeit in den Tod. Genau ein<br />

Jahr nach seinem Ableben will nun eine<br />

Schau über den Menschen Jörg Haider<br />

informieren. Der frühe Zeitpunkt irritiert<br />

ebenso wie der Ort der Ausstellung –<br />

ein ehemaliger NS-Bunker. Entsteht hier<br />

eine Pilgerstätte für das rechte Lager?<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

Wenn man nach schriftlichen infor -<br />

ma tionen zu der Ausstellung über Jörg<br />

Haider sucht, ist man auf verlorenem<br />

Posten. Pressetext? Fehlanzeige. in for -<br />

mationen auf der Homepage des mu -<br />

seums? Rudimentär. Auf www.bergbaumuseum.at<br />

erfährt man (jedenfalls<br />

bis Redaktionsschluss Anfang Sep -<br />

tember) schlicht: „In Vorbereitung: Dr.<br />

Jörg Haider, 1950 – 2008. Biografische<br />

Ausstellung über den verstorbenen Kärnt -<br />

ner Landeshauptmann Dr. Jörg Hai der.<br />

Seite in Arbeit … Weitere Informationen<br />

folgen …“<br />

Der Blätterwald rauschte dennoch<br />

bereits kräftig diesen Sommer, vor<br />

allem deutsche medien hielten mit<br />

Hä me und Spott nicht hinter dem<br />

Berg. „Jetzt kehrt das tote Idol zurück in<br />

den Bunker, der heute ein wenig besuchtes<br />

Bergbaumuseum ist“, schrieb etwa<br />

Joachim Riedl auf Zeit online. „Haider<br />

sells. Daran hat sich in den zehn<br />

Monaten, die seit seinem Tod vergangen<br />

sind, wenig geändert“, formulierte Eli -<br />

salex Henckel in „Die Welt“. „Ver klä -<br />

rung in Klagenfurt“, titelte der Tages -<br />

spiegel, „Unterirdische Huldigung“ die<br />

Süddeutsche Zeitung.<br />

KULTUR • INLAND<br />

Was aber wird den Besucher konkret<br />

erwarten? „Persönlich nehme ich nun<br />

einmal an, dass es eine hagiographische<br />

Ausstellung zum verstorbenen<br />

Landeshauptmann werden wird, die<br />

jede kritische Auseinandersetzung<br />

mit seiner ideologie, seiner von et -<br />

lichen Wendungen gekennzeichneten<br />

Politik und seiner instrumentalisie -<br />

rung von unverdauter nS-Vergan gen -<br />

heit, Rassismus, Antisemitismus und<br />

Fremdenfeindlichkeit ebenso wird<br />

vermissen lassen wie die durch ihn in<br />

Bewegung gesetzte Verschleierung<br />

der Grenze zwischen demokratischer<br />

Politik und rechtspopulistischer De -<br />

ma gogie“, sagt Brigitte Bailer-Galanda,<br />

wissenschaftliche Leiterin des Do ku -<br />

mentationsarchivs des Österreichischen<br />

Widerstands (DÖW), von der<br />

„Gemeinde“ nach ihrer Einschätzung<br />

befragt.<br />

Bailer-Galanda weiter: „Die Ausstel lung<br />

wird wohl am Haider-Kult weiterbauen<br />

sollen, worauf ja auch der Eröffnungs -<br />

termin (10.10.) sowie die Ankündigung,<br />

das Haider-Gedenken zu einem fixen Be -<br />

standteil künftiger Oktoberfeiern machen<br />

zu wollen, schließen lassen.“ Die His to -<br />

rikerin weist zudem darauf hin, dass<br />

Haider bei Rechtsextremen zuletzt<br />

nicht mehr unumstritten gewesen sei,<br />

„wieweit er <strong>als</strong> Kultfigur auch dieses La ger<br />

bedienen wird, kann ich derzeit nicht<br />

abschätzen“.<br />

noch schärfere Worte findet Eva<br />

Blimlinger, frühere Forschungskoordi -<br />

na torin der Historikerkommission der<br />

Republik, heute Projektkoordinatorin<br />

für Kunst- und Forschungsförderung<br />

an der Universität für Angewandte<br />

Kunst: „Am 10. Oktober <strong>2009</strong> wird die<br />

Schau „Jörg Haider, 1950 – 2008“ im<br />

Bergbaumuseum Klagenfurt eröffnet.<br />

Au sstellung ist wohl unpassend, ein Sam -<br />

melsurium wird es werden, das Berg -<br />

baumuseum wird zum Schrein, in den<br />

allerlei Versatzstücke aus dem Leben des<br />

betrunken in den Tod gefahrenen Landes -<br />

haupt mannes gepackt werden. Es wird<br />

eine Heldenverehrung im Bunker werden,<br />

nichts da mit wissenschaftlicher Bear bei -<br />

tung, mit kritischer Darstellung, gar mit<br />

Reflexion, nein, nein, nur Schaukelpferd<br />

und Laufschuhe des Alkolenkers. Viel leicht<br />

kann dann auch darüber gelesen werden,<br />

dass er ja gar nicht schuld sei, sondern<br />

irgendein ausländischer Geheimdienst.<br />

Mossad? CIA?“<br />

Blimlinger ergänzt: „Zwar ist er schon<br />

ein Held, aber eigentlich doch ein Opfer,<br />

ein Opfer der Linken, der Antifaschisten,<br />

der ‚Ostküste‘ und so weiter. Kärnten<br />

braucht ihn, und wenn er nicht mehr lebt,<br />

dann eben <strong>als</strong> Toten, und so wird flugs<br />

eine Wallfahrtsstätte errichtet und das mit<br />

öffentlichen Geldern. 85.000 Euro sollen<br />

dafür von der Stadt Klagenfurt aus dem<br />

Kul tur bud get zur Verfügung ge stellt werden,<br />

das ist der eigentliche Skan dal. Und<br />

vielleicht springt das Land Kärnten ein,<br />

wenn es doch nichts wird mit der Sub ven -<br />

tion oder gar die Republik? Keinen Euro<br />

und Cent aus öffentlichen Mitteln darf es<br />

für dieses obskure Unternehmen geben.<br />

Eine Jörg-Haider-Schau ist schlicht weg kein<br />

öffentliches Anlie gen, vor allem dann,<br />

wenn es nur da rum geht unreflektiert eine<br />

Art hagiographisches Potpourri zu zeigen.“<br />

Gerhard Finding, Direktor des Berg -<br />

baumuseums sowie Kurator der Aus -<br />

stellung versteht nach Lektüre der<br />

durch die Bank kritischen medien be -<br />

richte die Welt nicht mehr. „Aus Kärn -<br />

ten kommt Zustimmung, aber außerhalb<br />

schwappen hier die Emotionen schon<br />

hoch.“ Dabei gehe es bei der Ausstel -<br />

lung we der um Helden vereh rung<br />

noch um eine Werbeaktion des BZÖ,<br />

versichert Finding. Denn: die idee,<br />

eine Haider-Schau zu machen, stamme<br />

von ihm. Er sei Haider zu Leb zeiten<br />

übrigens nie begegnet. Und: „Hier Hel -<br />

den verehrung zu betreiben, das wäre zu<br />

billig. Es auf diesem Nivea zu machen,<br />

das wäre in Kärnten sehr einfach.“<br />

„Meine Frau und ich sind am Samstag<br />

um sieben Uhr beim Kaffee gesessen und<br />

da haben wir im Radio gehört, dass er ge -<br />

storben ist“, erzählt der museums di rek -<br />

tor im Gespräch mit der „Ge mein de“.<br />

„Und wir sind ja ein öffentliches Mu se -<br />

um, da müssen wir eine Fahne aufziehen.<br />

Ich wohne etwas außerhalb von Klagen -<br />

furt und <strong>als</strong> ich dann im Auto saß, um in<br />

die Stadt zu fahren, da habe ich eine Frau<br />

gesehen mit einer Kerze, die kniete vor<br />

einem Wahlplakat Haiders. Und da habe<br />

ich mir gedacht – da ist et was passiert.<br />

Das war der Anfang der Ausstellung. Das<br />

war ein paar Stunden nach seinem Tod.“<br />

Seitdem werkt Finding an der Schau,<br />

deren Texte er gänzlich selbst verfasst.<br />

inhaltlich will die Ausstellung<br />

nicht den Politiker, sondern den men -<br />

schen Jörg Haider zeigen, und wird<br />

dabei in vier Themenblöcke gegliedert<br />

sein: Erstens die nS-Vergangenheit<br />

der Familie Haider, zweitens das Le -<br />

ben des menschen Jörg Haider, drittens<br />

der Landeshauptmann und<br />

schließlich viertens „sein Tod“.<br />

<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770 45


KULTUR • INLAND<br />

Thema eins lässt aufhorchen: ist hier<br />

tatsächlich eine kritische Aus ein an -<br />

dersetzung mit dem Thema „Haider<br />

und sein Umgang mit der nS-Zeit“<br />

zu erwarten? nein, Finding beschränkt<br />

sich hier auf die Familiengeschichte<br />

und will das zeigen, „was belegbar ist“.<br />

Das sei übrigens auch mit Witwe<br />

Claudia Haider abgesprochen. „Es<br />

wird objektiv sein.“ mit „hätte, könnte“<br />

wie in einer Titelgeschichte über Jörg<br />

Haiders Vater diesen Sommer im<br />

nachrichtenmagazin profil, in dem das<br />

Blatt vor allem versuchte, die Rolle<br />

von Robert Haider in der nS-Zeit<br />

nach zuvollziehen, werde er nicht ope -<br />

rieren, betont Finding. Es werde Be le -<br />

ge zu sehen geben. Aber keine inter -<br />

pre tationen.<br />

insgesamt soll es eine sehr textlastige<br />

Ausstellung werden, auf einer Fläche<br />

von insgesamt 1.000 Quadratmeter.<br />

Jede Station wird lediglich mit wenigen<br />

Objekten illustriert werden. Für<br />

die Kindheit Jörg Haiders steht dessen<br />

Schaukelpferd. Dass dieses bereits<br />

medial durch den Kakao gezogen wur -<br />

de, schmerzt Finding. Es sei schlicht<br />

das einzige Stück, das aus Haiders<br />

Kindheit erhalten geblieben sein,<br />

erklärt er. Die Darstellung des Lebens<br />

Jörg Haiders soll übrigens den politischen<br />

Aspekt, Haiders Wirken auf<br />

Bun desebene, in der FPÖ, im BZÖ<br />

nahezu ausklammern. „Es geht um den<br />

Menschen Jörg Haider.“ Sym bo lisch<br />

sind hier Haiders Lauf schu he zu sehen.<br />

Den Landeshauptmann Haider will<br />

Finding an Hand von dessen Visio nen<br />

porträtieren. „Soziales und Gesundheit,<br />

Bildung und Ausbildung, Wirtschaft,<br />

Kul tur und Kunst, Medien und Journa -<br />

lis mus: wir bringen seine Visionen und<br />

der Besucher muss dann selbst entscheiden,<br />

was war gut, was gelungen, was war<br />

f<strong>als</strong>ch.“ Die illustration hier: Haiders<br />

Schreibtisch. nicht zu sehen sein wird<br />

der zu Schrott gefahrene VW Phaeton,<br />

in dem Haider in den Tod raste. „In<br />

meinem Konzept wäre das Wrack drinnen,<br />

Frau Haider möchte es nicht und<br />

wir fügen uns, ich frage sie kein zweites<br />

Mal“, so der Ausstellungsmacher.<br />

So weit zu dem, was inhaltlich zu er -<br />

warten ist. Der Ort der Ausstellung<br />

lässt jeden politisch interessierten<br />

menschen sofort Assoziationen an -<br />

stel len: das Bergbaumuseum befindet<br />

sich in einem früheren nS-Stollen, der<br />

der Bevölkerung <strong>als</strong> Luftschutz bun -<br />

ker diente. Hier habe sich der damalige<br />

Gauleiter Friedrich Rainer via<br />

Radio mit den Worten „Passt mir auf<br />

mein Kärnten auf“ im mai 1945 von<br />

der Kärntner Bevölkerung verabschiedet.<br />

Ähnliche Worte benutzte<br />

Haider 1991, nachdem er wegen seines<br />

Ausspruchs über die „ordentliche<br />

Beschäftigungspolitik“ im Dritten<br />

Reich abgewählt worden war. Das<br />

BZÖ plakatierte nach Haiders Tod<br />

„Wir passen auf dein Kärnten auf“ –<br />

und siegte bei der Kärntner Land tags -<br />

wahl. Finding ärgert, dass in jedem<br />

medienbericht dieser Aufruf, auf<br />

Kärnten aufzupassen, zu lesen ist. Rai -<br />

ner habe es nämlich anders for muliert:<br />

„Nation<strong>als</strong>ozialisten und Natio n<strong>als</strong>ozia -<br />

lis tinnen, tretet jetzt alle mit allen Kräf ten<br />

ein für das freie und ungeteilte Kärnten.“<br />

in der Tat klingen die Worte anders,<br />

der Sinn bleibt freilich gleich, und<br />

damit die Optik schief.<br />

Die Kritik, dass eine Ausstellung über<br />

Jörg Haider in einem nS-Stollen<br />

gezeigt wird, kann der museumsdi -<br />

rek tor nicht nachvollziehen. 1986 ha be<br />

man die Halle im Stollen vergrößert,<br />

seit dam<strong>als</strong> „hat es an die 1.000 Ver -<br />

anstaltungen hier gegeben mit einer halben<br />

Million Besuchern. Und jetzt wird da<br />

so ein Theater gemacht. Auch die ‘Klei ne<br />

Zeitung’ hat hier schon einmal eine<br />

Weihnachtsfeier abgehalten. Bei der Er -<br />

tellung meines Kon zepts habe ich jedenfalls<br />

gar nicht daran gedacht.“<br />

Ähnlich argumentiert der für das<br />

mu seum zuständige Klagenfurter<br />

Kulturstadtrat Albert Gunzer (BZÖ).<br />

mit der historischen Belastung des<br />

Ortes (nahe dem nS-Stollen befand<br />

sich auch eine nS-Hinrichtungs stät te)<br />

habe man kein Problem: „Seit Jahr -<br />

zehn ten gibt es Ausstellungen dort, jetzt<br />

bei Haider eine NS-Diskussion anzufangen<br />

wäre Heuchelei.“ Und für Kärn tens<br />

Landeshauptmann Ger hard Dör ler<br />

(BZÖ) ist die Empörung nichts anderes<br />

<strong>als</strong> „die ewig gleiche braune Suppe,<br />

die auf Kärnten ausgekippt wird“. Er<br />

betont: „Es geht darum, den Leuten<br />

einen Ort zu geben, wo sie ihre Trauer<br />

und ihr Gedenken hintragen können.“<br />

Diese Trauer – sie erscheint außerhalb<br />

Kärntens bizarr, doch sie existiert.<br />

noch immer legen menschen an der<br />

Unfallstelle Blumen nieder, zünden<br />

Kerzen an. „Ich bin noch nicht draufgekommen,<br />

warum Kärnten so trauert“,<br />

sagt Finding. Als vorrangiges Ziel -<br />

publikum nennt er denn auch „Kärnt-<br />

ner“. Bis 26.01.2010 soll die Schau ge -<br />

öffnet haben – an diesem Tag wäre<br />

Haider 60 Jahre alt geworden. Fin ding<br />

erwartet bis dahin 20.000 bis 30.000<br />

Besucher, sei das in teresse höher,<br />

dann werde verlängert.<br />

Das Kärntner BZÖ geht indessen be -<br />

reits von 50.000 bis 80.000 Be suchern<br />

aus, was die Grüne Gemeinderätin<br />

Evelyn Schmid-Tarmann mutmaßen<br />

lässt, dass hier über die Laufzeit der<br />

Ausstellung hinaus ein Haider-mu -<br />

seum eingerichtet werden soll. „Dass<br />

die Gedächtnisschau ein Erfolg wird,<br />

daran gibt es keinen Zweifel. Ich denke,<br />

das Haider-Museum wird den Pilgertou<br />

rismus richtig ankurbeln, es wird zum<br />

Wallfahrtsort werden.“<br />

Als Skandal empfindet Schmid-Tar -<br />

mann vor allem die Vorgänge rund um<br />

die Genehmigung der für die Schau<br />

benötigten mittel in Höhe von 85.000<br />

Euro durch den Stadtsenat. Hier habe<br />

das BZÖ nämlich getrickst. „Zu Be ginn<br />

der Stadtsenatssitzung nahm Gun zer den<br />

Punkt 61 – Haider-Museum – von der<br />

Tagesordnung. In einem in mehrere Pos -<br />

ten aufgeteilten Nachtrag aber ließ er die<br />

85.000 Euro für das Berg baumuseum<br />

beschließen!“, erzählt Grün-Stadträtin<br />

Andrea Wulz. BZÖ-Chef Josef Bucher<br />

erwartet indessen „ein tolles Geschäft<br />

für die Stadt Klagenfurt“. Der Eintritts -<br />

preis liegt bei fünf Euro. Alles nur,<br />

damit der Rubel rollt?<br />

Der Historiker Stefan Karner, Leiter<br />

des Boltzmann-instituts für Kriegs fol -<br />

genforschung, kann sich wie Bai ler-<br />

Galanda und Blimlinger nicht des<br />

Eindrucks erwehren, dass es hier um<br />

Heldenverehrung geht. in einem in -<br />

terview meinte Karner, die Ausstel -<br />

lung erinnere ihn, trotz aller Beteu e -<br />

rungen der Ausstellungsmacher, im<br />

Vorgehen an den märtyrer-Kult um<br />

den im Jahr 1934 von den nazis er -<br />

mordeten österreichischen Bundes -<br />

kanz ler Engelbert Dollfuß, der zuvor<br />

in Österreich die Demokratie ausgeschaltet<br />

habe. Karner hält eine Aus -<br />

stellung über Haider übrigens zwar<br />

generell für be grüßenswert, aus wissenschaftlicher<br />

Sicht aber für völlig<br />

verfrüht. Die Ver or tung des Politikers<br />

in der Ge schich te und eine objektivere<br />

Sicht seien ein Jahr nach seinem<br />

Tod noch nicht möglich. „Haider war<br />

eine vielschichtige Persönlichkeit, die<br />

man breit und differenziert aufarbeiten<br />

muss. Erst dann kann man an die Ver -<br />

mitt lung in einer Ausstellung gehen.“<br />

www.bergbaumuseum.at<br />

46 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770


KULTUR • INLAND<br />

Goldenes Verdienstzeichen des Landes Wien<br />

für Künstlerin Soshana<br />

1927 in Wien geboren, bereiste die<br />

Künstlerin Soshana Afroyim viele<br />

Länder der Welt und erlangte bald in -<br />

ternationales Ansehen und Anner -<br />

ken nung für ihr vielfältiges und um -<br />

fassendes Werk. Am 2. <strong>September</strong><br />

<strong>2009</strong> nahm sie, im Alter von 82 Jah -<br />

ren, das Goldene Verdienstzeichen des<br />

Landes Wien im Wiener Rathaus entgegen.<br />

Soshana Afroyim war 1938 gezwungen<br />

Österreich zu verlassen und floh<br />

mit ihrer Familie über Frankreich<br />

zunächst nach England und später in<br />

die Vereinigten Staaten. Von 1952 bis<br />

1972 lebte die Künstlerin in Paris und,<br />

nach einem zweijährigen Aufenthalt<br />

in israel, zog es sie wieder nach new<br />

York, wo sie viele Jahre lebte. Bis 1985<br />

kehrte Soshana nicht mehr nach Wien<br />

zurück und bereiste zwischenzeitlich<br />

beinahe die ganze Welt, stellte vieler -<br />

orts ihre Werke aus und erlangte in -<br />

ternational ein entsprechendes Anse -<br />

hen. Durch die Verleihung des Golde -<br />

nen Verdienstzeichens wird Soshanas<br />

Lebenswerk nun auch in Österreich<br />

offiziell anerkannt und gewürdigt.<br />

in new York begann Soshana 1941<br />

un ter der Anleitung des Künstlers<br />

Beys Afroyim zu malen. Bei dem Leh -<br />

rer und Künstler fand sie die nötige<br />

Aufmerksamkeit und es entwickelte<br />

sich eine besondere Freundschaft und<br />

Shoshana Afroyim<br />

mit Sohn Amos<br />

Schüler und StR<br />

Dr. Andreas<br />

Mailath-Pokorny<br />

in weiterer Folge heirateten sie 1945.<br />

im Zuge gemeinsamer Reisen portraitierte<br />

das Künstlerpaar namhafte<br />

Persönlichkeiten, vor allem in Los<br />

An geles lebende Emigranten, wie<br />

etwa Bruno Walter, Franz Werfel, Ar -<br />

nold Schönberg und Thomas mann<br />

und viele andere.<br />

Soshana entwickelte ihre Kunst in<br />

verschiedene Richtungen. Während<br />

ihr Frühwerk geprägt ist von klassischen,<br />

naturalistischen Darstellungen<br />

in Form von Landschaften und Por -<br />

traits, ist für ihr späteres Werk die Ab -<br />

straktion, geprägt von der chinesischen<br />

Kalligraphie, von wichtiger<br />

Bedeutung.<br />

Während ihrer Zeit in Paris schafft<br />

Soshana sich in der damaligen Kunst -<br />

me tropole <strong>als</strong> Künstlerin zu etablieren.<br />

Wie besonders diese von ihr erbrachte<br />

Leistung ist, formulierte die Kunst his -<br />

torikerin Ulli Sturm 2005 mit folgenden<br />

Worten: „Sich in einer männerdominierten<br />

Kunstwelt am Aufbruch in die<br />

Avantgarde einen Platz zu si chern, den<br />

be deutendsten Künstlerper sönlichkeiten<br />

(Picasso, Giacometti) und Kultur schaf -<br />

fenden der Zeit zu begegnen und auch noch<br />

in vielen persönlichen Künstler freund -<br />

schaf ten die Gelegenheit zur Weiterent -<br />

wicklung zu finden, war ein besonderer<br />

Verdienst Soshanas.“<br />

© media wien<br />

in der Tat lernte Soshana neben<br />

Picasso und Giacometti, nicht nur in<br />

Paris, viele bedeutende Persönlich -<br />

kei ten kennen. Kupka, Herbin, César,<br />

max Ernst, Jean Paul Sartre, Affandi,<br />

Albert Schweitzer, Adolph Gottlieb,<br />

mathias Goeritz und Joseph Hirsh -<br />

horn sind nur einige unter ihnen.<br />

neben Paris und new York war auch<br />

mexiko von wichtiger Bedeutung für<br />

die Künstlerin. Hier fühlte sie sich<br />

wohl und verbrachte vor allem in den<br />

60er Jahren viel Zeit in Cuernavaca.<br />

Als sie später im Rahmen eines in -<br />

terviews zu dem Land befragt wird,<br />

sagt sie: „Mexiko hat eine Eigenart, die<br />

den Menschen immer wieder zurückkehren<br />

lässt.“ ihre tiefe Beziehung zu diesem<br />

Land spiegelte sich auch in ihren<br />

Werken wieder.<br />

Soshanas hatte in der Tat ein vielfältiges,<br />

bewegtes und bewegendes Le ben.<br />

Sie widmete ihr Leben voll und ganz<br />

der Kunst und schuf sich ein internationales<br />

Ansehen <strong>als</strong> Wiener Künst -<br />

lerin, welches nun Österreich <strong>als</strong> ganzes<br />

zu Gute kommt. Österreich dankt<br />

es ihr durch die Übernahme ihres ge -<br />

samten schriftlichen Vorlasses (ma-<br />

nus kripte, Photos, Journale etc.) von<br />

der Österreichischen nationalbi blio -<br />

thek und das Land Wien dankt es ihr<br />

gebührend durch die Verleihung des<br />

Goldenen Verdienstzeichens.<br />

Die Website der Künstlerin, mit um -<br />

fassenden informationen zu ihrem<br />

Leben und Werk, ist unter http://<br />

www.soshana.com aufzurufen.<br />

<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770 47


Die wallende Lockenmähne, die<br />

man auf dem Titelbild der CD<br />

„mosaic“ sieht, ist gezähmt, das rotbraune<br />

Haar straff nach hinten ge -<br />

bunden. Weniger gezähmt ist die funkelnde<br />

Freude in den Augen der jungen<br />

Violinkünstlerin Orsolya Korcsolán:<br />

„Es war ein überwältigendes Erlebnis, in<br />

der renovierten Rumbach-Synagoge das<br />

Eröffnungskonzert des Jüdischen Som mer -<br />

festiv<strong>als</strong> Budapest spielen zu dürfen“, er -<br />

zählt die 32-Jährige noch ganz be seelt.<br />

Obwohl Korcsolán bereits zahlreiche<br />

Konzerte in Jerusalem, Sapporo, new<br />

York, Kuala Lumpur und mexiko<br />

City gegeben hat, bedeutet ihr das<br />

En gagement in ihrer Geburtsstadt<br />

beim diesjährigen jüdischen Kultur -<br />

fest etwas Besonderes. „Erstens wur de<br />

ich wegen meiner Einspielung jüdischer<br />

klassischer Musik eingeladen, und zweitens<br />

hat die Rumbach-Synagoge eine sentimentale<br />

Bedeutung für mich.“<br />

in der zwischen 1868 und 1872 von<br />

Otto Wagner im maurischen Stil er -<br />

bauten Synagoge, sind seit 1959 keine<br />

Gottesdienste mehr abgehalten worden.<br />

Das Gebäude war in der kommunistischen<br />

Zeit dem Verfall preisgegeben.<br />

Erst nach der Rückstellung<br />

an die jüdische Gemeinde von Buda -<br />

pest fand man vor kurzem investo ren,<br />

die das architektonische Juwel renovierten<br />

und es wieder in altem Glanz<br />

erstrahlen lassen. „Als ich Gergely, mei -<br />

nen Mann, im Gymnasium kennen lernte,<br />

gingen wir viel im jüdischen Viertel<br />

spazieren. Immer wieder standen wir vor<br />

den Eisengittern des Rumbach-Tempels<br />

und versuchten einen Blick ins Innere des<br />

Gebäudes zu werfen. Dam<strong>als</strong> hätte ich<br />

mir nie erträumt, dass ich da drinnen<br />

einmal auf meiner Geige spielen würde.“<br />

Doch auch das Lied, das zum motto<br />

des Festiv<strong>als</strong> gewählt wurde, und das<br />

Orsolya gleichsam <strong>als</strong> die Eröff -<br />

nungsfanfare spielte, hat große Tradi -<br />

tion: Szol a kakas már (Wenn der Hahn<br />

schon kräht) ist eine ungarisch-jüdische<br />

Weise, die der chassidische Rebbe<br />

von Kalov, Jitzhak isaak Taub, komponierte<br />

und die die Sehnsucht nach der<br />

Ankunft des messias zum Thema hat.<br />

„Das war wie eine heimliche Hymne in<br />

der Zeit, <strong>als</strong> das jüdisch-religiöse Leben<br />

weitgehend eingeschränkt war.“<br />

Entdecker und Förderer: Sir Georg Solti<br />

Die spezifisch jüdische note war aber<br />

bei Orsolyas Karriere nicht wirklich<br />

eingeplant. Sie erinnert sich zwar, dass<br />

KULTUR • INLAND<br />

sie schon <strong>als</strong> kleines mädchen zuhause<br />

viele jüdische melodien gehört<br />

hatte. „Meine Mutter musizierte auf der<br />

Violine, und mein Großvater spielte Cel lo<br />

und andere Instrumente. Aber das mach -<br />

ten sie großteils zu ihrem Vergnügen, ob -<br />

wohl mein Opa auch bei jüdischen<br />

Hochzeiten gerne aufspielte.“ Bei dieser<br />

musikalischen Vorbelastung ist es<br />

nicht überraschend, dass Orsolya<br />

bereits mit 12 Jahren an die Ferenc<br />

Liszt-musikakademie in Budapest<br />

aufgenommen wurde - in die Klasse<br />

für „außergewöhnliche Talente“. Das<br />

Studium bei berühmten ungarischen<br />

musikpädagogen absolvierte sie mit<br />

summa cum laude und erhielt dort ihr<br />

Master of Arts Diplom.<br />

Der große Einschnitt in ihrem künstlerischen<br />

Leben erfolgte mit 16 Jah -<br />

ren, <strong>als</strong> sie der weltberühmte ungarisch-jüdische<br />

Dirigent, Sir Georg<br />

Solti spielen hörte. „Das war 1993 im<br />

Rahmen des Schleswig-Holstein Musik<br />

Fes tiv<strong>als</strong>. Dort spielte ich das G-Moll-<br />

Violinkonzert von Wolfgang Amadeus<br />

Mozart und Sir Solti hat mich daraufhin<br />

eingeladen in seinem New Yorker Car ne -<br />

gie Hall Orchester zu spielen“, erinnert<br />

sich die junge Künstlerin in Dank -<br />

barkeit, denn damit war es noch nicht<br />

getan: „Er hat mir auch geraten, an die<br />

weltweit prestigeträchtigste Musikaka de -<br />

mie, die Juilliard School in New York,<br />

zur weiteren Ausbildung zu gehen.“<br />

Dort bekam Orsolya Korcsolán nicht<br />

nur die Gelegenheit noch <strong>als</strong> letzte<br />

Studentin von der legendären Päda -<br />

gogin Dorothy DeLay unterrichtet zu<br />

werden, sondern auch Größen wie<br />

Yitzhak Perlman und masao Kawa sa ki<br />

zählten zu ihren Lehrern. Als erste<br />

un garische Geigerin schloss sie ihre<br />

Ausbildung an der Juilliard School in<br />

new York mit dem Master of Music<br />

Degree im Violinfach ab. mit diesen<br />

Referenzen ausgestattet, erhielt die<br />

junge Künstlerin Engagements in der<br />

ganzen Welt, und ihre Auftritt führten<br />

sie bereits vor Jahren nach Österreich,<br />

England, Frankreich, Kanada, Japan,<br />

malaysia, mexiko und natürlich in<br />

die USA und nach Ungarn. Auch un -<br />

ter den Dirigenten fehlte kaum ein<br />

berühmter name: Korcsolán spielte<br />

sowohl mit ihrem Entdecker und För -<br />

derer Sir Georg Solti <strong>als</strong> auch mit<br />

Lorin maazel, Zubin mehta, André<br />

Previn, michael Tilson Thomas und<br />

Valery Gergiev.<br />

Jüdische Klassikfunde sogar in Kuala<br />

Lumpur<br />

Ungeachtet ihrer internationalen Auf -<br />

tritte mit großen Orchestern und im<br />

Bereich der Kammermusik mit traditionellem<br />

Klassik-Repertoire, entwikkelte<br />

Orsolya Korcsolán ein besonderes<br />

Faible für vergessene klassische<br />

Komponisten, die zum Großteil jü -<br />

disch waren.<br />

Wie konnte sich das im Ungarn der<br />

post kommunistischen Ära bei einer<br />

jungen musikerin entwickeln? „Es hat<br />

damit begonnen, dass ich meine Fähig kei -<br />

ten auch an der Klassik des 20. Jahr hun -<br />

dert erprobte, zum Beispiel an der Baal<br />

Shem Suite von Ernest Bloch, die dieser<br />

1923 zuerst für Violine und Klavier komponiert<br />

hatte. Ich fühlte mich dieser Mu -<br />

sik so nah, und die jüdischen Volksweisen<br />

schimmerten immer irgendwie durch.“<br />

Die intensive Befassung der interpretierenden<br />

Künstlerin mit verschütteten<br />

Kompositionen stammt aus den<br />

Jahren 1990 bis 1992.<br />

„Es gab viele niveauvolle Kantoren kon -<br />

zer te im Dohány Templom in Budapest,<br />

aber auch in ganz Ungarn. Ich wurde<br />

eingeladen, die Intermezzi zwischen den<br />

vokalen Auftritten zu spielen. Da habe<br />

ich begonnen, nach Noten diverser jüdischer<br />

Musiker zu suchen und diese auch<br />

zu sammeln.“ new York hatte auf die-<br />

48 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770


KULTUR • INLAND<br />

Orsolya Korcsolán: Mit<br />

der Violine auf den Spuren<br />

klassischer jüdischer Musik<br />

VON MARTA S. HALPERT<br />

sem Gebiet viel zu bieten, zahlreiche<br />

jüdische Komponisten zwar aus mit -<br />

telosteuropa stammten, aber in den<br />

USA Karriere machten und auch dort<br />

starben.<br />

Zu diesen Künstlern zählten Abra ham<br />

Goldfaden (1840-1908), Julius Chajes<br />

(1910-1985), Josef Bonime (1891-1959)<br />

oder Lazare Saminsky (1882-1959).<br />

ihre Werke interpretiert Orsolya Kor -<br />

csolán auf ihrer neuen CD „mosaic“,<br />

wo auch Ernest Blochs Baal Shem<br />

Suite und viele andere Gustos -<br />

tückerln auf höchstem niveau zu<br />

hören und zu genießen sind.<br />

Und obwohl die eifrige Sammlerin in<br />

diversen new Yorker musikarchiven<br />

schon viele der gesuchten noten finden<br />

konnte, reichte das material noch<br />

nicht für die Produktion einer kompletten<br />

CD. Daher glaubte sie eine<br />

Pause bei der Suche nach verschollener<br />

musik einlegen zu müssen, <strong>als</strong> sie<br />

mit ihrem mann, dem Hornisten<br />

Gergely Sugar, die Einladung erhielt,<br />

in malaysia mit dem Philharmonic<br />

Orchestra von Kuala Lumpur zu mu -<br />

sizieren. Aus dem Gastspiel wurden<br />

sechs aufregende und erfüllte Jahre.<br />

„Wir haben dort einen großen Hunger<br />

nach klassischer Musik vorgefunden und<br />

sogar ein Kammerorchester gegründet,<br />

näm lich die Malaysian Philharmonic<br />

Chamber Players,“ lacht Orsolya.<br />

Gergely Sugar, der jetzt am Kon ser va -<br />

torium Wien auf der Abteilung für<br />

Blasinstrumente und Schlagwerk un -<br />

terrichtet und bei den Wiener Sym -<br />

pho nikern spielt, fungierte in Kuala<br />

Lumpur <strong>als</strong> Dirigent und musiker -<br />

zieher. „Wir haben nicht nur für die Ju -<br />

gend lichen musiziert, sondern ihnen Mu -<br />

sik von Mozart, Dvorak, Beethoven, und<br />

Haydn näher gebracht,“ erzählt Sugar.<br />

Aber das jüdische „mosaic“ Pro gramm<br />

von Orsolya ruhte nicht: So gar in Kua -<br />

la Lumpur stöberte sie nach mu sik no -<br />

ten und wurde fündig. „Wahr schein -<br />

lich waren das geflohene Musiker, die die<br />

Noten mitgenommen hatten, und hier<br />

wusste man nicht viel damit anzufangen.“<br />

Kaddisch für Georg Solti alias<br />

György Stern<br />

Zwei Jahre vor dem Aufenthalt in<br />

Kua la Lumpur hatte das musikerehe -<br />

paar schon in Wien gelebt, weil Ger -<br />

gely bei den Wiener Symphonikern ein<br />

Engagement hatte. „Unser Sohn Natan<br />

ist 2006 in Malaysia geboren, und ir gend -<br />

wie hat es uns dann wieder nach Eu ro pa<br />

zurückgezogen. Ich habe jetzt das Glück<br />

meine Musikrecherche hier weiterführen<br />

zu können, weil Gergely am Wie ner<br />

Konservatorium beschäftigt ist,“ freut<br />

sich die Violinkünstlerin, die be reits<br />

material für eine zweite CD mit jüdischem<br />

Schwerpunkt gesammelt hat.<br />

Obwohl Orsolya Korcsolán sich im mer<br />

wieder über interessante Angebote<br />

freut auch reguläres Konzertre per toi -<br />

re sowie anspruchsvolle Kammer mu -<br />

sik zu spielen, träumt sie trotzdem<br />

von zukünftigen Projekten: „Es interessiert<br />

mich sowohl die spanisch-jüdische<br />

Musik <strong>als</strong> auch die zeitgenössische. Am<br />

liebsten möchte ich jüdische Komponisten<br />

finden und diese zur Uraufführung bringen.“<br />

Einmal ist das schon gelungen:<br />

Der israelische Komponist Jonatan<br />

Keren, den sie aus der Zeit an der Juil -<br />

liard School in new York kennt, hat ein<br />

musikstück mit dem namen „Cracksando“<br />

für sie komponiert. Beim<br />

Jüdischen Sommerfestival in Budapest<br />

<strong>2009</strong> spielte Orsolya diese Komposi -<br />

tion zum ersten mal und dann in Wien<br />

am 15. <strong>September</strong> bei ihrem Konzert<br />

im Jüdischen museum.<br />

Doch was die jungen Frau mit der Vi o -<br />

line ganz selten auslässt, ist maurice<br />

Ravels „Kaddisch“, denn das war das<br />

musikstück mit dem sie ihren För de -<br />

rer Sir Ge org Sol ti begeis terte.<br />

Und in Erin ne -<br />

rung an sei ne<br />

wun der ba re Un -<br />

ter stüt zung wid -<br />

met sie es ihm<br />

je des mal von<br />

neu em.<br />

<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770 49


KULTUR • ISRAELISCHE AUTOREN<br />

ERZÄHLEN<br />

GEGEN DEN TOD<br />

David Grossmans großer neuer<br />

Roman „Eine Frau flieht vor einer<br />

Nachricht<br />

VON ANITA POLLAK<br />

© Olivier Fitoussi/Flash90<br />

„Zum Überbringen einer Botschaft<br />

braucht es immer zwei, einen, der sie<br />

überbringt, und einen, der sie entgegennimmt“.<br />

Wenn sie nicht da ist, nicht zu Hause,<br />

unterwegs ohne Handy, keine Zei -<br />

tung liest, kein Radio hört, nicht er -<br />

reichbar ist, kann auch die nachricht<br />

sie nicht erreichen. Die schreckliche<br />

nachricht, die alle bedroht, die in<br />

israel ein Kind bei der Armee haben.<br />

Ora, die mutter zweier Söhne, flieht<br />

vor dieser Hiobsbotschaft.<br />

David Grossman hat sie erreicht. Am<br />

12. August 2006. Da ist sein jüngerer<br />

Sohn Uri in den letzten Stunden des<br />

zweiten Libanon-Krieges in seinem<br />

Panzer tödlich getroffen worden,<br />

beim Versuch, die Besatzung eines an -<br />

deren getroffenen Panzers zu retten.<br />

mit Uri kamen alle Kameraden in seinem<br />

Panzer ums Leben. Das schreibt<br />

David Grossman im nachwort seines<br />

jüngsten Romans.<br />

Und der Leser kann nicht anders, <strong>als</strong><br />

diese Tragödie mitzudenken, mitzufühlen.<br />

Obwohl Grossman diesen Roman<br />

schon 2003 begonnen hatte, knapp be -<br />

vor sein älterer Sohn seinen militär -<br />

dienst beendete und sein jüngerer<br />

ein berufen wurde, wirft die Wirklich -<br />

keit ihren Schatten zurück auf dieses<br />

Buch. Und so ist es letztlich eine Art<br />

Kaddisch auf den getöteten Sohn<br />

geworden.<br />

Auch Ora hat zwei Söhne. Adam hat<br />

das militär bereits verlassen, Ofer ist<br />

dabei, abzurüsten. Ora hat ihm eine<br />

Wanderung durch Galiläa versprochen.<br />

nur sie beide, mutter und Sohn,<br />

ein bisschen auch, um nach den Jah -<br />

ren der Distanz die alte nähe wiederherzustellen.<br />

Die Rucksäcke sind<br />

schon gepackt. Da bricht der Liba -<br />

non krieg aus und Ofer meldet sich<br />

freiwillig zurück zu seiner Pan zer ein -<br />

heit. Ora bringt ihn zu seinem Ein -<br />

satzort, wie andere Eltern auch, in je -<br />

dem Auto sitzt ein junger mann, die<br />

Erstgeborenen gleichen Erst lings früch -<br />

ten, Frühlingskarneval mit men schen -<br />

opfern am Schluss.<br />

Und Ora hat zwei männer. Seit sie<br />

sech zehn ist. Da hat sie Avram und<br />

ilan kennen gelernt. Alle drei waren<br />

sie Patienten auf einer isolierstation,<br />

während draußen der Sechstage-Krieg<br />

tobte. Eine Lebensfreundschaft be -<br />

gann, eine Schicks<strong>als</strong>gemeinschaft,<br />

eine männerfreundschaft und eine<br />

Dreiecksbeziehung. Ora liebt beide<br />

und beide lieben Ora. Sie werfen ihre<br />

namen in einen Hut und lassen das<br />

Los entscheiden. Ora heiratet ilan,<br />

Av ram gerät im Jom Kippur-Krieg in<br />

ägyptische Gefangenschaft und kehrt<br />

verändert, schwer verwundet an Leib<br />

und Seele zurück.<br />

Von beiden männern hat Ora einen<br />

Sohn. ilan, Adams Vater, wird auch<br />

Ofer, Avrams Sohn, erziehen, denn<br />

Avram lehnt sein Kind ab. „Ilan hat<br />

gut auf dein Kind aufgepasst. Ilan war<br />

eine gute Wahl, für uns beide.“ Wird<br />

Ora ihm später erzählen.<br />

Denn all das erschließt sich erst nach<br />

und nach. Wie ein mosaik fügt Gross -<br />

man einen Teil an den anderen, lässt<br />

Stellen offen, kehrt zurück zu einem<br />

Er zählstrang, führt einen anderen<br />

parallel, ergänzt, vollendet da oder<br />

dort ein Stück und geht weiter. Schließ -<br />

lich ist der gesamte Roman eine<br />

Wanderung, ein Durchschreiten von<br />

Zeiten und Orten. Die Wanderung,<br />

die Ora mit ihrem Sohn geplant hat,<br />

wird zur Flucht, auf die sie auch Av -<br />

ram mitschleppt. ilan hat sie vor einigen<br />

monaten verlassen und trampt<br />

mit Adam durch Südamerika. Und<br />

während sie tagelang zu Fuß das Land<br />

durchstreifen - über Berge, durch<br />

Täler, Flussläufe und Wadis, vom See<br />

Genezareth, durchs Jesreel-Tal, sich<br />

Haifa und Jerusalem nähern, erzählt<br />

Ora ihrem Avram unendlich viel vom<br />

Leben seines unbekannten Sohnes.<br />

Damit er es weiß, damit er es erinnert,<br />

damit es nicht zu ende ist. in einer Art<br />

magischem Denken glaubt sie da durch<br />

die Lebensgefahr zu bannen, in der<br />

sich ihr Sohn befindet.<br />

Dem magischen Denken, Gefahren<br />

durch Worte, durch Erzählen, durch<br />

Schreiben abwenden zu können, verdanken<br />

wir letztlich auch diesen<br />

Roman. ich hatte dam<strong>als</strong> das Gefühl –<br />

oder genauer gesagt, die Hoffnung -,<br />

dass das Buch, das ich schreibe, ihn<br />

(seinen Sohn) schützen wird. Bekennt<br />

Grossman in seinem nachwort.<br />

in Oras Rückblenden auf die eigene<br />

Jugend, die Kindheit ihrer Söhne, ihr<br />

Familienleben und ihren Alltag entsteht<br />

ein Porträt israels und seiner<br />

Gesellschaft in den letzten Jahr -<br />

zehnten. Die Geschichte einer Liebe,<br />

einer Familie und eines Landes durchdringen<br />

einander, bedingen einander,<br />

wie das eben in israel und nur in is -<br />

rael der Fall ist, wo die Bedrohung<br />

all gegenwärtig ist<br />

„Gibt es noch Israel?“, fragen sich die<br />

jungen Leute auf der isolierstation<br />

wäh rend des Sechstage-Krieges, fragt<br />

sich Avram nach der Rückkehr aus<br />

den ägyptischen Folterkammern.<br />

Klingt ja ganz schön, mit Herzl zu<br />

sagen: „Wenn ihr wollt, ist es kein Mär -<br />

chen“, aber was, wenn einer nicht<br />

mehr will. Oder wenn einer zum Wol -<br />

len keine Kraft mehr hat? Wenn einer<br />

nicht länger kein märchen sein will.<br />

(…) in solchen momenten denke ich<br />

immer, sagt Ora, das ist mein Land,<br />

und ich kann wirklich nirgendwo an -<br />

ders hin. (…) Aber im selben mo -<br />

ment weiß ich auch, dass das Land im<br />

Grunde keine Chance hat, wirklich<br />

keine Chance. Vielleicht ist es auch<br />

eine Art magisches Denken, dem wir<br />

die schönsten Beschreibungen die ses<br />

umkämpften Stückchen Erde verdanken.<br />

Die Farben und Düfte der zahllosen<br />

Blumen und Blüten, der Bäume<br />

und Früchte, eine idylle, die Gross -<br />

man nicht müde wird vor uns auszubreiten,<br />

damit wir sie kennen und lie-<br />

50 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770


KULTUR • INLAND<br />

ben lernen, damit wir sie erinnern?<br />

Und er porträtiert die menschen dieses<br />

Landes, stellt die Frage nach ihren<br />

Sehnsüchten und ihren Fehlern, be -<br />

schreibt ihre Lebensläufe. Wir hatten<br />

zwanzig gute Jahre; das ist in unserem<br />

Land schon fast eine Frechheit,<br />

oder?<br />

Doch auch Grossman, der Friedens -<br />

ak tivist, versteckt sich nicht zwischen<br />

den Zeilen. Sein politisches Credo,<br />

für das er auch auf die Straße geht –<br />

eine Woche vor dem Tod seines Soh -<br />

nes demonstrierte er für ein Ende des<br />

Libanonkrieges - wird immer wieder<br />

spürbar, nicht zuletzt im Verständnis<br />

für die arabische Perspektive und das<br />

moralische Dilemma, das sich aus<br />

ebendiesem Verständnis ergibt.<br />

Sich eindenken, sich einfühlen können<br />

in Andere, das gehört zu Grossmans<br />

größten künstlerischen Qualitäten.<br />

So ist letztlich der ganze Roman aus<br />

der weiblichen Sicht erzählt, eine in -<br />

nenschau und eine Schau aus dem<br />

inne-ren einer Frau, die bis in die<br />

intimsten, erotischen Details überzeugen.<br />

Ora, die Geliebte, die Ehe frau,<br />

die Leidenschaftliche und Ver zwei -<br />

felte, sie ist ein sehr weibliches, sehr<br />

sinnliches Wesen. Und sie ist eine<br />

mutter, deren Angst um ihren Sohn,<br />

deren Panik vor einer nachricht, die<br />

kein mensch je vernehmen will,<br />

schmerzlich nachvollziehbar wird.<br />

Ob er diesen breit angelegten Roman,<br />

der seinen Sohn hätte schützen sollen,<br />

je würde vollenden können, daran<br />

hatte David Grossman Zweifel. „Ich<br />

bin mir nicht sicher, ob ich das Buch retten<br />

kann“, habe er zu seinem Freund<br />

Amos Oz, der ihn in der Trauerwoche<br />

besuchte, gesagt, erzählt er in einem<br />

„ZEiT“- interview. Oz antwortete:<br />

„Das Buch wird dich retten“.<br />

David Grossman:<br />

„Eine Frau flieht vor einer Nachricht“<br />

Aus dem Hebr. von Anne Birkenhauer<br />

Hanser Verlag,<br />

ZUM AUTOR - Der 1954 <strong>als</strong> Sohn eines Bus-Chauf -<br />

feurs in Jerusalem geborene David Grossman zählt mit<br />

seinen Romanen, Kinderbüchern und Essays zur Auto -<br />

ren-Elite Israels. Er studierte in Jerusa lem und arbeitete<br />

<strong>als</strong> Korrespondent und Moderator beim Sender Kol<br />

Israel. Dort war er jahrelang für eine Kindersendung<br />

verantwortlich und schrieb auch Hörspiele.<br />

Grossman gilt <strong>als</strong> linksgerichteter Friedensaktivist und<br />

hat sich in vielen Schriften und Reden kritisch zur<br />

Politik Israels geäußert. Zu seinen bekanntesten Wer -<br />

ken zählen „Stichwort Liebe“, „Der Kindheitse r fin -<br />

der“, „Das Gedächtnis der Haut“ und „Diesen Krieg<br />

kann keiner gewinnen“. Grossman ist verheiratet, Vater<br />

dreier Kinder und lebt in einem Vorort von Jerusalem.<br />

Partisanen der Erinnerung<br />

oder diplomatische Pendelmissionen<br />

Zum Ende des europäischen Erinnerungsprojektes JETE <strong>2009</strong><br />

Diplomaten und Partisanen haben<br />

eines gemeinsam, beide erreichen ihr<br />

Ziel nicht unbedingt auf dem direkten<br />

Weg. Die Unterschiede sind nicht<br />

nur in der Einstellung zur Ge walt<br />

festzumachen, sondern auch in der De -<br />

finition von Erfolgen. Die einen arbeiten<br />

im Hintergrund und dürfen ihre<br />

Siege oft nicht feiern, die anderen le -<br />

ben von kurzfristigen Siegen, weil die<br />

langfristigen meist unerreichbar sind.<br />

Erinnerungsarbeit an die Shoa, an die<br />

Verbrechen des nation<strong>als</strong>ozialismus<br />

hat die möglichkeit, im Pendelschlag<br />

zwischen Partisanen und Diplomaten<br />

Ta ge der Erinnerung einläuten zu lassen.<br />

Partisanen der Erinnerung. Das lässt<br />

aufmerken und diese Feststellung<br />

scheint aus einem anderen Land zu<br />

kommen. Sicherlich ist dies ein Tribut<br />

an den letzten Ort des europäischen<br />

Erinnerungsprojektes JETE Jüdische<br />

Bildungstraditionen in Europa, das<br />

nach drei Jahren mit einem Partner -<br />

treffen in Auvillar in Südfrankreich<br />

zu Ende gegangen ist. Und Frank -<br />

reich ist unbestritten das Land der<br />

Restistance und der genius loci ist<br />

vielleicht anregend, ansteckend, doch<br />

anders <strong>als</strong> auf den ersten Blick angenommen<br />

werden könnte.<br />

Wie kämpfen Partisanen? Sie arbeiten<br />

im Untergrund, sie schlagen überraschend<br />

zu, sie haben angesichts ihrer<br />

Schwäche einen Hang zu spektakulären<br />

Aktionen, die ihre zahlenmäßige<br />

Schwäche vergessen lassen. Wer heu -<br />

te noch von Partisanen spricht, der<br />

zeigt seine verganenheitsverliebten<br />

Wurzeln, fühlt sich auf der richtigen<br />

Seite der Geschichte, <strong>als</strong>o <strong>als</strong> minder -<br />

heit, denn für die mehrheit dam<strong>als</strong><br />

und wohl auch heute, waren Partisa -<br />

nen schon immer Verbrecher, denn<br />

die mehrheit stand unter Uniform.<br />

Für den einen Teil sind die Partisanen<br />

mit der Gloriole der Vergangenheit<br />

geadelt, doch nur mehr ganz Un ver -<br />

besserliche glauben, dass die Rettung<br />

der Welt in bolivianischen Urwäldern<br />

verraten worden sei, guter alter Che<br />

hilf uns nicht nachdenken lassen zu<br />

müssen. Partisanenkampf firmiert<br />

VON ROBERT STREIBEL<br />

heu te unter Terrorismus und damit<br />

ist kein Staat zu machen, so ändern<br />

sich die Zeiten. Erinnerungsarbeit hat<br />

in vielen Teilen Europas noch immer<br />

mit Auseinandersetzungen zu tun,<br />

Kampf wäre vielleicht übertrieben,<br />

aber die zahlenmäßige Schwäche und<br />

das Agieren in einer feindlichen Um -<br />

ge bung erinnern an den Partisanen -<br />

kampf. natürlich gibt es in einer Um -<br />

gebung, die den Anliegen ablehnend,<br />

abwartend und gleichgültig gegenübersteht<br />

auch Sympatisanten und<br />

Unterstützer, das Licht der Öffentlichkeit<br />

müssen sie jedoch meist scheuen.<br />

Patisanen sind in ländlichen Gebieten<br />

und mit dieser geographischen Fixie -<br />

rung ist ein weiterer Berührungs -<br />

punkt mit Erinnerungsarbeit gefunden,<br />

wenn es auch weiße Flecken in<br />

städtischen Gebieten gibt, auf dem<br />

Land, in der Provinz kann die Aus ein -<br />

andersetzung zuweilen bittere Züge<br />

annehmen, wenn sie überhaupt ge -<br />

führt wird. Partisanen gewinnen kei -<br />

ne Kriege und haben nicht die Wahl<br />

der mittel, Erinnerungs arbeiter innen<br />

haben diese Wahl und da heute zum<br />

überwiegenden Teil dem Lager der<br />

Pa zifisten zuzuordnen sind, auch<br />

wenn Hitler durch ebensolche nicht<br />

besiegt hätte werden können, soll die<br />

zweite notwendige Existenz form<br />

beschrieben werden. Wenn schon<br />

nicht Partisanenkampf, dann doch<br />

diplomatische Pendelmission. Wie<br />

man/frau es auch dreht, wenn die<br />

Pendeluhr der Aufmerksamkeit<br />

schlägt und wer hellhörig ist, muss<br />

ein gestehen, Erinnerung ist keine<br />

Selbstverständlichkeit wie der Tages -<br />

an bruch. Damit Erinnerung auf dem<br />

Plan kommender Tage erscheint,<br />

braucht es Fingerspützengefühlt. Es<br />

ist keine leichte Sache. Und ohne Um -<br />

wege ist das Ziel oft nicht zu erreichen.<br />

Auvillar ist der Ort, von dem Adele<br />

Kurzweil und ihre Familie aus Graz<br />

geflohen, 1942 deportiert wurden<br />

und wo 1990 die gepackten Koffer ge -<br />

funden wurden. Ein geschichts träch -<br />

tiger Ort und der Zufall des Ver kaufs<br />

des Bürgermeisteramtes hatte die<br />

Koffer zweier jüdischer Familien in<br />

die Erinnerung des Ortes zu rück ge -<br />

<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770 51


KULTUR • LITERATUR<br />

bracht. Die Aktivitäten rund um die<br />

Öffnung des Koffers, das Projekt mit<br />

der ehemaligen Schule von Adele in<br />

montauban, mit einer Ausstellung und<br />

einer Kooperation mit einer Grazer<br />

Schule trügen vielleicht. Das Vor -<br />

schnel le: Es wird doch erinnert, alles<br />

in Ordnung, muss mit der Realität des<br />

Jahres <strong>2009</strong> konfrontiert und so schnell<br />

revidiert werden. Adele ist präsent in<br />

Auvillar, eine Ausstellung von marlis<br />

Glaser „Und Abraham pflanzte einen<br />

Tmarisken baum”, ein Jugendbuch,<br />

das soeben in Deutsch erschienen ist.<br />

Warum sollten dies Beispiele für eine<br />

kritische Sicht sein?<br />

Die Präsenz des Themas täuscht nur<br />

scheinbar Selbstverständlichkeit vor,<br />

denn der Grund dafür sind die Akti -<br />

vitäten von Gerhard und marie Jo<br />

Schneider, die das betreiben und im<br />

Rahmen des Pro jek tes JETE, der lokalen<br />

Erinnerungs kultur in ihrem Ort in<br />

Südfrankreich neue impulse gegeben<br />

haben. Die Präsenz von Adele darf<br />

jedoch keineswegs täuschen. Sie ist<br />

keine Selbstverständlichkeit auch im<br />

Jahr <strong>2009</strong> nicht. Denn wer fragt, wo<br />

die Koffer von Adele Kurzweil heute<br />

sind, nachdem sie geöffnet und vorbildhaft<br />

ausgewertet vom Historiker<br />

Pascal wurden, der wird sich wundern<br />

zu hören, dass sie sicher auf Dach -<br />

boden in einem Privathaus la gern,<br />

weil sie dort sicher sind. nachdem sich<br />

die politischen mehrheitsver hältnisse<br />

in montaubaun verändert haben, ist<br />

von einem Raum für die de portierte<br />

Fa milie Kurzweil keine Rede mehr.<br />

Und der Historiker Pascal hat es auch<br />

nicht unbedingt leicht. Die Koffer<br />

wurden gefunden, um versteckt zu<br />

wer den.<br />

Das Land der Resistance hat sich mit<br />

dem Eingeständnis der Kollaboration<br />

reichlich schwer getan, bis heute.<br />

Aber es sind doch nun schon mehr <strong>als</strong><br />

60 Jahre nach dem Kriegsende vergangen<br />

und jetzt sollten wir doch Zeit<br />

für die aktuellen Verbrechen finden.<br />

Alleine viele der “alten” Verbrechen<br />

sind bis heute nicht geklärt und wenn<br />

sie geklärt sind, gibt es auch noch<br />

einen Unterschied zwischen der His -<br />

torie, den veröffentlichten Studien<br />

von Historikerinnen und der öffentlichen<br />

meinung und ist da ist dann<br />

noch das Leben in einer Kleinstadt<br />

wie auch Auvillar. Entweder Partisan<br />

oder diplomatische Pendelmission.<br />

Und Partisanen leben nicht wohlgelitten<br />

in Dörfern, <strong>als</strong>o Diplomatie der<br />

kleinen Schritte auch nach 60 Jahren.<br />

meine Frage, warum nicht am Ort des<br />

Geschehens, die Koffer gezeigt würden<br />

entlockt allen, denen ich diese<br />

Frage gestellt habe ein ungläubiges<br />

La chen, das sei ne unversiegbare<br />

Quel le im Unvor stellbaren hat. Un -<br />

denkbar. Auch wenn dies auch <strong>als</strong><br />

touristischer Anreiz gesehen werden<br />

könnte. Doch an Pilgern auf dem<br />

Jakobsweg ist kein mangel und was<br />

will man mehr. Auch die Lehrerin<br />

Lagrande, die mit ihren Schülerinnen<br />

die Geschichte von Adele Kurzweil<br />

aufgearbeitet hat, erinnert nicht an<br />

jemanden, der sich im Widerstand be -<br />

findet. Selbst für die Geschichte jener<br />

Französinnen und Franzosen, die<br />

Jüdinnen und Juden gerettet haben,<br />

ist jetzt erst, in den letzten zehn<br />

Jahren der Tag der Offenbarung angebrochen.<br />

Adele hat den Anstoß gegeben.<br />

Soviel wird über die Deportier -<br />

ten gesprochen, wobei es doch viele<br />

gegeben hat, die geholfen haben. Von<br />

einer historischen Weißwaschung ist<br />

Frau La grande weit entfernt, verwunderlich<br />

muss es doch erscheinen, wa -<br />

rum selbst die positiven Geschich ten<br />

bis heute nicht aufgearbeitet und<br />

nicht im Alltagsgedächtnis verankert<br />

sind. ist vielleicht auch mit geretteten<br />

Ju den kein Staat zu machen in Süd -<br />

frank reich des Jahres <strong>2009</strong>? nicht nur<br />

die Geschichte der Kollaboration,<br />

sondern auch jene des Widerstandes<br />

ist offenbar noch immer noch nicht<br />

lük kenlos geschrieben und wird nur<br />

dem Vergessen entrissen, wenn es<br />

Aktivis tin nen gibt, die eine mischung<br />

aus Partisan und Diplomat sind.<br />

Für die Lehrerinnen und Erwach se -<br />

nenbildnerinnen aus dem kleinen<br />

litauischen Ort Telsiai war das Projekt<br />

JETE ein Beginnen bei null. Während<br />

Projektepartnerinnen aus Polen, in sti -<br />

tut for Tolerance (Lodz), aus Österreich,<br />

Volkshochschule Hietzing (Wien)<br />

oder die Gesellschaft für Kunst und<br />

Heiterkeit über eine lange Tradition<br />

von Erinnerungsarbeit verfügen und<br />

diese in vielfältigen Pro jekten mitgestaltet<br />

haben, meint Ausra Vilkaite sie<br />

hätten so gut wie nichts über die Ge -<br />

schichte der Juden ihres Or tes ge wusst.<br />

Unglaublich wenn man weiß, dass die<br />

Geschichte der Juden in Telsiai bereits<br />

auf das 17. Jahrhundert zurückgeht<br />

und am Be ginn des 18. Jahrhunderts<br />

Juden die mehrheit im Ort stellten.<br />

Die Jeschiwa von Telsiai besaß Welt -<br />

ruf, im Jahr 1937 studierten dort Rab -<br />

biner aus Ame ri ka, England, Deutsch -<br />

land und Frank reich. Jeden Sommer<br />

ist Telsiai bis heute ein Pilgerort für<br />

Rabbiner aus vielen Ländern. Be -<br />

stärkt durch das Projekt hat sich die<br />

Gruppe rund um Ausra vorgenommen,<br />

aktive Erinne rungs arbeit zu leisten.<br />

im Rat haus von Auvillar in Frank -<br />

reich präsentieren sie das Ergebnis<br />

ihrer drei Jahre. Ein kleiner Folder<br />

liegt auf den Plätzen vor den Teil -<br />

nehmerinnen, ein Folder, eine erste<br />

Geschichte der jüdischen Gemeinde,<br />

eine Topographie jüdischer Gelehr -<br />

sam keit. “Where the Je wish Culture<br />

flourished” Für einen Tag haben sie die<br />

Jeschiwa wieder ge öffnet, haben die<br />

Geschichte des Hau ses und die Er -<br />

gebnisse ihrer Reisen im Rahmen des<br />

EU Projektes JETE prä sentiert und<br />

Steine mit jüdischen Sym bolen be -<br />

malt. Für Telsiai war es das erste mal,<br />

dass sich Bewoh ner in nen mit der jü -<br />

dischen Geschichte auseinandergesetzt<br />

haben. „Leider wa ren bei der Er öff -<br />

nung unserer Aus stel lungen keine Po li -<br />

tiker des Ortes an we send”, umreißt sie<br />

die Situation diplomatisch. Dass es<br />

jedoch keine Quer schüsse ge geben<br />

hat, dass ist doch schon ein halber Sieg<br />

und immerhin rund 50 Per sonen sind<br />

gekommen, mehrheitlich Frauen. na -<br />

türlich wollen sie weitermachen. Die<br />

Gemeinde, die im Besitz des desolaten<br />

Gebäudes der Jeschiwa ist, soll<br />

überzeugt werden dies in ein Kultur -<br />

zentrum umzuwandeln.<br />

Partisanen der Erinnerung sind Ein -<br />

zel kämpferinnen, die sich wenn die<br />

Umstände günstig sind, vielleicht zu<br />

kleineren Verbänden zusammenschließen<br />

und ihre größten Erfolge<br />

erreichen sie dann, wenn sie mit di -<br />

plomatischen Geschick Bildungs- und<br />

informationsnngebote machen, Erin -<br />

nerung an die Shoa mehrheitsfä hig zu<br />

machen, dass sie nicht nur toleriert,<br />

sondern <strong>als</strong> notwendiger Bestandteil<br />

des alltäglichen Lebens er lebt werden<br />

kann, ist ein hohes Ziel. Dies er fordert<br />

langfristiges Planen und einen langen<br />

Atem und dass die ses Ziel nicht erreicht,<br />

sondern immer wieder neu er -<br />

rungen werden muss, ist wohl der<br />

ein deutige Hinweis da für, dass dies<br />

dann möglich ist, wenn Diplo matie im<br />

Spiel ist und erst dann wenn durch<br />

Diplomatie die Erinne rung an die<br />

Opfer der Shoa so allgemein ge halten<br />

wird, dass plötzlich alle Opfer der<br />

Gewalt werden ohne die näheren<br />

Umstände zu definieren, dann sind<br />

na delstiche und Partisa nen kurzfris -<br />

tig von nöten bis ein neuer diplomatischer<br />

Anlauf genommen werden muss.<br />

52 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770


KULTUR • LITERATUR<br />

©Konrad Holzer<br />

Als mitten in der hochsommerlichen<br />

Augusthitze „Die Stadt“ erscheint,<br />

sitzt Gerhard Roth am Land. idy l li -<br />

scher <strong>als</strong> sein Wohnsitz in einem al ten<br />

Bauernhaus am Hügel, wo der Blick<br />

frei über Weinberge und Kürbisfelder<br />

der Südsteiermark schweift, kann<br />

Landleben kaum sein. Da, bei einem<br />

Glas Wein oder zwei, redet er gern über<br />

die Abgründe von Wien. Es ist ein<br />

dunkles, ein abseitiges, ein vielfach<br />

verdrängtes Wien, das Roth da in fast<br />

obsessiver jahrelanger Recher che ar beit<br />

ans Tageslicht bzw. in literarische<br />

Form gebracht hat.<br />

Ein vielfach Vielseitiger ist Gerhard<br />

Roth. Als gebürtiger Grazer hat er eine<br />

offene, steirische Sommersonnensei te,<br />

<strong>als</strong> zugewanderter Wiener eine kühlere,<br />

hintergründige Winterseite.<br />

„Der Fremde sieht mehr <strong>als</strong> der Ein hei -<br />

mische. Ich schätze Wien, aber es kann<br />

mir nicht den Nussbaum und den Jung -<br />

brunnen des Landlebens bieten“, sagt<br />

der braungebrannte 67-Jährige unter<br />

besagtem nussbaum.<br />

Vor zwanzig Jahren ist sein Essay band<br />

„Eine Reise in das Innere von Wien“<br />

erschienen. Die literarische Ernte seiner<br />

weiteren Vorstöße in die bizarren<br />

urbanen Eingeweide liegt jetzt in<br />

„Die Stadt“ vor. An scheinbar harmlosen<br />

Orten wie dem naturhistori -<br />

schen- oder dem Uhrenmuseum, der<br />

nationalbibliothek oder dem Ge richts -<br />

medizinischen museum entdeckt der<br />

fanatische Rechercheur das Verbor ge -<br />

ne, das Verräumte, das Verdrängte<br />

einer Vergangenheit, über die man<br />

hier zulande nicht ungefragt spricht.<br />

„VERSTECKTE<br />

SPUREN DES<br />

RASSENWAHNS“<br />

Ein Gespräch mit dem<br />

Schriftsteller Gerhard Roth<br />

über seinen neuen Essayband<br />

„Die Stadt“.<br />

VON ANITA POLLAK<br />

„Im Naturhistorischen Museum sind die<br />

Spuren des Rassenwahns in Gipskam mern<br />

versteckt, man weiß, es ist historisches<br />

Material, aber es schlummert. Und was ist<br />

z.B. in den Jahren 1938-1945 im Uh ren -<br />

museum geschehen? Ich versuche auch<br />

an Hand von Gebäuden Geisteshaltun gen<br />

zu ermitteln. Warum schaut ein Gebäude<br />

so aus, welche Spuren sind vorhanden und<br />

welche sind getilgt. Man hat ja auch versucht,<br />

nachträglich Idyllen zu schaffen“.<br />

Die Beschäftigung mit dem natio nal -<br />

so zialismus ist eines der Lebensthe -<br />

men Roths. immer wieder umkreist<br />

er es, ergründet es - biografisch und<br />

literarisch, <strong>als</strong> Kommentator, Essa yist,<br />

Homo politicus und Schriftsteller.<br />

„Der Nation<strong>als</strong>ozialismus, der Holocaust<br />

und seine Wurzeln haben mich subjektiv<br />

so beschäftigt, dass ich davon nicht losgekommen<br />

bin. Mit den Mitteln des Schrift -<br />

stellers richte ich den Blick auf Opfer und<br />

Vergessene. Was immer wieder neu ist, ist<br />

die Tragödie des Einzelnen. Die Frage, was<br />

hat jemand, der jüdische oder kommunistische<br />

Eltern hatte, in dem Regime ge -<br />

macht. Man kann das in einem Lehrbuch<br />

nicht so darstellen, wie in einem künstlerischen<br />

Werk.“<br />

ins Blindeninstitut und ins Bundes-<br />

Gehörloseninstitut hat Roth die Frage<br />

des Außenseitertums getrieben. „Im<br />

Nation<strong>als</strong>ozialismus wurde ja alles Außen -<br />

seitertum ausradiert. Die Normopathen<br />

wollten unter sich sein. Diese Fixierung<br />

auf die Normalität hat ja auch etwas<br />

Pathologisches. Im Holocaust wurden<br />

diese Außenseiter, die in den Augen der<br />

Nation<strong>als</strong>ozialisten biologisch nicht vollwertig<br />

waren, zum Teil unfruchtbar ge -<br />

macht oder es ist noch mörderischer zugegangen.<br />

Mich hat aber <strong>als</strong> Schriftsteller<br />

darüber hinaus auch die Metasprache in -<br />

teressiert, Gebärdensprache und Braille-<br />

Schrift.“<br />

im Epilog des Bandes lässt sich Roth<br />

die Geschichte des alten jüdischen<br />

Friedhofs, dem Tor 1 am Wiener Zen -<br />

tral friedhof, von Herrn Westermayr<br />

erzählen, einem Pensionisten, der vor<br />

einigen Jahren einen Verein für Fried -<br />

hofskunde und Persönlichkeitsforschung<br />

gegründet hat. Also ein idealer<br />

Gesprächspartner für den leidenschaftlichen<br />

Vergangenheitsforscher<br />

Roth. Beim Spaziergang zwischen<br />

den Gräbern von jüdischen Künstlern<br />

wie Schnitzler und Goldmark berichtet<br />

Herr Westermayer von Grab- und Lei -<br />

chenschändungen, von Schädel samm -<br />

lungen und vom mikrokosmos des<br />

Friedhofs, „ein Totenbuch, in dem wir le -<br />

sen können, solange es noch eine Zeit gibt“.<br />

Ein bisschen was von einem Toten buch<br />

hat auch Roths literarischer Reise füh -<br />

rer durch das abgründige Wien. Eine<br />

mystery-Tour durch einen „Orkus“.<br />

So heißt schließlich auch sein Zyklus,<br />

der mit Band Sieben, „Die Stadt“, nun<br />

fast geschlossen ist. Aber eben nur<br />

fast. Denn bei Gerhard Roth wohnt<br />

jedem Ende schon wieder ein Anfang<br />

inne. Unterm nussbaum reift bereits,<br />

quasi <strong>als</strong> nachtrag, nummer Sechs he -<br />

ran. Eine normale, chronologi sche<br />

Zahlenfolge, das wäre ja wohl was<br />

für „normopathen“.<br />

Gerhard Roth: „Die Stadt“.<br />

Entdeckungen im Inneren von Wien.<br />

S. Fischer Verlag<br />

Zur Person - 1942 <strong>als</strong> Sohn eines Arztes in Graz ge -<br />

bo ren, studierte Gerhard Roth anfänglich Medizin und<br />

arbeitete dann in einem Re chen zentrum, bevor er 1976<br />

freier Schriftsteller wurde. Sein Hauptwerk, der Ro -<br />

manzyklus „Die Archive des Schweigens“, kreist um<br />

die Aufarbeitung der österreichischen Vergangen heit<br />

in der politischen und gesellschaftlichen Gegen wart.<br />

Sein Kriminalroman „Der See“, in dem sein Protago -<br />

nist bei einem Attentat auf eine Figur scheitert, in der<br />

un schwer Jörg Haider zu erkennen war, hatte 1995<br />

ein politischen Skandal ausgelöst.<br />

Seine eigene nation<strong>als</strong>ozialistisch belastete Familien -<br />

ge schichte thematisierte Roth in seinem autobiographischen<br />

Band „Das Alphabet der Zeit“. Roths Werk<br />

- Romane, Erzählungen und Essays - beruht auf peniblen<br />

Recherchen, wobei er seine schriftlichen Notizen<br />

fotografisch unterstützt. Sein Fotoband „Im unsichtbaren<br />

Wien“, quasi die Illustration zum jüngsten Band<br />

„Die Stadt“, soll im Jänner im Brandstätter-Verlag<br />

erscheinen. Gerhard Roth lebt mit seiner Frau Senta<br />

in Wien und in der Südsteiermark. Der Filmregisseur<br />

Thomas Roth ist sein Sohn.<br />

<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770 53


JUDENTUM<br />

Tischri 5770<br />

(19. <strong>September</strong> - 18. Oktober <strong>2009</strong>)<br />

Historische Ereignisse & wichtige Tage<br />

Bitte beachten, dass alle jüdischen Tage mit dem<br />

Sonnenuntergang des Vortages beginnen!<br />

1. Tischri (19. <strong>September</strong>)<br />

• 1. Tag Rosch HaSchono (Rosch Ha Scha nah/<br />

Neujahrsfest)<br />

• Erschaffung der ersten Menschen, Odom<br />

und Chawa (Adam und Eva), und die Story<br />

mit dem Apfel vor 5770 Jahren<br />

• Akejdas Jitzchok (Darbringung Isaaks, des<br />

Sohnes Abrahams, <strong>als</strong> Opfer) vor 3686<br />

Jahren<br />

• Jahrzeit von Sarah Imenu, ebenfalls vor<br />

3686 Jahren<br />

2. Tischri (20. <strong>September</strong>)<br />

• 2. Tag Rosch HaSchono (Neu jahrs fest)<br />

3. Tischri (21. <strong>September</strong>)<br />

• Zom Gedalja, ein Tanis Zibur (allgemeiner<br />

Fasttag) in der Erinne rung an die Ermor -<br />

dung von Gedalja<br />

4. Tischri (22. <strong>September</strong>)<br />

• Jahrzeit von Rabbiner Seckel Löb Mat tes<br />

Wormser, der Baal Schem von Michel stadt,<br />

vor 162 Jahren<br />

5. Tischri (23. <strong>September</strong>)<br />

• Jahrzeit von Rabbi Akiva, vor 1875 Jahren<br />

8. Tischri (26. <strong>September</strong>)<br />

• Einweihung des Ersten Beis HaMik dosch, des<br />

Salomonischen Tempels in Jeru sa lem vor<br />

2835 Jahren<br />

10. Tischri (28. <strong>September</strong>)<br />

• Jom HaKippurim (Versöhnungstag)<br />

• Vor 3322 Jahren brachte Mosche Rabbenu<br />

die zweiten Steintafeln mit den 10 Ge bo -<br />

ten vom Berg Sinai, nachdem er die ers ten<br />

zerbrochen hatte, und Haschem ver gab<br />

an diesem Versöhnungstag (Jom Kip pur)<br />

Benei Jisroel für das Goldene Kalb.<br />

• 10. Tischri 5734 (6.10.1973) Ausbruch<br />

Jom Kippur-Krieg<br />

13. Tischri<br />

• Jahrzeit von Rabbiner Akiva Eger,<br />

vor 172 Jah ren<br />

15. bis 21. Tischri (3. bis 9. Oktober)<br />

• Sukkos (Laubhüttenfest)<br />

22. Tischri (10. Oktober)<br />

• Schemini Atzeres (8. Tag der Ver samm lung)<br />

23. Tischri (11. Oktober)<br />

• Simchas Torah (Fest der Torah Freude)<br />

25. Tischri (13. Oktober)<br />

• Jahrzeit des chassidischen Rebbes R’ Lewi<br />

Jitzchok Berditchew, vor 199 Jahren<br />

• Jahrzeit von Morenu v’Rabbenu Mo sche<br />

So fer aus Frankfurt a. M., genannt der<br />

„Chas sam Sofer”, vor 170 Jahren<br />

29. Tischri (17. Oktober)<br />

• Jahrzeit von Rabbiner Don Jitzchok<br />

Abravanel, vor 501 Jahren<br />

Tischri ist der 1. Monat nach dem „bürger li chen“<br />

jüdischen Kalender und der 7. Monat nach dem<br />

„religiösen“ Kalender. Der Monat Tischri ist im -<br />

mer ein voller Monat, d.h. er dauert 30 Tage.<br />

Schailos &<br />

Tschuwos<br />

ausgewählte halachische<br />

Fragen, beantwortet<br />

von Gemeinderabbiner<br />

Schlomo Hofmeister<br />

AskTheRabbi@ikg-wien.at<br />

FRAGE: „Wenn ich 6 Stunden nachdem<br />

ich Fleisch gegessen habe, noch Fleisch -<br />

reste zwischen den Zähnen finde, muss ich<br />

dann noch einmal von vorne anfangen 6<br />

Stunden zu warten, oder darf ich schon<br />

milchig essen?”<br />

hintergrund: nachdem wir Spei -<br />

sen gegessen haben, die Geflügel<br />

oder Fleisch beinhalten, warten<br />

wir eine bestimmte Zeit, bevor<br />

wir milch oder milchprodukte zu<br />

uns nehmen dürfen. Bezüglich<br />

der einzuhaltenden Wartezeit<br />

gibt es prinzipiell drei verschiedene<br />

Traditionen und jeder sollte<br />

sich unbedingt, der Herkunft seiner<br />

väterlichen Familie entsprechend,<br />

an den jeweiligen Zeitrah -<br />

men halten: Juden sefardischen,<br />

orientalischen und ost-europäischen<br />

Ursprungs warten allgemein<br />

6 Stunden, deutsche Asch -<br />

ke nasim 3 Stunden und holländische<br />

1 Stunde.)<br />

AnTWORT: Diesbezüglich gibt es<br />

eine meinungsverschiedenheit unter<br />

den Autoritäten. Raw Josef Karo<br />

(1488-1575) schreibt im Schulchan<br />

Oruch man solle in einem solchen Fall<br />

einfach die Fleischreste zwischen den<br />

Zähnen entfernen und dürfe dann so -<br />

gleich milch trinken. Der Remo (Raw<br />

mosche isserles, 1525-1572) stimmt<br />

dem zu, fügt jedoch hinzu, man solle<br />

sich auch noch den mund spülen. Der<br />

Tas (Raw Dovid HaLewi Sigel, 1586-<br />

1667) erklärt jedoch, dass wir sowohl<br />

die meinung von Raschi (1040-1105)<br />

nämlich, dass diese Fleisch reste auch<br />

nach 6 Stunden noch <strong>als</strong> Fleisch zu<br />

betrachten sind, <strong>als</strong> auch die mei nung<br />

des Rambam (1135-1204) be rück sich -<br />

tigen müssen, wonach wir nach dem<br />

Verzehr von Fleisch 6 Stunden warten<br />

müssen, und daher in einem solchen<br />

Fall noch einmal die gesamte Zeit -<br />

spanne zwischen Fleisch und milch<br />

warten müssen. Unser großer Rab bi -<br />

ner, der Chassam Sofer (1762-1839)<br />

schreibt allerdings, dass wir uns in ei -<br />

nem solchen Fall allein auf die mei -<br />

nung des Rambam verlassen können,<br />

wonach jene Fleischreste zwischen<br />

den Zähnen durch den Speichel im<br />

mund nach 6 Stunden bereits soweit<br />

verdaut wurden, dass sie nicht mehr<br />

<strong>als</strong> Fleisch zu betrachten sind. Wir<br />

dürfen <strong>als</strong>o, nachdem wir uns die<br />

Zäh ne gereinigt und den mund ausgespült<br />

haben milchig essen, ohne<br />

weiter warten zu müssen.<br />

FRAGE: „In einem Monat werde ich 12<br />

Jahre alt. Darf ich dann meine eigenen<br />

Schabbos Kerzen anzünden?”<br />

AnTWORT: Als prinzipielle Regel<br />

gilt, dass alle mitglieder eines Haus -<br />

haltes, egal welchen Alters, durch die<br />

Kerzen der jüdischen mutter (oder<br />

des Vaters), von ihrer Pflicht entbunden<br />

sind eigene Kerzen am Schabbos<br />

und Jomtow zu zünden. in vielen Fa -<br />

milien gibt es jedoch den Brauch, dass<br />

mädchen, sobald sie alt genug sind es<br />

zu können, zusammen mit ihrer mut -<br />

ter, eigene Kerzen anzünden - dies<br />

darf, muss aber nicht gemacht werden.<br />

Allerdings wenn gesetzespflichtige<br />

Kinder, egal ob mädchen (ab 12 Jah -<br />

ren) oder Buben (ab 13 Jahren), den<br />

Schabbos oder Jomtow nicht zu<br />

Hause verbringen, können sie durch<br />

die Kerzen der mutter zu Hause nicht<br />

mehr von ihrer Pflicht entbunden wer -<br />

den und müssen ihre eigenen Schab -<br />

bos oder Jomtow Kerzen anzünden<br />

(Oruch HaSchulchan 263:5). Wenn man<br />

bei Bekannten oder Freunden übernachtet,<br />

gilt man für jenen Tag <strong>als</strong><br />

mitglied dieses Haushalts und erfüllt<br />

die eigene Pflicht durch die Kerzen der<br />

Gastgeber (Raschal, Mogen Awrohom,<br />

R’ Mosche Feinstein). in einer<br />

Jeschiwa, im Seminar oder auf einer<br />

Schulfahrt wo viele Kinder zusammen<br />

sind, wird einem der Kinder die<br />

Ehre gegeben die beiden Schabbos<br />

oder Jom tow Kerzen im Speisesaal<br />

anzuzünden, den Segensspruch zu<br />

sagen und damit die Verpflichtung<br />

aller anderen zu erfüllen (so rät mein<br />

Lehrer R’ Chaim Pinchas Scheinberg).<br />

54 <strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770


JUDENTUM<br />

Das<br />

Laubhüttenfest<br />

- Sukkos<br />

im Talmud und in unseren Gebeten<br />

nennen wir Sukkos auch „Sman Sim -<br />

cho senu” - die Zeit unserer Freude. Es ist<br />

neben Pessach und Schwuos eines<br />

der „Scholosch Regolim” - der drei Wall -<br />

fahrtsfeste, an denen zur Zeit des<br />

Tempels alle männer nach Jeruscho la -<br />

jim kamen, um dort Opfer und Ab ga -<br />

ben darzubringen.<br />

Während ihrer 40-jährigen Wande -<br />

rung durch die Wüste wohnten Benei<br />

Jisroel, unsere Vorfahren, im Ver trau en<br />

auf G-ttes beschützende Hand, in einfachen,<br />

provisorischen Hausun gen.<br />

Und die Torah gebietet auch uns jährlich,<br />

und zwar während des sieben<br />

Tage dauernden Laubhüttenfestes, in<br />

einem provisorischen Haus, der sogenannten<br />

Sukkah, zu leben. Darin zu le -<br />

ben, so erklären unsere Weisen, be deu -<br />

tet eigentlich, dass wir, zumindest die<br />

männer, tatsächlich Tag und nacht in<br />

der Laubhütte verbringen und sie<br />

wäh rend dieser Festwoche, wie unsere<br />

Vorfahren in der Wüste, zu unserer<br />

Wohnung machen sollen. Da es sich<br />

beim wohnen in der Sukkah um eine<br />

mizwo handelt, die an eine bestimmte<br />

Zeit gebunden ist, nämlich die Tage<br />

vom 15. bis 21. Tischri, sind Frauen<br />

nicht dazu verpflichtet - können aber<br />

selbstverständlich in die Sukkah<br />

kommen wenn sie es möchten.<br />

Aus Sicherheitsgründen sowie aufgrund<br />

der klimatischen Verhältnisse in<br />

unseren Breiten dürfen wir zwar auch<br />

in unseren regulären Wohnungen<br />

schla fen, es wäre allerdings gut wenn<br />

wir in der Laubhütte zumindest essen<br />

und trinken. mahlzeiten mit Brot und<br />

Gebäck dürfen wir in jedem Fall,<br />

solange es nicht regnet, ausschließlich<br />

in der Sukkah zu uns nehmen, dann<br />

sprechen wir auch die Brocho „L’-<br />

Schejw BaSukko” - den Segensspruch<br />

„Gepriesen seist Du ... der uns aufgetragen<br />

hat in der Sukkah zu sitzen”. Der<br />

voll ständige Wortlaut ist in jedem Sid -<br />

dur (Gebetbuch) zu finden. Außer -<br />

dem sollten wir jeden Tag etwas Zeit<br />

in der Sukkah verbringen um Torah<br />

zu lernen. Bezüglich der genauen<br />

technischen Details und Regelungen<br />

sollte jeder bitte seinen Rabbiner konsultieren.<br />

Gemäß minhag Aschkenas, isst und<br />

schläft man auch noch am 22. Tischri,<br />

dem Feiertag Schemini Azeres, in der<br />

Sukkah, jedoch ohne den Segens -<br />

spruch „L’Schejw BaSukko” zu sagen.<br />

Auch im innenhof der Kultusge -<br />

meinde in der Seitenstettengasse ha -<br />

ben wir eine große Sukkah, die vor<br />

allem all jenen offen steht, die keine<br />

ei gene Sukkah zu Hause bauen können.<br />

* Die hier benutzte Transliteration der hebräischen<br />

Wörter entspricht nicht der sefardischen,<br />

sondern der aschkenasischen Aussprache und<br />

Schreibweise, so wie es traditionell in der<br />

deutsch-jüdischen Rechtschreibung üblich ist.<br />

Dinge, die sie für den Bau<br />

einer Sukkah brauchen ...<br />

Während der Droscho des Rabbiners<br />

war es ungewöhnlich ruhig in der<br />

Synagoge. Alle Kinder waren still und<br />

saßen brav auf ihren Plätzen. „Wie<br />

habt ihr das gemacht??, fragt der<br />

erstaunte Schames einen der Väter.<br />

„Ganz einfach?, antwortet dieser,<br />

„wir haben unseren Kindern einfach<br />

erklärt, dass sie nicht stören dürfen<br />

wenn der Rabbiner spricht, weil er<br />

sonst den Faden verlieren könnte<br />

und dann seine ganze Droscho noch<br />

einmal von vorne anfängt!”<br />

Vor einigen Tagen kam ein Jude in das Rabbinat und sagte, er habe im neuen Machsor<br />

(Gebetbuch) gelesen, dass Zedaka (wohltätige Spenden) ein gutes Mit tel seien, um<br />

Barm her z igkeit von G´tt zu erlangen. Er fragte mich <strong>als</strong> Rabbi ner, an wen und wie viel<br />

Zedaka man geben solle.<br />

Natürlich gibt man Spenden nicht nur um vor dem Ewigen gut dazustehen, sondern<br />

auch, weil man ein hilfreicher und großzügiger Mensch sein möchte. Es kommt nicht<br />

selten vor, dass dieselben Juden, die großzügig an Institutionen und soziale Zwecke in<br />

Israel spenden, für die Bedürfnisse der eigenen Stadt nichts hergeben wollen.<br />

In der Tora werden die Prioritäten aber ein wenig anders dargestellt. Dort heißt es:<br />

Sofort nach der Versorgung der eigenen Familie soll man für Bedürftige und soziale<br />

Institutionen der eigenen Stadt spenden. Da können wir uns selbst über die Not unserer<br />

Mitmenschen ein Bild machen.<br />

Man soll danach natürlich auch für Institutionen und Einzelne in Israel spenden. Das<br />

Aus maß der Spenden sollte nach jüdischer Vorschrift zwischen 10% und 20% der<br />

Einkünfte ausmachen. Unsere Weisen nehmen aber auch Rück sicht auf unsere Taschen<br />

und meinen, mehr <strong>als</strong> 20% kann „gefährlich“ werden.<br />

Häufiger <strong>als</strong> die Spender kommen die Bedürftigen zum Rabbiner, sodass er sie miteinander<br />

bekannt machen kann.<br />

Einmal sah ein Rabbiner, wie ein Jude einen Zettel in die Kotel (Klagemauer) steck te. Als<br />

dieser herausfiel, las der Rabbiner, dass der Mann vom lieben G´tt US$ 1.000,- für die<br />

Verheiratung seiner Tochter erbat. Da auf dem Zettel auch eine Adresse stand, machte<br />

der Rabbiner eine Sammlung und brachte dem Bittsteller 800 Dollar ohne zu sagen,<br />

dass er die Summe gesammelt hatte.<br />

Der Rabbiner sah den Mann ein zweites Mal bei der Kotel, wieder fiel der Zettel aus<br />

der Wand und der Rabbiner las verblüfft. „Lieber G´tt, vielen Dank für das Geld, aber<br />

schicke es nächstes Mal nicht mit dem Rabbiner, denn der hat sich US$ 200,- Pro vision<br />

behalten.“<br />

Wir werden Ihnen gerne - ganz ohne Provision - unsere Hilfe anbieten.<br />

Wir wünschen Ihnen Schana Towa!<br />

Oberrabbiner Chaim Eisenberg und Gemeinderabbiner Shlomo Hofmeister<br />

J<br />

<strong>September</strong> <strong>2009</strong> - Elul/Tischri 5770 55


„Die Bedürftigen deiner Stadt<br />

haben Vorrang vor den Bedürftigen<br />

einer anderen Stadt.<br />

Talmud

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