Schwerpunkt Unternehmen entdecken Familienfreundlichkeit als Argument im Wettbewerb um Fachkräfte – und versuchen so, vor allem bei Frauen zu punkten. Um Kinderbetreuungsplätze anbieten zu können, kooperieren sie mit freien Trägern, Kommunen und anderen Betrieben. Denn trotz millionenschwerer Fördertöpfe sind die Anforderungen für Laien kaum zu stemmen, die Verfahren kompliziert. Aber: Not macht erfinderisch. Von Sandra Bengsch Fotos: Hans-Jürgen Wege, Deerberg Die Idee zur betrieblich unterstützten Kinderbetreuung kam Andrea Hiller-Valett vor fast drei Jahren. Immer mal wieder haben Mitarbeiter ihre Kinder mit zur Arbeit genommen, weil es eine Betreuungslücke gab. Die Marketingexpertin des Lüneburger Logistikunternehmens Hiller dachte: „Da muss es doch eine bessere Lösung geben.“ Sie hatte Recht: Im Sommer 2014 soll die betrieblich unterstützte Krippe mit 30 Plätzen im Gewerbegebiet Hafen öffnen. „Für die beteiligten Unternehmen ist ein Krippenplatz ein großer Wettbewerbsvorteil im Ringen um Fachkräfte“, sagt Andrea Hiller-Valett. Der Mangel sei spürbar, die Suche nach einem Finanzbuchhalter habe das Logistikunternehmen Hiller monatelang beschäftigt. Besetzt wurde der Posten mit einer Frau. Das ist insofern zukunftsweisend, als das Bundesministerium für Arbeit das größte Potenzial zur Fachkräftesicherung bei den Frauen ausgemacht hat: Rund 6,3 Millionen Frauen sind trotz mittlerer bis hoher Qualifikation nicht berufstätig. Das liege vor allem an fehlenden Kinderbetreuungsplätzen. Und selbst diejenigen, die einen Platz ergattern, sind ständig unter Druck. Denn Arbeitszeiten und die Öffnungszeiten der Kita passen oft nicht zusammen. Die neue Krippe im Lüneburger Gewerbegebiet soll durch lange Betreuungszeiten in den Ferien die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern. Doch bis es soweit ist, gibt es noch einiges zu tun: Förderanträge müssen gestellt, ein Träger für die Krippe gefunden, das Gebäude muss gebaut werden. „Allein kann ein mittelständisches Unternehmen das kaum leisten“, sagt Andrea Hiller-Valett. Zum Glück hatte sie von Beginn an starke Partner an ihrer Seite. Sieben Unternehmen haben sich zusammengetan, wollen jetzt einen Förderverein gründen, der die Geschäfte der Einrichtung führen soll. Der Arbeitgeberverband Lüneburg-Nordostniedersachsen koordiniert das Projekt, ein weiterer Unternehmer stellt sein Grundstück zur Verfügung. Die Stadt unterstützt bei Förderanträgen und Konzept und will das Gebäude später mieten und die Trägerschaft ausschreiben. Zwar ist das genaue Konzept noch nicht ausgetüftelt, aber geplant ist, dass Unternehmen ihren Mitarbeitern Belegplätze in der Krippe sichern können. Laut Andrea Hiller-Valett soll es Fünfjahresverträge geben, über diesen Zeitraum zahlen die Unternehmen etwa 200 Euro pro Platz und Monat. „<strong>Unsere</strong> Forderung ist, dass wir die Kinder der Mitarbeiter unabhängig vom Wohnort der Eltern aufnehmen können.“ Klingt logisch, wird aber zum Problem, wenn die umliegenden Gemeinden mehrheitlich Krippenplätze bereitstellen – und ihren Betriebskostenzuschuss nicht an eine Einrichtung in der Stadt Lüneburg zahlen wollen. Diese Erfahrung zumindest hat Ilona Lindhorst, Geschäftsführerin des Lüneburger Vereins Pädagogische Initiative (PädIn), gemacht. Seit zwei Jahren betreibt PädIn die Kita WigWam auf dem Gelände der Sieb & Meyer Stiftung. Die Stiftung hat den Bau des Gebäudes finanziert, die Sieb & Meyer AG kann Plätze für Kinder von Mitarbeitern reservieren. „Wir wollen uns auch für andere Betriebe öffnen“, sagt Ilona Lindhorst. Die Idee: Wie bei regulären Plätzen sollen Eltern und Kommune ihren Anteil zahlen, die Betriebe zusätzlich 200 Euro beisteuern. „Damit könnten wir Sonderbetreuungszeiten finanzieren, zum Beispiel am Abend oder in den Ferien.“ Bei den Unternehmen sei das Konzept gefragt, Das Unternehmen Deerberg bietet ab Juni eine Ferienbetreuung für Kinder von Mitarbeitern. Als Quartier dient ein alter Zug, der mit viel Liebe zum Detail umgebaut wurde. 22 <strong>Unsere</strong> <strong>Wirtschaft</strong> 6/2013
Schwerpunkt Gut versorgt, wenn Mami arbeitet: Die Kita Wigwam auf dem Gelände der Sieb & Meyer Stiftung würde gern auch mit anderen Betrieben kooperieren. <strong>Unsere</strong> <strong>Wirtschaft</strong> 5/2013 23