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Berliner Leben: Zeitschrift für Schönheit und Kunst

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Dass ich von me>]J1em Schlüsselloch aus auf<br />

der Lauer lag <strong>und</strong> die Vorgänge im Vestibüle genauest<br />

beobachtete, fand ich wieder selbstverständli<br />

ch. Nicht lange dauerte es <strong>und</strong> Nelly, die mittlerweile<br />

mein e Phantasie mit tausenderlei süssen Bildern<br />

füllte, erschien vor ihrer Thür.<br />

Jetzt erst konnte ich VOll meinem Observatorium<br />

aus bemerken, dass sie wahrhaftig ell1e kl eine<br />

"Beaute" war.<br />

Im weissen Flanell-Negligee, das sich weich an<br />

die jugendlichen Formen schmiegte, erschien sie m ir<br />

wie eine Göttin, die eben von ihren olympischen<br />

Höhen auf die Erde herabgestiegen war, um sich in<br />

ihrer ganzell strahlenden <strong>Schönheit</strong> dem an betenden<br />

Volke zu zeigen.<br />

Das Volle war natürlich nur ich, denn schon<br />

regte sich in mir so etwas wie Eifersucht, - dass<br />

a uch andere Sterbliche ihre Augen zu diesem "star"<br />

erheben könnten.<br />

Und Nell)' stand noch immer im Vestibule <strong>und</strong><br />

spähte nach all en Seiten. --<br />

Was sie nur wollen mag - dachte ich. - .<br />

Da kommt wie gerufen eine "femme de chambre",<br />

sie winkt, - sie lispelt - <strong>und</strong> deutet dabei auf<br />

meine Thür. -<br />

Mir beginnt es sch warz vor den Augen zu werden.<br />

Sollte sie - ?<br />

Unsinn! nun musste ich beinahe selbst über<br />

mich lachen.<br />

Da sehe ich in den Händen des Zimmermädchens<br />

etwas weisses <strong>und</strong> ein Goldstück blinken. -<br />

Das Fingerchen auf den M<strong>und</strong> gelegt - so<br />

verschwindet Nell y in ihrer Thür ; <strong>und</strong> das Mädchen<br />

nähert sich. -<br />

Himmel! Jetzt beginnt mir aber das I-l en : derart<br />

zu pochen, dass ich kaum das Klopfen an meiner<br />

Thür vernehmen <strong>und</strong> öffnen kahn. Scheinbar erstaunt<br />

- nehme ich das zierliche Briefchen in<br />

Empfang, danke zerstreut - <strong>und</strong> nun, nachdem ich<br />

allein, öffne" ich dasselb e - eine Wolke von - damals<br />

dachte ich von "all the flowers", die E nglands<br />

Blumenflor überhaupt aufzuweisen hat, strömte mir<br />

entgegen <strong>und</strong> da - mit grossen, energischen Schriftzügen<br />

standen nur die Worte :<br />

,.,Come at 5 o-c1ock - in the Hoor - she<br />

sleeps" .<br />

Ja Du lieber Gott - wie sollte ich das verstehen<br />

- englisch musste es sein, <strong>für</strong> mich war<br />

es ein spanisches Dorf!<br />

In mein er Verzweiflung kam mir der erlösende<br />

Gedanke, in der nächsten Buchhandlung einen kleinen<br />

Dictionnaire zu Itaufen.<br />

Atemlos eilte ich davo n - atemlos kam ich<br />

nach Hause.<br />

"Kommen an 5 Uhr - in den HausHur - sie<br />

schläft" - so übersetzte icb. Hurrah! Jubelnd<br />

schwang ich den Brief in der hoch erhohenen<br />

Rechten, das nenne ich Gli:ick!<br />

Sie musste mich trotz ihres beinahe fluchtartigen<br />

' "nach Hause eilens" bemerkt <strong>und</strong> - prüfend<br />

musterte ich mich im Spiegel gegenüber - an dem<br />

braunen, bärtigen .Tungen Gefallen gef<strong>und</strong>en haben.<br />

So langsam waren mir in meinem <strong>Leben</strong> noch nicht<br />

die Stu nden geschlichen.<br />

Endlich schlu g es vom Turme der Kathedrale ,,5".<br />

Geräuschvoll wal' ich in das Vestibule getreten.<br />

Da öffnete sich die Thür <strong>und</strong> NeUy erschien --<br />

nein, ein Engel, dem nur die Flügel fehlten, stand<br />

vor mIr.<br />

Weiss, durchwegs weiss, bis zum französischen<br />

Stöckelstiefelchen, das neugierig unter dem Hocksaum<br />

hervorlugte.<br />

Höflich grüssend näherte ich mich ihr.<br />

"Wir wollen iJ:! den Lesezimmer gehen",<br />

sagte sie mit leichtem Erröten in zwar nicht<br />

tiiessendem aber immerhin ganz gutem "Deutsch" .<br />

Als· ich hierüber meiner Freude Ausdruck gab,<br />

meinte sie: "Mamma war eine Deutsche - von ihr<br />

haben ich diese Sprake lernen".<br />

"Frau Mamman ist wohl die alte Dame"<br />

damit meinte ich die rotbackige Lad)'.<br />

"Sholdng" -- rief sie Dun mit einem silberhellen<br />

Lachen, " das ist Miss Clever, meine -- () -<br />

bitte, wie sagt man doch - m)' old nllI'se ?"<br />

Ich zog das Wörterbuch, das ich vorsichtshalber<br />

mitgenommen hatte, aus meines Sackes Tiefen.<br />

Nell y lachte wie ein übermütiges Kind - dann<br />

suchten wir beide, nachdem wir im Lesezimmer<br />

in einer rccbt traulichen .Ecke Platz genommen<br />

hatten, nach der "nllI'se" im vVörterbuch.<br />

,,I>Hege mutter", - jubelte Nelly - , ja - das<br />

ist meine PHegemutter, my sweet old goodling ,"<br />

Obwohl dem Englischen fremd, stellte ich mir<br />

unter "goodlin g" etwas g utes, dickes, r<strong>und</strong>e ~ vo r<br />

<strong>und</strong> sprach NeJl y <strong>für</strong> diesen Namen meine A nerkcnnung<br />

aus, denn er schien Miss Clever an den<br />

Leib erf<strong>und</strong>en.<br />

1m Laufe d e~ Gespräches hatte ich erfahren,<br />

dass Nell )' W aise <strong>und</strong> Erbin eines grossen Vermögens,<br />

den Winter in " New York", ihrer Heimat,<br />

den Som mer auf I eisen verbringe - dass ich ihr<br />

gefi ele <strong>und</strong> dass s.ie mich morgen um dieselbe St<strong>und</strong>e<br />

im Lesezimmer erwarten wUrde - nun aber würde<br />

Miss Clevers 1\achlllittags-Siesta bald zu E nd e sein<br />

- damit huschte sie mit emem huldvoll en Kopfneigen<br />

davon.<br />

Mir aber schien es) als ob in diesem Augenhlick<br />

eine schwere Wolke ich vor die Sonne geschoben<br />

hätte; trübe <strong>und</strong> düster war es rings um.her<br />

<strong>und</strong> wie ein Träumender verbrachte ich den Abend<br />

-;- als Endziel mein er Wünsche die morgige fünfte<br />

Stu nde erseh nend.<br />

Auf diese vV eise vergin g fast ein e \lVoch e; zum<br />

Staun en der guten Miss Clever, die es nicht' begreifen<br />

konnte, was Ne ll y an Lausanne so zu fes seln<br />

w usste.<br />

E ndlich , anlässli ch ei ner Segelpartie am Genfer­<br />

~ee, die Nelly geschicltt in Scene zu setzen wusste,<br />

wurde ich den beiden Damen offiziell vorgestellt<br />

<strong>und</strong> mithin war auell das Hindernis behoben, mich<br />

ihnen auf ihren Promenaden <strong>und</strong> Touren anzuschliessen.<br />

Nm Eines lag mir bescbämend auf der Brust:<br />

ich hatte mich als "Doktor" vorgestellt ; dabei allerdings<br />

den ernsten Entschluss gefasst, das nächste<br />

.Tahr es auch zu werden - aber ich war es ja noch<br />

nicht <strong>und</strong> diese Lüge brannte mir auf der Seele.<br />

Miss Clever war es keineswegs entgangen, dass<br />

Nelly mich hesonders a uszeichnete <strong>und</strong> einmal, als<br />

Nelly eben ·von irgend einem landschaftlichen Reize<br />

festgehalten, etwas hinter un s zurückblieb, gab<br />

sie mir zu verstehen, dass sie mich zu sprech en<br />

wünsche.<br />

Das "wie" liess allerdings einige Schwierigkeiten<br />

aufkommen, denn ihr "Deutsch" klang so "Englisch"<br />

dass es einiges Studiums bedurfte, um es überhaupt<br />

als Deutsch annehmen zu können.<br />

Spät am Abend, Nell y schlief bereits, huschte<br />

Miss Clever in mein Zimmel'.<br />

Wie wir ' un s verständigt, glaube ich übergehen<br />

zu können, der Tenor der Besprechung klang so<br />

ziemlich so:<br />

Nell )' ist sehr reich - willst Du um sie werben,<br />

musst D u "Etwas" sein , - womit sie eiJie höhere<br />

gesell schaftliche Position meinte, - denn sie entstammt<br />

ein er alten amerikanischen Patrizierfamili t;<br />

- <strong>und</strong> die vo m ehmsten "Barouets" viele Meil en im<br />

Umkreise würden stolz darauf ein, sie al s Gattin<br />

h eimführen zu können.<br />

Nell y ist eigenwillig - widerspenstig - aber<br />

t rotzdem ein g utes Kind. - Jetzt wisse icb all es ­<br />

nun möge ich sprechen.<br />

Und ich sprach - erzählte aucb, dass ich elen<br />

Titel "Dl'." noch nicht rechtmässig tragen dürfe <strong>und</strong><br />

- - oh! oh! klang es gedehnt von Miss Clever,;<br />

Lippen. Dann bat sie ~ich abZllreisen.

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