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August 2008 als pdf herunterladen - Israelitische Kultusgemeinde ...

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POLITIK • INLAND<br />

DÖW-Leiterin warnt vor<br />

„sekundärem Antisemitismus“<br />

POLITIK<br />

Die wissenschaftliche Leiterin des<br />

Dokumentationsarchivs des Österreichischen<br />

Widerstandes (DÖW), Bri -<br />

git te Bailer-Galanda, ist alarmiert über<br />

einen „sekundären Antisemitismus“,<br />

der heute auch in Teilen der politischen<br />

Linken zu beobachten sei.<br />

nach Auschwitz sei es zwar tabuisiert,<br />

über „die Juden“ herzuziehen, doch<br />

könne man antisemitische Agitation<br />

immer auf bestimmte „Kernstereo ty pe“<br />

reduzieren, wie die idee einer jü di -<br />

schen Weltverschwörung oder die idee<br />

des Juden, der im Finanzge schäft versiert<br />

ist und die Weltfinanz lenkt, sag te<br />

die Universitätsdozentin für Zeit ge -<br />

schichte in einem interview mit der<br />

APA - Austria Presse Agentur.<br />

Weltverschwörung und<br />

Finanzjudentums<br />

Beide Stereotype - die Weltverschwö -<br />

rung und die Dominanz des Finanz -<br />

ju dentums - finde man im alten An ti -<br />

se mitismus, aber ebenso beim neuen<br />

Antisemitismus, sagte Bailer-Galan da.<br />

„Es erschreckt mich in hohen Maßen,<br />

wenn ich heute in verstärktem Ausmaß<br />

antisemitische Klischees und antisemitisch<br />

konnotierte Äußerungen von Menschen<br />

höre, die ich zuvor für kritische Geister<br />

ge halten habe. Das muss ich ganz klar sa -<br />

gen“, betonte Bailer-Galanda.<br />

Anzeichen für den neuen Antisemi -<br />

tismus seien „eine einseitige, völlig un -<br />

differenzierte, pauschalierende Kritik an<br />

Israel, den Israelis oder den Juden“ so -<br />

wie Pauschalierung, Verzicht auf Dif fe -<br />

renzierung und ein anti-israelischer<br />

„profil“: Österreicher<br />

mehrheitlich für Verfolgung<br />

von NS-Tätern<br />

Wie das nachrichtenmagazin „profil“<br />

kürzlich berichtete, sprechen sich<br />

74% der Österreicher dafür aus, dass<br />

nS-Verbrecher auch heute noch vor<br />

Ge richt gestellt werden sollen. 20%<br />

der Befragten lehnen dies laut der im<br />

Auftrag von „profil“ vom meinungs -<br />

for schungsinstitut OGm durchgeführten<br />

Umfrage ab. 6% wollten sich<br />

dazu nicht äußern.<br />

„manichäismus“. Dieser Hinweis auf<br />

antisemitische muster bedeute aber<br />

kei neswegs, dass man israel nicht<br />

kritisieren dürfe, wandte sich Bailer-<br />

Galanda gegen ein beliebtes Argu ment<br />

der sogenannten „israel-Kritiker“.<br />

Selbstverständlich könne man die<br />

Politik israels kritisieren, doch sei das<br />

pauschalierende Wort von der „Isra el-<br />

Kri tik“ bereits entlarvend, weil niemand<br />

auf die idee käme von „Italien-<br />

Kritik“ zu sprechen, wenn man Kritik<br />

an Premier Silvio Berlusconi oder der<br />

neofaschistischen Duce-Enkelin Ales -<br />

san d ra mussolini anbringe. „Im Falle<br />

Israels aber kritisiert man nicht Olmert<br />

oder Barak, sondern Israel <strong>als</strong> pauschale<br />

En tität, die es gar nicht gibt. Kein Land ist<br />

eine homogene Menge von Men schen.“<br />

israel sei eine lebendige Demokratie<br />

mit vielschichtigen internen Konflik -<br />

ten und Problemen.<br />

Anti-Zionismus<br />

Die idee der Welt ver schwörung und<br />

einer Ver schwörung israels mit den<br />

USA finde sich im modernen Anti-<br />

Zionismus wieder, der leider auch bei<br />

manchen Globalisierungskritikern he -<br />

rumgeistere. Hinter dem Schlag wort<br />

Anti-Zionismus verberge sich zu oft<br />

das Bestreben, die Existenz des Staa tes<br />

israel infrage zu stellen. Ei ni ge „antizionistische<br />

Gruppierungen“ - wie et wa<br />

die Antiimperialistische Koor di na ti on<br />

(AiK) - vertreten eine Ein-Staa ten-Lö -<br />

sung für Juden wie Araber in Pa lä s ti na,<br />

wo den Juden die Rolle einer angeblich<br />

geduldeten min derheit in einem<br />

arabischen Staat zu gedacht werde. Bai -<br />

ler-Galanda: Dies sei „die raf finierteste<br />

Methode, das Exis tenzrecht Israels zu<br />

leug nen.“ Die Pro ble me der Globa li sie -<br />

rung, die in ihrer Komple xi tät schwer<br />

zu verstehen sei en, würden rasch auf<br />

Finanzmachen schaften reduziert -<br />

„dann sind wir ganz schnell bei den Wall -<br />

street-Juden. Es gibt offenbar einen Bo den -<br />

satz antisemitischer Stereo type, der sehr<br />

leicht abrufbar ist“, sagte Bailer-Galan da.<br />

„Da haben wir uns in den 70er- und 80er-<br />

Jahren ge täuscht, <strong>als</strong> wir gedacht haben,<br />

der Anti se mitismus sei tot und kein The ma<br />

mehr. Heute müssen wir erkennen, dass er<br />

im Untergrund über lebt hat und in an de ren<br />

Zusammen hängen wieder abrufbar wird.“<br />

NS-Propagandaplakat, März 1933<br />

Terror ist nicht Widerstand<br />

Auch in der unkritischen Unterstüt -<br />

zung mancher Gruppen für die Pa läs -<br />

tinenser könne man antisemitische<br />

Ten denzen ausmachen. Bailer machte<br />

im Hinblick auf den „palästinensischen<br />

Widerstand“ klar, dass legitimer Wi der -<br />

stand nicht wahllos den Tod un schul -<br />

di ger Zivilisten in Kauf nehmen dür fe.<br />

„Für mich endet eine Befreiungs be we gung<br />

dort, wo jemand <strong>als</strong> Attentäter möglichst<br />

viele unbeteiligte Zivilisten be wusst in den<br />

Tod mitreißt. Das ist vor allem seit der zwei -<br />

ten Intifada eine massive Bedrohung der is -<br />

ra elischen Bevölke rung.“ Widerstand<br />

müsse sich gegen die bewaffneten<br />

Kräf te eines ver meintli chen Unter -<br />

drüc kungs sys tems richten, aber<br />

keines falls gegen Zivilisten. „Eine<br />

Bombe in einem Auto bus unter Zivilisten<br />

und Schu l kindern zu zünden, ist einfach<br />

durch nichts zu rechtfertigen. Das hat<br />

nichts mehr mit Wider stand zu tun“,<br />

betonte die wissenschaftliche Leiterin<br />

des DÖW.<br />

Das Gespräch führte Ambros Kindel/APA<br />

Brigitte Bailer-Galanda (geboren 1952 in Wien),<br />

studierte Sozial- und Wirtschafts wis sen schaf -<br />

ten sowie Geschichte an der Uni ver sität Wien.<br />

Seit 1979 ist sie <strong>als</strong> wissenschaftliche Mit ar -<br />

bei terin des DÖW tätig, seit 2003 Uni ver si täts -<br />

dozentin am Institut für Zeitge schich te der<br />

Uni versität Wien. Von 1998 bis 2003 war sie<br />

stellvertretende Vorsitzende der Histo riker -<br />

kom mission der Republik Öster reich. 1992<br />

er hielt Bailer-Galanda den Käthe-Leich ter-Preis<br />

für die Frauengeschichte der Arbei terinnenund<br />

Arbeiterbewegung, 1996 den Willy-und-<br />

Helga-Verkauf-Verlon-Preis für ös ter reichi sche<br />

antifaschistische Pu bli zis tik und 1999 den<br />

8 <strong>August</strong> <strong>2008</strong>/Aw 5768

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