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August 2008 als pdf herunterladen - Israelitische Kultusgemeinde ...

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JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

ufer und seit Frühjahr 2004 mitglied<br />

im Kultus- und Schulausschuss der<br />

Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Seine<br />

40-jährige Erfahrung im Berliner<br />

Schul dienst mag seine guten nerven<br />

er klären: Denn er gehört zu jener<br />

neuen Grup pierung ATiD (Zu kunft),<br />

die in der seit vielen Jahren zerstrittenen<br />

jü dischen Ge mein de Berlins auf<br />

einen neuan fang setzen. „Entweder<br />

wir schaf fen es noch einmal, oder diese<br />

Ein heitsgemeinde bricht we gen weiterer<br />

Aus tritte ausein ander“, ist der verheiratete<br />

Vater eines er wach se nen Soh nes<br />

über zeugt. mit rund 12.000 mitglie dern<br />

ist die Ber liner Gemeinde die größte<br />

in Deutschland. im ganzen Land<br />

leben heu te 110.000 Juden.<br />

im november 2007 begannen mit<br />

dem Slogan „Atid statt Austritt“ die<br />

Bemühungen der Gruppe um Lala<br />

Süss kind, der langjährigen Vorsitzen -<br />

den der WiZO, zum Erhalt der Ein -<br />

heits gemeinde und der Überwindung<br />

der Grabenkämpfe. „Überraschenderweise<br />

gingen wir aus der Wahl <strong>als</strong> klarer<br />

Sieger hervor. Wir haben jetzt 13 von<br />

insge samt 21 Sitzen und Frau Süsskind<br />

ist die neue Vorsitzende.“<br />

Auch bei der Ursachenfor schung<br />

nach den Querelen in der Gemeinde,<br />

macht Joachim, ein ruhiger und be -<br />

son nener Freund der musik und des<br />

Sports, einen Exkurs in die Vergan gen -<br />

heit: „Mitte der 70er Jahre gab es eine Zu -<br />

wande rungs welle aus der Sowjetu nion, die<br />

einen positiven Aufschwung brachte, die<br />

Mitgliederzahl stieg von 33.000 auf<br />

110.000. Doch Anfang der 90er Jahre ka -<br />

men auch viele ältere Personen, darunter<br />

hoch qualifizierte Wissen schafter und et li -<br />

che Musiker. Die konnten leider nicht Fuß<br />

fassen, weil es keinen Bedarf gab.“ Joa -<br />

chim nimmt an, dass etliche der Zu -<br />

wan derer vorher in diversen ‚Funk -<br />

tio närs stellungen’ im Sowjetreich tä tig<br />

waren. „Irgendwie witterten die hier Mor -<br />

genluft. Ihr klassischer Ausspruch lautete:<br />

‚Jetzt sind wir mal dran’. Sie drängten an<br />

die Fleischtöpfe Ägyptens: Sie brachten<br />

diese Mentalität ein, dass die Geldflüsse<br />

jetzt umverteilt werden müssten. Diese<br />

Gruppe wählte vorrangig nur ihre Leute<br />

und kochte ihr eigenes Süppchen.“<br />

Verschlechtert hat sich besonders das<br />

Verhältnis zu den Behörden, Verein -<br />

ba rungen mit Politikern wurden nicht<br />

eingehalten. „Es brach eine richtige Eis -<br />

zeit aus“, bedauert Joachim rückblikkend.<br />

„Das war eine Situation, wo viele<br />

potente Steuerzahler aus dem gutbürgerlichen<br />

Berliner Milieu das Gefühl hatten,<br />

die Gemeinde verkomme zu einem russischen<br />

Folkloreverein.“ Streitereien und<br />

Chaos im Vorstand waren die Folge.<br />

Die Spaltung der Gemeinde, die schon<br />

zu 80% aus Zuwanderern aus ehemaligen<br />

GUS-Staaten besteht, droh te.<br />

Prominente Juden wie der His toriker<br />

Ju lius H. Schoeps hatten der Ge mein de<br />

schon den Rücken ge kehrt.<br />

Studie bestätigt neuen<br />

Antisemitismus<br />

„Uns ist es mit dem Team um Frau Süss -<br />

kind gelungen, in 120 Tage die Türen zu<br />

den politischen Parteien, dem Berliner<br />

Senat wieder zu öffnen. In kürzester Zeit<br />

wurden wir wieder zu Gesprächen eingeladen“,<br />

freut sich Joachim. Atid hat<br />

jetzt die gestaltende mehrheit, musste<br />

aber mit einem desaströsen Defizit <strong>als</strong><br />

Altlast in den neustart gehen. Das<br />

Schulgeld für über 800 Schüler muss te<br />

erhöht werden, der Schulbus trans port<br />

konnte nicht mehr subventioniert<br />

werden. Auch immobilien, die an die<br />

Gemeinde restituiert wurden, sind in<br />

schlechtem Zustand und daher nur<br />

ei ne Belastung, derer man sich entledi -<br />

gen will. „Erst wenn wir unseren Stall<br />

selbst in Ordnung bringen, bestätigte mir<br />

auch Oberbürgermeister Klaus Wowereit,<br />

können wir mit öffentlicher Unter stüt zung<br />

rechnen.“ Und darauf kann man hier<br />

nicht verzichten: Um die acht Syna -<br />

go gen, vier Friedhöfe, die Altenbe treu -<br />

ung und vieles Andere bewältigen zu<br />

können, verfügt die Gemeinde nur<br />

über eine million Euro Steuerauf kom -<br />

men pro Jahr. Weitere 25 mio Euro<br />

kom men vom Land Berlin, das sich da -<br />

zu über Staatsverträge verpflichtet hat.<br />

„Politisch werden wir gehegt und ge -<br />

pflegt, aber in der Gesellschaft haben wir<br />

große Probleme mit einem neuen Antise -<br />

mi tismus, der sich unter dem Deckmantel<br />

des Antizionismus verbirgt,“ zeigt sich<br />

Joachim besorgt. Er zitiert eine neue<br />

Studie der Fried rich Ebert-Stiftung,<br />

wo nach 25% der Bevölkerung <strong>als</strong> er -<br />

klärt ausländerfeindlich, antizionis -<br />

tisch und antisemitisch eingestuft<br />

werden.<br />

ist das der Antizionismus ausschließ -<br />

lich von Links? „Nein, das kann man so<br />

nicht sagen. Georg Gysi von der „Lin ken“<br />

hat erst jüngst eine Erklärung zu Israel<br />

abgegeben, da ist uns vor Stau nen der<br />

Atem weggeblieben. Er hat nicht nur das<br />

Existenzrecht Israels, sondern dessen<br />

Pflicht zur Selbstverteidigung von Staat<br />

und Menschen hervor gestrichen.“ Wo -<br />

rauf ist dieser Wandel zurückzuführen?<br />

Joachim ist überzeugt, dass die<br />

Einsicht mit der großen Bedro hung<br />

israels durch den iran und die Hamas<br />

zusammenhängt und diesen Paradig -<br />

menwechsel verursacht hat. „Sie sehen<br />

ihre eigenen Neonazis und wol len deren<br />

schlimmen Argumente nicht noch unterfuttern.“<br />

michael Joachim ist gebürtiger Ber -<br />

li ner, er hofft, dass er mit seinem En -<br />

gagement für die Gemeinde den richtigen<br />

Schritt gesetzt hat. „ Ich hoffe,<br />

dass wir <strong>als</strong> Gruppe zusammenbleiben und<br />

die Geschicke in Berlin wieder so auf den<br />

Weg bringen, wie es diese Gemeinde verdient.<br />

Wir haben sehr wertvolle Mit glie -<br />

der aus allen beruflichen, sozialen und<br />

gesellschaftlichen Schichten. Das ist eine<br />

Bereicherung für die Berliner.<br />

© Aechiv<br />

<strong>August</strong> <strong>2008</strong>/Aw 5768 43

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