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Entwicklungswerkzeuge<br />
Mit ETAS ASCMO lässt sich das Verhalten<br />
komplexer Systeme mithilfe fortschrittlicher<br />
statistischer Methoden<br />
und numerischer Verfahren auf Basis<br />
von Messdaten am PC präzise modellieren,<br />
analysieren und optimieren. In der<br />
modellbasierten Applikation von Motorsteuergeräten<br />
werden mit diesem<br />
Ansatz beispielsweise alle diejenigen<br />
Einstellungen relevanter Stellgrößen automatisch<br />
am PC berechnet, welche die<br />
besten Kompromisse zwischen minimalen<br />
Schadstoffemissionen und minimalem<br />
Kraftstoffverbrauch darstellen.<br />
Modellbasierte Applikation<br />
komplexer Systeme<br />
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Alle Bilder:ETAS<br />
32 <strong>HANSER</strong> <strong>automotive</strong> 10 / 2013<br />
© Carl Hanser Verlag, München
Entwicklungswerkzeuge<br />
Mithilfe der heute am Markt verfügbaren, leistungsfähigen<br />
Computertechnologien können physikalische<br />
Objekte und Abläufe am Rechner „virtualisiert“, das<br />
heißt realitätsgetreu abgebildet werden. Durch die Verwendung<br />
virtueller Prototypen bei der Entwicklung von komplexen<br />
Systemen lassen sich hohe Qualitäts-, Kosten- und Effizienzvorteile<br />
realisieren. Mithilfe von virtuellen Umgebungen<br />
können Fehler in sehr frühen Phasen der Produktentstehung<br />
identifiziert sowie behoben und damit Qualitätskosten signifikant<br />
reduziert werden (Bild 1).<br />
In der Softwareentwicklung, beim Test und in der Applikation<br />
elektronischer Systeme im Fahrzeug können Virtualisierungslösungen<br />
wesentlich dazu beitragen, kostspielige<br />
und zeitaufwendige Prüfstands- und Fahrversuche auf ein<br />
Minimum zu reduzieren. Mit Hilfe virtueller Steuergeräteumgebungen<br />
wie EVE, der ETAS Virtual Ecu, lassen sich Softwarekomponenten<br />
von Steuerungs-, Regelungs- und Diagnosefunktionen<br />
sowie einzelne Module der Basissoftware getrennt<br />
von der Steuergerätehardware am PC entwickeln, integrieren<br />
und testen [2].<br />
Die ETAS ASCMO-Lösung<br />
Als Pendant zu EVE bildet ETAS AscMO das Verhalten<br />
komplexer, geregelter Systeme, wie zum Beispiel von Verbrennungsmotoren,<br />
auf Basis von Messdaten, die beispielsweise<br />
am Motorprüfstand erfasst werden, in Form<br />
eines mathematischen Modells ab. Die Erstellung des Modells<br />
setzt keine besonderen mathematischen Kenntnisse<br />
des Anwenders voraus, da die eingesetzten statistischen<br />
Verfahren, im Gegensatz zu analytischen Funktionen oder<br />
neuronalen Netzen, keine Parametrierung erfordern. Es<br />
müssen lediglich die Ein- und Ausgangsgrößen der Abbildung<br />
vorgegeben werden. Anhand dieser Vorgabe wählt<br />
das Modellierwerkzeug den Teil der Messdaten aus der<br />
Gesamtmessung aus, der zur Berechnung des Verhaltens<br />
der Ausgangsgrößen in Abhängigkeit der Eingangsgrößen<br />
benötigt wird.<br />
Vom Anwender für den Anwender<br />
Bild 1: „Empirische Zehnerregel“: Mit jeder Phase, in der ein<br />
Fehler später in Bezug auf seinen Entstehungszeitpunkt<br />
entdeckt und beseitigt wird, steigen die Kosten zur Behebung<br />
des Fehlers um den Faktor 10 [1].<br />
ETAS AscMO enthält einfach zu bedienende Werkzeuge zur<br />
Modellierung, Analyse der nachgebildeten Abhängigkeiten<br />
und Optimierung der Eingangsgrößen anhand des erzeugten<br />
Modells. Zusätzlich dazu stellt es ein leistungsfähiges Werkzeug<br />
zur Versuchsplanung, dem „Design of Experiments“<br />
(DoE), zur Verfügung. Zur Darstellung der Ergebnisse der Versuchsplanung,<br />
Modellanalysen und Optimierungen bietet<br />
ETAS AscMO eine ansprechende, anwendungsorientierte<br />
grafische Oberfläche.<br />
Das Tool wurde von Ingenieuren auf der Basis praktischer<br />
Erfahrungen von Versuchen am Prüfstand und im<br />
Fahrzeug für Entwickler und Applikateure von Antriebsaggregaten<br />
entwickelt. Prototypen der Lösung wurden im Zeitraum<br />
zwischen 2004 bis 2009 von Applikationsingenieuren<br />
und Funktionsentwicklern der Robert Bosch GmbH sorgfältig<br />
erprobt. Stand heute wird ETAS AscMO von mehreren<br />
hundert Anwendern bei Bosch sowie von namhaften Fahrzeugherstellern<br />
und Zulieferern weltweit mit großem Erfolg<br />
eingesetzt [3].<br />
Verhaltensmodellierung mit<br />
statistischen Verfahren<br />
Zur Messdaten-basierten Modellierung des Verhaltens von<br />
komplexen Systemen werden im Bereich der Entwicklung<br />
und Applikation von Antriebsstrangsystemen oftmals analytische<br />
Funktionen, typischerweise Polynome, oder neuronale<br />
Netze verwendet. Die allgemeine Einsetzbarkeit dieser Verfahren<br />
ist durch verschiedene Faktoren eingeschränkt. Beispielsweise<br />
eignen sich Polynome nicht zur Modellierung<br />
von stark nichtlinearen Abhängigkeiten. Neuronale Netze eignen<br />
sich im Prinzip sehr gut zur Abbildung komplexer Zusammenhänge.<br />
Allerdings setzt ihr Einsatz, neben umfangreichen<br />
Messungen zur Modellvalidierung, spezielle mathematische<br />
Kenntnisse und Erfahrungen voraus, wenn das Verhalten<br />
von Systemen über einen weiten Betriebsbereich abgebildet<br />
und Überanpassungen vermieden werden sollen, wie<br />
zum Beispiel das Nachbilden von Messrauschen.<br />
Im Gegensatz dazu verwendet ETAS AscMO statistische<br />
Lernverfahren [4]. Dabei wird nach den Regeln bedingter<br />
Wahrscheinlichkeiten aus einem Satz vollständiger Funktionen<br />
automatisch diejenige Funktionenschar bestimmt, welche<br />
die Messdaten am wahrscheinlichsten repräsentiert. Auf<br />
der Grundlage dieser Verfahren ist es einerseits möglich,<br />
komplexe, nichtlineare Abhängigkeiten präzise abzubilden.<br />
Andererseits liefert die Berechnung des Modells per se den<br />
statistischen Fehler, der ein zuverlässiges Maß für die Modellgüte<br />
darstellt.<br />
Lückenlose Versuchsplanung<br />
Die Genauigkeit von datenbasierten Modellen wird durch die<br />
Dichte der Daten im Parameterraum bestimmt, der durch die<br />
gemessenen Größen aufgespannt wird. Um eine gleichmäßig<br />
hohe Modellgenauigkeit in Bezug auf die Gesamtmes-<br />
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Entwicklungswerkzeuge<br />
Bild 2: Eingangs- (links) und Ausgangsgrößen (rechts) eines modernen Ottomotors mit Direkteinspritzung und variablen<br />
Nockenwellen.<br />
Bild 3: Prozessschritte der modellbasierten Applikation.<br />
Ab der aktuellen Version ETAS AscMO V4.3 ist es möglich,<br />
das zeitabhängige Verhalten von Ausgangsgrößen bei dynasung<br />
zu erzielen, sind Versuchspläne am besten geeignet,<br />
bei denen die geplanten Messpunkte den Parameterraum<br />
möglichst gleichmäßig abdecken. Zu diesem Zweck verwendet<br />
das DoE-Werkzeug von ETAS AscMO Messsequenzen,<br />
bei denen der Parameterraum im Zuge der Messung so<br />
durchschritten wird, dass die Dichte der Messpunkte, und<br />
damit die Genauigkeit der Gesamtmessung und des davon<br />
abgeleiteten Modells, gleichmäßig ansteigt [5]. Aufgrund der<br />
gegebenen lückenlosen Abdeckung des Parameterraums<br />
kann eine laufende Messsequenz abgebrochen werden, sobald<br />
die gewünschte Genauigkeit erreicht ist. Der Einsatz dieser<br />
sogenannten Sobol-Sequenzen hat damit den großen<br />
praktischen Vorteil, dass kostspielige Versuchseinrichtungen,<br />
wie zum Beispiel Motorprüfstände, optimal genutzt werden<br />
können.<br />
Modellbasierte Applikation von<br />
Motorsteuerungen<br />
Die Applikation von Motorsteuerungen wird immer anspruchsvoller,<br />
da die Zahl der Eingangsgrößen, die das Verhalten<br />
eines Verbrennungsmotors beeinflusst (Bild 2), aufgrund<br />
der schnell voranschreitenden technischen Optimierung<br />
der Aggregate mit jeder Motorengeneration zunimmt.<br />
Gleichzeitig potenzieren sich die wechselseitigen Abhängigkeiten<br />
der Größen, die das System beeinflussen.<br />
Die Kalibrierung virtueller Sensoren und die Applikation<br />
emissionsrelevanter Funktionen sind dabei besonders anspruchsvoll.<br />
Als virtuelle Sensoren werden komplexe Datenstrukturen<br />
im Steuergerät bezeichnet, die zum Beispiel das<br />
Verhalten des Luftsystems, des Drehmoments oder der Abgastemperatur<br />
wiedergeben und das Verhalten von Steuerungs-<br />
und Regelungsfunktionen wesentlich beeinflussen.<br />
Im zweiten Fall besteht die Herausforderung darin, die Optimierung<br />
des Kraftstoffverbrauchs in einem gegebenen Fahrzyklus<br />
mit dem Fahrverhalten und der Einhaltung der gesetzlichen<br />
Emissionsvorschriften bestmöglich in Einklang zu<br />
bringen.<br />
Aufgrund der systembedingt hohen Komplexität lassen<br />
sich durch eine modellbasierte Applikation (Bild 3) von Funktionen<br />
der Motorsteuerung mit ETAS AscMO hohe Effizienzgewinne<br />
erzielen. Die modellbasierte Optimierung von Verbrauch<br />
und Schadstoffemissionen erweist sich als besonders<br />
günstig, wenn der gleiche Motor in verschiedenen Fahrzeugmodellen<br />
und Ländern, in denen unterschiedliche Abgasgrenzwerte<br />
und Fahrzyklen gelten, zum Einsatz kommt:<br />
In diesem Fall lässt sich das einmal erstellte Motormodell immer<br />
wieder verwenden.<br />
ETAS AscMO ist offen und flexibel. Das Werkzeug unterstützt<br />
alle relevanten Standards und kann vorhandene Modelle<br />
in verschiedenen Formaten exportieren. Mit Hilfe der integrierten<br />
MAtlAB- und Microsoft COM-Schnittstelle lassen<br />
sich kundenspezifische Funktionen und Modelle einfach einbinden,<br />
Abläufe per Scripting automatisieren oder eine Prüfstandsautomatisierung<br />
anschließen.<br />
Hohes Innovationspotenzial<br />
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Entwicklungswerkzeuge<br />
Bild 4: Modellierung von CO 2 -, NO x - und Rußpartikelemissionen<br />
im Fahrzyklus US06 bei dynamischem Wechsel von<br />
Drehzahl und Last [6].<br />
mischem Wechsel von Eingangsgrößen wie Drehzahl und<br />
Last zu modellieren. Das ermöglicht beispielsweise die quantitative<br />
Vorhersage von Emissionen unter transienten Bedingungen,<br />
wie zum Beispiel dem US06-Fahrzyklus, der hohe<br />
Beschleunigungen und Drehzahlschwankungen berücksichtigt<br />
(Bild 4). Dadurch stellt die ETAS-Lösung ihre enorme<br />
Leistungsfähigkeit erneut unter Beweis und erfüllt gleichzeitig<br />
eine wichtige Voraussetzung der systematischen, modellbasierten<br />
Applikation von Motorsteuergeräten unter realistischen<br />
Betriebsbedingungen. Die Lösung bietet ein hohes Potenzial<br />
für künftige Verbrauchseinsparungen von Verbrennungsmotoren.<br />
W (oe)<br />
Literatur:<br />
[1] t. Pfeifer und R. Schmitt, Qualitätsmanagement: Strategien, Methoden,<br />
Techniken, Carl Hanser Verlag, 2010.<br />
[2] u. Lauff, M. Dietrich, M. Ebert und G. Francois, „Validieren und kalibrieren<br />
mit virtuellen Steuergeräten – Durchgängig bis zur Serie“, Hanser <strong>automotive</strong><br />
10/2012, pp. 14-18.<br />
[3] H. Klar, B. Klages, D. Gundel, T. Kruse und H. Ulmer, „Neue Verfahren zur<br />
effizienten modellbasierten Motorapplikation“, in 5. Internationales Symposium<br />
für Entwicklungs-methodik (wird veröffentlicht), Wiesbaden,<br />
2013.<br />
[4] c. E. Rasmussen und C. K. Williams, Gaussian Processes for Machine<br />
Learning, Mit Press, 2006.<br />
[5] i. M. Sobol, „On the distribution of points in a cube and the approximate<br />
evaluation of integrals.“, U.S.S.R. Computational Mathematics 7(4), pp.<br />
86-112, 1967.<br />
[6] t. Gutjahr, H. Kleinegräber, H. Ulmer und T. Kruse, „New Approaches for<br />
Modeling Dynamic Engine Behavior with Gaussian Processes“, in 7. Tagung<br />
Design of Experiments (DoE) in der Motorenentwicklung, Berlin,<br />
2013.<br />
»»<br />
www.etas.com<br />
http://go.hanser-<strong>automotive</strong>.de/657333<br />
Hier können Sie in einem Video sehen, wie man mit ETAS ASCMO die<br />
Kalibirierung der Motorsteuerung beschleunigt.<br />
Thorsten Huber ist bei der ETAS GmbH für das Produktmanagement<br />
der Software ETAS ASCMO verantwortlich.<br />
Dr. Thomas Kruse ist bei der ETAS GmbH für das Produktmanagement<br />
der Software ETAS ASCMO verantwortlich.<br />
Dr. Ulrich Lauff ist bei der ETAS GmbH mit der<br />
Kommunikation von ETAS-Lösungen betraut.<br />
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