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'Die Gemeinde' November 2009 als pdf herunterladen - Israelitische ...

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Nr. 657 <strong>November</strong> <strong>2009</strong><br />

Cheschwan/Kislew 5770<br />

Erscheinungsort Wien<br />

Verlagspostamt 1010 P.b.b<br />

e 2.-<br />

GZ 03Z034854 W<br />

DVR 0112305 € 2.-<br />

Die Die<br />

GEMEINDE<br />

offizielles orgaN der israelitisCheN KultusgemeiNde wieN<br />

magazin


INHALT<br />

&<br />

AUS DEM BÜRO<br />

DES PRÄSIDENTEN<br />

Einladung 3,48<br />

IN EIGENER SACHE<br />

Chanukka der offenen Tür 4<br />

ALEXIA WEISS<br />

Serie: Hinter den Kulissen der IKG<br />

Teil 15: Das Freidhofsamt 6<br />

ALEXIA WEISS<br />

„Ich bin offen für alle!“<br />

Im Gespräch mit Gemeinde -<br />

rabbiner Hofmeister 8<br />

POLITIK<br />

INLAND<br />

ALEXIA WEISS<br />

Geplante Erregung 12<br />

AUSLAND<br />

RechtsextremeParteien<br />

gründen Eu-weiten Verband 14<br />

ISRAEL<br />

ULRICH W. Sahm<br />

Mauer ist nicht gleich Mauer 16<br />

ULRICH W. Sahm<br />

Palästinenser wollen<br />

Staat ausrufen 17<br />

Waffenschmuggel<br />

für Hisbollah 18<br />

MOSHE ARENS<br />

Von von Braun zu Nasrallah 20<br />

Der Demjanjuk Prozess 21<br />

Wiener Lichter gegen<br />

Burschenschaftkommers 22<br />

Neue Mauthausen-Guides 22<br />

KULTUR<br />

Jüdische Abgeordnete<br />

im Parlament 18-61-1938 31<br />

ALEXIA WEISS<br />

Wien See die Vergangenheit<br />

zum Schweigen brachte 32<br />

ALEXIA WEISS<br />

Paradigmenwechsel im<br />

Umgang mit Täterorten 34<br />

ALEXIA WEISS<br />

Subjektiver Zugang<br />

zu Erinnerungsarbeit 36<br />

ANITA POLLAK<br />

Mehr <strong>als</strong> ein Schauplatz 37<br />

MARCUS G. PATKA<br />

Mélange Oriental 38<br />

Auszeichnungen 39<br />

ANITA POLLAK<br />

Einmal Jenseits und retour 40<br />

PETER WEINBERGER<br />

Überall & Nirgendwo 41<br />

SPORT<br />

ALEXIA WEISS<br />

Ankick für Makkabi<br />

Spiele 2011/Teil 2 42<br />

MARTIN KRAUSS<br />

Harter Box-Weltmeister und<br />

einfühlsamer Rabbi 44<br />

RUTH FUCHS<br />

100 Jahre S.C.Hakoah 45<br />

JUDENTUM<br />

RABB. SCHLOMO HOFMEISTER<br />

Schailes & Tschuwos 46<br />

Journalist Juraj Alner, Leon Widecki,<br />

Wolfgang Hiller, Ursula Plassnik, Mi gra -<br />

tionsforscher Rainer Münz und Chef re -<br />

dakteurin Halpert dikuttierten nach der<br />

Präsentation über die Zukunft Europas<br />

DAS JÜDISCHE ECHO<br />

"Zuhause in Europa"<br />

Neue Ausgabe mit neuer Optik<br />

„Zuhause in Europa“ lautet das<br />

Thema der diesmal 300 Sei ten<br />

starken Ausgabe „Das Jüdische<br />

Echo“ für das Jahr <strong>2009</strong>. Be -<br />

leuch tet wird das jü disches Le -<br />

ben in den 27 EU-Län dern – in<br />

fünf Ka piteln mit 63 Beiträ gen<br />

von und mit namhaften Au to -<br />

rin nen und Auto ren.<br />

Artdirektor Dirk Merbach entwickelte<br />

gemeinsam mit De si -<br />

gne rin Lisa Elena Ham pel ein<br />

neues Design und das Co ver<br />

so wie fünf weitere Illustra tio -<br />

nen wurde vom in Berlin le ben -<br />

den chi leni schen Il lus tra tor<br />

Chris tó bal Schmal gestaltet.<br />

www.juedischesecho.at<br />

WIRTSCHAFT<br />

REINHARD ENGEL<br />

Wasser und Wein 23<br />

Wirtschaft-News 26<br />

WISSENSCHAFT<br />

Wissenschaft-News 27<br />

JÜDISCHE WELT<br />

Panorama 28<br />

Ausgewertet werden Meldungen von: APA, Jerusalem Post, Ha’aretz, MEMRI, Yediot Aharonot, Global intelligence<br />

centre, Walla, Y-net, israelnetz (inn), nahostfocus (NOF), ICEJ, Honestly-concerned, GMW, JTA, ILI u.v.a.<br />

GEmEinDE<br />

Titelbild:<br />

Jüdischer Friedhof Erfurt, 9.11.<strong>2009</strong><br />

© EPA/Martin Schutt<br />

Wir bedauern - In unserer vorigen Aus -<br />

gabe berichte ten wir über den Fried hof<br />

von Addis Abeba. Leider ist das © verloren<br />

ge gangen: Die Fotos stammen<br />

aus der Kamera von AnnA BlaU.<br />

PLENARSITZUNGEN <strong>2009</strong><br />

09. Dezember<br />

Medieninhaber (Verleger), Herausgeber: <strong>Israelitische</strong> Kultusgemeinde Wien.<br />

Zweck: Information der Mitglieder der IKG Wien in kulturellen, politischen<br />

und or ganisatori schen Belangen. Stärkung des demokratischen<br />

Bewusst seins in der österreichischen Bevöl kerung. Sitz: 1010 Wien, Seitenstettengasse 4, Postfach 145.<br />

Tel. Redaktion/Sekretariat 53 104/271, Anzeigenannahme 53 104/272, Fax: 53104/279, E-mail redaktion@ikg-wien.at<br />

Druck: AV+Astoria Druckzentrum GmbH, A-1030 Wien<br />

Alle signierten Artikel geben die persönliche Mei nung des Autors wieder, die sich nicht immer mit der<br />

Mei nung der Redaktion deckt. Für die Kaschrut der in der GEMEINDE angezeigten Produkte übernehmen<br />

Herausgeber und Redaktion ausdrücklich keine Verantwortung. Nicht alle Artikel, die in der Redak -<br />

tion einlangen, müs sen zur Veröffentlichung gelangen.<br />

Ω „Westend Stories.“ Erinnerungen u. Texte aus Wien VII<br />

01.12./19.00 Literaturhaus<br />

Ω Samuel Steinherz<br />

01.12./19.00 Stadtmuseum Graz<br />

Ω Lilli-Grün-Abend: „Alles ist Jazz“<br />

01.12./19.30 Literaturbuffet<br />

Ω „Kitty & Otto Suschny“ - Ein Filmportrait<br />

01.12./19.30 Aktionsradius Augarten<br />

Ω BackTalk-Strategien gegen Rechts: Isolde Charim<br />

02.12./19.00 Depot<br />

Ω „Austrian Brutalities“ (Karl Kraus)<br />

03.12./18.30 Jüdisches Museum Wien<br />

Ω Die Kärntner Sloweninnen im Kampf gg NS<br />

03.12./18.30 DÖW<br />

Ω Wien 1848 im Tagebuch Benjamin Kewalls<br />

03.12./19.30 Aktionsradius Augarten<br />

Ω „Von der Kunst der Nestbeschmutzung“. Das Buch<br />

zum Club. Das Fest zum Buch mit Buffet und Musik<br />

05.12./19.00 Republikanischer Club<br />

Ω Topsy Küppers<br />

07.12./19.00 ESRA<br />

KULTURVORSCHAU 1.-07.12.<br />

2 november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770


AUS DEM BÜRO DES PRÄSIDENTEN<br />

Wir haben es geschafft! Wir feiern<br />

die Fertigstellung des IKG-Campus<br />

TAG DER OFFENEN TÜR<br />

IM MAIMONIDES-ZENTRUM<br />

Sonntag 13. Dezember <strong>2009</strong>,<br />

von 11.00 Uhr - 13.00 Uhr<br />

Am 7. Dezember ist das neue Maimonides-Zentrum fertig gestellt und es beginnt die Übersiedlung aus der<br />

Bauernfeld gass e. Um Ihnen, liebe Gemeindemitglieder, die Gelegenheit zu geben, das neue Maimonides-<br />

Zentrum zu besichtigen und die Bewohner nicht zu stören, bieten wir Ihnen die Möglichkeit sich das neue Zen -<br />

trum anzusehen! Am 14. Dezember beginnt die Übersiedlung der Bewohner und das Maimonides-Zentrum ist<br />

für Besucher nicht mehr frei zugänglich. Der Eingang befindet sich in Wien 2., Wehlistraße/Ecke Simon-Wie sen -<br />

thalgasse 1. Je nach Interesse bieten wir Ihnen zwei Besichtigungsformen an:<br />

Besichtigung des Pflegeheims, der Seniorenresidenz und<br />

des Wohnheimes<br />

Wenn Sie Interesse haben, eine dieser Einheiten, Pflegezimmer oder Woh nun -<br />

gen und die Allgemeinflächen zu besichtigen, steht Ihnen unser MZ-Team unter<br />

der Führung von Mag. Missbichler und Mag. Herzog zur Verfügung. Die Besich -<br />

tigungen dauern ca. 30 Minuten und werden um 11.00 Uhr, 11.30 Uhr, 12.00 Uhr<br />

und 12.30 Uhr mit maximal 30 Personen durchgeführt.<br />

Nur mit Anmeldung! Besucherkarten sind ausschließlich vor Ort bei Herrn Wagner<br />

im „Kaffeehaus Maimonides-Zentrum“ erhätlich!<br />

Besichtigung des gesamten Maimonides-Zentrums inklusive Küchen,<br />

Technik, Synagoge, usw.<br />

Für Personen, die problemlos längere Strecken gehen können, bieten wir die Mög lichkeit um 11.00 Uhr, 12.00 Uhr<br />

und 13.00 Uhr eine 60-minütige Be sich ti gungs tour mit maximal 40 Per sonen unter der Leitung von Arch. Feiger<br />

und Dr. Muzicant zu machen. Nur mit An meldung! Besu cher karten sind ausschließlichvor Ort bei Herrn Wagner<br />

im „Kaffeehaus Mai mo ni des-Zen trum“ erhätlich!<br />

Im „Kaffeehaus Maimonides-Zentrum“ werden Erfrischungen und ein kleines Buffet angeboten.<br />

Auf Ihr Kommen freut sich die IKG, das Maimonides-Zentrum und die ZPC-Schule.<br />

© Arch. Thomas Feiger<br />

SONDERPROGRAMM<br />

Besichtigung in deutscher und russischer Sprache<br />

DONNERSTAG, 10. DEZEMBER, UM 18.00 UHR<br />

mit Dr. Ariel Muzicant, Arch. Thomas Feiger und Dr. David Vyssoki.<br />

Treffpunkt Kaffeehaus!<br />

© Arch. Thomas Feiger<br />

Специальная программа<br />

Осмотр на немецком и русском языках.<br />

В четверг, 10-го декабря <strong>2009</strong> года,<br />

в 18.00 часов состоится<br />

экскурсия-осмотр на немецком и русском языках с доктором<br />

Ариэлем Музикант, архитектором Томасом Файгер и доктором<br />

Давидом Выссоки. Место встречи – кафе!<br />

november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770<br />

3


Simon Wiesenthal-Gasse 1<br />

1020 Wien<br />

Eingang Maimonides Zentrum<br />

16.15 Kerzenzünden in der ZPC-Synagoge<br />

mit Gemeinderabbiner Hofmeister<br />

17.30 Kerzenzünden im Festsaal<br />

mit Oberrabbiner Eisenberg<br />

Betreutes Kinderprogramm<br />

Hora-Workshop<br />

Schattenspiel<br />

Chanukkah-Lilliput-Zug<br />

Traditionelle Wizo Aviv Chanukkah-<br />

Party – diesmal im Rahmen von<br />

„Chanukka der offenen Tür“!<br />

Lernen sie die IKG und ihre<br />

Abteilungen kennen ...<br />

Machen sie eine Führung durch das<br />

neue Maimonides-Zentrum ...<br />

Genießen Sie unser musikalisches Programm<br />

und tanzem sie mit uns ...<br />

Kosten Sie unsere kulinarischen Spezialitäten!<br />

Punsch • Krapfen • Kartoffelpuffer • Maroni<br />

Oberrabbine<br />

„Songs &<br />

Wiener Jüd<br />

„Chanukk<br />

Frejl<br />

„Hora & Chass<br />

Aliosha Biz & V<br />

„KlezM<br />

Sveta Kund<br />

„A Voice F<br />

- und a<br />

Idan R<br />

„Solo c<br />

Bitte einen amtlichen Lich


13. Dezember <strong>2009</strong><br />

r Eisenberg<br />

Blessings“<br />

- ab 14.00 Uhr<br />

ischer Chor<br />

alieder“<br />

ech<br />

idische Tänze“<br />

ienna Jazzklez<br />

ehr“<br />

ish & Band<br />

or Peace“<br />

ls Gast<br />

aichel<br />

oncert“<br />

tbildausweis mitbringen!<br />

© Bartzi Goldblat


IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />

SERIE<br />

Hinter den Kulissen –<br />

Die IKG Wien stellt sich vor<br />

Teil 15: Das Friedhofsamt<br />

serViCe<br />

erreichbarkeit des fiedhofamtes<br />

in einem todesfall ist Avraham<br />

Pollak rund um die Uhr unter der<br />

Telefonnummern 01 – 767 62 52<br />

(Büro) beziehungsweise mobil un -<br />

ter 0676 – 844 512 451 erreichbar.<br />

Zu Schabbat oder an jüdischen<br />

Feiertagen bitte auf das Band sprechen,<br />

Rabbiner Pollak meldet sich<br />

umgehend bei ihnen. Sollte ihr<br />

Angehöriger, ihre Angehörige zu<br />

Hause verstorben sein, bitte unbedingt<br />

den Hausarzt verständigen<br />

und unter 01 – 797758 7890 einen<br />

Arzt anfordern, der die Leichen be -<br />

schau vornimmt (diese nummer<br />

ist 24 Stunden am Tag erreichbar).<br />

in allen anderen Angelegenheiten<br />

(zum Beispiel interesse an einem<br />

Grab) wenden Sie sich bitte zu Bü -<br />

ro zeiten an Avraham Pollak:<br />

Sonn tag von 9.00 Uhr bis 12.00 Uhr,<br />

montag bis Donnerstag 8.00 Uhr<br />

bis 15.30 Uhr sowie Freitag 8.00<br />

Uhr bis 12.00 Uhr. An jüdischen<br />

Fei ertagen ist das Büro nicht be -<br />

setzt.<br />

Das Friedhofsamt befindet sich am<br />

wiener zentralfriedhof, 4. tor,<br />

Sim meringer Hauptstraße 244,<br />

1110 Wien (zu erreichen mit der<br />

Straßenbahn nummer 71).<br />

Per mail ist Avraham Pollak unter<br />

a.pollak@ikg-wien.at erreichbar.<br />

„Das Telefon kann<br />

jederzeit läuten“<br />

Der Tod hält sich nicht an Bürozeiten: und<br />

so kann es schon vorkommen, dass Av ra -<br />

ham Pollak, der Leiter des Fried hof amts,<br />

während des Essens oder mitten in der<br />

Nacht gerufen wird, um einen Toten, eine<br />

Tote zu holen. Seit 2006 ist Pollak in ganz<br />

Österreich, vor allem aber in Wien un ter -<br />

wegs, um verstorbene Jüdin nen und Ju -<br />

den an ihren letzten Aufent haltsort zu<br />

bringen.<br />

Von Alexia Weiss<br />

Es ist ein sonniger, wenn auch kühler<br />

Oktober-Vormittag und Avraham<br />

Pollak sitzt hinter seinem Schreibtisch<br />

im Büro des Friedhofamts am Wiener<br />

Zentralfriedhof, 4. Tor. Der Computer<br />

ist eingeschaltet. Ab und zu läutet das<br />

Telefon. Doch bisher ist es ein ruhiger<br />

Tag – und er wird es auch bleiben.<br />

Wenn niemand verstirbt, dann ist<br />

nicht viel los am Friedhof. „An Tagen<br />

wie diesen beantworte ich e-mails, ich<br />

schaue, was die Arbeiter machen, viel<br />

mehr ist nicht zu tun“, erzählt Pollak.<br />

Die Arbeiter, das sind: Goran iva -<br />

novic, Andelko Juric, Pero Cicic, ma -<br />

rin ko micic. Sie heben die Gräber aus,<br />

wenn es ein Begräbnis gibt, und schau -<br />

feln sie wieder zu. Sie mähen das<br />

Gras und rechen das Laub. Und wenn<br />

Angehörige sie darum bitten, sich um<br />

ein bestimmtes Grab zu kümmern,<br />

dann machen sie auch das – allerdings<br />

gegen ein gesondertes Ent gelt,<br />

wie Pollak betont.<br />

An anderen Tagen dagegen kann die<br />

Hölle los sein: wenn permanent das<br />

Telefon klingelt und Pollak sowie<br />

Sekretärin marina Josipovic mit dem<br />

Abheben nicht nachkommen. Da gibt<br />

es Wien-Besucher, die vor Reiseantritt<br />

anfragen, ob es Gräber von Verwand -<br />

ten auf dem Zentralfriedhof gibt.<br />

6 november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770


IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />

Hier kann Pollak auf eine entsprechende<br />

Datenbank zugreifen, die<br />

Auskunft darüber gibt, ob der oder<br />

die Gesuchte auf Tor 1, Tor 4 oder<br />

vielleicht überhaupt auf einem anderen<br />

jüdischen Friedhof in Österreich<br />

liegt. Dann wieder wollen sich Ge -<br />

meindemitglieder bereits vor ihrem<br />

Tod ein Grab kaufen beziehungswei -<br />

se einen bestimmten Platz sichern.<br />

Und dann gibt es jene Tage, an denen<br />

nicht ein, sondern zwei – in seltenen<br />

Fällen sogar drei – Begräbnisse an<br />

einem Tag zu organisieren sind. im<br />

Jahr wickelt Pollak an die 80 Beer -<br />

digungen ab – holt den Leichnam entweder<br />

von der Wohnung des oder<br />

der Toten, dem Pflegeheim, Kranken -<br />

haus oder aber auch dem Kühlhaus<br />

ab, falls eine Obduktion unvermeidlich<br />

gewesen war, bringt ihn zum<br />

Friedhof, wo der Leichnam gewaschen<br />

(Tahara) und angekleidet (in<br />

Tachrichim, das ist das weiße Ge wand<br />

aus Leinen oder Baumwolle) wird. So<br />

schnell <strong>als</strong> möglich findet dann die<br />

Bestattung statt.<br />

An den Umgang mit den Leichen hat<br />

sich Pollak inzwischen gewöhnt,<br />

erzählt er. Zuvor war er in israel, ab<br />

1997 dann in Österreich vor allem <strong>als</strong><br />

maschgiach tätig gewesen. Und er<br />

sagt: die Toten können in ganz unterschiedlichem<br />

Zustand sein. „Ein kranker<br />

Mensch sieht ganz anders aus <strong>als</strong><br />

jemand, der <strong>als</strong> gesunder Mensch stirbt“,<br />

so Pollak. Und besonders nahe gehen<br />

natürlich Begräbnisse von Leuten, die<br />

jung sterben. „Das ist dann schwierig.“<br />

Pollak weiß aber auch, dass sich alle<br />

Angehörigen von jüngst Verstorbe nen<br />

in einer Art Ausnahmezustand befinden.<br />

„Da gibt es immer wieder Aufre -<br />

gungen und es ist immer eine schwierige<br />

Situation. Ich bemühe mich aber, hier erst<br />

gar keinen Streit aufkommen zu lassen.“<br />

Schwierig ist es manchmal auch mit<br />

Leuten zu argumentieren, die sichtlich<br />

nicht begütert sind, dennoch aber<br />

auf einem teuren Grab bestehen,<br />

erzählt Pollak. Fünf verschiedene<br />

Klassen an Gräbern stehen am 4. Tor<br />

zur Verfügung – der Preis richtet sich<br />

jeweils nach der nähe zur Zere mo -<br />

nienhalle. Klasse eins kostet 11.000<br />

Euro, Klasse zwei 7.000 Euro, Klasse<br />

drei 4.800 Euro, Klasse vier 2.800 Eu ro<br />

und Klasse fünf 1.500 Euro. Die<br />

Kosten für das Begräbnis sind hier<br />

jeweils inkludiert – der Grabstein<br />

muss jedoch extra beim Steinmetz<br />

bestellt und bezahlt werden. Gruften<br />

werden ebenfalls angeboten, zu<br />

einem Preis von 14.500 Euro, „sie werden<br />

aber fast nie gekauft“, so Pollak. Die<br />

Abrechnung erfolgt übrigens über<br />

das mitgliederservice, mit diesem ist<br />

auch – so gewünscht – eine allfällige<br />

Ratenzahlung zu vereinbaren.<br />

Sollte es zu einem Todesfall in der<br />

Familie kommen, bittet Pollak die<br />

An gehörigen, so rasch <strong>als</strong> möglich<br />

mit ihm Kontakt aufzunehmen, be -<br />

sonders dann, wenn der Tod in der<br />

eigenen Wohnung, dem eigenen Haus<br />

erfolgt ist. Dann empfiehlt es sich einerseits<br />

den Hausarzt zu verständigen,<br />

der die Krankengeschichte kennt und<br />

meist dafür sorgen kann, dass es zu<br />

keiner Obduktion kommt (die eine<br />

rasche Beerdigung verzögern würde),<br />

andererseits einen Arzt zu rufen, der<br />

die Leichenbeschau vornimmt (Ser -<br />

vice nummern siehe Kasten). Rund 30<br />

bis 40 Prozent der Todesfälle passieren<br />

zu Hause, etwa wenn in den eigenen<br />

vier Wänden gepflegt wird.<br />

Verstirbt jemand in einem Pflegeheim<br />

oder Krankenhaus, so kümmern sich<br />

diese institutionen um alles nötige.<br />

Viel Bürokratisches hat Pollak zu<br />

erledigen, wenn jemand in israel be -<br />

stattet werden soll. Rund zehn Überführungen<br />

pro Jahr hat Pollak zu or -<br />

ga nisieren und ist dann schon einmal<br />

einen Tag von Behörde zu Behör de<br />

unterwegs, um alle Geneh migun gen<br />

einzuholen. Pollak ist übrigens auch<br />

für jüdische Bestattungen auf anderen<br />

jüdischen Friedhöfen in ganz<br />

Österreich zuständig, etwa in Baden<br />

oder in Linz.<br />

Das Gros der Beerdigungen findet aber<br />

in Wien statt. Am Zentralfriedhof, 1.<br />

Tor, sind etwa 77.000 menschen in an<br />

die 45.000 Gräbern bestattet. Hier finden<br />

heute nur mehr selten Begräb nis -<br />

se statt – Pollak spricht von etwa<br />

einer Beerdigung pro Jahr, dann, wenn<br />

jemand in einem Ehrengrab bestattet<br />

wird, oder in einem Grab bei Ver wand -<br />

ten beerdigt werden möchte. Am Tor<br />

4, das seit 1916 in Betrieb ist, liegen<br />

derzeit an die 58.000 Tote in etwa<br />

47.000 Gräbern.<br />

Heute ist es übrigens üblich, nur<br />

mehr eine Person pro Grab zu beerdigen,<br />

erzählt Pollak. Sollen zwei<br />

Personen bestattet werden, muss man<br />

dies vor dem ersten Begräbnis mitteilen,<br />

damit der Halacha entsprechend<br />

tief genug gegraben wird. Und natürlich<br />

ist es auch möglich, zwei Gräber<br />

nebeneinander reservieren zu lassen.<br />

Pollak führt interessenten jederzeit<br />

gerne über das Friedhofsareal, damit<br />

man sich einen ganz bestimmten<br />

Platz aussuchen kann.<br />

Wie viele Jahre Pollak noch die Toten<br />

zu ihrer letzten Ruhestätte bringt,<br />

steht übrigens in den Sternen. Er habe<br />

nichts dagegen, diese Arbeit noch<br />

viele Jahre zu machen, wenn sich et -<br />

was anderes ergebe, sei er aber auch<br />

dafür offen. Dass am Ende des Le -<br />

bens der Tod steht, das ist Pollak wie<br />

keinem anderen bewusst. Doch er<br />

weiß auch, dass das Leben oft unerwartete<br />

Wendungen bringen kann. So<br />

heiratet sein ältester Sohn in Kürze<br />

nach Belgien.<br />

zur PersoN<br />

avraham Pollak, geb. 1968 in<br />

israel, besuchte eine Jeschiwe in<br />

Jerusalem. Danach zunächst in<br />

israel, seit 1997 in Österreich <strong>als</strong><br />

maschgiach tätig (Ar che noah.<br />

Koschere Bäckerei, maimo ni des<br />

Zentrum). Daneben am Jüdi schen<br />

Beruflichen Bildungszentrum<br />

(JBBZ) Deutsch- und EDV-Kurse.<br />

Seit 2006 Leiter des Friedhofamts<br />

der iKG.<br />

Pollak ist verheiratet und Vater von<br />

acht Kindern zwischen fünf und<br />

19 Jahren. Die drei ältesten leben<br />

derzeit in israel, um eine Ausbil -<br />

dung zu absolvieren. Der älteste<br />

Sohn heiratet in Kürze nach Bel -<br />

gien.<br />

Heimweh nach israel hat Pollak<br />

nicht. Seine Eltern leben seit mittlerweile<br />

20 Jahren in Wien. Seine<br />

Groß eltern, die ursprünglich aus<br />

Ungarn stammten, waren im<br />

Konzentrations lager maut hausen<br />

interniert gewesen, überlebten<br />

aber und wanderten nach israel<br />

aus.<br />

november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770 7


IN EIGENER SACHE<br />

„Ich bin offen<br />

für alle“<br />

Seit dem Frühsommer steht Rabbiner<br />

Schlomo Hofmeister Oberrabbiner<br />

Paul Chaim Eisenberg unterstützend<br />

<strong>als</strong> Gemeinderabbiner zur Seite.<br />

„Die Gemein de“ sprach mit Rabbiner<br />

Hofmeister über seine ersten Eindrücke<br />

und das Leben in Wien.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

Sie sind nun ein halbes Jahr in Wien:<br />

inwieweit decken sich Ihre Erwartungen<br />

mit der bisher erlebten Wirklichkeit?<br />

ich habe es mir ziemlich genau so vor -<br />

gestellt – wir haben uns ja auch gut<br />

vorbereitet. Und insofern gibt es bisher<br />

auch keine nennenswerten negativen<br />

Überraschungen.<br />

Und wie sieht es mit positiven<br />

Überraschungen aus?<br />

Ja, die gibt es durchaus. Die persönliche<br />

Erwartung, dass es in Wien ein<br />

sehr aktives Leben – in den unterschiedlichsten<br />

Ausprägungen - gibt,<br />

ist mehr <strong>als</strong> erfüllt. Die infrastruktur<br />

unserer Gemeinde ist nahezu perfekt:<br />

von Kaschrut über Schulen, diversen<br />

Sportvereinen und kulturellen Orga -<br />

ni sationen und Veranstaltungen, das<br />

neue Altersheim, das beeindruckende<br />

Angebot im JBBZ, ganz zu schweigen<br />

von der hilfreichen Arbeit, die ESRA<br />

für unsere mitglieder leistet und sich<br />

dabei um Angelegenheiten kümmert,<br />

die in anderen Gemeinden häufig un -<br />

gelöst bleiben. insofern finde ich es<br />

eigentlich schade, dass viele scheinbar<br />

gar nicht zu schätzen wissen, wie gut<br />

bei uns alles organisiert ist und welch<br />

großartiges Angebot es hier im Ver -<br />

gleich zu anderen Städten gibt.<br />

Seit diesem Herbst gestalten Sie in der<br />

„Ge meinde“ zwei Seiten, auf denen Sie<br />

auch Fragen beatworten. Wie kann man<br />

sich dazu an Sie wenden?<br />

Einerseits per mail (AskTheRabbi@ikgwien.at),<br />

andererseits natürlich auch<br />

telefonisch oder persönlich.<br />

Nach welchen Gesichtspunkten suchen Sie<br />

jene Fragen und Antworten aus, die Sie<br />

dann veröffentlichen?<br />

Dabei versuche ich mein Bestes, von<br />

den vielen Fragen und Themen jene<br />

aus zusuchen, die interessant sind für<br />

alle Leser, mit ihrem sehr unterschiedlichen<br />

kulturellen Hintergrund – von<br />

säkular bis streng religiös. Als Ge -<br />

mein derabbiner gehört es zu meiner<br />

Aufgabe, grundsätzlich für alle da zu<br />

sein, aber natürlich kann man es nie<br />

für alle immer genau treffen. Und so<br />

versuche ich abwechslungsreich zu<br />

sein, damit im Großen und Ganzen<br />

doch für jeden etwas dabei ist. Unsere<br />

Gemeinde, mit ihren vielen unterschiedlichen<br />

Synagogen, ist eben, wie<br />

es sich für eine Einheitsgemeinde ge -<br />

hört, sehr pluralistisch – und das ist<br />

auch gut so!<br />

Mit Fragen zu welchen Bereichen kann<br />

man sich an Sie wenden?<br />

mit Fragen zu Religion, Halacha, Le -<br />

bensfragen, persönlichen Fragen. Der<br />

eine wendet sich mit einem Ehepro -<br />

blem an mich, jemand anders braucht<br />

Hilfe bei der Schulwahl für die Kin -<br />

der. ich wurde beispielsweise auch<br />

schon gefragt, welche Jeschiwe ich in<br />

israel oder England in bestimmten<br />

Fällen empfehlen könne. Das einzige,<br />

wo ich mich zurückhalte, obwohl ich<br />

Gemeinderabbiner Schlomo<br />

Elieser, Hannah und<br />

Josef Zwi Hofmeister<br />

auch dazu immer wieder befragt wer -<br />

de, sind politische Stellungnahmen<br />

zu Themen, die nicht mit dem Auf -<br />

gabenbereich eines Rabbiners zu tun<br />

haben. Dafür sind andere zuständig.<br />

Der Kontakt zu möglichst vielen Ge mein -<br />

de mitgliedern war ein von Ihnen definiertes<br />

Ziel zu Amtsantritt. Wie hat sich das<br />

„Open House“ am Schabbes entwickelt?<br />

Es sind bereits drei mal so viele Leu te,<br />

die sich für Schabbes-mahlzeiten an -<br />

melden möchten, <strong>als</strong> wir Platz ha ben.<br />

meistens sind wir am Dienstag be -<br />

reits für Schabbes ausgebucht, wobei<br />

wir dennoch versuchen, noch ein<br />

paar notfall-Plätze frei zu halten für<br />

Durchreisende oder Leute, die sonst<br />

nie in die Synagoge gehen und nun<br />

einmal spontan kommen. im Durch -<br />

schnitt sind nun an die 15 Personen<br />

zu Gast, wobei wir auch schon einmal<br />

31 Gäste an einem Freitag Abend hatten.<br />

mehrere Übernachtungsmöglichkeiten<br />

haben wir in unserem Wohn -<br />

zimmer für Gäste eingerichtet, die zu<br />

weit weg wohnen, <strong>als</strong> dass sie zu Fuß<br />

zu uns kommen, beziehungsweise am<br />

Freitag Abend nach Hause gehen<br />

könn ten. Und dieses Angebot wird<br />

auch jede Woche gerne angenommen.<br />

8 november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770


IN EIGENER SACHE<br />

Sprechen Sie hier ausschließlich religiöse<br />

Menschen an?<br />

nein, überhaupt nicht. Bei uns sind<br />

alle willkommen und wir haben die<br />

un terschiedlichsten Gäste, von sehr<br />

re ligiös bis säkular. Es kommen auch<br />

immer wieder junge menschen aus<br />

dem Ausland, die in Wien studieren,<br />

und die Kontakt zur Gemeinde su chen.<br />

Gerade sie sind auch ein Zukunfts po -<br />

tenzial, denn viele von ihnen wollen<br />

in Wien bleiben. Und meine Frau und<br />

ich versuchen natürlich auch jene Ju -<br />

den in der Stadt zu erreichen, die kei -<br />

ne Gemeindemitglieder sind und so<br />

wieder einen Kontakt zur Gemein de<br />

herzustellen.<br />

Wie gehen Sie damit um, wenn Gäste zu<br />

einer Schabbes-Einladung kommen, ohne<br />

die religiöse Tradition für diesen Abend<br />

zu kennen?<br />

Wir machen es auch dann ganz normal,<br />

so wie immer. Jeder kann jederzeit<br />

alles fragen, und bisher haben<br />

sich ganz offensichtlich auch noch alle<br />

wohlgefühlt. Was die Atmosphäre und<br />

die allgemeine Planung unserer Ein la -<br />

dungen betrifft – dies ist das besondere<br />

Anliegen meiner Frau, die jede<br />

Woche bereits ab mittwoch hingebungsvoll<br />

alles alleine vorbereitet, or -<br />

ganisiert, kocht und backt. Und am<br />

Sonntag heißt es dann: Aufräumen.<br />

Ihre Frau will sich aber auch noch<br />

anders engagieren – mit dem Aufbau<br />

einer Wohngemeinschaft für junge<br />

jüdische Frauen und der Einrichtung<br />

einer Mutter-Kind-Gruppe.<br />

Ja, sie ist dabei, hier etwas zu organisieren.<br />

Bei jenem Teil meiner Arbeit,<br />

die sich auf den Stadttempel bezieht,<br />

konzentrieren wir uns beide auf die<br />

Vi sion und die Hoffnung, die Seiten -<br />

stettengasse auch an Wochentagen <strong>als</strong><br />

aktives, lebendiges und zugleich offenes<br />

und tolerantes Gemeindezentrum<br />

der Wiener Juden wiederzubeleben.<br />

Und meine Frau möchte da beson -<br />

ders mithelfen.<br />

Die Wohngemeinschaft ist – analog<br />

dem moishe-Haus, das es für junge<br />

män ner in vielen Städten und auch im<br />

zweiten Bezirk in Wien gibt – für<br />

junge jüdische Frauen gedacht, die es<br />

sich nicht leisten können, zentral und<br />

damit in der nähe des Stadttempels<br />

zu leben. Die jungen Frauen und Stu -<br />

dentinnen können bei sehr geringer<br />

miete dort wohnen, im Gegenzug ver -<br />

pflichten sie sich jedoch, ein offenes<br />

Haus zu führen und sich aktiv in der<br />

Gemeindearbeit einzubringen, um<br />

so mit auch zur Lebendigkeit des<br />

Stadttempels beizutragen.<br />

Und die mutter-Kind-Gruppe soll sich,<br />

wie der name schon sagt, an mütter<br />

mit kleinen Kindern richten, die einander<br />

einmal wöchentlich treffen. Wir<br />

hoffen dadurch gerade auch verstärkt<br />

jungen Familien ein Gemeindegefühl<br />

im und um den Stadttempel geben zu<br />

können. Der Stadttempel, die Haupt -<br />

sy na goge unserer Gemeinde, ist ja ein<br />

offenes Haus für alle – was es natürlich<br />

nicht immer leicht macht, die Hetero -<br />

ge nität seiner Besucher unter einen<br />

Hut zu bekommen. Aber wir versuchen<br />

auch hier das Angebot derart zu<br />

gestalten, dass für jeden etwas dabei<br />

sein kann.<br />

Ihre Frau wird sich <strong>als</strong>o der Kleinsten<br />

und ihrer Mütter annehmen – Sie stehen<br />

seit Beginn des Schuljahrs zwei Mal in<br />

der Woche Schülern <strong>als</strong> Ansprech -<br />

partner zur Verfügung. Wie wird dieses<br />

Angebot angenommen?<br />

Sehr gut. ich habe montags und mittwochs<br />

jeweils zwei Sprechstunden an<br />

der Zwi Perez Chajes-Schule. Die erste<br />

Stunde ist für Schüleranliegen reserviert,<br />

in der zweiten können sich Lehrer,<br />

aber auch Eltern an mich wenden.<br />

ich bin offen für alle. Gleichermaßen<br />

stehe ich natürlich auch für die persönlichen<br />

Anliegen der jüdischen Schü -<br />

ler anderer Schulen zur Verfü gung.<br />

Mit welchen Sorgen wenden sich<br />

Volksschüler an Sie?<br />

Oft mit dem Problem, dass sie glauben<br />

keine Freunde zu haben, dass sie ausgelacht<br />

werden. Es sind meistens Pro -<br />

bleme im Klassenverband, auch –<br />

aber normalerweise weniger - Schwie -<br />

rigkeiten mit Lehrern oder aber schulische<br />

Leistungsprobleme.<br />

Und wie können Sie hier helfen?<br />

manchmal reicht ein Gespräch. man -<br />

che Schüler kommen auch regelmäßig<br />

zu mir. Es freut mich, dass hier ein<br />

Vertrauen seitens der Kinder da ist.<br />

Sie wissen auch, dass ich nicht zu den<br />

Eltern gehe und alles erzähle. Das<br />

schei nen sie zu spüren und intuitiv<br />

zu wissen, dass ich, auch wenn ich<br />

die Sprechstunden an der Schule ab -<br />

halte, eine neutrale Person bin. Und<br />

wenn ich sehe, dass es hilfreich wäre,<br />

hier auch einen Psychologen um Rat<br />

zu fragen, verweise ich an die entsprechenden<br />

Stellen.<br />

Und mit welchen Problemen kommen<br />

Schüler der Sekundarstufe zu Ihnen?<br />

Hier sind es einerseits ebenfalls Kon -<br />

flik te zwischen Schülern, aber auch<br />

Schwierigkeiten mit Lehrern. Sehr<br />

häu fig sind es auch die allgemeinen<br />

Pro bleme, Sorgen und Ängste, denen<br />

sich viele junge menschen in der nicht<br />

immer ganz einfachen Übergangsphase<br />

zwischen Kindheit und Erwach sen -<br />

sein konfrontiert sehen. Und manche<br />

kommen auch zu mir, wenn sie Pro -<br />

bleme mit ihren Eltern haben. Es sind<br />

beispielsweise letzten monat zwei<br />

Jugendliche zu mir gekommen, die aus<br />

traditionellen Familien stammen und<br />

selbst nicht religiös sein wollen. Und<br />

dann gibt es drei andere Schüler aus<br />

säkularen Häusern, die gerne ein religiöses<br />

Leben führen würden, jedoch<br />

bei ihren Eltern auf Unverständnis<br />

stoßen.<br />

Wie gehen Sie mit diesem Problem<br />

des weniger- oder mehr-religiös-sein-<br />

Wollens um?<br />

mir geht es hier vor allem darum,<br />

zwi schen den legitimen Bedürfnissen<br />

der Kinder und dem Alltag der Eltern<br />

zu vermitteln. ich versuche in beiden<br />

Fällen einerseits auf der Seite der El -<br />

tern Verständnis für die Wünsche der<br />

Kinder zu schaffen und andererseits<br />

von Seiten der Kinder den Respekt für<br />

die Eltern zu erhalten beziehungsweise<br />

wieder zu schaffen. Vorausge -<br />

setzt, die Jugendlichen bitten mich<br />

darum, nehme ich hier auch direkt<br />

Kontakt mit den Eltern auf. meine<br />

oberste Priorität ist es, eine gemeinsa-<br />

november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770 9


IN EIGENER SACHE<br />

me Lösung, unter Einbeziehung der<br />

El tern zu finden, um sowohl den Scha -<br />

lom Beis, <strong>als</strong>o den Hausfrieden, <strong>als</strong><br />

auch die soziale und vor allem emotionale<br />

Einheit der Familie zu bewahren.<br />

Ist es für Sie <strong>als</strong> Rabbiner schwierig, Ju -<br />

gend liche zu beraten, die nicht mehr<br />

religiös leben wollen?<br />

Auch solchen Jugendlichen bringe ich<br />

durchaus Verständnis entgegen. Zwar<br />

kann ich <strong>als</strong> Rabbiner das Bestreben<br />

eines Jugendlichen, nicht religiös zu<br />

werden, nicht <strong>als</strong> solches unterstützen,<br />

muss mich eines derartigen Anlie -<br />

gens aber selbstverständlich dennoch<br />

ernsthaft annehmen. in den allermeisten<br />

Fällen liegt für diese Jugendlichen<br />

das Problem mit der Religion überhaupt<br />

nicht an der Religion. nicht selten<br />

ist die inkonsequent „religiöse“<br />

Le bensführung der Eltern beziehungsweise<br />

deren, mit den jüdischen Wer -<br />

ten und halachischen Vorschriften un -<br />

vereinbares, mangelhaftes zwi schen -<br />

menschliches Verhalten die Wurzel des<br />

Problems für kritisch denkende Ju -<br />

gend liche.<br />

Das soll heißen: die Religion kann sehr<br />

leicht den Respekt in den Augen der<br />

Kinder verlieren, wenn sie tagtäglich<br />

sehen, dass zu Hause zwar auf die<br />

Kaschrut des Apfelsaftes, nicht aber<br />

auf die Kaschrut der Sprache und des<br />

Umgangstons zwischen den Eltern<br />

Wert gelegt wird. meine Aufgabe ist<br />

es, dies mit den Jugendlichen zusammen<br />

aufzuklären, aber gleichzeitig<br />

auch kritische Fragen zur jüdischen<br />

Religion logisch und verständlich zu<br />

beantworten.<br />

Sie arbeiten auch mit Jugendlichen im<br />

Rahmen der Bar- und Bat Mitzwa-Vor -<br />

Rabbiner Schlomo<br />

Eliezer Hofmeister und<br />

Vizeburgermeister<br />

Michael Ludwig<br />

betrachten das<br />

Gedenkbuch für die<br />

Opfer des Nation<strong>als</strong>o -<br />

zialis mus an der<br />

Universität Wien 1938<br />

be reitung. Wer kann diese in Anspruch<br />

nehmen?<br />

Jedes jüdische mädchen, jeder jüdische<br />

Junge. Die Vorbereitung dauert<br />

ein Jahr und beginn ein Jahr vor der<br />

Bar beziehungsweise Bas mitzwa. Der<br />

Unterricht findet für mädchen am<br />

mon tag nachmittag, für Buben am<br />

mitt woch nachmittag an der Zwi Pe -<br />

rez Chajes-Schule statt und ist natürlich<br />

kostenlos.<br />

Ersetzt dieser Unterricht die individuelle<br />

Bar- oder Bat Mitzwa-Vorbereitung?<br />

nein, es ist ein zusätzliches Angebot<br />

und hat nichts mit der Vorbereitung<br />

auf die Feierlichkeiten zur Bar oder Bas<br />

mitzwa zu tun. Hier geht es mir da -<br />

rum, praktisches jüdisches Leben zu<br />

vermitteln, vor allem Kindern, die<br />

nicht aus religiösen Familien stammen.<br />

Gerade jene Eltern sind für diese Art<br />

Ergänzung des Religionsunterrichts<br />

erfahrungsgemäß besonders dankbar.<br />

An Dienstagen und Donnerstagen<br />

geben Sie in der Seitenstettengasse ebenfalls<br />

Schiurim. An wendet sich dieser?<br />

Am Dienstag gibt es Unterricht für<br />

Kin der und Jugendliche ab einem Al -<br />

ter von etwa neun Jahren, am Don -<br />

ners tag für Erwachsene. Hier geht es<br />

um die Vermittlung von praktischer<br />

Halacha, aber auch um das Beant wor -<br />

ten allgemeiner Fragen zu jüdischen<br />

Themen sowie jüdischer Philosophie<br />

und Denkweise. Ein paar Beispiele<br />

für solche Fragen: wie können wir das<br />

Thema Evolution mit unserem Welt -<br />

bild vereinbaren? Wie ist Sterbe hilfe<br />

zu bewerten? Was sagt die Halacha<br />

zu Themen wie Empfängnisver hü tung<br />

und Abtreibung?<br />

Werden Mädchen und Burschen, Frauen<br />

und Männer hier ebenfalls getrennt<br />

unterrichtet?<br />

nein, sie sitzen nur jeweils auf einer<br />

Seite des Raums. Der Unterricht wendet<br />

sich übrigens an alle, egal ob sä -<br />

kular, traditionell oder streng religiös<br />

und wird auch von allen Gruppen gut<br />

angenommen. Und dabei zeigt sich,<br />

dass Fragen, die von säkularen men -<br />

schen gestellt werden, durchaus auch<br />

für Religiöse interessant sein können.<br />

Es werden in diesen Stunden übrigens<br />

immer sehr viele Fragen gestellt.<br />

Jugendarbeit macht einen großen Teil<br />

ihrer Arbeit hier in Wien aus. Welche<br />

Zielsetzung haben Sie hier vor allem im<br />

Auge?<br />

Es geht darum, die Zukunft der Ge -<br />

mein de zu sichern. Und gleichzeitig<br />

die gesamte Gemeinde mit ihren verschiedenen<br />

Synagogen auch in der<br />

Wahr nehmung aller unserer mitglie -<br />

der miteinander zu verbinden. Die<br />

Betreuung von Jugendlichen ist aber<br />

nur ein Teil meiner Arbeit. meine Auf -<br />

gaben erstrecken sich über alle Be rei -<br />

che des jüdischen Lebenszyklus, und<br />

somit kümmere ich mich um Gemein -<br />

demitglieder jeden Alters. Egal, ob es<br />

um die Beschneidung eines neugeborenen<br />

Buben geht, die bereits erwähnte<br />

Betreuung von Schülern und Jugend -<br />

li chen, Probleme vor und nach der<br />

Eheschließung, bis hin zur Betreuung<br />

Sterbender, wobei es gerade säkulare<br />

Gemeindemitglieder sind, die mich<br />

häufig darum bitten zu kommen, um<br />

mit ihnen oder ihren sterbenden An -<br />

ge hörigen die letzten Gebete zu sprechen.<br />

Dies ist eine ganz wichtige Sache<br />

und ich stehe für solche notfälle<br />

zu jeder Tages- und nachtzeit zur<br />

Verfügung.<br />

Das Besuchen von Kranken, vor al lem,<br />

wenn es sich um alleinstehende und<br />

mittellose, ältere Gemein demit glie der<br />

handelt, ist ebenfalls eine wichtige<br />

Aufgabe eines Gemeinderabbiners, die<br />

mir auch aus menschlicher Sicht sehr<br />

wichtig ist. Da dies aber im Allge mei -<br />

nen sehr zeitaufwändig und schwer<br />

in meinen sehr vollen Tages ab lauf<br />

einzufügen ist, kümmere ich mich da -<br />

rum meistens am Abend be zie hungs -<br />

weise an den freien Sonn ta gen.<br />

Und was zählt noch zu Ihren Aufgaben?<br />

Dazu gehört natürlich vor allem auch<br />

10 november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770


IN EIGENER SACHE<br />

die Arbeit im Rabbinat der Kultus -<br />

gemeinde, wobei ich für die gute Zu -<br />

sammenarbeit und das angenehme<br />

Arbeitsklima mit Oberrabbiner Paul<br />

Chaim Eisenberg sehr dankbar bin.<br />

Bisweilen vertrete ich ihn auch bei<br />

öffentlichen Terminen, wenn sein<br />

voller Terminkalender es ihm nicht<br />

möglich macht, zwei Veranstal tun gen<br />

gleich zeitig wahrzunehmen. Das reicht<br />

von der Teilnahme an politischen<br />

über interreligiöse bis zu kulturellen<br />

Terminen.<br />

Außerdem besuche ich regelmäßig die<br />

jüdischen Gemeinden in den Bun des -<br />

ländern, wobei es mir leid tut, dass<br />

ich nicht so oft fahren kann, wie es<br />

Be darf gäbe. Es gibt so viel zu tun –<br />

ich komme keinen Abend vor mitter -<br />

nacht ins Bett. Dennoch möchte ich<br />

immer für alle da sein: wer immer Rat<br />

sucht, stößt bei mir auf eine offene<br />

Tü re. Diese menschliche Seite der<br />

Gemeindearbeit ist mir sehr wichtig.<br />

Ob jemand persönliche, familiäre, be -<br />

rufliche oder finanzielle Probleme<br />

hat: ich habe immer ein offenes Ohr<br />

und werde mich um eine Lösung bemühen.<br />

Auch bei persönlichen Streitig<br />

keiten unter Gemeindemitgliedern<br />

wurde ich bereits mehrm<strong>als</strong> <strong>als</strong><br />

Schlich ter angerufen. Unbedingte Vor -<br />

aussetzung hierfür ist jedoch, dass<br />

mei ne involvierung auch tatsächlich<br />

von beiden Seiten erwünscht ist.<br />

Und wie ist es, auch äußerlich sichtbar <strong>als</strong><br />

Jude in den Straßen Wiens unterwegs zu<br />

sein?<br />

Auf der Straße werde ich regelmäßig<br />

beschimpft, vor allem abends in der<br />

Seitenstettengasse, da gibt es auf<br />

Grund der Lokale auch immer wieder<br />

Betrunkene, die dann pöbeln. im<br />

September war sogar eine Gruppe<br />

von neonazis unterwegs, die Fahnen<br />

schwenkten und „Heil Hitler“ riefen.<br />

Wie reagieren Sie, wenn Sie angepöbelt<br />

werden?<br />

ich lasse es zu keiner Konfrontation<br />

kommen. ich ignoriere das und gehe<br />

einfach weiter.<br />

Und wie begegnet man Ihnen bei<br />

offiziellen Terminen?<br />

Bei diesen Veranstaltungen werde ich<br />

immer äußerst respektvoll und<br />

freund lich aufgenommen. Daraus<br />

haben sich durchaus auch schon persönliche<br />

Kontakte entwickelt. •<br />

Sehr geehrte Gemeindemitglieder!<br />

Der iranische Präsident Ahmadinejad hielt wieder einmal eine seiner be -<br />

rühmt berüchtigten Reden vor der Generalversammlung der UnO, und<br />

die österreichische Delegation so wie 20 andere europäische Staaten blieb<br />

im Saal. Die israelitische Kultusgemeinde hat sich mit folgendem Brief<br />

an Bun des minister Dr. michael Spindelegger gewandt (Brief vom 16.<br />

Okto ber).<br />

Daraufhin kam es zu ei -<br />

nem Gespräch zwischen<br />

dem Präsidenten der Kul -<br />

tus gemeinde und dem<br />

Bundesmi nis ter. Die ser<br />

erklärte den Ab lauf wie<br />

folgt:<br />

Die EU einigte sich im<br />

Vorfeld (trotz Wider stan -<br />

des der schwedischen EU-<br />

Führung), dass bei Holo -<br />

caust-Leug nung, Aufruf<br />

zur Zerstörung israels<br />

und antisemitischen<br />

Äuße rungen durch Ah -<br />

madinejad bei der UnO-<br />

Gene ral ver sammlung auf<br />

Zeichen der schwedischen<br />

EU-Führung alle europäischen<br />

De legationen den<br />

Saal verlassen. Als Ah ma -<br />

dinejad dann diese drei<br />

Themen nicht spezifisch<br />

ansprach, blieb das Zeic -<br />

hen der schwedischen<br />

Delegation aus, obwohl<br />

die Rede von Rassismus<br />

und Anti-israel Bemer -<br />

kun gen durchsetzt war. Die österreichische Delegation, die nur von<br />

einem mitarbeiter an geführt war, traf daher keine eigenmächtige Ent -<br />

scheidung, den Saal zu verlassen.<br />

Bundesminister Spindelegger betonte, dass dies ein Fehler war und in<br />

Zu kunft nicht mehr vorkommen würde. Bei seiner Rede drei Tage später<br />

vor der Un-Generalversammlung nahm er zu diesem Vorfall konkret<br />

Stel lung: „Let me <strong>als</strong>o underline that Austria firmly rejects the unacceptable<br />

remarks by Pre sident Ahmadinejad during his speech on Wednesday. We reject<br />

any abuse of the UN General Assembly as a platform for intolerance, anti-<br />

Semitism, and racial hat red.”<br />

Der Bundesminister wiederholte dann diese Position und eindeutige<br />

Kritik in seinem bilateralen Gespräch mit dem iranischen Außenminister,<br />

und dies wurde auch in den Protokollen vermerkt.<br />

Die israelitische Kultusgemeinde hat wiederholt gegenüber dem Herrn<br />

Außenminister ihre Position betont, wonach Österreich eine moralische<br />

und historische Verpflichtung hat, bei jeder Form von Holocaust-<br />

Leugnung, Anti se mitismus und Rassismus an vorderster Front, dem<br />

deutschen Vorbild folgend, aufzutreten.<br />

november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770 11


POLITIK • INLAND<br />

POLITIK<br />

Geplante Erregung<br />

Am 18. Oktober, einem Sonntag, warb ei -<br />

ne vermeintlich neue Partei namens RWT<br />

(Österreichs Partei für Recht Wür de und<br />

Tugend) in Zeitungsinseraten mit dem<br />

Slogan „Soziale Wärme statt Woar me“.<br />

Parteisymbol: ein Zahnrad mit Ru ne, bei -<br />

des im neonazistischen Eck in Ge brauch.<br />

Bald war geklärt: es handelt sich nicht<br />

um eine neue rechte Bewegung, sondern<br />

um eine Werbekampagne für einen Film.<br />

Doch: wie sinnvoll – und wie akzeptabel –<br />

ist solch ein Kampagne?<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

Bei der Tageszeitung „Die Presse“ liefen<br />

an diesem Sonntag die Telefone<br />

heiß. Die Beschwerdeflut war groß.<br />

Auch per mail. So schrieb etwa Ro -<br />

land Kemer, der seinen Leserbrief in<br />

Kopie auch an die Redaktion der „Ge -<br />

meinde“ sandte: „Sehr geehrte Damen<br />

und Herren, <strong>als</strong> langjähriger Abonnent<br />

der Tageszeitung ‚Die Presse‘, auch <strong>als</strong><br />

Leser anderer Qualitätszeitungen, war ich<br />

erschüttert <strong>als</strong> mir die Anzeige auf Seite<br />

11 links unten ins Auge sprang. (…) Hat<br />

die Presse es denn nötig, solchen Orga ni -<br />

sationen eine Plattform zu bieten? (…)<br />

Solche Anzeigen haben NICHTS, aber<br />

auch GAR NICHTS in Tageszeitungen<br />

zu suchen, und das Mindeste was ich mir<br />

von Ihnen erwarte ist eine Distanzierung<br />

von solchem Gedankengut!“<br />

Doch auch nach der erfolgten Auflö -<br />

sung – seit <strong>als</strong>o klar ist, dass es sich<br />

bei dieser vermeintlichen Anzeige für<br />

eine Partei namens RWT um marke -<br />

ting für den Film „Blutsfreundschaft“<br />

von Peter Kern (mit Peter Berger in<br />

der Hauptrolle eines alten Homose -<br />

xu ellen, der einem jungen neonazi<br />

Unterschlupf gewährt) handelt, ge -<br />

hen die meinungen auseinander: ist<br />

diese Form der Werbung erlaubt? Vor<br />

allem, da es im Grundsujet keinerlei<br />

Auflösung, keinerlei Hinweis auf ein<br />

Kulturprojekt gab?<br />

Ganz im Gegenteil: die Homepage<br />

www.rechtwuerdetugend.at gab zu nächst<br />

ebenfalls vor, Webauftritt einer Partei<br />

zu sein, noch dazu einer, die nur mit<br />

einer Registrierung Zugriff auf in hal -<br />

te erlaubt. Ein in der rechtsextremen<br />

Szene durchaus übliches mittel, viele<br />

Seiten gewähren nur ihren registrierten<br />

mitgliedern nähere Einblicke auf<br />

den gebotenen Content.<br />

Franz novotny gegenüber „Die Ge -<br />

meinde“ auf die Frage, mit welchen<br />

Reaktionen das Filmteam nach der<br />

Schaltung der ersten inserate konfrontiert<br />

worden sei: „Mit berechtigter Em -<br />

pörung, dem integralen Bestandteil unserer<br />

Kampagne. Und es ist all jenen zu<br />

Recht Empörten für die Entrüstung zu<br />

dan ken, die aus dem ersten Teil der künstlerischen<br />

Intervention abreifte. Die Em pör -<br />

ten wurden Teil eines Widerstands gegen<br />

das Umsichgreifen menschenverachtender<br />

Parolen, die in der Stadtlandschaft in an de -<br />

ren Fällen beinahe schon <strong>als</strong> ‚ist halt hier<br />

so‘ hingenommen werden. Man denke an<br />

die unsäglichen FPÖ-Wahlkämpfe der Ver -<br />

gangenheit und besonders an die, die zu<br />

erwarten sind, oder an die ‚Ostküsten‘-<br />

Sager.“<br />

Berechtigte Empörung <strong>als</strong>o. Alles einkalkuliert.<br />

michael Fleischhacker,<br />

Chefredakteur der „Presse“ kommentierte<br />

die Kampagne am 21. Oktober<br />

unter dem Titel „Ein Lehrstück in<br />

medienkunde“. in Diskussionen mit<br />

Leserinnen und Lesern über das in -<br />

serat in der „Presse am Sonntag“ sei<br />

die Erklärung, dass es sich nicht um<br />

das Zulassen einer verabscheuungswürdigen<br />

Anti-Homosexuellen-Het ze<br />

handelte, sondern um die Unterstüt -<br />

zung eines Films, der diese Politik kri -<br />

tisch, aber unaufgeregt, eigentlich hu -<br />

mor voll behandelt, oft nicht akzeptiert<br />

worden.<br />

„Mit solchen Sachen, so das Gegenar gu -<br />

ment, triebe man keine Scherze, nicht einmal<br />

für einen guten Zweck“, sei gesagt<br />

worden und Fleischhacker weiter:<br />

„Das ist – so wie die Ablehnung der In hal -<br />

te der Anzeigen – ein nobler Standpunkt.<br />

Es war allerdings kein Scherz, sondern<br />

der sehr ernst gemeinte Versuch, die Wech -<br />

selwirkungen zwischen Politik, Me dien<br />

und Medienkonsumenten durchzuspielen.<br />

Er hat gezeigt, wie schnell Medien und<br />

Medienkonsumenten <strong>als</strong> Adressaten ag -<br />

gressiver politischer Kommunikation an<br />

die Grenzen ihres Entscheidungs spiel raums<br />

geraten: Soll/kann/darf ein Medium be -<br />

zahlte Anzeigen nach politischer Zu stim -<br />

mung oder Ablehnung selektieren? Wenn<br />

ja, nach welchen Kriterien? Was ist die<br />

an ge messene Reaktion auf Hetzpro pa -<br />

gan da?“<br />

Die Werbe-Kampagne <strong>als</strong>o nicht nur<br />

<strong>als</strong> Kampagne für den Film, sondern<br />

auch <strong>als</strong> gesellschaftspolitisches in -<br />

stru ment, um gegen rechte Ten den zen<br />

aufzustehen. So argumentiert auch<br />

novotny. Gefragt, warum in den ers -<br />

ten Sujets auf Hinweise auf den Film<br />

gänzlich verzichtet wurde, meinte<br />

der Filmproduzent: „Da die Pointe nicht<br />

schon am Anfang verraten werden darf.<br />

Weblink und Affichen führten aber nahezu<br />

unmittelbar von Medien unterstützt zu<br />

Kerns Film ‚Blutsfreundschaft‘, dessen<br />

Thema sich u.a. den von rechts genutzten<br />

Hetz-Mechanismen widmet. Weblinks,<br />

12 november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770


POLITIK • INLAND<br />

Plakate und die ‚Empörung gegen rechte<br />

Hetzparolen‘ ergaben zusammen mit dem<br />

Film das interventionistische Gesamt -<br />

kunst werk.“<br />

Die U-Bahn-Zeitung „Heute“ druckte<br />

das Sujet übrigens anders <strong>als</strong> „Die<br />

Presse“ ab: sie setzte einen großen<br />

roten Pfeil dazu, auf dem die Re dak -<br />

tion vermerkte, dass sie sich da von<br />

distanziert und dass es Werbung für<br />

einen Kinofilm sei. Abgesprochen sei<br />

das nicht gewesen, betont novotny.<br />

„Aber, ausgelöst durch unsere Kampa gne,<br />

wurde im Verein mit dieser ‚redaktionellen<br />

Distanzierung‘ ein neuer Wert geschaffen:<br />

Die Redlichkeit, die, führt man den Ge dan -<br />

ken zu einem logischen Schluss, fortan in<br />

allen Redaktionen Einzug halten müsste:<br />

dass sich Redaktionen ab sofort hetzerischen<br />

und Menschen verachtenden Ein -<br />

schaltungen verschließen und den Ab -<br />

druck ablehnen müssten.“ Und novot ny<br />

setzt nach: „Das wär doch was, wenn<br />

sich Redaktionen ebenso deutlich von der<br />

Blödmann-Poesie der Rechten à la ‚Pum-<br />

me rin statt Muezzin‘ distanzierten, Affi -<br />

che und Abdruck verweigerten.“<br />

Die Gewista verweigerte übrigens tat -<br />

sächlich das Affichieren von Pla katen<br />

mit den Sujets ohne Hinweis, dass es<br />

sich um ein Filmplakat handelt. FPÖ-<br />

Sujets werden im Gegenzug selbstverständlich<br />

aufgehängt: sie unterliegen<br />

den Regeln für politische Wer -<br />

bung. Regisseur Peter Kern sprach<br />

daraufhin in einem APA-interview<br />

von „Zensur“: „Es herrscht Zensur in<br />

die sem Land, die Kunst wird zensiert.“<br />

Die Aufregung um die Plakate rühre<br />

auch daher, „dass sich die Österreicher<br />

entdeckt fühlen in ihren geheimen Ge lüs -<br />

ten, den Strache (FPÖ-Chef, Anm.) doch<br />

toll zu finden“, so Kern weiter.<br />

nicht wenige nahmen die Werbung<br />

für die vermeintlich neue Partei <strong>als</strong>o<br />

für bare münze. Unter ihnen: die Em -<br />

pörten. Unter ihnen aber auch: die, die<br />

zustimmten. So traf in der mailbox<br />

der auf dem Werbesujet angegebenen<br />

mailadresse durchaus auch Zu stim -<br />

mendes ein. „Interessant schien“, so no -<br />

votny dazu, „dass in keinem der Pos tings<br />

gewagt wurde, sich der vorgegebenen<br />

Schwelle des Plakatinhalts an zu nähern<br />

oder seinen Level zu übertreffen. Die spärlichen,<br />

die dem Plakat im Töl pel sinne<br />

nahestanden, verloren sich in eher unterschwelligem<br />

Geraunze. Beispiel: „…<br />

offenbar WOLLEN bestimmte gruppen –<br />

egal wie – auf sich aufmerksam machen.<br />

Unterstellen aber dann dass SIE gehetzt<br />

werden! …“ oder „ … wenn das plakatiert<br />

worden wäre, hätten sich wieder die<br />

üblichen Verdächtigen entrüstet und<br />

Österreich hätte wieder einen ‚weltpolitischen<br />

Skandal‘.“<br />

Also: gelungene Kampagne – ja oder<br />

nein? Darf man mit derart rechtsextremen<br />

Sujets werben, und sei es auch<br />

nur für einen engagierten Film? Bei<br />

den medienkonsumenten herrscht<br />

hier keine Einigkeit. So schrieb der<br />

User ‘f l o’ im „Der Standard“-Forum<br />

unter dem Titel „problematisch“:<br />

„kunst muss schon auch mal aufrütteln<br />

und schockieren dürfen. Aber tatsache ist<br />

halt: hier wird werbung für rechtsradikales<br />

gedankengut gemacht, der anteil der<br />

leute, die erkennen, dass es sich hier um<br />

satire handelt, dürfte äußerst gering sein.<br />

Echte rechte fühlen sich wohl bestärkt.“<br />

Antwort von User ‘Umberto Lenzi’:<br />

„Die Kunst ist frei. Punkt. Und Ober leh -<br />

rer, selbst ernannte Zensoren und Besser -<br />

wisser, die irgendetwas problematisch fin -<br />

den, aber selbst offenbar keinen Sinn für<br />

Satire oder Persiflage haben, mögen schwei -<br />

gen (…).“ Darauf User ‘GreyPaladin’:<br />

„1. wär es <strong>als</strong>o auch eine Satire wenn ich<br />

ne Gaskammer einricht und leute reinsteck?<br />

so rein satirisch? 1:1 Kopien sind<br />

keine Satire!“<br />

Der Film „Blutsfreundschaft“ wurde<br />

schließlich Ende Oktober im Rahmen<br />

des Filmfestiv<strong>als</strong> „Viennale“ vor vollem<br />

Haus erstaufgeführt. Der Jubel<br />

des Publikums hielt sich dabei, wie der<br />

Filmkritiker markus Keuschnigg („Die<br />

Presse“, Radiosender Fm4) in sei nem<br />

„Vlog“ auf www.fm4.at be dauernd an -<br />

merkte, nicht nur in Gren zen, er blieb<br />

aus. „Wie immer wird dieser Regisseur<br />

gering geschätzt und verlacht. Von einem<br />

Publikum, das keine Verbindung herstellen<br />

kann zu dieser so brachial wie zärtlich<br />

inszenierten Geschichte von der Freund -<br />

schaft zwischen einem alten Homo sexu el -<br />

len und einem Jungen, der mit dem rechten<br />

Rand flirtet. Ich bin ratlos und versuche<br />

in den Stunden nach der Vorführung einen<br />

Grund für die verhaltene Reaktion auf<br />

diesen bedingungslosen Film zu finden.“<br />

Der Film „Blutsfreundschaft“ läuft<br />

übrigens seit 5. november regulär in<br />

österreichischen Kinos. An ihm werden<br />

sich wohl ebenso die Geister<br />

scheiden wie an der vorangegangenen<br />

Werbekampagne.<br />

www.rechtwuerdetugend.at<br />

www.peterkern.net<br />

©VLK/Udo Mittelberger<br />

Israelischer<br />

Botschafter besuchte<br />

Vorarlberg<br />

Antrittsbesuch bei LH Sausgruber<br />

Aviv Shir-On, seit Oktober <strong>2009</strong> neu er<br />

Botschafter des Staates israel in Ös -<br />

ter reich, absolvierte seinen Antritts -<br />

besuch in Vorarlberg. im Landhaus in<br />

Bregenz wurde er von Landes haupt -<br />

mann Herbert Sausgruber begrüßt.<br />

Aviv Shir-On wurde im Oktober 1952<br />

<strong>als</strong> Sohn einer deutschen Holocaust-<br />

Überlebenden in Tel Aviv geboren.<br />

1978 erfolgte sein Eintritt in den<br />

diplomatischen Dienst. Als Diplomat<br />

war Shir-On lange Jahre in den USA<br />

und in Deutschland tätig. Von 2003 bis<br />

2006 war er Botschafter in der Schweiz.<br />

Zuletzt arbeitete er <strong>als</strong> stellvertretender<br />

Generaldirektor im is ra e lischen<br />

Außenministerium in Jeru sa lem im<br />

Be reich medien und Öffentlichkeitsarbeit.<br />

im Oktober <strong>2009</strong> löste der drei fache<br />

Fa milienvater Dan Ashbel <strong>als</strong> is rae li -<br />

schen Botschafter in Wien ab.<br />

Die internationale jüdische<br />

EHE-PARTNER-VERMITTLUNG<br />

Weber José<br />

PF 180182<br />

D-60082 Frankfurt a.M.<br />

Telefon +49/69-597 34 57<br />

+49/17/267 14940<br />

Fax +49/69-55 75 95<br />

eMail: weber@simantov.de<br />

www.simantov.de<br />

november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770 11


POLITIK • AUSLAND<br />

UNGARN<br />

„Rechtsextreme<br />

und Antisemiten<br />

haben das Sagen“<br />

Kertesz-Interview erzürnt<br />

Ungarns Rechte<br />

Ein interview des ungarischen Litera -<br />

tur-nobelpreis-Trägers Imre Kertesz in<br />

der deutschen Zeitung ‘Die Welt’ hat<br />

in seiner Heimat heftige Reaktionen<br />

ausgelöst. Funktionäre des ungarischen<br />

Schriftsteller-Verbandes und<br />

rechtsgerichtete Publizisten warfen<br />

Kertesz vor, Ungarn zu „verunglimpfen“.<br />

in dem interview aus Anlass seines<br />

80. Geburtstags (9. november) be -<br />

zeichnete der Schriftsteller die un ga -<br />

rische Hauptstadt Budapest <strong>als</strong> „voll-<br />

kommen balkanisiert“. Über Un garn<br />

sagte er unter anderem: „Rechts ex tre me<br />

und Antisemiten haben das Sa gen. Die<br />

alten Laster der Ungarn, ihre Ver lo gen heit<br />

und ihr Hang zum Verdrängen, ge dei hen<br />

wie eh und je.“ Kertesz bezog sich<br />

dabei auf das jüngste Erstarken der<br />

extremen Rechten und den seit Jah ren<br />

„salonfähigen“ - mehr oder weniger -<br />

codierten Antisemitismus, den auch<br />

medien der sogenannten rechten mit -<br />

te pflegen. Die Reaktionen auf die<br />

jüngsten Kertesz-Äußerungen scheinen<br />

dabei den in Berlin lebenden<br />

Schriftsteller sogar noch zu bestätigen.<br />

Die Tageszeitung ‘magyar Hirlap’,<br />

die dem oppositionellen rechts-konservativen<br />

Bund Junger Demokraten<br />

(FiDESZ) nahesteht, schrieb in einem<br />

Kommentar, Kertesz sei „wurzellos“ -<br />

eine unter Antisemiten geläufige Chiff -<br />

re zur Abstempelung jüdischer intel -<br />

lek tueller.<br />

Der Sekretär des von der Rechten kon -<br />

trollierten ungarischen Schrift steller -<br />

verbandes, Laszlo L. Simon, beanstandete<br />

im selben Blatt, dass „Kertesz das<br />

Land andauernd verunglimpft“. Die<br />

links-liberale Presse nahm den Lite ra -<br />

ten hingegen in Schutz. Die ungarische<br />

Öffentlichkeit müsse endlich so weit<br />

kommen, dass „sie auch jene heimische<br />

Größen gebührend würdigt, die sich ge -<br />

genüber dem Land ablehnend oder abfällig<br />

äußern“, schrieb der Literatur kriti ker<br />

Sandor Radnoti in der Tageszeitung<br />

‘nép szabadsag’. Kertesz selbst er -<br />

klär te im Fernsehsender Duna TV,<br />

seine Äußerungen seien in der von<br />

den ungarischen medien verwendeten<br />

Übersetzung „f<strong>als</strong>ch wiedergegeben“<br />

worden.<br />

Kertesz überlebte <strong>als</strong> Jugendlicher das<br />

Vernichtungslager Auschwitz. in seinem<br />

Hauptwerk, dem „Roman eines<br />

Schicksallosen“, verarbeitete er diese<br />

Erfahrungen auf literarisch gültige<br />

Weise. 2002 erhielt er den Literaturnobelpreis.<br />

Schon dam<strong>als</strong> hatte dies<br />

das rechte Lager in Ungarn reserviert<br />

aufgenommen.<br />

Die gleichfalls dem FiDESZ nahestehende<br />

Wochen zei tung ‘Demokrata’<br />

empfahl jüngst ihren Lesern, „private<br />

Komman do trupps“ zu bilden, um in<br />

den öffentlichen Bibliotheken des<br />

Landes die Bücher „un-ungarischer“<br />

Schriftstel ler wie Peter nadas, Peter<br />

Esterhazy oder György Konrad zu<br />

verschmieren und zu zerreißen. APA<br />

Rechtsextreme Parteien gründeten<br />

in Budapest EU-weiten Verband<br />

Jobbik kooperiert mit Schwesterparteien aus Frankreich, Italien,<br />

Schweden und Belgien - Verhandlungen auch mit FPÖ<br />

©EPA/Attila Kovacs<br />

(vlnr.)<br />

Luca Romagnoli, Vorsitzender der italienisch<br />

Vize-Vorsizender der französische Front N<br />

Die ungarische rechtsextreme Partei<br />

Jobbik hat in Budapest mit vier ausländischen<br />

Parteien den EU-weiten<br />

Verband der Europäischen nationa len<br />

Bewegungen gegründet, wie die Un -<br />

garische nachrichtenagentur mTi<br />

berichtet. Die Vereinbarung unterzeichneten<br />

außer Jobbik der französische<br />

Front National (Fn), die italienische<br />

Fiamma Tricolore, die schwedischen<br />

Nationaldemokraten sowie die belgische<br />

Nationale Front. Zu dieser Verbands -<br />

gründung kam es im Rahmen des<br />

sech sten Parteitages von Jobbik, das<br />

bei den EU-Wahlen im Juni drittstärkste<br />

Partei in Ungarn geworden war.<br />

Wie Jobbik-Parteivize Zoltan Balczo auf<br />

einer Pressekonferenz erklärte, soll<br />

der Verband der Europäischen na tio -<br />

nalen Bewegungen zu einer „offizi el len<br />

europäischen, national geprägten Par tei<br />

werden“, die wahrscheinlich in Bel gi en<br />

oder Straßburg eingetragen werden<br />

soll. Weiters habe laut Balczo auch die<br />

Britische Nationalpartei (BnP) ihre Bei -<br />

trittsabsicht erklärt. Verhand lungen<br />

würden darüber hinaus mit der FPÖ<br />

sowie mit spanischen und portugiesischen<br />

Parteien geführt. Laut Bal czo be -<br />

stehe die General bot schaft der Grün -<br />

dung darin, dass eu roskeptische Par -<br />

teien keine Gegner Europas seien.<br />

Die unterzeichnete po li tische Erklä -<br />

rung des neuen Ver ban des stimmt für<br />

die Schaf fung eines „Europa aus freien,<br />

unabhängigen, gleichberechtigten Staa ten“.<br />

Dabei werden alle Bestre bungen zu -<br />

rückgewiesen, die auf die Gründung<br />

eines über den europäischen natio -<br />

nen stehenden Staates drängten. Die<br />

Erklärung unterstreicht die Absich ten<br />

der Unterzeichner, Europa vor „Be dro -<br />

hungen wie Terrorismus sowie religiöser,<br />

politischer, wirtschaftlicher oder finanzi -<br />

el ler Imperialismus zu schützen“.<br />

Dabei wird den „Völkern des Konti nents<br />

empfohlen, gemeinsam gegen soziales<br />

Warendumping sowie die zerstörerischen<br />

Folgen der Globalisierung zu kämpfen“.<br />

Laut Jobbik-Vorsitzendem Gabor Vona<br />

seien mit der Gründung des Ver ban -<br />

des die „Märchen von der Isoliertheit von<br />

Jobbik in das Märchenbuch der Ge schich te<br />

eingegangen“. Die Partei stellt drei Ab -<br />

geordnete im EU-Par la ment. •<br />

14 november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770


POLITIK • AUSLAND<br />

Pierre-Patrick Cocriamont, belgische Nationale Front,<br />

en Fiamma Tricolore, Gabor Vona, Vorsitzender der ungarischen 'Jobbik', Bruno Gollnisch,<br />

ational (FN) und Mark Abramsson, Vorsitzender der schwedischen Nationaldemokraten.<br />

Jobbik will das Ver fassungsgericht<br />

zwecks Überprüfung der neuen Re -<br />

gierungsverordnung über das Verbot<br />

des Tragens der Uniformen der verbotenen<br />

Organisation anrufen, so die<br />

ungarische nachrichtenagentur mTi.<br />

Das Tragen von Uniformen sei eine<br />

Form der „freien Meinungsäuße rung“,<br />

meinte Janos Volner von Jobbik. Außer -<br />

dem würden die Gardisten nun im<br />

namen der neuen Ungarischen Gar de<br />

auftreten, die nichts mit der verbotenen<br />

Ungarischen Garde gemein habe.<br />

Deswegen betreffe das gerichtliche<br />

Ver bot die neue Bewegung für Kulturund<br />

Traditionspflege nicht, betonte<br />

Vol ner. Die neue Ungarische Garde<br />

rief zugleich hinsichtlich des Verbots<br />

zu zivilem Ungehorsam auf. Am vergangenen<br />

Wochenende war es in Sa jo -<br />

babony zu Zusammenstößen zwischen<br />

mitgliedern der Ungarischen Garde<br />

und Roma gekommen. in der nordostungarischen<br />

Gemeinde hatte Job bik<br />

ein Forum abgehalten, worauf sich<br />

200 bis 300 Roma vor dem Veran stal -<br />

tungsort versammelten. Zu den Hand -<br />

greiflichkeiten soll es gekommen sein,<br />

<strong>als</strong> Angehörige der Garde im Dorf<br />

erschienen.<br />

nach diesem Zwischenfall forderte die<br />

Landesselbstverwaltung der Roma<br />

(OCÖ) das Verbot der Jobbik-Partei<br />

und rief zum gesellschaftlichen Zu -<br />

sam menschluss von Roma und nicht-<br />

Roma auf. Dieser Zusammenschluss<br />

sei „angesichts der bürgerkriegsähnli chen<br />

Zustände nötig“, unterstrich der stellvertretende<br />

OCÖ-Vorsitzende Janos<br />

Kozak.<br />

APA<br />

Öffentliches Uniformverbot für<br />

rechtsextreme Gardisten in Ungarn<br />

Das Tragen von Uniformen der verbotenen<br />

rechtsextremen Ungarischen<br />

Garde ist ab 26. november in Ungarn<br />

per Regierungsverordnung verboten.<br />

Wer mit der schwarzen Garde-Uni -<br />

form auf öffentlichen Veranstaltun gen<br />

erscheint, kann laut der <strong>als</strong> „Lex Gar -<br />

de“ bezeichneten Rechtsregel mit ei -<br />

ner Geldstrafe von bis zu 50.000 Fo rint<br />

(187 Euro) belegt werden. Hintergrund<br />

des Verbots sind Aktio nen von Gar dis -<br />

ten, die uniformiert durch Roma-<br />

Sied lungen marschierten und Ängste<br />

unter den Angehörigen der größten<br />

ungarischen minderheit schürten.<br />

Die im August 2007 gegründete Un -<br />

garische Garde galt <strong>als</strong> paramilitärische<br />

Organisation der rechtsextremen<br />

Partei Jobbik und war im Juli <strong>2009</strong><br />

rechtskräftig verboten worden. Da rauf -<br />

hin war die neue Ungarische Garde<br />

gegründet worden. Es kam auch weiter<br />

zu Aufmärschen der uniformierten<br />

Gardisten.<br />

© Laszlo Balogh / Reuters<br />

november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770 15


POLITIK • ISRAEL<br />

Palästinensische<br />

Demonstranten<br />

haben zum<br />

20. Jahrestag<br />

des Berliner<br />

Mauerfalls einen<br />

Teil des israelischen<br />

Sperr walls zu Fall<br />

gebracht. Nahe<br />

des Kontrollpunktes<br />

Kalandija im<br />

Westjordanland<br />

rissen sie mit Hilfe<br />

eines LKW ein<br />

Mauersegment<br />

nieder.<br />

Mauer ist nicht<br />

gleich Mauer<br />

KOMMENTAR VON ULRICH W. SAHM<br />

Seit Limes und chinesischer Mauer, der Ma gi not-Linie und dem Eisernen Vorhang,<br />

schwer befestigten entmilitarisierten Zonen in Viet nam und Korea, werden in<br />

aller Welt fleißig wei tere Mauern und Zäune hochgezogen, nicht nur um Vorgär -<br />

ten und Gefäng nis se. Sie dienen, je nach Geographie, zum Ein- oder Aussperren.<br />

Die nachfolgende Lis te erhebt keinen An spruch auf Vollstän dig keit.<br />

Marokko 2720 Km „Verteidigungs mau er“ gegen Polisario<br />

Südkorea „Barriere“ gegen Nordkorea<br />

Botswana elektrischer Zaun an Grenze zu Zimbabwe. Offiziell gegen<br />

Maul und Klau en seuche, tatsächlich, um Flüchtlin ge eth nischer<br />

Säube rungs-Massaker fernzuhalten<br />

Saudi Arabien Barriere, sieben Kilometer tief auf jemenitischem Territorium,<br />

ge gen „Infiltrationen“<br />

Saudi Arabien 700 Kilometer moderne Bar riere entlang Grenze zu Irak<br />

Zypern Mauer und Zaun zwischen türki schem Norden und griechischem<br />

Sü den<br />

Thailand ab 2007, 75 Kilometer Barriere an Grenze zu Malaysia gegen Ein -<br />

drin gen von Terroristen<br />

Pakistan 2400 Km Barriere an Grenze zu Afgha nis tan<br />

Indien Barrieren an Grenzen zu: Bangla desch, Kasch mir, Pakistan,<br />

Myanmar, teilwei se auf „feindlichem Territorium“ er rich tet<br />

Usbekistan Barriere zu Tadschikistan<br />

Vereinigte Arabische Emirate - Barriere an Grenze zu Oman<br />

Kuwait 215 Km Barriere zu Irak<br />

USA Barriere an Grenze zu Mexiko, um Arbeits suchende fernzuhalten<br />

Europa/Spanien befestigter Zaun um Ceu ta und Mellila, um hungernde Afri ka ner<br />

aus Europa fernzuhalten<br />

Irland, Belfast Mauern trennen zwischen Protestanten und Katholiken<br />

Zwanzig Jahre Fall der Berliner Mau er<br />

sind Anlass für pro-palästinensische<br />

„Frie densaktivisten“ in Deutsch land und<br />

Österreich, das Au genmerk auf die<br />

„Mauer“ in Nahost zu richten und ihren<br />

Abriss zu fordern, <strong>als</strong> gäbe es keine anderen<br />

Mau ern in der Welt, an den<br />

Außengren zen der EU, eine sau di sche<br />

Mauer auf jemenitischem Ter ri to ri um,<br />

entlang der Gren zen In diens und entlang<br />

der ame rika ni schen Gren ze zu Mexiko.<br />

Die Boll werke sollen Feinde, Terro ris ten<br />

oder arbeitssuchende Frem de aussperren,<br />

während die Ber liner Mau er er rich tet<br />

worden ist, um die Bevöl ke rung von<br />

einem Aus bruch aus ihrem DDR-Ge -<br />

fängnis abzu hal ten. Die Ber li ner Mau er<br />

fiel zu sammen mit dem Eisernen Vo -<br />

rhang. Nur in Ko rea wird bis heute noch<br />

ein Volk durch ei ne Mauer ge spalten. Der<br />

Fall der Ber li ner Mauer ist ein Symbol für<br />

viel ge wal tigere Vor gänge: das En de des<br />

Kal ten Krie ges und die Wie der ver ei ni -<br />

gung Deutsch lands. Solan ge die Eu ro päer<br />

nicht be reit sind, sich mit Mil lionen Afri -<br />

ka nern über schwem men zu lassen und die<br />

Is ra e lis nicht wieder in Stadt bussen ge -<br />

sprengt wer den wol len, ist es illusorisch,<br />

al lein den Fall der Sperr wälle zu fordern,<br />

die Ursa chen für de ren Errich tung aber zu<br />

ig norieren. Nicht die Ber liner Mauer ver -<br />

hin derte den „Frie den“, sondern die Tei -<br />

lung und der kom mu nis ti sche Staat in der<br />

„sowjetischen Besat zungs zo ne“.<br />

Es gibt weitere Gründe, weshalb die Ber -<br />

liner Mauer nicht mit der Mauer in<br />

Nahost verglichen werden kann. Is rael<br />

und die Palästinenser führen mit einander<br />

Krieg. Sogar im Gold sto ne-Report wird<br />

den Palästinen sern ein Recht auf bewaffneten<br />

Wide r stand, Krieg gegen Israel,<br />

zugestanden. Die israelische Regierung<br />

jedoch hält es für ihre Pflicht, das Leben<br />

ihrer Bür ger zu schützen. Die<br />

Palästinenser kämpfen seit der ersten<br />

Intifada ab 1987 für eine Grenze zwischen<br />

ihrem künftigen Staat und Israel. Und so<br />

wie die Zo nen grenze niem<strong>als</strong> eine „in-<br />

ternational an erkannte Grenze“ war, gibt<br />

es zwischen Israel und den be setz ten Ge -<br />

bie ten nur „Waffen stillstands linien“ aus<br />

dem Jahr 1949. Der Grenzverlauf muss<br />

noch ausgehandelt werden. Nicht die<br />

Mau er ist ein Hin dernis für den Frie den,<br />

sondern der Krieg. Die Mauer hat te zu<br />

einem Ende der Intifada ge führt und nach<br />

mehrjährigem Blut ver gießen wie der<br />

Gespräche zwischen der Au to no mie be -<br />

hörde und Is rael un ter Ehud Ol mert<br />

ermöglicht.•<br />

16 november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770


POLITIK • ISRAEL<br />

Palästinenser wollen Staat ausrufen<br />

Volkstänze in Ramallah, der Haupt -<br />

stadt der palästinensischen Autono -<br />

mie behörde. Anlass ist der Jahrestag<br />

der Ausrufung eines palästinensischen<br />

Staates 1988 in Algier durch<br />

Jas sir Arafat. Trotz Anerkennung<br />

durch über 100 Staaten, ist sie auf dem<br />

Papier geblieben. Arafats Tod vor<br />

fünf Jahren kurz zuvor in der mukata<br />

am mausoleum des in Paris gestorbenen<br />

Volksgründers gedacht. Obgleich<br />

Ramallah wie auch die anderen pa läs -<br />

tinensischen Städte mit Wachs tums -<br />

raten von über sieben Prozent boomen,<br />

gibt es in den selbstverwalteten<br />

palästinensischen Gebieten keinen<br />

echten Anlass zu Feiern. Der Osloer-<br />

Friedensprozess ist spätestens mit<br />

Ausbruch der El Aksa intifada Ende<br />

September 2000 gescheitert. Die<br />

Vision von Präsident George W. Bush,<br />

im jordanischen Akaba nach wochenlangen<br />

Geheimverhand lungen 2003<br />

verkündet, hat bis heute nicht zu<br />

„zwei Staaten für zwei Völker“ geführt.<br />

Die derzeit noch aktuelle Friedens ini -<br />

tiative „Roadmap“ mit dem offiziellen<br />

Titel „Ein ergebnisorientierter Fahr plan<br />

für eine dauerhafte Zwei-Staaten-Rege -<br />

lun g zur Beilegung des israelisch-palästinensischen<br />

Konflikts des Quartetts (EU,<br />

USA, Russische Förderation und die VN)“<br />

hängt unerfüllt im Raum. Die Kon tra -<br />

henten israel und die Palästinenser<br />

konnten nicht einmal die Präambel<br />

um setzen. Das Zieldatum, bis 2005<br />

einen „provisorischen palästinensischen<br />

Staat“ geschaffen zu haben, ist längst<br />

verstrichen. Der Annapolis-Friedens -<br />

prozess, von Präsident Bush ausgerufen,<br />

um Ende 2008 mit einem palästinensischen<br />

Staat in die Geschichte ein -<br />

zugehen, hat nie abgehoben. Und der<br />

arabische Friedensplan, 2002 in Bei -<br />

rut verkündet, hat israel nie so recht<br />

überzeugt.<br />

So kam jetzt der seit 20 Jahren „ewi ge“<br />

palästinensische Chefverhandler Saeb<br />

Erekat mit der keineswegs neuen idee<br />

auf, einseitig einen palästinensischen<br />

Staat auszurufen, auch ohne Friedens -<br />

vertrag mit israel. Der ge schei terte ehemalige<br />

Sicherheitschef der Fatah-Par -<br />

tei im Gazastreifen, Muham mad Dah lan,<br />

der den von israel 2005 geräumten<br />

Landstrich fast kampflos der Hamas-<br />

VON ULRICH W. SAHM<br />

Organisation überlassen hatte, drohte<br />

gar mit „Widerstand ge mäß dem internationalen<br />

Recht“, falls israel den<br />

Vorschlag Erekats nicht akzeptiere und<br />

jegliche Bautätigkeit in den Sied lun gen<br />

und in Jerusalem einstelle. Si cher -<br />

heits chef Dschibril Radschub und mi -<br />

nis ter Kadura Fares erklärten, dass jetzt<br />

erst mal internationale Unterstützung<br />

für die idee gesammelt werde, um sie<br />

dem UnO-Sicherheitsrat vorzutragen,<br />

obgleich die initiative dort wohl<br />

an einem ame rikanischen Veto scheitern<br />

werde.<br />

israelische Rechtsexperten und Poli ti -<br />

ker debattierten den palästinensischen<br />

Vorschlag mit Unbehagen. „Das ist<br />

doch Quatsch“, erklärte Alan Baker,<br />

ehemaliger Rechtsberater des israelischen<br />

Außenministeriums, der entscheidend<br />

an den Osloer Verträgen<br />

mitformuliert hatte: „Staaten werden<br />

nicht von der UNO anerkannt, sondern<br />

von anderen Staaten.“ minister präsi dent<br />

Benjamin netanjahu drohte mit „einseitigen<br />

israelischen Schritten“, falls die<br />

Palästinenser ihr Vorhaben wahrmachen<br />

sollten. Dann könnte israel die<br />

„Siedlungsblöcke“ im besetzten West -<br />

jordanland annektieren und andere<br />

maß nahmen ergreifen. Zudem entspräche<br />

eine einseitige Staatsverkün -<br />

dung einer Aufkündigung aller bestehenden<br />

Verträge zwischen israel und<br />

der PLO.<br />

Die palästinensische initiative gesellt<br />

sich zu einer diplomatischen Kam pa -<br />

gne in internationalen Gremien, der<br />

UnO, an kanadischen und amerikanischen<br />

Universitäten, bei britischen<br />

Gewerkschaften, wo zu einem Boy -<br />

kott israelischer Waren und Akade mi -<br />

ker aufgerufen wird und israelische<br />

Politiker <strong>als</strong> Kriegsverbrecher be zeich -<br />

net werden. Hinzu kommt die innenpolitische<br />

Krise in der Autonomie be -<br />

hörde. Entsprechend der Verfassung<br />

hatte Präsident mahmoud Abbas zu<br />

neuwahlen am 24. Januar aufgerufen.<br />

Doch die Hamas-Organisation will kei -<br />

ne Wahlen im Gazastreifen zulassen.<br />

Abbas hatte zuvor eine Fortsetzung<br />

der Friedensverhandlungen mit ne -<br />

tanjahu verweigert, indem er einen<br />

totalen Baustopp in den Siedlungen<br />

Chefverhandler<br />

Saeb Erekat<br />

©Nati Shohat/Flash90/JTA)<br />

zur Bedingung gemacht hatte. Abbas<br />

hatte sich damit in eine politische<br />

Sackgasse manövriert. Er hatte dem<br />

amerikanischen Präsidenten Barack<br />

Obama geglaubt, netanjahu von ei -<br />

nem Baustopp überzeugen zu können.<br />

israel forderte jedoch von Abbas, darüber<br />

„ohne Bedingungen“ zu verhandeln,<br />

anstatt Konzessionen auf dem<br />

Silbertablett durch amerikanischen<br />

Druck zu erwarten. Obama musste<br />

inzwischen einen Rückzieher ma chen,<br />

zumal die Saudis Konzes si onen an is -<br />

rael im Gegenzug zu einem Siedlungs -<br />

stopp verweigerten, israelische Flug -<br />

zeuge über ihr Territorium in den Fer -<br />

nen Osten fliegen zu lassen. „Jü di sche<br />

Flugzeuge dürfen nicht die Luft über<br />

Mek ka verpesten“, lautete die saudische<br />

Antwort an Obama. So hatte der noch<br />

unerfahrene amerikanische Prä sident<br />

f<strong>als</strong>che Hoffnungen ge weckt, anstatt<br />

sich im Voraus heimlich die Zustim -<br />

mung seiner „Freunde“ in Riad und<br />

Jerusalem einzuholen. Der gescheiterte<br />

Abbas verkündete derweil, nicht<br />

wieder für das Amt des Präsidenten<br />

kandidieren zu wollen. Ob er das ernst<br />

meint, oder ob auch das nur ein politisches<br />

Druckmittel gegen israel, die<br />

USA und den Rest der Welt ist, kann<br />

niemand bezeugen, nicht einmal<br />

Abbas nahestehende Palästinenser.<br />

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november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770 17


POLITIK • ISRAEL<br />

Israelische Flagge<br />

weht in Abu Dhabi<br />

im arabischen Emirat Abu Dhabi<br />

wehte zum ersten mal die israelische<br />

Flagge. in der gleichnamigen Haupt -<br />

stadt der Vereinigten Ara bi schen Emi -<br />

rate waren zwei israelische Gesandte<br />

bei einem Treffen der mitglieder der<br />

„interna tio na len Agen tur für Erneu -<br />

erbare Ener gi en“ (iREnA) anwesend.<br />

„Trotz der Tatsache, dass Israel keine di -<br />

plomatischen Beziehungen mit den<br />

Vereinigten Arabischen Emiraten hat,<br />

wurden die israelischen Delegierten <strong>als</strong><br />

gleichwertige Mitglieder empfangen, und<br />

die israelische Flagge wehte zum ersten<br />

Mal in diesem Land“, hieß es in einer<br />

Erklärung des israelischen Außen mi -<br />

nis teriums.<br />

Am Treffen nahmen 150 Gesandte aus<br />

70 Staaten teil. israel wurde durch<br />

Avraham Arbiv vom mi nis te rium für<br />

infrastruktur und Simona Halperin<br />

vom Außen mi nis terium vertreten.<br />

iREnA wurde im Januar dieses Jah -<br />

res in Bonn gegründet, derzeit gehören<br />

ihr 137 Staaten an. Ziel der internationalen<br />

Regierungsor ga ni sa tion ist es,<br />

die Entwicklung und nachhaltige<br />

nutzung von erneuerbaren Energien<br />

weltweit zu fördern. Für den Haupt -<br />

sitz der Agen tur hatten sich auch Bonn<br />

und Wien beworben. Beide unterlagen<br />

jedoch Abu Dhabi. Die Haupt stadt<br />

der Vereinigten Arabischen Emi ra te<br />

hat jedoch nur vorrübergehend den<br />

Sitz inne. Dieser soll später in die noch<br />

im Bau befindliche Stadt mas dar vor<br />

den Toren Abu Dhabis verlegt werden.<br />

masdar soll die erste emissionsfreie<br />

Stadt der Welt werden. inn<br />

Israelische Armee twittert<br />

Die israelische Armee nutzt den in ter -<br />

net-Kurznachrichtendienst „Twitter“.<br />

Dort veröffentlicht sie aktuelle mel -<br />

dungen über ihre Vor gehensweise. Die<br />

Sprecher der israelischen Armee wollen<br />

sich den „neuen medien“ ge gen -<br />

über öffnen, berichtet der nach rich -<br />

ten dienst imRA. Durch „Twitter“ können<br />

interessierte sich über das mi litär<br />

und seine Aktivitäten informieren.<br />

in den so genannten „Tweets“ sind<br />

unter an derem Links zu Fotos und<br />

offiziellen Ankündigungen enthalten,<br />

die auf einem Weblog der Armee<br />

veröffentlich werden.<br />

Israelische Marine-Infanteristen der Son -<br />

dereinheit „Flottille 13“ haben vor Zypern<br />

ei ne Lieferung aus dem Iran an den Li ba -<br />

non abgefangen. An Bord des Frach ters<br />

be fanden sich Container mit Mu ni tion<br />

und Waffen. Iran, Syrien und die His bol -<br />

l ah-Milizen streiten jede Ver wick lung ab.<br />

Waffensch<br />

für Hisb<br />

Für israel war es ein „Geschenk des<br />

Himmels“. Ein Spezialkommando<br />

fing im mittelmeer einen Frachter ab,<br />

der nach Armeeangaben 36 Container<br />

mit Raketen, Panzerabwehrgranaten<br />

und reichlich munition aus dem iran<br />

zur verbündeten Hisbollah im Li ba -<br />

non bringen sollte. Dass die „Fran-<br />

cop“ einem deutschen Reeder gehört,<br />

mag in der Heimat für Schlagzeilen<br />

sorgen, spielt aber in israel überhaupt<br />

keine Rolle.<br />

Während die Hisbollah jegliche Ver -<br />

strickung bestreitet und israel Pira te rie<br />

in internationalen Gewässern vorhält,<br />

feiern die israelis den Coup. „Auf frischer<br />

Tat ertappt“, titelte die Tages -<br />

zei tung ‘Yediot Ahronot’. Denn nach<br />

dem Willen des Weltsicherheitsrates<br />

sind sowohl die Wiederbewaffnung<br />

der Hisbollah <strong>als</strong> auch der Waffen -<br />

han del mit dem iran verboten.<br />

Auch andere Blätter berichten seitenlang<br />

in Wort und Bild. „Ein Geschenk<br />

des Himmels“, zitiert die ‘maariv’<br />

einen Regierungsbeamten nach der<br />

Sit zung des Sicherheitskabinetts.<br />

„Un sere Aufgabe ist es jetzt, der Welt zu<br />

zeigen, mit wem es Israel zu tun hat. Die<br />

Fotos mit den Waffen und der Munition<br />

werden beweisen, dass sich Israel gegen<br />

einen grimmigen Terrorismus verteidigt,<br />

und Terror bekämpft man nicht mit<br />

Samthandschuhen.“<br />

Tagelang hatten israelische Sicher -<br />

heits kräfte den Frachter bereits im Vi -<br />

sier. Das Elitekommando schlug dann<br />

an jenem Tag zu, <strong>als</strong> die Un-Gene ral -<br />

versammlung mit der Diskussion des<br />

kritischen Un-Berichts über den is ra e -<br />

lischen Gazafeldzug vom Jahres wech -<br />

sel begann. An reinen Zufall wollten<br />

weder Kommentatoren im Libanon<br />

noch in israel glauben. „Öffentlichkeitsarbeit<br />

ist jetzt sehr wichtig und wir versuchen,<br />

einen Nutzen aus der günstigen<br />

Gelegenheit zu ziehen“, sagte Außen mi -<br />

nister Avigdor Lieberman dem israelischen<br />

Rundfunk. im Prinzip hat is ra -<br />

el mit dem Kapern des Waffen schif fes<br />

rund 160 Kilometer vor der eigenen<br />

Küste sogar zwei Fliegen mit einer<br />

Klappe geschlagen. Seit monaten<br />

trommelt ministerpräsident Ben ja min<br />

18 november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770


POLITIK • ISRAEL<br />

wirk lich Druck auf den Iran macht, die<br />

kriminellen Aktivitäten stoppt und Israel<br />

unterstützt, wenn es sich gegen Terro ris -<br />

mus und dessen Sponsoren verteidigt.“<br />

Wie im nahen Osten üblich, machen<br />

auch Verschwörungstheorien die<br />

Run de - dass israel beispielsweise den<br />

Coup inszeniert haben könnte. Außen -<br />

minister Lieberman sagte, die Be fra -<br />

gung der Crew, Dokumente an Bord<br />

des Schiffes sowie Geheimdienstin for -<br />

mationen seien zweifelsfreier Beweis,<br />

dass die „Francop“ mit Waffen für die<br />

Hisbollah unterwegs gewesen sei.<br />

Aber warum gerade ein Schiff? Für<br />

den Transport der 36 Container mit<br />

hunderten Tonnen Kriegsmaterial hät -<br />

te man sonst 20 Flugzeuge benötigt,<br />

schreibt die ‘Jerusalem Post’. Darüber<br />

hinaus sei ein Schiffstransport viel<br />

dis kreter, weil Starts und Landungen<br />

von Flugzeugen mehr Spuren für<br />

Geheimdienste hinterließen. Welch<br />

tödliche Fracht die „Francop“ an<br />

Bord hatte, verdeutlichen folgende<br />

Zahlen: Während des 33 Tage langen<br />

Libanon-Krieges vom Sommer 2006<br />

feuerten Hisbollah-Kämpfer nach is -<br />

raelischen Armeeangaben rund 4.000<br />

Raketen auf israel ab. An Bord der<br />

„Francop“ waren 3.000 Raketen. Das<br />

muggel<br />

ollah<br />

©IDF<br />

netanyahu, dass der iran eine viel<br />

größere Gefahr für die Welt ist <strong>als</strong> der<br />

ungelöste israelisch-palästinensische<br />

Konflikt. Seit monaten fordert ne tan -<br />

yahu schärfere Sanktionen. Jetzt spürt<br />

der Regierungschef Ober wasser: „Der<br />

Iran schickt diese Waffen Terrorgruppen,<br />

damit diese israelische Städte angreifen<br />

und Zivilisten töten. Es ist an der Zeit,<br />

dass die internationale Gemeinschaft<br />

© Amir Cohen / Reuters<br />

©IDF<br />

sind nach israelischen Schätzungen 15<br />

Prozent des gesamten Rake ten vor rats<br />

der Hisbollah. Die israelische Ar mee -<br />

führung geht davon aus, dass die His -<br />

bollah mit den Waffen von der „Fran-<br />

cop“ mindestens vier Wochen lang<br />

Krieg führen könnte. Hans Dahne/dpa<br />

©IDF<br />

36 Container mit 500 Tonnen<br />

Waffen wurden <strong>als</strong> zivile Fracht<br />

getarnt und zwischen anderen<br />

Containern versteckt:<br />

9.000 Mörser geschoße,<br />

3.000 Katjuscha-Raketen,<br />

mehr <strong>als</strong> 20.000 Granaten und<br />

gut eine halbe Million Patronen<br />

Munition für kleinere Waffen<br />

november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770 19


POLITIK • ISRAEL<br />

Von von Braun zu<br />

Nasrallah<br />

VON MOSHE ARENS *<br />

in den letzten mo -<br />

naten des Zweiten<br />

Weltkriegs setzten<br />

die Deutschen ge -<br />

gen Groß britan ni en<br />

das ein, was Hit ler<br />

<strong>als</strong> die „Waffe der<br />

Rache“ bezeichnete.<br />

Die V-2-Rakete,<br />

die von Wern her<br />

von Braun und sei -<br />

nem Wissen chaft -<br />

ler team <strong>als</strong> Terror -<br />

waffe entwickelt<br />

worden war, wur -<br />

de Tag für Tag auf<br />

zi vile Ziele abgefeuert.<br />

Bis die Trup -<br />

pen der Alli ier ten<br />

die Ab schuss ba sen<br />

er reich ten, waren<br />

in Großbritannien<br />

1.400 Raketen nie -<br />

dergegangen, 500<br />

da von in London. 900 Einwohner<br />

Lon dons wurden von diesen Rake ten<br />

getötet.<br />

©wikimedia<br />

55 Jahre danach, während des ersten<br />

Golfkriegs, schickte der irak nach is -<br />

ra el Raketen, die nach dem modell<br />

der V-2-Raketen gebaut und aus der<br />

Sowjetunion und nordkorea importiert<br />

worden waren. Seit jenem Krieg<br />

wurden die Raketen zur bevorzugten<br />

Waffe der Feinde israels. Zehntau sen -<br />

de von ihnen, die Zahl wächst jeden<br />

Tag, sind im Gaza-Streifen und im<br />

Südlibanon stationiert worden und be -<br />

drohen alle Bürger israels. Was man<br />

in den Zeiten der auf den norden<br />

israels abgefeuerten Katyushas <strong>als</strong><br />

erträgliche Belästigung angesehen<br />

hat, ist zu einer strategischen Bedro -<br />

hung geworden. man darf die zivilen<br />

Verluste nicht unterschätzen, die<br />

israel im Falle eines Angriffs mit diesen<br />

Raketen erleiden würde.<br />

Die Rede ist von einer Terrorwaffe,<br />

klipp und klar. Je größer die Zahl dieser<br />

Raketen, desto mehr schreckt die<br />

israelische Regierung – die schwere<br />

Verluste unter ihren Bürgern befürchtet<br />

– vor einem effektiven Einschrei ten<br />

gegen die Bedrohung zurück. Die Stra -<br />

tegie der Terroristen ist einfach: Wenn<br />

sie über ein genügend großes Arsenal<br />

von Raketen verfügen, werden sie sie<br />

sporadisch auf israel ab feu ern oder<br />

andere provokative Akti o nen – wie die<br />

Entführung von Solda ten – durchführen,<br />

im Wissen, dass die Re gierung aus<br />

Furcht vor massivem Raketenbe schuss<br />

auf israelische Ort schaf ten zögern<br />

wird, hart zu reagieren.<br />

Das ist, was mit der Hisbollah im nor -<br />

den passiert ist. ihr ohne Un terlass<br />

wachsendes Raketenarsenal hinderte<br />

die letzten israelischen Re gierungen<br />

daran, maßnahmen zur Ausschal tung<br />

der Gefahr einzuleiten oder wenigs -<br />

tens effektiv auf die Pro vokationen<br />

zu reagieren. im zweiten Libanon krieg<br />

beschloss die Regie rung Ehud Ol merts<br />

letztlich mit außergewöhnlicher Här te<br />

zu reagieren, aber sie hat die Arbeit<br />

nicht zu Ende ge führt. Während des<br />

Kriegs wurde der norden des Landes<br />

schwer von Rake ten in mitlei den schaft<br />

gezogen, und den israelischen Vertei -<br />

di gungs streit kräf ten (ZAHAL) gelang<br />

es nicht, dem Beschuss ein Ende zu<br />

setzen. Heute ist das Raketenarsenal<br />

der Hisbollah noch um einiges größer.<br />

in Gaza hat die Hamas die Hisbollah<br />

imitiert. nachdem sie sich ein Ar se nal<br />

von Raketen aufgebaut hatte, feuerte<br />

sie sie über Jahre hinweg auf israelische<br />

Ortschaften ab, im Wissen, dass<br />

israel aus Furcht vor weiteren Rake -<br />

ten zögern würde zu reagieren. Diese<br />

Situation dauerte bis zur letzten mi li -<br />

täroperation in Gaza an, doch auch<br />

diesmal wurde die mission nicht vollendet.<br />

Heute verfügt die Hamas über<br />

ein noch größeres Raketenarsenal, und<br />

sie setzt dieselbe Strategie fort: Ab und<br />

an schickt sie einige Raketen nach is -<br />

rael, in der Annahme, dass die Re gie -<br />

rung nicht reagieren wird. Die Veröf -<br />

fentlichung des Goldstone-Be richts<br />

hat sie nur in ihrer Sicherheit be stärkt,<br />

dass israel sich weiter zu rück halten<br />

und keine Aktion einleiten wird.<br />

Es handelt sich hier um eine aus is ra -<br />

elischer Sicht unerträgliche Situation.<br />

Die Zivilbevölkerung israels wird von<br />

norden und Süden her von Terro ris ten<br />

<strong>als</strong> Geisel gehalten. Die Reichweite der<br />

Raketen deckt inzwischen sein ge sam -<br />

tes Territorium ab. Schwer zu glau ben,<br />

dass irgendein Staat bereit sein wür de,<br />

dies auf längere Sicht hin zunehmen.<br />

Als die Vereinigten Staa ten 1962 von<br />

der Stationierung sow jetischer Rake ten<br />

auf Kuba be droht wurden, forderte<br />

Präsident John F. Kennedy, der verstand,<br />

dass die permanente Gefahr<br />

von Raketen die nationale Sicherheit<br />

schwer beeinträchtigen würde, ihre<br />

Entfernung. in gleicher Weise ist die<br />

ständige Bedrohung durch Raketen<br />

von Seiten verantwortungsloser Ter -<br />

ro rorganisationen wie Hisbollah und<br />

Hamas eine handfeste Gefahr für die<br />

Sicherheit israels.<br />

Diese Gefahr muss ausgeschaltet<br />

wer den. in einem ersten Schritt muss<br />

die israelische Regierung klar ma chen,<br />

dass die Stationierung von Raketen<br />

nicht hinnehmbar ist, und fordern, dass<br />

jede weitere Lieferung sofort aufhören<br />

muss. Darüber hinaus muss die Re gie -<br />

rung betonen, dass das bestehende Ra -<br />

ketenarsenal früher oder später verschwinden<br />

muss. Haaretz, 18.1.09<br />

*<br />

Moshe Arens war Außen- und Verteidigungs minister<br />

des Staates Israel.<br />

Hamas-Gruppe bietet Kopfgeld für Entführung von Soldaten<br />

Eine der Hamas nahestehende Organisation im Gazastreifen verspricht is -<br />

ra elischen Arabern eine Belohnung von US$ 1,4 mio. (€ 940.000) für die Ent -<br />

führung eines israelischen Soldaten. Das Angebot der Waad-Gruppe, die<br />

vom Hamas-innenminister Fathi Hamad geleitet wird, wurde per E-mail an<br />

palästinensische medien verschickt. Damit reagierte Waad nach eigenen<br />

Angaben auf israelische Versuche, mit Geldgeschenken für die Bewohner des<br />

Gazastreifens den Aufenthaltsort des 2006 verschleppten Soldaten Gilad<br />

Sha lit ausfindig zu machen.<br />

Radikale palästinensische Gruppen haben schon mehrfach zur Entführung<br />

israelischer Soldaten aufgerufen. Sie haben bisher jedoch noch nie eine<br />

hohe Belohnung in Aussicht gestellt. Die Finanzmittel für Waad dürften<br />

Beo bach tern zufolge direkt von der Hamas kommen. Diese wiederum wird<br />

vermut lich vom iran unterstützt.<br />

Die israelische Stiftung "Born to Freedom" hat US$ 10 mio. für infor ma tio nen<br />

über vermisste israelische Soldaten angeboten.<br />

20 november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770


35 Nebenkläger bei<br />

Demjanjuk-Prozess<br />

Zu Beginn des Prozesses gegen den<br />

mutmaßlichen nS-Verbrecher John<br />

Demjanjuk Ende november in mün -<br />

chen wird ein Großaufgebot von<br />

nebenklägern erwartet. Rund 20 ne -<br />

benkläger wollen am 30. november<br />

zum Auftakt ins Landgericht mün -<br />

chen ii kommen, wie der neben klä -<br />

ger vertreter und Kölner Strafrechts -<br />

professor Cornelius Nestler der Deut -<br />

schen Presse-Agentur (dpa) sagte.<br />

ins gesamt seien mindestens 35 ne ben -<br />

kläger zugelassen. Sie alle haben im<br />

na zi-Vernichtungslager Sobibor im<br />

von Hitler-Deutschland besetzten Po -<br />

len nahe Angehörige verloren. Der ge -<br />

bürtige Ukrainer Demjanjuk soll dort<br />

<strong>als</strong> Wachmann geholfen haben, die in<br />

massentransporten ankommenden<br />

Ju den zu vergasen. Die Anklage wirft<br />

dem 89-Jährigen Beihilfe zum mord<br />

in 27.900 Fällen vor. Die nebenkläger<br />

wollten keine harte Strafe für Dem -<br />

jan juk, sondern Wahrheit und Gerech -<br />

tigkeit, sagte nestler, der zusammen<br />

mit mehreren Kollegen rund 30 der<br />

nebenkläger vertritt. „Der Weg ist das<br />

Ziel: Jeder, der verantwortlich war für die<br />

Morde an ihren Familienangehörigen,<br />

muss sich bis zum Lebensende seiner Ver -<br />

antwortung stellen.“ Die Zahl der ne -<br />

POLITIK • NS-ZEIT<br />

ben kläger könnte noch weiter steigen:<br />

Unter anderem bei einigen Überlebenden<br />

aus Sobibor ist laut nestler of -<br />

fen, ob sie den entsprechenden An trag<br />

beim Gericht stellen. Das Verfahren<br />

sei sehr ungewöhnlich, verglichen mit<br />

den bisherigen Prozessen gegen mutmaßliche<br />

nS- und Kriegsverbrecher.<br />

„Die Konstruktion der Anklage ist geradezu<br />

revolutionär im Vergleich zu allen<br />

anderen großen NS-Verfahren in der<br />

Vergangenheit.“ Früher sei immer auf<br />

die einzelnen Täter und ihre Exzesse<br />

geschaut worden. „Hier geht es um die<br />

Vernichtungsmaschinerie, in der Dem jan -<br />

juk eine Funktion gehabt hat.“<br />

insgesamt starben in Sobibor nach<br />

Schät zungen binnen zweieinhalb Jah -<br />

ren 250.000 menschen. Demjanjuk, <strong>als</strong><br />

Rotarmist in deutsche Gefangen schaft<br />

geraten, wurde im SS-Ausbil dungs -<br />

lager Trawniki zum Wachmann ausgebildet<br />

und kam nach Sobibor, wo ihn<br />

die nazis mit rund 100 anderen Traw -<br />

niki <strong>als</strong> Helfer ihrer Vernichtungsma -<br />

schi nerie einsetzten. Dass Demjanjuk<br />

Trawniki geworden sei, könnte man<br />

nachvollziehen, da er sich selbst retten<br />

wollte, sagte nestler. „Dass er in Sobi bor<br />

geblieben ist, hat mit retten nichts mehr<br />

zu tun“, betonte der nebenklä ger ver -<br />

tre ter. „Während ringsherum in Osteu -<br />

ro pa für alle die Gefahren des Krieges<br />

drohten, war das Leben in Sobibor für die<br />

Trawniki angenehm - um den Preis der<br />

Beteiligung an der fortwährenden Er mor -<br />

dung von Tausenden von Juden.“ Die<br />

Opfer-Angehörigen, die am Prozess -<br />

auf takt teilnehmen wollen, kommen<br />

aus den USA und aus israel, vor al lem<br />

aber aus den niederlanden. Vier der<br />

bisher zugelassenen nebenkläger wa -<br />

ren selbst in Sobibor und haben die<br />

Vernichtungsmaschinerie überlebt.<br />

ins gesamt leben noch neun ehemalige<br />

Häftlinge - bis auf einen kamen sie bei<br />

dem Gefangenen-Aufstand im Okto -<br />

ber 1943 frei, nach dem das Lager<br />

geschlossen wurde.<br />

Australien will<br />

mutmaßlichen<br />

Kriegsverbrecher an<br />

Ungarn ausliefern<br />

Die australische Regierung hat die<br />

Aus lieferung des mutmaßlichen<br />

Kriegs verbrechers Charles (Karoly)<br />

Zen tai nach Ungarn gebilligt. Laut<br />

dem australischen innenminister<br />

Bren dan O’Connor bedeute diese Ent -<br />

scheidung nicht, dass damit eine<br />

„Schuld oder Unschuld Zentais dokumentiert<br />

werden soll“. Es gehe vielmehr<br />

darum, dass Australien seine Pflich ten<br />

erfülle, die sich aus internationalem<br />

Recht ergeben.<br />

Zentai wird beschuldigt, <strong>als</strong> mitglied<br />

der mit Hitler verbündeten ungarischen<br />

Armee 1944 einen jungen Ju den<br />

getötet zu haben. Zentai befindet sich<br />

seit dem 22. Oktober in Australien in<br />

Po lizeigewahrsam. Der 88-Jährige<br />

hat te sich gegen eine Auslieferung<br />

nach Ungarn gewehrt, da er nach ei -<br />

ge ner Aussage kein Vertrauen „in die<br />

ungarische Demokratie“ hat.<br />

Der Ungar war nach dem Krieg nach<br />

Australien ausgewandert und lebt in<br />

Perth im Westen des Landes. Zentai<br />

wies stets die vom Simon-Wiesen thal-<br />

Zentrum erhobenen Kriegsver bre cher-<br />

Vor wür fe zurück. Die Budapes ter<br />

Regierung hatte bereits im märz 2005<br />

einen Auslieferungsantrag gestellt.<br />

Auf der aktuellen Liste der zehn<br />

meistgesuchten nazi-Kriegsver bre cher<br />

des Simon-Wiesenthal-Zentrums in<br />

Jerusalem nimmt Zentai den siebenten<br />

Platz ein.<br />

APA<br />

november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770 21


POLITIK • ANTISEMITISMUS<br />

Aktion „Wiener Lichter“ gegen<br />

Burschenschafter-Festkommers<br />

Gegen den von 20. - 22. november statt -<br />

findenden Kommers der schlagenden<br />

Burschenschaften hat sich unter dem<br />

motto „Wiener Lichter“ ein breites<br />

zivilgesellschaftliches Bündnis formiert:<br />

Gemeinsam mit der Wiener SPÖ, der in -<br />

tegrationsstadträtin Sandra Frauen ber ger,<br />

der Sozialistischen Jugend Wien und der<br />

Jungen Generation in der SPÖ Wien sind<br />

darin vertreten nGOs wie „A Letter to<br />

the Stars“, ZARA - Zivilcourage und An ti-<br />

Rassismus-Arbeit, die Gemein nützi ge Ent -<br />

wicklungszusammenarbeit GmbH (GEZA),<br />

das Österreichische Nord-Süd-Institut<br />

(ÖnSi), sowie die Hochschüler Innen schaft<br />

Universität für angewandte Kunst (HU-<br />

FAK).<br />

Ziel der Aktion war es, die Wienerin nen<br />

und Wiener dazu aufzurufen, gegen<br />

die dunkle Vergangenheit - für die der<br />

Kommers der Ewiggestrigen steht -<br />

symbolisch eine Kerze anzuzünden<br />

und dieses Licht am Samstag, dem 21.<br />

november <strong>2009</strong> abends ins Fenster zu<br />

stellen.<br />

Die initiatorin von „Wiener Lichter“,<br />

SPÖ-nationalratsabgeordnete und Be -<br />

reichssprecherin für Umwelt und globale<br />

Entwicklung, Petra Bayr hielt im<br />

Vorfeld der Aktion fest: „‘Wiener Lich -<br />

ter’ ist selbstverständlich ein gewaltloser<br />

Protest der Zivilgesellschaft gegen das offene<br />

Zuschautragen von intoleranter, reaktionärer<br />

und revisionistischer Geistes hal -<br />

tung, die wir <strong>als</strong> längst überwunden glaub -<br />

ten. ‘Wiener Lichter’ richtet sich klar gegen<br />

das Weltbild der Burschenschaften, das<br />

beim Kommers völlig ungeniert in die<br />

Öf fent lichkeit getragen wird. Welche Ab -<br />

grün de sich da auftun, das macht ein Blick<br />

auf Homepage der Burschenschaft ‘Olym -<br />

pia’ deutlich: Da liest man unter Punkt 4<br />

im Menübereich ‘Aktuelles’: ‘Es ist in den<br />

meis ten Berei chen (z.B. Intelligenz, Medi -<br />

zin, Sport, etc.) von Relevanz, von welcher<br />

biologischen Abstammung ein Mensch ist’<br />

oder unter Punkt 9: ‘Niemand hat uns verboten,<br />

Menschen unserer Herkunft im täglichen<br />

Leben bevorzugt zu behandeln.’ Ge -<br />

gen diese ausgrenzende, inhumane und an -<br />

timoderne Geisteshaltung - die aus solchen<br />

Zitaten offensichtlich wird - muss ein ge -<br />

waltloses Zeichen gesetzt werden und<br />

zwar für Demokratie, Humanität und<br />

Toleranz! Dafür steht ‘Wiener Lichter’!“<br />

Neue Mauthausen-Guides zur Sensibilisierung der Jugendlichen<br />

nach den Ereignissen im Frühjahr in Ebensee - mehrere Jugendliche hatten<br />

Besucher der Gedenkfeier im ehemaligen KZ-nebenlager attackiert - hat das<br />

maut hausen Komitee Österreich (mKÖ) eine initiative für mehr von Expert in -<br />

nen begleitete Besuche von Schülerinnen und Jugendliche gestartet. in den ver -<br />

gangenen monaten wurden dreißig Personen - Studierende, Betriebsrätinnen,<br />

Jugendarbeiterinnen - zu neuen „mauthausen-Guides“ ausgebildet und zertifiziert.<br />

Damit können jährlich rund 300 zusätzliche Begleitungen für 7.500 Ju -<br />

gendliche stattfinden. Die Hälfte der Guides sind Frauen, ein Fünftel haben einen<br />

migrationshintergrund.<br />

Horst-Wessel-Lied<br />

auf Diensttelefon<br />

Die Verwendung des von den natio -<br />

n<strong>als</strong>ozialisten in Deutschland benutzten<br />

Horst-Wessel-Lieds <strong>als</strong> Klingelton<br />

auf seinem Diensthandy hat für einen<br />

Beamten aus Berlin dienstrechtliche<br />

Konsequenzen.<br />

Aufgefallen war der Klingelton mit<br />

der verbotenen früheren nSDAP-<br />

Hym ne durch einen Zufall: Der Staats -<br />

bedienstete war im Februar in ei nem<br />

Kaufhaus beim Diebstahl er wischt<br />

worden. Als der Dieb von Po lizisten<br />

verhört wurde, klingelte plötzlich<br />

sein Handy mit dem Horst-Wessel-<br />

Lied <strong>als</strong> Klingelton. Gegen die Be -<br />

schlag nahmung des Handys wehrte<br />

sich der mann mit der Bemer kung,<br />

das dürften die Polizisten nicht, er sei<br />

schließlich Beamter. Das Lied war wäh -<br />

rend der nS-Herrschaft (1933-1945)<br />

eine der wichtigsten nazi-Hymnen.<br />

Internetadressen kz.de und ss.de<br />

wurden in Deutschland vergeben<br />

Bei der erstmaligen Vergabe von in -<br />

ternetadressen mit nur zwei Buch sta -<br />

ben hat die deutsche Registrierungs -<br />

stel le Denic auch mehrere Domains<br />

mit brisanten Kürzeln wie „kz.de“<br />

oder „ss.de“ vergeben. Registriert wur -<br />

den zudem die Adressen „sa.de“ und<br />

„hj.de“, wie Abfragen der Denic-Da -<br />

ten bank ergaben. Denic-Chefin Sabine<br />

Dolderer sagte dem nachrich ten ma -<br />

ga zin „Focus“ nach einem Vorab be -<br />

richt, diese Ent schei dung sei bewusst<br />

getroffen worden. „Wir haben uns für<br />

eine Freigabe entschieden, da die Begriffe<br />

<strong>als</strong> solches nicht rechtswidrig sind.“ in<br />

Kombination mit entsprechenden in -<br />

halten könnten sie hingegen „durchaus<br />

der Aufklärung dienen“. Rechts ex -<br />

tre me Absichten wiesen die Betreiber<br />

von „kz.de“ und „ss.de“ auf Anfrage<br />

von „Focus“ zurück. Demnach soll<br />

„kz.de“, das von einer Gastronomie -<br />

ge sellschaft aus norddeutschland re -<br />

gistriert wurde, für eine Ferienver mitt -<br />

lung verwandt werden. Für „ss.de“ ist<br />

demnach ein Shoppingangebot ge -<br />

plant. internetadressen mit „de“-<br />

Endung und nur zwei Buchstaben<br />

sind erst seit gut einer Woche möglich.<br />

in den ersten Tagen hatte es<br />

einen großen Ansturm auf die neuen<br />

Domain-namen gegeben.<br />

22 november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770


WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />

©Alle Fotos: R. Engel<br />

Wasser<br />

und<br />

Wein<br />

Das israelische Unternehmen Netafim ist<br />

Weltmarktführer bei Tropfen-Bewässe -<br />

rung systemen – und hält auch im österreichischen<br />

Weinbau die klare Führungs -<br />

position. Ein Lokalaugenschein bei ei -<br />

nem Spitzenweingut.<br />

VON REINHARD ENGEL<br />

Josef Umathum spricht über seine Wein -<br />

stöcke wie ein anderer über ein ge -<br />

liebtes Haustier oder eines seiner zahl -<br />

reichen Kinder: „Die Pflanzen sind ja<br />

sehr intelligent,“ erklärt der Rotwein -<br />

bau er aus dem burgenländischen<br />

Frau enkirchen. „Man darf sie nicht verwöhnen,<br />

auch nicht mit Wasser. Sonst<br />

werden sie bequem und bilden ihre Wur -<br />

zelballen zurück.“<br />

Dennoch hat Umathum von seinen 25<br />

Hektar Weingärten im Seewinkel rund<br />

die Hälfte mit Bewässerungs systemen<br />

bestückt. „Das ist eine Art Versiche rung.<br />

Die letzten paar Jahre haben wir gar nicht<br />

WIRTSCHAFT<br />

november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770 23


WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />

aufgedreht. Heuer war es nach dem regnerischen<br />

Sommer im Herbst dann so<br />

trocken, dass wir die Bewässerung ge -<br />

braucht haben.“ Zuerst war der Regen<br />

ausgeblieben, dann hätte ein warmer<br />

Südwind die Trauben beinahe vor der<br />

Reife schon am Stamm zu Rosinen<br />

gedörrt. mit der Bewässerung konnte<br />

der Weinbauer die Ernte retten – und<br />

<strong>2009</strong> sollte jetzt auch von der Qualität<br />

her ein gutes Ergebnis bringen.<br />

Umathum führt seine Anlage vor, die<br />

vom Weltmarktführer stammt, dem<br />

israelischen Unternehmen Netafim<br />

(siehe Kasten). Etwa auf Kniehöhe<br />

sind entlang der Reihen der Wein re -<br />

ben schwarze fingerdicke Schläu che<br />

gespannt. Warum liegen diese nicht<br />

direkt am Boden? „In manchen Län -<br />

dern wird mit Unkrautvertilgungs mittel<br />

gearbeitet, dort kann man die Schläuche<br />

auf die Erde legen. Wir haben eine biologische<br />

Arbeitsweise, da würden wir mit<br />

den Bearbeitungsgeräten die Schläuche<br />

zerstören,“ so Umathum. Jetzt sind sei -<br />

ne einzigen Feinde Plastikna schen de<br />

Feldmäuse und die zahlreichen Jäger,<br />

deren Schrotschüsse immer wieder<br />

auch anderes treffen <strong>als</strong> Rebhühner<br />

oder Fasane.<br />

Umathum nutzt eine eher einfache<br />

Version der Tröpfchen-Bewässerung.<br />

Er beobachtet seine Weingärten, mit<br />

eigenen Augen und auch mit meß-<br />

Sonden, das Wasser dreht er selber<br />

auf. Andere Anlagen verknüpfen die se<br />

Da ten und schalten sich selbst, automatisch<br />

ein, wenn die Sensoren zu<br />

wenig Bodenfeuchtigkeit melden.<br />

Alle 80 Zentimeter hat der schwarze<br />

Schlauch eine kleine Öffnung, aus<br />

dieser tropft dann das Wasser, nach ge -<br />

nau definierten mengen. „Bei uns sind<br />

das etwa 1,6 Liter pro Stunde.“<br />

Die Öffnungen entsprechen aber nicht<br />

genau dem Abstand der einzelnen<br />

Reb stöcke voneinander. Uma thum:<br />

„Wir legen eine Art Wasserstraße den<br />

Reihen entlang.“ Er pumpt das Grund -<br />

wasser selbst mit einer Pumpe herauf.<br />

Warum er das israelische System<br />

benutzt? „Vor allem, weil es wartungsfrei<br />

ist.“ Hinter den Löchern im<br />

Schlauch steckt das eigentliche Hightech-Geheimnis:<br />

Eine kleine mem -<br />

bran sorgt eben genau für die vorgegebene<br />

Wassermenge, und sollte sich<br />

dieses feine Gitter verstopfen, wird<br />

ein Vakuum aufgebaut, und die Sand -<br />

körner oder Kalkpartikel werden selb -<br />

ständig weggeschwemmt. Uma thum:<br />

„Die Anlage sollte etwa so lange halten<br />

wie der Weingarten alt wird, rund 30<br />

Jahre.“<br />

Umathum ist in Österreich nicht der<br />

einzige Weinbauer, der auf diese Tech -<br />

nologie setzt. „Heute ist sie bei uns im<br />

Seewinkel bei unseren sandigen Böden ei -<br />

gentlich schon Standard geworden. Prak -<br />

tisch alle jungen Weingärten haben Tröp -<br />

fchen-Bewässerung und ein Gutteil der<br />

älteren auch, wo es eben notwendig ist.“<br />

Schwarze fingerdicke Schläu che auf Kniehöhe<br />

Die Grundelemente: Wasserhahn, schwarze Schläuche mit regelmäßigen Löchern und die kleine Membran dahinter.<br />

24 november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770


WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />

Vom Kibbuz auf den Weltmarkt<br />

im Jahr 1965 errichtete der Kibbuz Hatzerim<br />

inmitten der israelischen Wüs te eine erste<br />

Produktionsstätte für Anlagen zur Tröp fc hen -<br />

bewässerung. Der Wassertechnik-ingenieur<br />

Simcha Blass hatte ein Patent für die regelmäßige<br />

Versorgung von Pflanzen mit dem<br />

lebensnotwendigen nass gefunden.<br />

Heu te ist netafim, an dem nach wie vor drei Kibbuzim beteiligt sind, aber<br />

auch private investmentfonds, ein globales Unternehmen. im Vorjahr wurden<br />

US$ 600 mio. umgesetzt, 2.300 mitarbeiter sind weltweit beschäftigt.<br />

netafim verkauft sein System in 121 Ländern, es gibt 30 Auslands-Töchter,<br />

darunter Produktionsstätten in den USA, in Australien, indien, Brasilien,<br />

Südafrika, China, Frankreich und der Türkei. Die Herzstücke der Anlagen,<br />

die membrane, stammen aber ausschließlich aus der israelischen Fabri ka tion.<br />

Der Weinbau ist wohl ein wichtiges Kundensegment von netafim, aber bei<br />

weitem nicht das einzige. Geliefert wird an Gemüse- und Obstbauern, für<br />

Olivenhaine, Kartoffelfelder und Gewächshäuser, in denen Tomaten oder<br />

Gurken gezogen werden. Die globalen Zahlen sind beeindruckend: 86 mrd.<br />

Tropfer sind weltweit im Einsatz, rund vier millionen Hektar landwirtschaftlicher<br />

Fläche werden mit den Anlagen des israelischen Unternehmens<br />

bewässert.<br />

Josef Glatt von der österreichischen<br />

Landwirtschaftskammer schätzt, dass<br />

von den 50,000 Hektar österreichischer<br />

Rebflächen „etwa zehn bis 15<br />

Prozent“ solche Anlagen installiert<br />

haben. „In manchen Gebieten regnet es<br />

ohnehin genug, etwa in der Steiermark,<br />

da brauchen sie es nicht.“ Franz Wanne -<br />

macher, der <strong>als</strong> Gebietsbetreuer der nie -<br />

derösterreichischen Firma Parga die<br />

mehrzahl der israelischen netafim-<br />

Bewässerungsanlagen im Burgenland<br />

verkauft hat, bestätigt diese Rech -<br />

nung: „Etwa die Hälfte der Weingärten<br />

in Österreich würde eine Bewässerung<br />

brauchen, aber nicht überall gibt es ge -<br />

nug Grundwasser oder Flüsse oder Bäche<br />

in der Nähe. Da trifft etwa auf das Wein -<br />

viertel zu. Insgesamt werden in Österreich<br />

rund 9000 Hektar bewässert.“ Damit<br />

liegt Österreich in Relation zur Reb -<br />

flä che international weit vorne, etwa<br />

deutlich vor südlichen Ländern wie<br />

Spanien oder italien. Und von diesen<br />

vielen Anlagen hat netafim mehr <strong>als</strong><br />

70 Prozent verkauft, den Rest teilen<br />

sich andere israelische Anbieter so wie<br />

solche aus italien, Frankreich und<br />

Aus tralien.<br />

Das Bewässern von Weingärten hat<br />

nicht nur Freunde. in manchen Län -<br />

dern, etwa in Frankreich, ist es überhaupt<br />

verboten. Das Argument dabei<br />

lautet, man verwässere den Wein qua -<br />

si schon am Stock. Qualitäts win zer<br />

Umathum gesteht zu, dass das prinzipiell<br />

möglich wäre: „Wenn ich den<br />

Pflanzen früh in ihrer Wachstumsphase<br />

viel Wasser gebe, dann entwickeln sie riesige<br />

Trauben, wie Luftballons. Aber die<br />

haben dann kaum Geschmack.“ Gerade<br />

in Österreich hat sich der Schwer punkt<br />

des Weinbaus nicht erst seit dem Wein -<br />

skandal deutlich weg von der mas sen -<br />

produktion und hin in Richtung hö -<br />

here Qualitäten verschoben. Und da<br />

bekommt die Bewässerung ganz an -<br />

dere Aufgaben, <strong>als</strong> bloß die mengen<br />

zu erhöhen. Umathum: „Wenn die<br />

Pflanze zu viel Trockenstress hat, dann ist<br />

sie für den Winter geschwächt, im schlimm -<br />

sten Fall kann sie auch kaputtgehen.“<br />

Die ersten, die in Österreich in den<br />

frühen 90er Jahren mit der Tröpfchen -<br />

be wässerung experimentierten, wa ren<br />

Wachauer Weinbauern, die auf ihren<br />

steinigen Terrassen über der Donau<br />

vor allem Rieslinge und Grüne Velt -<br />

liner auspflanzen. „Richtig losgegangen<br />

mit dem Boom ist es dann Ende der<br />

90er,“ erinnert sich der Lieferant Wannemacher.<br />

Ein großer Anreiz, in die<br />

neue Technologie zu investieren, kam<br />

von staatlichen und europäischen För -<br />

derungen. Das Burgenland war einige<br />

Jahre lang Ziel-Eins-Gebiet der EU, da -<br />

m<strong>als</strong> wurden 75 Prozent der Kosten<br />

ge fördert, den Bauern blieb nur ein<br />

Viertel, heute steht die Relation 50:50.<br />

Dabei kauften nicht alle Weinbauern<br />

eine eigene Einzel-Anlage wie Josef<br />

Umathum. manche schlossen sich zu<br />

Wassergemeinschaften zusammen, sei<br />

es in Abschnitten der Wachau, sei es<br />

im Burgenland, in Gols oder in ilmitz.<br />

Der Vorteil liegt darin, dass es nur<br />

einen einzigen Brunnen braucht, und<br />

wenn nicht alle gleichzeitig bewässern,<br />

sind auch nicht Rohre und Pum -<br />

pen der größten Kapazität notwendig.<br />

im Hintereinander liegt aber auch das<br />

Potential für Zank und Hader: Ge rade<br />

wenn es trocken ist, muss dann das<br />

eine oder andere mitglied der Genos -<br />

sen schaft warten, bis es endlich an<br />

der Reihe ist.<br />

Selbst wenn ein Großteil der Wein ber -<br />

ge, die das Wasser am notwendigsten<br />

haben, in Österreich bereits erschlossen<br />

ist, sieht der Anbieter Wanne ma -<br />

cher noch genug Potential für weitere<br />

Anlagen: „Unser Hoffnungsgebiet liegt<br />

jetzt südlich von Wien, in der Ther men -<br />

re gion.“ Kräftige Unterstützung kommt<br />

dabei von den Klimaveränderungen.<br />

Netafim-Gebäude im Kibbuz<br />

Hatzerim.<br />

„Es ist heute tatsächlich anders <strong>als</strong> vor 30<br />

Jahren,“ bestätigt Weinbauer Uma -<br />

thum. „Zwar fällt heuer im gesamten Jah -<br />

resverlauf nicht unbedingt weniger Re gen<br />

<strong>als</strong> dam<strong>als</strong>, aber das Wetter ist un be stän -<br />

diger geworden, auf heftige Un wet ter folgt<br />

dann wieder Trockenheit.“ Da mit er<br />

dann seine großen Roten – etwa den<br />

Haideboden – keltern kann, dreht er<br />

den Wasserhahn auf. Ohne die Reb -<br />

stöcke gleich zu verwöhnen.<br />

Josef Umathum liebt seine Weinstöcke –<br />

verwöhnt sie aber nicht.<br />

november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770 25


WIRTSCHAFT • ISRAEL<br />

Ab 2010 keine Zölle auf<br />

israelische Lebensmittel<br />

in der EU<br />

israel und die Europäische Union<br />

haben am 4.11.<strong>2009</strong> ein neues Land -<br />

wirt schaftsabkommen unterzeichnet.<br />

nach einem langen Verhand lungs -<br />

vor lauf aktualisiert es das ursprüngliche<br />

Abkommen von 1970.<br />

Der Zugang zu den märkten wurde<br />

für beide Seiten erheblich erleichtert.<br />

im verarbeiteten Agrarsektor werden<br />

nun 95% aller Produkte von Steuern<br />

und Abgaben befreit. im Frischwa ren -<br />

bereich entfallen die Zollbestim mun -<br />

gen für 80% der Produkte.<br />

Das Abkommen wurde von israels<br />

Botschafter bei der EU, Ran Curiel,<br />

und von Schwedens Botschafter Chris -<br />

tian Danielsson unterzeichnet. Es stellt<br />

ein weiteres Element in der langen<br />

Reihe bestehender Abkommen zwischen<br />

israel und der EU dar, zu der<br />

das israel-EU-Assoziierungsab kom -<br />

men und zahlreiche andere Partner -<br />

schaftsverträge gehören.<br />

Europa ist der bei weitem wichtigste<br />

Handelspartner israels im Agrar bereich.<br />

mehr <strong>als</strong> 25% aller landwirtschaftlichen<br />

Produkte und mehr <strong>als</strong><br />

75% aller Frischwaren aus israel werden<br />

in die EU exportiert.<br />

Start-Up Nation.<br />

The Story of Israel’s Eco -<br />

nomic Miracle heisst das<br />

Buch von Dan Senor<br />

und Saul Singer, das is -<br />

raels beispiellosen wirt -<br />

schaftlichen Erfolg er -<br />

klärt (erschienen bei<br />

Twelve Books, iSBn 978-0446539258).<br />

Einer der Gründe war der arabische<br />

Boykott israels. Er zwang die israelischen<br />

Unternehmen zur Entwicklung<br />

von extrem attraktiven Produkten,<br />

um weltweit die Angst vor den<br />

Boykottdrohungen zu überwinden.<br />

Avo ca do-Export <strong>2009</strong><br />

50.000 Tonnen erreicht israels Avo ca -<br />

do-Export <strong>2009</strong>. Die Steigerung um<br />

sagenhafte 50% gegenüber dem Vor -<br />

jahr führen Experten auf perfekte Wet -<br />

terbedingungen in israel, den außerordentlichen<br />

nährstoffgehalt und<br />

den biologischen Anbau zurück.<br />

© Dylan Schweizer<br />

Israels neuer Exportschlager<br />

Ganz unverhofft ist israel zum weltweit<br />

größten, ja eigentlich einzigen<br />

Ex portland von nilpferden geworden.<br />

Dahinter steht der beliebte Safari-Zoo<br />

in Ramat-Gan, der in den vergangenen<br />

monaten mehr <strong>als</strong> ein Dutzend<br />

der Paarhufer an Zoos auf der ganzen<br />

Welt verkauft hat.<br />

„Es gibt keinen Profit in diesem Export -<br />

be reich, aber ohne Zweifel sind wir ein<br />

ein zigartiger Zoo, denn normalerweise<br />

ha ben Zoos nur eine kleine Anzahl von<br />

Flusspferden“, sagt Sagit Horowitz,<br />

die Sprecherin des Rama Gan Safari-<br />

Parks unweit von Tel Aviv. Bei einem<br />

Bestand von mehr <strong>als</strong> 40 nilpferden<br />

und einer hohen Geburtsrate war der<br />

Zoo gezwungen einen Weg zu finden,<br />

um die Population herunterzuschrauben.<br />

Bislang sind 14 nilpferde auf dem<br />

Luft- oder Seeweg nach Kasachstan,<br />

Russland, Vietnam, in die Ukraine<br />

und in die Türkei geliefert worden.<br />

Und die nachfrage lässt nicht nach.<br />

Dabei gestaltet sich der Transport<br />

nicht immer einfach: Die bis zu 3.5<br />

Tonnen schweren Tiere können nur<br />

betäubt werden, wenn sie schlafen.<br />

Ansonsten rennen sie nach der Sprit ze<br />

ins Wasser, wo man sie dann nicht<br />

mehr fangen kann. Sobald das nil -<br />

pferd bewusstlos ist, wird es mit ei nem<br />

Bagger in einen Container verladen.<br />

Touristenrekord im Oktober<br />

Laut aktuellen Angaben des Tou ris -<br />

musministeriums sind im vergangenen<br />

Oktober 330.000 Urlauber nach<br />

israel gereist – ein bislang unerreichter<br />

Rekord. Gegenüber dem Vorjah res -<br />

mo nat bedeutet dies einen Anstieg<br />

von ganzen 9%.<br />

Seit Beginn des Jahres bis einschließlich<br />

Oktober waren in israel 2.3 mio.<br />

Touristen aus dem Ausland zu Gast;<br />

das sind so viele wie im gesamten<br />

Jahr 2007. im Jahr 2008 sind im gleichen<br />

Zeitraum allerdings noch mehr<br />

Urlauber zu verzeichnen gewesen.<br />

israels Tourismusminister Stas Mise -<br />

zh ni kov erklärte, noch ein größeres<br />

Wachstum der Branche erzeugen zu<br />

wollen. im marketing-Bereich gebe es<br />

noch nachholbedarf.<br />

ESL bald auch in Israel<br />

vertreten<br />

Die Welt weite Computerspiele-Liga<br />

Electronic Sports League (ESL) soll<br />

künf tig auch in israel vertreten sein.<br />

Ausgerichtet werden sollen die Tur -<br />

niere vom israelischen Gaming- und<br />

Jugendportal Vgames.<br />

Die ESL, Europas größte Liga für Com -<br />

puterspieler, ist bereits in zahlreichen<br />

Ländern vertreten. nun blickt man<br />

über den europäischen Teller rand und<br />

will ab Januar 2010 auch in israel<br />

eSport-Turniere ausrichten. im Rah -<br />

men der nun beschlossenen Koo pera -<br />

tion übernimmt Vgames <strong>als</strong> Li zenz part -<br />

ner Aufbau und Betreu ung einer isra -<br />

e lischen Sektion im weltweiten Por tal<br />

der Electronic Sports League (ESL).<br />

Künftig werden israelische Spieler sich<br />

auch für internationale Turniere wie<br />

die Intel Extreme Masters qualifizieren<br />

und dort um die (teilweise sehr be -<br />

achtlichen) Preisgelder spielen können.<br />

nach Angaben von Veranstalter<br />

Turtle Entertainment wird die ESL is -<br />

ra el „alle populären eSport-Titel unterstützen<br />

und sich an Gelegenheitsspieler<br />

und Profis gleichermaßen richten“. im<br />

Profi-Bereich werden wahrscheinlich<br />

vor allem Spiele wie Counter-Strike,<br />

Warcraft 3, aber auch FiFA gespielt<br />

werden, die sich in allen mitglie ds län -<br />

dern der ESL großer Beliebtheit er -<br />

freuen.<br />

26 november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770


WISSENSCHAFT • ISRAEL<br />

Forschungsvertrag<br />

mit<br />

Ben-Gurion<br />

Universität<br />

Die curasan AG (Produzent und Ver -<br />

trei ber aus dem Bereich der Rege ne ra -<br />

tiven medizin) gab bekannt, dass sie<br />

einen Forschungs- und Entwick lungs -<br />

vertrag mit der Ben-Gurion Uni ver si -<br />

tät (BGU) in israel unterzeichnet hat.<br />

Wie der Spezialist für Knochen- und<br />

Geweberegeneration mitteilte, geht es<br />

in dem vom Bundesministerium für<br />

Bildung und Forschung geförderten<br />

Projekt um die Entwicklung spezieller<br />

Trä germaterialien zur Knochenregene ra -<br />

ti on. Unter der Leitung von Dr. Hanna<br />

Rapaport, Fakultät für Biotechnologie<br />

an der BGU, sei eine neue Eiweiß ma -<br />

trix entwickelt und patentiert worden,<br />

die den Knochenregenera tions pro zess<br />

erheblich beschleunigen könne. in<br />

Kooperation mit curasan solle diese<br />

matrix mit einem anorganischen Trä -<br />

ger verbunden werden, um daraus<br />

spä ter eine Reihe von Knochen rege -<br />

ne rationsmaterialien für den orthopädischen<br />

und zahnmedizinischen Ein -<br />

satz herzustellen.<br />

Wie die Gesellschaft mitteilte, wird sie<br />

von den 1,48 mio. Euro Förder gel dern<br />

900.000 Euro in die Arbeit des israelischen<br />

Forschungsteams investieren.<br />

im Gegenzug habe sich curasan für<br />

alle aus der Kooperation hervorgehenden<br />

Produkte das Vorrecht auf ex -<br />

klusive Lizenznahme gesichert.<br />

Wissenschaftliche Veröffent -<br />

lichungen: Platz 4 für Israel<br />

Was die Zahl wissenschaftlicher Ver -<br />

öffentlichungen pro Kopf angeht, be -<br />

legt israel weltweit den 4. Platz. Dies<br />

belegen Angaben, die der Rat für hö -<br />

here Bildung auf einer Konferenz an<br />

der Bar-ilan-Universität bekannt ge -<br />

geben hat.<br />

Die sich auf das Jahr 2005 beziehenden<br />

Daten positionieren israel gleich<br />

hinter der Schweiz, Schweden und<br />

Dä nemark. Dahinter folgen Finnland,<br />

die niederlande und Kanada. Die<br />

USA erreichen Rang 12 und Deutsch -<br />

land Rang 15.<br />

insgesamt wurden im Jahr 2005 6.309<br />

wissenschaftliche Aufsätze in israel<br />

publiziert; das sind 0.89% aller weltweit<br />

veröffentlichten Artikel. israels<br />

wissenschaftspublizistischer Ausstoß<br />

ist somit um 10 mal größer <strong>als</strong> sein<br />

Anteil an der Weltbevölkerung.<br />

noch beeindruckender ist die Fre -<br />

quenz, mit der israelische Artikel von<br />

Kollegen zitiert werden. So sind etwa<br />

die 148 Veröffentlichungen des Che mi -<br />

kers Avram Hershko vom Tech ni on in<br />

Hai fa, der 2004 den Chemie-no bel -<br />

preis gewann, mehr <strong>als</strong> 16.000 mal zi -<br />

tiert worden. „Der Wettbewerb um<br />

Stel len wächst in Israel, und die Beförde -<br />

rungs prozeduren sind sehr rigide, wes -<br />

we gen die Leute von vornherein viel<br />

publizieren“, sagt Meir Zadok, der Di -<br />

rektor der is rae li schen Aka demie der<br />

Wis sen schaf ten. „Außer dem gibt es sehr<br />

star ke Traditionen von Qualität an der<br />

israelischen Uni ver si tät.“<br />

Universität in der Eisenbahn<br />

Wer in israel an einer akademischen<br />

Vorlesung teilnehmen will, braucht<br />

ab sofort nicht mehr in die Univer si tät<br />

zu gehen. Er kann sich auch in einen<br />

Zug setzen und während der Fahrt<br />

wissenschaftliche Vorträge zu unterschiedlichen<br />

Themen hören. Bei dem<br />

Projekt arbeiten die Hebräische Uni -<br />

ver sität Jerusalem und die israe lische<br />

Bahn zusammen. Die Teilnahme<br />

selbst ist kostenfrei, bis auf den Preis<br />

für die Fahrkarte. Die Vorträge dauern<br />

20 minuten, dann ist etwa zehn mi -<br />

nuten lang Zeit für Fragen an den Do -<br />

zenten. Wer zu spät kommt, verpasst<br />

den Zug und damit auch die Vor le -<br />

sung. Der erste Vortrag in der Bahn, –<br />

Abfahrt 9.43 Uhr aus modi´in, An kunft<br />

um 10.28 Uhr in Tel Aviv – wude von<br />

Physikprofessor Hanoch Gottfreund ge -<br />

halten. Er sprach über die Liebes brie fe<br />

Albert Einsteins. „Jeder in diesem Wag -<br />

gon ist heute eine Versuchs maus, und ich<br />

bin ein Versuchs kanin chen“, sagte der<br />

frühere Rektor der He brä i schen Uni -<br />

ver sität in seiner ungewöhnlichen<br />

Vor lesung. „Wir haben niem<strong>als</strong> so etwas<br />

getan. Ich habe nie vor einem Publikum<br />

ge sprochen, in dem manche Leute mit<br />

dem Rücken zu mir saßen. Aber wir hoffen,<br />

dass wir, die wir normalerweise abgesondert<br />

an der Universität sind, auf diese<br />

Weise eine breitere Öffentlichkeit erreichen.“<br />

Bezug zwischen Relativitätstheorie und<br />

Eisenbahn<br />

Gottfreund fügte hinzu: „Die Rela ti vi -<br />

täts theorie ist immer mit Zügen verbunden.<br />

Einstein sagte, wenn wir in einem<br />

Zug sind, dessen Fenster abgedichtet sind<br />

(und dessen Gleise und Räder gut ge -<br />

schmiert sind), so dass die Passagiere die<br />

vorbeifliegenden Bäume nicht sehen, dann<br />

kann kein wissenschaftliches Experiment<br />

den Passagieren mitteilen, ob sie sich be -<br />

we gen. Diese Annahme Einsteins ist die<br />

Grundlage für alles, was folgte - einschließlich<br />

der ganzen Theorie von der<br />

speziellen Relativität, einschließlich der<br />

Formel E=MC². Es gibt <strong>als</strong>o wirklich<br />

einen besonderen Grund, in einem Zug<br />

über Einstein zu sprechen.“<br />

Die wissenschaftliche Arbeit des Phy -<br />

siknobelpreisträgers habe sich auch<br />

in dessen Liebesbriefen niedergeschlagen,<br />

teilte der Einstein-Experte<br />

mit. „Wir würden Briefe wie die von<br />

Einstein nicht in der Generation der Mo -<br />

bi ltelefon-Textnachrichten sehen. Ihre<br />

Ge neration verpasst dies.“ Er fuhr fort:<br />

„Neben den intimen Äußerungen in je dem<br />

Liebesbrief gibt es Zeugnisse seines Nach -<br />

sinnens über Themen aus der Welt der<br />

Phy sik, das er mit den Frauen teilte, die<br />

er liebte.“<br />

Öffentlichkeit und Akademie verbinden<br />

Aus der Hebräischen Universität hieß<br />

es laut der Tageszeitung ‘ma´ariv’:<br />

„Un ser Ziel ist es, den Campus zu verlassen<br />

und die breite Öffentlichkeit zu er -<br />

rei chen. Wir werden auch an unge wöhn li -<br />

chen Orten mit der Öffentlichkeit zu sam -<br />

mentreffen und sie mit dem verbinden,<br />

was in der Akademie geschieht. Aus Sicht<br />

der Bahn gibt es einen Mehrwert für die<br />

Passagiere, und aus unserer Sicht gibt es<br />

ein erwünschtes Zusammentreffen zwischen<br />

den Akademiechefs und der Öffentlichkeit.“<br />

Die Passagiere reagierten zufrieden<br />

auf die erste Eisenbahn-Vorlesung:<br />

„Vie le von uns haben davon geträumt,<br />

Uni versitätsvorlesungen zu hören, aber<br />

ha ben keine Zeit dafür“, sagte eine Rei -<br />

sende gegenüber der Zeitung ‘Ha´a-<br />

retz’. „Wenn die Universität zu uns<br />

kommt, umso besser.“ Ein anderer Pas -<br />

sagier bemerkte: „Ich habe den Zug um<br />

8.43 Uhr verpasst, aber ich habe dies ge -<br />

wonnen: Eine halbe Stunde lang, statt in<br />

der Zeitung zu lesen, gab es eine faszinierende<br />

Vorlesung.“<br />

Auf die Frage, wie viele Fahrten für<br />

einen akademischen Abschluss benötigt<br />

würden, antwortete Professor<br />

Gottfreund: „Es kommt darauf an, wie<br />

schnell der Zug fährt.“<br />

inn<br />

WISSENSCHAFT<br />

november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770 27


JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

Panorama<br />

Kurznachrichten aus der jüdischen Welt<br />

Quelle: JTA/Guysen u.a.; Übersetzung: Karin Fasching/Foto:©JTA u.a.<br />

JÜDISCHE WELT<br />

israel und indien vereinbaren<br />

waffenliefervertrag<br />

Die staatliche israel Aerospace indus -<br />

tries Ltd. wird bis 2017 das taktische<br />

Luftraumverteidigungssystem Barak 8<br />

im Wert von US$ 1,1 mrd. an indien<br />

liefern. israel ist indiens größter Lie fe -<br />

rant von Verteidigungseinrich tun gen.<br />

Erst im August war ein Vertrag zur<br />

Bereitstellung von 18 SPYDER Luft -<br />

raumverteidigungssystemen im Wert<br />

von US$ 1 mrd. unterzeichnet worden.<br />

erste torah für militärrabbiner<br />

Eine Gruppierung jüdischer militär -<br />

rab biner in den USA verfasst sechs<br />

klei ne, besonders leichte Torahrollen,<br />

die problemlos in Kriegsgebiete mitgenommen<br />

werden können. Her kömm -<br />

liche Torahrollen wären dafür zu<br />

schwer und zu sperrig.<br />

mehr <strong>als</strong> 10.000 jüdische männer und<br />

Frauen stünden derzeit im Dienst der<br />

US-Armee, sechs davon seien in den<br />

vergangenen 12 monaten bei militär -<br />

ein sätzen getötet worden, so die Grup -<br />

pierung.<br />

sydneys jüdisches zentrum<br />

wird geschlossen<br />

Der Hakoah Club, das soziale, kulturelle<br />

und sportliche Zentrum der Ju -<br />

den von Sydney, wird nach mehr <strong>als</strong><br />

30 Jahren geschlossen. Ein wachsender<br />

Schuldenberg und schwindende<br />

mitgliederzahlen haben das Ende der<br />

vierstöckigen institution nahe des<br />

Bondi Beach eingeläutet.<br />

Der Club war 1975 von Frank Lowy<br />

erbaut worden; 1982 explodierte dort<br />

eine vermutlich palästinensische Bom -<br />

be, zum Glück gab es weder Tote noch<br />

Verletzte; unter der Präsidentschaft<br />

von Frank Lowy avancierte die Ha -<br />

koah zu einer von Australiens besten<br />

Fußballmannschaften, das Zentrum<br />

florierte. 2007 wurde das Areal verkauft<br />

und soll nun in ein Strandhotel<br />

umfunktioniert werden. Für das jüdische<br />

Zentrum konnte bisher kein neu -<br />

er Standort gefunden werden.<br />

israelischer gesandter<br />

für Neuseeland<br />

Shemi Tzur wird der erste israelische<br />

Ge sandte in neuseeland seit der<br />

Schließung der Botschaft im Jahr 2002<br />

sein. Tzur war bereits <strong>als</strong> Botschafter<br />

in Zypern, Finnland und Estland tä tig.<br />

Die Botschaft in Wellington war 2002<br />

aus Kostengründen aufgelassen worden.<br />

Überdies waren die Beziehun gen<br />

zwischen israel und neuseeland 2004<br />

erkaltet, <strong>als</strong> zwei mutmaßliche mos -<br />

sad agenten für den Versuch der illegalen<br />

Erwerbung eines neuseeländischen<br />

Passes inhaftiert wurden.<br />

Kanada repräsentiert israel<br />

in Venezuela<br />

nachdem Venezuelas Regierung aufgrund<br />

des Gazakrieges die gesamte<br />

israelische Botschaft des Landes verwies<br />

und die Beziehungen zu israel<br />

einfror, war es für venezuelanische<br />

Juden ohne israelischen Pass schwierig<br />

gewesen, nach israel zu reisen. Sie<br />

mussten den Umweg nach Bogota,<br />

Co lombia oder miami machen, um<br />

ein Visum für israel zu erhalten.<br />

nun übernimmt die kanadische Bot -<br />

schaft in Venezuela diese Aufgabe<br />

und wird <strong>als</strong> Anlaufstelle für israel<br />

betreffende Anliegen fungieren.<br />

©GPO<br />

Präsident Peres und äthiopische<br />

Juden begehen sigd-feiertag<br />

Die in israel lebenden äthiopischen<br />

Ju den begingen den Sigd-Feiertag ge -<br />

meinsam mit israels Präsident Shi mon<br />

Peres in dessen Residenz in Je ru sa lem.<br />

Dies war das erste mal, dass ein israelischer<br />

Präsident den jüdisch-äthiopischen<br />

Feiertag, der die Sehn sucht nach<br />

der Rückkehr nach Jerusa lem und<br />

Zion markiert, würdigte.<br />

mehr <strong>als</strong> 250 Personen, darunter mi -<br />

nis ter, Knesset-Abgeordnete, Geist li -<br />

che uvm., nahmen an den Feierlich -<br />

kei ten teil.<br />

Jemenitische Juden evakuiert<br />

in einer Geheimaktion des US State<br />

Department sind seit Juli dieses Jah -<br />

res insgesamt 60 jemenitische Juden<br />

in die USA gebracht worden. Weitere<br />

100 sollen in den kommenden mo na -<br />

ten folgen.<br />

Vor der Operation lebten etwa 350 Ju -<br />

den im Jemen. Abgesehen von jenen,<br />

die in die USA gebracht werde, wollen<br />

weitere 120 nach israel ausreisen.<br />

nur 30 jemenitische Juden wollen in<br />

ihrem Heimatland bleiben.<br />

Die Situation für Juden im Jemen verschlechterte<br />

sich in den letzten Jahren<br />

zusehends, es kam zu Diskrimi nie rung<br />

und gewalttätigen Ausschreitungen.<br />

im Dezember 2008 wurde ein jemenitischer<br />

Jude durch einen moslem ge -<br />

tötet.<br />

Neue Chanukkabriefmarke <strong>2009</strong><br />

Die US-amerikanische Post brachte<br />

zum dritten mal eine Chanukka brief -<br />

marke mit einer Auflage von 35 mio.<br />

Stück heraus. Darauf ist das Foto ei -<br />

ner menorah mit neun entzüdeten<br />

Kerzen zu sehen.<br />

Die erste Chanukkabriefmarke zu eh -<br />

ren des jüdische Lichterfestes war 1996<br />

produziert worden, die zweite im<br />

Jahr 2004.<br />

historischer friedhof in Venezuela<br />

wird restauriert<br />

Der 177 Jahre alte jüdische Friedhof<br />

in Coro, Venezuela, etwa sechs Auto -<br />

stunden westlich von der Hauptstadt<br />

Caracas gelegen, soll nach 40 Jahren<br />

des Verfalls nun grundlegend restauriert<br />

werden. Die Venezuelanisch-is ra -<br />

elitische Vereinigung, das Zentrum für<br />

Sephardische Studien und das Bau un -<br />

ter nehmen Constructora Sam bil von<br />

Salomon Cohen beteiligen sich an<br />

28 november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770


JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

dem Projekt. Von der ehem<strong>als</strong> 200<br />

mitglieder zählenden jüdischen Ge -<br />

mein de von Coro sind nur noch 2 mit -<br />

glieder übrig ge blieben. Die jüdische<br />

identität war Schritt für Schritt durch<br />

Assimilation verloren gegangen. Ältere<br />

Gemein den in Brasilien, Surinam und<br />

Curacao, deren Geschichte bis ins 18.<br />

Jahr hun dert zurückreicht, sind längst<br />

verschwunden.<br />

holocaust-Überlebende:<br />

erhöhtes Krebsrisiko<br />

Eine Studie der Universität von Haifa,<br />

die die Krebserkrankungen von<br />

300.000 in Europa geborenen Juden,<br />

die noch vor dem Zweiten Weltkrieg<br />

nach israel auswanderten mit den Da -<br />

ten jener verglich, welche erst nach<br />

dem Zweiten Weltkrieg emigrierten,<br />

er gab für diese Gruppen ein wesentlich<br />

höheres Krebsrisiko, <strong>als</strong> bei anderen<br />

jüdischen und nichtjüdischen Be -<br />

völ kerungsgruppen in israel.<br />

So haben Holocaustüberlebende beider<br />

Geschlechter eine um 17 % höhere<br />

Wahrscheinlichkeit an allen Arten von<br />

Krebs – vor allem Brustkrebs, Lun gen -<br />

krebs und Kolorektalkrebs – zu er -<br />

kran ken. Je jünger die Person während<br />

des Holocaust war, umso höher ist<br />

auch ihr Krebsrisiko.<br />

anzügliche refaeli-Plakate ersetzt<br />

nach Beschwerden aus der Ortho do -<br />

xen Gemeinde wurden Plakate in Tel<br />

Aviv, die das israelische Topmodel Bar<br />

Refaeli, nur leicht mit einem Tuch ver -<br />

hüllt, im Bett mit „Survivor“-Star No am<br />

Tor zeigen, mit weniger anzügli chen<br />

motiven ersetzt. Tor und Re fa e li werben<br />

nun in Winter klei dung für eine<br />

be kannte Kleidermarke.<br />

Nachkommen chinesischer Juden<br />

in israel<br />

Sieben junge Erwachsene, nachfah ren<br />

von mitgliedern der jüdischen Ge mein -<br />

de von Kaifeng, kamen nach is ra el um<br />

dort ein Jahr lang Hebräisch zu studie -<br />

ren und zu konvertieren. Dies wurde<br />

von der Organisation Shavei is rael von<br />

michael Freund ermöglicht. Ge schätz te<br />

1.000 nachfahren chinesischer Juden<br />

leben heute in Kaifeng.<br />

libanon legt neuen<br />

guinnes hummus<br />

rekord vor<br />

Der bisher von einem<br />

israelischen Le bensmit tel unterneh men<br />

gehaltene Re kord im Hummusma chen<br />

wurde nun von ei nem libanesischen<br />

Team aus 250 Kö chen gebrochen. Das<br />

fertige Gericht aus eineinhalb Tonnen<br />

Ki chererbsen und weiteren Zutaten wie<br />

Zitronen saft, Sesampaste, Essig, Salz<br />

und Olivenöl wog zwei Tonnen.<br />

Der Libanon beansprucht die Erfin -<br />

dung von Hummus für sich und wirft<br />

israel vor, das Produkt gestohlen und<br />

widerrechtlich <strong>als</strong> israelisches Er zeug -<br />

nis vermarktet zu haben. Seine tatsächlich<br />

Herkunft ist unbekannt, wird aber<br />

dem arabischen Raum zugeschrieben.<br />

google-gründer Brin spendet<br />

us$ 1 mio. an hias<br />

Sergey Brin, mitbegründer des in ter net -<br />

riesen Google, hat der Hebräi schen im -<br />

migranten Hilfsorganisation HiAS ei ne<br />

million US$ gespendet. Die Or ga nisa -<br />

ti on hatte Brins Familie nach der Flucht<br />

aus der ehemaligen Sowjet uni on 1976<br />

geholfen und erhielt die Spen de an -<br />

lässlich des 30. Jahrestages seiner An -<br />

kunft in den USA. Beide Google-Grün -<br />

der, <strong>als</strong>o sowohl Sergey Brin <strong>als</strong> auch<br />

Larry Page, sind Juden.<br />

Auch andere jüdische Organisationen<br />

wurden bereits von Brin mit Spenden<br />

bedacht. HiAS ist die älteste Flücht -<br />

lings hilfe or ganisation der USA, sie<br />

wur de 1881 ge gründet. mehr <strong>als</strong> 4,5<br />

mio. Flücht lin ge konnten seither von<br />

dieser Hilfe profitieren.<br />

gaydamak arbeitete für<br />

französischen geheimdienst<br />

Laut dem ehemaligen französischen<br />

innenminister Charles Pasqua arbeitete<br />

der israelisch-russisch-französische<br />

milliardär Arcadi Gaydamak für<br />

den französischen Geheimdienst. Pas -<br />

qua, in seiner Stellung <strong>als</strong> innen mi -<br />

nister auch Geheimdienstchef, hat te<br />

Bestechungsgelder von Gay da mak<br />

und seinem Geschäftspartner Pierre<br />

Falcone angenommen.<br />

Gaydamak war zu sechs Jahren Haft<br />

und einer million Euro Strafe für mil -<br />

lionenschwere Waffengeschäfte mit<br />

An gola verurteilt worden. Er besitzt<br />

mehrere Sportclubs und medienun ter -<br />

nehmen und engagiert sich für israelische<br />

und jüdische Organisationen.<br />

Jerusalems Bürgermeister nahm<br />

am N.Y. marathon teil<br />

Jerusalems Bürgermeister nir Barkat,<br />

der schon an verschiedenen mara -<br />

thons in Berlin, Paris und israel teilgenommen<br />

hat, war auch beim diesjährigen<br />

new York City marathon am 1.<br />

no vember dabei. Er wollte damit die<br />

Aufmerksamkeit der Welt auf Je ru sa -<br />

lem <strong>als</strong> Top-Tourismusziel für Rei sen -<br />

de und Pilger richten, so Bar kat.<br />

wieder shabbat g´ttesdienste in<br />

polnischer synagoge<br />

Zum ersten mal seit dem Holocaust<br />

wurde in der Synagoge des polnischen<br />

Kielce wieder Shabbat-G´ttesdienste<br />

gefeiert. Die im Zweiten Welt krieg zer -<br />

störte Synagoge wurde wieder aufgebaut<br />

und ab 1951 <strong>als</strong> Bezirksar chiv<br />

ge nutzt.<br />

Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten et -<br />

wa 25.000 Juden in Kielce, 20.000 von<br />

ihnen wurden von den nazis ermordet.<br />

Traurige Bekanntheit erlangte die<br />

Stadt durch das letzte Pogrom, das in<br />

Polen durchgeführt wurde. 42 Juden<br />

wurden getötet, <strong>als</strong> mehr <strong>als</strong> ein Jahr<br />

nach Ende des Krieges, am 4. Juli<br />

1946, ein aufgebrachter mob das jüdische<br />

Gemeindezentrum attackierte.<br />

Vater der modernen<br />

anthropologie verstorben<br />

Claude Levi-Strauss, der das Konzept<br />

des Strukturalismus, das Finden ge -<br />

mein samer muster des Denkens und<br />

Verhaltens in verschiedenen menschlichen<br />

Gesellschaften und Aktivitä ten,<br />

in der Anthropologie einführte, verstarb<br />

100jährig in Paris.<br />

november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770 29


JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

in Brüssel, <strong>als</strong> Sohn einer französischjüdischen<br />

Künstlerfamilie geboren,<br />

wuchs Levi-Strauss nahe Versailles auf,<br />

wo sein Großvater <strong>als</strong> Rabbiner tä tig<br />

war. Er studierte in Paris, verließ<br />

Frankreich jedoch später aufgrund der<br />

antijüdischen Gesetze des Vichy Re -<br />

gi mes und kämpfte für die französischen<br />

Befreiungstruppen im Zwei ten<br />

Weltkrieg.<br />

Levi-Strauss lehrte an Universitäten in<br />

Paris, new York und Sao Paulo, forsch -<br />

te in Brasilien, arbeitete ebenso für die<br />

UnO und die französische Re gierung<br />

und war Autor verschiedener anthropologischer<br />

Grundla genwer ke.<br />

©Konrad Kurzacz<br />

auschwitz museum nun auch<br />

facebook vertreten<br />

Das polnische Auschwitz memorial<br />

museum ist nun mit einer offiziellen<br />

Seite auf der internetplattform Face -<br />

book vertreten. Schon eine Woche nach<br />

dem Start der Seite wurden 1.400 Un -<br />

terstützer verzeichnet. Auf diese Wei se<br />

soll ein jüngeres, breiter gefächertes<br />

Publikum angesprochen werden.<br />

mehr <strong>als</strong> eine million menschen ha ben<br />

<strong>2009</strong> das Auschwitz memorial mu se -<br />

um auf dem Gebiet des ehemaligen<br />

na zi-Todeslagers in Südpolen be sucht.<br />

Die Facebook-Seite beinhaltet infor -<br />

mationen über Auschwitz, ein Forum<br />

zum meinungsaustausch, Bilder und<br />

Weblinks. Auch verschiedene andere<br />

Seiten auf Facebook sind Auschwitz<br />

und dem Holocaustgedenken gewidmet.<br />

Koschere suppenküche in sydney<br />

nun auch für moslems „koscher“<br />

„Our Big Kitchen“, die koschere Sup -<br />

penküche des Yeshiva Center im australischen<br />

Sydney, darf nun auch ein<br />

Halal-Zertifikat ihr Eigen nennen, das<br />

moslemische Äquivalent zum Ko -<br />

scher-Zertifikat. Dies ermöglicht es so -<br />

mit auch gläubigen moslems, die Hil fe<br />

der „Big Kitchen“ in Anspruch zu neh -<br />

men und soll die Annähe run gen der<br />

verschiedenen Glaubensge mein schaf -<br />

ten begünstigen.<br />

Die Küche wird zur Armenspeisung<br />

und für die<br />

n o t f a l l s h i l f e<br />

verwendet.<br />

ungarische<br />

ge denk tafel<br />

restauriert<br />

Eine Ge denk tafel für den letzten<br />

Ober rabbiner des ungarischen makó,<br />

die erst kürzlich im Zuge eines antisemitischen<br />

Übergriffes zerstört worden<br />

war, ist nun restauriert worden.<br />

Der intellektuelle Ármin Kecskeméti<br />

(1874-1944) stand der einstm<strong>als</strong> pulsierenden<br />

jüdischen Gemeinden der<br />

süd ungarischen Stadt 46 Jahre lang <strong>als</strong><br />

Oberrabbiner vor, bevor er während<br />

des Holocaust ermordet wurde. 1989,<br />

nach dem Ende des kommunistischen<br />

Regimes, wurde ihm eine Ge denk ta fel<br />

gewidmet sowie eine Straße nach<br />

Kecskeméti benannt.<br />

schwedischer Journalist überdenkt<br />

organhandel-Bericht<br />

Donald Bostrom, der schwedische<br />

Jour nalist, der israelische Soldaten in<br />

einem Artikel in der schwedischen<br />

Zei tung „Aftonbladet“ beschuldigt<br />

hatte, Palästinensern illegal Organe<br />

ent nommen zu haben, will nun seine<br />

diesbezüglichen Aussagen überdenken.<br />

Er sagte seine Teilnahme an einer<br />

Konferenz in Beirut ab, nachdem er<br />

während eines israel-Aufenthaltes in<br />

Gesprächen die israelische Seite zum<br />

Thema kennengelernt hatte.<br />

„Der Besuch Israels und die Tatsache, dass<br />

dort ein fairer Dialog geführt werden<br />

konnte, hat mich die ganze Sache überdenken<br />

lassen,“ so Bostrom laut Ha´aretz.<br />

Während der Konferenz in Dimona<br />

gab der Journalist auch zu, dass der<br />

einzige Beweis, den er für den vermeintlichen<br />

Organraub erhalten hat te,<br />

die Anschuldigungen der palästinensischen<br />

Familien gewesen waren.<br />

israelischer film bei italienischem<br />

filmfestival ausgezeichnet<br />

Der Film „Eyes Wide Open“ des is -<br />

raelischen Regisseurs Haim Tabak man<br />

wurde mit dem „Eros und Psyche Preis“<br />

des 15. medFilm-Festiv<strong>als</strong> in Rom (7.-<br />

14. november) ausgezeichnet. Die<br />

israelisch-deutsch-frazösische Co-Pro -<br />

duktion erzählt die gleichgeschlechtliche<br />

Liebesgeschichte zwischen ei nem<br />

koscheren Fleischhauer und ei nem<br />

jun gen Außenseiter in der streng or -<br />

thodoxen Gemeinde von mea Shea rim<br />

in Jerusalem.<br />

Auch beim 36. internationalen Film -<br />

festival von Gent in Belgien war „Eyes<br />

Wide Open“ mit dem Hauptpreis<br />

bedacht worden.<br />

obamas halbbruder<br />

hat jüdische wurzeln<br />

Präsident Obamas Halbbruder, mark<br />

ndesandjo, hat eine jüdische mutter.<br />

Die dritte Frau von Obamas Vater,<br />

Ruth nidesand, ist eine amerikanische<br />

Jüdin. in dem semiautobiographischen<br />

Buch „nairobi to Shenzhen“<br />

beschreibt mark ndesandjo seinen Va -<br />

ter <strong>als</strong> oftm<strong>als</strong> gewalttätigen Trin ker.<br />

Neuer Präsident für el al<br />

Der Präsident und CEO der israelischen<br />

Fluggesellschaft EL AL der letz -<br />

ten fünf Jahre, Haim Romano, legt sein<br />

Amt nieder. Sein nachfolger wird ab<br />

Januar 2010 der vorige Luft waffen kom -<br />

mandeur (Bri ga de general d. Res.)<br />

Elieser Shkedi sein.<br />

Äthiopische Juden heiraten<br />

fast nur untereinander<br />

Eine Studie hat ergeben, dass äthiopisch-stämmige<br />

Juden zu 90 Prozent<br />

un tereinander heiraten: 93% der män -<br />

ner und 85% der Frauen heiraten in -<br />

ner halb ihrer Gemeinschaft. Dies geht<br />

gegen den allgemeinen Trend in is ra el,<br />

nach dem immer mehr Juden un ter -<br />

schiedlicher ethnischer Herkunft un -<br />

tereinander heiraten, insbesondere<br />

zwischen Aschkenasi (Juden europäischer<br />

Herkunft) und Sephardi (z.B.<br />

Juden aus arabischen Ländern). in is -<br />

ra el gibt es ca. 120.000 äthiopische Ju -<br />

den, davon 81.000 in Äthiopien und<br />

39.000 in israel geborene.<br />

30 november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770


KULTUR • INLAND<br />

Jüdische Abgeordnete im österreichischen<br />

Parlament 1861 - 1938<br />

@Bildagentur Zolles,Mike Ranz<br />

in der von der Projektleiterin und Uni -<br />

versitätsprofessorin Eva Kreisky mo de -<br />

rierten Podiumsdiskussion nahmen<br />

der stellvertretende Leiter des Zen -<br />

trums für jüdische Kulturgeschichte<br />

der Universität Salzburg, Albert Licht -<br />

blau, der Kurator des Jüdischen museums<br />

in Wien, Gerhard Milchram, die<br />

Projektmitarbeiterin Saskia Stacho -<br />

witsch (institut für Politikwissen -<br />

schaft) sowie Günther Schefbeck (Leiter<br />

des Parlamentsarchivs) teil.<br />

Die Inhalte des Forschungsprojekts<br />

Die Entwicklung des österreichischen<br />

Parlamentarismus und die politische<br />

Geschichte des Judentums in Österreich<br />

weisen zahlreiche Überschneidungen<br />

und Verknüpfungen auf. Das<br />

Abgeordnetenhaus des Reichsrats und<br />

später der nationalrat waren nicht<br />

nur Wirkungsstätten zahlreicher jüdischer<br />

Politikerinnen, sie stellten auch<br />

zentrale Räume für Artikulation und<br />

Verbreitung verschiedener Formen<br />

von Antisemitismus dar. Diese Zu sam -<br />

menhänge wurden im Rahmen des<br />

Forschungsprojekts „Jüdische Abge -<br />

ord nete im österreichischen Parla ment<br />

1861 bis 1938“ anhand von - derz eit -<br />

83 Biographien jüdischer manda tar -<br />

in nen bearbeitet.<br />

im konkreten ging es bei dem For -<br />

schungsprojekt zunächst darum, Bio -<br />

graphien jüdischer Parlamentarier in -<br />

nen zu recherchieren und in einer Da -<br />

ten bank zu sammeln. Aufgenom men<br />

wurden dabei nur jene Ab geordnete,<br />

die nachweislich mit glie der der jüdischen<br />

Religions gemein schaft waren,<br />

bzw. solche, die im Laufe ihres Le bens<br />

zum Christentum konvertierten oder<br />

vom Judentum austraten. Aufgrund<br />

der Quellenlage könne zu diesem Zeit -<br />

punkt kein Anspruch auf Vollstän dig -<br />

keit erhoben werden, schränken die<br />

Au torinnen ein. Die Datenbank enthält<br />

neben informationen zur Person<br />

(biographische Grunddaten, Beruf,<br />

Kon fession, etc.) auch informationen<br />

zur jeweiligen politischen und parlamentarischen<br />

Tätigkeit (mitglied schaft<br />

in Parteien, Parlamentsklubs und<br />

Verei nen, zentrale Wirkungsbereiche,<br />

Pu bli kationen, etc.). Bei der Recher che<br />

wurden verschiedene Quellen ausgewertet:<br />

allgemeine, judentums- und<br />

par lamentsspezifische biographische<br />

Ar chive und Lexika, meldedaten der<br />

Stadt Wien sowie Geburts-, Sterbe-,<br />

Hei ratsmatriken und Austrittsbücher<br />

der israelitischen Kultusgemeinde.<br />

Weiters wurde das Projekt „Parlamen-<br />

tarier in Österreich 1848-1918“ vorgestellt.<br />

Ausführlich dargestellt wird<br />

die Entwicklung jüdischer Partizipa -<br />

tion im Abgeordnetenhaus des Reichs -<br />

rats bzw. im nationalrat im historischen<br />

Verlauf. Ein Ergebnis der Un -<br />

ter suchungen ist, dass die jüdischen,<br />

konvertierten und vom Ju den tum aus -<br />

getretenen Abgeordneten zu keinem<br />

Zeitpunkt eine einheitliche po litische,<br />

nationale oder soziale Grup pe darstellten.<br />

Die Vertreibung und Er mor dung<br />

der österreichischen Juden durch das<br />

nS-Regime beendete die fast 100- jährige<br />

Beteiligung jüdischer Politiker in -<br />

nen am parlamentarischen Gesche hen<br />

in Österreich. nach 1945 waren jüdische<br />

Abgeordnete auch aufgrund un -<br />

genügender Bemü hun gen um die Re -<br />

mi gration von Jüdinnen und Juden<br />

nach Österreich nie mehr in diesem<br />

maße im Hohen Haus vertreten, resümieren<br />

die Autorinnen.<br />

RK<br />

Ausführlicher siehe die Homepage<br />

des Parlaments: www.parlament.gv.at<br />

wie dem iranischen<br />

regime begegnen?<br />

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KULTUR<br />

november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770 31


KULTUR • INLAND<br />

Wie ein See die<br />

Vergangenheit<br />

zum Schweigen<br />

brachte<br />

Die Künstlerin Tatiana Lecomte wird in<br />

den nächsten Monaten rund 20.000mal<br />

„Ich bin gesund, es geht mir gut“ auf<br />

Postkarten schreiben und diese an Ein -<br />

woh ner von St. Pölten verschicken.<br />

Erinnerungsarbeit und Kunstprojekt:<br />

mehr <strong>als</strong> 60 Jahre nach Ende des NS-Re -<br />

gimes wird der Mantel des Schweigens<br />

von einem kleinen Flecken Erde gezogen,<br />

der eine schaurige Geschichte zu<br />

erzählen hat.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

im Frühjahr 2005 wollte der Krimi-<br />

Au tor manfred Wieninger wie jedes<br />

Jahr im Frühjahr im Auwäldchen am<br />

Trai senufer gegenüber von Wind pas -<br />

sing, einem Ortsteil von St. Pölten,<br />

Schnee glöckchen pflücken gehen.<br />

Doch der Traisenfluss hatte die kleine<br />

Feldwegbrücke bei Windpassing weg -<br />

gespült und so suchte er in einem ihm<br />

bis dahin gänzlich unbekannten Au -<br />

abschnitt in St.Pölten-Viehofen nach<br />

den Frühlingsblumen.<br />

„Ich bin dort auf jede Menge verrosteten<br />

Stacheldraht gestoßen, auf viele Zaun -<br />

pfei ler aus altem Beton, auf die Reste ei -<br />

nes hölzernen, ebenfalls mit Stacheldraht<br />

gesicherten Tores, auf von der Au fast ganz<br />

überwucherte Betonfundamente und auf<br />

einen halb verschütteten Bunker.“ Ei -<br />

nem anderen Spaziergänger stellte er<br />

die Frage nach dem Ursprung dieser<br />

Überreste. Das sei, meinte der mann,<br />

im Krieg ein Kriegsgefangenenlager<br />

mit lauter Franzosen gewesen, er ha be<br />

hier schon vor Jahren jede menge leerer<br />

Schneckenhäuser und Überreste von<br />

französischen Spielkarten gefunden.<br />

Wieninger ging der Sache auf den<br />

Grund. Die Archive der Stadt brachten<br />

zunächst wenig material zutage.<br />

mehr informationen konnte er sammeln,<br />

nachdem er in der Lokalpresse<br />

Zeitzeugenaufrufe veröffentlichen<br />

hat te lassen. Eine St. Pöltnerin, die zu<br />

Kriegszeit noch ein Kind gewesen war,<br />

erinnerte sich an ein Zwangsarbei ter -<br />

lager der Firma Glanzstoff. „Da sind<br />

nur die hingekommen, die Schrebergär ten<br />

gehabt haben. Sonst hat sich gar keiner<br />

hingetraut, denn da sind Soldaten mit<br />

Gewehr gestanden.“<br />

Und dann war da auch noch dieser<br />

Brief. Die Absenderin: eine alte Frau<br />

aus Szeged in Ungarn namens Rószo<br />

Halmos, zu diesem Zeitpunkt 77<br />

Jahre alt. 1997 hatte sie an die „Jüdi-<br />

sche Gemeinde St. Pölten Österreich“<br />

geschrieben: „Ich bitte Sie, wollen Sie<br />

mich informieren im nachstehde. Mein<br />

Vater Armin Wolf ist im Fierhofen, am 1.<br />

April 1945 War gesterbt, in dem Fried -<br />

hof-St.Pölten hat man begrabt. Ich möchte<br />

wissen, ob kann ich seines Grab – mit Ih rer<br />

Hilfe, auffinden, wenn ich reise in diesem<br />

Sommer zu St. Pölten, das konnte ich dort<br />

ein Nachtlicht zünden bei dem Grab. Ich<br />

bitte Sie wollen mich in der Obgenannte<br />

helfen.“ Der Brief landete nach postalischen<br />

irrwegen schließlich am „in-<br />

sti tut für Geschichte der Juden in<br />

Österreich“.<br />

Wieniniger stieß 2005 im Zug seiner<br />

Re cherchen auf dieses Schreiben, das<br />

in St. Pölten bis dahin Ratlosigkeit hervorgerufen<br />

hatte. Ein Grab eines Ar -<br />

min Wolf war nicht zu finden, vor<br />

allem nicht am Jüdischen Friedhof.<br />

Doch ebenfalls 2005 machte die His -<br />

torikerin Eleonore Lappin vom „insti-<br />

tut für Geschichte der Juden in Österreich“<br />

in den „Central Archives for the<br />

History of the Jewish People“ in Jeru -<br />

salem zufällig einen interessanten<br />

Fund: sie stieß auf einen handschriftlichen<br />

Brief der „Traisenregulierung<br />

St. Pölten, Lager Viehofen-Au“ an die<br />

„Jüdische Versorgungsstelle Wien“<br />

vom 9. September 1944, in dem stand:<br />

„Die Traisenregulierung St. Pölten – Her -<br />

zogenburg beschäftigt seit 11/VII. 1944 –<br />

126 Personen intern. Ungar. Juden, die<br />

im eigenen Lager Viehofen-Au untergebracht<br />

sind.“<br />

nach und nach kam – 60 Jahre nach<br />

Kriegsende! – die Wahrheit ans Licht.<br />

nahe des Zwangsarbeiter-Lagers für<br />

die Firma Glanzstoff hatte es ein zwei -<br />

tes Lager gegeben, betrieben vom in St.<br />

Pölten ansässigen Traisen-Wasser ver -<br />

band. Hier waren ungarische Ju den in -<br />

terniert. nachdem die Traisen im Be -<br />

reich von Viehofen 1940 und 1941 über<br />

die Ufer getreten war, versuchte man<br />

nun den Fluß zu regulieren. Zu nächst<br />

wurde dazu der Reichsar beits dienst<br />

eingesetzt, später waren es Kriegs- und<br />

Strafgefangene, bis Juli 1944 ukrainische<br />

Zwangsarbeiter und schließlich<br />

ungarische Juden, unter ih nen Kinder,<br />

Frauen, alte menschen. Viele von ih -<br />

nen starben an Erschöp fung.<br />

in den ersten Apriltagen 1945 war be -<br />

reits das Artilleriefeuer der Sowjet ar -<br />

mee zu hören und am 6. April verließ<br />

der Lagerführer mit seinen Getreuen<br />

den Ort. Einige wenige, darunter der<br />

jüdische Lagerarzt Ernst Balog und<br />

32 november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770


KULTUR • INLAND<br />

seine Familie, flüchteten daraufhin so<br />

rasch sie konnten aus dem Lager. Ei -<br />

ne weise Entscheidung, denn irgendwann<br />

in der ersten April-Hälfte 1945<br />

wurden die übrigen insassen zu Fuß<br />

Richtung mauthausen getrieben. Und<br />

wer für diesen Todesmarsch nicht fit<br />

ge nug war, der wurde bereits in Vie -<br />

hofen umgebracht.<br />

„Die Großmutter hat interessiert, was mit<br />

diesen Leuten passiert ist, und sie ist mit<br />

mir hingegangen gleich nach dem Krieg.<br />

Das waren so Sutten, Gruben rund um das<br />

Lager, da haben sie auch Schotter ausgehoben.<br />

In diesen Sutten lagen Leichen, et -<br />

li che Leichen, mit Laub bedeckt, gleich ne -<br />

ben dem Lager. Großmutter hat gesagt,<br />

dass die erschossen worden sind. Sie hat<br />

mich weggezogen, ist gleich wieder weggegangen<br />

mit mir“, erinnert sich ein<br />

Zeitzeuge.<br />

Heute kann man über dieses Areal<br />

nicht mehr einfach drüberspazieren.<br />

in den sechziger Jahren nahm dort<br />

eine Sand- und Schottergewinnungs -<br />

an lage ihren Betrieb auf. Der Abbau<br />

wurde von dem Pottenbrunner Un -<br />

ter nehmer Karl Paderta durchgeführt.<br />

„Die Schotteraufbereitungsanlage hatte<br />

eine Stundenleistung von 100 Tonnen.<br />

Da rin sind wohl die Reste des Zwangs -<br />

arbeiterlagers und vermutlich auch die<br />

Skelette der nicht gehfähigen Lagerin sas -<br />

sen gelandet“, schrieb Wieniniger in<br />

einem Artikel anlässlich des Gedenk -<br />

jahres 2005.<br />

Bis 1985 entstand durch den Schotter -<br />

ab bau der Paderta-See mit einer Flä -<br />

che von 19,8 Hektar und einer mittleren<br />

Tiefe von 3,3 metern. Der See ist<br />

heute beliebtes naher ho lungs gebiet<br />

der St. Pöltner. Welch schaurige Ge -<br />

schichte der Grund dieses Ge wäs sers<br />

zu erzählen hat, weiß kaum niemand.<br />

Als die Stadt St. Pölten und „Kunst<br />

im öffentlichen Raum nie der öster -<br />

reich“ dieses Jahr einen Wett bewerb<br />

für ein mahnmal Viehof ner See ausschrieben,<br />

hakten zwei Künst lerinnen<br />

bei genau diesem Freizeit- und Tou -<br />

ris musaspekt ein. Lecomte mit ihrer<br />

Postkarten-idee und Catrin Bolt mit<br />

ei nem Kozept, das die Auf stellung<br />

von informationstafeln in dem Gebiet<br />

vorsieht. Beide Künstle rin nen gingen<br />

schließlich <strong>als</strong> Siege rin nen hervor.<br />

insgesamt hatte die Jury aus 164 Ein -<br />

reichungen von Kunst schaffenden aus<br />

elf Ländern auszuwählen.<br />

nun geht es langsam in die Umset -<br />

zungs phase des Projekts. Dafür stehen<br />

insgesamt 80.000 Euro zur Verfü gung.<br />

Als eines von drei motiven für ihre<br />

Post karten hat Lecomte eine vordergründig<br />

idyllische Ansicht des Sees<br />

ge wählt. Der handgeschriebene Satz<br />

„Ich bin gesund, es geht mir gut“ erin -<br />

nert an die SS-Zeit: KZ-insassen wurden<br />

angehalten, diese Formulierung<br />

zu wählen, wenn sie nach Hause<br />

schrieben – so sie überhaupt Post an<br />

die Außenwelt richten durften.<br />

Auf der Postkarte wird aber auch<br />

eine internetadresse zu finden sein,<br />

Avishai Cohen<br />

«Aurora»<br />

auf der man sich über die Geschichte<br />

des Viehofener Lagers informieren<br />

kann. Und wenn nur ein Bruchteil der<br />

rund 20.000 St. Pöltner, die im öffentlichen<br />

Telefonbuch eingetragen sind<br />

und daher nun angeschrieben werden,<br />

die Seite anklicken wird, wird damit<br />

kollektive Erinnerungsarbeit geleistet<br />

werden. Oder, wie es die Stadt St. Pöl -<br />

ten formuliert: „Im Idealfall gelingt es<br />

ihr, bei vielen Menschen einen Denkpro -<br />

zess anzuregen, um das Geschehen nicht<br />

in Vergessenheit geraten zu lassen.“<br />

www.publicart.at<br />

Handlanger der Nazis?<br />

Die Geschichte des John Demjanjuk.<br />

Film von Sibylle Bassler, Angelica Fell und Christoph Röckerath<br />

ZDF/Mittwoch, 2. 12. <strong>2009</strong>, 0.35 Uhr<br />

Am 30. <strong>November</strong> <strong>2009</strong> beginnt in München der wohl letzte große NS-Kriegs ver bre cher pro zess.<br />

Ein knappes halbes Jahr soll vor dem Ober lan des gericht der Fall John alias Iwan Dem jan juk<br />

verhandelt werden. Der 89-Jährige gebürtige Ukrainer ist wegen Beihilfe zum Mord an 27.900<br />

Menschen angeklagt, angeblich be gan gen <strong>als</strong> KZ-Aufseher in dem deut schen Vernichtungslager<br />

Sobibor in Polen. War er ein Handlanger des To des, oder ist er - wie er beteuert - unschuldig und<br />

selbst ein Opfer des da maligen Nazi-Regimes? Wer ist die ser Mann, dessen Spuren nach Po len,<br />

Israel, Amerika und Deutsch land führen? Demjanjuk, Sol dat in der Roten Ar mee, war<br />

Kriegsgefangener der Deut schen, so viel ist sicher. Und das sei er bis zum Kriegsende auch geblieben,<br />

sagt er. Aber es gibt Zeu gen und Doku men te, die Demjanjuk <strong>als</strong> SS-Schergen im Prozess<br />

überführen könnten. So soll er <strong>als</strong> „freiwil liger Helfer“ im SS-Ausbildungslager Trawnik das<br />

Handwerk des Quälens und Mor dens in den Todeslagern der Nazis erlernt haben, ein sogenannter<br />

„Trawniki“ gewesen sein. Unter den „Trawnikis“ ist auch der Ukrainer A.N., eine<br />

Schlüsselfigur, der <strong>als</strong> Belastungszeuge gegen Demjanjuk aussagt. Im ZDF berichtet der 92-<br />

Jährige über gemeinsame Zeiten <strong>als</strong> Aufseher im KZ Flossenbürg/Bayern.<br />

Kann eine DNA-Untersuchung heute, 16 Jahre später, beweisen, dass sich hinter Demjanjuk<br />

doch der gefürchtete "Iwan" verbirgt? Die israelische Richterin Dalia Dorner ist bis heute fest<br />

davon überzeugt. Dagegen glaubt die ukrainische Gemeinde in Cleveland/Ohio fest an die<br />

Unschuld ihres beliebten Mitbürgers Demjanjuk. Zeitzeugen, Opfer, Zeugen, Wissenschaftler,<br />

Staatsanwälte und Verteidiger - sie alle stellen sich der Frage: Wer ist John alias Iwan<br />

Demjanjuk wirklich? Ein gerissener Kriegsverbrecher oder doch ein Opfer der Justiz? ZDF<br />

30. <strong>November</strong> <strong>2009</strong><br />

Wiener Konzerthaus<br />

21.00 Uhr<br />

Mozartsaal<br />

„Avi shai Cohen ist ein genialer Musiker, ein<br />

großartiger Komponist mit einer wirklich star -<br />

ken Vision von der Musik, die er ma chen will.<br />

Mit ihm zu arbeiten war außer gewöhnlich<br />

erfrischend.“ Chick Corea<br />

Avishai Cohens musik hat viele Ge -<br />

sichter: Sein name steht für multikulturellen<br />

Jazz höchster Qualität; seine<br />

vielseitigen Stücke vereinen spanische,<br />

nahöstliche und afrikanische Klän ge<br />

und erweisen zudem den Alt meis tern<br />

der Klassik ihre Reverenz. Und doch<br />

betont der israeli seine kulturellen<br />

Wur zeln wie kein anderer Jazzmu -<br />

siker der Spitzenklasse. nach dem er<br />

im vergangenen September im Rah -<br />

men von ‘Spot On: Jiddisch keit’ mit<br />

seinem Trio erstm<strong>als</strong> im Wie ner Kon -<br />

zerthaus zu erleben war, kehrt er nun<br />

mit seiner gefeierten Eas tern Unit<br />

hierher zurück.<br />

november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770 33


KULTUR • INLAND<br />

Paradigmenwechsel im<br />

Umgang mit Täterorten<br />

Linz hat sich <strong>als</strong> Europas Kultur haupt stadt<br />

<strong>2009</strong> auch der eigenen Stadtge schichte<br />

gestellt: rund ein Drittel der heu tigen<br />

Wohn bauten wurden in der NS-Zeit<br />

geschaffen. Monumentale Bau ten wie<br />

die Brückenkopfgebäude, die Nibelun -<br />

gen brücke, viele Straßen, die spätere<br />

Verstaatlichte Industrie erinnern an die<br />

„Führerstadt“. Gemeinsam mit dem<br />

Maut hausen Memorial (Innenminis te ri -<br />

um) und der Österreichischen Aka de mie<br />

der Wissenschaften (ÖAW) lud die Stadt<br />

im September zum Sympo si um „DIS-<br />

TURBING REMAINS. Der Umgang mit<br />

den materiellen Überresten des Natio nal -<br />

sozialismus“ ins Alte Rathaus. Tenor un -<br />

ter den Experten: aus heutiger Sicht sind<br />

auch Täterorte unter Denk mal schutz zu<br />

stellen.<br />

Von Alexia Weiss<br />

Tafeln, um der Opfer des nation<strong>als</strong>ozialistischen<br />

Unrechtsregimes zu ge -<br />

denken. Denkmäler, um das Unfass -<br />

bare nicht aus der Erinnerung zu entlassen,<br />

wie etwa die Skulptur des auf<br />

allen Vieren Straße waschenden Ju den<br />

von Alfred Hrdlicka vor der Alber ti na<br />

in Wien. Ehemalige Kon zentrations -<br />

la ger <strong>als</strong> memori<strong>als</strong>, Zeu gen einer bis<br />

heute unfassbaren Er niedrigungs- und<br />

Vernichtungs ma schinerie. Wo Jahr -<br />

zehn te lang der mantel des Schwei -<br />

gens drübergebreitet wurde, hat sich<br />

inzwischen verstärkt das Bemühen<br />

um die Erinnerung breit gemacht.<br />

Bis hin zu einer „commemoration<br />

industry“, wie die israelin Dana Ari eli-<br />

Horowitz von der Academy of Art and<br />

Design in Jerusalem bei der Tagung<br />

in Linz anmerkte. Die Verwendung<br />

des Begriffs „industrie“ in diesem<br />

Zu sammenhang will Horowitz übrigens<br />

nicht negativ verstanden wissen,<br />

wie sie auf nachfrage der „Ge mein -<br />

de“ versicherte. Es sei nur eben in -<br />

zwischen so, dass mit dem Erin nern<br />

auch Geld gemacht werde, eine Kom -<br />

merzialisierung stattgefunden habe.<br />

Beispiel Berlin: wenn Touristen hier<br />

den Folder aufmachen, der über an -<br />

gebotene Besichtigungstouren informiert,<br />

stünde da <strong>als</strong> erste Tour: „Fol-<br />

lowing the nazi Reich“. Tatsächlich<br />

haben die Berliner Sightseeing-An -<br />

bieter viel Einschlägiges im Pro gramm.<br />

So bietet www.berlinandmore.com die<br />

Tour „Berlin im Dritten Reich – Auf<br />

den Spuren des na tio nal so zialismus“<br />

an, www.berlin-starting-point.de die<br />

Stadtrundfahrt „national sozialismus<br />

– Drittes Reich“. Hier scheint allerdings<br />

auch bereits der zur Zeit statt -<br />

fin dende Paradigmenwech sel durch:<br />

nicht nur Opferorte werden besucht.<br />

Auch Täterorte gelangen zunehmend<br />

ins interesse des Be trach ters, Besu -<br />

chers, Wissenschafters, Denk mal -<br />

schüt zers.<br />

ist es aber zulässig, einen nS-Täterort<br />

unter Schutz zu stellen? Verleiht man<br />

ihm damit nicht eine Würde und Be -<br />

deutung, die ihm gesellschaftlich niem<strong>als</strong><br />

zukommen darf? Tatsächlich<br />

war der Umgang mit nS-Täterorten<br />

nach Ende des nS-Regimes zunächst<br />

durch Zerstören, Anonymisieren (Ab-<br />

montieren von Hakenkreuzen, Ad lern<br />

und anderen eindeutigen Symbolen),<br />

Unkenntlichmachen (begrünen, überwuchern<br />

lassen) gekennzeichnet.<br />

Die Bauten, die dam<strong>als</strong> in der un mit -<br />

telbaren Gegenwart standen, sind<br />

heute aber „in den Rang der Histori -<br />

zi tät gekommen“, betonte Eva-Maria<br />

Höhle, Generalkonservatorin im Bun -<br />

des denkmalamt. „Wir befinden uns nun<br />

an der Schwelle von der Phase der Erin ne -<br />

rung zur Übernahme der Hinterlassen -<br />

schaf ten durch ein kollektives Gedächt nis.“<br />

Dieses kollektive Gedächtnis aber be -<br />

darf immer wieder einer Verifizie rung.<br />

Und dazu wiederum bedürfe es des<br />

ursprünglichen materi<strong>als</strong>.<br />

„60 Jahre und länger stand das Symbol<br />

im Vordergrund“, sagte Höhne. „Jetzt<br />

ist das Material in den Vordergrund ge -<br />

treten. Den Alltag des Grauens haben die<br />

Opfer im Kopf gehabt.“ Die nachfolgenden<br />

Generationen verfügen allerdings<br />

nicht über diese persönlichen Erin ne -<br />

rungen. nun gehe es um die wissenschaftliche<br />

Aufarbeitung, die zeitgeschichtliche<br />

Aufarbeitung. Und dabei<br />

ist die Arbeit am konkreten Objekt un -<br />

er läss lich. Täterorte müsse man heute<br />

<strong>als</strong>o <strong>als</strong> „Zeugen der Zeit sehen“, so<br />

Höh le, „sie haben einen Dokumenta ti -<br />

ons wert. Alle Facetten, alle Objekte, die<br />

Aus sa gen über eine Zeit treffen, gehören<br />

be han delt und bedürfen daher einer<br />

Unterschutzstellung“.<br />

Wie schwer sich die Gesellschaft im -<br />

mer noch mit diesem Wandel tut, zeigen<br />

die Erfahrungen der Generalkon -<br />

servatorin. „Wenn man NS-Hinter las -<br />

senschaften unter Denkm<strong>als</strong>chutz stellen<br />

will, dann darf man nicht konfliktscheu<br />

sein. Das, was einem da entgegenschlägt,<br />

ist alles andere <strong>als</strong> harmlos.“ Sie betont<br />

allerdings, es sei eben nicht Aufgabe<br />

des Denkm<strong>als</strong>chutzes, interpretatio -<br />

nen vorzunehmen – sondern lediglich<br />

Objekte für die Zukunft und die Ar -<br />

beit mit ihnen in der Zukunft zu si -<br />

chern. „In 50 Jahren gibt es wahrscheinlich<br />

nochm<strong>als</strong> andere Fragestellungen <strong>als</strong><br />

heute.“<br />

„Wir erhalten daher solche Orte, auch<br />

wenn es manchmal schmerzhaft ist“, sag -<br />

te Höhle – Beispiel Bordellbaracke auf<br />

dem Gelände des ehemaligen Kon -<br />

zen trationslagers mauthausen. Die<br />

Erhaltung dieses Baus sei eben „keine<br />

l’art pour l’art“ – auch dieser Vorwurf<br />

34 november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770


KULTUR • INLAND<br />

komme immer wieder. Hier geht es<br />

um „das Wissen, wie es an diesem Origi -<br />

nal ort ausgesehen hat“. So könne es mit<br />

Orten dieser Art auch leichter zu ei -<br />

ner emotionalen Begegnung kommen.<br />

Auch Michael John, Historiker mit<br />

Schwerpunkt Erinnerungskultur an<br />

der Universität Linz, betonte, dass es<br />

wichtig sei, nS-Architektur zu erhalten.<br />

Vielfach sei sie heute immer noch<br />

nicht <strong>als</strong> solche ausgewiesen, wie et -<br />

wa der einzige noch in Linz erhaltene<br />

Hochbunker. Hier sei heute „die Erin -<br />

nerungskultur nicht gegeben: es ist nicht<br />

ordentlich gekennzeichnet, was es ist“.<br />

Die Löwen am Hauptbahnhof der<br />

Stadt (Auftragsarbeit des Bildhauers<br />

Jakob Adlhart) wiederum seien, ob -<br />

wohl „eindeutig Symbole aus der NS-<br />

Zeit“ mit einem großen Fest 2004 vor<br />

dem umgebauten Bahnhof wiederaufgestellt<br />

worden. Eine „Karneva li -<br />

sierung“ habe dabei stattgefunden,<br />

wie John meinte, sogar Plastiklöwen<br />

seien an diesem Tag erhältlich gewesen.<br />

Besonders stark gemacht hatten<br />

sich für diese Wiederaufstellung die<br />

Freiheitlichen.<br />

Den möglichen missbrauch von Tä ter -<br />

orten <strong>als</strong> Würdigungsstätte für na ti -<br />

o n<strong>als</strong>ozialisten durch Rechts ra dikale<br />

sehen die Experten heute übrigens<br />

nicht mehr <strong>als</strong> geeignetes Argu ment,<br />

um gegen die Unterschutzstellung<br />

von nS-Architektur zu protestieren.<br />

„Rechts radikale wissen auch so ganz ge -<br />

nau, welche Orte mit ihren Vorstellun -<br />

gen verbunden sind“, sagte Winfried<br />

Ner din ger, Professor für Architektur -<br />

ge schichte an der Technischen Uni -<br />

ver si tät münchen sowie Direktor des<br />

mün chner Architekturmuseums. „Das<br />

ist kein Argument gegen eine Kenn zeich -<br />

nung.“<br />

Auch das Jahrzehnte lange „Dogma<br />

der Trivialisierung“, wie Franz Son nen -<br />

berger, Direktor der museen der Stadt<br />

nürnberg, es formulierte, sei in den<br />

neunziger Jahren überwunden worden.<br />

Die Kongresshalle auf dem ehemaligen<br />

nürnberger Reichspar tei tags -<br />

gelände sei beispielsweise so wohl <strong>als</strong><br />

Lager des Versandhauses Quelle <strong>als</strong><br />

auch <strong>als</strong> Abstellort für abgeschleppte<br />

Fahrzeuge benutzt worden.<br />

Seit 2001 befindet sich auf diesem<br />

„kon taminierten Gelände“ ein Do ku -<br />

men tationszentrum, das jährlich an<br />

die 200.000 Besucher anzieht, die<br />

mei s ten von ihnen kommen aus der<br />

Re gi on. „An diesem düsteren Ort kann<br />

man deutlich machen, wie Vereinnah -<br />

mung funktioniert“, betonte Sonnen -<br />

ber ger. Das nächste Projekt in der<br />

Stadt: im Verhandlungssaal, in dem<br />

die nürnberger Prozesse stattfanden,<br />

soll ein memorial eröffnet werden.<br />

Wie aber geht man richtig vor, wenn<br />

ein Täterort in einen Erinnerungsort<br />

umgewandelt wird? „Es gibt verschiedene<br />

Ansätze, aber es gibt keine Lösung“,<br />

betonte nerdinger. „Was die Denkmal -<br />

pfle ge zu Recht sagt: die Dinge müssen<br />

reversibel sein. Die nächste Generation<br />

muss sagen können, wir wollen es wieder<br />

in einem anderen Zustand sehen.“ Ge nau<br />

hier setzt auch Höhle in der Dis kus si -<br />

on um die neugestaltung der Brücken -<br />

kopfgebäude in Linz an: geplant sind<br />

15 meter hohe Kuppeln, dazu müss -<br />

ten die Bauten auch innen entfremdet<br />

und ausgehöhlt werden. Das Bundes -<br />

denkmalamt sagt daher dazu nein.<br />

John zu diesem Thema: „Ich möchte kein<br />

politischer Entscheidungsträger sein,<br />

weil das alles nicht so einfach ist.“ Wie<br />

schwierig es mitunter sein kann, eine<br />

allseits befriedigende Lösung zu finden,<br />

zeigte eine Diskussion um die<br />

fehlenden Porträts der Bürgermeister<br />

der Stadt in der nS-Zeit im Renais san -<br />

cesaal des Alten Rathauses, in dem<br />

das Symposium stattfand. Die Ölporträts<br />

der Bürgermeister vor und nach<br />

dieser Zeit hängen hier an den Wän -<br />

den. Bilder von Josef Wolkerstorfer<br />

(1938-1939), Leo Sturma (1940-1943)<br />

sowie Franz Langoth (1944-1945) sind<br />

nicht zu sehen.<br />

Bewältigung der Geschichte durch<br />

Ver drängen, Vergessen. Wäre es besser,<br />

Bilder der Genannten ebenfalls<br />

aufzuhängen? Oder in einer Tafel zu<br />

vermerken, dass man bewusst auf das<br />

Aufhängen dieser drei Porträts verzichtet?<br />

Die einhellige Experten mei -<br />

nung: keine Lösung ist ideal. Auch<br />

nicht der jetzige Zustand, in dem die<br />

Zeit und diese Personen einfach überhaupt<br />

keine Erwähnung finden (wie<br />

übrigens in so vielen anderen österreichischen<br />

Orten auch).<br />

Auf der Homepage der Stadt Linz<br />

www.linz.at werden die nS-Bürger -<br />

meis ter übrigens unter der Überschrift<br />

„nS-Diktatur (1938 – 1945)“<br />

aufgelistet. Auch der internet-Auftritt<br />

der Stadt Wien, www.wien.gv.at, der<br />

alle Bürgermeister seit 1281 anführt,<br />

sind die drei Stadtoberhäupter während<br />

des nS-Regimes vermerkt (Her-<br />

mann neubacher, Philipp Wilhelm<br />

Jung, Hanns Blaschke). Und auf der<br />

Homepage der Stadt Klagenfurt<br />

www.klagenfurt.at, wird Friedrich von<br />

Franz <strong>als</strong> Bürgermeister in der nS-<br />

Zeit angeführt.<br />

Was in der Rubrik „Geschichte“ über<br />

die nS-Zeit in Klagenfurt zu lesen ist,<br />

ist aber mehr <strong>als</strong> rudimentär. Das Ka -<br />

pitel „neuzeit“ lautet wie folgt: „1863<br />

hielt die Neuzeit Einzug – der An schluss<br />

an das Eisenbahnnetz brachte neue wirtschaftliche<br />

Impulse. Klagenfurt wuchs<br />

weiter zum echten Zentrum Kärn tens.<br />

Dann kamen zwei Weltkriege. Kla genfurt<br />

wurde im ‚1000-jährigen Reich‘ zerbombt,<br />

tausende Mitbürger starben an<br />

den Fronten, viele andere in den Konzen -<br />

tra tionslagern der Nazis. Gleich nach<br />

Kriegs ende, noch in der englischen Besat -<br />

zungszeit, ging es tatkräftig an den Wie -<br />

deraufbau und schon bald war die südlichste<br />

Landeshauptstadt Österreichs<br />

wieder für Rekorde gut. (…)“<br />

insgesamt hinke Österreich Deutsch -<br />

land noch stark in Sachen Aufarbei -<br />

tung hinterher, betonte Höhle einmal<br />

mehr. in Bezug auf Täterorte sei nun<br />

die Grundlagenforschung gefragt.<br />

„Wir haben hier einen Nachholbedarf von<br />

60, 70 Jahren.“ noch sei in diesem Be -<br />

reich auch nichts zu Ende gedacht,<br />

meinte nerdinger. „Dass man negativ<br />

besetzte Bauten nun unter Schutz stellt<br />

und dafür Geld investiert, das ist etwas<br />

Neues, und wie man das macht und wie<br />

man das löst, das weiß man noch nicht<br />

und wahrscheinlich gibt es auch keine<br />

Lösung. Jede Generation geht hier anders<br />

heran.“<br />

Die Bahnhofslöwen von Linz<br />

www.linz09.at<br />

www.mauthausen-memorial.at<br />

www.oeaw.at<br />

november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770 35


KULTUR • INLAND<br />

Der subjektive Zugang zu Erinnerungsarbeit<br />

Die einen arbeiten die eigene Famili en -<br />

geschichte auf, bleiben dann hängen, im<br />

Erinnern, Bewahren, Aufzeigen, Mah nen.<br />

Die anderen haben Kindheits-, Jugend er -<br />

in nerungen geprägt. Wieder andere treibt<br />

ein rein wissenschaftliches Interesse an<br />

der Vergangenheit, an dem Entstehen von<br />

Unrechtsstrukturen, an dem Verhindern<br />

neuerlicher Gräuel an. Sie alle kamen bei<br />

dem Symposium „Subjekt des Erin nerns?“<br />

zu Wort, abgehalten anlässlich des 25-<br />

jäh rigen Bestehens der Theodor Kramer-<br />

Gesellschaft im Literarischen Quartier<br />

Alte Schmiede in Wien.<br />

Bereits die Eröffnungsveranstaltung<br />

im Plenarsaal des nationalrats, zu der<br />

Parlamentspräsidentin Barbara Pram -<br />

mer (SPÖ) geladen hatte, endete be rüh -<br />

rend: der Wiener Schauspieler und Re -<br />

gisseur Otto Tausig, der die nS-Zeit <strong>als</strong><br />

Jugendlicher in Groß bri tan ni en <strong>als</strong><br />

Land- und Fabriksar bei ter über lebte,<br />

trug aus Texten von Theo dor Kra mer,<br />

Jura Soyfer, Stella Rotenberg, Berthold<br />

Viertel und Anna Krommer vor. Wie<br />

vorausschauend der eine und andere<br />

Dichter, Schriftsteller die na tio nal so zia -<br />

listische Zukunft vorher ge sehen, er -<br />

ahnt hatte, ließ den Zuhörer betroffen<br />

zu rück. Wie war das mit: wir haben<br />

nichts mitbekommen? Wir tragen kei -<br />

ne Schuld?<br />

Literaturnobelpreisträgerin Elfriede<br />

Jelinek hatte ihre Gefühle zum Thema<br />

erinnern zuvor in einer Grußbot schaft<br />

an die Kramer-Gesellschaft zum Aus -<br />

druck gebracht: „Das Vergangene kann<br />

ja auch keine Auszeit nehmen, denn die<br />

Zeit ist nie aus, sie hält nie an, und sie<br />

kann nichts mehr von dem zurücknehmen,<br />

was geschehen ist. Für die Vergangenheit<br />

gibt es kein Umtauschrecht. Woran sollen<br />

wir uns erinnern, was dürfen und was<br />

müs sen wir vergessen? Können wir et was<br />

vergessen, weil es nachträglich ja doch<br />

nicht zu ändern ist, im Sinne des ‚Glück-<br />

lich ist, wer vergisst?‘ Gibt es eine Be loh -<br />

nung und wäre sie nur ein glückliches<br />

Le ben, was heißt ‚nur‘, das ist eh das Beste,<br />

das man kriegen kann! fürs Ver ges sen?<br />

Und wird bestraft, wer sich erinnert?“<br />

Eva Kollisch hat sich erst sehr spät er -<br />

innert. „Erinnerung lebte in mir, versteckt<br />

wie eine kleine Maus. So konnte<br />

ich, wenn jemand mich in meiner Jugend<br />

und meinen mittleren Jahren fragte, gar<br />

nichts finden, was der Mühe wert war, zu<br />

erzählen. Kindertransport, Wiederver ei ni -<br />

gung mit den Eltern, dann wurde ich<br />

Trotz kistin. Erst <strong>als</strong> ich schon über sechzig<br />

war, empfand ich das starke Be dürf -<br />

nis, an meine Kindheit zurückzudenken.“<br />

Sie schrieb die Bücher „mädchen in<br />

Bewegung“ (2003) und „Der Boden<br />

unter meinen Füßen“ (2007). Vor al lem<br />

letzteres spricht „über vieles, das ich<br />

ver gessen hatte, vergessen wollte, unterdrückte<br />

oder zur Karikatur Österreichs vor<br />

und nach dem ‚Anschluss‘ vereinfacht<br />

hatte, wahrscheinlich damit ich unbeschwert<br />

ein neues Leben beginnen konnte“,<br />

erzählte die heute über 80-Jährige, die<br />

zu dem Symposium aus den USA<br />

nach Wien gereist war. Kollisch war<br />

1939 <strong>als</strong> 13-Jährige mit einem Kinder -<br />

transport über England in die USA<br />

ge langt, wo sie wieder auf ihre Eltern<br />

traf. im Austausch mit anderen Überlebenden<br />

in der Kindertransport-As -<br />

so ciation (KTA) erfuhr sie Jahrzehnte<br />

später, das nur wenigen ein Wie der -<br />

sehen mit ihrer Familie vergönnt war.<br />

mit ein Grund, warum sie selbst sich<br />

lange nicht <strong>als</strong> Opfer sah. Sie hatte<br />

überlebt, sie hatte ihre Familie.<br />

Warum sie mit dem sich erinnern so<br />

lan ge zugewartet habe? „Ich wollte<br />

mein Equilibrum nicht zerstören.“ Auf die<br />

Trotzkisten folgte in den sechziger und<br />

siebziger Jahren die Friedens be we -<br />

gung, sie stieß zu den Femi nis tin nen,<br />

schließlich zur Lesben-Bewe gung. Da -<br />

zwischen gescheiterte Ehen. „Und im -<br />

mer kam ich drauf, dass ich anders war<br />

<strong>als</strong> die anderen.“ Als sie bei einer De -<br />

monstration verhaftet wird, „sah ich in<br />

den Polizisten immer die SA, die SS, uniformierte<br />

Juden-Mordende. In der Zelle<br />

fürchtete ich mich, dass ich jeden Mo ment<br />

von meinen Kolleginnen getrennt und in<br />

einen anderen Raum gesteckt würde. Auch<br />

wenn ich nie den gelben Stern tragen<br />

musste, brannte er auf mir.“ Erst im Aus -<br />

tausch mit Gleichgesinnten im Rah -<br />

men der KTA entstand das Gefühl,<br />

„dass wir doch das Recht hatten, unsere<br />

Geschichte zu erzählen. Das war eine Be -<br />

freiung, das zu fühlen.“<br />

Der Schauspieler Miguel Herz-Kes tra nek<br />

hat die nS-Zeit selbst nicht erlebt,<br />

wurde 1948 in St. Gallen in der Schweiz<br />

<strong>als</strong> Sohn jüdischer Remi gran ten geboren.<br />

Schon <strong>als</strong> Kind habe aber auch er<br />

ein „nicht zuordenbares Ge fühl der Nicht -<br />

zugehörigkeit und des Heimwehs“ er lebt,<br />

erzählte der Künst ler. Das mündete<br />

schließlich in einen „fast sehnsüchtig<br />

prak tizierten persönli chen Umgang mit<br />

ös terreichischen 1938-Emigranten und<br />

ih ren Erzählungen, Befindlichkeiten“.<br />

Zunächst las er Exil-Biografien, später<br />

schrieb er zur Exil the matik und gab<br />

Texte dazu heraus. Heute ist Herz-Kes -<br />

tranek auch Vize prä sident der Ge sell -<br />

schaft für Exilfor schung. 2007 fungierte<br />

er <strong>als</strong> mithe raus geber der großen ös ter -<br />

reichischen Lyrikan thologie des Exils.<br />

Hannah Lessing hat nicht der Umgang<br />

mit Texten, sondern mit Überlebenden<br />

geprägt. Seit 14 Jahren leitet sie den<br />

nationalfonds der Republik Ös ter -<br />

reich, dabei wurde sie mit den Erin -<br />

nerungen von tausenden nS-Op fern<br />

konfrontiert, die es geschafft hatten,<br />

das Terrorregime zu überleben. Für sie<br />

persönlich habe das aber auch bedeutet:<br />

„Konfrontation mit der Vergangen heit<br />

meiner eigenen Familie, mit den eigenen<br />

Erinnerungen, das Bewusstsein, dass mir<br />

manche Erinnerungen für immer fehlen.<br />

Ich habe keine Erinnerungen an meine<br />

Großmutter, die Mutter meines Vaters –<br />

sie wurde in Auschwitz ermordet.“<br />

Wie auch Kollisch berichtet Lessing<br />

über das lange Schweigen. „Ich wuchs<br />

auf in einer Familie, die beherrscht war<br />

vom Schweigen über die Vergangenheit.<br />

Die ses Schweigen herrscht in vielen Fa mi -<br />

lien – in den Familien der Überlebenden,<br />

aber auch in den Familien von Täterin nen<br />

und Tätern. Diese gläserne Wand des<br />

Schweigens ist es, die heute noch den Men -<br />

schen unserer Gesellschaft gemeinsam ist<br />

und sie gleichzeitig voneinander trennt.“<br />

Der Schriftsteller Ludwig Laher ist vor<br />

16 Jahren in die 3.000-Einwohner-<br />

Gemeinde St. Pantaleon im innviertel<br />

gezogen, „der archaischen Schönheit<br />

des ibmer moores“ wegen. Die men -<br />

schen in dieser schönen Landschaft<br />

verhielten sich allerdings alles andere<br />

<strong>als</strong> schön – und was Jahrzehnte lang<br />

verschwiegen worden war, kam in<br />

den 1990-er Jahren durch drei alte Da -<br />

men wieder an die Oberfläche. Laher<br />

unterhielt sich mit ihnen, privat, und<br />

dabei erzählten sie von den grauenvollen<br />

Geschehnissen in den beiden<br />

„Reichsgaulagern“ der nS-Zeit im Ort.<br />

Laher begann zu recherchieren. Da -<br />

von zeugt heute eine Erinne rungs stät -<br />

te im Ort – und sein Roman „Herz-<br />

fleischentartung“.<br />

Als er aus diesem Buch in Ottawa las,<br />

saß im Publikum ein Herr in seinen<br />

Achtzigern, der vor den nazis aus<br />

Wien geflüchtet war und eben seine<br />

Autobiographie veröffentlichte. man<br />

36 november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770


KULTUR • THEATER<br />

kam ins Gespräch – und Laher wurde<br />

der Übersetzer dieser Lebenserinne -<br />

run gen des Psychiaters Hans Rei chen -<br />

fels, vom Englischen ins Deutsche.<br />

Reichenfels wiederum hat inzwischen<br />

begonnen, seinen ersten Roman zu<br />

schreiben – in deutscher Sprache, der<br />

einen seiner Vorfahren zum Thema<br />

hat, der in den Zeiten Josephs ii. am<br />

Zustandekommen des narrenturms in<br />

Wien Anteil hatte. „Diese späte, auch<br />

sprachliche Rückkehr hat mich sehr be -<br />

rührt“, erzählt Laher.<br />

Den Lehrer Martin Krist wiederum, der<br />

sich seit Jahren in seinem Ge schichts -<br />

un terricht um das Vermitteln des Ho -<br />

lo caust und zeitgeschichtli cher Zu sam -<br />

menhänge bemüht, hat ein Kind heits -<br />

erlebnis geprägt. „Als ich in den 1960-er<br />

Jahren die Volksschule be such te, wurde ich<br />

<strong>als</strong> ‚braver‘ Schüler ne ben einen ‚schlimmen‘<br />

gesetzt. Dieser – Sti peck hieß er –<br />

wur de von allen ausgegrenzt. Das verstand<br />

ich bald nicht mehr, denn ich konnte<br />

mich gut mit ihm unterhalten. Doch dann<br />

war er plötzlich weg – er war dort, wo er<br />

‚hingehörte‘: in der Sonder schu le. Erst<br />

Jah re später verstand ich: Sti peck war Rom<br />

– das reichte zur Stig ma tisierung. Seit<br />

da m<strong>als</strong> lässt mich das The ma der Außen -<br />

seiter in der Gesell schaft nicht mehr los.“<br />

Die Theodor Kramer-Gesellschaft, die<br />

sich seit 25 Jahren der österreichischen<br />

Exil-Literatur widmet, will alle Bei trä -<br />

ge der Tagung in einem Jahr buch herausbringen.<br />

Darin werden dann auch<br />

die persönlichen Bezüge zu dem The -<br />

ma „Subjekt des Erin nerns?“ von u.a.<br />

Evelyn Adunka (Histori ke rin, Publi ka -<br />

tionen zur jüdischen Ge schich te und<br />

Literatur), Primavera Gruber (Grün-<br />

derin des „Klangforum Wien“ sowie<br />

des „Orpheus Trust“, der sich vertriebenen<br />

und vergessenen Künst lern wid -<br />

mete), Hans Haider (AHS-Leh rer und<br />

Gründer des Vereins „Er in nern“ in<br />

Villach), Doris Ingrisch (Do zentin für<br />

Zeitgeschichte), Marina Jamritsch (AHS-<br />

Lehrerin, Erinne rungs projekte in Her -<br />

magor), Bern hard Ku schey (His toriker,<br />

Studien zu Ernst und Hilde Fe dern,<br />

letz te Zeugen der Grün derge ne ration<br />

der Psycho ana ly se), Eleonore Lappin-<br />

Eppel (institut für jü di sche Geschichte<br />

Österreichs), Karl Müller (Germanist<br />

und Vorsitzender der Kramer-Gesell -<br />

schaft), Vladimir Vert lib (in Leningrad<br />

geborener Schrift steller) und David<br />

Vys soki (ärztlicher Leiter von ESRA)<br />

nachzulesen sein.<br />

www.theodorkramer.at<br />

Perfekter hätte das Stück für den Auf -<br />

takt nicht gewählt werden können. „ha<br />

makom“, „der Ort“, nennt sich die<br />

neu belebte Spielstätte mitten im Zwei -<br />

ten. Der Ort, das Haus, der Schau platz,<br />

spielen mit, spielen eine Rolle in „Rück-<br />

kehr nach Haifa/ Small Talk“ des is ra e -<br />

lischen Erfolgs autors ilan Hatsor, das<br />

im Theater nestroyhof Hamakom<br />

An fang no vem ber seine österreichische<br />

Erstauf führung erlebte. Eine Pre -<br />

miere nach so vielen Jahrzehnten für<br />

dieses Wie ner Jugendstil-Theater ju wel,<br />

das un zugänglich hinter einem Su per -<br />

markt verborgen war und erst 1997<br />

wieder entdeckt wurde.<br />

Seine Geschichte ist eine Wiener jü di -<br />

sche Geschichte. 1898 vom Wiener jü -<br />

dischen Architekten Oskar marmo rek<br />

geplant, bis in die Dreißiger Jahre ein<br />

kulturelles jüdisches Zentrum, u. a. hat<br />

Karl Kraus hier Wedekind inszeniert,<br />

schließlich Arisierung, eine zwei fel -<br />

haf te Restitution und Zweck ent frem -<br />

dung. Wach geküsst und in die Gegen -<br />

wart zurückgeholt vom neuen künstlerischen<br />

Leiter Frederic Lion, der die<br />

Tradition des Hauses für sein Pro -<br />

gramm nutzen und es mit Lesun gen,<br />

Ausstellungen und Konzerten auf die<br />

Wiener Kulturlandkarte setzen möch te.<br />

Der Geist der „Jüdischen Künstler -<br />

spie le“, die bis 1938 hier be hei matet<br />

waren, soll dabei mitge dacht werden.<br />

Architektonisch hat der zweigeschossige,<br />

durch eine Glasdecke licht durch -<br />

flutete Saal mit dem originalen Ge -<br />

län der jedenfalls mehr <strong>als</strong> Potenzial.<br />

Er hat eine Seele.<br />

Der Hausherr Frederic Lion hat diese<br />

Seele mit der Stückauswahl und seiner<br />

inszenierung erstm<strong>als</strong> zum Schwin -<br />

gen gebracht. Und die Richtung vor -<br />

ge zeichnet, in die das Theater gehen<br />

will. Die nicht ausschließlich jüdischen<br />

Themen wie Heimat, Exil und Besitz<br />

sollen hier einen Ort der künstleri -<br />

schen Auseinandersetzung finden.<br />

„Mein Haus ist Ihr Haus“ begrüßt der<br />

Gastgeber, ein israelischer Wissen -<br />

schaft ler, einen Professor aus Ameri ka,<br />

der zu Recherchezwecken nach Haifa<br />

gekommen ist. Die Wahrheit dieser<br />

höflichen Floskel ist, wie sich heraus -<br />

stellen wird, der Zündstoff dieses Zeitund<br />

Familiendramas, in dem es um<br />

ideal und Wirklichkeit, um Lügen und<br />

Schutzbehauptungen, um Generatio -<br />

nen konflikte und nicht zuletzt um den<br />

Konflikt zwischen israelis und Paläs -<br />

ti nensern geht.<br />

Mehr <strong>als</strong> ein<br />

Schauplatz<br />

Mit „Rückkehr nach Haifa/<br />

Small Talk“ eröffnete das<br />

Theater Nestroyhof Hama kom<br />

VON ANITA POLLAK<br />

Liberal und engagiert in der Frie dens -<br />

bewegung lebt das intellektuelle Ehe -<br />

paar moris und Amalia mit zwei er -<br />

wachsenen Kindern in seinem stilvoll<br />

renovierten alten Haus in Haifa. Poli -<br />

tisch ist man links, was schon der ironische<br />

Titel „Small Talk“ - small heißt<br />

hebräisch links- <strong>als</strong>o eigentlich „Links-<br />

geschwätz“, andeutet. Professor Abli ni<br />

aus Yale wurde aus nicht ganz un ei -<br />

gen nützigen Gründen eingeladen, er<br />

soll indirekt die ins Stocken geratene<br />

Karriere des Gastgebers befördern und<br />

könnte auch für ein Projekt der ehr gei -<br />

zigen Ehefrau wichtig werden. Dass<br />

mit Ablini ein Palästinenser auf der Su -<br />

che nach seinen Wurzeln und konkret<br />

nach seinem Geburtsort quasi <strong>als</strong> trojanisches<br />

Pferd ins Haus gekommen<br />

ist, lässt bald die Diskrepanz zwischen<br />

ideologischer Theorie und gelebter Re -<br />

alität aufbrechen und bringt auch sonst<br />

ziemlich viel Wirbel ins Fami li en le ben,<br />

das stellenweise in ein Ehe dra ma à la<br />

„Wer hat Angst vor Vir gi nia Woolf“<br />

eskaliert.<br />

Fragen nach legitimen Ansprüchen auf<br />

verlorenen Familienbesitz finden gera -<br />

de in diesem einst arisierten The ater -<br />

raum ein fast gespenstisches Echo.<br />

Erst wenn alle enteigneten Häuser und<br />

Besitztümer dieser Welt wieder ihren<br />

rechtmäßigen Besitzern zurückgege -<br />

ben würden, das Haus ihrer mut ter in<br />

Warschau, die Villa ihres Vaters in Bag -<br />

dad, dann wäre auch sie bereit, dieses<br />

Haus, in dem sie nun wohnten, her -<br />

zugeben, meint Amalia.<br />

Die eher altmodische, aber durchaus<br />

stimmige inszenierung des aktuellen<br />

Thesenstücks setzt zu recht auf Hu mor<br />

und Satire und lässt das Ensemble<br />

(Doi na Weber, Fritz Hammel, Eduard<br />

Wild ner und Anwar Kashlan) seine Qua -<br />

litäten voll ausspielen. Einige szenische<br />

Straffungen hätten dem keinen<br />

Abbruch getan. Ein guter Anfang. mit<br />

etwas mehr mut könnte es noch besser<br />

werden.<br />

www.hamakom.at<br />

november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770 37


Mélange Oriental<br />

Erich Oskar Hütter<br />

im Gespräch mit<br />

MARCUS G. PATKA<br />

Herr Hütter, Sie landen jedes Jahr bis zu<br />

fünfmal auf Ben Gurion Airport – wie<br />

kam es dazu?<br />

im Oktober 2003 nahm ich die Ein la -<br />

dung von Daniel Barenboim an, im<br />

Rahmen seines Projekts in Ramallah<br />

mit zuwirken, was ich dann zwei Jah re<br />

lang gemacht habe. mir war es wichtig,<br />

aus Österreich raus zu kommen,<br />

andere Kulturen und Gesellschaften<br />

kennenzulernen und nicht nur wie ein<br />

Tourist auf ein paar Tage zu bleiben,<br />

sondern mich wirklich auf das neue<br />

einzulassen. Auch will ich keinen fi -<br />

xen Job, sondern lieber in andere mu -<br />

sik kulturen eintauchen und junge Ta -<br />

lenten fördern, vor allem die musik in<br />

menschen wecken, wo dies bislang<br />

kaum statt findet, eine Art musikalische<br />

Entwicklungszusammenarbeit<br />

gestalten. Diese zwei Jahre waren<br />

zugleich eine ziemlich heiße Phase im<br />

nahost-Konflikt, ich habe den mau -<br />

er bau, den Hamas-Umsturz und den<br />

Tod Arafats hautnah miterlebt.<br />

KULTUR • MUSIK<br />

Wie haben sich die ersten Begegnungen<br />

in Ramallah gestaltet?<br />

Oh, schon am ersten Tag fielen etliche<br />

menschen über mich her um mich aus -<br />

zufragen, was ich hier wolle und ma -<br />

che, vor allem aber, um mir ihre Lei -<br />

densgeschichten zu erzählen. Aber das<br />

habe ich auch auf israelischer Seite<br />

erlebt – wenn auch in ganz anderer<br />

Form. Gleichzeitig blieben mir die<br />

menschen in Ramallah lange Zeit in -<br />

nerlich verschlossen, es war so eine mi -<br />

schung aus neugier und mißtrau en.<br />

Da habe ich verstanden, dass es nicht<br />

genügt, einfach mit guten Vorsätzen<br />

irgendwo hin zu gehen, um den „ar-<br />

men Kindern“ zu helfen. Erst nachdem<br />

ich sehr tief in ihre Kultur, ihre<br />

Sprache und ihre Alltagsprobleme<br />

eingetaucht war, hat sich ihr Zugang<br />

zu mir langsam verändert. man darf<br />

sich auch keine großartige Dank bar -<br />

keit erwarten, im Gegenteil, immer<br />

wie der wurden Wünsche an mich<br />

herangetragen, weil ich für sie natürlich<br />

ein Privilegierter war, der in eine<br />

andere Welt zurück kehren konnte.<br />

Danach folgte bald das erste „Sounding<br />

Jerusalem“-Festival.<br />

Ja, da kam uns 2006 die österreichische<br />

EU-Präsidentschaft zu Hilfe, die den<br />

Auf takt finanzierte. Etliche Diplomaten<br />

haben rasch erkannt, dass man bei<br />

einem Konzert viel unbeschwerter in<br />

Kontakt mit lokalen Würdenträgern<br />

kommt, <strong>als</strong> bei den üblichen Empfän -<br />

gen. Darüber hinaus sind wir eine Vi -<br />

si tenkarte europäischer Kultur ge wor -<br />

den und haben verschiedenste men -<br />

schen in einen Konzertsaal gebracht,<br />

die sich nicht an einen Tisch setzen<br />

würden.<br />

ich hatte über die Jahre Kontakte zu<br />

zahlreichen musikern auf beiden Sei -<br />

ten aufgebaut, denn ohne dieses Ver -<br />

trauen auf persönlicher Basis geht gar<br />

nichts. Dann kam das hinreißende<br />

Angebot von markus Bugnyar, dem<br />

Rektor des Österreichischen Hospizes<br />

in Jerusalem, der schon davor eine<br />

ähn liche idee zu einem Kammer mu -<br />

sik-Festival hatte. Alle musiker wohnen<br />

im Hospiz und werden auch dort<br />

verköstigt, ohne dieses einmalige<br />

Spon soring wäre das alles nicht möglich.<br />

Zudem findet sich dort ein Kon -<br />

zertsaal und auch zu den anderen Gäs -<br />

ten des Hospizes ergeben sich immer<br />

wieder interessante Kontakte.<br />

Weitere Konzertbühnen befinden sich<br />

in West- und Ost-Jerusalem, in Ein<br />

Kerem, Abu Gosh, mitunter spielen<br />

wir auch in nablus, Jericho und sogar<br />

in kleinen Dörfern. Den Höhepunkt<br />

bildet jedes Jahr das „Konzert auf den<br />

Dächern“ der Altstadt Jerusalmes: da<br />

sitzen musiker und Publikum auf Kir -<br />

chen, dem Hospiz und Wohnhäusern;<br />

Juden, moslems und Christen, jeder<br />

auf seinem Hausdach – und die mu sik<br />

wird vom einem zum anderen weitergegeben.<br />

Was ist die Idee hinter dem Festival?<br />

Unser primäres Anliegen ist es, niemanden<br />

auszuschließen. Wir sind we -<br />

der ein israelisches noch ein palästinensisches<br />

Festival. Aber das ist nur<br />

schwer in die Köpfe der menschen hi -<br />

nein zu kriegen, weil es so etwas vor<br />

Ort nicht gibt. man ist immer Ent we -<br />

der–Oder. Es gibt nur sehr wenige<br />

men schen in Jerusalem, die mit ei nem<br />

Bus nach Tel Aviv und mit einem ganz<br />

anderen nach Ramallah fahren. Daher<br />

wird man auch von beiden Seiten mißtrauisch<br />

beäugt. Vielfach wurde ver -<br />

sucht, uns zu vereinnahmen, aber wir<br />

lassen uns weder vor den einen noch<br />

vor den anderen politischen Karren<br />

spannen.<br />

Wie ich gehört habe, gab es auch diesen<br />

Sommer etliche heikle Situationen.<br />

Ja, wir mussten das Konzert in Ra mal -<br />

lah absagen, weil man uns vorwarf, im<br />

Sinne der „normalisation“ zu arbeiten<br />

– mit diesem Schlagwort wird neuerdings<br />

operiert. Es war ein langes Hin<br />

und Her, weil die Clans sich nicht eini -<br />

gen konnten, wir haben sogar Dro -<br />

hun gen erhalten. Daraufhin bin ich an<br />

diesem Tag dann an den Strand von<br />

Tel Aviv gefahren. Drei Tage danach<br />

gab es dann eine Fast-Absage in Ein<br />

Ke rem, weil im Vorfeld eine palästinensische<br />

Besucherin vom israelischen Ver -<br />

anstalter für den Fall ihres Kommens<br />

bedroht wurde. Daraufhin wurde der<br />

Standort des Konzertes auf eine andere<br />

Spielfläche 150 meter weiter oben am<br />

Hügel verlegt und es kamen zahlreiche<br />

Besucher aus beiden Teilen Jeru -<br />

sa lems. im Endeffekt war es das stimmungsvollste<br />

und athmosphärisch ge -<br />

lungenste Konzert in diesem Jahr.<br />

Ein ganz anderer Fall war das Kon zert<br />

in Gaza außerhalb des Festiv<strong>als</strong> im<br />

Jahr 2008, für das wir vielfach kritisiert<br />

wurden. niemand will einbekennen,<br />

dass wir mit unserer musik allen men -<br />

38 november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770


schen den Spiegel vorhalten, damit sie<br />

abseits der alltäglichen Raserei auch<br />

einmal zur Besinnung kommen. in Ga -<br />

za wurden wir viel freundlicher be -<br />

grüßt, <strong>als</strong> in der West-Bank, wo man<br />

sich an die Westler schon gewöhnt hat.<br />

in Gaza stießen wir auf viel weniger<br />

Vorurteile und teilweise auch große<br />

naivität, was die menschen natürlich<br />

auch manipulierbar macht. Da waren<br />

zwei verschleierte mädchen im Pu bli -<br />

kum, die drei Tage lang am Grenz -<br />

übergang hängen geblieben und dann<br />

direkt zum Konzert gekommen wa ren<br />

– für die war das ein starkes Zeichen<br />

der Hoffnung. Wir musiker waren<br />

danach bei einem sehr reichen mann<br />

in einer Art „Ghetto im Ghetto“ mit<br />

Swimming-Pool, vielen Autos und ei -<br />

ner hohen mauer rundherum eingeladen<br />

– es war reichlich absurd. man<br />

kann sich dort nicht positionieren, son -<br />

dern nur von allen Seiten Respekt,<br />

menschlichkeit und kritisches Den ken<br />

einfordern und die von menschen<br />

gesetzten Grenzen in Frage stellen.<br />

Was ist für nächstes Jahr geplant?<br />

„Sounding Jerusalem“ gibt es wieder<br />

im Juni/Juli 2010 und wir wollen verstärkt<br />

in den öffentlichen Raum vordringen,<br />

dabei eventuell auch eine kol -<br />

lektive Percussion-Session auf den Dä -<br />

chern der Altstadt organisieren. Auch<br />

suchen wir weiterhin die menschen<br />

einander näher bringen.<br />

Was erwartet uns beim Konzert im<br />

Jüdischen Museum am 10. Dezember?<br />

Unser neues Programm „mélange<br />

Oriental“ erlebt hier sozusagen seine<br />

Weltpremiere. Die vier Viertel der Alt -<br />

stadt von Jerusalem werden musikalisch<br />

vorgestellt, wobei wir von den<br />

stilistischen Ähnlichkeiten zwischen<br />

jüdischer, arabischer und armenischer<br />

musik verblüfft waren. Wir spielen<br />

Volkslieder, aber auch Vertonungen<br />

jü discher Gebete und mittelalterliche<br />

Psalmen der Kreuzritter. Hinzu kommen<br />

Einspielung von Klängen vor Ort:<br />

der muezzin, armenische mönche,<br />

das Stimmengewirr vor der Klagemau<br />

er – darüber improvisieren wir<br />

dann. Auch die musiker sind sehr<br />

unterschiedlich: der weithin bekannte<br />

Ud-Spieler Taiseer Elias ist ein christlicher<br />

Araber aus der Gegend von na -<br />

za reth, der an der Jerusalem Aca de -<br />

my unterrichtet; unser Bassist Ahmed<br />

Eid stammt aus Ramallah und studiert<br />

KULTUR • MUSIK<br />

derzeit in Köln, der multi in stru men -<br />

ta list Stefan Heckel kommt von der<br />

freien improvisation und ich von der<br />

Klassik. Die Tournee geht weiter nach<br />

Graz, Prag und London und eine CD<br />

davon wird auch produziert.<br />

Erich Oskar Huetter, Violoncello<br />

www.erichoskarhuetter.com<br />

www.soundingjerusalem.com<br />

Geboren 1973 in Graz (Österreich). Solis -<br />

ti sche Auftritte unter Daniel Baren boim<br />

so wie vielen Orchestern. Einla dun gen <strong>als</strong><br />

Solist zu renommierten Festiv<strong>als</strong> und<br />

Konzerten.<br />

• Seit 2004 Leitung der Cello-Klasse Da ni el<br />

Barenboims Musikprojekts in Ramal lah.<br />

• Meisterkurse in Stift Admont, Zypern, Is ra -<br />

el, China, Singapur und den USA. Mit glied<br />

des Arcus Ensembles Wien und Hype rion<br />

En sem bles. Kammermusik part ner in Re zi -<br />

t<strong>als</strong> ist der Pianist Paul Gulda.<br />

• Juni 2006 Gründung und Leitung des in -<br />

ter kulturellen Kammermusikprojekts „Soun-<br />

ding Jerusalem.<br />

• 11. September 2006: Urauf führ ung eines<br />

Werkes von Philipp Glass bei den 9/11 Ge -<br />

denkfeiern im UNO Haupt quartier in NY.<br />

• Gründer und künstlerischer Leiter des<br />

Stei rischen Kammermusikfestiv<strong>als</strong>.<br />

JÜDISCHES MUSEUM WIEN<br />

10.12. <strong>2009</strong>, 20.00 uhr<br />

Mélange Oriental<br />

Die vier Viertel und Traditionen der Alt -<br />

stadt von Jerusalem (Jüdisch, Christlich,<br />

Arme nisch, Muslimisch) werden auf mu -<br />

si ka li sche Weise durchwandert und mit<br />

vor Ort aufgenommenen Klangeinspie lun -<br />

gen sowie fotografischen Impressionen<br />

ver knüpft. Im Pro gramm befinden sich a -<br />

r menische Volks lie der, jüdisch-rituelle<br />

Mu sik, Musik aus der Zeit der Kreuzzüge<br />

und Stücke aus der arabischen Tradition.<br />

Taiseer Elias (Ud, Israel): Preisträger des<br />

is ra elischen Kulturminis te riums 2008, Pro -<br />

fes sor an der Jerusalem Mu sic Academy<br />

sowie an der Bar Ilan University<br />

Ahmed Eid: (Kontrabass, Ramallah)Hoch -<br />

ta len tierter Nachwuchskünstler aus den pa -<br />

lästinensischen Gebieten. Studiert momentan<br />

an der Musikhochschule Köln Jazz.<br />

Erich Oskar Huetter (Violoncello, Wien/<br />

Graz): Als Solist und Mitglied von Kam -<br />

mer mu sik ensembles regelmäßig auf den<br />

wichtigsten Bühnen der Welt zu Gast.<br />

Stefan Heckel (Akkordeon und Sounds,<br />

Wien/Graz): Improvisationskünstler, der das<br />

Spiel mit Genre und Stil liebt. Mitglied meh -<br />

rerer Ensembles, die sich auf Musik aus dem<br />

osteuropäischen Raum konzentrieren.<br />

Christian Jungwirth (Foto, Graz): Einer der<br />

arriviertesten Fotokünstler der heimischen<br />

und internationalen Szene.<br />

AUSZEICHNUNGEN<br />

Bun des eh renzeichen <strong>2009</strong> für Willi<br />

Mernyi. Willi Mernyi hat sich seit seiner<br />

frühesten Jugend gegen Rechts ex tre mis -<br />

mus engagiert und ist seit 2000 ehrenamtlicher<br />

Vorsitzender des Maut hau sen<br />

Komitee Österreich.<br />

Großes Ehren zei -<br />

chen für Eric<br />

Pleskow.<br />

1924 in Wien in<br />

eine jüdische<br />

Kauf manns fa mi lie<br />

geboren, muss te<br />

Pleskow, wie so<br />

viele andere, vor den Nazis flüchten und<br />

emigrierte mit sei ner Familie in die<br />

USA. Nach dem Krieg wurde er mit dem<br />

Wiederaufbau der Bavaria Studios be auf -<br />

tragt und blieb auch danach dem Film<br />

treu. In seiner Zeit <strong>als</strong> Präsident von Uni -<br />

ted Artists (ab 1973) erhielt dieses Stu dio<br />

Oskars für mehrere Filme, darunter für<br />

Milos Formans "Einer flog über das Ku -<br />

ckucks nest". 1978 gründete Pleskow Ori on<br />

Pictures, die u.a. den Film "Amadeus"<br />

produzierten. Ab 1998 Präsident der<br />

Viennale, wurde Pleskow 2007 Ehren -<br />

bürger von Wien.<br />

Andreas Maislinger wurde<br />

für sein Le bens werk vom Los<br />

An geles Holocaust-Mu seum<br />

aus gezeichnet.<br />

Der in St. Georgen bei Salz -<br />

burg geborene Mais lin ger<br />

gründete 1992 den Verein<br />

„Ge denk dienst“ und 1998 den Verein<br />

„Österreichischer Auslandsdienst“, dessen<br />

am tie render Vorsitzender er zu gleich<br />

ist. Der 54-jährige Politologe ist Ver fas ser<br />

zahlreicher zeitgeschichtlicher Pu bli ka -<br />

tio nen und Seminarleiter, wie etwa der<br />

Brau nau er Zeitgeschichte-Tage in Ober -<br />

öster reich.<br />

Theodore<br />

Bikel wur -<br />

de von Na -<br />

tio nal rats -<br />

prä si den tin<br />

Pram mer<br />

mit dem<br />

Eh ren kreuz für Wiss enschaft und Kunst in<br />

New York geehrt.<br />

Exil-Forscher Konstantin Kaiser erhielt<br />

im Wiener Rathaus das „Goldene Ver -<br />

dienstzeichen des Landes Wien“.<br />

november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770 39


KULTUR • ISRAELISCHE AUTOREN<br />

Einmal<br />

Jenseits<br />

und retour<br />

Yoram Kaniuks<br />

autobiographischer<br />

Roman „Zwischen<br />

Leben und Tod“<br />

VON ANITA POLLAK<br />

Kein Tunnel, keine Lichter und das Le -<br />

ben zieht nicht an einem vorbei. Alles<br />

Unsinn, Mist, was da so erzählt wird<br />

vom Sterben, sagt einer, der es besser<br />

weiß. Rund drei Wochen war Yoram<br />

Kaniuk drüben, tot, am Ende, und er<br />

berichtet: Dort ist nichts. Und dann<br />

folg ten vier monate Halbschlaf, in de -<br />

nen er langsam ins Leben zurückkehrte.<br />

Eine Rückkehr, um die er nicht ge -<br />

beten hatte, denn Dort war Watte, hier<br />

ist Leid. Von Leben und Tod im wahrsten<br />

Wortsinn und von dem, was da -<br />

zwischen liegt, erzählt Yoram Ka ni uk.<br />

Einen autobiographischen Roman<br />

nennt er seinen Erfahrungsbericht,<br />

dem wir ihm nur staunend folgen<br />

können.<br />

74 war der israelische Autor, <strong>als</strong> er<br />

nach zwei Darmkrebsoperationen mit<br />

unerwarteten Komplikationen ins<br />

Koma fiel und quasi klinisch tot war.<br />

in seinem wochenlangen Erwachen in<br />

einem Tel-Aviver Krankenhaus hal lu -<br />

zi niert er, phantasiert er, erinnert sich.<br />

Die Rückkehr vom Tod war vielleicht die<br />

eindringlichste Erfahrung, die ich je ge -<br />

macht habe. Schade, dass mir all das so<br />

spät im Leben passiert ist. Ein Satz, der<br />

die Tonart anschlägt, in der da von den<br />

so genannten letzten Dingen gesprochen<br />

wird. Ohne Pathos, ohne Kli -<br />

schees, ohne Selbstmitleid, ohne Ta bus.<br />

nüchtern und sogar mit makabrem<br />

Humor und Selbstironie erzählt Ka ni -<br />

uk von sich und seinem alten, kranken<br />

Körper, seinem Krebs, der ja schließ -<br />

lich ein Teil von ihm war. muss er be -<br />

graben werden und wo? Eine der Fra -<br />

gen, die der Autor zu einer ebenso<br />

kun digen wie bizarren Auseinan der -<br />

set zung mit religiösen Vorschriften<br />

benützt. Religiös ist er aber keineswegs,<br />

plädiert wiederholt für die Feu -<br />

erbestattung, schon aus Platzgründen<br />

im kleinen israel, und wünscht sich,<br />

dass seine Ehefrau miranda neben ihm<br />

beigesetzt werde, obwohl sie kei ne<br />

Jüdin ist. miranda, die all die Wochen<br />

an seinem Spit<strong>als</strong>bett saß, nach all den<br />

Jahren, in denen er ein Scheißvater und<br />

ein Scheißehemann war, wie er rückblickend<br />

resümiert. Und so ist dieses<br />

Buch auch eine Liebeserklärung an<br />

die se Gefährtin, an ihre Schönheit und<br />

an ihre Leidensfähigkeit.<br />

Eine Liebeser klärung mit Ein schrän -<br />

kun gen ist es auch an sein Land, für<br />

das er 1948 kämpfte, verwundet wur -<br />

de und dabei <strong>als</strong> 18-jähriger das erste<br />

mal mit dem Tod konfrontiert war.<br />

Seine Freunde fielen neben ihm, er<br />

überlebte und wusste nicht, warum.<br />

Und er erinnert sich an all die Toten<br />

sei nes Lebens, die Verwandten, Leh -<br />

rer und nachbarn, die seltsamen<br />

Käuze seiner Kindheit, ein Panopti -<br />

kum von liebenswerten jüdischen<br />

Originalen. Wie in vielen israelischen<br />

Büchern seiner Generation ist dieser<br />

wehmütige Rückblick letztlich auch<br />

ein Abgesang, eine Art Kaddisch auf<br />

die Gründer, die Pioniere, auf ihre<br />

Hoffnungen, ihre Kämpfe und ihre<br />

Lieder. Eine Todeskrankheit ist vom Him -<br />

mel heruntergefallen und hat die meis ten,<br />

die ich gekannt habe, verschlungen.<br />

Das Überleben und das Leben und<br />

das Warum - die Sinnfrage schlechthin<br />

stellt und beantwortet Kaniuk<br />

nihilistisch und leidenschaftslos. Das<br />

nichts des Todes beendet für ihn die<br />

Sinnlosigkeit des Lebens. Bilanz zieht<br />

er über seine Jahre <strong>als</strong> Künstler, <strong>als</strong> ma -<br />

ler und Schriftsteller und diese Bilanz<br />

fällt erschreckend schonungslos und<br />

40 november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770


KULTUR • ISRAELISCHE AUTOREN<br />

hart aus. ist es Koketterie, wenn er sich<br />

<strong>als</strong> Scheiternder darstellt, ist es Ge -<br />

kränktheit, weil er so lange gerade in<br />

is rael um Anerkennung kämpfen<br />

muss te? das Buch ist ganz schön, sogar<br />

interessant, etwas deprimierend, schade,<br />

dass er sich nicht kürzer gefasst hat, es ist<br />

ein schlechtes Buch, ein wüster Schrift -<br />

steller …, nimmt er vorauseilend ein<br />

mög liches Urteil seiner Kritiker vorweg.<br />

nach soviel nichts muss etwas kommen.<br />

Und es kommt. Ungerufen<br />

kommt das Leben zurück und mit ihm<br />

kommt Schimon, sein groß gewachsener,<br />

starker, pünktlicher, einsamer<br />

und schweigsamer Begleiter, dessen<br />

Aufgabe es einzig und allein ist, mit<br />

dem wackeligen alten mann spazieren<br />

zu gehen. Schimon, man entnimmt<br />

es jedem Satz dieser wunderbaren<br />

Cha rakterstudie, ist Yoram Kaniuks<br />

letzte Liebe. Kein Plauderer und kein<br />

Leser, aber Menschen liest er mit der Ver -<br />

nunft eines Mannes, der nie das Bedürf nis<br />

verspürt hat, Bücher zu lesen. Jeden mor -<br />

gen geht das seltsame Paar seine Wege<br />

durch Tel-Aviv und über den Roth -<br />

schild-Boulevard und da wird noch<br />

eine Liebe spürbar. Die zur Stadt und<br />

zur Geschichte ihrer menschen, die<br />

sich auch in den Bauwerken spiegelt.<br />

Ein erlesener literarischer Stadtführer<br />

zum Abschied, den Kaniuk mit diesem<br />

Buch doch sehr deutlich nimmt.<br />

Yoram Kaniuk<br />

„Zwischen Leben und Tod“.<br />

Ein autobiographischer Roman.<br />

Deutsch von Ruth Achlama<br />

Claassen Verlag<br />

ZUM AUTOR<br />

Geboren 1930 in Tel-Aviv <strong>als</strong> Sohn des<br />

ersten Direktors des Tel-Aviv-Mu se -<br />

ums und einer Lehrerin, verließ Yo -<br />

ram Kaniuk mit 17 das Gymnasium,<br />

um unter Jizchak Rabin Palmach -<br />

kämpfer zu werden. Nachdem er 1948<br />

im Un ab hängigkeitskrieg verwundet<br />

wurde, ging er für zehn Jahre <strong>als</strong> Ma -<br />

ler nach New York, wo er seine Frau<br />

Miranda ken nen lernte. 1961 kehrte er<br />

<strong>als</strong> Schrift steller zurück und veröffentlichte<br />

seit her 16 Romane un ter ihnen<br />

„Adam Hun desohn“, Kurz ge schich -<br />

ten und Kinderbücher. Erst nachdem<br />

er längst international anerkannt war,<br />

nahm ihn auch Israel zur Kenntnis.<br />

Heute zählt er zu den be deutendsten<br />

Gegen wartsautoren des Landes.<br />

Überall & Nirgendwo<br />

P. Weinberger<br />

Das älteste jüdische Grab<br />

in New York (1708)<br />

Um new York kennen zu<br />

lernen genügt es nicht,<br />

einmal mit dem Schiff, mit<br />

der „Circle Line“, rund um<br />

man hattan zu fahren und<br />

gelegentlich in "Ahs" und<br />

"Ohs" auszubre chen, sich<br />

Blasen auf den Füßen vom<br />

He rum laufen in mid town<br />

zu holen, oder in das me -<br />

tro politan museum zugehen.<br />

man sollte zumindest<br />

einen halben Tag in der U-<br />

Bahn verbringen, z.B. eine<br />

Fahrt mit der Linie A, von<br />

der nordspitze manhattans bis an die At lantikküste von<br />

Brooklyn, unternehmen. Fahrzeit etwa zwei Stunden.<br />

Dann bekommt man zumindest einen op tischen Ein druck<br />

von der sozialen Schichtung in dieser Stadt. „Hispanos“<br />

steigen aus, „Afroamerikaner“ ein und wieder aus, da -<br />

nach gibt es Russen, zum Schluss überwiegt die „weiße<br />

mittelklasse“, man sieht vorwiegend „Ang los“.<br />

man kann auch, um ein ganz bestimmtes new York zu er -<br />

kunden, einen Ausflug auf die Roosevelt insel (mit der U-<br />

Bahn) unternehmen, um junge jüdische Familien, jeweils<br />

mit einem halben Dutzend kleinen Kindern, die männer<br />

mit seidenen Kaftans, Kniehosen und weißen Strümpfen<br />

angetan, zu sehen, die an nachmittagen die insel in Scha -<br />

ren besuchen. Den Ausflug kann man sich im Grunde<br />

genommen aber genauso gut ersparen, indem man sich<br />

das jeweilige nachbarschaftsverzeichnis anschaut. nimmt<br />

man sich z.B. das von Washington Heights, von einem<br />

Vier tel, das nicht <strong>als</strong> vorwiegend von Juden bewohnt gilt,<br />

dann gibt es dort immerhin neun orthodoxe Ge mein den<br />

und eine Reformgemeinde. Ob die orthodoxen Gemein den<br />

untereinander reden ist nicht bekannt. natürlich kann man<br />

auch historischen Spuren jüdischer Einwanderung nach -<br />

gehen und einen kurzen Blick durch einen eisernen Zaun<br />

auf das älteste jüdische Grab in new York (1708) werfen.<br />

Seit Joseph Hellers Romanen ist es wohlbekannt, dass so<br />

manche new Yorker Chinesen Jiddisch sprechen oder zu -<br />

mindest bestens verstehen. Selbst neu eingewanderten<br />

Pu ertorikanern werden rasch mit Ausdrücken wie „Toas-<br />

ted Challe“ konfrontiert, auch wenn sie manches mal<br />

nicht unbedingt wissen, was damit gemeint ist. manche,<br />

scheint es, haben allerdings „Spilkes in Toches“, so eilig<br />

sind sie unterwegs.<br />

Wer glaubt, sich in dieser Stadt in einem der hoch ent wi -<br />

c kelten industrieländer zu befinden, in einer der großen<br />

metropolen der Ersten Welt, dem sei dringend geraten,<br />

eine Fahrt mit dem Bus über die George Washington<br />

Bridge zu unternehmen. Ähnlichkeiten mit Busfahrten<br />

irgendwo in Lima oder Bogota drängen sich einem auf.<br />

Alle reden in voller Lautstärke, auf Spanisch natürlich, der<br />

Busfahrer mit eingeschlossen. Der Komfort im Bus steht<br />

übrigens dem in einem Bus in tiefsten Latein ame ri ka nicht<br />

im geringsten nach: alt, schäbig und dreckig, wie halt so<br />

manche U-Bahnstation. Das sollte man auf keinen Fall ver -<br />

gessen, wenn man, wie die meisten Besucher von new<br />

York, lediglich in midtown die gigantischen Glasfassa den<br />

der Hochhäuser oder die gusseisernen Fassaden in Lo -<br />

wer manhattan bewundert.<br />

Allerdings, um in die innerste Bewußtseinssphäre dieser<br />

Stadt vorzudringen muss man mit Leuten reden, mit ehe -<br />

maligen immigranten oder deren nachkommen etwa,<br />

oder schlicht und einfach mit mitfahrende in der U-Bahn,<br />

im Bus oder im Aufzug. Wenn dann etwa im november<br />

die Frage nach dem Datum von Erev Thanksgiving ge stellt<br />

wird, ja, dann beginnt man langsam die Sprach schi -<br />

zophrenie dieser Stadt zu begreifen: sie ist eben „nFT“<br />

(not For Tourists), so, wie hier der Stadtplan für Ein ge -<br />

weihte tatsächlich heißt.<br />

november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770 41


KULTUR • KULTUR • SPORT<br />

Ankick für die Vorbereitungen<br />

zu den Makkabi Spielen 2011/Teil 2<br />

www.emg2011.eu/mission.html<br />

Eineinhalb Jahre vor dem Startschuss zu<br />

den 13. Europäischen Makkabi Spielen<br />

wird hinter den Kulissen bereits eifrig<br />

vorbereitet, organisiert, getüftelt. 2.000<br />

jüdische Sportler werden im Juli 2011 in<br />

Wien erwartet. Unterbringung, Verpfle -<br />

gung, zeitliche Koordination der Wett -<br />

kämpfe: alles muss perfekt funktionieren.<br />

„Die Gemeinde“ stellt Ihnen in dieser<br />

Ausgabe die weiteren Mitglieder des<br />

Organisationskomitees für die Spiele vor.<br />

Die erste Hälfte des ehrenamtlich arbeitenden<br />

Gremiums wurde bereits im<br />

Oktober-Magazin präsentiert.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

stellvertretender<br />

Vor sitzender des Or -<br />

ganisationsko mi tees<br />

ist Peter Teich ner. Er<br />

ist auch einer der<br />

Ge schäftsführer der<br />

für die 13. Euro pä -<br />

ischen makkabi<br />

Spie le ge gründeten<br />

g e m e i n n ü t z i g e n<br />

GmbH EmG2011. Seine Aufgaben<br />

innerhalb des Ko mi tees: Verhand lun -<br />

gen mit Behörden, Koor di nierung<br />

und Ent schei dungen über Anmie tun -<br />

gen, Ver gaben und Auf trä ge gemeinsam<br />

mit dem Ko mi tee-Vor sitzenden<br />

Oskar Deutsch. Als dabei zu bewältigende<br />

He rausfor de rung be zeichnet<br />

Teich ner „eine ordentliche und sehr effiziente<br />

Koordination zu etablieren, damit<br />

die Spiele reibungslos abgewickelt werden<br />

können und zum Erfolg führen“.<br />

Und so freut er sich auch vor allem auf<br />

das Ende der Spiele, „wenn alles reibungslos<br />

und erfolgreich beendet ist und<br />

alle zufrieden sind“. Sich hier zu engagieren,<br />

sieht er <strong>als</strong> Selbstverständ lich -<br />

keit. „Ich bin seit 50 Jahren in der jüdischen<br />

Sportbewegung tätig und bin überzeugt,<br />

dass diese Spiele für die Sportbe we gung<br />

in Österreich sehr wichtige Impulse ge ben<br />

werden.“ Deshalb sei es nötig, „in ner halb<br />

des Organisa tions ko mitees Aufga ben zu<br />

übernehmen“.<br />

Wichtig seien die Spiele aber auch für<br />

die jüdische Gemeinde. „Der Großteil<br />

der Gemeinde sollte mobilisiert werden, um<br />

mit uns diese einzigartige Chance wahrzunehmen,<br />

um der nichtjüdischen und jü -<br />

di schen Bevölkerung Österreichs zu zeigen,<br />

dass der jüdische Sport existiert.“<br />

Teichner (geb. 1943 in Budapest) ist seit jungen<br />

Jahren <strong>als</strong> selbstständiger Kauf mann tä -<br />

tig. Er übernahm zu nächst die Klei derer zeu -<br />

gung des Va ters, be trieb später einen Textil-<br />

Im port-Export Fernost und ist nun seit mittlerweile<br />

zehn Jahren In ha ber der Te le fon ge sel l -<br />

schaft TCN Be triebs ges mbH in Wien. Acht<br />

Jahre lang saß er im Kul tus vor stand der IKG,<br />

ist heute Bei rats vor sitzender des Hakoah<br />

Sport zen trums und im Maimonides zen trum.<br />

Teichner ist selbst seit seiner Jugend in der<br />

Ha koah aktiv, und zwar in den Sport arten<br />

Schwim men und Wasser ball sowie Tennis<br />

(Gründer der Sek tion sowie fünf Jahre lang ihr<br />

Leiter). Der Hakoah-Vize prä sident nahm zwei<br />

Mal <strong>als</strong> aktiver Schwim mer an der Mak kabia de<br />

in Is rael teil und war vier Mal Head of Dele ga -<br />

tion bei den Eu ro päischen Makkabi Spie len<br />

in Am ster dam, Glasgow, Antwerpen und Rom.<br />

Für die unter brin gung<br />

der an die 2.000 Sport -<br />

ler, die zu den 13. Euro -<br />

päi schen mak kabi Spie -<br />

len in Wien er wartet<br />

werden, ist Leon Widec ki verantwortlich.<br />

mit viel Ver hand lungs ge schick<br />

will er dabei in den Ge sprächen mit<br />

den Hotels „optimale Kon ditio nen<br />

herausholen“. Eine He raus forde rung<br />

werde es sein, die De le gationen und<br />

Teams auf die zu Ver fügung stehenden<br />

Hotels aufzuteilen.<br />

Die makkabi Spielen seien ohne den<br />

Beitrag ehrenamtlicher Helfer nicht<br />

zu bewerkstelligen, ist Widecki überzeugt.<br />

„Dieser Verantwortung möchte<br />

ich mich stellen und dazu beitragen, die<br />

Spiele in Wien zu einem erfolgreichen und<br />

für alle Beteiligten unvergesslichen Event<br />

zu machen.“ Er freut sich übrigens so -<br />

wohl auf die Eröffnungs- <strong>als</strong> auch die<br />

Abschlussveranstaltung. „Die Er öff -<br />

nung wird bestimmt spektakulär und sehr<br />

emotional.“ Und auf den Schluss event<br />

freut Widecki sich, „weil dann hoffentlich<br />

alles perfekt geklappt haben wird und<br />

alle zufrieden Bilanz ziehen werden“.<br />

Widecki (geb. 1956 in Warschau) studierte<br />

nach der Matura in Wien Volks wirtschaft. Be -<br />

ruflich zunächst bei der Security der Flug li nie<br />

El-Al tätig, später in den Bereichen Marke ting<br />

und Wer bung beziehungsweise Immo bil i en.<br />

Er ist Obmann des Herausgeber-Vereins des<br />

Mediums „Das Jüdische Echo“. Widecki spielt<br />

Tennis und Fußball und fährt Schi.<br />

Mimi Eisenberger ist bei den<br />

Spielen für das mar ke ting<br />

zu stän dig und leitet bis<br />

Jahresende das EmG 2011-<br />

Bü ro. Wa rum nur bis En de<br />

des Jahres? Dann nämlich<br />

kommt ihr zweites Kind zur Welt. Bis<br />

dahin versucht sie <strong>als</strong> Bü ro lei terin „vor<br />

allem die existierende Infor ma tion so<br />

trans pa rent wie möglich zu ma chen und na -<br />

tür lich den Vorstand – der zur Zeit den Groß -<br />

teil der Arbeit macht – zu unterstützen“.<br />

im Bereich marketing steht die Ver -<br />

mark tung der makkabi Spiele nach<br />

innen und außen auf ihrer Agenda.<br />

Das reicht „von banalen Dingen wie dem<br />

Briefpapier bis zu den ganz Span nenden,<br />

wie zum Beispiel Sponsoren zu gewinnen<br />

und die gesamte Gemeinde zum Mit ma -<br />

chen zu motivieren“. Denn: „Ohne die<br />

Hilfe jedes einzelnen Gemeindemitglieds<br />

werden wir es nur schwer schaffen.“ Ei -<br />

senberger hat bisher „mein Leben lang<br />

Dinge, Menschen und/oder Projekte or ga -<br />

nisiert“ und freut sich nun, ihre Er fah -<br />

rung „einem so großen und spannenden<br />

Unternehmen zur Verfügung zu stellen“.<br />

Eisenberger (geb. 1970 in Wien) besuchte<br />

das Lyçee Francais und ab solvierte den Lehr -<br />

gang für Wer bung und Verkauf an der Wirt -<br />

schaft uni ver sität Wien. Da nach zunächst Me -<br />

dia planerin und Kon tak te rin bei AUSTRIA 3<br />

TBWA Wer be agentur. 1996 Mitarbeit bei der<br />

Mauerbach-Ver stei gerung. Dann Über sied lung<br />

nach Is ra el, dort Marketing bei einigen High-<br />

Tech-StartUp-Unternehmen so wie bei COM-<br />

VERSE in Tel Aviv, schließlich im Client Ser vi -<br />

ce bei CHRIS TIE’s Is ra el tätig. Ge burt ihrer<br />

Toch ter und Rückkehr nach Wien.<br />

Daniel Kalbeck<br />

kümmert sich bei<br />

den mak ka bi Spie -<br />

len in Wien um den<br />

Be reich it. ihn reizt<br />

daran „die Mög lich -<br />

keit, moderne, selbst -<br />

be wuss te jüdische<br />

Iden ti tät zu leben<br />

und zu fördern“. Und er meint, „<strong>als</strong><br />

erste Ver an stal tung dieser Grö ßen ord -<br />

nung nach 1945 in Österreich ha ben die<br />

Spie le auch international eine ge wisse<br />

Sym bol wir kung“.<br />

Kalbecks Ziel: „Die Eta blie rung einer<br />

möglichst pro fessionellen Infrastruktur mit<br />

42 november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770


KULTUR • SPORT<br />

begrenzten budgetären Mitteln, die eine<br />

weitgehend reibungslose Abwick lung der<br />

Spiele ermöglicht und die Spielbe richt er -<br />

stat tung unterstützt“. Besonders freut<br />

sich der iT-Experte auf „das erste live<br />

ge schaltene Sportergebnis. Und na tür lich<br />

die Eröffnung“.<br />

Kalbeck (geb. 1976 in Wien) besuchte die Zwi<br />

Pe rez Chajes-Schule und studierte dann so -<br />

wohl an der TU (Infor ma tion und Ar chitek tur)<br />

<strong>als</strong> auch an der Uni Wien (Publizistik) und<br />

belegt schließlich das Stu dium irregulare „New<br />

Media De sign & En gi neering“. Art & Crea ti ve<br />

Director bei di ver sen New Media Agenturen<br />

in Österreich und Deutsch land, wissenschaftlicher<br />

Mitar bei ter bei EU-Forschungspro jek ten<br />

im Be reich Inter action Design und Human<br />

Com pu ter Inter ac tion. Lektor am In sti tut für<br />

Infor mation an der TU Wien, Geschäftsführer<br />

von kalbeck.media, einer Agentur für di gi tale<br />

Medien. Kalbeck nahm an Schwimm-Wett -<br />

kämp fen bei der Ha koah teil und spiel te Brid ge<br />

im österreichischen Ju gend-Nationalteam.<br />

natürlich spielt auch die<br />

sicher heit bei den mak ka -<br />

bi Spiele in Wien eine<br />

große Rolle. Diese Agen -<br />

den werden von einem in<br />

Secu ri ty-Fragen sehr er -<br />

fahrenen Ge mein de mit glied übernommen<br />

und in bewährter Diskre ti on<br />

vorbereitet und während der Spiele<br />

be treut, sodass sich jeder Sportler, je -<br />

der Zuschauer während die ses sportlichen<br />

Groß ereig nisses sicher fühlen<br />

kann.<br />

Den Bereich fi nan zen hat<br />

Ron Schwarz baum über -<br />

nommen. Er ist damit für<br />

die Sicherstellung der für<br />

die Durch füh rung der<br />

Spie le nö tigen Finanz mit tel verantwortlich.<br />

mo tivation ist ihm dabei<br />

„per sön lich zum Erfolg beizutragen“.<br />

Wichtig wer de es sein, „alle Teilbereiche<br />

koordiniert zu sam menzuführen, um einen<br />

perfekten, rei bungslosen Gesamtablauf der<br />

Spiele zu ge währleisten“. in den mak ka -<br />

bi Spie len sieht Schwarzbaum „eine<br />

his torisch ge se hen einmalige Chance, die<br />

Wiener jü di sche Gemeinde in einer ganz<br />

besonderen Art und Weise darzustellen“.<br />

Schwarzbaum (geb. 1973 in Wien) be such te zu -<br />

nächst das Lycée Fran çais, später die Ame ri can<br />

In ter na tio nal School. Stu di um der Handels wis -<br />

senschaft an der Wirt schafts uni ver si tät Wien.<br />

Von 1998 bis 2005 bei der Al vo ra da Kaffee -<br />

han dels GmbH beschäftigt, seit 2005 bei der<br />

Frankstahl Rohr- und Stahlhandels GmbH.<br />

Sport lich aktiv ist Schwarzbaum in den Sport -<br />

arten Schifahren, Schwimmen und Fitness.<br />

Die Verant wor tung für das Ca te ring<br />

der Euro päischen<br />

mak ka bi Spiele<br />

2011 in Wien ha ben<br />

Petra Winkel bau er-<br />

Acker mann und<br />

Han nes Win kel bau -<br />

er übernommen.<br />

„Da ich beruflich mit<br />

Nah rungs mit teln zu<br />

tun habe (ich importiere Lebensmittel aus<br />

der ganzen Welt nach Ös terreich) ist es<br />

nahe liegend, dass ich in diesem Be reich<br />

meine Hilfe an bieten kann“, so Hannes<br />

Win kel bauer. Seine Frau er gänzt, „mit<br />

acht Jahren habe ich beim SC Hakoah<br />

schwimmen gelernt und an nationalen<br />

Wett kämp fen teilgenommen, meine beiden<br />

Kin der (acht und elf Jahre) schwimmen<br />

auch bei diesem Ver ein. Sport gehört zu<br />

unserem Leben dazu, da her freue ich mich,<br />

an der Organisation dieses in ter nationa -<br />

len Wettkampfes teilzunehmen“.<br />

Die größte Herausforderung sieht sie<br />

„in der lückenlosen Abwicklung der Ver -<br />

kös tigung dieser großen Anzahl an Per -<br />

so nen, die oft gleichzeitig, dann wieder<br />

zeitversetzt oder durch Verlängerung von<br />

Wettkämpfen nicht zum vereinbarten Zeit -<br />

punkt die Mahlzeiten einnehmen wer den“.<br />

ihrem mann wiederum ist es zusätzlich<br />

zur Aufgabe, genug Essen und<br />

Trinken zu jeder Zeit zur Verfügung<br />

stel len zu können, ein besonders An -<br />

liegen, „dass es allen schmeckt“.<br />

Für Petra Winkelbauer-Ackermann ist<br />

Wien <strong>als</strong> Austragungsort der Spie le<br />

der „Beweis für ein funktionierendes und<br />

dynamisches Gemeindeleben“. ihr mann<br />

betont, dass die Entscheidung für<br />

Wien und Österreich „eine große Ehre<br />

für die jüdische Gemeinde“ ist. „Aus diesem<br />

Grund müssen wir alle Kräfte mo-bi -<br />

lisieren, dass die Spiele nicht nur für<br />

unsere Gemeinde ein einmaliges Erlebnis<br />

darstellt, sondern auch allen Teilnehmern<br />

ewig in Erinnerung bleibt. Wir leben in<br />

einer wunderschönen Stadt mit tiefen jüdi<br />

schen Wurzeln, die eine fantastische Ku -<br />

lisse für das Sportereignis abgeben wird.“<br />

Winkelbauer-Ackermann (geb. 1959 in Wien)<br />

be suchte das Lycée Fran çais und absolvierte<br />

anschließend ein Dol metsch stu dium für<br />

Fran zö sisch und Eng lisch an der Uni Wien.<br />

Von 1982 bis 1988 <strong>als</strong> Si mul tandol met scherin<br />

tätig, seit 1988 Textilkauffrau mit eigenem<br />

Shop <strong>als</strong> Fran chiseneh me rin für die Marke<br />

SISLEY (Be net ton). Von 1977 bis 1982 im Vor -<br />

stand der Vereinigung jüdischer Hoch schü -<br />

ler, von 1988 bis 1998 im Verein der Freunde<br />

des Elternheims (Maimoni des zentrum) so -<br />

wie <strong>als</strong> Extrania in der So zial kommission der<br />

IKG tätig. Seit 2002 ak tiv bei der Wizo Wien<br />

und seit 2007 Dele gierte der Wizo bei den NGO<br />

Komitees der UNO. Winkelbauer-Acker mann<br />

ist in den Sportarten Tennis, Schwim men, Jazz -<br />

tanz, Schifahren, Eislau fen und Squash aktiv.<br />

Winkelbauer (geb. 1964 in Wien) absolvierte<br />

eine Handelsaka de mie. Zu nächst Obsthänd ler<br />

im ersten Bezirk, dann Angestellter im Im port/<br />

Großhandel Obst & Gemüse, heute Ge -<br />

schäfts führer eines Le bens mit tel Import Un -<br />

ter neh mens. Er ist Tempelvorstand im Stadt -<br />

tem pel. Seine sportliche Aktivität be schreibt<br />

er mit den Worten „bester Zuseher aller Zeiten<br />

(Fan und Bewunderer der Mac cabi Jugend)“.<br />

FREIWILLIGE GESUCHT! CALL FOR VOLUNTEERS!<br />

Die 13. Europäischen Makkabi Spiele werden Wien eine Woche lang zu einer Be geg nungs stät -<br />

te jüdischer Sportler aus aller Welt verwandeln. Um die Spiele zu einem unvergessli chen<br />

Ereignis werden zu lassen, bedarf es vieler Helfer.<br />

Möchten Sie dabei sein? Wollen Sie sich diesen Event auf gar keinen Fall entgehen lassen?<br />

Wissen Sie vielleicht sogar schon, wie Sie konkret zum Gelingen der Spiele beitragen können?<br />

Dann melden Sie sich doch! Egal, wie alt oder jung, erfahren oder unerfahren, sportlich oder<br />

unsportlich Sie sind, ob Sie noch zur Schule gehen, mitten im Berufsleben stehen oder schon in<br />

Pension sind – hier zählen nur der Teamgeist und die Zahl der helfenden Hände!<br />

Im Gegenzug bedanken sich die Makkabi Spiele bei Ihnen mit freiem Zugang zu gewissen<br />

Programm punk ten, einer kostenlosen Mahlzeit pro Tag, einem Zertifikat <strong>als</strong> Aner ken nung<br />

und einem Souvenir, das Sie ein Leben lang daran erinnern wird, an der größten jüdischen<br />

Ver anstaltung in der österreichischen Geschichte teilgenommen und diese maßgeblich un -<br />

terstützt zu haben.<br />

Wenn Sie sich <strong>als</strong>o vorstellen können, <strong>als</strong> Freiwillige/r Teil der EMG 2011-Mannschaft zu wer den,<br />

dann tei len Sie uns bitte in einem kurzen Schreiben mit, ab wann Sie sich vorstellen können,<br />

den Spielen zur Ver fügung zu stehen und wieviel an Zeit Sie investieren können. Wenn Sie außer -<br />

dem schon wissen, dass Sie sich besonders für die Mitarbeit in einem be stimmten Bereich<br />

interessieren, können Sie uns das ebenfalls bekannt geben. Dieses Schrei ben sowie einen kurzen<br />

Lebenslauf schicken beziehungsweise mailen Sie bitte an:<br />

EMG 2011 GmbH,<br />

Desider Friedmannplatz 1, 1010 Wien<br />

r.gilkarov@emg2011.eu<br />

Herzlichen Dank!<br />

Die 13. Europäischen Makkabi Spiele freuen sich schon auf Sie!<br />

november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770 43


KULTUR • SPORT<br />

mad Ali am Anfang seiner Kar ri ere.<br />

Harter Box-Weltmeister und einfühlsamer Rabbi<br />

Yuri Foreman kämpft auch gegen Antisemitismus<br />

VON MARTIN KRAUSS<br />

„Ich kann mich besser konzentrieren, zu<br />

mir zu finden“<br />

in dieser Reihe steht nun auch Fore -<br />

mans name. Er ist zwar nicht der ers -<br />

te jüdische Weltmeister, aber der erste<br />

israelische. Und der erste Rabbiner in<br />

spe. Diese Kombination drückt er mit<br />

einem Symbol aus, das auf seine Box -<br />

hose gestickt ist und das er <strong>als</strong> motiv<br />

auf T-Shirts und Basecaps vertreibt:<br />

ein Löwe, der listig und angriffslustig<br />

aus einem Davidstern schaut.<br />

Der boxende Rabbi – das macht<br />

Foreman für die Öffentlichkeit interessant,<br />

doch er selbst tut so, <strong>als</strong> gäbe<br />

es da keinen Grund zur nachfrage. mit<br />

leicht genervtem Unterton sagt er: „Ich<br />

schlage ja nicht wild um mich, sondern<br />

ich betreibe meinen Sport sehr ernsthaft.<br />

Es ist vielmehr so, dass mir mein Juden -<br />

tum bei meinem Sport hilft. Ich kann mich<br />

besser konzentrieren, zu mir zu finden.“<br />

Aber warum will er nicht bloß ein<br />

religiöser Boxer bleiben, warum muss<br />

es der Beruf des Rabbiners sein? „Das<br />

Rabbinatsstudium ist für mich die ganz<br />

große Chance, das Judentum zu studieren.<br />

Das gibt mir sehr viel.“ Dass die Re -<br />

geln, die für einen orthodoxen Juden<br />

gelten, ihn bei der Ausübung seines<br />

Sports behindern könnten, glaubt er<br />

nicht. Den Schabbat beispielsweise,<br />

den wöchentlichen Ruhetag, hat er bis -<br />

lang immer gehalten. „Die Kampfaben de<br />

sind ja nicht samstags tagsüber, sondern<br />

abends.“<br />

Rabbiner und Boxer – kann man das<br />

miteinander verbinden? immer wieder<br />

musste Yuri Foreman diese Frage<br />

beantworten. Und immer wieder gab<br />

der neunundzwanzigjährige die gleiche<br />

Antwort: „Nein, das ist kein<br />

Widerspruch.“ Seit letztem Samstag ist<br />

diese Frage Vergangenheit. Jetzt heißt<br />

es: Rabbiner und Box-Weltmeister –<br />

passt das überhaupt zusammen? Denn<br />

der gebürtige Weißrusse mit israelischem<br />

Pass ist nicht mehr nur Boxer.<br />

Seit Samstag ist der angehende Rabbi<br />

der erste israelische Boxweltmeister.<br />

Es ist ein spektakulärer Kampf, den<br />

die Zuschauer in der mGm Grand<br />

Garden Arena von Las Vegas geboten<br />

bekommen: Herausforderer Foreman<br />

gegen den Superweltergewichts-<br />

Welt meister der WBA, Daniel Santos.<br />

Schon in der zweiten Runde schickt<br />

Foreman den Titelträger auf den Ring -<br />

boden. in der dritten Runde drängt er<br />

den Weltmeister aus Puerto Rico in<br />

die Ringseile, Santos kann sich nur<br />

mit mühe auf den Beinen halten. Als<br />

Foreman in der vierten Runde mit<br />

einer harten Schlagkombination nach -<br />

setzt, scheint ein schnelles Kampf -<br />

ende nah. Doch Santos übersteht die<br />

volle Kampfdauer von zwölf Run den.<br />

Die Ringrichter sind sich in ihrem<br />

Urteil jedoch einig: Foreman siegt<br />

deutlich nach Punkten.<br />

Boxweltmeister ist Foreman <strong>als</strong>o be -<br />

reits, Rabbiner wird er wohl erst in<br />

zwei Jahren. Der orthodoxe Jude ab -<br />

solviert schon seit längerem am iyyuninstitut<br />

in new York eine Ausbildung<br />

zum jüdischen Geistlichen. „Morgens<br />

studiere ich die Tora“, beschreibt er seinen<br />

Tagesablauf. „Und nachmittags ge he<br />

ich in das Gleason’s Gym in Brooklyn.“<br />

im Gleason’s haben schon einige große<br />

Box-Weltmeister trainiert: Jake La mot -<br />

ta, mike Tyson und sogar mu ham -<br />

„Vater gefällt es, dass ich Rabbi werde<br />

und dass ich Boxer bin“<br />

Erst seit er in Amerika lebt, beschäftigt<br />

sich Foreman mit dem Judentum.<br />

mit Boxen hat Foreman angefangen,<br />

<strong>als</strong> er sieben Jahre alt war und die Fa -<br />

milie noch im weißrussischen Gomel<br />

lebte. in israel hat er dann weitergeboxt,<br />

mit 21 Jahren wanderte er nach<br />

Amerika aus, und ein Jahr später<br />

wur de er Profi. Sein Vater, der seit<br />

dem Tod der mutter alleine in Haifa<br />

lebt, sei zwar säkularer Jude, „aber es<br />

gefällt ihm, dass ich Rabbi werde und<br />

dass ich Boxer bin“.<br />

neben Foreman hat auch Dmitriy<br />

Salita, ein in new York lebender Ukr a -<br />

iner, <strong>als</strong> weiterer Jude in diesem Jahr<br />

die Chance auf einen Wm-Titel. Er<br />

könnte im Kampf gegen den Briten<br />

Amir Khan am 5. Dezember Su per -<br />

leichtgewichts-Weltmeister der WBA<br />

werden. Auch der in moskau geborene<br />

44 november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770


KULTUR • SPORT<br />

Schwergewichtler Roman Green berg<br />

wird immer wieder <strong>als</strong> „jü dische Hoff -<br />

nung“ gehandelt. Er hat einen israelischen<br />

Pass und lebt in London.<br />

„Wir müssen viel mehr gegen<br />

antisemitische Stereotype tun“<br />

Foreman, Salita und Greenberg sind<br />

gut befreundet, leben religiös und<br />

sind sich bewusst, dass sie in einer<br />

großen Tradition stehen. „Anfang des<br />

20. Jahr hunderts stammten in Amerika<br />

sehr viele Boxer aus jüdischen Familien“,<br />

sagt Foreman. Zu ihnen gehöre auch<br />

sein Vorbild Benny Leonard, der be -<br />

kannte Leichtgewichtler aus der Zeit<br />

vor dem Ersten Weltkrieg.<br />

Der Sporthistoriker Mike Silver, der<br />

eine Ausstellung über jüdisches Bo xen<br />

kuratiert und gerade ein Standard -<br />

werk zu diesem Thema vorgelegt hat,<br />

sieht gar eine Renaissance des jüdischen<br />

Boxens: „Durch die drei werden<br />

sich mehr Leute über diese jüdische Er -<br />

fahrung im Boxen bewusst, und das sollte<br />

auch gelehrt werden <strong>als</strong> Teil des jüdischen<br />

Immigrationserlebnisses.“ Fore man<br />

wünscht sich mehr jüdische Bo xer.<br />

„Wir müssen viel mehr gegen antisemitische<br />

Stereotype tun: zum Beispiel, dass<br />

Juden schwächlich seien.“<br />

100 Jahre S.C.HAKOAH<br />

DAS FEST<br />

man soll die Feste feiern, wie sie fallen<br />

– beim 100. Ge burtstag muss<br />

einem viel einfallen, nichts dem Zu -<br />

fall überlassen, damit es auffällig schön<br />

wird. Und das ist uns ge lun gen.<br />

Die Eröffnung erfolgte durch mädchen<br />

der rhythmischen Gymnastik (vom<br />

Allgemeinen Sportverband Österreichs),<br />

die mit ihren biegsamen Kör -<br />

pern schon sehr perfekt ihre Dar bie -<br />

tungen brachten und den Abschluss<br />

mit einem großen Davidstern bildeten,<br />

wobei einem ein Schauer der Freude<br />

über den Rücken lief. in dem vollen,<br />

mit vielen Lichtern, großer Bühne und<br />

riesigen Bildschirmen ausgestatteten<br />

Raum ging das Programm mit viel<br />

Tanz und At trak tionen weiter. Die<br />

musik des Frejlach-Ensembles heizte<br />

den Gästen ein, die Riesenbild schir -<br />

me waren nicht nur De koration und<br />

Hintergrund, sondern durch aktuelle<br />

und sinnige Bilder auch Stim mungs -<br />

macher.<br />

Auch fühlten sich s. E., Aviv Shir-On,<br />

der <strong>als</strong> neuer israelischer Botschafter<br />

in Wien einen seiner ersten öffentlichen<br />

Auftritte hatte, und natio nal -<br />

rats präsidentin Dr. Prammer sehr wohl<br />

bei uns. Sie gaben unserer Gala den<br />

festlichen Anstrich.<br />

Die größte und wohl berührendste<br />

Attraktion war wohl das Kerzenan -<br />

zün den – jeweils eine Kerze für ein<br />

Jahr zehnt – angezündet von Freun -<br />

den und mitgliedern der HA KOAH –<br />

mit dazugehörigen Films equenzen<br />

aus den 100 Jah ren mit anschließendem<br />

FEUERWERK!!!<br />

Die Zeit verging wie im Flug und <strong>als</strong><br />

um ca. 1 Uhr die Ha tik wah erklang,<br />

wussten wir alle, dass dieses Fest eine<br />

wund erbare Geburtstagsparty gewesen<br />

ist!! mit mAZEL TOV in die nächsten<br />

100 Jahre!<br />

Ruth Fuchs<br />

„Ich möchte noch fähig sein, mich mit<br />

meinen Kindern zu unterhalten“<br />

Dabei ist Foreman sportlich nicht un -<br />

umstritten. in internetforen wird er <strong>als</strong><br />

Yuri „Boreman“ gehandelt, <strong>als</strong> Lang -<br />

wei ler. Er boxe zu defensiv, ohne nennenswerten<br />

Punch. Gerade acht seiner<br />

29 Siege hat Foreman durch K.o. gesichert,<br />

der letzte K.o. liegt schon drei -<br />

ein halb Jahre zurück. Dem Fachblatt<br />

„The Ring“ gilt er <strong>als</strong> „stick-and-mo ve<br />

specialist“, <strong>als</strong> einer, der nach je dem<br />

Schlag wieder abtaucht. Daher hat das<br />

einflussreiche Blatt Foreman bislang<br />

nur auf Platz zehn seiner Welt rang -<br />

liste geführt.<br />

Auch sein Weltmeisterschaftskampf<br />

ge gen Daniel Santos wurde nicht <strong>als</strong><br />

Hauptkampf präsentiert, sondern war<br />

lediglich im Vorprogramm angesiedelt<br />

– Quote macht man mit dem orthodoxen<br />

Juden (noch) nicht. Yuri Foreman<br />

ist das gleichgültig. Wohl zu Recht,<br />

denn mit seiner Art zu boxen wurde<br />

er immerhin Weltmeister. Bei nahe trot -<br />

zig fügt er hinzu: „Ich den ke auch an<br />

meine Zukunft, und da möchte ich noch<br />

fähig sein, mich mit meinen Kindern zu<br />

unterhalten.“<br />

Ersterscheinung,16.11.<strong>2009</strong><br />

© F.A.Z. GmbH/www.faz-archiv.de.<br />

november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770 45


JUDENTUM<br />

Kislew 5770<br />

(18. <strong>November</strong> - 17. Dezember)<br />

Historische Ereignisse & wichtige Tage<br />

Bitte beachten, dass alle jüdischen Tage mit dem<br />

Sonnenuntergang des Vortages beginnen!<br />

Der Monat Kislew, der dritte Monat des jüdischen<br />

Ziviljahres, welches mit Rosch Ha Scha -<br />

nah beginnt, hat meistens 30, in manchen Jah -<br />

ren jedoch nur 29 Tage.<br />

3. Kislew (20. <strong>November</strong>)<br />

• Vertreibung der Juden aus Pressburg durch<br />

Maria von Habsburg, vor 483 Jahren<br />

13. Kislew (30. <strong>November</strong>)<br />

• Jahrzeit von Rawina, dem Herausgeber der<br />

Ge marra des Babylonischen Talmuds, vor<br />

1510 Jahren<br />

23. Kislew (10. Dezember)<br />

• In Folge der Beschuldigung der Brunnen ver -<br />

giftung begann ein Jahr des Terrors und der<br />

Verfolgung für die Älsässer Juden, vor 661<br />

Jah ren<br />

• Pogrom gegen die Juden von Nürnberg, vor<br />

660 Jahren<br />

25. Kislew (12. Dezember)<br />

• Erster Tag von Chanukka, 1. Schabbos Cha -<br />

nuk ka<br />

26. Kislew (13. Dezember)<br />

• Ausrufung des ersten Kreuzzugs durch Papst<br />

Urban II, vor 914 Jahren, dem viele Tausende<br />

deutsche Juden durch Vertreibung und Er mor -<br />

dung zum Opfer fielen<br />

2. Tewes (19. Dezember)<br />

• Letzter Tag von Chanukka, 2. Schabbos<br />

Chanukka<br />

Addendum - In der letzten Ausgabe schrieb<br />

ich, dass eine Beschneidung, die von ei -<br />

nem Arzt durchgeführt wurde, der nicht<br />

ebenfalls ein jüdischer Mohel ist, im jüdischen<br />

Recht keine Gül tig keit <strong>als</strong> Brit Milah<br />

hat, und das Kind weiterhin <strong>als</strong> Orel (Un -<br />

be schnittener) gilt. Um Missver ständ nis se<br />

aus dem Weg zu räumen: jede Be schnei -<br />

dung, die von einem jüdischen Arzt <strong>als</strong> Brit<br />

Milah durchgeführt wurde ist selbstverständlich<br />

gültig, denn ein solcher Arzt wird<br />

Mo hel genannt; es ist keinesfalls erforderlich,<br />

dass der Mohel ein Rabbiner sein muss.<br />

Die meisten Mohelim sind keine Rab biner,<br />

und die meisten Rabbiner sind keine Mo -<br />

he lim! Ungültig ist, gemäss der Ha la chah,<br />

lediglich die Beschneidung durch einen<br />

nicht-jüdischen Arzt, sowie eine Be schnei -<br />

dung, die <strong>als</strong> rein chirurgischer Eingriff<br />

durchgeführt wurde. Aber auch dieses Pro -<br />

blem kann im Nachhinein jederzeit - diskret<br />

und schmerzlos - behoben werden. Un se -<br />

re Gemeinde ist in der glücklichen Situa ti -<br />

on, eine Auswahl von Mohelim verschiedener<br />

Berufsgruppen zu haben: Fleischer,<br />

Ärzte und Rabbiner - und wir vermitteln<br />

Euch gerne den Mohel Eurer Wahl.<br />

Schailos &Tschuwos<br />

ausgewählte halachische<br />

Fragen, beantwortet<br />

von Gemeinderabbiner<br />

Schlomo Hofmeister<br />

AskTheRabbi@ikg-wien.at<br />

FRAGE: „Awraham hatte zwei Söhne,<br />

der ältere war Jischmael und der jüngere<br />

Jizchak. Warum wird Jischmael scheinbar<br />

völlig ignoriert und Jizchak <strong>als</strong> der einzige<br />

Sohn Awrahams bezeichnet?<br />

AnTWORT: Die Torah nennt nicht<br />

Jischmael, sondern Jizchak <strong>als</strong> den<br />

Sohn und Stammhalter von Awra ham<br />

Avinu, obwohl beide seine biologischen<br />

Söhne sind und auch kein Zwei -<br />

fel besteht, welcher von beiden der<br />

Ältere ist. im Talmud Kidduschin 66b,<br />

sowie im Schulchan Aruch Ewen Ha -<br />

Eser lernen wir, dass der Sohn einer<br />

Schifcha (Hausmagd), dem gesetzli -<br />

chen Status der mutter folgt und recht -<br />

lich nicht <strong>als</strong> Sohn seines biologischen<br />

Vaters betrachtet wird. Das bedeutet<br />

keinesfalls, dass Awraham <strong>als</strong> biologischer<br />

Vater keine halachische und<br />

moralische Verantwortung für den<br />

Sohn seiner Hausmagd Hagar hatte,<br />

wohl aber, dass Jischmael nicht an der<br />

rechtlichen Erbfolge beteiligt war und<br />

somit Jizchak den gesetzlichen Status<br />

des ältesten Sohnes Awrahams hatte<br />

und in der Torah mehrfach <strong>als</strong> Awra -<br />

hams „einziger Sohn“ bezeichnet wird<br />

- obwohl der ältere Jischmael eben falls<br />

<strong>als</strong> sein Sohn erwähnt wird.<br />

FRAGE: „Sollen Buben und unverheiratete<br />

Männer ei nen Tallit beim Morgen ge bet tra -<br />

gen oder nicht? Wenn nein, warum nicht?“<br />

AnTWORT: Wie in vielen Bereichen<br />

der Halachah, so gibt es auch bezüglich<br />

dieser Frage unterschiedliche Tra -<br />

ditionen, und jeder sollte sich, wenn<br />

möglich, an der Herkunft seiner vä ter -<br />

lichen Familie orientieren. Unter ori -<br />

en talischen, jeminitischen, italienischen<br />

und sefardischen Juden ist es allgemein<br />

üblich, dass jeder Bub spätestens<br />

ab der Bar mizwa, wenn möglich schon<br />

früher, einen Tallit (Gebetsmantel) beim<br />

morgengebet trägt (Tur, Ram bam, Se fer<br />

HaChinuch, Schulchan Aruch, Ben Isch<br />

Chai, Raw Owadja Jossef, u. a.); bei deut -<br />

schen, französischen und einigen un -<br />

garischen Aschkenasim sogar schon ab<br />

einem Alter von 3 Jahren, vorausgesetzt<br />

das jeweilige Kind ist reif ge nug<br />

seinen Tallit und die Tsitsit (die an den<br />

vier Ecken des Tallit befestigten Fäden<br />

und Knoten) mit dem angemessenen<br />

Respekt zu behandeln (Tosfos, Maha -<br />

ram, Chassam Sofer, Raw S. R. Hirsch,<br />

u. a.) - und so war seit jeher auch der<br />

Minhag HaMokom (der lokale Brauch)<br />

in Wien. Unter chassidischen und an -<br />

de ren osteuropäischen Juden, hat sich<br />

jedoch der Brauch durchgesetzt, dass<br />

Unverheiratete, gleich welchen Al ters,<br />

keinen Tallit tragen. Einen Hinweis für<br />

diesen Brauch sehen manche im Tal -<br />

mud (Kidduschin 29b), sowie in der<br />

Aneinandereihung der beiden biblischen<br />

Verse: „Befästige Tsitsit an den vier<br />

Ecken“ (Deworim 22:12) direkt gefolgt<br />

von dem Vers beginnend mit den Wor -<br />

ten: „Wenn ein Mann sich eine Frau<br />

nimmt ...“ (22:13). Andere Autoritäten<br />

wiederum bezweifeln die halachische<br />

Legitimität, die Erfüllung eines derart<br />

wichtigen Gebots der Torah vorsätzlich<br />

zu unterlassen solange man unverheiratet<br />

ist, und führen praktische Grün -<br />

de wie die Armut unter den osteuropäischen<br />

Juden, die sich nicht für jedes<br />

Kind einen Tallit leisten konnten, <strong>als</strong><br />

praktische Erklärung für den Ur sprung<br />

dieses Brauchs an (Sch“Knesses Ha -<br />

Gadol 17:2, Ber Heitiw 17:4); manche<br />

fordern daher die Aufhebung dieses<br />

Min hags (Jechawe Daas IV, 2). Dies<br />

alles bezieht sich auf den Tallit Gadol,<br />

die mizwa sich beim morgengebet in<br />

den grossen Gebetsmantel zu hüllen.<br />

Alle Autoritäten sind sich jedoch ei nig,<br />

dass die mizwa von Tsitsit, in Form des<br />

wie ein Unterhemd permanent ge -<br />

tragenen Tallit Katan, von allen män -<br />

nern und Buben zu jeder Zeit erfüllt<br />

werden muss (Talmud Sukka 42a, Elija<br />

Rabba 17:3, u. a.); manche sagen ab ei -<br />

nem Alter von sechs Jahren (Bach, Je -<br />

cha we Daas), andere ab einem Alter von<br />

drei Jahren (Scharei Teschuwa, Aruch<br />

HaSchulchan 17:5), Rabbiner Jeschaja<br />

HaLewi Horowitz (1565-1630), be kannt<br />

<strong>als</strong> der Schlah HaKodesch, sagt jeder Bub<br />

soll einen Tallit Katan tragen, sobald<br />

er zu sprechen beginnt.<br />

Zu Chanukka bekam moische von sei ner<br />

Schwiegermutter zwei Pul lo ver geschenkt.<br />

Um ihr zu zeigen wie sehr er sich über dieses<br />

Ge schenk gefreut hat, entschloss er sich beim<br />

nächsten Besuch einen davon anzuziehen.<br />

Doch <strong>als</strong> die Schwiegermutter ihm die Tür<br />

öffnete wurde er nicht mit dem er warteten Lä -<br />

cheln empfangen. Statt dessen raunzte sie ihn<br />

an: „Was soll das denn? Der andere Pullover<br />

hat dir nicht gefallen?!?<br />

J<br />

46 november <strong>2009</strong> - Cheschwan/Kislew 5770


JUDENTUM<br />

Am 25. Kislew, der in diesem Jahr auf<br />

Freitag Abend, den 11. Dezember fällt,<br />

beginnen die acht Festtage von Cha -<br />

nuk ka, das „jüdische Lichterfest“. in<br />

Erinnerung an das berühmte Wun der<br />

im Jerusalemer Tempel, wo nach dessen<br />

erneuter Einweihung (hebr.: Cha -<br />

nukka) vor 2173 Jahren, nach dem phy -<br />

sischen wie spirituellen Sieg ge gen die<br />

hellenistischen Seleukiden, die Me no -<br />

rah (der siebenarmige Leuchter) mit<br />

einer einzigen Tagesration Öl, acht Ta ge<br />

lang brannte, etablierten unsere Wei -<br />

sen bereits im darauf folgenden Jahr<br />

das Gebot, dieser Ereignisse je des Jahr<br />

acht Tage lang feierlich zu ge den ken.<br />

An den acht Abenden von Chanukka<br />

werden in jedem jüdischen Haus acht -<br />

armige Leuchter, die sogenannten<br />

Cha nukkios, entzündet, wobei sich die<br />

meinung durchgesetzt hat, am ersten<br />

Abend mit einem einzigen Licht zu<br />

beginnen und jeden folgenden Abend<br />

ein weiteres hinzuzufügen, so dass am<br />

letzten Abend alle acht Lichter brennen.<br />

Wer genauer hinsieht wird be mer -<br />

ken, dass die Chanukkia noch einen<br />

zusätzlichen neunten Arm hat, der<br />

ebenfalls ein Licht trägt, das an allen<br />

acht Abenden brennt. Dieses <strong>als</strong> Scha -<br />

masch (Diener) bezeichnete Licht dient<br />

dazu die anderen Lichter zu entzünden<br />

sowie zur Beleuchtung des Raumes<br />

beizutragen, da man von den eigentlichen<br />

Chanukka Lichtern selbst keinerlei<br />

nutzen oder Gebrauch machen<br />

darf, weil diese ausschliesslich dem<br />

Zweck gewidmet sind an das Wun -<br />

der von Chanukka zu erinnern.<br />

Um unserer Dankbarkeit besonderen<br />

Ausdruck zu verleihen, verordneten<br />

un sere Weisen an allen acht Tagen von<br />

Chanukka während des morgen ge be -<br />

tes das Hallel-Gebet (Psalm 113-118)<br />

zu sagen, das sonst in dieser Form nur<br />

an Rosch Chodesch (neumondstag)<br />

sowie den biblischen Feiertagen Pes -<br />

sach, Schawuot, Sukkot und Schemini<br />

Aze ret/Simchat Torah gesagt wird.<br />

Chanukka ist, genauso wie Purim, kein<br />

Feiertag, sondern ein Festtag, und man<br />

begrüsst sich daher nicht mit „Gut<br />

Jom tow“ oder „Chag Sameach“, sondern<br />

wünscht sich stattdessen „Fröhlichen<br />

Chanukko“, beziehungsweise „Chanuk-<br />

ka Sameach“.<br />

Rabbiner Jisroel ben Elieser (1698-<br />

1760), besser bekannt <strong>als</strong> der Baal Schem<br />

Tow, der Gründer des osteuropäischen<br />

Chassidismus, misst Chanukka eine<br />

ganz besondere transzendente Be deu -<br />

tung bei.<br />

Das zentrale Thema von Chanukka<br />

ist Licht - ein Sinnbild für die Er leuch -<br />

tung der Seele und die Er wär mung<br />

des Herzens. Die Dunkel heit und Käl -<br />

te der Winternächte wird durch den<br />

warmen Schein der Cha nuk ka Lich ter<br />

in lebendige Helligkeit verwandelt.<br />

So wie Schalom (Frieden) nicht nur die<br />

Abwesenheit von Streit und Konflikt,<br />

sondern ein eigenes po si tives momen -<br />

tum darstellt, wie Rab biner Samson<br />

Ra phoel Hirsch (1808-1888) erklärt,<br />

ist auch Dunkel heit und Kälte, mystisch<br />

gesprochen, nicht mit der blosen<br />

Abwesenheit von Licht und Wärme zu<br />

verwechseln! Woher nehmen die Lich -<br />

ter der Chanukkia aber die Fähigkeit<br />

die kalte Dunkelheit nicht nur zu verdrängen,<br />

sondern selbst in warmes<br />

Licht umzuwandeln?<br />

Die ersten beiden hebräischen Buch -<br />

staben des Wortes Chanukka, „Ches“<br />

und „nun“, bilden das Wort Chen<br />

(Schön heit, Gefallen). Dieses Wort<br />

erscheint zum ersten mal in der Torah<br />

am Ende des Wochenabschnitts Be re -<br />

schis, wo es heisst: „Und Noach fand<br />

Chen in den Augen G’ttes“. Der name<br />

Noach wird im Hebräischen ebenfalls<br />

mit diesen beiden Buchstaben, wenn<br />

auch rückwärts, „nun“und „Ches“<br />

buch stabiert. An der buchstäblich sy -<br />

metrischen Gegenüberstellung der<br />

bei den Worte CH(e)n und n(oa)CH<br />

erkennen die Quellen der jüdischen<br />

mys tik einen Aspekt von Gleich ge -<br />

wicht und Symetrie in der tieferen Be -<br />

deutung des Wortes Chen, vor allem<br />

im Zusammenhang von zwei gegenteiligen,<br />

sich spiegelnden und so eine<br />

Einheit bildenden Bestandteilen. Die<br />

beiden das symetrische Gleich ge wicht<br />

von Chanukka bildenden Ge gen sätz -<br />

lich keiten sind Dunkelheit und Licht;<br />

oder wie es der Sohar (Haupt werk der<br />

Kabbalah) beschreibt: „Die Transfor ma -<br />

tion von Chaschocho (Dun kel heit) in<br />

Nahoro (Licht)“ - wobei die bei den An -<br />

fangs buchstaben widerum das Wort<br />

Chen bilden.<br />

Der mathematiker Felix C. Klein<br />

schrieb: „Reflexive Symetrie ist das Er -<br />

gebnis zweier gegensätzlicher Bestand tei le,<br />

die eine verborgene Verbindung zueinander<br />

haben, die ihre gemeinsame Grund la ge<br />

darstellt.“ Genauso verhält es sich mit<br />

Dunkelheit und Licht. So wie die Far be<br />

Schwarz „hervorscheint“, hat die<br />

Dun kelheit das Potential zur „Er leuch -<br />

tung“. Und wie helles Licht unsere<br />

Augen blenden kann, trägt es in sich<br />

das Potential von „Dunkelheit“. in<br />

Wahrheit bedeutet das, dass diese dem<br />

blendenden Licht innewohnende Dun -<br />

kelheit ein grösseres Potential an<br />

„dunkel“ hat <strong>als</strong> die eigentliche Dun -<br />

kel heit, und gleichermaßen birgt das<br />

verborgene Licht der Dunkelheit ein<br />

höheres Erleuchtungspotential <strong>als</strong><br />

das offene Licht.<br />

Das Wunder von Chanukka steht für<br />

die Fähigkeit jenen G’ttlichen Funken<br />

zu entzünden, den wir alle versteckt<br />

in uns tragen, egal ob wir uns seiner<br />

Existenz bewusst sind und egal wie<br />

weit wir uns von ihm entfernt haben.<br />

Das Geheimnis von Chen an Cha nuk -<br />

ka bedeutet, dass alle Juden, obwohl<br />

es oft scheint <strong>als</strong> herrsche permanenter<br />

Streit und Konflikt zwischen uns, in<br />

Wahrheit, im tiefsten inneren unserer<br />

Selbst, doch einig sind. Ein klassisches<br />

Beispiel sind die notorischen mei -<br />

nungs verschiedenheiten der beiden tal -<br />

mudischen Schulen Beis Schammai und<br />

Beis Hillel. Eine ihrer berühmtesten<br />

Aus einandersetzungen betrifft die<br />

Fra ge, in welcher Reihenfolge man die<br />

Chanukkia anzünden soll. Beis Hillel<br />

sagt, man beginne am ersten Abend<br />

mit einem Licht und füge jeden der<br />

folgenden Tage ein weiteres hinzu.<br />

Beis Schammai sagt, man solle es ge nau<br />

umgekehrt machen und am ers ten<br />

Abend alle acht Lichter anzünden und<br />

an jedem der folgenden Tage eins we -<br />

ni ger - bis am letzten Abend nur noch<br />

ein einziges Licht brennt. Wie in den<br />

allermeisten Fällen, so folgen wir auch<br />

hier, wie bereits erwähnt, der mei nung<br />

von Beis Hillel; und dennoch wissen<br />

wir, dass die Zeit kommen wird, wenn<br />

wir in allen Fällen der meinung von<br />

Beis Schammai folgen werden. Beide<br />

meinungen sind logisch überzeugend<br />

fundiert und entsprechen <strong>als</strong> solches<br />

der Wahrheit und sind Richtig - jede<br />

im Kontext ihrer jeweiligen Reali tä -<br />

ten, die zusammen eine geschlossene<br />

Einheit bilden.<br />

mögen wir alle erfahren, wie das Licht<br />

von Chanukka unsere Gegen sätz lich -<br />

keiten harmonisiert, die Dunkelheit<br />

in Licht verwandelt und uns in Chen<br />

vereint!<br />

Chanukka Sameach!!<br />

Fröhlichen Chanukko!!<br />

RABBinER SCHLOmO<br />

HOFmEiSTER


Mit der Fertigstellung des neuen Maimonides Zentrum wurde ein<br />

weiterer wichtiger Meilenstein für die Zukunft unserer Jüdischen<br />

Gemeinde gesetzt. Dass dies Reali tät werden konnte, ist der großartigen<br />

Unterstützung vieler Men schen in und außerhalb der jüdischen<br />

Gemeinde zu verdanken.<br />

Wir freuen uns,<br />

Sie zu einem feierlichen Festakt<br />

am Dienstag, den 15. Dezember <strong>2009</strong>,<br />

um 19.00 Uhr,<br />

in das neue Maimonides Zentrum<br />

Simon-Wiesenthal-Gasse 5, 1020 Wien<br />

einzuladen.<br />

Bundespräsident Dr. Heinz Fischer, wird gemeinsam mit<br />

Botschafter Ronald S. Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses,<br />

Ehud Barak, Verteidigungsminister Israels und<br />

Dr. Michael Häupl, Bürgermeister der Stadt Wien,<br />

nach dem Festakt, im neuen Maimonides Zentrum<br />

die offizielle Eröffnung vornehmen.<br />

Im Anschluss laden wir Sie zu einem Umtrunk.<br />

Dr. Ariel Muzicant<br />

Präsident<br />

Eine verbindliche Anmeldung bis Mittwoch 9.12., ist unter Tel. +43 1 531 04-105, Fax +43 1 531 04-109, oder<br />

E-Mail: d.zimmermann@ikg-wien.at unbedingt erforderlich. Aufgrund der räumlichen Gege ben heiten wird der<br />

Festakt teilweise mit Videoübertragung in verschiedenen Bereichen des MZ stattfinden. Daher erfolgt die<br />

Zuteilung Ihres Sitzplatzes nach Eintreffen Ihrer Anmeldung.<br />

Anfahrtsplan: Öffentlich erreichbar mit der U2 (Station: Stadion) und anschließend 2 Stationen mit der Bus-<br />

Linie 84 A oder der Bus-Linie 77A (Station: Simon-Wiesenthal-Gasse/Ecke Wehlistraße). Es gibt 300 Parkplätze<br />

in der Wehlistraße (auf den Schienen), vor dem Hakoah-Sportzentrum und in der Tiefgarage.<br />

© Arch. T.Feiger

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