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Schulzeit 40-12.indd - IGS List Hannover

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Forum <strong>IGS</strong> <strong>List</strong><br />

Forum <strong>IGS</strong> <strong>List</strong><br />

als „Schatten” begutachtet und als „kritische<br />

Freunde” Anregungen und Hinweise<br />

gegeben, wo die oftmals in vielen<br />

Bereichen schon exzellenten Schulen ihr<br />

Konzept noch verbessern oder überdenken<br />

könnten. Auch die <strong>IGS</strong> <strong>List</strong> wurde im<br />

Jahre 2008 besucht und begutachtet. Unsere<br />

Bitte nach den Beobachtungsschwerpunkten<br />

- Rhythmisierung<br />

- Lärm- und Lernatmosphäre<br />

- Innere Differenzierung<br />

führte in der Folge zur Veränderung des<br />

Stundentakts an der <strong>IGS</strong> <strong>List</strong> in die 80-<br />

Minuten-Unterrichtszeiteinheiten, zu einer<br />

Offensive eines pfleglichen Umgangs<br />

miteinander („friedlich und freundlich”),<br />

einer Lärmreduzierungskampagne gegen<br />

den Dezibel-Schmerzbereich (Lärmampeln<br />

und Bewusstmachung) und zur breit<br />

angelegten Diskussion über veränderte<br />

Unterrichtsmodelle, die ja zurzeit noch anhält<br />

und in verschiedenen Fachbereichen<br />

erkennbare veränderte Differenzierungsideen<br />

hervorgebracht hat.<br />

Ähnlich sind die von uns besuchten Schulen<br />

nach ihren Beobachtungsschwerpunkten<br />

beraten worden und haben zum Teil<br />

gravierende Veränderungen ihrer Konzeptionen<br />

vorgenommen – nicht, weil sie es<br />

mussten oder es von irgendeiner praxisfernen<br />

Instanz aufoktroyiert bekommen<br />

hatten, sondern weil sie im freundschaftlichen<br />

Austausch Erkenntnisse gewinnen<br />

konnten, die sie die neuen Anregungen als<br />

pädagogisch sinnstiftend erleben beziehungsweise<br />

im Voraus bedenken ließen.<br />

Nach unserem letzten Besuch in der Offenen<br />

Schule Kassel Waldau im November<br />

2012, bei dem aus dem Shadowing-Verfahren<br />

eine vom Kollegium getragene, äußerst<br />

interessierte und engagierte Diskussion<br />

zur Verbesserung von Individualisierungsverfahren<br />

im Unterricht hervorging, wird<br />

die <strong>IGS</strong> <strong>List</strong> nach der <strong>IGS</strong> Franzsches Feld<br />

Braunschweig im Jahr 2014 erneut das<br />

Shadowing-Verfahren durchlaufen. Dafür<br />

sollten wir uns in den verschiedenen Gremien<br />

der Schule rechtzeitig miteinander<br />

Gedanken über die Beobachtungsschwerpunkte<br />

machen. Was wollen wir dieses<br />

Mal besonders betrachtet wissen und wo<br />

besteht unserer Meinung nach noch signifikanter<br />

Bedarf für Anregungen oder Verbesserungsvorschläge?<br />

Eine wesentliche Veränderung des konzeptionellen<br />

Gesamtrahmens der Klassenbildung<br />

und der Auseinandersetzung mit<br />

der inneren und äußeren pädagogischen<br />

Wertigkeit in der nahen Zukunft unserer<br />

Schule erfordert der nun offiziell als Anspruch<br />

formulierte und als Rechtsnorm<br />

implementierte Gestaltungsfaktor „Inklusion”.<br />

Der erste Grundsatz aller BÜZ-Schulen<br />

lautet:<br />

„Die wichtigsten Vorgaben für jede Schule<br />

sind die ihr anvertrauten Kinder und Jugendlichen<br />

– so wie sie sind, und nicht so,<br />

wie wir sie uns wünschen mögen. Sie haben<br />

ein Recht darauf, als einzelne, unverwechselbare<br />

Individuen mit unverfügbarer<br />

Würde ernst genommen zu werden. Sie<br />

haben ein Recht darauf, dass die Schule<br />

für sie da ist und nicht umgekehrt.” (Schulverbund<br />

„Blick über den Zaun” 2008).<br />

Auf diesem Grundverständnis ruhend<br />

sollte ein inklusiver Ansatz an der <strong>IGS</strong><br />

<strong>List</strong> eigentlich eine Selbstverständlichkeit<br />

sein. Unsere Schule hatte sich in der Vergangenheit<br />

aus unterschiedlichen Motivationslinien<br />

heraus bei der Einrichtung so<br />

genannter Integrationsklassen deutlich<br />

zurückgehalten – das lässt sich nun nicht<br />

mehr aufrechterhalten. Wir sollten daher<br />

als Schule in ein verändertes Bewusstseinszeitalter<br />

eintreten, unsere inneren<br />

Haltungen überprüfen und gegebenenfalls<br />

auch zu ändern versuchen. Als Folge<br />

der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention<br />

vom 13.12.2006 durch<br />

die Bundesregierung im Jahre 2009 gilt ab<br />

2013 das Recht für alle Eltern, ihre Kinder<br />

in öffentlichen Schulen lernen zu lassen,<br />

die nicht mehr von vornherein irgendwelchen<br />

Stigmatisierungen im Aussortieren<br />

und in der Begrifflichkeit unterliegen:<br />

- Verschiedenartigkeit und Andersartigkeit<br />

ist die Normalität – nicht die zu sortierende<br />

Ausnahme.<br />

- Ein inklusiver Schulorganismus lebt mit<br />

den Faktoren von Bio-Diversität genauso<br />

wie mit kultureller und sozialpsychologischer<br />

Diversität.<br />

- Der Anspruch auf Inklusion betrifft den<br />

ganzen Lebensweg (von der Krippe bis<br />

ins Altersheim) und ist in der Schule unter<br />

Eltern, Schülerinnen und Schülern,<br />

Lehrkräften und allen weiteren Mitarbeitenden<br />

ins Bewusstsein zu rücken.<br />

Und auch über den zukünftigen sprachlichen<br />

Umgang im inklusiven Schulwesen<br />

sollten wir uns Gedanken machen und den<br />

Konsens suchen. 10 Prozent der Deutschen<br />

haben offiziell eine so genannte<br />

Behinderung. Dabei kann von einer hohen<br />

Dunkelziffer ausgegangen werden, da diese<br />

Behinderungserfassung in der Regel<br />

über unmittelbar wahrnehmbare Größen<br />

der Körperbehinderungen (Rollstuhl, Blindenstock,<br />

Hörgerät) oder die signifikanten<br />

Formen so genannter „geistiger Behinderungen”<br />

(häufig Menschen mit Trisomie<br />

21) und über schwere Mehrfachbeeinträchtigungen<br />

läuft. „Behinderungen”<br />

sozialer und psychischer Natur wie<br />

Lernschwierigkeiten, Konzentrationsprobleme,<br />

Depressionen, Burn-out-Probleme,<br />

schwere Identitätskrisen mit latenter Suizidgefährdung<br />

etc. werden oftmals nicht<br />

oder spät wahrgenommen. Häufig haben<br />

wir selbst schon „Behinderungsformen”<br />

durchlebt oder waren von „Behinderung”<br />

bedroht. Ich plädiere deshalb für eine<br />

Abschaffung dieses Begriffs. Er hat keine<br />

wirkliche Trennschärfe und fungiert (und<br />

hier kann man sich einmal am Sprachgebrauch<br />

von jungen Menschen orientieren)<br />

eher als Schimpfwort bei von der vorgeblichen<br />

Norm abweichenden Verhaltensweisen:<br />

„Der ist ja behindert!”<br />

Eine „echte” Alternative wie „special<br />

needs” oder Ähnliches bietet sich im Moment<br />

leider nicht, da die hochsensiblen<br />

Diskussionen im anglistischen Sprachraum<br />

all diese Begriffe auf die Vergleichsebene<br />

zu sexistischer Sprache gehoben haben.<br />

Ich denke, uns wird schon gemeinsam ein<br />

sprachlicher Umgang gelingen. Da bin ich<br />

ganz zuversichtlich.<br />

In vielfältigen Gesprächen innerhalb unserer<br />

Schule zu diesem Thema sind eine<br />

Reihe von zustimmenden, Bedingungen<br />

formulierenden, aber auch sehr kritischen<br />

Sichtweisen deutlich geworden, oft orientiert<br />

an den mangelnden äußeren Voraussetzungen<br />

für eine gelingende Inklusion.<br />

Ja, das stimmt. Häufig fühlen wir uns<br />

überrumpelt und allein gelassen und insbesondere<br />

mit Zumutungen von Seiten<br />

der Politik konfrontiert, die es deutlich<br />

zu benennen und in seinen Fehlausrichtungen<br />

zu korrigieren gilt. Da sind wir uns<br />

sicher sehr schnell einig und hier sollten<br />

wir – jeder und jede nach Kräften – auch<br />

das Nötige tun und einfordern. Es wurden<br />

allerdings auch Stimmen laut, die den<br />

vorgetragenen inklusiven Anspruch als<br />

„zu moralisch” brandmarkten. Diese Diskussion<br />

sollten wir unbedingt aufgreifen,<br />

vielleicht mit der Frage: „Was ist die innere<br />

Maßeinheit der Präposition „zu” und<br />

wie viel Moral von welcher Prägung darf es<br />

denn für die <strong>IGS</strong> <strong>List</strong> sein?”<br />

Wolfgang Uster<br />

SchulZeit 7

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