Unsere Wirtschaft - IHK Lüneburg-Wolfsburg
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<strong>IHK</strong>-Report<br />
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz muss reformiert, die Umlage-<br />
Befreiung an Energieeffizienzstandards geknüpft werden, sagt<br />
Stephan Kohler. Der Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen<br />
Energie Agentur (dena) erklärt außerdem, wie er sich den Strommarkt<br />
der Zukunft vorstellt. Mit ihm sprach Sandra Bengsch.<br />
Die Wende braucht eine Wende<br />
Herr Kohler, die Energiewende soll bis 2050 erreicht<br />
sein. Ist das zu schaffen?<br />
Innerhalb der nächsten 40 Jahre halte<br />
ich die Energiewende für realistisch, wir<br />
müssen allerdings schauen, dass wir bis<br />
2020/2025 die richtigen Rahmenbedingungen<br />
setzen. Es wird oftmals so getan, als ob<br />
wir Atomkraftwerke abschalten, und als<br />
Ersatz nur Photovoltaikanlagen und Windenergiekraftwerke<br />
bauen müssen – und das<br />
wäre dann die Energiewende. Das ist aber<br />
falsch. Wir müssen in vielen Bereichen<br />
Energieeffizienz umsetzen – in Gebäuden,<br />
beim Stromverbrauch, bei der Mobilität.<br />
Und wir müssen das gesamte Energiesytem<br />
umbauen. Wir haben derzeit massive Probleme<br />
beim Ausbau der Netzinfrastruktur,<br />
auf der Höchstspannungsebene, aber auch<br />
in den Verteilnetzen, und bei der effizienten<br />
Integration der sehr stark schwankenden<br />
Stromerzeugung der Photovoltaik- und<br />
Windanlagen.<br />
Notwendig wären laut Netzausbauplanung bis zu<br />
5600 Kilometer Stromleitungen bis 2022. Bisher<br />
ist davon jedoch nur ein Bruchteil erreicht. Was<br />
bremst den Ausbau?<br />
Vor allem die langen Diskussionen über<br />
die Notwendigkeit der Stromtrassen. Ein<br />
Beispiel dafür ist die Trasse von den neuen<br />
Bundesländern über den Thüringer Wald<br />
nach Bayern, da gab es jetzt acht Jahre<br />
Streit. Außerdem kämpfen viele Bürgerinitiativen<br />
gegen den Ausbau der Stromtrassen.<br />
Keiner möchte eine 380 Kilowatt<br />
Hochspannungsleitung vor seiner Haustür<br />
haben. Es muss noch sehr viel Überzeugungsarbeit<br />
bei den betroffenen Bürgern<br />
geleistet werden, damit diese Infrastruktur<br />
akzeptiert wird.<br />
Welche Folgen hat der schleppende Netzausbau<br />
für die <strong>Wirtschaft</strong>?<br />
Wir bauen ein ineffizientes System auf. Es<br />
entstehen derzeit viele Windkraftwerke<br />
im Norden, in Niedersachsen, Schleswig-<br />
Holstein, Mecklenburg-Vorpommern.<br />
Doch dieser Zubau erneuerbarer Energien<br />
ist nicht abgestimmt mit der nötigen Infrastruktur.<br />
Solange aber Netze fehlen, kann<br />
der Strom nicht nach Süden transportiert<br />
werden. Dieses ineffiziente System belastet<br />
die Stromverbraucher – und damit auch<br />
die Industriebetriebe über die Maßen.<br />
Was kostet dieses ineffiziente System?<br />
Wir haben dazu keine genauen Zahlen,<br />
aber wir kommen sicher in Bereiche von<br />
100 Millionen Euro, Tendenz kontinuierlich<br />
steigend. Geld, das Stromkunden und<br />
damit auch Unternehmen aufbringen müssen.<br />
Zumindest die, die nicht von der Umlage<br />
des Erneuerbare-Energien-Gesetzes<br />
(EEG) befreit sind.<br />
Befreit werden Unternehmen, die viel Strom verbrauchen.<br />
Deshalb hat der Präsident des Bundesamtes<br />
für <strong>Wirtschaft</strong> und Ausfuhrkontrolle kürzlich<br />
bemängelt, dass die Ausnahmeregelungen<br />
des EEG mangelnde Effizienz im Strombereich<br />
privilegieren. Wie sehen Sie das?<br />
Das EEG bedarf dringend einer Reform.<br />
Was die EEG-Befreiung betrifft, plädiere<br />
ich dafür, das Grundprinzip zu erhalten,<br />
denn Unternehmen müssen im internationalen<br />
Wettbewerb bestehen können. Aber<br />
zusätzlich müssen wir Effizienz-Kriterien<br />
definieren. Nur wer diese Standards erreicht,<br />
soll weniger oder gar keine EEG-<br />
Umlage zahlen. Dann hätten wir auch einen<br />
Anreiz für Energieeffizienz. Außerdem<br />
sollten Erzeugungsanlagen regenerativer<br />
Energien nicht mehr je nach Lust und Laune<br />
des Investors zugebaut werden dürfen,<br />
sondern nur dann, wenn sie in das Netz<br />
integriert werden können, also wenn die<br />
Netzinfrastruktur vorhanden ist. Das hätte<br />
sowohl einen entschleunigten Zubau zur<br />
Folge als auch eine sinnvolle Integration in<br />
das Gesamtsystem.<br />
Es muss also reichlich umstrukturiert werden.<br />
War das EEG in seiner jetzigen Form denn jemals<br />
sinnvoll?<br />
Immerhin haben wir erreicht, dass wir zwischen<br />
2000 und 2013 die Stromerzeugung<br />
aus regenerativen Energiequellen auf über<br />
25 Prozent erhöht haben. Das finde ich einen<br />
Erfolg. Aber was in der Vergangenheit<br />
gut war, ist in der Zukunft nicht mehr gut.<br />
Jetzt muss das EEG so angepasst werden,<br />
dass die erneuerbaren Energiekapazitäten<br />
sinnvoll nach energiewirtschaftlichen Kriterien<br />
ausgebaut werden.<br />
Wie stehen Sie zum Ausbau erneuerbarer Energien<br />
im Verhältnis zum Einsatz konventioneller<br />
Kraftwerke?<br />
Das Ziel ist: Wir wollen regenerative Energieträger<br />
zum dominanten Stromerzeugungssystem<br />
machen. In Deutschland<br />
bauen wir insbesondere Photovoltaik und<br />
Windenergie aus. Das sind zwei Erzeugungsformen,<br />
die nicht immer zur Verfügung<br />
stehen. Weil wir aber auch, wenn<br />
es dunkel ist und kein Wind weht, Versorgungssicherheit<br />
haben wollen, brauchen<br />
dena-Chef Stephan Kohler setzt sich dafür ein, die<br />
Befreiung von der EEG-Umlage an Energieeffizienzstandards<br />
zu koppeln.<br />
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