Ökosystemleistungen: Das Konzept vom gesellschaftlichen Nutzen ...
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Nahrungsmittelanbau<br />
Kohlenstoff-<br />
Speicherung<br />
<strong>Ökosystemleistungen</strong>:<br />
<strong>Das</strong> <strong>Konzept</strong> <strong>vom</strong> <strong>gesellschaftlichen</strong><br />
<strong>Nutzen</strong> der Natur<br />
Holznutzung<br />
Kulturerbe<br />
Lokal-Klima<br />
Nährstoff-<br />
Kreisläufe<br />
Naherholung<br />
Tobias Plieninger<br />
Deutscher Landschaftspflegetag 2013<br />
Berlin, 7. Juni 2013<br />
Gliederung<br />
• Ökosystemleistungskonzept: Diskurs und Diffusion in<br />
(internationaler) Politik und Naturschutz /<br />
Landschaftspflege<br />
• <strong>Ökosystemleistungen</strong> und das Millennium Ecosystem<br />
Assessment<br />
• Chancen für Naturschutz und Landschaftspflege<br />
• Herausforderungen für Naturschutz und Landschaftspflege<br />
• Leitsätze zur politischen Implementierung des<br />
Ökosystemleistungs-Ansatzes<br />
1
Ökosystemleistungsdiskurs (I)<br />
1000<br />
900<br />
800<br />
Aufsätze pro Jahr<br />
700<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020<br />
Schlagwort „ecosystem services“ im Web of Science<br />
3<br />
Ökosystemleistungsdiskurs (II)<br />
• Vorhergehende und parallele Diskurse:<br />
Landschaftsplanung, Landwirtschaft, Forstwirtschaft<br />
• Ökologische Ökonomie (G.C. Daily, R. Costanza, usw.)<br />
• 2005: Millennium Ecosystem Assessment<br />
• 2010: The Economics of Ecosystems and Biodiversity<br />
(TEEB)<br />
• 2012: Naturkapital Deutschland – TEEB DE<br />
• …<br />
2
Diffusion des <strong>Konzept</strong>s in der<br />
Politik<br />
• CBD Strategischer Plan 2011-2020<br />
• Rio+20<br />
• IPBES<br />
• EU-Biodiversitätsstrategie 2011-2020<br />
• Nationale Strategie zur Biologischen<br />
Vielfalt<br />
EU Biodiversitätsstrategie 2011-<br />
2020<br />
Die Biodiversität […] ist auch unser Naturkapital, denn sie<br />
stellt Ökosystemdienstleistungen bereit, die die Grundlage<br />
unserer Wirtschaft bilden. Verschlechterung und Verlust<br />
dieses Kapitals stellen die Bereitstellung dieser<br />
Dienstleistungen in Frage und führen zum Verlust an Arten<br />
und Lebensräumen, des Wohlstandswertes der Natur und<br />
von Arbeitsplätzen und gefährden unser eigenes<br />
Wohlbefinden.<br />
Einzelziel 2 - Erhaltung und Wiederherstellung von<br />
Ökosystemen und Ökosystemdienstleistungen: Bis<br />
2020 Erhaltung von Ökosystemen und<br />
Ökosystemdienstleistungen und deren Verbesserung<br />
durch grüne Infrastrukturen sowie Wiederherstellung von<br />
mindestens 15 % der verschlechterten Ökosysteme.<br />
Maßnahme 5 - Verbesserung der Kenntnisse über<br />
Ökosysteme und Ökosystemdienstleistungen in der<br />
EU<br />
3
Was sind <strong>Ökosystemleistungen</strong>?<br />
“… der vielfältige <strong>Nutzen</strong>, den Menschen aus<br />
Ökosystemen erzielen.”<br />
(Millennium Ecosystem Assessment, 2005)<br />
Kulturelle Leistungen<br />
Kulturelle Leistungen<br />
Regulierungsleistungen<br />
Regulierungsleistungen<br />
Versorgungsleistungen<br />
Versorgungsleistungen<br />
Basisleistungen<br />
Versorgungsleistungen<br />
Nahrungsmittel<br />
– Getreide, Obst, Gemüse<br />
– Tierische Produkte<br />
– Fischereiprodukte<br />
– Wild<br />
Rohstoffe<br />
– Holz<br />
– Faserstoffe<br />
– Brennstoffe<br />
– Chemische Rohstoffe<br />
Trinkwasser<br />
Genetische Ressourcen<br />
4
Regulierungsleistungen<br />
• Luftreinhaltung<br />
• Klimaregulierung<br />
– Global (CO 2 - Speicherung<br />
und Sequestrierung)<br />
– Regional und lokal<br />
• Erosions- und<br />
Hochwasserschutz<br />
• Wasserreinigung<br />
• Milderung von Epidemien und<br />
extremen Naturereignissen<br />
• Bestäubung<br />
www.uni-hamburg.de<br />
Kulturelle Leistungen<br />
• Spirituelle und religiöse<br />
Werte<br />
• Erziehung und Bildung<br />
• Ästhetische Werte,<br />
Inspiration<br />
• Soziale Beziehungen<br />
• Ortsverbundenheit<br />
• Erholung und Tourismus<br />
5
Basisleistungen<br />
• Nährstoffkreisläufe<br />
• Bodenbildung<br />
• Primärproduktion<br />
•…<br />
• Biodiversität als<br />
eigenständiger Wert und<br />
Grundlage für viele<br />
<strong>Ökosystemleistungen</strong><br />
Bild: www.landgutcobenzl.at<br />
Millennium Ecosystem Assessment:<br />
Hintergrund<br />
• Groß angelegte Studie über den globalen Zustand der<br />
Ökosysteme (natürlich + menschlich geprägt); von den<br />
Vereinten Nationen (UN) ins Leben gerufen<br />
• Sichtung einer großen Zahl an wissenschaftlicher<br />
Literatur durch über 1.300 Wissenschaftler/innen aus<br />
95 Ländern im Zeitraum von 2001 bis 2005<br />
• Fokus auf Beziehungen zwischen<br />
<strong>Ökosystemleistungen</strong> und menschlichem<br />
Wohlbefinden<br />
• Erfassung der Wechselwirkungen zwischen den<br />
einzelnen <strong>Ökosystemleistungen</strong><br />
12<br />
6
<strong>Ökosystemleistungen</strong> und<br />
Lebensqualität im MA<br />
<strong>Ökosystemleistungen</strong><br />
Basisleistungen<br />
Versorgungsleistungen<br />
Regulationsleistungen<br />
kulturelle<br />
Leistungen<br />
Komponenten von<br />
Lebensqualität<br />
Sicherheit<br />
materielle<br />
Grundversorgung<br />
Gesundheit<br />
gute soziale<br />
Beziehungen<br />
Wahl- und<br />
Handlungsfreiheit<br />
Stärke der Verbindungen:<br />
schwach<br />
mittel<br />
stark<br />
Zusammenhang <strong>Ökosystemleistungen</strong><br />
und Lebensqualität<br />
A. Vemuri & R. Costanza (2006):<br />
The role of human, social, built, and natural capital in<br />
explaining life satisfaction at the country level:<br />
Toward a National Well-Being Index (NWI)<br />
Ecological Economics 58: 119-133<br />
• Auswertung von Daten zu den verschiedenen Formen von<br />
Kapital und zur Lebenszufriedenheit für 171 Länder<br />
• Signifikanter Zusammenhang zwischen natürlichem Kapital<br />
(gemessen über <strong>Ökosystemleistungen</strong>) und<br />
Lebenszufriedenheit<br />
→Natürliche Umgebung sollte als wichtiger Faktor in alle<br />
Studien zu Lebensqualität eingehen<br />
7
Menschliche Beanspruchung und<br />
Zustand der globalen Ökosysteme<br />
(Carpenter et al.,<br />
2009)<br />
15 der 24 untersuchten <strong>Ökosystemleistungen</strong> befinden sich in einem<br />
Zustand fortgeschrittener oder anhaltender Zerstörung<br />
The Economics of Ecosystems<br />
and Biodiversity (TEEB)<br />
• Träger:<br />
– UNEP, unterstützt u.a. von EU-Kommission, BMU, DEFRA<br />
• Ziel:<br />
– Einschätzung des ökonomischen Werts der globalen<br />
<strong>Ökosystemleistungen</strong><br />
– Erfassung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Schädigung von<br />
Ökosystemen<br />
– Ermittlung der Kosten des Nicht-Handelns<br />
• Beispielhafte Ergebnisse:<br />
– Ca. 100.000 Schutzgebiete weltweit generieren<br />
<strong>Ökosystemleistungen</strong> im Wert von 3,2 bis 3,8 Mrd. EUR pro Jahr<br />
– Kosten des Artensterbens: Seit 2000: 364 Mrd. EUR, bis 2050: 7%<br />
des Welt-BIP<br />
– Wirtschaftliche Gesamtwert der Bestäubung durch Insekten<br />
weltweit auf 155 Mrd. EUR geschätzt<br />
8
Instrumente zur Förderung von<br />
<strong>Ökosystemleistungen</strong><br />
Markbasierte Instrumente<br />
Honorierungssysteme für <strong>Ökosystemleistungen</strong><br />
Steuern/<br />
Abgaben<br />
Handelbare<br />
Zertifikate<br />
Förderprogramme<br />
Verminderung<br />
von Marktreibungen<br />
Ordnungsrecht (Ge- und Verbote)<br />
Direkte staatliche Bereitstellung<br />
Private Verträge<br />
Informationskampagnen und Bildungsmaßnahmen<br />
Kooperative Maßnahmen und Selbstverpflichtungen<br />
( Jack et al. 2008)<br />
Aber: Ansatz ist politisch<br />
umstritten, kein Allheilmittel<br />
9
Fragen der politischen und<br />
praktischen Umsetzung<br />
• Welche <strong>Ökosystemleistungen</strong> sind überhaupt von<br />
gesellschaftlicher Bedeutung?<br />
• Wer erbringt diese Leistungen, wer nutzt sie und wer<br />
soll für sie bezahlen?<br />
• Welche Trends zeigen sich in der Bereitstellung dieser<br />
Leistungen, welche müssen überhaupt „gesichert“<br />
werden?<br />
• Über welche politischen Instrumente und praktischen<br />
Maßnahmen können diese Leistungen gesichert oder<br />
gefördert werden?<br />
• …<br />
Chancen des ÖSL-Ansatzes für<br />
Naturschutz / Landschaftspflege (I)<br />
• Integrative Betrachtung von natürlichen und sozialen<br />
Systemen (Ökosysteme und Gesellschaft)<br />
• Schärfung des <strong>gesellschaftlichen</strong> und politischen<br />
Bewusstseins für den Wert von Ökosystemen /<br />
Landschaften<br />
• Erfassung der Wechselwirkungen zwischen<br />
den einzelnen <strong>Ökosystemleistungen</strong><br />
• Bereitstellung von Entscheidungsgrundlagen<br />
(Landnutzungskonflikte, Landschaftsplanung…)<br />
10
Chancen des ÖSL-Ansatzes für<br />
Naturschutz / Landschaftspflege (II)<br />
• Hinweise auf bessere Prioritätensetzung im Naturschutz<br />
• Durchbruch bei der Integration in die Sektorpolitiken (v.a.<br />
GAP)?<br />
• Erschließung privater Mittel für Naturschutz und<br />
Landschaftspflege<br />
• Quantifizierte und ökonomisch bewertete ÖSL als<br />
Kommunikationstool<br />
Herausforderungen für Naturschutz<br />
und Landschaftspflege (I)<br />
• Ungenügendes Wissen über<br />
• Zusammenhänge zwischen Ökosystemen, deren Funktionen und<br />
den bereitgestellten ÖSL<br />
• Auswirkungen zeitlicher<br />
und räumlicher<br />
Veränderungen von<br />
Ökosystem(-funktion)en<br />
auf ÖSL<br />
• Methodische und<br />
Abgrenzungsprobleme<br />
bei der räumlichen<br />
Erfassung und Visualisierung von ÖSL<br />
(Potschin & Haines-<br />
Young, 2011)<br />
11
Herausforderungen für Naturschutz<br />
und Landschaftspflege (II)<br />
• Hoher zeitlicher personeller und Aufwand für<br />
systematische Erfassung und Quantifizierung von ÖSL<br />
(Datenverfügbarkeit und -qualität)<br />
• Welche <strong>Ökosystemleistungen</strong> sind überhaupt von<br />
gesellschaftlicher Bedeutung bzw. erwünscht?<br />
(Potschin & Haines-<br />
Young, 2011)<br />
Herausforderungen für Naturschutz<br />
und Landschaftspflege (III)<br />
(Braat & ten Brink, 2008)<br />
• Spezifische Form der<br />
Landnutzung bestimmt<br />
‚Komposition‘ von<br />
<strong>Ökosystemleistungen</strong><br />
(trade-offs)<br />
• z.B. Entscheidung<br />
zwischen ‚land sharing‘<br />
(Kulturlandschaften) vs.<br />
‚land sparing‘<br />
(Schutzgebiete)<br />
12
Herausforderungen für Naturschutz<br />
und Landschaftspflege (IV)<br />
• Bewertung und Vermarktung von<br />
<strong>Ökosystemleistungen</strong><br />
– Zeitgeist-Bindung und unvollständiger<br />
Wissensstand können zu falscher<br />
Prioritätensetzung führen<br />
– Möglicher Rückzug des öffentlichen<br />
Sektors (Ordnungsrecht /Haushaltspolitik)<br />
– Verdrängung des Eigenwerts der Natur<br />
– Verstärkte Inwertsetzung von Regulationsund<br />
teilweise kulturellen Leistungen <br />
Biodiversität eher benachteiligt<br />
– Ethische Bedenken bei ‚Inwertsetzung von<br />
Natur‘ (‚Neoliberalisierung‘)<br />
Leitlinien zur Umsetzung des ÖSL-<br />
<strong>Konzept</strong>s für Kulturlandschaften<br />
1. Bei den spezifischen Eigenschaften von <strong>Ökosystemleistungen</strong><br />
ansetzen<br />
2. Den Kontext berücksichtigen, in dem <strong>Ökosystemleistungen</strong><br />
erbracht werden<br />
3. Bündel von <strong>Ökosystemleistungen</strong> schnüren und<br />
Synergien schaffen<br />
4. Anreize für <strong>Ökosystemleistungen</strong> auf der richtigen<br />
räumlichen Ebene setzen<br />
5. Kulturelle <strong>Ökosystemleistungen</strong> besonders beachten<br />
6. Neue Finanzierungsinstrumente zum Schutz von<br />
Kulturlandschaften entwickeln<br />
13
Danke für Ihre<br />
Aufmerksamkeit!<br />
14