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'Die Gemeinde' Januar 2009 als pdf herunterladen - Israelitische ...

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INHALT<br />

&<br />

AUS DEM BÜRO DES<br />

PRÄSIDENTEN<br />

Lebe ich denn auf dem Mond 3<br />

IN EIGENER SACHE<br />

ALEXIA WEISS<br />

Serie: Hinter den Kulissen der IKG<br />

Teil 5: Gener<strong>als</strong>ekretariat<br />

- Kaufmännische Agenden 6<br />

POLITIK<br />

IN- UND AUSLAND<br />

Ist Martin Graf rücktrittsreif? 8<br />

Imam hetzt in Wiener<br />

Moschee gegen Israel 9<br />

REINHARD ENGEL<br />

Schienen nach China 11<br />

Ehrendoktorat für Bundes -<br />

präsident Fischer in Israel 12<br />

ALEXIA WEISS<br />

Es geht ganz einfach - oder ... 13<br />

Ungarische Garde mit<br />

scharfer Munition 14<br />

MARTA S. HALPERT<br />

Krise in Gaza: Optionen<br />

für die Zukunft 22<br />

JÜDISCHE WELT<br />

IDA LABUDOVIC<br />

Dr. Alfred Bader 35<br />

Panorama 38<br />

Jüdische Piraten 40<br />

Die Anne Frank<br />

von Kambodscha 41<br />

ROBERTO KALMAR<br />

Verlorene Nachbarschaft -<br />

Buenos Aires 2008 42<br />

KULTUR<br />

ANITA POLLAK<br />

Dem Leon hätte es gefallen -<br />

das „Jüdische Echo“ in<br />

neuen Händen 44<br />

MARTA S. HALPERT<br />

Robert Jungbluth - Hilfsbereit<br />

ganz ohne Allüren 45<br />

BARRY DAVIS<br />

Idan Raichel 46<br />

DOSSIER 15-34<br />

„Gegen den Terror der Hamas“<br />

Konzept&Realisierung: Sonia Feiger<br />

Titelbild: „Gegen den Terror der Ha mas“ -<br />

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PLENUM: Dienstag, 17. Februar • Donnerstag, 12. März Wegen der<br />

Teilnahme des Präsidenten an der Generalver sammlung der US Friends of the<br />

IKG in New York, verschiebt sich die Sitzung auf Dienstag, 26. März<br />

Ausgewertet werden Meldungen von: APA, Jerusalem Post, Ha’aretz, MEMRI, Yediot Aharonot, Global intelligence<br />

centre, Walla, Y-net, israelnetz (inn), nahostfocus (NOF), ICEJ, Honestly-concerned, GMW, JTA, u.v.a.<br />

GEmEinDE<br />

Medieninhaber (Verleger), Herausgeber: <strong>Israelitische</strong> Kultusgemeinde<br />

Wien. Zweck: Information der Mitglieder der IKG Wien in kulturellen, politischen<br />

und or ganisatori schen Belangen. Stärkung des demokratischen<br />

Bewusst seins in der österreichischen Bevöl kerung. Sitz: 1010 Wien, Seitenstettengasse 4, Postfach 145.<br />

Tel. Redaktion/Sekretariat 53 104/271, Anzeigenannahme 53 104/272, Fax: 53104/279, E-mail redaktion@ikg-wien.at<br />

Druck: AV+Astoria Druckzentrum GmbH, A-1030 Wien<br />

Alle signierten Artikel geben die persönliche Mei nung des Autors wieder, die sich nicht immer mit der<br />

Mei nung der Redaktion deckt. Für die Kaschrut der in der GEMEINDE angezeigten Produkte übernehmen<br />

Herausgeber und Redaktion ausdrücklich keine Verantwortung. Nicht alle Artikel, die in der<br />

Redak tion einlangen, müs sen zur Veröffentlichung gelangen.<br />

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2 <strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769


AUS DEM BÜRO DES PRÄSIDENTEN<br />

„We can forgive the Arabs for killing our children, but we<br />

can never forgive them for making us to kill their children.<br />

We will only have peace with the Arabs when they love<br />

their children more than they hate us“.<br />

Golda Meir<br />

israelische Ministerpräsidentin,<br />

auf einer Pressekonferenz in London, 1969<br />

Wie recht sie doch hatte!<br />

lebe ich denn auf dem mond?<br />

Der Präsident der <strong>Israelitische</strong>n Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, über die neue Welle des<br />

Antisemitismus und die Schande des FP-Parlamentspräsidenten Martin Graf.<br />

Von thomas seifert<br />

Die Presse: Wie fühlen Sie sich angesichts der über 900 in Gaza getöteten Palästinenser,<br />

mindestens die Hälfte davon Zivilisten?<br />

Ariel muzicant: Schlecht. Jeder Toter ist ein Toter zu viel. Aber gibt es Empathie von der<br />

anderen Seite? Wenn ich mir die Demonstrationen der vergangenen Tage anschaue, lautet<br />

die Antwort: Leider nein. ich möchte auf folgende Dissymetrie hinweisen: Auf der<br />

einen Seite steht das Bemühen israels, zivile Opfer zu vermeiden, auf der anderen Seite<br />

steht das bewusste Töten durch die Hamas, durch palästinensische Extremisten, durch<br />

Araber.<br />

Wenn man wie ein zynischer Statistiker des Todes die Opferbilanzen gegenüberstellt, dann sieht<br />

man, dass Dutzende Israelis, aber hunderte Palästinenser getötet werden.<br />

Eine Erklärung: Die Hamas will offenbar mehr tote Zivilisten. Und die Hamas schießt<br />

ihre Raketen auch mit dem Ziel ab, dass Zivilisten getötet werden. Wenn man dann<br />

sieht, wie die arabischen Fernsehleute hinter den verletzten Bewohnern Gazas rennen,<br />

um das möglichst dramatisch ins Bild zu setzen, dann hat man den Eindruck, dass die<br />

Verletzten von manchen nur <strong>als</strong> Propagandawaffe gegen israel gesehen werden. ich stelle<br />

die Gegenfrage: Haben Sie in den letzten Jahren Bilder von toten israelis gesehen, die<br />

man derart vor die Kameras zerrt?<br />

Ist Israel nicht selbst an der - nach israelischer Darstellung einseitigen - Berichterstattung<br />

schuld, weil die Armee keine westlichen Journalisten in Gaza zulässt?<br />

Sie irren sich. Wenn die israelis dies zulassen würden, würde es noch mehr Bilder von<br />

Verletzten und Toten geben. Das ist es, was gezeigt werden soll, wenn es nach der<br />

Hamas geht. Oder denken Sie etwa, dass die Hamas es zulassen würden, dass man ihre<br />

Raketenstellungen filmt?<br />

Das heißt, Sie billigen diese Art der israelischen Zensur?<br />

Wenn ich auf der einen Seite nicht bereit bin, dass die Toten und Verwundeten auf meiner<br />

Seite gezeigt werden, auf der anderen Seite aber eine manipulierende Hamas steht,<br />

was wollen Sie dann machen?<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769 3


AUS DEM BÜRO DES PRÄSIDENTEN<br />

Ist es die Pflicht eines österreichischen Juden, mit Israel solidarisch zu sein?<br />

ich bin mit jenen solidarisch, die sagen, es ist die Pflicht eines Staates, das Leben und die<br />

Existenz der menschen, die in israel leben, zu schützen. Aufgrund der 3000-jährigen<br />

Verfolgung leben wir immer mit dem Hintergedanken: Wohin fliehen wir im Falle des<br />

Falles? Das ist etwas, was tief in unserem Bewusstsein sitzt. Es wird von Tag zu Tag einfacher:<br />

Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, sagt,<br />

„wir beginnen langsam, die Koffer auszupacken“.<br />

Reichen die Bemühungen um einen Dialog - in Österreich - aus?<br />

ich bin sicherlich ein mann des Dialogs. meine Kritik an Anas Schakfeh (Oberhaupt der<br />

muslime in Österreich) äußere ich so, dass ich sage, ich hoffe, er hat es nicht so gemeint,<br />

wie er es im „Standard“ gesagt hat (Anm. Shakfeh: „Antisemitismus kennen wir im Mitt -<br />

le ren Osten überhaupt nicht. Er ist ein Produkt des europäischen Den kens“). Lebe ich denn am<br />

mond? ich muss 15 Prozent des Jahresbudgets der Gemeinde dafür ausgeben, meine mit -<br />

glieder vor möglichen terroristischen Angriffen aus islamistischen Kreisen zu schützen.<br />

Österreichs Geschichte ist mit jener Israels untrennbar verbunden. Wien ist die Stadt von<br />

Adolf Hitler und Theodor Herzl. Ergibt sich daraus eine besondere Verantwortung dieses<br />

Landes für die Region?<br />

Das ist überhaupt keine Frage. Leider verfügt unsere kleine Republik nur über be schränk -<br />

te möglichkeiten. Was das Bild Österreichs in israel betrifft: ich war auf Staatsbesuch mit<br />

dem Bundespräsidenten in israel mit. ich habe versucht, dort zu kommunizieren, wie viel<br />

Positives wir erreicht haben. Sagt man mir: „Bist du denn verrückt geworden? Wie erklärst<br />

du, dass 28 Prozent für Naziparteien stimmen? Oder das Begräbnis für diesen Haider?“ Also<br />

rede ich mir den mund fusselig, um den israelis Österreich zu erklären. Dann komme<br />

ich zurück und bin mit der unappetitlichen Graf-Affäre konfrontiert, wo engste mit ar bei -<br />

ter des FPÖ-nationalratspräsidenten bei einem Verlag, der rechtsextreme Literatur vertreibt,<br />

Dinge bestellen. Vielleicht haben die israelis ja recht? ist es nicht eine Schande,<br />

dass derartige Leute im österreichischen Parlament sitzen?<br />

Ersterscheinung: „Die Presse“ vom 14.01.<strong>2009</strong><br />

Wir danken für die Abdruckgenehmigung!<br />

NEUES MAIMONIDES-<br />

ZENTRUM<br />

TAG DER OFFENEN TÜR<br />

Sonntag, 12. Februar,<br />

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4 <strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769


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<strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769 5


IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />

SERIE<br />

Hinter den Kulissen –<br />

Die IKG Wien stellt sich vor<br />

Teil 5: GENERALSEKRETARIAT<br />

KAUFMÄNNISCHE AGENDEN<br />

serVice<br />

erreichbarkeit des gener<strong>als</strong>ekretariats<br />

für kaufmännische agenden<br />

Leitung: mag. Friedrich Herzog<br />

f.herzog@ikg-wien.at<br />

Assistenz: Ursula König<br />

u.koenig@ikg-wien.at,<br />

Doris Zimmermann d.zimmermann@ikg-wien.at<br />

und<br />

Angelika Zilberman<br />

a.zilberman@ikg-wien.at<br />

Das Gener<strong>als</strong>ekretariat ist unter<br />

01/53 104 – DW 105 oder DW 199<br />

täglich zwischen 8.00 Uhr und 16.00<br />

Uhr erreichbar.<br />

©A.Rausch<br />

„Das nächste<br />

Budget ist immer<br />

das schwierigste“<br />

Angesichts der allgemein<br />

schwierigeren wirtschaftlichen<br />

Lage und der allseits spürbaren<br />

Teuerungen muss auch von der<br />

Kultusgemeinde jeder Euro zwei<br />

Mal umgedreht werden.<br />

Friedrich Herzog sorgt <strong>als</strong><br />

Gener<strong>als</strong>ekretär für kaufmännische<br />

Agenden dafür, dass<br />

am Ende eines jeden Jahres<br />

dennoch ausgeglichen bilanziert<br />

wird. Diesen Kurs hat sich die<br />

Kultusgemeinde nach der Krise<br />

von 2003 selbst verordnet.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

Zehn millionen Euro stehen der Kul tus -<br />

gemeinde derzeit im Jahr an Bud get -<br />

mittel zur Verfügung. Sechs milli o nen<br />

davon werden über die immo bi lien -<br />

tä tigkeit der iKG erwirtschaftet, weitere<br />

1,2 millionen kommen über diverse<br />

Subventionen von der öffentlichen<br />

Hand. Die restlichen 2,8 millionen<br />

Euro werden über die Kultusbeiträge,<br />

Einnahmen aus Beerdigungen, Spen -<br />

den und Fundraising sowie teilweise<br />

aus internen Verrechnungen (beispielsweise<br />

die Buchhaltung und<br />

Lohnverrechnung von der iKG nahe<br />

stehenden Vereinen und Firmen) eingenommen,<br />

erläutert Herzog die<br />

Einnahmenseite.<br />

Die Hälfte des Budgets wird auf Aus -<br />

ga benseite für Personalkosten ausgegeben,<br />

denn „die Kultusgemeinde ist<br />

ein Dienstleistungsbetrieb“. Rund 16<br />

Prozent gingen in Form von Sub ven -<br />

tio nen an jüdische Vereine und Orga -<br />

ni sationen, zehn Prozent würden für<br />

Soziales aufgewandt. „Die Zahl der Be -<br />

dürftigen ist leider im Steigen begriffen“,<br />

sagt Herzog dazu, „das hängt na türlich<br />

mit der wirtschaftlichen Situation zu sam -<br />

men“. Von den rund 8.000 mit glie dern<br />

würden derzeit 2.000 in irgendeiner<br />

Form unterstützt – sei es durch direkte<br />

finanzielle Hilfe oder aber auch durch<br />

beispielsweise Betreuung im Sozial -<br />

hil fezentrum ESRA. Rund ein Viertel<br />

des iKG-Budgets fließe in Sachaufwen<br />

dungen, <strong>als</strong>o Kosten für die in fra -<br />

struktur der Kultusgemeinde, die<br />

Zeitung, Veranstaltungen und vieles<br />

mehr, aber auch in Büromaterial,<br />

mieten, Telefonkosten und Ähnliches.<br />

6 <strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769


IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />

Die große Bedeutung des immo bi li en -<br />

bereich <strong>als</strong> Einnahmequelle der iKG<br />

spiegelt sich auch in den weiteren<br />

Funk tionen Herzogs wieder. Als Ge ne -<br />

r<strong>als</strong>ekretär für kaufmännische Agen -<br />

den ist er sowohl Co-Geschäfts füh rer<br />

in der Wohnheimver waltungs ge sell -<br />

schaft <strong>als</strong> auch in der Realitäten Er hal -<br />

tungs- und Verwaltungsge sell schaft.<br />

Bei letzterer handelt es sich um einen<br />

Wirtschaftsbetrieb, der „Fremd häu -<br />

ser“, <strong>als</strong>o Gebäude, die sich nicht im<br />

Eigentum der Kultusgemeinde be fin -<br />

den, verwaltet. Die Wohnheim ver -<br />

waltungsgesellschaft wiederum be -<br />

treut und verwaltet 19 Wohnheim in<br />

Wien, die der iKG gehören. Darunter<br />

finden sich Senioren- ebenso wie Studenten-<br />

und Singleheime. „Dort gibt<br />

es relativ kleine Garçonnieren mit bis zu<br />

40 Quadratmeter“, erläutert Herzog.<br />

Trotz des gewinnbringenden immo -<br />

bi lien bereichs sieht sich auch die iKG<br />

mit Kosten, die stärker <strong>als</strong> die Ein -<br />

nah men steigen, konfrontiert, nicht<br />

zuletzt durch „die wachsenden An sprü -<br />

che einer wachsenden Gemeinde“. Das<br />

nächste Budget sei daher „immer das<br />

schwierigste – <strong>als</strong>o jetzt das von <strong>2009</strong>“.<br />

im Rückblick würden Krisen aber<br />

auch zusammenschweißen, meint<br />

Herzog. „Als die Finanzkrise 2003 ausgebrochen<br />

ist, war das im Moment eine<br />

wahnsinnig grausliche Zeit. Wir mussten<br />

dam<strong>als</strong> schließlich überlegen, wen wir<br />

kündigen müssen. Aber aus heutiger Sicht<br />

hat das den Zusammenhalt im Team ge -<br />

stärkt. Es hätte ja auch jeder sagen können<br />

– nichts wie weg.“<br />

Herzog unterstreicht grundsätzlich<br />

die Wichtigkeit des Teamgedankens:<br />

große Stütze seien ihm Harald Sasse<br />

<strong>als</strong> Leiter des Rechnungswesens und<br />

Controllings sowie dessen Team, die<br />

Personalverrechnung unter der Lei -<br />

tung von Claudia Mandl, die immo bi -<br />

li enverwaltung unter der Führung von<br />

Ronald Geissler, die immobilienent -<br />

wick lung unter der Leitung von<br />

Martin Eck, die Juristin Bettina Schabel<br />

und das EDV-Team mit Markus<br />

Ivankovic an der Spitze. im Sekretariat<br />

stehen Herzog Doris Zimmermann,<br />

Ursula König und Angelika Zilberman<br />

zur Seite.<br />

Wichtig sei in einer non-Profit-Orga -<br />

nisation wie der Kultusgemeinde<br />

aber auch das Zusammenspiel zwischen<br />

haupt- und ehrenamtlichen<br />

mitarbeitern. Warum er sich <strong>als</strong> Wirt -<br />

schaftsexperte für eine Aufgabe in<br />

einer solchen non-Profit-Organi sation<br />

entschieden habe? „Es geht hier um<br />

Menschen und nicht um Aktien kur se“,<br />

sagt Herzog. Es gehe nicht darum,<br />

noch ein paar tausend Euro mehr Ge -<br />

winn zu machen, sondern „für die<br />

Menschen da zu sein und für diese das<br />

bestmögliche herauszuholen“. „Wichtig<br />

ist nicht der Shareholder-Value, sondern<br />

der Stakeholder-Value.“ Und es gehe<br />

auch um die langfristige Sicherung der<br />

institution, denn „die Kultusge meinde<br />

muss es in 100 Jahren auch noch geben“.<br />

Damit sei „auch die Sinnfrage beantwortet“.<br />

zur Person<br />

friedrich herzog, geb. 1955 in<br />

Wien, HTL für maschinenbau,<br />

anschließend Betriebs wirtschafts -<br />

stu dium an der Wirtschafts uni ver -<br />

sität Wien, dabei Spezialisierung<br />

auf die Bereiche Beratung und<br />

Controlling. Zunächst im Auto -<br />

haus Tarbuk, später im Banken sek -<br />

tor für eine Tochter der damaligen<br />

Zentr<strong>als</strong>parkasse tätig (Be reich<br />

Unternehmensbeteili gun gen). Seit<br />

1991 <strong>als</strong> Controller in der iKG tä -<br />

tig. 2005 zum Gener<strong>als</strong>ekretär für<br />

kaufmännische Agenden bestellt.<br />

Wien fördert künftiges<br />

Wiesenthal-Institut<br />

mit 1,3 Mio. Euro<br />

Der Wiener Gemeinderat hat eine über<br />

mehrere Jahre laufende Subvention<br />

für den Verein „Wiener Wiesenthal In sti -<br />

tut für Holocaust Studien“ be schlos sen.<br />

insgesamt werden für den Aufbau des<br />

institutes 1,3 mio. Euro bis ins Jahr<br />

2011 zur Verfügung gestellt, so Kul -<br />

turstadtrat Andreas mailath-Pokorny<br />

in einer Aussendung.<br />

Die Stadt Wien, die sich immer für ein<br />

Simon Wiesenthal Institut in Wien ausgesprochen<br />

hat, stellt nun auch die finanzi ell e<br />

Unterstützung dafür bereit“, be tonte<br />

mailath-Pokorny: „Das ist ein wichtiger<br />

Schritt für die Verwirklichung eines<br />

Projektes, das sich auch mit dunklen Ka pi -<br />

teln der österreichischen Vergangenheit,<br />

insbesondere mit der Täterseite, beschäftigt.“<br />

Gleichzeitig werde dadurch dem<br />

Lebenswerk von Simon Wiesenthal<br />

Rech nung getragen. „Nun ist der Bund<br />

gefordert, seine Aufgabe <strong>als</strong> Gesamt ko or -<br />

di nator wahrzunehmen und endlich die<br />

De tails in Sachen Betriebsfinanzierung<br />

und Adaptierung der Bundesimmobilie zu<br />

klären“, so der Wiener Kultur stadt rat.<br />

Konzipiert ist es laut mailath-Pokor ny<br />

<strong>als</strong> internationales Forschungs zen -<br />

trum. im Zen trum stehen die Er for -<br />

schung, Do kumentation und Ver mitt -<br />

lung all je ner Fragen, die Antisemi tis -<br />

mus, Ras sismus und den Holocaust<br />

betreffen.<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769 7


POLITIK • INLAND<br />

Ist Martin Graf<br />

rücktrittsreif?<br />

POLITIK<br />

@Mike Ranz<br />

Das Ergebnis der aktuellen OGm-<br />

Um frage für das Wirtschaftsmagazin<br />

FORmAT ergab, das 40% der Be frag -<br />

ten sagen, Graf soll zurücktreten, 32%<br />

sagen Graf soll <strong>als</strong> Präsident im Amt<br />

bleiben und 27% wollen sich zu der<br />

Frage nicht äußern.<br />

Graf war in den letzten Wochen unter<br />

Druck geraten, nachdem bekannt ge -<br />

worden war, dass seine beiden mitar -<br />

bei ter auf rechtsextremen Seiten im<br />

internet Artikel und Accessoires be -<br />

stellt hatten, sowie an rechtsextremen<br />

Veranstaltungen teilgenommen ha ben.<br />

Graf hat sich daraufhin in einer Er -<br />

klärung von nation<strong>als</strong>ozialismus dis -<br />

tanziert.<br />

Deutliche Worte Fischers<br />

Bundespräsident Heinz Fischer hat<br />

nach den Rechtsradikalismus-Vor -<br />

wür fen gegen zwei der parlamentarischen<br />

mitarbeiter des Dritten natio -<br />

nal ratspräsident martin Graf (F) er -<br />

klärt, ihm wäre lieber, „wenn es dieses<br />

Thema nicht gäbe“. Gegenüber dem<br />

‘Standard’ meinte er, es müsse zwar<br />

klar sein, dass in Österreich „Platz für<br />

sehr unterschiedliche politische Mei nun -<br />

gen" sei, aber es müsse „Grenzen ge ben“:<br />

„Auch der geringste Rest nation<strong>als</strong>ozialistischer<br />

Gesinnung hat in Österreich<br />

nichts verloren“.<br />

Grundsätzliche warnte der Präsident<br />

vor jeder nähe zu nS-Gedankengut:<br />

“Beim Gedankengut der NS-Zeit genügt<br />

es nicht, nur zu sagen, das darf nie wieder<br />

passieren. Das ist ja selbstverständlich.<br />

Man darf da nicht einmal anstreifen“. Ge -<br />

fragt, ob man „rechte Umtriebe“ hin -<br />

nehmen müsse, sagte Fischer: „Nein,<br />

wenn dadurch Gesetze verletzt werden.<br />

Ansonsten muss man sich energisch politisch<br />

zur Wehr setzen“.<br />

Dass man mit der Wahl Grafs ein Pro -<br />

blem geschaffen habe, sieht Fischer<br />

nicht so: „Man darf doch erwarten, dass<br />

jemand, der in das Präsidium des Natio -<br />

nal rates gewählt wird, auch ungeschriebene<br />

Spielregeln beachtet“.<br />

Fragen zum Nazi-Dreck<br />

„Wieso braucht Graf so lange für eine<br />

Antwort? Wieso entschuldigen sich die<br />

Mitarbeiter nicht für ihr Tun? Wieso findet<br />

er kein Wort der Kritik für seine Mit -<br />

ar beiter - oder für sich? Warum trennt er<br />

sich nicht von ihnen - oder das Amt von<br />

sich? Warum distanzieren sich SPÖ und<br />

ÖVP nicht einmütig vom nicht abwählbaren<br />

Graf? Man könnte auch - ganz<br />

unösterreichisch - fragen: Wieso haben<br />

sie Graf überhaupt gewählt und dem Land<br />

wieder Fragen zum Umgang mit Nazi-<br />

Dreck beschert?“ so Andreas Schwarz<br />

in seinem ‘Kurier’-Kom mentar vom<br />

9. <strong>Januar</strong>.<br />

„In einem anderen Land müsste ein solcher<br />

Parlamentspräsident zurück treten.<br />

Aber Politiker von SPÖ und ÖVP geben<br />

sich mit dieser Erklärung Grafs zufrieden“,<br />

schreibt ‘Standard’-Chef redakteurin<br />

Alexandra Föderl-Schmid.<br />

„Das ist skandalös. Einzig Bundes prä -<br />

sident Heinz Fischer be ton te, dass es nicht<br />

reiche, sich vom Ge dankengut der NS-Zeit<br />

zu distanzieren. Man dürfe nicht einmal<br />

an streifen. Aber in Österreich dürfen<br />

Men schen mit einer solchen Ge sin nung<br />

im Parlament arbeiten. Nicht nur das<br />

An se hen des Hohen Hauses, das des ganzen<br />

Landes ist beschädigt. Und zwar auch<br />

durch jene, die Graf gewählt haben.“ red<br />

8 <strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769


POLITIK • INLAND<br />

RFJ- Antisemitismus muss Folgen haben<br />

Anti-Israel-Hasstiraden des Tiroler RFJ sind Ausdruck<br />

der ideologischen Grundrichtung in der FPÖ<br />

Die Berichterstattung der Tiroler Ta -<br />

ges zeitung über die Hasstiraden<br />

gegen israel auf der Homepage des<br />

RFJ Tirol zeigt für Wolfgang Moitzi,<br />

Vorsitzenden der Sozialistischen Ju -<br />

gend Österreich, und Marko Mi lo ra -<br />

dovic, Vorsitzenden der JUSOS Tirol,<br />

einmal mehr, dass es sich bei der<br />

Jugendorganisation der FPÖ um ein<br />

Prominenter Imam hetzt in<br />

Wiener Moschee gegen Israel<br />

Der prominente Wiener Imam Adnan<br />

Ibrahim hat beim Freitagsgebet in der<br />

Schura-moschee im Bezirk Leopold -<br />

stadt gegen israel gehetzt und die is -<br />

la mistische Hamas offen unterstützt,<br />

berichtete die Tageszeitung ‘Der<br />

Standard’. ibrahim kritisierte demnach,<br />

dass die Hamas <strong>als</strong> Terror grup -<br />

pe gebrandmarkt werde, während sie<br />

„in Wahrheit für uns alle Widerstand<br />

leistet“. Lob zollte der Prediger, der in<br />

Gaza geboren wurde und seit 1995 in<br />

Wien lebt, auch dem iran, weil dieser<br />

seit der Revolution des Ayatollah<br />

Kho meini „gegen Amerika und den Zio -<br />

nismus“ auftrete. „Israel ist die eigentliche<br />

Bestie, Israel ist der Verbrecher“, sag te<br />

Adnan ibrahim, eine Art Starprediger<br />

der Wiener muslime. Der „Standard“<br />

kam mit Dolmetscherin und hörte zu.<br />

Die USA geißelte der imam, weil sie<br />

dem nahen Osten das „US-zionistische<br />

Projekt“ aufzwinge, den französischen<br />

Präsidenten nicolas Sarkozy,<br />

weil er die Hamas <strong>als</strong> Terroristen ab -<br />

stem ple. Auch der ägyptische Präsi -<br />

dent Hosni mubarak wurde mit viel<br />

Kritik bedacht. Dazu beklagte ibra him<br />

die Übermacht des „starken, weißen<br />

Mannes“ und rief die muslime zu So -<br />

li darität mit Palästina, irak, Af gha nis -<br />

tan und iran auf: „Ich sehe eine letzte<br />

furchterregende Prüfung für uns. Aber<br />

wir sind jetzt eine Gemeinschaft, und die<br />

Gemeinschaft wird siegen.“<br />

IKG-Präsident verlangt<br />

Suspendierung<br />

Der Präsident der israelitischen Kul -<br />

Sammelbecken von Antise mi ten und<br />

anderen ideologischen Ver ir run gen<br />

handelt: „Es vergeht keine Woche, ohne<br />

dass sich FPÖ-Spit zenpolitiker von Äußerungen<br />

oder Handlungen ihrer Jung funk -<br />

tio näre distanzieren müssen. Es ist schon<br />

lang sam offensichtlich, dass es sich dabei<br />

um keine Ausnahmen, sondern um die<br />

Re gel handelt. Die jüngsten Hass ti ra den<br />

tus gemeinde (iKG), Ariel Muzicant, hat<br />

die Suspendierung des umstrittenen<br />

imams gefordert. „Würde ein Rabbiner<br />

innerhalb der jüdischen Gemeindehäuser so<br />

sprechen, wie das dieser Imam getan hat, er<br />

wäre in dieser Se kunde seinen Job los“,<br />

sagte muzicant im ‘Ö1-morgen jour -<br />

nal’. Er warnte auch davor, dass der<br />

nahost-Konflikt nach Österreich überschwappt<br />

und forderte die islamische<br />

Glaubens ge meinschaft auf, stärker zu<br />

deeskalieren.<br />

Der integrationsbeauftragte der is la -<br />

mischen Glaubensgemeinschaft, Omar<br />

Al-Rawi, bezweifelte seinerseits, dass<br />

diese Aussagen tatsächlich so getätigt<br />

wor den sind. Auch müsse man die<br />

persönliche Situation Adnan ibrahims<br />

mit bedenken, der im Gaza-Streifen<br />

drei Angehörige verloren habe. Und<br />

drittens: Alle Religionsgemein schaf ten<br />

würden sich immer wieder politisch<br />

äußern: „Die Kultusgemeinde positioniert<br />

sich dauernd politisch in Richtung Israel.<br />

Der Papst hat sich einmal gegen den Irak-<br />

Krieg positioniert, Kardinal Schön born hat<br />

sich für die Christen im Irak positioniert.“<br />

Al-Rawi meinte das Wort „Bestie“<br />

sei eine „deutliche Fehlübersetzung“,<br />

das arabische Wort hätte mit „wild und<br />

un menschlich“ übersetzt werden müssen.<br />

Die von Ariel muzicant geforderte<br />

Sus pendierung des imams wä re<br />

recht lich nicht möglich, so Al-Rawi.<br />

Der imam sei nicht bei der isla mi schen<br />

Glau bensgemeinschaft be schäftigt,<br />

des halb sei eine Sus pen dierung gar<br />

nicht möglich, erklärte Al-Rawi. red<br />

der beiden RFJ-Mitglieder gegen Israel<br />

müssen Konsequenzen haben,“ fordern<br />

moitzi und miloradovic den Rück tritt<br />

von RFJ-Obmann Patrick Hasel-wanter.<br />

moitzi: „Dieses Pamphlet von RFJ-<br />

Funk tionären strotzt nur so vor Ge -<br />

schicht s verdrehung und NS-Verharm lo -<br />

sung. Die Politik Israels mit den Ver bre -<br />

chen der 30er Jahre zu vergleichen, ist ein<br />

unglaublicher Affront. Genauso ist es<br />

un fassbar, <strong>als</strong> Österreicher die Existenz -<br />

berechtigung des Staates Israel in Frage zu<br />

stellen. Die Argumentation und Be-grif fe,<br />

die die Autoren des Textes verwenden, reihen<br />

sich jedenfalls nahtlos in rechtsextreme<br />

Hetzpapiere von NPD und Co. ein.“<br />

Als „doppelzüngig“ bezeichnet der<br />

miloradovic die Reaktion des Lan des -<br />

ob mannes der FPÖ, Gerald Hauser:<br />

„Hauser braucht gar nicht erst anfangen,<br />

sich zu empören. Die Mutterpartei gibt<br />

der Jugendorganisation immer gewisse po -<br />

litische und ideologische Rahmen be din -<br />

gungen vor, in der sie sich bewegen kann.<br />

Und wenn sich nun der RFJ in an ti se mi -<br />

ti schem Gefilde bewegt, dann hat das<br />

auch mit der Politik der FPÖ zu tun.<br />

Man denke dabei an einen der höchsten<br />

Repräsentanten der Republik, Martin<br />

Graf, und seine Mitarbeiter, die Reichs -<br />

kriegsflaggen, "Ich bereue Nichts!"-But -<br />

tons und Landser-CD´s zu Hause horten.<br />

Der freiheitliche Parteiobmann will sich<br />

in Wirklichkeit aus seiner Verantwor tung<br />

stehlen, ein paar RFJler über die Klippe<br />

springen lassen, damit bald Gras über die<br />

Sache wächst und sein Hemd weiß bleiben<br />

kann." kritisiert miloradovic die<br />

„Aufarbeitung von braunen Kolla -<br />

ter<strong>als</strong>chäden“ in der FPÖ<br />

SJÖ<br />

Die internationale jüdische<br />

EHE-PARTNER-VERMITTLUNG<br />

Weber José<br />

PF 180182<br />

D-60082 Frankfurt a.M.<br />

Telefon +49/69-597 34 57<br />

+49/17/267 14940<br />

Fax +49/69-55 75 95<br />

eMail: weber@simantov.de<br />

www.simantov.de<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769 9


POLITIK • INLAND<br />

Islamische Glaubensgemeinschaft für<br />

„pragmatischen Umgang“ mit IKG<br />

„Selbstverständlich solidarisch“ mit pa läs tinensischer Bevölkerung<br />

Die islamische Glaubensgemein schaft<br />

in Österreich (iGGiÖ) hat ihr Ver hält -<br />

nis zur israelitischen Kul tus ge mein de<br />

(iKG) im Hinblick auf den nahost -<br />

kon flikt klargestellt. „Das offene Ein ge -<br />

stehen, dass die Haltungen diametral entgegengesetzt<br />

sind“, solle einen prag ma -<br />

tischen Umgang nicht verhindern,<br />

hieß es in einer offiziellen Stel lung -<br />

nah me.<br />

im nahost-Konflikt selbst zeig te sich<br />

die muslime-Vertretung „selbstverständlich<br />

solidarisch“ mit der palästinensischen<br />

Bevölkerung. „Der Kon flikt<br />

wird von uns und von hier aus nicht lösbar<br />

sein“, betonte die iGGiÖ, Emo -<br />

tionen zu schüren sei der Sache der<br />

Pa läs ti nenser nicht dienlich. Und wei -<br />

ter: „In diesem Zusammenhang betonen<br />

wir, dass wir jüdische Bürgerinnen und<br />

Bürger in Österreich aus dem Nahost -<br />

kon flikt heraushalten wollen. Sie dürfen<br />

für die Po litik Israels nicht verantwortlich<br />

gemacht werden. Dies ist inzwischen<br />

eine muslimisch-jüdische österreichische<br />

Tradition und dabei soll es bleiben. Sip -<br />

penhaftung ist in jeder Form abzulehnen.“<br />

Die iGGiÖ appellierte an die medien,<br />

„so wie wir Konflikte nicht importieren<br />

wollen, diese auch nicht ‘herbeizuschreiben’“.<br />

Als „religiöse, eigenständige und<br />

ös terreichische Institution“ betonte man<br />

auch die „Unabhängigkeit von jeglichem<br />

Einfluss ausländischer Parteien oder<br />

Interessenvertretungen“.<br />

APA0<br />

Schnell-Auftritt bei<br />

deutscher<br />

Rechtspartei<br />

Wie das nachrichtenmagazin ‘profil’<br />

in seiner am 19. <strong>Januar</strong> erschienenen<br />

Ausgabe berichtete, trat der Salz bur -<br />

ger FPÖ-Obmann Karl Schnell am 21.<br />

Juni des Vorjahres bei einer Ver an stal -<br />

tung der nationalistischen deutschen<br />

Rechts partei „Die Republikaner“ auf.<br />

Schnell war <strong>als</strong> Gastredner zum Eu ro -<br />

pakongress der „Republikaner“ im<br />

bay ri schen Rosenheim geladen. Laut<br />

‘profil’ warnte Schnell in seiner An -<br />

spra che vor „so genannten Rechts par -<br />

teien der Mitte wie CDU, CSU und<br />

ÖVP“. Diese seien schuld daran, dass<br />

mittlerweile „der Schwarzafrikaner in<br />

Lederhose in München <strong>als</strong> Kellner die Maß<br />

Bier“ bringe. neben Karl Schnell trat<br />

bei der Veranstaltung auch Filip De -<br />

winter auf, Chef des rechtsextremen<br />

flämischen „Vlaams Belang“.<br />

„Nationale Medienfront“ ruft zu Demo am 18. April <strong>2009</strong> in Braunau auf<br />

Laut DÖW rechtsextreme NVP <strong>als</strong> Urheber<br />

Eine „nationale medienfront“ ruft<br />

unter dem motto „Mehr Demokratie -<br />

ge gen totalitäre Systeme. Zum Gedenken<br />

der 100 Millionen Opfer des Kom mu nis -<br />

mus“ zu einer Demonstration am 18.<br />

April <strong>2009</strong> in Braunau am inn auf.<br />

Urheber des Aufrufs dürfte die<br />

nationale Volkspartei (nVP) sein.<br />

Der Domain-inhaber der Homepage<br />

der nationalen medienfront ist derselbe<br />

wie der der nVP-Website. Und<br />

dabei handelt es sich um keinen Un -<br />

be kannten in Österreichs rechtsextremen<br />

und neonazistischen Kreisen.<br />

Als maßgebliches mitglied der laut<br />

Dokumentationsarchiv des Österreichischen<br />

Widerstandes (DÖW) neonazistischen<br />

Kameradschaft Germania<br />

hatte der in Uttendorf in der nähe<br />

Braunaus lebende Aktivist schon 2002<br />

zur Demo gegen die Wehr machts -<br />

ausstellung in Wien aufgerufen, zu<br />

der zahlreiche Rechts extremisten aus<br />

dem in- und Ausland erschienen wa -<br />

ren. nach der Kund gebung am Hel -<br />

denplatz waren neonazis Parolen wie<br />

„Sieg heil“ skan dierend durch die<br />

Wiener innenstadt gezogen. Die NVP<br />

wiederum wird vom DÖW <strong>als</strong> rechtsextrem<br />

mit Berührungspunkten zum<br />

neona zis mus eingestuft.<br />

Dass die Demo am 18. April und in<br />

Braunau stattfinden soll, ist natürlich<br />

kein Zufall, und das in zweierlei Hin -<br />

sicht. Erstens wurde Adolf Hitler am<br />

20. April in Braunau geboren, was die<br />

Gemeinde am inn automatisch zu ei -<br />

nem sehr symbolträchtigen Ort macht.<br />

Zweitens findet in diesen Ta gen traditionellerweise<br />

eine Demon stra tion<br />

gegen Faschismus und na tio n<strong>als</strong>o zia -<br />

lis mus statt, im kommenden Jahr<br />

eben für den 18. April angekündigt.<br />

Zusätzliche Brisanz erhält der Auf -<br />

ruf nicht zuletzt durch den Anschlag<br />

auf den Passauer Polizeichef Alois<br />

mannichl, der mutmaßlich von einem<br />

neo na zi verübt wurde. Der oder die<br />

Täter dürften auch über gute Verbin -<br />

dun gen nach Österreich, besonders<br />

nach Oberösterreich verfügen. neben<br />

der nVP ist der Bund freier Jugend<br />

(BfJ) besonders aktiv, überhaupt nach<br />

dem Frei spruch für drei seiner führenden<br />

mitglieder vom Vorwurf der<br />

Wiederbetätigung in Wels. nach den<br />

Freisprüchen hatten oberösterreichische<br />

Politiker wie der men schen rechts -<br />

sprecher der Landes-Grünen, Gun ther<br />

Trübswasser, der Sprecher des „netz -<br />

werkes gegen Rechtsextremismus“,<br />

Robert Eiter, sowie der Welser Bür ger -<br />

meister Peter Koits (S) morddro hun gen<br />

erhielten. Auch Personen, die seit Jah -<br />

ren in der Szene intensiv recherchieren,<br />

wurden bedroht.<br />

in Braunau selbst gibt es seit einiger<br />

Zeit eine heftige Diskussion um ein<br />

Tex tilgeschäft, in dem Kleidung der<br />

in rechtsextremen Kreisen symbolträchtigen<br />

ostdeutschen marke „Thor<br />

Steinar“ verkauft wird. Die Sozialis ti -<br />

sche Jugend (SJ) rief bei einer Presse -<br />

konferenz zu einem Aktionstag unter<br />

dem motto „Nazifreie Zone - Thor-Stei -<br />

nar-Shops schließen!“<br />

Wolfgang moit zi, Vorsitzender der<br />

Sozialis ti schen Jugend Österreich<br />

(SJÖ): „Thor-Steinar gilt unter Neonazis<br />

<strong>als</strong> Trendkleidung und Identitätsstiftung.<br />

In vielen deutschen Städten wurden die<br />

Shops nach Protesten geschlossen, auch<br />

im deutschen Bundestag ist das Tragen<br />

dieser Kleidung verboten. Deswegen fordern<br />

wir die sofortige Schließung des<br />

Shops in Braunau!“<br />

APA<br />

10 <strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769


WIRTSCHAFT • INLAND<br />

Schienen<br />

nach China<br />

©Reinhard Engel<br />

Verstopfte Seehäfen und eilige Kun -<br />

den lassen den Bahn-Transport aus<br />

Asien im mer interessanter werden.<br />

Ein Un ter neh men mit Sitz in Wien<br />

hat dabei die Nase vorn.<br />

VON REINHARD ENGEL<br />

„Momentan halten wir bei 20 bis 22<br />

Tagen, aber wir lernen immer noch dazu.<br />

Es sollen 15 bis 18 Tage werden.“ Robert<br />

Gerendas ist Aufsichtsrat und mit be -<br />

sitzer der „Far East Land Bridge“.<br />

Sein Unternehmen führt derzeit alle<br />

sieben bis zehn Tage je einen Con tai -<br />

ner-Zug von nordchina nach mittel -<br />

europa und umgekehrt. Auf dem<br />

Seeweg wären die Güter inklusive<br />

Landtransport vom Hafen zum Kun -<br />

den rund sechs Wochen unterwegs.<br />

Ab Frühjahr <strong>2009</strong> will die Deutsche<br />

Bahn gemeinsam mit der russischen<br />

regelmäßig Container via Transsi bi ri -<br />

sche Eisenbahn aus Südchina nach<br />

Ham burg fahren, zwei Probezüge wa -<br />

ren schon über Weißrussland und Po -<br />

len unterwegs. Die „Far East Land<br />

Brid ge“ hat bereits mehr Praxis:<br />

Schon im Vorjahr konnte sie immerhin<br />

20 Züge quer durch Asien und<br />

Osteuropa schleusen, bis Ende <strong>2009</strong><br />

soll dann täglich ein Container-Trans -<br />

port pro Richtung unterwegs sein.<br />

Fünf Jahre arbeitete der Chemiker<br />

und frühere Ost-Händler Gerendas<br />

mit Partnern aus London und Prag an<br />

dem Konzept der Landverbindung in<br />

den Fernen Osten. immer wieder<br />

scheiterte man an der unwilligen russischen<br />

Staatsbahn RZD. Als dort vor<br />

zweieinhalb Jahren ein neuer Gene ral -<br />

direktor an die Spitze kam, tat sich<br />

ein Zeitfenster auf. Das Unternehmen<br />

ist in Zypern eingetragen, die Verwal -<br />

tungszentrale der 30-mitarbeiter-Fir -<br />

ma befindet sich in Wien, mitten im<br />

europäischen Teil des Ziel-marktes.<br />

Für die Transportverbindung gibt<br />

es auf beiden Seiten keine fixen End -<br />

punkte. in China sammelt die dortige<br />

Staatsbahn die Container an unterschiedlichen<br />

Punkten ein, ge bündelt<br />

werden diese an der Grenze zu Russ -<br />

land, wo auf Breitspur umgeladen<br />

wird. Dann fährt der Zug, bewacht<br />

von einem eigenen Begleiter, auf der<br />

Strecke der Transsibirischen Eisen -<br />

bahn, der lokale Partner ist Trans Con -<br />

tainer, eine Tochter von RZD. Stopps<br />

gibt es nur an den vorgeschriebenen<br />

Orten zum Lokomotiv-Wechsel, von<br />

zahlreichen Kontrollpunkten aus mel -<br />

den die Container elektronisch mit tels<br />

Barcode-Lesern ihre jeweilige Posi ti on.<br />

Südlich von moskau zweigt dann die<br />

Strecke Richtung Ukraine ab. An der<br />

Grenze zu Ungarn wird wieder um ge -<br />

laden, auf europäische normal spur.<br />

Schließlich geht es mit der Raa ber bahn<br />

bis Sopron, dort übernimmt die Rail<br />

Cargo Austria die Waggons, um sie<br />

entweder an unterschiedliche Des ti na -<br />

tionen in Österreich oder Süd deutsch -<br />

land zu bringen, oder <strong>als</strong> ganzen Block -<br />

zug zum Kunden zu schleppen. ><br />

Transsibirien-Express Rossija<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769 11


POLITIK • INLAND<br />

> Kundennamen will Gerendas<br />

keine nennen, aber allzu schwer ist es<br />

nicht, zu erkennen, wer der österreichische<br />

Feuerfest-Spezialist ist, der<br />

auf diese Weise magnesit aus China<br />

ordert. meh rere süddeutsche Auto mo -<br />

bilher steller haben erste Probe-Con -<br />

tai ner nach China geschickt, große<br />

möbel häu ser lassen in der umgekehrten<br />

Rich tung Waren transportieren.<br />

Jetzt verhandelt Far East Land Bridge<br />

vor allem mit den asiatischen Auto -<br />

her stellern in Tschechien, Ungarn<br />

und der Slowakei. Selbst aus Japan<br />

und Ko rea ginge es schneller in der<br />

Kombination Schiff und Bahn im Ver -<br />

gleich zum reinen Seeweg.<br />

„Für uns sind vor allem Kunden in<br />

Mitteleuropa interessant, die in der Nähe<br />

keinen Hafen haben,“ so Gerendas. „Nach<br />

Hamburg oder Hannover brauchen wir<br />

nicht zu liefern.“ Die Spe diteure wa -<br />

ren der neuen Verbin dung zuerst<br />

eher skeptisch gegenüber ge standen,<br />

jetzt zeigen sie zunehmend mehr<br />

interesse, so Gerendas, auf Druck der<br />

Kunden,.<br />

Experten sehen in der Land ver bin -<br />

dung ein gewaltiges Potential. „Da gibt<br />

es riesige Chancen“, analysiert der ös -<br />

terreichische Ökonom Helmut Mee lich,<br />

der in Bratislava das Un-Büro für<br />

trans europäische Eisen bahn netze<br />

UnECE leitet. „Wir könnten zehn Li -<br />

nien brauchen.“ Wirklich gefährlich<br />

werden kann die Bahn dem Schiff<br />

freilich nicht: Gegenüber den derzeit<br />

18 bis 19 mio. Con tai nern, die jährlich<br />

zwischen Asien und Europa bewegt<br />

werden, befördert die direkte Land ver -<br />

bindung auch bei kräftigem Wachs -<br />

tum und mehreren Anbietern immer<br />

noch „Peanuts“ (Gerendas). •<br />

Täglich<br />

mehrfach<br />

aktualisiert!<br />

www. ikg-wien.at<br />

news<br />

events<br />

@ pinwand<br />

Oberösterreich intensiviert<br />

kulturelle Zusammenarbeit<br />

mit Israel<br />

Das Land Oberösterreich intensiviert<br />

seine kulturelle Zusammenarbeit mit<br />

is rael. Bei einem Besuch einer offiziellen<br />

Delegation sind im november Ko o -<br />

pe ra tio nen mit Bildungseinrich tun gen<br />

im Bereich musik vereinbart worden.<br />

Oberösterreich und israel haben 2004<br />

ein „memorandum of Understan ding“<br />

unterzeichnet. in diesem zwischen is -<br />

ra el und einem österreichischen Bun -<br />

desland in dieser Art einmaligen Ver -<br />

trag wurde eine Vertiefung der Ko o pe -<br />

ration im Kulturbereich vereinbart. Da -<br />

mit sollte dessen Brü cken funktion<br />

zum gegenseitigen Ver ständ nis, zum<br />

Ken nenlernen und zur ge gen seitigen<br />

Ak zeptanz genützt werden. Seither gab<br />

es einen regen Kulturaus tausch unter<br />

anderem mit Veran stal tun gen und<br />

Ausstellungen.<br />

nach längerer Vorarbeit haben LH-<br />

Stv. Franz Hiesl und die Rektorin der<br />

Anton Bruckner Privat Universität<br />

Linz, Marianne Betz in Jerusalem eine<br />

Grundsatz Verein ba rung über eine Zu -<br />

sammenarbeit mit der dortigen „Aca-<br />

demy of music and Dance“ unterzeichnet.<br />

Sie zählt rund 700 Stu den ten, die<br />

Bachelor- und master-Abschlüsse in<br />

musik, Tanz und musik-Bildung an -<br />

stre ben. Künftig soll es einen Aus tausch<br />

beider Bildungseinrichtungen geben<br />

und eine gegenseitige Teil nah me an<br />

wis senschaftlichen Veranstaltungen.<br />

Auch bei pädagogischen Pro gram -<br />

men soll zu sammengearbeitet werden.<br />

Ähnliches ist mit einer modellschule<br />

zur För derung von hochbegabten und<br />

mo ti vierten Jugendlichen in Jerusa -<br />

lem ge plant.<br />

•<br />

Ehrendoktorat für Bundespräsident Fischer<br />

in Israel<br />

Bundespräsident Heinz Fischer (r.), der Rektor der Universitaet Tel Aviv,<br />

Dani Leviathan (m.) und deren Präsiedent Zvi Galil am Dienstag, 16.<br />

Dezember 2008, bei der Verleihung eines Ehrendoktorates der Universitaet<br />

Tel Aviv an Bundespräsident Fischer im Rahmen eines Staatsbesuches in<br />

israel.<br />

in seiner Dankesrede widmete sich Fischer dem 90. Jahrestag der Grün -<br />

dung der Republik Österreich. Er wies dabei auch auf die mitverant wor -<br />

tung von Österreichern an den nS-Verbrechen hin, erinnerte aber gleichzeitig<br />

an die ös terreichischen Widerstandskämpfer. Zudem versicherte der<br />

Bundespräsident, das heutige Österreich unterscheide sich grundlegend<br />

von dem von 1918.<br />

Das Ehrendoktorat der weltweit größten jüdischen Universität hatten in die -<br />

sem Jahr unter anderem Friedensnobelpreisträger Eli Wiesel und der spanische<br />

Ar chitekt Santiago Calatrava erhalten.<br />

©APA/Roland Schlager<br />

12 <strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769


POLITIK • INLAND<br />

Es geht ganz einfach – oder auch nicht<br />

Gedenktafel am Josefstädter Amtshaus<br />

Wer in Wien an seinem Wohnhaus eine<br />

Gedenktafel anbringen will, muss dies<br />

vorher behördlich genehmigen lassen.<br />

Oft ist dieses Verfahren sehr unkom pli -<br />

ziert. Manche Initiatoren wiederum verzweifeln<br />

angesichts der unüberwindbar<br />

anmutenden Widerstände. Dann ist<br />

Ideenreichtum gefragt.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

Ein Bewohner des Hauses Rem -<br />

brandtstraße 33 in der Leopoldstadt<br />

besuchte 2006 das ehemalige Kon zen -<br />

tra tionslager Auschwitz. Auf Ausstel -<br />

lungs stücken kam ihm dabei mehrm<strong>als</strong><br />

ein Adressschild mit dem Ver -<br />

merk „Rembrandtstraße“ unter, er zählt<br />

Gerlinde Affenzeller, die ebenfalls in<br />

diesem Haus wohnt. Das brach te ihn<br />

auf die idee die Schick sa le der Juden,<br />

die während der nS-Zeit in seinem<br />

Wohnhaus lebten, zu recherchieren –<br />

und für die Deportierten und Er mor -<br />

deten eine Gedenktafel anzubringen.<br />

„Wir fanden das eine schöne Geste“,<br />

sagt Affenzeller, die bei der Orga ni sa -<br />

tion der Tafelanbringung half. Die ge -<br />

samte Hausgemeinschaft, es handelt<br />

sich dabei um die Eigentümer der<br />

insgesamt acht Wohnungen, sei dafür<br />

gewesen und man habe im meldeamt<br />

sowie im Dokumentationsarchiv des<br />

Österreichischen Widerstands (DÖW)<br />

zu recherchieren begonnen. „Dann<br />

sind Bedenken gekommen, dass das Haus<br />

sabotiert werden können, dass es rechtsradikale<br />

Hausbeschmierungen geben könn te.“<br />

Doch die Stimmung sei bald wieder<br />

ins Positive umgeschlagen.<br />

„Ab da ging eigentlich alles sehr schnell“,<br />

so Affenzeller. Da in dem Haus während<br />

des nS-Regimes Sammel woh -<br />

nungen eingerichtet worden wa ren,<br />

musste die heutige Haus ge mein schaft<br />

schließlich 28 namen in Stein meißeln<br />

lassen. Einer davon ist jener der Groß -<br />

mutter des britischen Schau spielers<br />

und Schriftstellers Stephen Fry. im<br />

Zug von Filmarbeiten für eine Doku -<br />

mentation suchte Fry auch persönlich<br />

das Haus auf. „Das war einfach eine to tal<br />

gute Begegnung – er hat sich so ge freut.“<br />

inzwischen hätten schon zwei weitere<br />

Verwandte Frys das Haus und seine<br />

Bewohner aufgesucht.<br />

im Grunde ist nicht viel zu beachten,<br />

wenn man – wie die Hausge mein -<br />

schaft der Rembrandtstraße 33 – eine<br />

Gedenktafel für nS-Opfer anbringen<br />

lassen will, die früher in diesem Ge -<br />

bäude gewohnt haben. Der erste<br />

Schritt ist die Zustimmung der Haus -<br />

inhabung im Fall eines mietshauses<br />

be ziehungsweise der Hausge mein -<br />

schaft im Fall eines Gebäudes mit Ei -<br />

gen tumswohnungen, sagt Renate Rapf<br />

aus dem Büro von Kultur stadt rat<br />

Andreas mailath-Pokorny.<br />

Verweigere der Hausbesitzer die<br />

An bringung der Tafel oder finde sich<br />

in der Hausgemeinschaft keine mehr -<br />

heit, gibt es die möglichkeit, sie vor<br />

der Fassade am Gehsteig am Grund<br />

der magistratsabteilung 28 zu errichten,<br />

erläutert Rapf. Drei solcher Tafeln<br />

beziehungsweise kleinen Denkmäler<br />

auf dem Gehsteig gibt es bereits in<br />

Wien: in der Schottenfeldgasse 60 und<br />

der neustiftgasse 92 in Wien-neubau<br />

sowie in der Servitengasse 6 in Wien-<br />

Alsergrund.<br />

Schritt nummer zwei: bei der ma -<br />

gis tratsabteilung (mA) 8, dem Wiener<br />

Stadt- und Landesarchiv, muss der<br />

Tex tent wurf eingereicht werden (mA<br />

8, zu Handen Dr. Karl Fischer, post@<br />

ma08.wien.gv.at). Diese gibt dann eine<br />

Stel lungnahme zu dem Text ab.<br />

Danach heißt es nur mehr, eine Ta -<br />

fel auszusuchen und anfertigen zu lassen<br />

– Stein und Plexiglas sind da bei<br />

die beliebtesten materialien. Zeit gleich<br />

soll an die mA 7, zu ständig für Kul -<br />

tur, ein formloses Schre iben „mit Pro -<br />

jekt beschreibung, Entwurf des Textes,<br />

genauen Angaben über Zeit und Ort der<br />

Anbringung mit Skizze, Maß- und Ma te -<br />

ri alangabe“ ge richtet wer den.<br />

nach Anbringung der Tafel muss<br />

der oder die Stifter einen ebenfalls<br />

form losen Antrag an die mA 7 „auf<br />

Übernahme in die denkmalpflegerische<br />

Obhutnahme“ stellen. Beiliegen muss<br />

dann eine Bestätigung über die<br />

Zustimmung der Hausin ha bung<br />

sowie die Stellungnahme der ma -<br />

gistratsabteilung 8 zum Text.<br />

Budgetmittel für die Errichtung von<br />

solchen Gedenktafeln sind seitens der<br />

Stadt übrigens keine vorgesehen. ins -<br />

gesamt habe es sich bewährt, wenn<br />

hier private Stifter wie Vereine oder<br />

Ko mitees aktiv würden, sagt Rapf. Da -<br />

durch werde auch vermieden, dass<br />

sich die Stadt dem Vorwurf der Be -<br />

vorzugung bestimmter Personen<br />

oder Ereignisse beziehungsweise der<br />

Vernachlässigung anderer aussetze.<br />

Die Grünen-Politikerin Doris mül ler<br />

erinnert sich an ein wesentlich längeres<br />

Verfahren. Der Bezirksvorsteher-Stell -<br />

vertreterin der Josefstadt war es ein<br />

Anliegen, im Bezirk auch der in der<br />

Josefstadt dem nS-Terror zum Opfer<br />

gefallenen menschen zu erinnern.<br />

im Jahr 2004 äußerten die Grünen<br />

das Ansinnen, am Josefstädter Amts -<br />

haus eine Gedenktafel an die Opfer des<br />

nation<strong>als</strong>ozialismus anzubringen. Ob -<br />

wohl alle politischen Frak tio nen im<br />

Bezirk dafür waren, kam es erst 2006 zu<br />

einer Einigung über den Text, „mit dem<br />

alle Parteien leben konnten“. Und es dau -<br />

erte weitere zwei Jah re, bis die Tafel<br />

endlich angebracht werden konnte.<br />

Denn das Amtsgebäude der Be zirks -<br />

vorstehung ist naturgemäß ein öffentliches<br />

Gebäude – weshalb es der Zu -<br />

stim mung der magistratsabteilung 34<br />

(Städtische Gebäudeverwaltung) be -<br />

durfte. Und diese ließ auf sich warten,<br />

denn die dort Zuständigen pochten<br />

auf Verständigung des Bundesdenk -<br />

mal amtes, da das Gebäude unter<br />

Denk m<strong>als</strong>chutz steht. Wenigstens sei<br />

von der für das Stadtbild zuständigen<br />

magistratsabteilung 19 kein Einwand<br />

gekommen, erinnert sich müller.<br />

Das Bundesdenkmalamt legte sich<br />

zunächst quer. Es dürfe an dem Ge -<br />

bäu de keine weitere Tafel angebracht<br />

werden, hieß es. Erst <strong>als</strong> die Bezirks -<br />

vor stehung einen Grafiker mit einem<br />

Entwurf für eine Plexiglastafel be trau -<br />

te und eine Fotomontage dieses Ent -<br />

wurfs, die zeigt, wie die Tafel an dem<br />

Gebäude aussehen würde, übermit -<br />

telte, gaben die Denkm<strong>als</strong>chützer<br />

schließlich ihre Einwilligung. „In zwi -<br />

schen hatten wir bereits das Jahr 2008“,<br />

so müller. Vergangenen Oktober wur -<br />

de die Tafel schließlich im Rah men<br />

eines feierlichen Festakts enthüllt. •<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769 13


POLITIK • AUSLAND<br />

Rechtsextreme Ungarische Garde -<br />

Schießübungen mit scharfer Munition<br />

Trotz gerichtlichen Verbots in erster<br />

instanz ist die rechtsextreme Un ga ri -<br />

sche Garde weiter aktiv. Das „Györer<br />

Bataillon“ der paramilitärischen Trup -<br />

pe führte erstm<strong>als</strong> Schießübungen mit<br />

scharfer munition durch, berichtete<br />

die Tageszeitung „nepszabadsag“.<br />

Der sogenannte Kapitän der Ein heit<br />

in der westungarischen Stadt Györ,<br />

Da vid Karaffa, bezeichnete die Ak tion<br />

<strong>als</strong> „Pflege von Heerestraditionen“. Die<br />

Gardisten hätten lediglich auf Ton tau -<br />

ben geschossen, was jedem Bür ger er -<br />

laubt sei.<br />

Laut der internet seite der Un ga ri -<br />

schen Garde will die Einheit in Györ<br />

ihre Schießkünste in nächster Zu kunft<br />

Matthias Faust neuer Chef<br />

der rechtsextremen DVU<br />

Der langjährige Vorsitzende der<br />

rechts extremen Deutschen Volks uni on<br />

(DVU), Gerhard Frey, hat sich von der<br />

Parteispitze zurückgezogen.<br />

Zum nachfolger des 75-Jährigen<br />

wur de Matthias Faust (37) gewählt,<br />

teilte die Partei mit.<br />

Der Heraus ge ber der ultrarechten<br />

‘national-Zeitung’, Frey, habe bei ei -<br />

nem Bundesparteitag in magdeburg<br />

nicht mehr kandidiert. Der Parteitag<br />

stellte auch die Bundesliste zur Eu -<br />

ropawahl auf. Spitzenkandidatin ist<br />

Liane Hesselbarth<br />

weiter verbessern und diese „auf<br />

Meisterebene erhöhen“, zitiert das Blatt.<br />

Ein Aufruf der Garde spricht vom<br />

Schutz der nation mit „unserem Leben<br />

und unserem Blut“.<br />

Das Budapester Stadtgericht hatte<br />

im Dezember über den Trägerverein<br />

der Ungarischen Garde ein Verbot ver -<br />

hängt. Die Vereinigung jage der Ro ma-<br />

Bevölkerung und anderen min der hei -<br />

ten in Ungarn Angst ein und verstoße<br />

mit ihren Aktivitäten gegen das Ver -<br />

einsrecht, hieß es.<br />

Die im August 2007 gegründete Or -<br />

ganisation pflegt eine Hassrhetorik<br />

und marschierte uniformiert durch<br />

Sied lungen mit einem hohen Anteil an<br />

Roma-Bevöl ke rung, um gegen „Zi geu -<br />

ner krimi na li tät“ zu kämpfen, wie sie<br />

sagt.<br />

Der Chef der Ungarische Garde,<br />

zu gleich Vorsitzender der nicht im<br />

Par lament vertretenen rechtsextremen<br />

Partei Jobbik („Für ein besseres Un -<br />

garn“), Gabor Vona, betonte nach dem<br />

Ge richtsurteil, dass nur der Träger -<br />

ver ein der Ungarischen Garde verboten<br />

wor den sei, nicht aber die Bewe -<br />

gung selbst. Sie habe „keine juristische<br />

Form“ und könne so auch nicht<br />

aufge löst werden, erklärte Vona. Die<br />

Unga ri sche Garde sei „unauflösbar“<br />

und wer de ihre Tätigkeit mit dem Ziel<br />

„der Rettung der Nation und der Gesell -<br />

schaft“ fortsetzen.<br />

APA<br />

Gas unter dem Mittelmeer<br />

Die Noble Energy Inc. gab bekannt,<br />

dass bei einer Bohrung etwa 80 km<br />

vor der Küste Haifas drei riesige<br />

unterirdische Lager von naturgas<br />

ent deckt wurden. Für israel bedeutet<br />

dies das bisher größte gefundene<br />

Gasvorkommen, das sich auf etwa 88<br />

mrd. Kubikmeter belaufen und auch<br />

qualitativ sehr gut sein soll. Yitzhak<br />

Tshuva, der inhaber der israelischen<br />

Firma Delek Group Ltd., der diese<br />

Gasquelle gehört, ist der meinung,<br />

dass mit diesem Gasfund israels Wirt -<br />

schaft transformiert werden könnte.<br />

israels infrastrukturminister Ben-<br />

Elieser nannte den Fund historisch.<br />

Russland erwägt<br />

erstm<strong>als</strong> Kauf von<br />

Verteidigungstechnik<br />

aus Israel<br />

Russland erwägt erstm<strong>als</strong> den Kauf<br />

von Verteidigungstechnik aus israel.<br />

Wie der russische Gener<strong>als</strong>tabschef Ni -<br />

kolai Makarow der nachrichtena gen tur<br />

interfax im Dezember sagte, interessiert<br />

sich moskau für hochmoderne<br />

is raelische Aufklärungsdrohnen.<br />

„Wenn unsere Industrie nicht in der La -<br />

ge ist, in der nahen Zukunft die Droh nen<br />

zu produzieren, die wir brauchen, dann<br />

könnten wir zunächst zu Testzwecken einen<br />

Satz in Israel bestellen“, sagte ma -<br />

karow. Die Zeitung ‘Kommersant’<br />

berichtete, das russische militär habe<br />

Ende november Gespräche mit Ver -<br />

tre tern des israelischen Verteidi gungs -<br />

ministeriums und des Rüstungs un ter -<br />

nehmens israel Aerospace indus tries<br />

(iAi) geführt. Das Blatt erfuhr aus Ar -<br />

meekreisen, dass ein Auftrag an iAi<br />

für den Bau von Drohnen „fast si cher“<br />

sei. israelischen Presseberichten zu -<br />

fol ge beläuft sich die Kaufsumme auf<br />

umgerechnet 7,3 - 8,7 mio. Euro.<br />

Der rus sische Verteidigungsexperte<br />

Rus lan Puchow, Direktor des Centre of<br />

Analysis of Strategies and Tech nologies,<br />

sagte der nachrichtenagentur<br />

AFP, moskau habe noch nie zuvor mi -<br />

litärtechnik aus israel gekauft. „Das<br />

ist eine ziemlich gewagte Entschei dung“,<br />

sagte Puchow. Sowohl die US-Re gie -<br />

rung <strong>als</strong> auch die russische Rüstungs -<br />

industrie würden über den mögli chen<br />

israelisch-russischen Handel nicht<br />

glücklich sein. Rüstungs ge schäf te<br />

zwischen den beiden Ländern sind<br />

außerdem wegen der russischen Waf -<br />

fen verkäufe an israels Erzfeinde iran<br />

und Syrien ein heikles Thema.<br />

Wäh rend des Kaukasus-Krieges im<br />

vergangenen August konnte die georgische<br />

Armee den russischen Ein hei -<br />

ten dank ihrer Aufklärungsdrohnen<br />

aus israelischer Herstellung schmerzvolle<br />

Verluste zufügen. nach An ga ben<br />

der Zeitung ‘Kommersant’ musste<br />

die russische Ar mee „praktisch blind“<br />

arbeiteten. israel gilt <strong>als</strong> besonders er -<br />

fahren bei der Her stellung und nut -<br />

zung von Drohnen.<br />

APA/ap<br />

14 <strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769


DOSSIER • GEGEN DEN TERROR DER HAMAS<br />

Gegen den Terror<br />

der Hamas<br />

Demokratie statt<br />

autoritärer Diktatur<br />

in Gaza<br />

Operation „Gegossenes Blei“<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769 15


DOSSIER • GEGEN DEN TERROR DER HAMAS<br />

Seit acht Jahren<br />

Ashkelon, 29.12.08<br />

Das Jahr 2008 war ein ‚Rekord-<br />

jahr’ in Bezug auf den Einschlag von<br />

Ra ke ten und Mörsergranaten auf is ra e -<br />

li schem Ter ri to rium. Inge samt waren<br />

es mehr <strong>als</strong> 2.900.<br />

Im Jahr 2001 schossen paläs ti nen -<br />

si sche Terroristen aus dem Gaza-<br />

Streifen erst m<strong>als</strong> eine Rakete auf Is ra el<br />

ab. Bis Juli 2008 folgten dann 3.483<br />

Raketen und 3.856 Mörser gra naten.<br />

Allein zwischen dem Tag der Macht -<br />

ergreifung der Terror or gani sa tion Ha -<br />

mas im Gaza-Streifen Mitte Juni 2007<br />

und Mitte Juni 2008 lan deten 1.508<br />

Raketen und 1.799 Mör ser granaten im<br />

westlichen Negev.<br />

Seit Beginn der Operation "Gegos-<br />

se nes Blei" am 27. Dezember 2008<br />

ha ben Palästinenser aus dem Gaza -<br />

strei fen 565 Raketen und etwa 200<br />

Mörser gra na ten auf Israel abgefeuert.<br />

RAKETENSTATISTIK 2008<br />

Schule in Sderot, 21.05.06<br />

Ashkelon, 08.01.09<br />

16 <strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769


DOSSIER • GEGEN DEN TERROR DER HAMAS<br />

im Raketenfeuer<br />

Kindergarten im Ganei Tal, 15.12.04<br />

50 K<br />

5 M<br />

28 K<br />

(3 G)<br />

So Mo Di Mi Do Fr Sa<br />

59 K<br />

(9 G)<br />

5 M<br />

1 2 3<br />

41 K<br />

(4 G)<br />

5 M<br />

28 K<br />

10 M<br />

4 5 6 7 8 9 10<br />

39 K<br />

(4 G)<br />

5 M<br />

30 K<br />

3 M<br />

24 K<br />

(8 G)<br />

30 K<br />

4 K<br />

30 K<br />

(7 G)<br />

16 K<br />

(4 G)<br />

11 12 13 14 15 16 17<br />

20 K<br />

(3 G)<br />

3 M<br />

18 K<br />

5 M<br />

11 K<br />

5 M<br />

3 K<br />

29 K<br />

(3 G)<br />

21 K<br />

(3 G)<br />

4 M<br />

27 K<br />

4 M<br />

18 19 20 21 22 23 24<br />

Waffenstillstand<br />

13 K<br />

(2 G)<br />

4 M<br />

25 26 27 28 29 30 31<br />

Stand 19.01.<strong>2009</strong><br />

K - Kassam (inkl. Katjushas) • M - Mörsergranate • G - Grad-Rakete • Gelb=Hilfsgüter nach Gaza<br />

RAKETENKALENDER JANUAR <strong>2009</strong><br />

<strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769 17


DOSSIER • GEGEN DEN TERROR DER HAMAS<br />

Was bedeu<br />

Militante Palästinenser haben seit<br />

dem 27. Oktober 2001 rund 10.300 Ra -<br />

keten auf israelische Grenzstädte ab -<br />

geschossen. Als Folge dieser An grif f e<br />

sind nach Angaben des auf die Zäh lung<br />

von Raketen und Opfern spezia li sierte<br />

Sderot Media Center 32 Israelis ge tö tet<br />

worden. Dazu gehören auch die vier<br />

Israelis, die seit Beginn der neu en Aus -<br />

einandersetzung ums Leben ge kom -<br />

men sind. Weitere 600 Men schen sind<br />

den Angaben zufolge in den vergan ge -<br />

nen sieben Jahren <strong>als</strong> Folge des Rake -<br />

ten beschusses verletzt worden. Tau sen -<br />

de erlitten einen Schock.<br />

WARUM GIBT ES TROTZ DER VIE LEN<br />

ANGRIFFE RELATIV WENIGE TOTE?<br />

Die relative geringe Zahl an Todes op -<br />

fern im Vergleich zu den abgeschos se -<br />

nen Raketen ist unter anderem auf die<br />

fehlende Schussgenauigkeit zurück zu -<br />

führen. Viele Raketen schlagen auf<br />

freiem Feld ein. Nach den Worten des<br />

stellvertretenden Sprechers im israe li -<br />

schen Außenministerium Andy David<br />

ist die geringe Zahl der israelischen<br />

To desopfer aber vor allem auch auf die<br />

Bauvorschriften in Israel zurückzufüh -<br />

ren. Danach muss es in allen neuen Ge -<br />

bäuden einen Luftschutzkeller geben.<br />

„Alle Israelis, die bei Angriffen ums Le ben<br />

gekommen sind, haben sich im Freien<br />

aufgehalten“, sagt David.<br />

WIE SCHÜTZEN SICH DIE BÜRGER<br />

IN DEN GRENZSTÄDTEN? In Sderot<br />

und anderen Grenzorten haben sich<br />

viele Israelis in ihre Einfamilienhäuser<br />

ein Zimmer <strong>als</strong> besonders gesicherten<br />

Schutzraum eingerichtet. Diese Räu me<br />

haben zumeist Metalltüren und Fen s -<br />

terläden aus Metall. Weil in Sderot vie le<br />

Wohnblöcke in den 1950-er Jahren ge -<br />

baut wurden und damit keinen Luftschutzraum<br />

im Keller haben, stehen vor<br />

den Häusern Bunker auf der Straße.<br />

Schulen sind unter anderem mit Be -<br />

ton konstruktionen über den Dächern<br />

ge sichert worden.<br />

WIE VIELE ISRAELIS SIND GE FÄHR -<br />

DET? Die von militanten Palästinen -<br />

sern verwendeten Raketen haben in -<br />

zwischen eine Reichweite von bis zu 40<br />

Kilometer. Dadurch sind nach Anga ben<br />

von Polizeisprecher Micky Rosenfeld<br />

eine Million der 7,3 Millionen Israelis<br />

direkt gefährdet.<br />

WIE SEHEN DIE SELBST GEBAUTEN<br />

RAKETEN AUS? Die Raketen sind je<br />

nach Typ zwischen 1,60 Meter und<br />

über 2 Meter lang. Die neuesten selbst<br />

gebauten Kassam-Raketen der radikalislamischen<br />

Hamas sind mit bis zu<br />

zehn Kilogramm Sprengstoff und<br />

zusätzlich oft auch noch mit Bolzen,<br />

Schrauben und Muttern gefüllt, um<br />

möglichst viele Menschen zu töten<br />

oder schwer zu verletzen.<br />

WAS WILL HAMAS MIT DEM BE -<br />

SCHUSS ERREICHEN? Hamas be gann<br />

mit dem Beschuss Israels im Oktober<br />

2001, nachdem der palästinensische<br />

Volksaufstand (Intifada) ausge bro chen<br />

war. Heute will Hamas Israel zwingen,<br />

die Blockade des Gaza strei fens zu<br />

beenden und alle Grenz über gän ge zu<br />

öffnen. Im Jahr 2008 waren es nach<br />

Armeeangaben 3.200 - und das bei<br />

einem halben Jahr Waffenruhe.<br />

Supermarkt in Sderot, 17.12.08<br />

ÜBER 10.000 RAKETENANGRIFFE AUF ISRAEL SEIT 2001<br />

18 <strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769


DOSSIER • GEGEN DEN TERROR DER HAMAS<br />

tet dann ...<br />

- AUSSCHLIESSLICH AUF ZIVILE ZIELE<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769 19


... “unverhältnism<br />

DOSSIER • GEGEN DEN TERROR DER HAMAS<br />

Ashkelon<br />

Beinahe die Hälfte der Eltern und ein<br />

Drittel der Kinder in Sderot leiden an<br />

post-traumatischem Stress. Das ergab<br />

eine Studie, die von Professor Molly<br />

La had, Direktor des Mashabim-Cen ters<br />

im akademischen College Tel Hai, ver öf -<br />

fentlicht wurde. 15 Prozent der Kin der<br />

ab 2 Jahren leiden an einem ernst haf ten<br />

post-traumatischen Stress symp tom,<br />

das sich vor allem darin aus wirkt, dass<br />

die betroffenen Per sonen Schwie rig kei -<br />

ten haben zu „funk tionieren“.<br />

„Kinder im Alter von 5 bis 13 Jahren ver -<br />

fallen ins Bettnässen zurück, und Schul -<br />

kinder schlafen wieder bei ihren Eltern<br />

im Bett“, sagte Dalia Yosef, Sozial ar -<br />

beiterin in Sderot. „Wir bemerken Ver -<br />

meidungs-Verhalten, sehr große Ängste,<br />

nach draußen zu gehen und Angst da vor,<br />

zur Schule zu gehen. Der geringste Lärm,<br />

selbst das Zuschlagen einer Tür, lässt sie<br />

auffahren“, fügt sie hinzu. Yosef sagte,<br />

die Kinder fühlen sich, <strong>als</strong> ob etwas<br />

Schreckliches passieren wird. Viele wei -<br />

sen Essens- und Schlafstörungen auf<br />

und zeigen Aufmerksamkeitsdefizite in<br />

der Schule. „Wir beobachten, dass die<br />

Kinder große Sorgen haben. Diese drüc ken<br />

sich in enormer Abhängigkeit von den El -<br />

tern und in Trennungsängsten aus. Man -<br />

che Kinder haben angefangen zu stot tern“.<br />

18 Prozent der Kinder leiden an leich -<br />

tem bis mittelmäßigem post-trau ma ti -<br />

schem Stress. Zu den Symp to men ge -<br />

hö ren Schlaflosigkeit, Kopfweh und Kon -<br />

zentrationsschwierigkeiten. Die Stu die<br />

zeigt außerdem, dass jedes Kind, das<br />

an post-traumatischem Stress leidet,<br />

mindestens ein Elternteil hat, das auch<br />

betroffen ist. Hingegen haben nicht<br />

alle betroffenen Eltern auch Kinder, die<br />

daran leiden.<br />

•<br />

KINDER LEIDEN AN POST-TRAUMATISCHEM STRESS<br />

20 <strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769


DOSSIER • GEGEN DEN TERROR DER HAMAS<br />

äßige Gewalt”?<br />

Ashkelon 24.12.08<br />

Ashkelon<br />

Sderot<br />

Ashkelon<br />

Welche Mittel hätte der jüdische<br />

Staat angesichts des seit Jahren an -<br />

dau ernden Raketenbeschusses denn<br />

genau anwenden sollen? Vor allem an -<br />

ge sichts der Tatsache, dass die Aus -<br />

rüs tung immer ausgereifter ist, somit<br />

ei ne größere Reichweite hat und nun<br />

auch Städte trifft, die vergangenes Jahr<br />

noch unerreichbar schienen.<br />

Sollte Israel sich damit zufrieden<br />

ge ben, Soldaten in einer Gegen-Inti fa -<br />

da los zuschicken, um Steine nach Ga -<br />

za zu schleudern? Mit dem Ab schuss<br />

selbst her gestellter Raketen aus Sde rot<br />

antworten? Vielleicht sollte Israel ei ni ge<br />

seiner Kinder in menschliche Bom ben<br />

verwandeln und sie los schic ken, um<br />

sich in Städten des Ga za strei fens in die<br />

Luft zu ja gen… Nur um mal die glei -<br />

chen Mittel wie die Ha mas anzu wen -<br />

den? Oder etwa brav ab war ten, bis der<br />

Iran und Syrien - die Geld geber der<br />

Ha mas– es ihren Terror filialen er mög -<br />

licht haben, über eine genau so aus -<br />

ge reifte Be waff nung zu verfügen wie<br />

die israe li sche Armee?<br />

Da die Hamas, im Gegensatz zur<br />

pa lästinensischen Auto no miebehörde<br />

von Mahmoud Abbas, auf der Ab leh -<br />

nung des Existenzrechts des jü di schen<br />

Staates be harrt und davon träumt, sei ne<br />

Bürger zu vernichten, würde man es<br />

vorziehen, dass Israel soviel Radi ka li tät<br />

nachahmt und eine riesige eth ni sche<br />

Säu berung vor nimmt? Wün schen wir<br />

uns wirklich, dass Israel ‚ver hält nis -<br />

mäßig' die Ausrot tungs wün sche der<br />

Hamas wie der spie gelt?<br />

Jeder Konflikt ist von Natur aus ‚un -<br />

verhältnismäßig'. Wenn sich Geg ner über<br />

den Einsatz von Mitteln und den ver -<br />

kün deten For derungen einigen wür den,<br />

wären sie kei ne Gegner mehr. Ein Kon -<br />

flikt bedeutet im mer auch Un stim mig -<br />

keit, weshalb sich alle Seiten da rum<br />

bemü hen, ihre Vor teile auszu spielen<br />

und die Schwächen des an de ren<br />

auszunutzen…<br />

Philosoph Andre Glucksmann<br />

in der Tageszeitung ‘Le Monde’<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769 21


DOSSIER • GEGEN DEN TERROR DER HAMAS<br />

Krise in Gaza: Die Optionen für die Zukunft<br />

Der Brüsseler Politologe Emanuele<br />

Ottolenghi spricht im Interview mit<br />

MARTA S. HALPERT über die politischen<br />

Hintergründe der Kämpfe in Gaza,<br />

die Interessen des Iran sowie über<br />

die Chancen für US-Präsident Barack<br />

Obama im Nahen Osten aktiv zu<br />

werden<br />

GEMEINDE: Welche Ziele verfolgt Israel<br />

bei der „Operation Gaza“?<br />

ottolenghi: israels Aktion verfolgt<br />

drei Ziele: Erstens, die militärische<br />

Stärke der Hamas in Gaza wesentlich<br />

zu schwächen; zweitens der Hamas die<br />

grundsätzliche Änderung der „Spiel-<br />

regeln“ klarzumachen, nämlich dass<br />

künftige Angriffe auf israel schwer -<br />

wiegende Konsequenzen ha ben werden.<br />

Und drittens, die instal lie rung<br />

neuer mechanismen, die si cher stel len,<br />

dass im Falle eine Waf fenstill stan des,<br />

dieser nicht zur Wie der auf rüstung<br />

der Hamas missbraucht wird.<br />

Wie ist Ihre politische Einschätzung der<br />

Entwicklungen in Gaza?<br />

Das hängt davon ab, welche der soeben<br />

erwähnten Ziele am Ende er reicht<br />

wurden. Die derzeitigen Be richte<br />

besagen, dass die Hamas durch die<br />

Aktion merklich geschwächt wurde<br />

und israel seine Abschreckungs ka pa -<br />

zität gestärkt hat – nachdem die Hiz -<br />

bollah diese im Juli-August 2006 an -<br />

gekratzt hatte. Das ist an sich schon<br />

ein wichtiger Erfolg für israel.<br />

Die Schwächung der Hamas ist auch<br />

ein Schlag ins Gesicht für den iran –<br />

und das dient nicht nur den interes sen<br />

israels, sondern auch den so genannten<br />

moderaten arabischen Ländern<br />

und Europa. Letztlich werden wir se -<br />

hen, welche Auswirkungen dieser<br />

Waffengang auf die palästinensische<br />

Politik haben wird, aber ich glaube,<br />

dass die Hamas daraus politisch ge -<br />

schwächt hervorgeht. Das ist nicht<br />

schlecht, wenn man bedenkt, welche<br />

Schwierigkeiten und Herausforde run -<br />

gen diese Aktion für israel brachte.<br />

Verliert Israel wieder einmal den „Medi en -<br />

krieg“? Hier sieht man ver letz te paläs ti -<br />

nensische Kinder, dort israelische Sol da ten.<br />

Ungeachtet der Gründe für israels Ope -<br />

rationen, das Umfeld militärischer<br />

Aktionen kann nie kameragerecht gut<br />

ausschauen – und das Lei den in Gaza<br />

ist real und für die Zivi lis ten auch<br />

schlimm. israel und seine Freunde<br />

können viel Zeit darauf verwenden<br />

zu erklären, warum in den Kämpfen<br />

so viele Zivilisten getötet und verwundet<br />

werden. Aber wir müs sen erkennen,<br />

dass israel diesmal statt der<br />

Rolle eines glücklosen Op fers seine<br />

medienstrategie viel effektiver gestaltet<br />

hat. Erstens indem man die Jour na lis -<br />

ten nicht nach Gaza hinein ließ, das<br />

hat den potentiellen Schaden nicht nur<br />

für das image is raels reduziert – das<br />

wäre nicht zu ver meiden gewesen –<br />

aber auch den Einfluss auf die Ab fol -<br />

ge der Kämpfe.<br />

Zweitens hat dieser Vorgang die Ab -<br />

hän gigkeit der Journalisten von israelischen<br />

Quellen erhöht. Drittens hat<br />

israel viel besser die information<br />

gebündelt und ist auch konsequent auf<br />

seiner Botschaft geblieben - klar und<br />

koordiniert und auch mit weniger<br />

Spre chern. Und viertens, israel hat<br />

seine diplomatischen Hausaufga ben<br />

vor der militäraktion effektiver ge -<br />

macht <strong>als</strong> in der Vergangenheit. Fünf -<br />

tens schaffte es israel viel besser, die in -<br />

formationen und das Bildmaterial in<br />

Echtzeit auf mehreren Kanälen zu brin -<br />

gen – das internet eingeschlossen. So<br />

war es für die Hamas viel schwieriger,<br />

ihre Forderungen eins zu eins rou ti ne -<br />

mäßig zu präsentieren. Und schließlich<br />

werden die schlechten vi suellen<br />

Eindrücke von den guten Er geb nissen<br />

übertroffen, weil sie den me di enkrieg<br />

im Vergleich zum Ergebnis der Ope -<br />

ra tion weniger relevant ma chen.<br />

Israel kämpft eigentlich auch für den „in ne -<br />

ren Frieden“ in Ägypten und Jor da nien.<br />

Dieser Krieg hat alle Anzei chen eines<br />

„Stellvertreter-Krieges“. Kämpft Israel<br />

ge gen die islamistische Bedrohung dieser<br />

Nachbarländer?<br />

Falls israel erfolgreich ist, wird die is -<br />

la mistische Front in all diesen Staaten<br />

politisch geschwächt. man kann es<br />

sehr gut am aktuellen Verhalten der<br />

Regime ablesen. Zuerst waren sie sehr<br />

vorsichtig in der Verurteilung is raels.<br />

Danach haben sie die Schuld der Ha -<br />

mas zugeordnet.<br />

Drittens haben sie ihren diplomatischen<br />

motor nicht gleich angeworfen,<br />

um gemeinsame arabische Schritte zu<br />

fordern, sie drohten nicht mit Gegen -<br />

maß nahmen und sie übten auch auf<br />

ihre Verbündeten keinen Druck aus,<br />

um die Haut der Hamas zu retten. im<br />

Gegenteil, sie machten eher deutlich,<br />

dass man der Hamas eine niederlage<br />

zufügen muss.<br />

Bei einer Hamas, die gestärkt und<br />

sieg reich wäre, hätten Jordanien und<br />

Ägypten innenpolitisch viel zu verlieren.<br />

Beide betrachten auch einen Ha -<br />

mas-Sieg <strong>als</strong> weiteren machtzuwachs<br />

für den iran. Es war ganz klar, diesmal<br />

standen die gemäßigten sunnitischen<br />

Regime auf der Seite israels –<br />

natürlich nur so weit sie sich das leis ten<br />

konnten, angesichts dessen, was „die<br />

Straße“ und die arabische Rhe torik<br />

fordert.<br />

Wie würden Sie die Rolle Syriens in die -<br />

sem Konflikt beschreiben?<br />

Syrien beherbergt die Hamas und ist<br />

einer ihrer Hauptsponsoren. Aber in<br />

diesem konkreten Fall kann man<br />

beobachten, wie Syrien zunehmend in<br />

den Hintergrund gedrängt wird: Ha -<br />

22 <strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769


DOSSIER • GEGEN DEN TERROR DER HAMAS<br />

mas hat sich während des gesamten<br />

Konfliktes sehr offen mit dem iran<br />

abgesprochen – und Syrien fungierte<br />

nur <strong>als</strong> Ort, an dem sich die iranischen<br />

Abgesandten und die politische<br />

Führung der Hamas treffen. Und<br />

das, obwohl Syrien sehr viel von<br />

einem Hamas-Sieg profitieren könnte:<br />

Er würde die regionale Position is -<br />

ra els weiter schwächen und den Spiel -<br />

raum der Syrier am Ver hand lungs -<br />

tisch mit israel in der Golan fra ge vergrößern.<br />

Doch diesmal sieht es so aus,<br />

<strong>als</strong> ob die Absicht Syriens, israels Po -<br />

si tion zu beschädigen, <strong>als</strong> Bumerang<br />

nach Damaskus zurückkehren wür de.<br />

Wie analysieren Sie die Interessen des Iran?<br />

Der iran möchte zu einem direkten<br />

Spieler im arabisch-israelischen Kon -<br />

flikt werden. Er zielt darauf ab, die<br />

Hauptrolle in der Ablehnungsfront<br />

der gesamten Region einzunehmen.<br />

Er sucht nach instrumenten, um is ra el<br />

zu bekämpfen, gleichzeitig propagiert<br />

er seine eigene islamistische Agenda<br />

zum Schaden seiner sunnitischen Ri -<br />

va len. Hamas eignet sich da <strong>als</strong> Sturm -<br />

spitze ideal, denn sie ist islamistisch,<br />

provoziert Saudiarabien, Ägypten und<br />

Jordanien. Zugleich gefährdet Hamas<br />

das mubarak-Regime und dient auch<br />

<strong>als</strong> Stachel im Fleische israels. Was<br />

kann sich Teheran mehr wünschen?<br />

Welches Lösungsszenario können Sie sich<br />

vorstellen: Welche Länder oder Institu tio -<br />

nen können sich engagieren, um die Ruhe<br />

im Süden Israels zu garantieren?<br />

Für diesen Konflikt gibt es keine Lö -<br />

sung – es gibt nur temporäre mecha -<br />

nis men, um ihn zu managen. nur ein<br />

sehr effektiver mechanismus, der die<br />

Grenzen Gazas kontrolliert und das<br />

Schmuggeln von Waffen verhindert,<br />

kann eine längere Ruhephase garantieren.<br />

Und ich bin sogar sehr skeptisch,<br />

ob eine internationale Truppe ent -<br />

lang der Gaza-Ägypten-Grenze das<br />

schaffen kann. natürlich hängt es da -<br />

von ab, wie das mandat dafür aussieht<br />

und wieweit sie sich engagieren kann.<br />

Aber unsere Erfahrung im Libanon<br />

zeigt, dass es schwieriger ist, <strong>als</strong> man<br />

es sich wünscht, sogar wenn der politische<br />

Wille vorhanden ist. Letzt end lich,<br />

wird nur eine dramatische nie der la ge<br />

für die Hamas, ähnlich jener wie sie<br />

israel der PLO zwischen 2002 und 2003<br />

in der West Bank zugefügt hat, das<br />

Pro blem lösen und neue We ge für bessere<br />

politische Optionen er öffnen.<br />

Es gab mehrere konkurrenzierende eu ro pä i -<br />

sche Initiativen: Solana-Schwarzen berg,<br />

Steinmeier, Sarkozy, Blair. Welche produktive<br />

Rolle kann hier Europa spielen?<br />

Europa könnte es auf sich nehmen,<br />

das Waffenstillstandsabkommen um -<br />

zusetzen, indem es gewährleistet, dass<br />

keine weiteren Waffen nach Gaza hineingeschmuggelt<br />

werden. Es könnte<br />

den Wiederaufbau und die humanitäre<br />

Hilfe kontrollieren. Eu ro pa hätte<br />

sogar die Chance, den Gazastreifen zu<br />

„übernehmen“ und ihn nach dem Vor -<br />

bild Kosovos zu verwalten - bis man<br />

ihn an eine verantwortliche und verlässliche<br />

palästinensische Regie rung<br />

übergeben kann. Doch all das erfordert<br />

viel Blut und Geld und riecht verdächtig<br />

nach Kolonialismus – wenn<br />

auch in einer wohlwollenden und<br />

zeitlich begrenzten Form. Das wäre<br />

si cher schwer durchzusetzen, sowohl<br />

von den Arabern <strong>als</strong> auch den Euro -<br />

päern, und daher glaube ich nicht,<br />

dass es gelingen kann.<br />

Der neue US-Präsident hat angekündigt,<br />

dem Iran mit „einer direkten aber harten<br />

Diplomatie“ zu begegnen. Was halten Sie<br />

von dieser Ansage? Und wie kann er das<br />

realistisch handhaben?<br />

Es hängt alles davon ab, welchen Zeit -<br />

rahmen sich Präsident Obama für so<br />

ein Projekt setzen will. Beschäfti gen<br />

sich die USA mit dem iran „direkt und<br />

diplomatisch“ drei oder sechs mo na te<br />

lang, zwei Jahre lang oder weniger<br />

lang? iran ist nicht mehr weit weg da -<br />

von, sich <strong>als</strong> Atommacht zu etablieren.<br />

Die Zeit, die dem iran von Europa ge -<br />

schenkt wurde, hat er in den letzten<br />

sieben Jahren gut genützt, um sein<br />

Atomprogramm voranzutreiben.<br />

Obama muss das wissen, und daher<br />

ist es so wichtig, dass er von seinen<br />

Verbündeten die volle Unterstützung<br />

sowohl für einen kurzen, bindenden<br />

Fahrplan sowie für koordinierte harte<br />

maßnahmen erhält. Und das alles<br />

noch bevor die Frist für die wichtigen<br />

Un-Sicherheitsratsbeschlüsse ausläuft.<br />

Die Schwierigkeiten werden folgende<br />

sein: die iraner werden ihre Verzöge -<br />

rung s taktik zum Zeitgewinn weiterführen,<br />

so wie sie es mit Europa seit<br />

2002 machen; die Chinesen und Rus -<br />

sen werden Obamas Ankündigung,<br />

dass die Zeit für Dialoge abgelaufen<br />

sei, skeptisch beurteilen und werden<br />

weitere Gespräche fordern; vielleicht<br />

wird sogar Europa diese Position einnehmen.<br />

Sollten sie sich aber zur Un -<br />

ter stützung von Sanktionen gegen den<br />

iran aufraffen, wird ihr Appetit auf<br />

durchgreifende maßnahmen sehr ge -<br />

bremst sein.<br />

ich wünsche Präsident Obaman alles<br />

Gute, aber ich habe meine Zweifel, dass<br />

diese Strategie funktionieren wird.<br />

Wie kann Präsident Obama das alles verwirklichen,<br />

ohne die guten Beziehungen<br />

zu Israel zu gefährden?<br />

Das ist kein einfacher Balanceakt: Er<br />

müsste den iran vom atomaren Weg<br />

abbringen, bevor dieser sein Ziel er -<br />

reicht – aber der Preis, den Obama<br />

da für zahlen muss, dürfte nicht zu<br />

hoch sein. ich glaube jedenfalls nicht,<br />

dass da rasch eine Einigung herauskommen<br />

wird, denn die Forderungen<br />

des iran werden zu hoch sein, und<br />

die interessen der USA in der Region<br />

sind einfach unvereinbar mit den iranischen<br />

Ambitionen.<br />

meine Befürchtungen gehen dahin,<br />

dass die USA israel davon abhalten<br />

werden eine militärische Aktion zu<br />

starten, während sie versuchen werden<br />

den iran in die Pflicht zu nehmen.<br />

Was dabei herauskommt ist, dass der<br />

iran mit seinem geschickten und spezifischen<br />

diplomatischen Tanz die USA<br />

an der nase herumführen wird, bis<br />

wir eines schönen Tages aufwachen,<br />

um zu erkennen, dass es zu spät ist.<br />

Dr. Emanuele Ottolenghi ist leitender Direktor des Transatlantic Institute in Brüssel. Der<br />

stu dierte Politikwissenschafter kam 2006 nach Brüssel, nachdem er an der Oxford Centre for<br />

Hebrew and Jewish Studies and at the Middle East Centre of St. Antony’s College, Oxford Uni -<br />

ver sity unterrichtet hatte. Er promovierte zum Dr. phil. an der Hebräischen Universität in<br />

Jeru salem und machte seine Diplomarbeit an der Universität in Bologna.<br />

Dr. Ottolenghi kommentiert und analysiert den arabisch-israelischen Konflikt, die europäische<br />

Nahost-Politik sowie auch Entwicklungen in der israelischen Innenpolitik und zwar in italienischer,<br />

englischer, französischer und hebräischer Sprache. Seine Analysen und Kom men -<br />

tare erscheinen regelmäßig im Commentary, sowie im National Review Online, The Middle<br />

East Quarterly, Jewish Chronicle, The Guardian, The Daily Mirror. Ferner publiziert er in Haaretz<br />

und Jerusalem Post, ebenso wie in der Hamburger Die Welt, Il Corriere del Ticino, L’Unità, il<br />

Foglio and Libero.<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769 23


DOSSIER • GEGEN DEN TERROR DER HAMAS<br />

Wie hoch ist die<br />

Hilfsgüter: Statt Lebensmittel - elektronische Ausrüstungen<br />

Israelis sammeln für Gaza-Einwohner<br />

Nachdem die Operation „Gegos -<br />

se nes Blei“ zunächst zu Ende ging,<br />

taten sich hunderte Israelis zu sam men,<br />

auch solche aus den von den Raketen<br />

betroffen südlichen Ortschaften, um<br />

das Leid der betroffenen Palästinenser<br />

im Gazastreifen etwas zu lindern.<br />

Organisatoren sind zwei junge Frau -<br />

en, Li Ziv eine Aktivisten in Frie dens -<br />

or ganisationen und Hadas Balas, eine<br />

Studentin am Sapir-College, wo auch<br />

schon Raketen einschlugen. „Es be steht<br />

keinerlei Verbindung zur Politik, denn wir<br />

vertreten keine Seite sondern sehen nur<br />

die Notwendigkeit, Decken und Milch für<br />

die obdachlosen Kinder im Gazastreifen<br />

bereitzustellen“, so Ziv. Seit einem In -<br />

ter view im Ra dio hört ihr Telefon nicht<br />

auf zu klin geln. Schulen wollen helfen,<br />

Eltern deren Söhne im Gazastreifen<br />

kämpften und auch eine Person, deren<br />

Haus von ei ner Rakete getroffen wor -<br />

den war. Vier Sam melpunkte wurden<br />

eingerichtet (Tel Aviv, Haifa, Jerusa lem<br />

und Kib buz Kfar Azza). Die Decken und<br />

die Babynahrung sol len über das Mi li -<br />

tär und die UNO an ihr Ziel kom men.<br />

Auch während der Kampf hand lun -<br />

gen mit der Hamas retteten is ra elische<br />

Sa ni täter dutzende paläs ti nen sische<br />

Kin der und schwangere Frauen – un -<br />

ter dem Feu er der Hamas-Terro ris ten.<br />

Die Ver wundeten wurden über den<br />

Check point Erez zur medi zi ni schen<br />

Versor gung nach Israel gebracht.<br />

HUMANITÄRE HILFE VON ISRAEL AN GAZA<br />

24 <strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769


DOSSIER • GEGEN DEN TERROR DER HAMAS<br />

Messlatte für...<br />

Sderot, Stadt der Bunker.<br />

Hamas konfisziert Mehl-Lieferungen<br />

(Koordinierungsausschuss für<br />

Regierungsaktivitäten, 11. <strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>)<br />

Wie in letzter Zeit oftm<strong>als</strong> berichtet,<br />

kon fiszieren Hamas-Mitglieder im Ga -<br />

za streifen Lebens mittellieferun gen, die<br />

während der laufenden Militäro pe ra -<br />

tion eigentlich der palästinen si schen<br />

Be völkerung zugute kommen sollten.<br />

Vor allem Mehl würde beschlagnahmt<br />

und anschließend zumeist zu Wu cher -<br />

preisen verkauft.<br />

Auch am 11. <strong>Januar</strong> beklagten sich User<br />

eines Hamas-Internetforums über die<br />

Beschlagnahmung von Mehl in Dir-al<br />

Balech durch die Hamas. Es gibt auch<br />

Berichte darüber, wie die Hamas die<br />

Hilfsgüter in ihre eigenen Waren häu ser<br />

bringt und das Mehl dann an le diglich<br />

zwei Bäckereien in Gaza liefert – die<br />

Al bana Bäckerei und die Al-Tzalah<br />

Uni on Bäckerei -, die beide der Hamas<br />

gehören.<br />

Schmuggeltunnel der Hamas<br />

Hilfsgüter nach Gaza<br />

TAUSENDE UNTERIRDISCHE WAFFEN-GEHEIMGÄNGE<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769 25


... “unverhältnism<br />

DOSSIER • GEGEN DEN TERROR DER HAMAS<br />

Ashdod, 05.01.09<br />

Hamas feiert sich <strong>als</strong> Sieger - und dann?<br />

Die „Brigaden Ezzedin al-Kas sam“,<br />

erklärten, ihre Fähigkeit zu Raketen an -<br />

griffen auf den Süden Israels sei durch<br />

die Offensive nicht geschwächt worden.<br />

Während der israelischen Angriffe<br />

habe die Hamas 345 Kassam-Raketen,<br />

213 Grad-Raketen und 422 Granaten<br />

auf Israel abgeschossen. „Wir sind im -<br />

mer noch in der Lage, Raketen abzu -<br />

schießen, und Gott sei Dank werden un -<br />

sere Raketen auch noch andere Ziele er -<br />

reichen“, sagte Obeida. Israel habe <strong>als</strong>o<br />

„keines seiner Ziele“ erreicht. „Wir ha ben<br />

triumphiert, weil wir uns ge wei gert<br />

haben, in die Knie zu gehen oder die weiße<br />

Flagge zu hissen“. Wenn die israelische<br />

Armee sich nicht binnen einer Woche<br />

aus dem Gazastreifen zurückziehe,<br />

wer de die Hamas ihren Widerstand<br />

fortsetzen.<br />

Der iranische Präsident Mah moud<br />

Ahmadinejad hat Hamas-Exilchef Kha -<br />

led Mashaal in Damaskus telefonisch<br />

Glückwünsche zum "großen Sieg" der<br />

Bewegung im Gazastreifen übermittelt.<br />

Ägyptens Staatschef Hosni Mu ba -<br />

rak hat der radikalen islamischen Pa läs -<br />

tinenserorganisation Hamas vor ge wor -<br />

fen, Israel zu dem Angriff auf den Gaza -<br />

streifen veranlasst zu haben, in dem sie<br />

den im Dezember ausgelau fe nen Waf -<br />

fenstillstand nicht verlängert habe.<br />

Am 18.01. wurde von Israel eine<br />

Kli nik am Grenzübergang Erez eröff net,<br />

um kranken oder verletz ten Palästi nen -<br />

sern medizinischen Bei stand zu leisten.<br />

Der israelische Soldat Gilad Shalit<br />

wurde vor 939 Tagen (Stand 19.01.09)<br />

von der Terror or ganisation Hamas in<br />

den Gaza-Streifen entführt. Er befindet<br />

sich noch immer in Geiselhaft.<br />

SCHUTZ UNTER DER SCHULBANK ODER IM BUNKER<br />

Ashkelon, 18.03.08<br />

26 <strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769


DOSSIER • GEGEN DEN TERROR DER HAMAS<br />

äßige Gewalt”,<br />

Der Krieg vor meiner Haustür<br />

(Von Faye Bittker, JTA; Übersetzung: Karin Fasching-Kuales)<br />

Krieg ist in Israel nichts Außergewöhnliches. Du gehst am Abend mit Sor gen über den Ma -<br />

doff-Skandal ins Bett und wachst am nächsten Morgen in einer völlig anderen Rea lität auf.<br />

Einer Realität, in der Freunde weinen, weil ihr Sohn/ihre Tochter/ihr Ehe mann einen Ein be -<br />

rufungsbefehl für die Armee erhalten haben; wo man aufgefordert wird, Familien aus den<br />

von palästinensischen Raketen ge fährdeten Grenzgebieten bei sich aufzunehmen; und<br />

wo dir bewusst wird, dass der deinem Haus am nächsten gelegene Bunker <strong>als</strong> Sy na go ge be -<br />

nutzt wird und du dich fragst, ob du Eintritt wirst bezahlen müssen, um hinein zu gelangen.<br />

Wie die Menschen überall in der Welt verfolgst auch du den Krieg in Gaza im Fernsehen,<br />

liest darüber in der Zeitung und versuchst, dich abzulenken, wenn die Informationen dich<br />

zu überfordern beginnen. Du brauchst nur den Bruchteil einer Sekunde, um die Alarm si -<br />

renen zu identifizieren, die dich aus dem Schlaf reißen und erneute Raketen an grif fe an -<br />

kün digen. Und dann realisierst du von einem Moment zum anderen, dass sich dieser<br />

Krieg praktisch vor deiner eigenen Haustüre abspielt.<br />

Für mich ist das Leben in Israel nicht neu. Während der Zweiten Intifada und dem Golf krieg<br />

arbeitete ich <strong>als</strong> Journalistin und konnte mit einer Ausnah me genehmigung Straßen bloc ka -<br />

den passieren. Ich habe gegen den Krieg protestiert und über die Kämpfe bis zu ihrem blu -<br />

tigen Ende berichtet. Doch nichts davon konnte mich auf den Schock vorbereiten, <strong>als</strong> bei<br />

uns zum ersten Mal der Alarm losging, während ich nicht zu Hause war, oder das Gefühl<br />

der Hilflosigkeit, <strong>als</strong> ich zu telefonieren versuchte, aber alle Leitungen belegt waren.<br />

Zum ersten Mal erlebe ich nun den Krieg <strong>als</strong> Mutter, durch die Augen mei ner 9 und 11 Jahre<br />

alten Kinder. Ich war nur fünf Minuten von meinem Haus entfernt, <strong>als</strong> die erste Si re ne<br />

erklang, doch ich durfte das Sportzentrum, in dem ich mich zu diesem Zeitpunkt befand,<br />

nicht verlassen, so lange die Gefahr bestand, von einer Rakete getroffen zu werden. Und<br />

ob wohl diese etwa 20 km weit weg einschlugen, war meine Tochter so erschüttert und<br />

ein geschüchtert, dass sie die ganze Nacht nicht zu beruhigen gewesen war.<br />

In den vergangenen Tagen feuerte die Hamas mehr <strong>als</strong> 100 Raketen auf das südliche Is -<br />

ra el. Mindestens zehn erreichten das Gebiet in und um Be’er She va, nicht weit von der<br />

Universität, an der ich arbeite. Eine landete knapp vor einer Kindertagesstätte und be -<br />

deckte die Puppen und Bausteine da rin mit Schutt und Glasscherben. Eine andere<br />

Rakete wiederum fiel di rekt auf eine nahe gelegene Schule und explodierte in einem der<br />

Klassen zim mer – zum Glück hatte man beschlossen, alle Schulen der Region an diesem<br />

Morgen geschlossen zu halten. Nur deshalb wurde niemand verletzt oder getötet.<br />

Das ist natürlich nichts gegen den anhaltenden Raketenhagel der vergangenen acht Jahre<br />

auf Städte wie Sderot. Ja, wir mussten uns eine Wo che lang immer wieder im Bunker verstecken,<br />

doch in den Gemeinden an der Grenze zu Gaza verloren Dutzende Is raelis ihr Le ben<br />

oder wurden von den 20-25 Raketen täglich - manchmal sogar bis zu 50 - verletzt. Tau sende<br />

Kinder wachsen dort auf ohne zu wissen wie es ist, gefahrlos im Freien spielen zu können.<br />

Es gibt keinen logischen Grund, weshalb das alles so sein muss. Vor über drei Jahren zog<br />

Israel sich aus dem Gazastreifen zurück und bot den Palästinensern somit die Mög lich keit,<br />

ihre Zukunft selbst zu bestimmen. Doch unglücklicherweise entschieden sie sich für die Ha -<br />

mas, eine Partei, die den islamischen Fundamentalismus vertritt und sich die Zer stö rung<br />

Israels zum Ziel gesetzt hat. Sie wählten eine Führung, die Märtyrertum und Selbst -<br />

mord anschläge, Gewalt und Zerstörung propagiert.<br />

Alles, was wir <strong>als</strong>o heute tun können, während wir die Nachrichten über Israels Gaza of -<br />

fen sive verfolgen, ist beten – für die Sicherheit unserer Soldaten, die Bewohner der Re gion<br />

und die unschuldigen Palästinenser, die zwischen die Fronten geraten sind.<br />

Dieses Kriegsgeheul bringt nur Zerstörung und Leid über alle, die ihm folgen. Zu deren<br />

und unserem Wohl hoffen wir, die Bewohner von Israel, dass im Jahr <strong>2009</strong> ein Wunder<br />

geschieht und die Palästinenser ihre Meinung ändern.<br />

(Faye Bittker leitet das Büro für Publikationen und Medienkontakte an der Ben-Gurion Universität)<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769 27


DOSSIER • GEGEN DEN TERROR DER HAMAS<br />

... Selbstmord- und<br />

Jerusalem, 02.07.08<br />

Jerusalem, 19.08.03<br />

„Dieser doppelte Maßstab in Be zug<br />

auf Israel auf der einen und die ara bi -<br />

schen und muslimischen Na tio nen auf der<br />

anderen Seite beschränkt sich nicht nur<br />

auf die gegenwärtige Si tu ation in Ga za. Er<br />

hat der inter na ti o na len Ge mein schaft eine<br />

Ausrede da für geliefert, zu den massiven<br />

Men schen rechts verletzungen und Völ ker -<br />

morden zu schweigen, die seit Jahren von<br />

Ara bern und Mus li men in aller Welt ver -<br />

übt werden.“<br />

Alan Dershowitz<br />

UNRWA beschäftigt Hamas-Mitglieder<br />

(FYI, 4. Oktober 2004)<br />

Der UNRWA-Vorsitzende Peter Han sen<br />

hat offen zugegeben, dass seine Or ga -<br />

nisation mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />

Hamas-Mitglieder beschäftigt. Es be -<br />

stehe die Möglichkeit, dass der von<br />

Ka nada unterstützte Zweig der UN-<br />

Hilfs organisation dies zu verant worten<br />

habe, wobei Kanada selbst die Hamas<br />

<strong>als</strong> Terrororganisation definiert.<br />

Israel hatte der UNRWA vorgeworfen,<br />

die Hamas zu unterstützen und eine<br />

diesbezügliche Untersuchung ge for dert.<br />

Hansen meinte dazu, dass er zwar glau -<br />

be, dass Hamas-Mitglieder für sei ne<br />

Or ganisation arbeiten würden, diese<br />

aber dazu verpflichtet seien, sich an<br />

die Regeln der Vereinten Nationen zu<br />

halten und neutral zu bleiben:<br />

„Oh, ich bin sicher, dass die UNRWA<br />

Hamas-Mitglieder beschäftigt und für<br />

mich ist das kein Verbrechen. Die Ha -<br />

mas ist eine politische Organisation und<br />

das bedeutet nicht, dass jedes Mitglied<br />

militant ist. Wir machen nicht bei jedem<br />

eine politische Sicherheitsüberprüfung<br />

oder schließen die Menschen aus weil sie<br />

entweder die eine oder die andere Über -<br />

zeu gung haben.“, erklärte Hanson ge -<br />

gen über CBC TV.<br />

•<br />

EIN LEBEN IN PANIK<br />

28 <strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769


DOSSIER • GEGEN DEN TERROR DER HAMAS<br />

Terroranschläge?<br />

EUROPAS SCHULD AM GAZA-KONFLIKT<br />

Staatsmänner, Kommentatoren und Analysten bezeichnen Israels Vorgehen im<br />

Ga zastreifen <strong>als</strong> „unangemessen und überzogen“.<br />

Dem zuzustimmen ist einfach.<br />

Wer aber hat je formuliert, was denn eine „angemessene Reaktion“ Israels auf<br />

den jahrelangen Beschuss der israelischen Zivilbevölkerung durch Raketen und<br />

die Androhung der Vernichtung wäre? Betroffen sind auch Tausende betagter<br />

gebürtiger Europäer, die mit steigendem Alter immer schwerer unter den durch<br />

Ver treibung, Verlust und Vernichtung zugefügten seelischen und körperlichen<br />

Ver letzungen leiden.<br />

In Europa hat der über Jahrhunderte währende, im Holocaust seine grausamste<br />

Ausprägung findende Antisemitismus den modernen territorialen Zionismus her -<br />

vorgebracht. So hat Europa den Nahen Osten zu einer Problemzone gemacht, die<br />

den Weltfrieden bedroht. Die Gründung des Staates Israel hatte Konrad Ade nauer<br />

mit der zynischen Bemerkung kommentiert: „Das Judenproblem haben wir nun<br />

asiatisiert!“<br />

Eine der historischen europäischen Schuld angemessene Reaktion auf die furchtbaren<br />

aktuellen Geschehnisse wäre die rasche Aufnahme Israels, der Paläs ti nen -<br />

ser gebiete und auch des Libanon in die EU.<br />

Kriege finden dort nicht statt, wo die Mehrheit der Menschen in Wohlstand lebt.<br />

Spätestens seit den spektakulären Bankrettungsaktionen wissen wir, dass die<br />

EU-Mitgliedsländer in Geld schwimmen. Ein Bruchteil dieser Mittel – sinnvoll<br />

eingesetzt, effizient unter direkter EU-Aufsicht verteilt – wäre, verbunden mit der<br />

Eingliederung der Region in die EU, der vermutlich einzige Schlüssel zu einem<br />

dauerhaften Frieden im Nahen Osten.<br />

Prof. Ernst Smole<br />

1080 WIEN<br />

Gush Katif, 09.05.04<br />

Jerusalem, 11.06.03<br />

UNSCHULDIGE OPFER<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769 29


System „Ro<br />

DOSSIER • GEGEN DEN TERROR DER HAMAS<br />

Piepser für die Bevölkerung<br />

Gaza City<br />

Operation „Gegossenes Blei“<br />

Die ortsfeste Infrastruktur der Ha -<br />

mas wurde zerschlagen. Israel hat be -<br />

wiesen, dass es jeden beliebigen Punkt<br />

des Gazastreifens jederzeit attackieren<br />

und die Anführer der Hamas vor sich<br />

hertreiben kann.<br />

Nach 22 Tagen (18. <strong>Januar</strong>) der mi -<br />

li tärischen Konfrontation haben Is ra el<br />

und die Hamas in der Nacht auf den<br />

19. <strong>Januar</strong> den getrennt voneinander<br />

ausgerufenen Waffenstillstand of fen -<br />

bar eingehalten. Die israelischen<br />

Panzer wurden nach Augen zeu gen be -<br />

richten von mehreren Stellungen abgezogen,<br />

unter anderem bei Jabalya und<br />

Beit Lahiya. Auch die wichtigste Stel lung<br />

bei Nezarim wurde geräumt, so dass<br />

erstm<strong>als</strong> seit dem Beginn des Krie ges<br />

wieder eine Verbindung zwischen dem<br />

15 SEKUNDEN ZEIT<br />

nördlichen und dem südlichen Teil des<br />

Gazastreifens bestand.<br />

16.500 gut ausgebildete Kämpfer<br />

hatte die Hamas vor Beginn der israelischen<br />

Militäroffensive unter Waffen.<br />

Dazu kamen noch einmal 3.000 bis<br />

4.000 Militante anderer Palästinen ser -<br />

organisationen.<br />

Die Hamas regelt nach wie vor das<br />

öffentliche Leben in Gaza aus den Mo -<br />

scheen heraus. Sogenannte „soziale<br />

Komitees“ haben die Augen überall in<br />

jedem Stadtviertel. Informanten melden<br />

alle Auffälligkeiten. Kinder von Ha mas-<br />

Mitgliedern sind auf Fahrrädern un ter -<br />

wegs und schauen nach dem Rechten.<br />

Passiert etwas Außer ge wöhn liches, sind<br />

sofort zehn bärtige Hamas-Kämpfer<br />

zur Stelle, die ihre Waf fen un ter dicken<br />

Winterjacken tragen. Bei Verstößen<br />

wird den eigenen Leuten ins Knie ge -<br />

schossen.<br />

Mit Unterstützung des Iran hat die Hamas die Re<br />

ihrer Raketen ausgedehnt und bedroht eine Mil-lio<br />

lischer Bürgerrinnen und Bürger in 200 Städ ten<br />

mein den - etwas 15% der Gesamt be völkerung -<br />

Hälfte der Wiener Bevölkerung!<br />

Das System „Roter Alarm“ warnt die israelischen<br />

Zivilisten deshalb vor den Angriffen:<br />

Bis 10 km – 15 Sekunden vorher<br />

10-20 km – 30 Sekunden vorher<br />

20-30 km – 45 Sekunden vorher<br />

30-40 km – 1 Minute vorher<br />

30 <strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769


DOSSIER • GEGEN DEN TERROR DER HAMAS<br />

ter Alarm“<br />

Immer Ärger mit den Juden<br />

Warum lassen sich die Israelis nicht einfach<br />

ohne Gegenwehr ermorden? Früher ging das doch auch!<br />

VON CHRISTIAN ORTNER<br />

Österreich bringt im Großen und Ganzen den Juden gegenüber ja eh viel Sympathie<br />

auf; jedenfalls solange es sich um tote Juden handelt. Gegen die im KZ ermordeten<br />

Juden zum Beispiel hat heute fast niemand mehr etwas.<br />

Etwas anders verhält es sich mit (noch) lebenden Juden. Zwar verurteilte der Bun -<br />

deskanzler in einem Interview die Raketenangriffe der Hamas auf Israel; im gleichen<br />

Atemzug verurteilte er aber auch Israels Versuch, sich gegen diese Terrorangriffe<br />

militärisch robust zur Wehr zu setzen.<br />

Vermutlich ist diese Haltung eines entschlossenen Einerseits-andererseits durchaus<br />

mehrheitsfähig. Solange Israel ohne jede Gegenwehr hinnimmt, dass ein erheblicher<br />

Teil seiner Bevölkerung regelmäßig im Bunker leben muss, um nicht Opfer<br />

einer Hamas-Rakete zu werden, tolerieren wir ihr Verhalten. Wehren sie sich dagegen,<br />

stellen wir sie auf eine Ebene mit den Hamas-Terroristen. Warum auch können sich<br />

die in Israel lebenden Juden nicht genauso geräuschlos und höflich umbringen lassen<br />

wie ihre Eltern und Großeltern dam<strong>als</strong> in den europäischen Vernichtungs la gern?<br />

Mehr Bewusstsein für Tradition und Kontinuität <strong>als</strong> die störrischen Juden zeigte hingegen<br />

erwartungsgemäß Frankreich: Indem das Außenministerium ebenfalls Ha mas<br />

und Israel gleichermaßen rügte und damit den Unterschied zwischen Aggressor und<br />

Opfer orwellianisch zum Verschwinden brachte, knüpfte die Grande Nation ge -<br />

konnt an die glorreichen Vichy-Zeiten an, in denen das stolze Frankreich jüdische<br />

Frechheiten auch nicht ungestraft hinnehmen musste.<br />

Als Camouflage ihrer Haltung dient all jenen, die von Israel erwarten, sich gefälligst<br />

mit Raketen beschießen zu lassen, ohne Ärger zu machen, neuerdings das Argu ment<br />

von der „Unverhältnismäßigkeit“ der israelischen Gegenwehr, <strong>als</strong>o der Umstand,<br />

dass deutlich mehr Palästinenser der israelischen Gegenwehr zum Opfer fallen <strong>als</strong><br />

Israelis dem Hamas-Terror.<br />

ich weite<br />

n israeund<br />

Ge -<br />

oder die<br />

10 km von Wien-Mitte:<br />

Klosterneuburg, Stammersdorf,<br />

Schwechat, Mauer, Vösendorf, ...<br />

Unbestritten ist, dass dies vor allem daran liegt, dass die Hamas ihre Ra ke ten stel lun -<br />

gen in Schulen, Kindergärten und Krankenhäusern errichtet, um genau diesen Ef fekt<br />

zu erzielen. Deshalb stellt sich die Frage: Warum hindern die 1,5 Millionen Paläs ti -<br />

nen ser in Gaza die Hamas nicht daran, Raketen auf Israel vom Schulhof aus zu starten?<br />

Es ist ja nicht gut vorstellbar, dass die Hamas gegen den Widerstand der eigenen<br />

Bevölkerung auch nur einen Tag weiter so Terror gegen Israel betreiben könnte.<br />

Davon, dass die (mit Mehrheit gewählte) Hamas mit Gewalt ihre Raketenstellungen<br />

mitten unter Zivilisten errichtet hat, ist bislang nichts bekannt. Damit stellt sich<br />

auch die Frage der „Verhältnismäßigkeit“ anders: Solange die Palästinenser dulden,<br />

dass die Hamas aus ihrer Mitte, aus ihren Häusern und Schulen Raketen auf israelische<br />

Kindergärten abfeuert, können sie nicht wirklich <strong>als</strong> „unschuldige zivile Op -<br />

fer“ gelten.<br />

Nicht Israels Gegenwehr ist unverhältnismäßig, sondern die Kritik an dieser Gegen wehr<br />

ist es. Ersterscheinung „Die Presse“, 09.01.09<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769 31


Verletzung der Ge<br />

DOSSIER • GEGEN DEN TERROR DER HAMAS<br />

Gaza City 15.12.06<br />

Die Israelis sind nicht die einzigen<br />

Opfer der Hamas-Führung, die die Pa -<br />

läs tinenser im Jänner 2006 an die po li -<br />

tische Spitze wählten. Anfang August<br />

tötete eine für Israel be stimmte aber<br />

fehlgeleitete Rakete zwei palästinen si -<br />

sche Kinder und verletzte sieben wei te re.<br />

Nach dem Wahlsieg der Hamas<br />

brach ein Palästinenser-interner Krieg<br />

zwischen Hamas- und Fatah-Anhän gern<br />

aus.<br />

Die unabhängige paläs ti nensi sche<br />

Menschrechtsorganisation beziffert<br />

die daraus resultierenden Todesopfer<br />

inzwischen mit mehr <strong>als</strong> 600.<br />

In den ersten sieben Monaten des<br />

Jahres 2007 allein wurden 415 Paläs ti -<br />

nen ser bei Kämpfen getötet, darunter<br />

28 Kin der, und weitere 2.022 Men schen<br />

verletzt – von den eigenen Leuten.<br />

Seit der Machtübernahme der Ha -<br />

mas in Gaza Mitte Juni 2007 hat diese<br />

auch ihre militärische und is lamische<br />

Autorität über das palästinensische<br />

Volk verstärkt. Waffen und Streitkräfte<br />

wurden aufgestockt; öffentliche Ver -<br />

samm lungen und De monstrationen<br />

wur den verboten, wer sich nicht daran<br />

hält muss mit ge waltsamen Gegen maß -<br />

nahmen rech nen; Fernsehpro gram me,<br />

die sich mit der proble ma tischen Si tua -<br />

tion in Ga za auseinan der setz en wur den<br />

ein gestellt; Frauen dürfen sich nicht<br />

mehr im Badeanzug zeigen – und vie -<br />

le andere Maß nah men, die die per sön -<br />

liche Freiheit dras tisch ein schrän ken.<br />

Im Dezember führte die Hamas im<br />

Gazastreifen das islamische Recht s -<br />

system Shari’a ein. Dieben droht jetzt<br />

Handabhacken, Ehebrechern und Ho -<br />

mo sexuellen die Steinigung. •<br />

Moschee <strong>als</strong> Waffenlager<br />

Unterirdisched Waffen- und<br />

Munitionslager bei Gasstation<br />

DAS TERRORISTISCHE BILD DER HAMAS<br />

32 <strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769


DOSSIER • GEGEN DEN TERROR DER HAMAS<br />

nfer Konvention<br />

Militärtraining,<br />

23.03.07.<br />

Hamas-Kämpfer <strong>als</strong> explosive Attrappe<br />

Sprengstoffzünder im Zoo von Gaza - die Kabeln führen direkt zu einer Schule<br />

Die Hamas zwingt Kinder, Mu ni -<br />

tion zu transportieren und mehrere an -<br />

dere militärische Aufgaben zu über n eh -<br />

m en. Die Enthüllung stammt von der<br />

arabischen Zeitung ‘Kul al Arab’, de ren<br />

Korrespondent miss brauchte Kinder<br />

befragt hatte.<br />

Unterirdische Waffenlager<br />

in Wohngebieten<br />

TV-Programme für Kinder leh r en<br />

die Kleinen, dass sie Selbst mord at ten -<br />

täter werden und Juden töten soll ten.<br />

Al Noserate Flüchtlingslager,<br />

14.09.01.<br />

DIE MILITARISIERUNG DER KINDER VON GAZA<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769 33


DOSSIER • GEGEN DEN TERROR DER HAMAS<br />

Zerrbilder<br />

Hamas - Israel: Opfer oder Täter? 14.01.<strong>2009</strong><br />

Sehr geehrte MitarbeiterInnen des ORF!<br />

Wohnung in Gaza<br />

Durch den Missbrauch von<br />

Mo sche en, anderen öffentlichen<br />

Einrich tungen und sogar Privat -<br />

häu sern <strong>als</strong> Waffenarsenale und<br />

Ausgangspunkte für Terrorein sät -<br />

ze, setzt die Hamas die in Gaza<br />

wohnhaften Palästinenser <strong>als</strong> ih re<br />

Geiseln ein – sie verwen det sie auf<br />

verabscheuungswürdige Wei se<br />

<strong>als</strong> menschliche Schutz schil der.<br />

Moscheen <strong>als</strong> Waffenlager<br />

Quellen&Fotos: Jehuda Peretz, Edi Israel,<br />

Zaka, Archiv, APA, Reuters, Flash 90.<br />

Konzept&Realisierung: Sonia Feiger<br />

Mich besorgen die vielen Bilder israelischer Aggression gegen Ziele im Gaza-Streifen, denen<br />

leider auch palästinensische Zivilbevölkerung - Frauen und Kinder - zum Opfer fällt. Die Be rich -<br />

te, die ich im ORF sehe, erwecken den Anschein, dass diese Menschen Opfer israelischer<br />

Aggression seien, wo sie aber in Wirklichkeit Opfer ihrer eigenen politischen Führung, der<br />

Hamas sind.<br />

Ihre Berichte tragen auch der Tatsache jahrelanger Terrorisierung der israelischen Bevölke rung<br />

rund um Gaza, die dem israelischen Angriff vorausgingen, nicht genügend Rech nung. In einer<br />

ZIB wurde suggeriert, Israel habe den Waffenstillstand gebrochen, den die Hamas nach dem<br />

19. Dezember 2008 gar nicht verlängern wollte und den sie auch zuvor immer wieder durch<br />

willkürliche Raketenbeschüsse israelischer ziviler Ziele gebrochen hatte.<br />

In einer ZIB wurden die Quassam-Raketen, die in Sderot Tausende Israelis wochenlang in Bun -<br />

kern einkerkern und bis Ashkelon und Be’er Sheva Fliegen, verharmlosend <strong>als</strong> „primitive<br />

Geschosse“ (sinngemäß) bezeichnet.<br />

Diese Angriffe der Hamas auf die israelische Zivilbevölkerung wurden weder in den vergangenen<br />

Jahren noch in der gegenwärtigen Situation in dem Ausmaß dokumentiert, in dem Is -<br />

ra els Verteidigungskrieg gegen die Hamas im ORF bildlichen und sprachlichen Ausdruck findet.<br />

In einem Interview legte ein nickender ORF-Redakteur einem Vertreter der palästinensischen<br />

Gemeinde geradezu die Worte in den Mund, „dass Israel die Palästinenser auslöschen (sic!) will“.<br />

Eine Ausdrucksweise, die eine Umkehr der vom jüdischen Volk erlittenen Bedrohung in den<br />

Raum stellt und vollkommen fehl am Platz und skandalös ist.<br />

Über die Hamas erfährt man aus dem ORF - für mein Empfinden - wenig. Man stellt sie, stellvertretend<br />

für die gesamte Bevölkerung der von Israel besetzten, zum Teil wieder geräumten<br />

Gebiete (Gaza), <strong>als</strong> Opfer israelischer Kolonialherrschaft und den von ihnen betriebenen Ter ror<br />

<strong>als</strong> legitimen Befreiungskampf dar. Man erfährt im ORF wenig bis nichts darüber, wie nach 1948<br />

- in Wirklichkeit erst nach 1967 - das Problem der „Palästinenser“ entstanden ist und wie die<br />

Weigerung der Hamas, den Staat Israel anzuerkennen, sowie ihr Bestreben, ihn Kraft skrupellosen<br />

Terrors wegzubomben, der Möglichkeit, das Problem auf dem diplomatischen Weg zu<br />

lösen, im Wege steht. Vor allem aber erfährt man nichts über die Ideologie, Geisteshaltung<br />

und skrupellose Bruta li tät der Hamas; sie wird <strong>als</strong> Opfer dargestellt, und nicht <strong>als</strong> die barbarische,<br />

menschenverachtende, vor nichts zurück schreckende Bande, die sie in Wirklichkeit ist.<br />

Eine Berichterstattung, die eine Umkehrung der Opfer-Täter-Polarisierung in den Raum stellt,<br />

ist dazu geeignet, den in Österreich leider noch bestehenden Antisemitismus in seiner nun<br />

moderneren Bezeichnung <strong>als</strong> „Antizionismus“ zu legitimieren.<br />

Ich erhielt unten stehende e-mail und möchte Sie auf den darin angeführten Video-Film aufmerksam<br />

machen. Ich möchte es Ihnen überlassen, zu recherchieren, ob die darin gezeigten<br />

Ab scheulichkeiten den Tatsachen entsprechen. In jedem Fall möchte ich Sie eindring lich ersuchen,<br />

Ihre KollegInnen in den entsprechenden Redaktionen zu motivieren, über die Hamas<br />

entsprechend zu recherchieren und zu berichten.<br />

Ich vertraue Ihnen, sehr geehrte Frau Spera, werter Herr Wolf, geschätzter Herr Segenreich,<br />

dass Sie sich dafür einsetzen werden, einem Zerrbild, in dem die Hamas <strong>als</strong> Opfer und Israel<br />

<strong>als</strong> Aggressor dargestellt wird, entgegen zu wirken. Eine Supervision könnte dazu beitragen,<br />

dass sich die durch die Fülle unterschiedlichster Informationen und Berichte sicher sehr unter<br />

Druck stehenden ORF-Redakteure eigene blinden Flecken bewusst machen und auf un be -<br />

wusste Einstellungen und Gefühle stoßen, die mit ihrem rationellen und bewussten Denken<br />

nicht kompatibel sind. Ich gehe davon aus, dass Sie die geschilderten Eindrücke nicht beabsichtigen<br />

und womöglich gar nicht wissen, dass man <strong>als</strong> (wenig bis gar nicht vorgebildeter)<br />

Zuschauer eben diese Eindrücke bekommt.<br />

Anbei die erwähnte e-mail, die heute bei mir ankam: HAMAS & PALESTINIANS: AN ARAB’S SECRET<br />

VIDEO. There are many videos around - but this one is by an Arab embedded in the midst of Hamas and<br />

the Palestinians - and it vindicates everything Israel says. One wonders why this is not seen on CNN, BBC,<br />

an the UN Monitors - this Arab says there are 100s of such videos but he cannot sell it to most media<br />

be cause it makes Israel look good. But it takes an Arab to expose Arabs, and by default - it makes Israel<br />

a light unto the nations. Warning: Contains scenes which may disturb, <strong>Januar</strong>y 08, <strong>2009</strong>.Hamas Kills<br />

Innocent Palestinians (Rare Video by an Arab). http://mypetjawa.mu.nu/archives/195773.php<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Mag. Evelyn Böhmer-Laufer<br />

34 <strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769


JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

Dr. Alfred Bader:<br />

Vom Briefmarkenverkäufer<br />

zum Chemiker, Millionär und<br />

Kunstförderer<br />

Von Ida Labudovic<br />

Übersetzung: Karin Fasching-Kuales<br />

Am Tag, <strong>als</strong> Alfred Baders mutter,<br />

eine katholische Aristokratin, ihre<br />

Liebe zu seinem Vater, einem Juden<br />

aus der mittelschicht, offenbarte, woll -<br />

ten sie ihre Eltern ins Asyl schicken.<br />

Doch trotz aller Widerstände hei -<br />

rateten die Liebenden wenig später in<br />

London, ließen sich in Wien nieder<br />

und bekamen zwei Kinder. Zwei<br />

Wochen nach Alfreds Geburt 1924<br />

starb sein Vater und hinterließ Frau<br />

und Kinder ohne jegliches Einkom -<br />

men. Alfreds jüdische Tante kümmerte<br />

sich daraufhin um den Jungen, bis<br />

er nach der „Kristallnacht“ 1938 <strong>als</strong><br />

einer von 10.000 jüdischen Kindern<br />

und Jugendlichen mit einem „Kinder-<br />

transport“ nach Großbritannien flüch -<br />

ten musste. Doch auch dort durfte er<br />

nicht lange bleiben – im Jahr 1940 kam<br />

er <strong>als</strong> einer der „enemy aliens“ zwischen<br />

16 und 65 in ein internierungs -<br />

la ger nach Kanada.<br />

Der gerade erst 16 gewordene Al fred<br />

Bader wurde in Fort Lennox, Que bec,<br />

festgehalten. Erst im Herbst 1941 entließ<br />

man ihn in die Obhut eines religiösen<br />

sephardischen Juden in montreal,<br />

der ihn zur Wiederaufnahme seiner<br />

Ausbildung ermunterte. nachdem<br />

die Universitäten von Toronto und<br />

mc Gill ihn aufgrund ausgeschöpfter<br />

Quoten für jüdische Studenten abgelehnt<br />

hatten, begann Bader sein Stu di -<br />

um <strong>als</strong> Chemie-ingenieur an der<br />

Queen´s University in Kingston, On -<br />

tario. „Ich war entschlossen, mein Bestes<br />

zu geben.“, erinnert er sich. Er erwarb<br />

mehrere wissenschaftliche Diplome<br />

an der Queen´s University, bevor er<br />

1950 sein Doktorat in Organischer<br />

Che mie in Harvard abschließen konn -<br />

te. noch im selben Jahr ging Bader<br />

nach milwaukee, um dort Forschungs -<br />

arbeit für die Pittsburgh Plate Glass<br />

Company zu leisten und im Jahr 1951<br />

gemeinsam mit seinem Freund Jack<br />

n. Eisendrath seine eigene Firma, die<br />

Aldrich Chemical Company, zu gründen,<br />

die Forschungschemikalien in<br />

kleinen mengen produzierte und verkaufte.<br />

Das Unternehmen wuchs rasch<br />

zu einem für die Qualität und Vielfalt<br />

seiner Chemikalien weltbekannten<br />

Unternehmen an und schloss sich 1975<br />

mit der Biochemika lien firma Sigma<br />

aus St. Louis zusammen, mit Alfred<br />

Bader <strong>als</strong> Präsident der Sigma-Ald rich.<br />

Ein Konflikt im Jahr 1991, bei dem<br />

man ihm vorwarf, durch den Verkauf<br />

von Sigma-Aldrich-Aktien „gegen das<br />

Unternehmen zu wetten“, zwang ihn<br />

zum Firmen-Ausstieg. Bader wies<br />

diese Vorwürfe allerdings zurück.<br />

Alfred Baders Geschichte ist eine<br />

Er folgsgeschichte mit positiver Ein stel -<br />

lung zum Leben. in diesem Som mer<br />

war er mit seiner großen Liebe, isa bel,<br />

in Wien:<br />

Herr Bader, wie war das Leben in der<br />

Wie ner Praterstraße vor dem Krieg, <strong>als</strong><br />

Sie mit Ihrer Adoptivmutter dort gelebt<br />

haben? Was war für Sie entscheidend, <strong>als</strong><br />

Sie zum überzeugten Juden wurden?<br />

meine Adoptivmutter und die Fa -<br />

mi lie mayer. in der Wohnung über uns<br />

lebten orthodoxe ungarische Ju den,<br />

die mayers, die starken Einfluss auf<br />

mein religiöses Leben hatten. Die<br />

mayers waren wunderbare nachbarn<br />

und luden mich an vielen Freitag aben -<br />

den zum Essen ein, auch an den beiden<br />

Pessachabenden. meine biologische<br />

mutter war katholisch und hat<br />

mir oft gesagt, dass ich in die Hölle<br />

kommen würde, wenn ich nicht Ka -<br />

tho lik werde, aber sie hatte Unrecht,<br />

da bin ich sicher. meine erste Frau<br />

war auch keine Jüdin, sie kam aus<br />

einen protestantischen Familie, doch<br />

sie konvertierte, bevor ich sie gebeten<br />

habe, mich zu heiraten. meine Schwes -<br />

ter wurde allerdings katholisch erzogen,<br />

sie verliebte sich in ei nen Eng -<br />

län der, kam nach England und heiratete<br />

anglikanisch.<br />

Sie wurden am 10. Dezember 1938 mit<br />

dem ersten Kindertransport nach Eng land<br />

geschickt. Welche Erinnerungen haben<br />

Sie an diesen Abend?<br />

ich hatte keine Ahnung, was mich<br />

er wartet. Um neun Uhr abends ka men<br />

wir zum Bahnhof Hütteldorf, mei ne<br />

mutter, mama, Hilda (die Gou ver -<br />

nante) und ich. ich stieg schnell ein,<br />

fand einen Sitzplatz am Fenster und<br />

lehnte mich hinaus, um zum Ab schied<br />

zu winken, <strong>als</strong> der Zug den Bahnhof<br />

verließ. Hilda starb während des<br />

Krie ges an Krebs. mutter wurde ge -<br />

zwungen, ihre Wohnung zu verlassen<br />

und in ein jüdisches Altersheim zu ziehen,<br />

bevor man sie im Juni 1941 nach<br />

Theresienstadt deportierte, wo sie fünf<br />

monate später starb. mama schied<br />

nach einem Schlaganfall 1948 aus dem<br />

Leben. An jenem Abend im Jahr 1938<br />

umarmten wir uns zum letzten mal.<br />

ich sah keine von ihnen jem<strong>als</strong> wieder.<br />

England war für Sie ein Ort des Exils.<br />

Wel che Erfahrungen haben sie von dort<br />

mit genommen, besonders was die Men -<br />

schen betrifft?<br />

Wir hatten in England eine entfernte<br />

Verwandte, durch meine jüdische<br />

Groß mutter aus Prag. Frau Emanuel<br />

und ihr Ehemann fanden für mich eine<br />

Unterkunft bei einer jüdischen Fa mi li e.<br />

ich ging dort ein Jahr lang in die<br />

Schule und fühlte mich sehr wohl.<br />

Dann ermöglichte Frau Emanuel mir<br />

den Besuch des Technik-Colleges, von<br />

<strong>Januar</strong> bis mai 1940, <strong>als</strong> man mich<br />

schließlich internierte. Am 2. novem ber<br />

1941 wurde ich aus dem internie rungs -<br />

lager frei gelassen und zwei Wo chen<br />

später wurde ich an der ka na dischen<br />

Queen´s University aufgenommen,<br />

das hat mir sehr gut getan.<br />

(Daraufhin wirft isabel ein: „Sie frag -<br />

ten Alfred nach seinen Eindrücken<br />

von den menschen in England. in der<br />

Familie, in der er lebte, gab es zwei<br />

Töch ter und zwei Buben, jüdische<br />

Flücht linge aus Deutschland, die von<br />

einem Onkel Taschengeld erhielten,<br />

während Alfred sich sein Geld selbst<br />

verdienen musste. Die eine Tochter<br />

hat ihn nicht immer nett behandelt,<br />

ob wohl das nicht ganz ernst gemeint<br />

JÜDISCHE WELT<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769 35


JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

wirklich gut. Die nachfrage war sehr<br />

groß!)<br />

Isabel und Alfred Bader<br />

war – für einen Jungen, der seine Hei -<br />

mat verlassen musste, ist das sehr un -<br />

angenehm. Er begann, sich für Brief -<br />

marken zu interessieren, <strong>als</strong> er 8 Jahre<br />

alt war, denn er wusste: Je mehr er über<br />

die Briefmarken lernte, umso mehr<br />

würde er damit verdienen können.<br />

Er war ein Junge, der nicht gerne<br />

spielte, er arbeitete lieber, verkaufte<br />

seine Briefmarken, was er <strong>als</strong> Heraus -<br />

forderung sah. So beschaffte er sich<br />

sein Taschengeld. Ebenso war es, <strong>als</strong> er<br />

nach Kanada kam. Er arbeitete gern,<br />

deshalb lief das Geschäft auch so gut.<br />

Auch seine erste Frau, Danny, half mit,<br />

indem sie sich allein um das Haus und<br />

die Söhne kümmerte und ihn nicht<br />

mit Alltagsproblemen behelligte.)<br />

Wie schafften Sie es, der Beste zu werden?<br />

Durch schwere Arbeit und zwei gu -<br />

te Frauen, die mir viel geholfen ha ben.<br />

Jetzt habe ich Söhne, die mir enorm<br />

viel helfen und drei Leute, die mich in<br />

finanziellen Dingen beraten: Yechiel<br />

Bar-Chaim des American Jewish Joint<br />

Distribution Committee in Paris, Adi -<br />

na Shapiro in Jerusalem und ei nen<br />

Cha bad-Rabbiner in milwaukee. mei -<br />

ne Firma ist enorm gewachsen, dennoch<br />

hat man mich 1992 (aus der Sig -<br />

ma-Aldrich, Anm.) hinausgeworfen.<br />

Das war eigentlich mein großes Glück,<br />

denn jetzt arbeite ich mit Leuten, die<br />

ich gerne habe und es geht mir finanziell<br />

viel besser.<br />

(Was das Geld betrifft, fügte isabel<br />

hinzu: Alfred gehört nicht gern einer<br />

Gruppe von menschen an, die ihm<br />

Geld geben, es ist ihm lieber, selbst<br />

etwas auf die Beine zu stellen, etwas<br />

individuelles. Er mag es auch nicht,<br />

wenn jemand ihn um Geld bittet,<br />

denn das passiert ständig und man<br />

wird dessen irgendwann müde.)<br />

Sie haben eine sehr erfolgreiche Firma<br />

gegründet. Was würden Sie Menschen<br />

raten, die ebenso erfolgreich sein möchten?<br />

Wir hatten viel Glück. mein Freund<br />

Jack Eisendrath, ein Anwalt aus mil -<br />

waukee, und ich gründeten ein Un -<br />

ter nehmen, das Forschungsche mi ka li -<br />

en herstellte. Das war 1951, mit einem<br />

minimalen Kapital von US$ 250,- pro<br />

Person. Wir losten, wer über den na -<br />

men der Firma bestimmen darf – und<br />

ich verlor. Jack war dam<strong>als</strong> mit einem<br />

charmanten mädchen verlobt, Betty<br />

Aldrich, und so benannten wir unsere<br />

Firma in Aldrich Chemical Company.<br />

(Alfred liebte seine Arbeit, sagt isabel.<br />

Er reiste zu Chemiefirmen in Europa,<br />

um ihnen seine Produkte zu verkaufen.<br />

Das machte ihm große Freude.<br />

Auch die Kodak-Leute machten ihre<br />

Arbeit, doch sie verstanden sich nicht<br />

darauf, die Bedürfnisse ihrer Kunden<br />

zu erfüllen – und genau das war Al -<br />

freds Spezialität: Die besten Chemi -<br />

ka lien zu verkaufen und die Kunden<br />

zufrieden zu stellen. Außerdem war<br />

die nachkriegszeit für dieses Geschäft<br />

Isabel, auf einer Reise von Quebec ins<br />

eng lische Liverpool 1949 trafen Sie sich<br />

zum ersten Mal, neun Tage später machte<br />

Al fred Ihnen einen Heiratsantrag, doch<br />

Sie lehnten ab, weil Sie dachten, dass Ihre<br />

religiösen Unterschiede zu groß sein könn -<br />

ten. Ihr Buch „A Canadian in Love“ enthält<br />

die 80 Briefe, die Sie Ihrem späteren<br />

Mann zwischen Ihrem ersten Treffen im<br />

Juli 1949 und Ihrer Trennung ein Jahr<br />

da rauf geschrieben haben. 1952 heiratete<br />

Alfred Helen Daniels (Danny), die ihm<br />

seine zwei Söhne Daniel und David ge bar.<br />

Erst 1981 ließen sich die beiden wieder<br />

scheiden und Alfred war frei für die Ehe<br />

mit Ihnen. Wie sind Ihre Erinnerungen<br />

und Gefühle über diese Zeit?<br />

Als wir uns im Juli 1949 zum ersten<br />

mal begegneten hatten wir nur sehr<br />

wenig Zeit zusammen. Alfred musste<br />

zurück in die USA, während ich in<br />

Eng land blieb, ich hatte keine Ah -<br />

nung, wie es weiter gehen würde. Ab<br />

dem Jahr 1949 unterrichtete ich in<br />

Bexhill in Sussex, wo ich eine Schau -<br />

spielschule und später ein Kostüm -<br />

mu seum mitbegründete. Die Stücke<br />

faszinierten mich, weil ich durch sie<br />

mehrere Leben leben konnte.<br />

Wir haben uns am mittwoch, dem<br />

14. Juli, kennen gelernt und einen Tag<br />

später geküsst. neun Tage später bat<br />

er mich ihn zu heiraten, aber ich habe<br />

nicht geantwortet. Erst 32 Jahre später<br />

sagte ich „Ja“.<br />

Wollen Sie weiter erzählen, Herr Bader?<br />

Über ihren Bruder konnte ich dann<br />

erneut Kontakt aufnehmen. Als wir<br />

uns nach all den Jahren wieder trafen,<br />

war isabel ganz erschüttert. ich schrieb<br />

ihr daraufhin einen langen Brief, auf<br />

den sie nur antwortete: „Schreib mir<br />

nicht wieder, besuch mich nicht. Du<br />

bist glücklich verheiratet und hast<br />

Kin der.“ Sie wollte nichts mit mir zu<br />

tun haben und meine Ehe brechen.<br />

Aber ich bin ein sehr sturer mann<br />

und habe nicht aufgegeben.<br />

Isabel, haben Sie in dieser Zeit intensiv<br />

an Alfred gedacht?<br />

in den Jahren, in denen wir ge -<br />

trennt waren, habe ich sehr oft an Al -<br />

fred gedacht, doch ich wusste auch,<br />

dass er Jude war und eine Familie<br />

wollte, weil er ja nie wirklich eine ei -<br />

36 <strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769


JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

ge ne Familie gehabt hatte. ich war<br />

nicht bereit, über eine Konversion zum<br />

Judentum nachzudenken, um ihn hei -<br />

raten zu können. ich war nicht strikt<br />

dagegen, aber ich konnte auch nicht<br />

von einem Tag auf den anderen einfach<br />

die Seiten wechseln. Über so et -<br />

was muss man nachdenken können.<br />

ich hatte auch erwartet, dass Alfred<br />

heiraten wollen würde, er war ja auch<br />

älter <strong>als</strong> ich. Seine ganze Lebenser fah -<br />

rung überstieg meine bei weitem. ich<br />

bin eine ganz gewöhnliche Frau, doch<br />

Alfred war verrückt nach mir. Eines<br />

Ta ges traf ich einen seiner besten<br />

Freunde in England und er überzeugte<br />

mich, Alfred wieder zu sehen, mit den<br />

Worten: „Sein Leben liegt in deinen<br />

Händen“. Was für eine Aussage! ich<br />

verbrachte daraufhin einige Stunden<br />

mit Alfred, doch das genügte ihm<br />

nicht. Er rief mich an, schrieb mir.<br />

Danny wusste das, es muss sehr<br />

schwer für sie gewesen sein. Doch er<br />

konnte nicht damit aufhören, obwohl<br />

ich ihm begreiflich zu machen versuchte,<br />

dass er aufhören musste. Auch<br />

für mich war es sehr schwierig, ich<br />

war innerlich zerrissen. Als Danny<br />

irgendwann nach England kam, sprachen<br />

wir miteinander und ich sagte<br />

ihr, dass ich mich am liebsten irgendwo<br />

verstecken würde. Sie antwortete:<br />

„Es würde nichts nützen, isabel, er<br />

würde versuchen, dich zu finden.“<br />

Wie wirkte sich die spätere Scheidung auf<br />

Ihre Familie aus?<br />

materiell war die Scheidung sehr<br />

einfach, denn ich teilte immer alles,<br />

was ich hatte, 50:50 mit meiner ersten<br />

Frau. Emotional war es für Danny<br />

sehr schwer.<br />

Um Alfred heiraten zu können, sind<br />

Sie dann doch konvertiert, Isabel. Wie<br />

war das für Sie?<br />

Bis zur tatsächlichen Konversion<br />

hat es eine Weile gedauert. Und es<br />

mach te eigentlich keinen Unterschied<br />

für mich, da Kinder ja kein Thema<br />

waren. Wir haben 1982 standesamtlich<br />

in milwaukee und zehn Jahre<br />

spä ter, nach meiner formellen Kon -<br />

version, orthodox geheiratet.<br />

Wie verbringen Sie nun Ihre Zeit?<br />

Wir leben sehr einfach und spenden<br />

jedes Jahr mehrere millionen, das<br />

macht uns große Freude. Wenn wir<br />

einmal sterben, wird es eine isabel<br />

und Alfred Bader Foundation geben.<br />

Als wir im Juli 1992 mit dem Zug von<br />

London nach Bexhill fuhren, entdeck -<br />

te ich eine Anzeige in der London<br />

‘Times’ über den Verkauf eines Schlos -<br />

ses für fünf millionen englische Pfund<br />

und ich fragte isabel, ob sie es haben<br />

wolle. ihre Augen strahlten, <strong>als</strong> sie sah,<br />

dass es Herstmonceux war, nur wenige<br />

Kilometer von Bexhill entfernt, doch<br />

sie war nicht interessiert – zu viele<br />

Räu me, die geputzt werden mussten.<br />

Trotzdem wollten wir es uns an schau -<br />

en und hatten dabei denselben Ge dan -<br />

ken: Was für ein wundervoller Besitz<br />

es für die Queen´s University wäre.<br />

Also kauften wir es für sie.<br />

Wir haben kein besonders umfangreiches<br />

Gesellschaftsleben. Wir sind<br />

gerne zu Hause. Seit ich 1982 nach<br />

milwaukee gezogen bin, treffen wir<br />

hauptsächlich menschen, die zur Sy -<br />

na goge gehören. Die meisten wissen,<br />

wie wir leben und erwarten nicht von<br />

uns, anders zu sein, <strong>als</strong> wir tatsächlich<br />

sind. Die Dinge, die wohlhabende<br />

menschen üblicherweise tun, interessieren<br />

uns nicht. Unser Lebensmotto<br />

lautet: „Wir brauchen so wenig, und<br />

wir besitzen so viel.“<br />

Und was interessiert Sie, Isabel?<br />

musik und Theater. Als ich nach mil -<br />

waukee kam, habe ich Theaterkos tü -<br />

me gemacht. Jetzt helfe ich Alfred bei<br />

seiner Arbeit. Wir reisen viel, Alfred<br />

gibt Vorlesungen, wir diskutieren über<br />

Veranstaltungen, er schickt mir Briefe<br />

und Artikel, die ich durchlese. Es gibt<br />

genug zu tun.<br />

Was waren Ihre Intentionen, den Ignaz<br />

Lieben Preis wieder zum Leben zu erwekken?<br />

ignaz Lieben, der den Preis in den<br />

1860er-Jahren gestiftet hat, war ein jü -<br />

discher Bankier, dessen nachkomme<br />

von den nazis in Buchenwald ermordet<br />

wurde. Viele jüdische Geschenke<br />

basieren auf der Zahl 18, im Hebräi -<br />

schen „Chaj“ (das Leben). So war der<br />

Liebenpreis ur sprünglich mit US$<br />

18.000 dotiert. Auf grund des fallenden<br />

Dollar kur ses haben wir diesen<br />

ver doppelt und er beträgt nun US$<br />

36.000.<br />

Außerdem haben wir der Österreichischen<br />

Akademie der Wissen schaf ten<br />

noch zwei andere Preise in der Höhe<br />

von US$ 18.000 gestiftet.<br />

Sie sind auch ein leidenschaftlicher<br />

Sammler von holländischen Malern aus<br />

dem 17. Jahrhundert. Warum gerade aus<br />

dieser Zeit?<br />

Einfach weil es mir am besten ge -<br />

fällt. ich bin kein Kunsthistoriker, ich<br />

schaue mir die Bilder an, besonders<br />

Rembrandt und seine Schüler. Sie<br />

gefallen mir am besten. Wir haben<br />

unserer Universität zwei sehr schöne<br />

Rembrandts geschenkt. in der Ein lei -<br />

tung für einen Katalog von Gemäl den,<br />

die wir der Queen´s University überlassen<br />

haben, schrieben isabel und<br />

ich: „man hofft, dass die Signatur die<br />

Authentizität garantiert und das mag<br />

für ein Erwerbs komitee und manche<br />

Sammler wichtiger sein, <strong>als</strong> Schön -<br />

heit, die doch so schwierig zu bewerten<br />

ist. Und hier liegen die Chancen<br />

von Sammlern, wie wir es sind.“<br />

Sie sagten: „Das Leben hat mir viel<br />

Freude bereitet.“ Wie sieht nun ihr Fazit<br />

über das Leben und die Liebe aus?<br />

Das Wichtigste im Leben ist, den<br />

richtigen Partner zu finden und das<br />

h abe ich. Wenn der Herr uns noch ge -<br />

nü gend Zeit gibt, können wir mit<br />

isabels Weitsicht noch weitere großartige<br />

Projekte finden, die es zu finanzieren<br />

lohnt. Denn wir wollen unser<br />

Geld nicht für uns selbst ausgeben –<br />

und mitnehmen können wir es auch<br />

nicht.<br />

Literaturhinweis:<br />

„Alfred Bader: Chemie, Glaube und<br />

Kunst. Fundamente meines Lebens“<br />

Böhlau Verlag 2008,<br />

Herausgegeben von Gerhard Botz<br />

buch-tipp<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769 37


JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

Panorama<br />

Kurznachrichten aus der jüdischen Welt<br />

Quelle: JTA/Guysen u.a.; Übersetzung: Karin Fasching/Foto:©JTA u.a.<br />

Direktflüge Israel-Brasilien<br />

Ab April <strong>2009</strong> wird die El Al Direkt -<br />

flü ge zwischen israel und Brasilien<br />

anbieten. Drei wöchentliche Flüge<br />

werden Tel Aviv und Sao Paulo verbinden,<br />

außerdem wird es Anschluss -<br />

flüge zu verschiedenen südamerikanischen<br />

Destinationen geben, darunter<br />

Argentinien, Chile, Uruguay, Bo li -<br />

vien und Ecuador sowie andere große<br />

Städte innerhalb Brasiliens.<br />

Etwa 30.000 brasilianische Touristen<br />

haben israel im Jahr 2007 besucht.<br />

Diese Zahl soll sich mit dem neuen<br />

Flugangebot nun noch erhöhen.<br />

Kiev begeht 150. Geburtstag von<br />

Sholem Aleichem<br />

Das museum der Bücher in Kiev be -<br />

geht <strong>2009</strong> den 150. Geburtstag des jiddischen<br />

Schriftstellers Sholem Alei chem,<br />

der in der Ukraine geboren wor den<br />

war und den Großteil seines Lebens<br />

dort verbracht hatte. Bekannt wurde<br />

Aleichem für Bücher wie „Tev je der<br />

milchmann“, das die Vorlage für das<br />

musical „Anatevka“ lieferte, oder „me-<br />

nachem-mendl“. Er starb 1916 in new<br />

York.<br />

Gleichzeitig wird in dem museum<br />

eine Ausstellung über Leben und Werk<br />

des Künstlers zu sehen sein, darunter<br />

verschiedene Übersetzungen seiner<br />

Arbeiten, manuskripte, Fotos, Por -<br />

traits und Dokumente. im märz wird<br />

außerdem das Kiewer Sholem Alei -<br />

chem museum eröffnet.<br />

EJC bekommt israelisches Büro<br />

Der Europäische Jüdische Rat (EJC),<br />

Dachorganisation von 40 jüdischen<br />

Ge meinden Europas, bekommt nun<br />

auch ein israelisches Büro und wird<br />

damit seine Aktivitäten in israel ausweiten<br />

können.<br />

Gilad Shalit wird Ehrenbürger von Paris<br />

Der israelisch-französische Soldat Gi -<br />

lad Shalit, der seit 2006 von der Ha mas<br />

<strong>als</strong> Geisel gehalten wird, wurde von<br />

der Pariser Stadtregierung mit dem<br />

Tiltel des Ehrenbürgers ausgezeichnet.<br />

Die nachricht wurde bei den für<br />

die Freiheit Shalits kämpfenden Ak ti -<br />

visten mit großer Freude aufgenommen.<br />

Bereits im november hatte die französische<br />

Stadt Raincy Gilad Shalit zum<br />

Ehrenbürger erklärt, während sein<br />

Kon terfei wiederum die Fassade der<br />

Stadthalle von Grenoble zierte.<br />

Auch die italienische Hauptstadt<br />

Rom will Shalit zum Ehrenbürger<br />

machen, <strong>als</strong> „Zeichen der Solidarität<br />

mit der jüdischen Gemeinde“, so Roms<br />

Bürgermeister Gianni Ale man no.<br />

Juden begehen Todestag von<br />

tunesischer Rabbiner-Legende<br />

So viele menschen wie nie zuvor –<br />

zwischen 500 und 700 - versammelten<br />

sich am Friedhof von Tunis, um des<br />

Todes von Rabbi Hai Taieb zu gedenken,<br />

der sich der Legende nach zu<br />

Tode getrunken haben soll, nachdem<br />

seine Frau sämtliche seiner Arbeiten<br />

verbrannt hatte.<br />

Der Rabbiner soll von der mitte des<br />

18. bis zur mitte des 19. Jahrhunderts<br />

ein g’ttesfürchtiges Leben geführt<br />

und den Großteil seiner Zeit mit dem<br />

Studium der Torah, dem Verfassen<br />

von Kommentaren und Wun der tä tig -<br />

keit verbracht haben. Dies alles in ei -<br />

nem Raum, den seine Frau niem<strong>als</strong> be -<br />

treten durfte. Eines Tages jedoch soll<br />

sie heimlich in diesen Raum ge -<br />

schlüpft sein, <strong>als</strong> Taieb nicht zu Hau se<br />

war. Sie war so geschockt von den Un -<br />

mengen an Papieren und all dem<br />

Cha os dort, dass sie alles in Flammen<br />

aufgehen ließ. Daraufhin verfiel der<br />

Rabbiner dem Alkohol und starb.<br />

Doch seine Lehren und Weisheiten<br />

blie ben unvergessen, weshalb auch auf<br />

seinem Grabstein „Lo mait“ geschrieben<br />

steht – „niem<strong>als</strong> gestorben“.<br />

Tunesiens jüdische Gemeinde zählt<br />

heute etwa 1.500 mitglieder.<br />

Digitaler Siddur am iPhone<br />

iPhone Besitzer können nun auf einen<br />

besonderen Service zurückgreifen: ei -<br />

nen digitalen Siddur, der Gebetstexte<br />

in verschiedenen Versionen sowie<br />

Erinnerungen an Gebetszeiten je nach<br />

Standort aufs Handy liefert. mittels<br />

eingebauter Datenbank kann auch<br />

der nächstgelegene minjan ermittelt<br />

werden. Kostenfaktor: US$ 9,99.<br />

Umfrage: Holocaust gehört nicht zur<br />

jüdischen Diasporaidentität<br />

Die meisten jüdischen Jugendlichen,<br />

die in der Diaspora leben, geben an,<br />

dass der Holocaust zwar ihre Welt sicht<br />

verändert hätte, aber keine Rolle in<br />

ihrer jüdischen identität spiele, ergab<br />

eine Umfrage. 60.000 jüdische Teen a -<br />

ger zwischen 15 und 17 Jahren aus<br />

mehr <strong>als</strong> 20 Staaten wurden dazu über<br />

einen Zeitraum von 12 Jahren befragt.<br />

Die Ergebnisse wurden an der israelischen<br />

Bar-ilan Universität im Zuge der<br />

Konferenz „Representing the Holocaust:<br />

New Perspectives“ vorgestellt.<br />

mehr <strong>als</strong> 90% der befragten Ju gend li -<br />

chen meinten, der Holocaust hätte<br />

Einfluss auf ihre Sicht der Welt – über<br />

ein Drittel von ihnen bezeichnete diesen<br />

Einfluss sogar <strong>als</strong> „sehr wichtig“.<br />

38 <strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769


JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

Für lediglich 21% beinflusste der Ho -<br />

lo caust ihre jüdische identität.<br />

Andere Faktoren wurden hier <strong>als</strong><br />

wesentlich wichtiger angesehen: Fa -<br />

milie (96 %), Geburt (90 %), Religion<br />

(72 %) oder Kultur (67 %).<br />

Präsident Kacsynski mit Rabbiner Schudrich<br />

Polnischer Präsident besucht Synagoge<br />

Der Präsident Polens, Lech Kaczyns ki,<br />

und seine Ehefrau besuchten im De -<br />

zember 2008 die nozyk Synagoge in<br />

Warschau – ein historischer Akt, da<br />

Kaczynski damit der erste polnische<br />

Präsident seit 60 Jahren war, der dieses<br />

Zeichen setzte. Er entzündete die<br />

erste Chanukkah-Kerze und wohnte<br />

dem anschließenden G´ttesdienst bei.<br />

Regenritual für israelische Bauern<br />

Bauern aus dem nördlichen Teil Gali -<br />

lä as wählten einen sehr unkonventionellen<br />

Weg, um während einer zur<br />

Zeit anhaltenden ernsten Trocken pe -<br />

riode für mehr Wasser zu sorgen: Sie<br />

vollzogen von einem jüdischen Ge -<br />

lehr ten aus dem 16. Jahrhundert be -<br />

schriebenes Regenritual.<br />

Die Gruppe um Rabbi Eliyahu Biton<br />

stellten sich im Kreis um den Grab -<br />

stein Rabbi Shimon bar Yochais am Berg<br />

meron auf, schüttelten die vier traditionell<br />

zu Sukkot verwendeten Gaben<br />

und rezitierten ein von Yosef Karo im<br />

16. Jahrhundert verfasstes Gebet.<br />

Über den Erfolg des Ritu<strong>als</strong> ist leider<br />

nichts bekannt.<br />

Chanukka-Bücher für Indiens<br />

Bnei Menashe<br />

Bnei menashe, die jüdische Ge mein -<br />

de in nordost-indien, darf nun 1.000<br />

Bücher über Chanukka-Gesetze in ih -<br />

ren eigenen Sprachen mizo und Kuki<br />

ihr Eigen nennen.<br />

Die Gemeinschaft war etwa 500 Jahre<br />

vor dem Chanukka-Wunder aus is ra el<br />

vertrieben worden – das Chanuk ka-<br />

Fest war ihnen deshalb bis vor wenigen<br />

Jahren unbekannt und musste erst<br />

kennen gelernt werden.<br />

Mehr Schutz für israelische<br />

Passagierflugzeuge<br />

Das israelische Parlament genehmigte<br />

einen Plan zum Schutz von israelischen<br />

Passagierflugzeugen vor Ter ror -<br />

anschlägen. Demnach soll jede ma schi -<br />

ne nun mit eigens dafür entwickelten<br />

Verteidigungssystemen der israelischen<br />

Sicherheitsindustrie versehen<br />

sein.<br />

Museum für Holocaust-Flüchtlinge in<br />

Italien eröffnet<br />

in nardo im südlichen italien wurde<br />

das Museum der Erinnerung des Will -<br />

kommens in Anwesenheit des israelischen<br />

Botschafters in italien und Ober -<br />

rabbiner Riccardo Di Segni eröffnet.<br />

Zwischen 1943 und 1947 hatten jüdische<br />

Flüchtlinge aus ganz Europa, die<br />

in Richtung Palästina aufgebrochen<br />

waren, in und um nardo einen sicheren<br />

Hafen gefunden.<br />

Das museum befindet sich an der<br />

Küste von Santa maria al Bagno, ei -<br />

nem der größten ehemaligen Flücht -<br />

ling szentren, wo dam<strong>als</strong> sogar jüdische<br />

institutionen, eine Synagoge, eine<br />

Essensausgabe, ein Waisenhaus und<br />

ein Krankenhaus entstanden waren.<br />

Erstm<strong>als</strong> arabische Professorin in Israel<br />

in israel wurde erstm<strong>als</strong> eine Ara be -<br />

rin zur Professorin ernannt. Das<br />

„Komitee für Höhere Bildung“ verlieh<br />

den Titel am Sonntag der 53-jährigen<br />

Dozentin Haula Abu-Baker aus Akko.<br />

Abu-Baker lehrt unter anderem am<br />

Jesreel-College. ihre Studien über die<br />

„psychische Verfassung im arabischen<br />

Sektor“ gelten <strong>als</strong> bahnbrechend,<br />

heißt es laut einem Bericht der Tages -<br />

zei tung ‘Ha´aretz’.<br />

Die israelische Araberin ist zudem<br />

Autorin zweier Bücher, in denen es<br />

zum einen um arabische Frauen in<br />

po litischen Führungspositionen und<br />

zum anderen um das Leben palästinensischer<br />

Jugendlicher in israel geht.<br />

Zahl der Drogenfälle rasant gestiegen<br />

Die Zahl der in diesem Jahr in israel er -<br />

öffneten Fälle wegen Drogen schmug -<br />

gels oder Drogenhandels ist um 40%<br />

gegenüber dem Vor jahr gestiegen. Das<br />

gab die Polizei auf einer nationalen<br />

Sit zung im Dezember in Tel Aviv be -<br />

kannt.<br />

Demnach wurden 2008 an der Grenze<br />

zum Libanon 122 Kilogramm Heroin,<br />

23 Kilogramm Haschisch und etwa<br />

fünf Kilogramm Kokain konfisziert.<br />

An israels Südgrenze beschlagnahmten<br />

speziell ausgebildete Einheiten der<br />

Polizei 115 Kilogramm an verschiedenen<br />

Drogen. Zusätzlich wurden bei ei -<br />

nem Einsatz in der Region 82 Kilo -<br />

gramm Heroin und rund 80.000 Pillen<br />

verschiedener Amphetamine entdeckt,<br />

heißt es laut einem Bericht der Tages -<br />

zeitung ‘Jediot Aharonot’.<br />

An der Grenze zu Jordanien in der<br />

Arava-Region konfiszierten Grenz po -<br />

lizisten 400 Kilogramm marihuana, 790<br />

Kilogramm Haschisch und 36 Kilo -<br />

gramm Heroin.<br />

Auch am Ben-Gurion-Flughafen wurden<br />

Drogen sichergestellt. Dort be -<br />

schlag nahmten die Beamten 1,4 Kilo -<br />

gramm Kokain<br />

YouTube-Channel der IDF<br />

Wer die israelische Sichtweise des<br />

Krieges im Gazastreifen kennen lernen<br />

will kann sich nun über den von<br />

den israelischen Streitkräften auf der<br />

internet Plattform YouTube angelegten<br />

Kanal informieren. Gezielte Bom ben -<br />

angriffe sowie andere Clips von Ar -<br />

mee operationen und Hilfslie ferun -<br />

gen sind dort zu finden.<br />

http://www.youtube.com/user/idfnadesk<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769 39


JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

Edward Kritzlers ungewöhnliche<br />

Geschichte der jüdischen<br />

Piraterie<br />

vo Adam Kirsch, JTA;<br />

Übersetzung: Karin Fasching-Kuales<br />

Es gibt Orte, an denen man erwartet,<br />

Juden zu finden, und Orte, an denen<br />

dies eher überrascht. Das Deck eines<br />

Piratenschiffes gehört da wohl eher<br />

zu letzteren.<br />

So könnte man Edward Kritzlers<br />

etwas fragwürdiges Buch „Jewish<br />

Pirates of the Caribbean“ („Jüdische<br />

Piraten der Karibik“) auch mehr für<br />

einen etwas eigenwilligen Science-<br />

Fic tion-Roman halten, <strong>als</strong> für das<br />

Sachbuch, das es gerne wäre.<br />

Tatsächlich geht es hier um bloße chro -<br />

nologische Fakten: 1492, in aller Welt<br />

<strong>als</strong> das Jahr bekannt, <strong>als</strong> Columbus<br />

Amerika entdeckte, steht für die jüdische<br />

Bevölkerung für etwas völlig an -<br />

deres – nämlich die Verbannung der<br />

Juden aus Spanien durch Ferdinand<br />

und isabella.<br />

in der daraus resultierenden Dias po ra<br />

machten sich viele spanische und<br />

portugiesische Juden, darunter auch<br />

Konvertiten, die ihr Judentum nur<br />

noch heimlich leben konnten, auf den<br />

Weg zu den Handelszentren Europas<br />

und der neuen Welt. Diese gut organisierte,<br />

gebildete und kapitalisierte<br />

Bourgeoisie stellte sich <strong>als</strong> idealer<br />

mitt ler für die heranwachsende globale<br />

Ökonomie heraus. Deshalb wur -<br />

de Columbus auch von einigen jener<br />

Konvertiten begleitet und die Legen de,<br />

dass sogar Columbus selbst jüdischer<br />

Abstammung gewesen sein soll, hält<br />

sich schon seit geraumer Zeit.<br />

Auch in Jamaika, Brasilien und neu<br />

Amsterdam fand Kritzler blühende<br />

sephardische Gemeinden. Und wo hin<br />

auch immer die Wege der Spanier oder<br />

Holländer führten – ein paar Juden<br />

waren stets dabei oder kamen bald<br />

darauf nach.<br />

manche dieser jüdischen Pioniere,<br />

man glaubt es kaum, waren tatsächlich<br />

Piraten.<br />

Zu einer Zeit, <strong>als</strong> die Grenzen zwischen<br />

Handel und Piraterie noch nicht<br />

allzu streng gezogen waren, gestaltete<br />

es sich für jüdische Seeleute und<br />

Schiffseigner recht einfach, friedliche<br />

Handelsmissionen mit der Kaperung<br />

fremder Schiffe zu verbinden.<br />

nehmen wir zum Beispiel Samuel<br />

Palache, nachkomme marokkanischer<br />

Rabbiner, der seine Karriere <strong>als</strong> internationaler<br />

intrigant <strong>als</strong> Handelsbe auf -<br />

tragter begann, der maurische Juwe -<br />

len gegen spanisches Bienenwachs<br />

tauschte. Eines Tages setzte er sich das<br />

Ziel, in die Dienste König Philip iii.<br />

von Spanien einzutreten, auch wenn<br />

er dafür zum Katholizismus konvertieren<br />

müsste. Doch sein Ansuchen<br />

wurde abgelehnt und Palache schlug<br />

sich auf die Seite von Philips Feinden,<br />

den Holländern, für die er Waffen<br />

von Holland noch nordafrika brachte.<br />

Dies führte schließlich so weit, dass<br />

Palache eine Flotte anleitete, die spanische<br />

Schiffe im mittelmeer angreifen<br />

sollte, was ihm, trotz einem eklatanten<br />

mangel an Belegen für den Aus -<br />

gang dieser mission, bei Kritzler den<br />

klingenden Beinamen „Der Piraten-<br />

Rabbi“ einbrachte. (Wobei man hier<br />

auch leider nicht darüber hinwegsehen<br />

kann, dass der vermeintliche Pi -<br />

rat niem<strong>als</strong> einen Fuß auf karibischen<br />

Boden setzte – so dürfte Kritzlers<br />

Buch titel wohl doch eher plakativ <strong>als</strong><br />

präzise gemeint sein...)<br />

Sogar einen der berühmtesten Piraten<br />

der Geschichte, Jean Lafitte, der im<br />

new Orleans des 19. Jahrhunderts ein<br />

Schmugglerimperium betrieb und sich<br />

1812 im gemeinsamen Kampf mit<br />

Andrew Jackson gegen die Briten rehabilitieren<br />

konnte, bringt Kritzler mit<br />

dem Judentum in Verbindung und<br />

führt ein angebliches Zitat des Pira -<br />

tenkönigs an: „Meine Großmutter war<br />

eine spanische Israelitin. ... Großmutter<br />

erzählte mir immer wieder von den An -<br />

kla gen und Schikanen, die ihre Vorfahren<br />

zur Zeit der spanischen Inquisition hatten<br />

erdulden müssen. ... Die Erzählungen<br />

meiner Großmutter ... erweckten in mir<br />

den Hass gegen die spanische Krone und<br />

die Verfolgungen, derer sie sich schuldig<br />

gemacht hat – nicht nur den Juden<br />

gegenüber.“<br />

So wird bei Kritzler der Unterdrückte<br />

zum Todfeind der Unterdrücker – eine<br />

unwiderstehliche Geschichte und<br />

Hauptteil seines Buches.<br />

Doch Lafittes Bekenntnis illustriert<br />

dies beinahe schon zu deutlich, möglicherweise<br />

weil dieses Zitat mit<br />

ziemlicher Sicherheit nicht den Tat sa -<br />

chen entspricht. Laut Kritzlers An -<br />

mer kungen, fand er es in einem Buch<br />

über die jüdische Geschichte new<br />

Orleans’, das das Zitat wiederum den<br />

angeblichen Aufzeichnungen des Jean<br />

Lafitte entnommen hat, welche im<br />

new York des Jahres 1958 veröffentlicht<br />

worden waren.<br />

Aller dings vergisst Kritzler eine Tat -<br />

sache anzuführen, die mich zu finden<br />

lediglich wenige minuten internet re -<br />

cher che gekostet hat, nämlich dass je ne<br />

„Aufzeichnungen“ das Werk des no -<br />

to rischen Fälschers John Laflin wa ren.<br />

Dieser behauptete, ein nachfahre des<br />

legendären Piraten zu sein und gab<br />

sogar vor, diesbezügliche Dokumente<br />

zu besitzen, die auf Davy Crockett und<br />

Abraham Lincoln zurückgingen. Ob<br />

Kritzler mit all diesen informationen<br />

vertraut ist, geht aus seinem Buch leider<br />

nicht hervor.<br />

Das Beispiel von Lafitte ist nicht von<br />

allzu großer Bedeutung – es nimmt<br />

lediglich zwei Buchseiten ein -, doch<br />

leider ist es typisch für Kritzlers Umgang<br />

mit historischen informationen.<br />

Er verlässt sich stark auf die Arbeiten<br />

angesehener Historiker und setzt<br />

dann sein eigenes Bild von den Juden<br />

der neuen Welt im 16./17. Jahrhun -<br />

40 <strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769


JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

dert zusammen. Findet er jedoch eine<br />

Lücke in den Belegen, so scheint er<br />

mehr <strong>als</strong> dankbar dafür zu sein, diese<br />

mit wilden Spekulationen füllen zu<br />

können.<br />

Die Anne Frank von Kambodscha<br />

von Tibor Krausz, JTA<br />

Übersetzung: Karin Fasching-Kuales<br />

So stellt Kritzlers Buch das bisher<br />

letz te Glied in einer Kette von Bü -<br />

chern dar, die sich auf die Gestalt des<br />

„zähen, abenteuerlustigen Juden“ konzentrieren,<br />

beginnend mit Rich Co hens<br />

1998 erschienenem „murder inc. nicht<br />

ganz koschere Geschäfte in Brook lyn“<br />

(Engl.: „Tough Jews: Fa ther, Sons and<br />

Gangster Dreams“). Eine Hommage<br />

an Gangster und mörder wie Arnold<br />

Rothstein und meyer Lansky.<br />

Kritzler schlägt mit seiner inter pre -<br />

tation der komplexen Geschichte der<br />

Konversos und ihrer motive <strong>als</strong> Pa ra -<br />

bel über den friedliebenden, Spanierhassenden<br />

jüdischen Freibeuter in<br />

die selbe Kerbe, die den Durst der<br />

amerikanischen Juden nach jüdischer<br />

Zähigkeit und Stärke stillen will.<br />

Ok, ich hab´s verstanden. Auch ich<br />

bin in Disneyland mit den Piraten der<br />

Karibik gesegelt. Aber irgendetwas<br />

ist doch seltsam an der Art der ameri -<br />

kanischen Juden, den am sichersten,<br />

wohlhabendsten und angepasstesten<br />

lebenden Juden von allen, wie sie an<br />

den alten Geschichten von jüdischem<br />

Gangstertum und Gewalt hängen,<br />

wohl um sich ihrer eigenen Stärke zu<br />

versichern.<br />

Jüdische Piraten – ebenso wie die<br />

nicht jüdischen – waren hauptsächlich<br />

mörder und Diebe oder auch<br />

Sklavenhändler.<br />

Es gibt mit Sicherheit genügend Bei -<br />

spiele für couragiertes Verhalten in<br />

der jüdischen Geschichte, physisch<br />

wie moralisch. Also brauchen wir wohl<br />

kaum einen Samuel Palache, um zu<br />

beweisen, dass auch Juden tapfer<br />

sein können.<br />

Als Kind, im Kambodscha Anfang der<br />

1990er, musste Sayana Ser sich oft mit<br />

ihrer Familie in einem Versteck unter<br />

ihrem Haus verbergen, während Rote<br />

Khmer und Regierungstruppen auf<br />

den Straßen blutige Kämpfe ausfochten,<br />

und die Erinnerung an brutale<br />

massenmorde noch längst nicht verblasst<br />

war.<br />

Zehn Jahre später, <strong>als</strong> 19jährige Schü -<br />

le rin in den niederlanden, erkannte<br />

Sayana während der Lektüre der Tag e -<br />

buchaufzeichnungen von Anne Frank<br />

die Parallelen zwischen ihrem eigenen<br />

Leben und jenem des im Holocaust<br />

umgekommenen mädchens wieder.<br />

mit dem Unterschied, dass sie selbst<br />

überlebt hatte...<br />

„Während des Lesens konnte ich die Trä -<br />

nen nicht zurückhalten,“ erinnert sich<br />

Sayana. „Ich fragte mich, wie Anne sich<br />

gefühlt haben musste und wie sie das<br />

alles ertragen konnte.“<br />

Heute ist Sayana Direktorin eines Bil -<br />

dungsprogramms für Studenten an ei -<br />

nem kambodschanischen For schungs -<br />

institut, das den Genozid durch die<br />

Roten Khmer dokumentieren will.<br />

Die se hatten zwischen 1975 und 1979<br />

bis zu zwei millionen men schen – ein<br />

Viertel der Bevölkerung – auf Pol Pots<br />

„Killing Fields“ auf brut<strong>als</strong>te Weis e<br />

abgeschlachtet. Einer der schlimms ten<br />

massenmorde seit dem Holo caust.<br />

Sayana, die ihre Diplomarbeit über den<br />

„Dunklen Tourismus“, <strong>als</strong>o den touristischen<br />

Voyeurismus an Geno zid-<br />

Schauplätzen in Kambodscha und<br />

ähnlichen Orten, verfasste, be suchte<br />

selbst verschiedene Holo caust mahn -<br />

ma le und ehemalige Kon zen tra tions -<br />

lager.<br />

Eurovision Song Contest: Israel schickt arabisch-jüdisches Duo<br />

Beim Eurovision Song Contest am 16. mai in moskau wird erst m<strong>als</strong> ein arabisch-jüdisches<br />

Duo auftreten: israel wird durch die jüdische Sängerin Ahi -<br />

noam Nini - international bekannt <strong>als</strong> Noa - und einer christliche Araberin, die<br />

musikerin und Schauspielerin Mira Awad, bei dem Wettbewerb vertreten sein.<br />

Die Entscheidung für die beiden Frauen wurde von einem Komitee der na -<br />

tio nalen Fernsehanstalt (iBA) getroffen. noa und Awad haben sich be reits<br />

öfter gemeinsam an Friedensprojekten beteiligt. Unter anderem haben sie<br />

den Beatles-Song „We can work it out“ im orientalischen Stil aufgenommen.<br />

http://www.youtube.com/watch?v=B9csbv-0A04&feature=related inn<br />

„Ich konnte nicht glauben, wie ein<br />

Mensch dies einem anderen Menschen<br />

antun kann, egal ob Juden oder Khmer,“<br />

meint sie erschüttert.<br />

nach diesen Eindrücken wollte sie<br />

„Das Tagebuch der Anne Frank“ in<br />

ihre eigene muttersprache Khmer<br />

über setzen. inzwischen wurde das<br />

Buch von der füh renden Genozid-<br />

For schungsein richtung des Landes,<br />

dem Dokumentationszentrum von<br />

Kambodscha, herausgegeben und hat<br />

in den Schulbibliotheken von Phnom<br />

Penh einen fixen Platz neben den<br />

Wer ken über die Zeit der Roten<br />

Khmer gefunden.<br />

„Ich habe in Kambodscha viele Anne<br />

Franks gesehen,“ erzählt Youk Chhang,<br />

Direktor des Dokumentations zen -<br />

trums und selbst Überlebender des<br />

Genozids durch die Roten Khmer.<br />

„Hätten wir Kambodschaner ihr Tage -<br />

buch schon vor langer Zeit gelesen, dann<br />

hätten wir vielleicht einen Weg finden<br />

können, um den Massenmord in unserem<br />

Land zu verhindern.“<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769 41


JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

Verlorene Nachbarschaft<br />

- Buenos Aires 2008<br />

von Roberto Kalmar<br />

Vor 10 Jahren beschlossen Menschen, die<br />

vielleicht zufälligerweise in der Neudeg -<br />

ger gasse im 8. Wiener Ge mein debezirk<br />

wohn ten, der 60 Jahre zuvor zerstörten<br />

Sy nagoge zu gedenken. Um daran zu er -<br />

innern „baute“ man die Fassade des<br />

imposanten Ge bäu des – es war doppelt so<br />

hoch <strong>als</strong> seine Umgebung gewesen - <strong>als</strong><br />

Bild auf einer Folie für ein paar Wochen<br />

wieder auf. Es war ein Zeichen der Erin -<br />

ne rung an die verlorene Nachbarschaft.<br />

Zeitzeugen wurden auf der ganzen Welt<br />

kontaktiert und manche von ih nen scheuten<br />

auch den Weg nach Wien nicht.<br />

Gegenüber des dort an Stelle der demolierten<br />

Synagoge errichteten Gemeinde -<br />

bau es stand ein Zelt, in dem allabendlich<br />

Begegnungen stattfanden: da trafen die<br />

jetzigen Bewohner der Straße (und einige<br />

mehr) mit Ver triebenen, Wis senschaft lern<br />

und Kün st lern zusammen; es gab Kon zer -<br />

te, Le sun gen und Filme. Vorträge wurden<br />

gehalten, es wurde dis kutiert und<br />

Zeug nis über das dam<strong>als</strong> und seit da m<strong>als</strong><br />

Geschehene abgelegt. Am 9. November<br />

1998 ging das Licht in einem symbolischen<br />

Akt wieder aus.<br />

Zehn Jahre danach wollte man noch einmal<br />

mit jenen zusammen treffen, die nach<br />

dem Anschluss Österreich verlassen hatten<br />

müssen. In der Zwischenzeit waren<br />

manche zurück gekehrt - auch wenn sie<br />

niemand da zu aufgefordert hatte. Andere<br />

wiederum hatten ihr Geburtsland zwar<br />

be sucht, eine Rückkehr aber nie ernsthaft<br />

in Betracht gezogen. Und natürlich gibt<br />

es auch manche, die Österreich nicht mehr<br />

sehen wollten.<br />

Diesen Menschen galt es die Bot schaft zu<br />

übermitteln, dass ihre Geschichte nicht<br />

vergessen ist, dass es Menschen gibt, die<br />

bereit und daran interessiert sind, sich<br />

mit ihr auseinander zu setzen.<br />

Es sollte auch der Frage nachgegangen wer -<br />

den, wie die österreichische Ge sellschaft<br />

seit 1945 den Umgang mit ihrer Vergan -<br />

gen heit gestaltet hat, wie es trotz jahrelanger<br />

Verdrängung des österreichischen<br />

Anteils an der Nazi-Schuld möglich war<br />

und ist, dass im heutigen Wien sowohl<br />

das Ge den ken wie auch das gegenwärtige<br />

jüdische Leben wieder angemessenen<br />

Raum haben.<br />

Univ. Prof. Dr. Friedrich Stadler, einer der<br />

wissenschaftlichen Begleiter des Pro jek tes,<br />

betonte, dass gerade im Jahr 2008, 70 Jah -<br />

re nach dem „Anschluss“ und der Po grom -<br />

nacht, es wichtig war, ei ne bilaterale Ge -<br />

denk veranstaltung zur Vertrei bung und<br />

Er mordung der ös terreichischen Ju den<br />

<strong>als</strong> gesamtkulturelles Projekt zu realisieren.<br />

Vom 26. Oktober bis zum 9. November<br />

kam es unter dem Ehrenschutz von u. a.<br />

Bundespräsident Heinz Fischer und der<br />

argentinischen Präsidentin Cris tina Fer -<br />

nández de Kirchner zu ei ner zweiten Auf -<br />

lage der „Verlorenen Nachbarschaft“ –<br />

im Parque Thays mitten in der Großstadt<br />

Buenos Aires. Dort wurde ein Zelte-<br />

Komplex aufgestellt, in dem Diskussionsund<br />

Infor mationsveranstaltungen sowie<br />

Film-vor führungen abgehalten werden<br />

konn ten. Dazu kam noch eine Aus stel -<br />

lung mit Werken argentinischer Künstler<br />

und von Friedensreich Hun-dertwasser<br />

und ein „Cafehaus“.<br />

2008 waren es nicht die Vertrie be nen, die<br />

die Reise auf sich nahmen, sondern jene<br />

Menschen, denen deren Schick sal auch<br />

nach 70 Jahren noch ein An lie gen war. Das<br />

ganze Vorhaben, im April in einer Pres -<br />

sekonferenz vorgestellt, wur de von einer<br />

Fa mil ie (die natürlich viele Helfer hatte)<br />

ge tragen. Carmen, Bar bara und Hans Lit -<br />

sauer kümmerten sich um die Vor berei -<br />

tun gen von Wien aus, wäh rend Alexander<br />

Litsauer die Kno che n arbeit in Argenti ni en<br />

erledigte – nur wer die dortige Arbeits wei se<br />

kennt, weiß, wie aufreibend es ist, wenn -<br />

nicht selten - Zu sagen kurzfristig nicht<br />

mehr gelten. Schluss endlich trafen alle ein -<br />

geladenen Gäste, die Organisatoren und<br />

ih re Helfer in Buenos Aires ein und es<br />

konnte losgehen.<br />

Themen der Diskussions- und Infor ma ti -<br />

ons veranstaltungen waren u.a.: „Verlo re ne<br />

Nachbarschaft in Österreich und Ar gen -<br />

tinien“ – der Schriftsteller Erich Hackl<br />

moderierte das Ge spräch, bei dem sich<br />

drei Generationen ur sprünglich aus Wien<br />

stam mender jü di scher Familien zu dem<br />

fol genden Themenkomplex äußerten:<br />

Wel che Chan cen bietet das Fremde, bis es<br />

sich in etwas Eigenes verwandelt und wie<br />

än dern sich die Gedanken an das Her -<br />

kunfts land im Laufe der Zeit?, „Ratten li -<br />

nien - Fluchtwege von Tä tern nach Ar -<br />

gen ti ni en“, „Restitutions angelegen hei -<br />

ten“, „Zwei te und Dritte Generation und<br />

de ren Heimat bezug“ und „Der Umgang<br />

mit der Ver gan gen heit in Österreich“.<br />

Auch in Buenos Aires lebende Juden ka -<br />

men zu Wort: Alfredo Bauer, Träger des<br />

Theo dor-Kramer-Preises, las aus seinen<br />

Wer ken und Ernesto Allerhand, über<br />

Bolivien nach Bue nos Aires gelangt, war<br />

auch ein aktiver Teilnehmer. Und diese<br />

beiden stehen nur für viele, die an vielen<br />

Abenden be wie sen, dass dieses Kapitel<br />

ihres Le bens noch immer eine große<br />

Bedeu tung für sie hat.<br />

An nahezu allen Tagen gab es auch kleinere<br />

und größere künstlerische Beiträge (Lie-<br />

der von Kreisler, Berg, Bronner u.a., Ge -<br />

dich te von Celan, Prosa von Torberg und<br />

dem kürzlich verstorbenen Fritz Kalmar<br />

und noch mehr), die man Maria Bill, be -<br />

glei tet von Krysztof Dobrek und Michael<br />

Hornek, Peter Uray und Adi Hirschal (mit<br />

Otmar Binder) zu verdanken hatte. Ro bert<br />

Schindel und Doron Rabinovici lasen an<br />

zwei Abenden aus ihren Werken. Maria<br />

Bill gab auch mit großem Erfolg im gut be -<br />

suchten Teatro Ateneo ihren „Piaf-Abend“.<br />

Bei der Abschlussveranstaltung am 9.<br />

No vember platzte das Veranstaltungszelt<br />

aus allen Nähten. Eine attraktive Mi -<br />

schung aus künstlerischen Darbietun gen,<br />

Reden und Film bei trägen ließ die Zeit wie<br />

im Flug vergehen. Es konnte sogar schon<br />

ein filmischer Bei trag über die Gedenk -<br />

steinsetzung in der Neudeggergasse, am<br />

Standort der zerstörten Synagoge, ge -<br />

zeigt werden.<br />

Das gesamte Projekt konnte nur mit der<br />

Unterstützung vieler Stellen durchgeführt<br />

werden, unter anderem dem Bundes mi -<br />

nisterium für Wissenschaft und For schung,<br />

dem Bundeskanzleramt, der SPÖ-Josef -<br />

stadt, der Grünen, dem National fonds, der<br />

österreichischen Botschaft in Buenos Ai -<br />

res und mehreren argentinischen Stellen.<br />

Zusammenfassend kann man sagen, dass<br />

die Veranstaltung ein Riesenerfolg war,<br />

von Bewohnern der Neudeggergasse na -<br />

mens Litsauer und vielen Mitkämpfern,<br />

deren Einsatz gar nicht hoch genug ge -<br />

wür digt werden kann, organisiert und<br />

er möglicht – sie wird für alle Beteiligten<br />

ein Meilenstein in ihrem Leben bleiben.<br />

42 <strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769


KULTUR<br />

DAS JÜDISCHE ECHO<br />

EUROPÄISCHES FORUM FÜR KULTUR UND POLITIK<br />

EUROPÄISCHES FORUM FÜR KULTUR UND POLITIK<br />

VOL. 57 TISCHRI 5769 November 2008 Dem<br />

Leon hätte es gefallen<br />

„Das Jüdische Echo“ in neuen Händen<br />

VON ANITA POLLAK<br />

nicht dass ein lautes Rauschen im hei -<br />

mischen Blätterwald sein Verstum men<br />

begleitet hätte, aber uns wäre es doch<br />

abgegangen. Und so war man erfreut<br />

und erleichtert, <strong>als</strong> es wiederum in der<br />

Post lag. natürlich mit dem vertrauten<br />

Erlagschein, der diskret wie im mer<br />

den Preis verschweigt.<br />

„Das Jüdische Echo“ ist wieder da.<br />

Es war ja nie weg. So wie Leon Zel -<br />

man eigentlich nie weg, nie ganz aus<br />

unserer mitte verschwunden ist. Und<br />

auch in seinem publizistischen Kind,<br />

das nun unglaubliche 57 geworden ist,<br />

hat Leon überlebt.<br />

Ein anderer, viel jüngerer Leon, hat<br />

letztlich dafür gesorgt, dass es am Le -<br />

ben bleibt, nachdem sein erster Retter,<br />

Alex Friedmann s.A., viel zu jung ver -<br />

storben ist.<br />

„Die Situation war dramatisch, denn<br />

wenn es 2008 nicht erschienen wäre, wäre<br />

seine Existenz womöglich gefährdet gewesen“,<br />

meint Leon Widecki, der <strong>als</strong> Ob -<br />

mann des Herausgeber-Vereins die<br />

Patenschaft des verwaisten mediums<br />

übernommen hat, <strong>als</strong> man an ihn da -<br />

rum gebeten hat. Denn wenn niemand<br />

hineinruft, kommt auch kein Echo<br />

zurück.<br />

„Ich bin zwar in der jüdischen Gasse, ha-be<br />

mich aber nie in die erste Reihe gestellt.<br />

Aber ich bin ein sentimentaler Mensch<br />

und habe Leon geliebt. Mir war aber klar,<br />

dass man Leons Werk nur in Teilbereiche<br />

zerlegt weiterführen kann.“<br />

nur die Erbschaft anzutreten bzw. zu<br />

verwalten, wäre in diesem Fall aber<br />

zuwenig. Ein medium muss sich auch<br />

in der medienlandschaft bewähren,<br />

und die ist durch andere jüdische Pu -<br />

blikationen in Österreich erfreulicherweise<br />

reicher geworden. Ein Vorteil<br />

bei der Positionierung ist seine Er -<br />

schei nungsweise. Das Kalenderjahr<br />

mit seinen Jubiläen ist fast vorüber,<br />

wenn das „Jüdische Echo“ zum Jah res -<br />

ende hin erscheint. Es kann sich da -<br />

her leisten nicht ganz aktuell zu sein,<br />

ohne deshalb gleich alt auszusehen.<br />

Als „eine Art kritisches Jahrbuch mit ei ner<br />

jüdisch-österreichischen, österreichischjü<br />

dischen und daher auch einer europäischen<br />

Aufgabe“ hat es der Zeithis to ri ker<br />

Anton Pelinka bei der Präsentation<br />

des jüngsten Heftes im Concordia-<br />

Club bezeichnet.<br />

Statt der Erinnerung an Jubiläen be -<br />

stimmt neuerdings ein Leitthema <strong>als</strong><br />

roter Faden dieses Jahrbuch. „Jüdisch<br />

sein heute“ ist diesmal das ergiebige<br />

motto, zu dem nicht nur alte Be-kann -<br />

te, sondern erfrischenderweise auch<br />

neue Stimmen zu vernehmen sind.<br />

Analysen, Reflexionen und Selbst re -<br />

fle xionen, Bekenntnisse und Stand ort -<br />

bestimmungen umkreisen dieses<br />

The ma , das offenbar niemanden kalt<br />

lässt.<br />

„Nur ein kleiner Teil der 52 Autoren ist<br />

vom ehemaligen Echo übernommen“,<br />

sagt Marta Halpert, die wie Widecki er -<br />

freut betont, <strong>als</strong> neue Chefre dak teu -<br />

rin „die idealbesetzung ist“. Sie hat<br />

die redaktionelle Oberhoheit und vol -<br />

le inhaltliche Autonomie, nachdem<br />

der jeweilige Themenschwerpunkt im<br />

Konsens mit den Herausgebern abgesprochen<br />

wird.<br />

Es ist wohl keine ganz leichte Auf gabe,<br />

Zelmans Erbe fort- und gleichzeitig<br />

in neue Zeiten zu führen. Was marta<br />

Halpert an dieser Herausforderung<br />

journalistisch gereizt hat?<br />

„Das große Erbe anzutreten im Be wuss t -<br />

sein, was Leon in der jüdischen und nichtjüdischen<br />

Gesellschaft bedeutet hat. Was<br />

hätte Leon wissen wollen? Dieser Frage<br />

sind wir nachgegangen. Und <strong>als</strong> seine<br />

Toch ter gemeint hat, dem Papa hätte es<br />

gefallen, er hätte jetzt gesehen, wie man<br />

es modernisieren kann, das war das größte<br />

Kompliment“.<br />

Apropos modernisieren: Eine Erwei -<br />

te rung zu einem Diskussionsforum in<br />

einer internetplattform ist angedacht.<br />

Verschiedene Kommentare, Beiträge<br />

zur intellektuellen Austragung von<br />

Konflikten sind erwünscht, parteipolitisch<br />

Beiträge aber unerwünscht. Die -<br />

se zu vermeiden, ist allerdings nicht<br />

immer einfach, weiß marta Hal pert.<br />

Politik soll nur im weitesten Sinn Ein -<br />

gang in ein Forum finden, in dem<br />

ver schiedenste meinungen im Sinn<br />

einer Streitkultur durchaus aufeinanderprallen<br />

dürfen.<br />

neu sind auch die zahlreichen inter -<br />

views, „damit auch Menschen, die nicht<br />

selbst schreiben können oder wollen, zu<br />

Wort kommen können“.<br />

Und auch der traditionelle Untertitel<br />

„Europäisches Forum“ wird, so Hal -<br />

pert, in Zukunft stärker vollinhaltlich<br />

beim Wort genommen werden.<br />

„Es soll immer ein Echo für Menschen<br />

jüdischer Herkunft bleiben, aber wir wollen<br />

auch über den Tellerrand schauen,<br />

nach Europa und in die ganze Welt“.<br />

Die fetten Jahre sind vorbei und auch<br />

das „Echo“ hat ein bisschen abgespeckt.<br />

„Qualität geht vor Quantität“, so das<br />

Credo der macher, und Qualität hat<br />

eben ihren Preis. D.h. dass journalistische<br />

Beiträge auch honoriert werden.<br />

Bleibt das Preis-Rätsel. Was kostet’s ,<br />

siehe Erlagschein, und wer zahlt’s ?<br />

„Was ein Heft kostet, weiß ich nicht“, ge -<br />

steht Leon Widecki, „vereinzelt gibt es<br />

sogar Leute, die zahlen. Spenden sind natürlich<br />

willkommen. Aber der Verein ist<br />

solide finanziert und das Medium trägt<br />

sich durch Inserate und Abos. Wir müssen<br />

nicht betteln gehen“.<br />

möge die Übung gelingen, denn das<br />

„Echo“ gehört gehört.<br />

•<br />

KULTUR<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769 43


KULTUR<br />

© Wr. Staatsoper GmbH / Axel Zeininger<br />

Er glich ein wenig der Sabra, dem<br />

bir nenförmigen Kaktus: Außen eine<br />

raue Schale, innen eine weiche, samtige<br />

Konsistenz. Diese Sanftheit und<br />

Sen timentalität versteckte er hinter<br />

seinem einfach klingenden aber sehr<br />

effektiven Lebensmotto: „Des mach’-<br />

ma“. mit diesem Spruch und den daraus<br />

folgenden entschlossenen Taten<br />

brachte Robert Jungbluth schon in<br />

frühester Jugend seine Eltern in große<br />

Gefahr – und manifestierte seine antinazistische<br />

Gesinnung. „Ich habe mit<br />

meinem Freund und Schulkollegen Hel mut<br />

Qualtinger im Wiener Stadtpark öffent -<br />

lich Hitler-Flugblätter verbrannt“, er -<br />

zählte er lachend, um dann ernst zu<br />

werden: „Wir ‘Deppen’ wussten ja nicht,<br />

wie gefährlich das dam<strong>als</strong> war.“ Er konn -<br />

te nicht verstehen, warum seine jüdischen<br />

Sportsfreunde plötzlich nicht<br />

mehr zum Fußballspiel kamen - und<br />

akzeptieren wollte er das schon gar<br />

nicht.<br />

Jungbluth absolvierte eine Lehrer -<br />

aus bildung und war bereits in dieser<br />

Zeit <strong>als</strong> Statist und Kleindarsteller am<br />

Burgtheater tätig. Beim Wiener Stadt -<br />

schulrat übernahm er 1948, im Alter<br />

von 20 Jahren, die Leitung des Schul -<br />

ge meindereferates der Wiener Be rufs -<br />

schu len. Doch seine Leidenschaft ge -<br />

hörte dem Theater und seinen<br />

Protagonisten. Klaus Kinski zählte zu<br />

seinen ersten „Kunden“ <strong>als</strong> impre sa -<br />

rio. Ab 1955 betreute er die Veranstal -<br />

tun gen der Wiener Festwochen, und<br />

ab 1960 war er bereits persönlicher<br />

Re ferent des intendanten der Wiener<br />

Festwochen. Gemeinsam mit Rolf<br />

Robert Jungbluth:<br />

Hilfsbereit ganz ohne Allüren<br />

Der verstorbene Kulturmanager vermied<br />

bei seinem humanistischen Engagement<br />

jede Publicity: Er half leise und effektiv in<br />

Österreich und in Israel<br />

Persönliche Erinnerungen von Marta S. Halpert<br />

Kutschera wurde Jungbluth 1965<br />

Geschäftsführer und Direktor des<br />

Theaters an der Wien. nach zweijähriger<br />

Leitung der Wiener Stadthalle<br />

folgte 1971 die Ernennung Jungbluths<br />

zum Gener<strong>als</strong>ekretär des neu gegründeten<br />

Österreichischen Bundesthe a ter -<br />

verbandes. 1988 übernahm er ge mein -<br />

sam mit Otto Schenk die Ge schäfts -<br />

füh rung des Theaters in der Josef stadt,<br />

ab 1997 führte er das Haus mit Hel -<br />

muth Lohner. Erst 1999 beendete er<br />

diese Tätigkeit.<br />

Krankentransport nach Jerusalem<br />

Das sind die offiziellen Eckdaten<br />

der Karriere eines der erfolgreichsten<br />

Kulturmanager Österreichs. Über<br />

seine menschlichen Eigenschaften,<br />

seine schnelle und selbstlose Hilfe, sa -<br />

gen diese beruflichen Lebens schrit te<br />

wenig aus. „Er war kein ‘Gutmensch‘<br />

im heutigen Sinn, sondern ganz einfach ein<br />

guter Mensch“, beteuert Lotte To bisch.<br />

Und sie weiß das aus eigener Er fah -<br />

rung: Als junge Burgschau spie lerin<br />

sprach sie 1976 beim Chef der Bun des -<br />

theater vor, und bat um einen großen<br />

Vorschuss auf ihr eher be schei denes<br />

Gehalt.<br />

Jungbluth betrachtete sie gleichermaßen<br />

skeptisch und neugierig: Das<br />

Bild von der eleganten Baronin und<br />

Betriebsrätin und dem schnöden<br />

mammon passten irgendwie nicht<br />

zusammen. Da musste mehr dahinter<br />

sein. Jungbluth drängte auf eine<br />

Erklärung und Lotte Tobisch berichtete<br />

über ihre große Liebe zu michael<br />

Simon, dem todkranken israelischen<br />

Botschafter, der nach Beendigung seiner<br />

mission in Wien bei ihr geblieben<br />

war. Sie hatte seinen Kindern in Je ru -<br />

salem versprochen, dass er seinen<br />

letz ten Weg dort antreten werde. mit<br />

den legendären Worten „das machen<br />

wir schon“ organisierte Jungbluth in<br />

kürzester Zeit ein Flugzeug, das <strong>als</strong><br />

Krankentransporter dienen konnte,<br />

und Tobisch begleitete – ohne Schul -<br />

den – Botschafter Simon nach israel.<br />

Yossi Yadin, Lorin Maazel und<br />

Gerhard Bronner<br />

Robert Jungbluth war ein erfahrener<br />

menschenkenner und hatte ein<br />

gutes Gespür für ehrliche Töne. Als<br />

Talente-Scout liebte er seine manchmal<br />

auch verrückten Künstler und<br />

jene zahlreichen Sängerinnen, deren<br />

Verträge er <strong>als</strong> Bundestheatergeneral<br />

ausgehandelt und unterschrieben<br />

hatte. Schmeicheleien war er nicht ab -<br />

geneigt, doch wenn er reinen Eigen -<br />

nutz mancher Karrieristen witterte,<br />

blockte er beinhart ab. Hatte er aber<br />

an jemandem einen narren gefressen,<br />

dann ging er für ihn durch dick und<br />

dünn. 1971 wollte er für die Produk -<br />

tion der „Anatevka“ am Theater an<br />

der Wien unbedingt den israeli Yossi<br />

Yadin <strong>als</strong> Teweje, den Milchmann verpflichten.<br />

Dieser hatte in dieser Rolle<br />

in London auf Englisch große Erfolge<br />

gefeiert. Jungbluth war im Glauben,<br />

dass jeder Jude „Jiddisch“ sprechen<br />

konn te. Auch <strong>als</strong> Yadin, ein echter<br />

Sabre, dessen Vater schon 1911 ins tür -<br />

kische Jerusalem gekommen war, be -<br />

teuerte, kein Wort Jiddisch zu können,<br />

ließ sich Jungbluth von seiner idee<br />

nicht abbringen. Er schickte ihn kur -<br />

zer hand mit einem Lehrer in Klausur<br />

auf den Semmering. „Bis du es nicht<br />

kannst, will ich dich nicht wiedersehen“,<br />

lautete die liebevolle Drohung. Und<br />

„Anatevka“ in Wien wurde zu einem<br />

Riesenerfolg.<br />

44 <strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769


KULTUR<br />

Zehn Jahre später bemühte er sich<br />

da rum, den weltberühmten Diri gen -<br />

ten Lorin maazel <strong>als</strong> Staats opern di rek -<br />

tor zu verpflichten. Er wusste um die<br />

latenten anti-jüdischen Ge füh le im<br />

österreichischen Kultur be trieb Be -<br />

scheid, und es freute ihn diebisch,<br />

wenn er wider diesen Geist etwas<br />

durchsetzen konnte. Das Experiment<br />

mit maazel, es dauerte nur von 1982-<br />

1984, zählte zu seinen wenigen miss -<br />

grif fen.<br />

Gerhard Bronner, der 1988 nach Flo -<br />

rida gegangen war, fehlte Jung bluth<br />

auch persönlich sehr. Er motivierte<br />

Freunde wie Fans des Komponisten<br />

und Kabarettisten und beglich durch<br />

Sammelaktionen eine Geldbuße des<br />

Finanzamtes: 1993 war sein Freund<br />

Gerhard wieder in Wien aktiv.<br />

Israel: Burgtheater-Stars und<br />

Bühnenarbeiter<br />

Dezent und weise pirschte sich<br />

Robert Jungbluth an die Herzen seiner<br />

vielen mitarbeiter heran, wenn es<br />

ihm darum ging, Vorurteile zu be -<br />

kämp fen und seine Liebe zu israel<br />

mit ihnen zu teilen. Legendär sind die<br />

beiden großartigen Tourneen, die er<br />

persönlich durch das Land führte:<br />

1978 brachte er das Burgtheater mit<br />

„iphigenie auf Tauris“ und 1986 das<br />

Staatsopernballett zu Gastspielen nach<br />

Tel Aviv, Haifa und Jerusalem.<br />

Der Ehemann von Elisabeth Orth,<br />

Burgschauspieler Hanns Obonya, war<br />

einige Tage vor dem Gastspiel verstorben,<br />

und die Witwe war für die Haupt -<br />

rolle, die iphigenie, vorgesehen.<br />

Jung bluth gelang es nicht nur, Frau<br />

Orth zur Reise zu überreden, ihm ge -<br />

lang viel mehr: Seit diesem israel-Auf -<br />

enthalt engagierte sich Elisabeth Orth<br />

verstärkt für zivilgesellschaftliche und<br />

jüdische Belange. Aber Jungbluth be -<br />

geisterte nicht nur sie: Er suchte of fen -<br />

siv die Diskussion mit den anderen<br />

namhaften Künstlern, die zum ersten<br />

mal israel besuchten: Franz morak.<br />

Heinrich Schweiger, Wolfgang Hüb sch,<br />

Paul Hofmann und Ale xan der Trojan.<br />

Aber auch die weniger interessierten<br />

Bühnenarbeiter packte er mit seinem<br />

Enthusiasmus, seinen Argu men -<br />

ten und auf seine ganz individuelle<br />

Art: Er schnapste mit ihnen während<br />

der Arbeitspausen und entkräftigte<br />

auch hier manch vorgefasste mei nung.<br />

Schabbes in der Singerstraße...<br />

Lotte Tobisch brachte Jungbluth in<br />

das gastliche orthodoxe Haus der Fa -<br />

milie moskovics. Hier genoss er die<br />

deftige koschere Küche und lernte<br />

Shlomo Chozner kennen, den ehemaligen<br />

Direktor des Kinderspit<strong>als</strong><br />

ALYn in Jerusalem. Alyn, ein Re habilitationszentrum<br />

für körperlich und<br />

geistig behinderte Kinder jüdischer<br />

und muslimischer Herkunft, gegründet<br />

während der Polioepidemie zwischen<br />

1940 und 1950 in Jerusalem<br />

such te Freunde und Sponsoren in der<br />

ganzen Welt. Auch Yitzhak Perlman,<br />

der weltberühmte Geiger, zählte <strong>als</strong><br />

Kind zu den hilfsbedürftigen Pa tien -<br />

ten. Gastgeberin Sarah moskovics<br />

stand dem „Verein der Freunde von<br />

Lotte Tobisch Privatarchiv/Foto: G. Fiedler<br />

Roberth Jungbluth und Lotte Tobisch<br />

Alyn in Österreich“ vor. Jungbluth<br />

strebte keine Position an, er wollte nur<br />

helfen und das tat er auch über Jahre<br />

hinweg.<br />

....und Sederabend bei Javors<br />

Österreichischer Dirigent Paternostro<br />

leitet Israel Chamber Orchestra<br />

Tournee in Österreich für Herbst 2010 geplant<br />

Seine eigene Krankheit und die seiner<br />

Frau bewirkten Jungbluths Rück -<br />

zug aus dem gesellschaftlichen Ram -<br />

pen licht. Doch er blieb weiterhin bes -<br />

tens informiert über das politische wie<br />

kulturelle Geschehen, und auch seine<br />

tiefe Verbundenheit zu seinen jüdischen<br />

Freunden hat er sich nach mög -<br />

lichkeit erhalten. Zum letzten mal sah<br />

ich ihn beim Pessach-Sederabend bei<br />

niki und Erwin Javor. Er war körperlich<br />

angeschlagen, aber er fühlte sich<br />

seelisch aufgehoben und geborgen.<br />

Der österreichische Dirigent Roberto Paternostro<br />

ist neuer künstlerischer Lei ter des israel Cham ber<br />

Orchestra. Der ehemalige Generalmusikdirektor<br />

des Kasseler Staatstheaters plant für Herbst 2010 eine Tournee des 1965 von<br />

Gary Bertini gegründeten Kammerorchesters durch Österreich, Deutsch -<br />

land und italien, hieß es in einer Aussendung.<br />

Die „Tradition des Orchesters fortzuführen und auszubauen“ sei eine „sehr spannende<br />

und reizvolle Herausforderung“ - „besonders in diesen wirtschaftlich und<br />

politisch schwierigen Zeiten“, so der Dirigent.<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769 45


KULTUR<br />

so hat er in sehr jungen Jahren bereits<br />

einen weiten Weg bis zu seinem jetzigen<br />

Status zurückgelegt, sowohl in<br />

professioneller <strong>als</strong> auch in kultureller<br />

Hinsicht.<br />

„Ich wurde in Kfar Saba <strong>als</strong> Kind israelischer<br />

Eltern mit osteuropäischen Wur -<br />

zeln geboren,“ erzählt Raichel. „Mein<br />

Großvater wurde in Israel geboren. Ich<br />

hatte keine starken musikalischen Wur -<br />

zeln, aber ich fing im Alter von neun<br />

Jahren mit dem Akkordeonspielen an.“<br />

Idan Raichel – Ausnahmekünstler<br />

und israelisches Aushängeschild<br />

von Barry Davis; Übersetzung: Karin Fasching-Kuales<br />

nur wenige israelische Popstars sind<br />

auch global so erfolgreich wie idan<br />

Raichel. Seit er erstm<strong>als</strong> mit seinem mit<br />

Idan Raichel Project betitelten Album<br />

2002 auf dem internationalen Parkett<br />

erschien, ist der 31jährige Bandleader,<br />

Pianist und Sänger auf der ganzen<br />

Welt gefragt und tritt auf den größten<br />

Festiv<strong>als</strong> und in den prestigereichsten<br />

Konzerthallen auf, während er, fast<br />

wie nebenbei, eine Auszeichnung oder<br />

Auszeichnungsnominierung nach der<br />

anderen für sich verbuchen kann.<br />

Auch bei seinem Konzert anlässlich<br />

des „Spot On: Jiddischkeit Festival“ im<br />

Wiener Konzerthaus begeisterte er<br />

sein Publikum. Der Zuschauerraum<br />

war bis zum Bersten mit menschen<br />

ge füllt, die es unmöglich auf den Plät -<br />

zen halten konnte, <strong>als</strong> Raichel und<br />

seine Band – vor allem der emotionsgeladene<br />

äthiopisch-israelische Sän -<br />

ger Kabra Kasai, der Kamanche (aserbaidschanische<br />

Spießgeige)-Virtuose<br />

Mark Elyahu und der Percussionist<br />

Itamar Duari – den Saal zum Kochen<br />

brachten. Später gab Raichel an, auch<br />

selbst von dieser Show und dem Ort<br />

bewegt gewesen zu sein.<br />

„Wien ist aus verschiedenen Gründen eine<br />

besondere Stadt,“ erklärte er. „Seine mu -<br />

sikalische Geschichte ist so reichhaltig und<br />

die Tragödie des Holocaust ist gleichzeitig<br />

ein Teil von alledem. Unsere Show war<br />

großartig und die Reaktionen des Pu -<br />

blikums sehr stark, mehr kann man nicht<br />

verlangen.“<br />

Als das Idan Raichel Project auf den<br />

markt kam, brachte es einen ganz<br />

neu en, frischen Wind in die israelische<br />

Eth no-Pop-musikszene. Raichel war<br />

der erste in israel geborene Künstler,<br />

dem es gelang, die Schätze der äthiopisch-israelischen<br />

Kultur mit westli -<br />

chen Rhythmen und melodien zu ver -<br />

binden. Dieser verwegene mix fesselte<br />

daraufhin nicht nur das lokale Pu bli -<br />

kum, sondern bald auch Konsu men ten<br />

kommerzieller musik auf der ganzen<br />

Welt.<br />

Musikalische und kulturelle Vielfalt<br />

Wenn man Raichels Herkunft be denkt,<br />

Und während es nicht eben äthiopische<br />

Rhythmen waren, die den jungen<br />

Raichel <strong>als</strong> erstes berührten, so<br />

könnte es doch gerade jene unspezifische<br />

kulturelle Ausrichtung gewesen<br />

sein, die seine Kreativität beflügelte.<br />

„Ich begann Tango, Walzer und Zigeu -<br />

ner musik zu spielen. Die Tatsache, dass<br />

mir die musikalischen Wurzeln fehlten,<br />

machte mich umso offener für Musik aus<br />

aller Welt. Nach ein paar Jahren, mit 14,<br />

fing ich mit dem Keyboardspiel an, was<br />

mich ein wenig mehr in Richtung des<br />

west lichen Pop trieb. Mit 16 lernte ich<br />

dann das Jazzpiano zu spielen. Das gab<br />

mir später die Fähigkeit, Echtzeitimpro -<br />

visa tionen zu machen und mit den anderen<br />

Musikern zu interagieren.“<br />

Wie die meisten israelis absolvierte<br />

idan Raichel im Alter von 18 Jahren<br />

seinen militärdienst und fand sich<br />

bald in einer Armee-Rockband wieder,<br />

die Coverversionen von israelischen<br />

und europäischen Pophits zum Bes -<br />

ten gab. Doch auch diese Erfahrung<br />

ist ihm in guter Erinnerung geblieben:<br />

„Dort war ich zum ersten Mal in<br />

eine Liveband integriert.“<br />

Seine ernsthafte musikalische und kulturelle<br />

Transformation begann schließ -<br />

lich, nachdem er die Armee verlassen<br />

hatte. „Ich arbeitete <strong>als</strong> Berater in einem<br />

Internat, in dem viele Immigranten aus<br />

Äthiopien und Russland, aber auch Is ra e -<br />

lis lebten. Diese Teenager waren allein ins<br />

Land gekommen oder stammten aus Pro -<br />

blem familien. Durch sie lernte ich die äthi -<br />

o pische Popmusik kennen und besuchte<br />

äthiopische Bars in Tel Aviv.“<br />

Und der Rest, wie man so schön sagt,<br />

ist Geschichte...<br />

Internationaler Schmelztiegel<br />

Raichels Album Mi´ma´amakim wurde<br />

drei Jahre nach dem Project-Album<br />

veröffentlicht und machte die ethni-<br />

46 <strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769


sche Bandbreite seiner musik noch<br />

wei ter. Er integrierte jemenitisches wie<br />

arabisches material, ebenso wie Tex te<br />

in Tiginya (wird in Eritrea von einigen<br />

äthiopischen Olim gesprochen).<br />

Drei Jahre und ein zwischenzeitliches<br />

Greatest Hits Album später, stellte<br />

Raichel nun sein drittes Studioalbum<br />

vor: Bein Kirot Beiti (in meinen Wän -<br />

den). Wenn man dabei seine unentwegten<br />

Reisen rund um den Globus<br />

bedenkt, scheint dieser name fast<br />

eine Fehlinterpretation zu sein.<br />

„Ich glaube, wenn ich kein Musiker ge -<br />

wor den wäre und mich nicht so viele Men -<br />

schen unterstützt hätten, hätte ich genau<br />

das gemacht – ich wäre in den eigenen<br />

vier Wänden geblieben.“, meint Raichel<br />

dazu. „Ich bin dankbar für jede Hilfe, die<br />

mir zuteil geworden ist und für all die<br />

wun derbaren Musiker, mit denen ich spie -<br />

len durfte und immer noch spiele.“<br />

Zu letzteren gehören auch so klingende<br />

namen wie jener der jemenitischen<br />

Diva Shoshana Damari.<br />

neben seinen instrumentellen, ge -<br />

sanglichen sowie arrangementtechnischen<br />

Fähigkeiten, scheint Raichel<br />

ganz besonders geschickt in der Ver -<br />

flechtung von Talenten der unterschiedlichsten<br />

Künstler zu sein.<br />

Auf Bein Kirot Beiti erklingen erst die<br />

be kannten Akkordfolgen und Har -<br />

mo nien, gepaart mit äthiopischem<br />

Gesang, doch dann wird der musikalische<br />

Schmelztiegel auch schon durch<br />

Mayra Andrade (Cap Verde), einer<br />

marokkanischen nummer von Shi mon<br />

Buskila, einigen spanischen Tracks der<br />

in Kolumbien geborenen Sän ge rin<br />

Marta Gomez sowie einem Stück des<br />

ugandischen Sängers Somi auf<br />

Suaheli aufgemischt.<br />

Raichel selbst singt vier der musik -<br />

num mern, Ilan Damti, Amir Dadon,<br />

Maya Avraham und Shai Tzabari die<br />

anderen hebräischen Lieder.<br />

Abgesehen von seiner enormen geographischen<br />

und kulturellen Band -<br />

brei te, besticht Bein Kirot Beiti durch<br />

eine durchwegs hohe Qualität, die,<br />

wie Raichel überraschenderweise an -<br />

merkt, gar nicht beabsichtigt war. „Es<br />

ist wie wenn ein 500-Seiten-Buch vom<br />

Herausgeber gekürzt wird und schließlich<br />

etwas völlig anderes <strong>als</strong> das Original da bei<br />

heraus kommt. Diese CD schrumpfte so<br />

lange, bis sie das nunmehrige Format an -<br />

genommen hatte. Aber von Anfang an ge -<br />

plant war das so nicht.“, erklärt Rai chel.<br />

KULTUR<br />

Es fällt ihm auch schwer, seinen an -<br />

dauernden internationalen Erfolg zu<br />

erklären.<br />

„Ich habe zum Beispiel keine Ahnung,<br />

weshalb meine Musik in Großbritannien<br />

so populär ist, vor allem wo doch kaum<br />

jemand die Sprachen versteht, in denen<br />

wir singen. Aber, wissen Sie, Künstler<br />

wie Edith Piaff oder Mercedes Sosa sangen<br />

auch stets in ihren eigenen Sprachen und<br />

dennoch werden sie überall ge schätzt. Es<br />

ist, <strong>als</strong> würde man seinen eigenen kulturellen<br />

Soundtrack zum Besten geben. Ich<br />

denke, das spüren auch die Menschen<br />

jenseits der Grenze.“<br />

„Bei den eigenen Wurzeln bleiben“<br />

Was daran auch überrascht ist, dass<br />

Raichel nicht versucht, ein größeres<br />

Publikum in England oder den USA<br />

zu erreichen, indem er englischsprachiges<br />

material in seine Shows und<br />

Alben integriert. „Ich habe das Gefühl,<br />

hier bei meinen Wurzeln bleiben zu müssen,<br />

gerade auch im kulturellen Sinn.<br />

Englisch ist weder meine Sprache, noch<br />

die irgendeines anderen Künstlers, der mit<br />

mir auftritt. Allerdings gibt es eine Sän -<br />

ge rin namens Sonya, die auf unseren<br />

Konzerten in den USA oder Australien<br />

manchmal auf Englisch gesungen hat.<br />

Also ist unsere Arbeit den Menschen dort<br />

nicht völlig fremd.“<br />

Vielen menschen rund um den Glo -<br />

bus eröffnet Raichels musik einen völ -<br />

lig neuen Blickwinkel auf eine Ge gend,<br />

die von den medien nicht im mer im<br />

besten Licht dargestellt wird. Auch<br />

für ihn selbst sei es nicht immer einfach,<br />

so Raichel. „Manchmal ist es<br />

schwierig, <strong>als</strong> israelischer Künstler in Län -<br />

der zu reisen, wo man keine allzu positive<br />

Meinung von Israel hat, doch ich habe<br />

erkannt, dass die Menschen gewillt sind,<br />

mehr über die Israelis zu lernen. Und dass<br />

sie froh sind, wenn sie merken, dass auch<br />

die Israelis keinen Konflikt wollen. Sie<br />

wollen dasselbe, wie ihre Nachbarn in der<br />

Region und jeder andere Mensch auf der<br />

Welt: ein glückliches Leben, Liebe, Nah -<br />

rung, Würde und Respekt.“<br />

Und genau das ist es, was auch in<br />

Raichels musik durchklingt.<br />

Trotz aller Sprachbarrieren wird Bein<br />

Kirot Beiti den Ausnahmekünstler mit<br />

Sicherheit zu einem noch beeindrukkenderen<br />

Aushängeschild israels ma -<br />

chen.<br />

DEFAMATION<br />

Ein Film von Yoav Shamir<br />

Regie, Kamera, Script: Yoav Shamir<br />

Musik: Mischa Krausz<br />

Was bedeutet Antisemitismus heute,<br />

zwei Generationen nach dem Holo -<br />

caust? Bei seiner kontinuierlichen<br />

Erforschung des modernen Lebens<br />

be reist der israeli Regisseur Yoav<br />

Shamir die Welt, sucht nach den<br />

modernsten Erscheinungsformen des<br />

„ältesten Hasses“ und findet einige<br />

alarmierende Antworten auf diese<br />

Frage.<br />

im Zuge dieser unehrerbietigen Su che<br />

folgt er amerikanischen, jüdischen,<br />

Oberhäuptern in europäische Haupt -<br />

städte bei ihrer mission, die Regie -<br />

run gen vor der wachsenden Gefahr<br />

des Antisemitismus zu warnen, und<br />

er heftet sich an die Fersen einer is -<br />

raelischen Schulklasse bei ihrer<br />

Gedenkfahrt nach Auschwitz (Foto).<br />

meinungen gehen oft auseinander<br />

und Gemüter gehen manchmal hoch,<br />

doch in Defamation erkennen wir,<br />

dass eines sicher ist – nur indem wir<br />

ihre Reaktion auf Antisemitismus ver -<br />

stehen, können wir auch wertschätzen,<br />

wie Juden heutzutage, und beson ders<br />

die modernen israelis, auf die Welt<br />

um sie herum reagieren, in new York,<br />

in moskau, in Gaza und in Tel Aviv.<br />

Defamation, ist der einzige Doku -<br />

men tarfilm der von der diesjährigen<br />

Berlinale, internationales Forum des<br />

jungen Films, <strong>als</strong> österreichischer<br />

Beitrag nominiert wurde.<br />

<strong>Januar</strong> <strong>2009</strong>/Tewet 5769 47

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