Auflösung und Fällung
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Auflösung und Fällung
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Kapitel 9<br />
<strong>Auflösung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fällung</strong><br />
Inhalt<br />
9.1 Einleitung 9-3<br />
9.2 Heterogene Gleichgewichte 9-3<br />
9.3 Lösungsmittel <strong>und</strong> Salz 9-4<br />
9.4 Der Lösungsprozess 9-6<br />
9.5 Löslichkeitsgleichgewicht der Salze 9-8<br />
9.6 Randbedingungen bei Lösungsprozessen 9-14<br />
9.7 pH-Abhängigkeit der Löslichkeit 9-18<br />
9.8 Hydroxide 9-18<br />
9.9 Graphische Darstellung 9-20
9 <strong>Auflösung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fällung</strong><br />
Verzeichnis der Beispiele<br />
Beispiel 9.1 Gesättigte Lösung von Eisen(II)-Phosphat 9-9<br />
Beispiel 9.2 Magnesiumcarbonat im Oberflächen-Meerwasser 9-10<br />
Beispiel 9.3 Silberhalogenide 9-12<br />
Beispiel 9.4 Löslichkeit von Kochsalz 9-13<br />
Beispiel 9.5 Lösen eines «unlöslichen» Salzes: Kupfer(II)-sulfid 9-14<br />
Beispiel 9.6 Fällen eines unlöslichen Salzes 9-14<br />
Beispiel 9.7 Lösen zweier Sulfate 9-15<br />
Beispiel 9.8 Löslichkeit von Bleichlorid in Chlorid-Lösungen 9-16<br />
Beispiel 9.9 Graphische Darstellung der Silberhydroxid-Löslichkeit 9-21<br />
Beispiel 9.10 Graphische Darstellung der Mangan(II)-hydroxid-Löslichkeit 9-22<br />
Verzeichnis der Tabellen<br />
Tabelle 12.1 Standard-Gitterenthalpien von Salzen 9-8<br />
Tabelle 12.2 Standard-Hydratationsenthalpien von Ionen 9-8<br />
Tabelle 12.3 Anionen gut löslicher Salze 9-12<br />
Tabelle 12.4 Anionen schwer löslicher Salze 9-13<br />
Verzeichnis der Figuren<br />
Figur 9.1 Struktur von H 2 O 9-4<br />
Figur 9.2 Struktur flüssigen Wassers 9-5<br />
Figur 9.3 Cäsiumchlorid-Gitter 9-5<br />
Figur 9.4 Das Kochsalzgitter 9-5<br />
Figur 9.5 Käfigbildung im Lösemittel 9-6<br />
Figur 9.6 Hydratation von Ionen 9-6<br />
Figur 9.7 Aquakomplex von Ionen 9-7<br />
Figur 9.8 Löslichkeitsdiagramm der Metallhydroxide 9-21<br />
Figur 9.9 Löslichkeitsdiagramm von Silberhydroxid 9-21<br />
Figur 9.10 Löslichkeitsdiagramm von Silberhydroxid 9-21<br />
Figur 9.11 Stabilitätsdiagramm von Pyrochroit 9-22<br />
Figur 9.12 Konstruktionsdetail 9-23<br />
9-2
9.2 Heterogene Gleichgewichte<br />
9.1 Einleitung<br />
<strong>Auflösung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Fällung</strong>sprozesse spielen im Kreislauf der Elemente – lokal,<br />
regional <strong>und</strong> global – die zentrale Rolle. Pflanzen z. B. können von den Dutzenden<br />
von Elementen, die sie zum Leben brauchen, nur gerade die Elemente<br />
Kohlenstoff (als Kohlendioxid aus der Luft), sowie Wasserstoff <strong>und</strong> Sauerstoff<br />
(aus der photolytischen Spaltung von Wasser) in molekularer Form aufnehmen.<br />
Alle anderen Elemente finden nur in gelöster Form – über das Wurzelwerk<br />
– Eingang, <strong>und</strong> sie müssen ihm über das Transportmedium Wasser<br />
zugetragen werden. Der Stofftransport <strong>und</strong> die Stoffverteilung zwischen den<br />
Zellen <strong>und</strong> in den Zellen geschehen in gelöster Form, molekular oder ionisch.<br />
Auch der weiträumige Elementtransport erfolgt hauptsächlich in einer gelösten<br />
Form mit dem Transportmittel Wasser. Nur Sauerstoff, Wasser <strong>und</strong><br />
Kohlendioxid werden global über Luftwege verteilt. Wasser ist aber nicht<br />
nur das natürliche Lösungs- <strong>und</strong> Transportmittel für nahezu alle Elemente,<br />
es wird vom technischen Menschen auch im grossen Massstab als Transportmittel<br />
für Abfallstoffe aller Art verwendet.<br />
9.1.1 Verwitterung als <strong>Auflösung</strong>sprozess von Gestein<br />
Verwitterung alter <strong>und</strong> Sedimentation neuer Gesteine bestimmen in weitem<br />
Masse die Veränderungen der Erdkruste <strong>und</strong> die Zusammensetzung der Gewässer<br />
über geologische Zeiträume. Chemische Verwitterung ist der dominante<br />
Prozess der geochemischen Zyklen nichtbiologischer Elemente. Wasser<br />
ist Reaktant, Lösemittel <strong>und</strong> Transportmittel dieser Prozesse, sowohl für<br />
partikuläre als auch für gelöste Komponenten, in denen auch die atmosphärischen<br />
Gase Kohlendioxid <strong>und</strong> Sauerstoff interferieren. Die chemische Verwitterung<br />
löst Minerale entsprechend ihrer Zusammensetzung, den lokalen<br />
Gewässerbedingungen, physikalischer Parameter <strong>und</strong> den Gesetzen chemischer<br />
Gleichgewichtsbedingungen. Das Lösemittel Wasser transportiert die<br />
Komponenten in andere Gebiete in eine neue chemische <strong>und</strong> physikalische<br />
Umgebung, wo neue Gleichgewichtsbedingungen gelten <strong>und</strong> andere Mineralien<br />
ausfällen. Diese bilden die Sedimente, die später in tiefere Schichten<br />
verfrachtet werden wo sie bei hohen Drücken <strong>und</strong> Temperaturen zu neuem<br />
metamorphem Gestein transformieren.<br />
9.2 Heterogene Gleichgewichte<br />
<strong>Auflösung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Fällung</strong>sprozesse sind Reaktionen in heterogenen Systemen.<br />
Heterogene Systeme bestehen aus mindestens zwei homogenen Phasen (s.<br />
5.2.2.2 <strong>und</strong> 9.4.1). Die eine Phase ist die Lösung, die weiteren Phasen sind<br />
Feststoffe bestimmter Zusammensetzung <strong>und</strong> Struktur <strong>und</strong> eventuell eine<br />
Gasphase.<br />
9.2.1 Lösung<br />
Die Lösung ist eine homogene Mischung, die das Lösungsmittel <strong>und</strong> gelöste<br />
Stoffe oder Spezies enthält. Lösungen können fest (z. B. Metalllegierungen),<br />
flüssig oder gasförmig (z. B. Luft) sein. Lösungen – auch kleinste Mengen<br />
davon – sind immer elektrisch neutral. Die in diesem Kapitel behandelten<br />
Lösungen sind ausschliesslich wässrige Lösungen, auch wenn die Prinzipien<br />
ihrer quantitativen Beschreibung ebenso für andere Lösungen gelten. Vor<br />
ETHZ – Chemie I 9-3
9 <strong>Auflösung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fällung</strong><br />
allem in der präperativen <strong>und</strong> analytischen organischen Chemie kommen<br />
häufig andere Lösungsmittel vor (Ethanol, Aceton, Chlormethan u. a.).<br />
9.2.2 Lösungsmittel<br />
Das Lösungsmittel oder Lösemittel oder Solvens hat üblicherweise den höchsten<br />
Stoffmengenanteil der Mischung, dies muss aber nicht sein. In wässrigen<br />
Lösungen gilt immer das Wasser als Lösemittel, auch wenn sein Anteil geringer<br />
ist als der einer anderen Komponente (z. B. konz. Schwefelsäure oder<br />
Phosphorsäure oder Alkohol). Wasser ist ohne Zweifel das bedeutendste Lösungsmittel<br />
der Erdkruste <strong>und</strong> der Biosphäre. Es sind die chemisch-physikalischen<br />
Eigenschaften des Moleküls H 2<br />
O, respektive die des flüssigen Stoffs<br />
Wasser, seine umfassende Verfügbarkeit <strong>und</strong> seine kontinuierliche Reinigung<br />
über den Evaporations-/Kondensationszyklus, die dem Wasser seine herausragende<br />
Stellung als Transport- <strong>und</strong> Lösungsmittel verschaffen.<br />
9.2.3 Gelöster Stoff<br />
Gelöste Stoffe sind alle in der Lösung enthaltenen Bestandteile ohne das<br />
Lösungsmittel. Die gelösten Teilchen können neutrale Stoffe sein (Atome<br />
oder Moleküle) oder es sind ionische Spezies. Die Komponenten eines Gases<br />
über einer Lösung sind immer auch gelöste Stoffe der Lösung; ihre Konzentration<br />
darin hängt vom Partialdruck im Gas, der Löslichkeit der Komponente<br />
<strong>und</strong> der Temperatur ab. Von grosser Wichtigkeit ist die Löslichkeit des<br />
molekularen Sauerstoffs in Lösungen: O 2<br />
– als O 2<br />
(g) oder O 2<br />
(aq) – ist das<br />
bedeutendste Oxidationsmittel der Biosphäre, aber auch der wichtigste<br />
Zerstörer technisch-industrieller Materialien wie Eisen, Beton etc. Neben<br />
dem Sauerstoff ist es noch das Kohlendioxid, dessen hohe Löslichkeit einen<br />
dominanten Einfluss auf die Zusammensetzung natürlicher Gewässer hat<br />
<strong>und</strong> das wegen seiner schwach sauren Eigenschaft einer der pH-Regulatoren<br />
ist.<br />
+δ<br />
H<br />
–δ<br />
276 pm<br />
105°<br />
O<br />
96 pm<br />
H<br />
+δ<br />
In diesem Kapitel wird hauptsächlich die <strong>Auflösung</strong> von Festkörpern behandelt<br />
<strong>und</strong> davon vor allem die Salze, welche als Ionenverbindungen einer <strong>Auflösung</strong><br />
in Wasser besonders unterworfen sind. Salze bestehen aus einem bis<br />
mehreren Kationen <strong>und</strong> einem bis mehreren Anionen. Beim <strong>Auflösung</strong>sprozess<br />
gehen Kationen <strong>und</strong> Anionen in die wässrige Lösung über, wo sie aquatisiert<br />
werden <strong>und</strong> beim <strong>Fällung</strong>sprozess geschieht das Umgekehrte, die<br />
aquatisierten Kationen <strong>und</strong> Anionen werden am Festkörper angelagert <strong>und</strong><br />
in dessen Ionengitter eingefügt. Die meisten Salze bestehen aus einem Kationentyp<br />
<strong>und</strong> einem Anionentyp, mit gleichem oder unterschiedlichem Betrag<br />
ihrer Ladung. Salze sind echte Stoffe <strong>und</strong> damit zwingend elektrisch neutral.<br />
H<br />
+δ<br />
9.3 Lösungsmittel <strong>und</strong> Salz<br />
–δ<br />
O<br />
p<br />
9.3.1 Das Lösungsmittel Wasser<br />
H<br />
+δ<br />
Figur 9.1 Struktur von H 2<br />
O<br />
Struktur zweier Wassermoleküle<br />
<strong>und</strong> ihrer Wasserstoffbrückenbindung<br />
(gestrichelte Linie). Das<br />
Molekül ist gewinkelt (105 °). Die<br />
beiden polaren O–H –Bindungen<br />
ergeben dem Molekül ein Dipolmoment<br />
in der angegebenen<br />
Richtung von 1.844 Debye.<br />
Wasser ist ein ungewöhnlicher Stoff. Herausragende Merkmale sind ein sehr<br />
hoher Schmelzpunkt des Eises <strong>und</strong> eine aussergewöhnlich hohe Siedepunkttemperatur<br />
der Flüssigkeit, verb<strong>und</strong>en mit hohen Schmelz- <strong>und</strong> Verdampfungswärmen.<br />
Die Temperatur höchster Dichte hat nicht der Festkörper,<br />
sondern flüssiges Wasser bei 4.0 °C. Eis hat bei 0°C eine Dichte von 916.8 kg<br />
m –3 , also eine um 8.3 % kleinere Dichte als Wasser bei 0 °C. Wasser hat<br />
auch eine ausserordentlich hohe Oberflächenspannung von 72.75 mN·m –1 bei<br />
20 °C <strong>und</strong> mit ε r<br />
= 80 bei 20 °C eine der höchsten Permittivitätszahlen<br />
aller Flüssigkeiten. Wasser ist ein exzellentes Lösemittel für Salze <strong>und</strong> polare<br />
Moleküle. Alle diese Eigenschaften sind eine Folge des dipolaren Charakters<br />
9-4
9.3 Lösungsmittel <strong>und</strong> Salz<br />
des Wassermoleküls. Die beiden O—H –Bindungen sind Kovalentbindungen<br />
stark asymmetrischer Elektronenverteilung ( +δ bei jedem H <strong>und</strong> −δ bei O);<br />
die Differenz der Elektronegativitäten ist je 1.24 <strong>und</strong> der Winkel 105°, was<br />
dem Molekül ein Dipolmoment von p = 1.844 Debye (1 Debye = 3.336·10 –30<br />
C·m) verschafft (s. Figur 9.2).<br />
9.3.1.1 Wasserstoff-Brückenbindung<br />
Eine wichtige Folge von Struktur <strong>und</strong> Ladungsverteilung der Wassermolekel<br />
ist die Ausbildung von Wasserstoffbrücken-Bindungen zwischen den Wassermolekülen<br />
in festem <strong>und</strong> in flüssigem Wasser. Mit ca. 20 – 30 kJmol –1 ist<br />
deren Bindungsenergie zwar deutlich schwächer als die Elektronenpaar-Bindung<br />
O—H (Bindungsenergie = 463.5 kJmol –1 ), aber stark genug, um einen<br />
wesentlichen strukturierenden Effekt im Lösungsmittel zu erzeugen, <strong>und</strong> sie<br />
ist deutlich stärker als die gewöhnlichen van der Waalsschen intermolekularen<br />
Bindungsenergien. Die grosse Bedeutung, die der Wasserstoff-<br />
Brückenbindung zukommt, wurde von Linus Pauling Mitte des letzten<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts beschrieben: «…dürfte sich meines Erachtens immer klarer<br />
herausstellen, dass die physiologische Bedeutung der Wasserstoff-Brückenbindung<br />
grösser ist als die jeder anderen Struktureigenschaft.» 1<br />
9.3.2 Salze<br />
Der Begriff Salz gilt fachsprachlich für Festkörper die Ionenverbindungen<br />
sind <strong>und</strong> umfasst damit eine grosse Stoffklasse vorwiegend anorganischer<br />
Verbindungen. Im Festkörper bilden die Kationen <strong>und</strong> Anionen einen Ionenkristall<br />
mit einer regelmässigen Anordnung dieser Ionen Die kleinste dreidimensionale<br />
Einheit die sich als repetitive Einheit eruieren lässt heisst Elementarzelle<br />
des Kristallgitters. Sie ist elektrisch neutral <strong>und</strong> enthält ein<br />
ganzzahliges Vielfaches der Bruttoformel des Salzes.<br />
Der ganze Kristall lässt sich aufbauen durch Aneinanderreihen von Elementarzellen<br />
in den drei Raumrichtungen. Es gibt viele Anordnungsmöglichkeiten<br />
von Kationen <strong>und</strong> Anionen, sie hängen ab von der Substanzformel, den<br />
Radien von Anion(en) <strong>und</strong> Kation(en) <strong>und</strong> von deren Ladung. Figur 9.3<br />
zeigt die Struktur des Kochsalzes <strong>und</strong> darin eingezeichnet die Elementarzelle,<br />
ein Würfel. Die Anordnung heisst kubisch-flächenzentriert (oder Natriumchlorid-Struktur),<br />
weil sowohl jede Ecke als auch die Zentren jeder Fläche<br />
durch ein Atom besetzt sind (<strong>und</strong> ebenso das Würfelzentrum). In dieser<br />
Struktur sind die Na + -Ionen oktaedrisch von sechs Cl – -Ionen umgeben <strong>und</strong><br />
umgekehrt. Die Anzahl nächster Nachbarn eines Zentralatoms (oder -Ions)<br />
nennt man seine Koordinationszahl (KZ). Das Radienverhältnis im Kochsalz<br />
r Na + r Cl – ist 0.69. Bei Cäsiumchlorid (CsCl) ist das Radienverhältnis grösser:<br />
r Cs + r Cl – = 1.08, seine Kristallstruktur ist ebenfalls kubisch, aber kubischkörperzentriert<br />
(oder Cäsiumchlorid-Struktur, s. Figur 9.3). Hier ist das Gegenion<br />
nicht in der Mitte einer Würfelseite, sondern in der Mitte des Würfels,<br />
wie es in Figur 9.4 gezeigt ist. Jedes Cs + -Ion ist kubisch von acht Cl – -<br />
Ionen <strong>und</strong> jedes Cl – -Ion kubisch von acht Cs + -Ionen umgeben, die KZ ist für<br />
beide Ionen 8. Neben diesen zwei typischen Strukturen für Salze vom Typ<br />
A 1<br />
B 1<br />
gibt es viele weitere Anordnungsmöglichkeiten, aber allen kristallinen<br />
Festkörpern (oft mit (c) statt (s) bezeichnet) ist die Regelmässigkeit des<br />
Aufbaus gemeinsam.<br />
Figur 9.2 Struktur flüssigen Wassers<br />
Flüssiges Wasser, wie es strukturiert<br />
sein könnte. Kalottenmodell-Darstellung<br />
der Wassermoleküle.<br />
Na +<br />
Cl – Cl –<br />
Cl – Cl –<br />
Na +<br />
Figur 9.4 Das Kochsalzgitter<br />
Kristallstruktur von NaCl(s). Kubischflächenzentriertes<br />
Gitter mit Chlorid-<br />
Ionen (hell) in den acht Ecken <strong>und</strong> den<br />
sechs Flächenzentren <strong>und</strong> Na-Ionen<br />
(dunkel) in den Mitten der Würfelseiten.<br />
Verdeckte Kugeln sind nicht<br />
gezeichnet. Der eingezeichnete Würfel<br />
ist die Elementarzelle.<br />
Cl – Cl –<br />
Cl – Cl –<br />
Cs +<br />
Cl – Cl –<br />
Figur 9.3 Cäsiumchlorid-Gitter<br />
Kristallstruktur von CsCl(s), das ein<br />
kubisch-körperzentriertes Gitter hat<br />
mit den einen Ionen in den acht Ecken<br />
<strong>und</strong> dem Gegenion im Zentrum des<br />
Würfels. Der eingezeichnete Würfel ist<br />
die Elementarzelle.<br />
1<br />
Linus<br />
Pauling: «Die Natur der chemischen Bindung», Verlag Chemie, 1973.<br />
ETHZ – Chemie I 9-5
9 <strong>Auflösung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fällung</strong><br />
Frisch aus einer Lösung gefällte Salze haben meist noch keine hochgeordnete<br />
Struktur, sie sind amorph (am). Erst durch Altern (ev. in geologischen Zeiträumen)<br />
erreichen sie einen kristallinen Zustand, der energetisch tiefer ist als<br />
der amorphe ( ∆ am → c<br />
G < 0 ).<br />
9.4 Der Lösungsprozess<br />
Als Lösungsprozess wird hier nur der Einbau eines Teilchens (Molekül oder<br />
Ion) ins Solvens beschrieben, so, als ob das Molekül oder Ion als isoliertes<br />
Teilchen schon bestünde, <strong>und</strong> der Vorgang wird nur formal beschrieben,<br />
ohne Rücksicht auf seinen mechanistischen Ablauf.<br />
9.4.1 Käfigbildung im Solvens<br />
Figur 9.5 Käfigbildung im<br />
Lösemittel<br />
Damit sich Kation <strong>und</strong> Anion in<br />
Wasser lösen können, müssen im<br />
Lösemittel formal zwei Löcher<br />
entstehen, in welche die aquatisierten<br />
Ionen passen.<br />
Beim Lösungsprozess in einem Lösemittel werden Moleküle oder Ionen ins<br />
Lösungsmittel eingebaut. Damit diese darin Platz finden, muss ein «Loch»<br />
(ein Käfig, eine Höhle, engl.: cavity) in die lockere Struktur des Solvens gemacht<br />
werden (s. Figur 9.5). Dies braucht einen Aufwand an Gibbs-Energie,<br />
weil intermolekulare Bindungskräfte (van der Waals-, Dipol – induzierte<br />
Dipol-, Dipol – Dipol- oder H-Brücken-Kräfte) aufgebrochen werden müssen.<br />
Je grösser das einzubringende Teilchen ist <strong>und</strong> je stärker die intermolekularen<br />
Bindungsenergien sind, desto mehr Energie wird benötigt <strong>und</strong> desto ungünstiger<br />
wird der Lösungsvorgang (bei ansonst gleichen Verhältnissen)<br />
energetisch sein. Es ist vor allem Enthalpie, die investiert werden muss, denn<br />
die Käfigbildung ändert wenig am Ordnungsgrad des Lösungsmittels.<br />
9.4.2 Solvatation<br />
Wird ein Molekül oder ein Ion in den Solvenskäfig gebracht, so wir es von<br />
Lösungsmittelmolekülen umgeben werden <strong>und</strong> es werden neue intermolekulare<br />
Bindungen zwischen diesen <strong>und</strong> dem Eindringling entstehen, <strong>und</strong> dies<br />
selbstverständlich so, dass ein energetisches Minimum erreicht wird. Diesen<br />
Vorgang nennt man allgemein Solvatation. Die Art <strong>und</strong> die Stärke dieser<br />
Bindungen hängen gleichermassen ab von den molekularen Eigenschaften der<br />
Lösungsmittelmoleküle wie von denen des eingebrachten Teilchens. Wird<br />
beispielsweise ein Sauerstoffmolekül aus der Luft (ein ideales Gas, wo es<br />
keine intermolekularen Wechselwirkungen zwischen den Molekülen gibt) in<br />
Speiseöl gelöst, so werden zwischen den grossen unpolaren Fettmolekülen<br />
<strong>und</strong> den relativ kleinen <strong>und</strong> ebenso unpolaren Sauerstoffmolekülen nur<br />
schwache unspezifische van der Waals-Kräfte aufgebaut. Da aber zur Käfigbildung<br />
auch nur schwache intermolekulare Kräfte überw<strong>und</strong>en werden<br />
müssen, lässt sich Sauerstoff in Öl lösen, was zu seiner Oxidation (ranzig<br />
werden) führt.<br />
9.4.3 Hydratation<br />
Figur 9.6 Hydratation von Ionen<br />
Aquatisiertes Kation <strong>und</strong> aquatisiertes<br />
Anion mit ihrer näheren Umgebungen<br />
im Wasser.<br />
9-6<br />
+ —<br />
Die Hydratation ist die Solvatation im Lösungsmittel Wasser (s. Figur 9.6).<br />
Die oben beschriebenen Eigenschaften des Moleküls H 2<br />
O <strong>und</strong> die daraus<br />
folgenden Eigenschaften des Stoffs machen Wasser zu einem guten oder sehr<br />
guten Lösemittel von polaren <strong>und</strong> ionischen Spezies, aber zu einem schlechten<br />
für unpolare <strong>und</strong> zu einem sehr schlechten für grosse unpolare Moleküle.<br />
Die starken intermolekularen Wechselwirkungen zwischen den stark polaren<br />
Wassermolekülen mit zusätzlich im Mittel ca. drei H-Brücken verlangen in
9.4 Der Lösungsprozess<br />
jedem Fall einen beträchtlichen Enthalpieaufwand, um das «Loch» zu schaffen,<br />
das die Spezies aufnehmen kann. Dieser Energieaufwand ist nur abhängig<br />
von der Grösse der Höhle, die benötigt wird.<br />
9.4.3.1 Aquakomplex von Ionen<br />
Wird ein Ion in die Lücke von Wassermolekülen gebracht, so beherrscht sein<br />
Ladungseinfluss die Gestaltung seiner nächsten Umgebung. Die Wassermoleküle<br />
richten sich entsprechend ihres Dipolmoments nach der Ladung des<br />
Zentralions aus <strong>und</strong> umschliessen dieses in geometrisch geordneter Weise.<br />
Wie im Salz ergibt sich auch in Lösung eine Anzahl nächster Nachbarn <strong>und</strong><br />
auch für das Ion in Lösung spricht man von einer Koordinationszahl. Häufige<br />
KZ von Ionen im Wasser sind 4 oder 6. Auch wenn nicht in jedem Fall eine<br />
echte so genannte Komplexverbindung vorliegt, spricht man allgemein von<br />
Aquakomplexen der Ionen (s. Figur 9.7) in wässriger Lösung <strong>und</strong> bezeichnet<br />
diese mit dem Zusatz (aq). So gilt z. B. für ein Metall-Kation mit der<br />
Ladung n+ <strong>und</strong> der Koordinationszahl p:<br />
+ —<br />
Figur 9.7 Aquakomplex von Ionen<br />
Hydratisieres Kation (links) <strong>und</strong> Anion<br />
(rechts) mit der KZ 6 (oktaedrisch).<br />
Je ein Wassermolekül unten<br />
<strong>und</strong> oben ist nicht eingezeichnet.<br />
⎡M( H 2<br />
O) ⎣⎢<br />
p<br />
n+<br />
⎤ := M<br />
⎦⎥<br />
n+ ( aq). (9-1)<br />
Mit der unspezifischen Bezeichnung (aq) für alle in Wasser gelösten Spezies<br />
(Moleküle oder Ionen) enthebt man sich auch einer genaueren Angabe, wie<br />
viele Wasserschichten wie stark beeinflusst sind. Wichtig ist, dass die Umgebung<br />
zur gelösten Spezies zugehört <strong>und</strong> sowohl seine Beweglichkeit als auch<br />
seine Fähigkeit, semipermeable Membranen durchdringen zu können (Osmose),<br />
beeinflusst. Aus energetischer Sicht ist die Hydratisierung der Ionen<br />
bedeutsam: Die Bildung mehrerer ionisch–polarer Bindungen fördert die Löslichkeit<br />
von Salzen ungemein. Es ist der einzige Teilschritt im ganzen<br />
Lösungsprozess, der einen negativen Enthalpiewert beiträgt.<br />
9.4.4 Ionen in Lösung<br />
9.4.4.1 Kationen<br />
Ammonium (NH 4 + ) ist – abgesehen von Komplexkationen – das einzige übliche<br />
Molekül-Kation, alle anderen Kationen sind Atomionen (Abkömmlinge<br />
von Atomen). Mit wenigen Ausnahmen, wie Gold <strong>und</strong> einiger Elemente der<br />
Edelmetall-Gruppe, kommen die ca. 70 metallischen Elemente in der Natur<br />
nur in kationischer Form vor. Entweder in Salzen oder in wässriger Lösung<br />
(so auch in der Biosphäre, ihre Menge dort ist aber vernachlässigbar). Metall-Kationen<br />
müssen reduziert werden, um den elementaren Stoff – das Metall<br />
– zu gewinnen. Die Ladungen (nicht zu verwechseln mit Oxidationszahlen)<br />
der Aqua-Metall-Kationen sind häufig 1+ oder 2+, gelegentlich 3+<br />
(Fe 3+ (aq), Al 3+ (aq)) <strong>und</strong> sehr selten auch 4+ (Ce 4+ ).<br />
9.4.4.2 Anionen<br />
Die Varietät an Atom-Anionen ist gering: Die Halogenide sind alle 1–,<br />
Schwefel 2– (O 2– (aq) ist in wässriger Lösung instabil, s. Kapitel 8). Molekül-<br />
Anionen (Abkömmlinge von Molekülen, häufig von Säuren) sind viele<br />
bekannt, wichtige sind: Hydroxid OH – (aq), Nitrat NO 3 – (aq), Perchlorat<br />
ClO 4 – (aq), Perbromat BrO 4 – (aq), Periodat IO 4 – (aq), Carbonat CO 3 2– (aq),<br />
Sulfat SO 4 2– (aq), Sulfit SO 3 2– (aq), Chromat CrO 4 2– (aq), Dichromat Cr 2<br />
O 7<br />
2–<br />
<strong>und</strong> Phosphat PO 4 3– (aq); vierfach oder höher geladene frei vorkommende<br />
Anionen sind nicht bekannt.<br />
9-7
9 <strong>Auflösung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fällung</strong><br />
Tabelle 9.1 Standard-Gitterenthalpien<br />
von Salzen<br />
∆ L<br />
H°/kJmol –1 für den Prozess:<br />
MX( s) = M n+ ( g) + X n − ( g).<br />
F Cl Br I<br />
Li 1037 852 815 761<br />
Na 926 787 752 705<br />
K 821 717 689 649<br />
Rb 789 695 668 632<br />
Cs 750 676 654 620<br />
Ag 969 912 900 886<br />
Mg 2524<br />
Ca 2255<br />
MgO 3850 CaO 3461<br />
MgS 3406 CaS 3119<br />
9.4.5 Energetische Betrachtungen beim Lösen von Salzen<br />
Wird reinem Wasser reines festes Salz zugegeben, so werden die Ionen des<br />
Salzkristalls aus seiner Oberfläche herausgelöst <strong>und</strong> in die Wasserphase eingebaut.<br />
Das Herauslösen eines Kations <strong>und</strong> eines Anions aus der Ionengitterstruktur<br />
kostet Energie, meistens sehr viel Energie <strong>und</strong> der überwiegende<br />
Teil davon ist Enthalpie. Die Hydratation beider Ionen setzt dann wieder<br />
Energie frei. Die Summe der beiden Gibbs-Energien entscheidet über die<br />
Löslichkeit des Salzes. Der Entropieterm pro Mol Salz <strong>und</strong> für eine 1-molare<br />
Lösung gerechnet ist i. Allg. positiv (fördert die <strong>Auflösung</strong>) aber gering: Die<br />
Entropie der Ionen in flüssigem Wasser ist ähnlich wie in der flüssigen Salzschmelze,<br />
wo sie grösser ist als im Festkörper. Für eine sehr geringe Wasserlöslichkeit<br />
hingegen ist der Entropiegewinn relativ sehr gross, da es immer<br />
ein Entropiegewinn ist, eine Spezies auf zwei Phasen zu verteilen, dies aus<br />
statistischen Gründen (s. Kap. 4.4). Das alleine genügt, um zu erklären, weshalb<br />
jeder Stoff in Wasser (oder einem anderen Lösemittel) eine Löslichkeit<br />
grösser als null hat, auch wenn er als «unlöslich» bezeichnet wird.<br />
Eine quantitative Beurteilung der Löslichkeit verschiedener Salze liefern die<br />
Gitterenthalpie des Salzes einerseits (s. Tabelle 9.1) <strong>und</strong> die Hydratationsenthalpie<br />
der Ionen andererseits. Die Gitterenthalpie ∆ L<br />
H (L für lattice,<br />
engl. = Gitter) ist die aufzuwendende Enthalpie, um ein Mol der Ionenverbindung<br />
in die gasförmigen Ionen zu trennen, <strong>und</strong> die Hydratationsenthalpie<br />
∆ hyd<br />
H ist die Enthalpieänderung, wenn 1 Mol eines Ions aus der Gasphase<br />
in reinem Wasser gelöst wird (bei unendlicher Verdünnung).<br />
Tabelle 9.2 Standard-Hydratationsenthalpien von Ionen<br />
∆ hyd<br />
H o kJmol –1 für den Prozess: B ± ( g) = B ± ( aq), basierend auf:<br />
H +<br />
( g) = H + ( aq)mit: ∆ r<br />
H o = –1090 kJmol –1 .<br />
Kationen<br />
H + Li + Na + K + Rb + Cs + Ag + +<br />
NH 4<br />
–1090 –520 –405 –321 –300 –277 –464 –301<br />
Mg 2+ Ca 2+ Ba 2+ Fe 2+ Cu 2+ Zn 2+ Al 3+ Fe 3+<br />
–1920 –1650 –1360 –1950 –2100 –2050 –4690 –4430<br />
Anionen<br />
e – OH – F – Cl – Br – I – –<br />
ClO 4<br />
–160 –460 –506 –364 –337 –296 –238<br />
9.5 Löslichkeitsgleichgewicht der Salze<br />
Löslichkeitsgleichgewichte zwischen irgendeinem Festkörper <strong>und</strong> irgendeinem<br />
Solvens gehorchen den allgemein formulierten Gesetzen für Gleichgewichte,<br />
wie sie in Kapitel 7 «Chemisches Gleichgewicht» formuliert sind. Voraussetzung<br />
dazu ist das Vorhandensein mindestens einer festen Phase; ohne solche<br />
kann sich mit ihr Gleichgewicht nicht einstellen! Das Vorhandensein<br />
einer Gasphase ist faktisch kaum auszuschliessen, wird aber beim Beschreiben<br />
von Festkörpergleichgewichten nur dann einbezogen, wenn dies von besonderem<br />
Interesse ist. Beim Auflösen von Salzen werden Kationen <strong>und</strong><br />
Anionen im gleichen stöchiometrischen Verhältnis gelöst, wie sie in der<br />
Ionenverbindung vorliegen, <strong>und</strong> die meisten üblichen Salze enthalten nur je<br />
einen Typ Kation bzw. Anion. Die exakte Beschreibung von Gleichgewichten<br />
9-8
9.5 Löslichkeitsgleichgewicht der Salze<br />
in <strong>Auflösung</strong>s- <strong>Fällung</strong>sprozessen mit der thermodynamischen<br />
Gleichgewichtskonstante ist immer korrekt, im praktischen Vorgehen genügt<br />
in den meisten Fällen die einfachere Beschreibung mit der<br />
Löslichkeitskonstanten. Die Anwendung der thermodynamischen <strong>und</strong> der<br />
Löslichkeitskonstante für Salze vom Typ A m<br />
B n<br />
(s) sind in Box 9.1<br />
zusammengestellt.<br />
9.5.1 Gesättigte Lösung<br />
Eine Lösung die bezüglich eines bestimmten Salzes (aber auch allgemein bezüglich<br />
einer anderen Phase) im Gleichgewicht ist, heisst gesättigt bezüglich<br />
dieser Phase. Alle Komponenten der zweiten Phase haben in der Lösung die<br />
Gleichgewichtsaktivität (oder Gleichgewichtskonzentration) bei der Temperatur<br />
T, der Reaktionsquotient <strong>und</strong> die Gleichgewichtskonstante haben denselben<br />
Wert (s. Kap. 6.9.2, Gl. (6-56)). Für ein Salz A m<br />
B n<br />
(s) gilt dann:<br />
Q( T )=<br />
eff<br />
( a A n+ ,aq) m· eff<br />
a B m− ,aq<br />
a Am B n ,s<br />
( ) n<br />
=<br />
eq<br />
( a A n+ ,aq) m· eq<br />
a B m− ,aq<br />
a Am B n ,s<br />
( ) n<br />
= K ( T ). (9-2)<br />
Es ist genau die Situation, die bei Lösungsgleichgewichten beschrieben wird.<br />
Beispiel 9.1<br />
Gesättigte Lösung von Eisen(II)-Phosphat<br />
Schwerlösliches Eisen(II)-Phosphat Fe 3<br />
(PO 4<br />
) 2<br />
(s) wird in reinem Wasser gelöst.<br />
Die Löslichkeitskonstante ist: logK s0<br />
= –32.<br />
Man bestimme:<br />
Die Gleichgewichtskonzentrationen von Kation <strong>und</strong> Anion in Lösung.<br />
Lösung<br />
Die <strong>Auflösung</strong>sreaktion von Eisen(II)-Phosphat ist:<br />
−Fe 3 ( PO 4 ) 2<br />
( s)+ 3Fe 2+ 3-<br />
( aq)+ 2PO 4 ( aq)= 0 .<br />
Für die Löslichkeitskonstante erhalten wir laut Gleichung (9-8):<br />
( 2+ ) ·( 3– )<br />
= i 3 i<br />
2<br />
s0 Fe ,aq PO ,aq<br />
K c c .<br />
4<br />
Die zweite Gleichung für die zwei Unbekannten liefert die Stöchiometrie:<br />
c<br />
c<br />
i<br />
2+ Fe ,aq<br />
i<br />
3– PO 4 ,aq<br />
3 i 3<br />
= ⇒ c = c<br />
2 2<br />
Eingesetzt erhalten wir:<br />
i<br />
2+ 3–<br />
Fe ,aq PO 4 ,aq<br />
i<br />
i<br />
( ) ( )<br />
3<br />
⎛ ⎞ 2 5<br />
3 •<br />
⎜<br />
3– 27<br />
⎟ · 3– = 3– =<br />
PO 4 ,aq PO 4 ,aq PO 4 ,aq<br />
c c c K<br />
⎜⎝<br />
2 ⎟⎠<br />
8<br />
<strong>und</strong> daraus: [PO 4 3– ] = 3.1·10-7 M, [Fe 2+ ] = 4.7·10 –7 M.<br />
.<br />
s0<br />
9-9
9 <strong>Auflösung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fällung</strong><br />
9.5.2 Untersättigte Lösung<br />
Für untersättigte Lösungen ist der Reaktionsquotient Q kleiner als die<br />
Gleichgewichtkonstante K <strong>und</strong> dasselbe gilt für die Löslichkeitsgrössen:<br />
Q < K resp: Q s0<br />
< K s0<br />
. (9-3)<br />
Lösungen können aus zwei Gründen bezüglich einer bestimmten Festphase<br />
untersättigt sein:<br />
• Das System enthält die Festphase nicht <strong>und</strong> die Ionenkonzentrationen in<br />
der Lösung genügen nicht, das Löslichkeitsgleichgewicht dieser Festphase<br />
zu erreichen. Diese Systeme ändern ihre Zusammensetzung nicht spontan.<br />
• Das System enthält die Festphase, aber es ist noch kein Gleichgewicht<br />
erreicht. Sowohl unter Laborbedingungen wie in natürlichen Systemen<br />
kommt dies häufig vor, da <strong>Fällung</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Auflösung</strong>svorgänge häufig sehr<br />
langsam sind. Solche Systeme bewegen sich spontan Richtung Gleichgewicht:<br />
Der Festkörper wird aufgelöst.<br />
Beispiel 9.2<br />
Magnesiumcarbonat im Oberflächen-Meerwasser<br />
Ist das Oberflächen-Meerwasser bei 25 °C bezüglich einer <strong>Fällung</strong> von Magnesit<br />
(MgCO 3<br />
(c)) gesättigt oder nicht? Meerwasser hat einen pH von 8.1 <strong>und</strong><br />
die 2. Säurekonstante von Kohlensäure in Meerwasser bei 25 °C ist:<br />
c<br />
pK a,2<br />
= 9.1 . Die Konzentration von Mg-Ionen beträgt 53.3 mM <strong>und</strong> von<br />
Hydrogencarbonat 2.38 mM.<br />
Lösung<br />
Die Löslichkeitskonstante finden wir nicht, aber wir können die Gleichgewichtskonstante<br />
der Reaktion aus thermodynamischen Tabellen berechnen:<br />
−MgCO 3 ( s)+ Mg 2+ ( aq)+ CO 2− 3 ( aq)= 0<br />
∆ f<br />
G kJ mol -1 : −1012.1 −454.8 −527.8 ∆ r<br />
G = 29.5kJ mol -1<br />
Damit wird die Löslichkeit von Magnesit mit a H2O<br />
= 1:<br />
K s0, MgCO3<br />
= a Mg 2+ ,aq·a CO 3 2– , aq = 6.79·10−6 .<br />
Die CO 2– 3<br />
-Konzentration müssen wir aus der 2. Säurekonstante von Kohlensäure<br />
berechnen (der pK a,2<br />
c<br />
= 9.1 in Meerwasser gilt für Konzentrationen<br />
nicht für Aktivitäten der Spezies):<br />
⎡ 2−<br />
CO<br />
⎣⎢ 3, aq<br />
⎤ = ⎡ − HCO3,aq<br />
⎤<br />
•·Ka,2 ·10<br />
⎦⎥•<br />
⎣⎢ ⎦⎥<br />
pH = 2.38·10 −3 ·10 −9.1 ·10 −8.1 = 2.38·10 −4 .<br />
Mit Aktivitätskoeffizienten γ Mg 2+ = γ CO3 2– = 1 gerechnet erhalten wir für<br />
den Reaktionsquotienten:<br />
Q s0<br />
= γ Mg 2+ · ⎡ 2+<br />
Mg ⎤ •<br />
⎣⎢ aq ⎦ ⎥ · ⎡ CO 2– ⎤ = ⎡ 2+<br />
·γCO3 2–<br />
⎣⎢ ⎦⎥• 3,aq Mgaq<br />
⎤<br />
⎣⎢ ⎦ ⎥<br />
• · 2– CO3,aq<br />
⎡<br />
⎣⎢<br />
⎤<br />
⎦⎥<br />
•<br />
= 1.27·10 −5 .<br />
Die Überschlagsrechnung mit Aktivitätskoeffizienten = 1 zeigt eine knapp 2-<br />
fache Übersättigung des Meerwassers bezüglich der Bildung von festem<br />
MgCO 3<br />
an. Um sicher zu sein, müssen wir mit den Aktivitätskoeffizienten in<br />
der Ionenlösung von Meerwasser rechnen . Diese betragen tatsächlich nur<br />
0.23.<br />
γ Mg 2+ = γ CO3 2− = 0.23 . Diese Werte im Reaktionsquotienten eingesetzt<br />
ergeben den genaueren Wert von:<br />
•<br />
Q s0<br />
= 0.23· ⎡ 2+<br />
Mg ⎤<br />
⎣⎢ aq ·0.23· ⎡ 2– CO3,aq<br />
⎤ = 6.7·10<br />
⎦⎥•<br />
⎣⎢ ⎦⎥<br />
−7 ; Q s0<br />
< K s0<br />
.<br />
Meerwasser ist bezüglich des Festkörpers Magnesit untersättigt (ca. 10fach).<br />
9-10
Box 9.1<br />
Löslichkeitskonstante <strong>und</strong> thermodynamische Konstante<br />
Box 9.1 Löslichkeitskonstante <strong>und</strong> thermodynamische Konstante<br />
Gleichgewichtskonstante<br />
Für ein Salz der allgemeinen Zusammensetzung A m<br />
B n ( s) gilt die Reaktionsgleichung:<br />
A m<br />
B n ( s)= m A n+ ( aq)+ n B m− aq<br />
( ) (9-4)<br />
mit dem Gleichgewichtsausdruck für die (thermodynamische) Gleichgewichtskonstante K(T):<br />
K ( T )= a A n+ , aq<br />
( ) m ·( a B m− ,aq ) n<br />
a Am B n , s<br />
. (9-5)<br />
Für die dergestalt formulierte Gleichgewichtskonstante gelten alle in den Kap. 6.9. <strong>und</strong> 7.3 gemachten<br />
Angaben, insbesondere:<br />
• Sie gilt für genau eine stöchiometrisch ausformulierte Reaktionsgleichung.<br />
• Sie gilt für die angegebene Temperatur: K = K(T).<br />
• Sie ist unabhängig von Zusammensetzung <strong>und</strong> Druck, weil die Abhängigkeiten des Gleichgewichts über<br />
die einzelnen Aktivitätskoeffizienten in den Aktivitäten jeder Spezies enthalten sind.<br />
Löslichkeitskonstante<br />
Löslichkeitsgleichgewichte von Festkörpern haben im Nenner des Gleichgewichtsausdrucks nur die Aktivität<br />
des Festkörpers. Wird die Gleichgewichtskonstante mit dieser multipliziert, so erhalten wir die Löslichkeitskonstante<br />
K s0<br />
(«K es null», s von solubility = engl. Löslichkeit <strong>und</strong> 0 für die Ionen im reinen<br />
Aquakomplex). Die Löslichkeitskonstante enthält nur noch die Aktivitäten der Aqua-Ionen der Lösung,<br />
was einen wesentlich vereinfachten Ausdruck ergibt:<br />
K s0<br />
( p,T,x J ):= K ( T )·a Am B n , s = a A n+ , aq<br />
( ) m· ( a B m− ,aq ) n . (9-6)<br />
∗<br />
Weil für reine Festkörper bei p° definitionsgemäss: a Am B n ,s<br />
:= 1 gilt, wird dann: K s0 ( T )= K ( T ) .<br />
(Nur für p ≫ p oder nicht reine Festkörper wird K s0<br />
eine Funktion von p, T, x AmBn<br />
). K s0<br />
lässt sich<br />
auch in normierten Konzentrationsgrössen ausdrücken:<br />
K s0<br />
( T )= γ A n+<br />
( ) m • · c A n+ ,aq<br />
( ) m· γ B m−<br />
( ) n· •<br />
c B m− ,aq<br />
( ) n . (9-7)<br />
Obiger Ausdruck ist exakt bei p = p° <strong>und</strong> reinem Feststoff. Sind die Aktivitätskoeffizienten der gelösten<br />
Spezies bekannt <strong>und</strong> der Druck ca. 1 bar, so lässt sich K s0<br />
(T) berechnen über die thermodynamische<br />
Gleichgewichtskonstante K(T). Diese wird aber zu einer sehr einfachen Grösse für den häufigen Fall, dass<br />
man alle Aktivitätskoeffizienten gleich eins setzen kann. Dann wird die Löslichkeitskonstante zum<br />
Produkt der normierten Konzentrationen der gelösten Ionen hoch ihre stöchiometrischen Koeffizienten.<br />
Nur in ideal verdünnter Lösung mit γ A n + = γ B m– = 1 gilt:<br />
( ) m· •<br />
( c B m− ,aq ) n . (9-8)<br />
•<br />
K s0<br />
= c A n+ , aq<br />
Was hier als K s0<br />
definiert ist, heisst – aber auf der Konzentrationsbasis (!) – in deutschsprachigen<br />
Lehrbüchern oft Lp (Löslichkeitsprodukt) <strong>und</strong> in englischsprachigen oft K sp<br />
(solubility product).<br />
Für den Reaktionsquotienten eines Gleichgewichts verwenden wir analog zu K s0<br />
das Symbol Q s0<br />
.<br />
9-11
9 <strong>Auflösung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fällung</strong><br />
9.5.3 Übersättigte Lösung<br />
Für übersättigte Lösungen ist der Reaktionsquotient Q grösser als die<br />
Gleichgewichtkonstante K:<br />
Beispiel 9.3<br />
Q > K resp: Q s0<br />
> K s0<br />
. (9-9)<br />
Silberhalogenide<br />
Zu 1 Liter einer Lösung die je 1 Mikromolare Konzentrationen von NaCl,<br />
NaBr <strong>und</strong> NaI enthält wird 1 Milliliter einer 1 Millimolaren Silbernitratlösung<br />
zugegeben. Nach gutem Mischen wird keine Trübung der Lösung festgestellt.<br />
Man bestimme, bezüglich welcher Silberhalogenide die Lösung gesättigt,<br />
übersättigt bzw. untersättigt sind. Die Löslichkeitskonstanten sind:<br />
logK s0 ( AgCl)= −9.75; logK s0 ( AgBr)= −12.3; log K s0 ( AgI)= −16.1.<br />
Lösung<br />
Das (scheinbar) homogene System enthält: 3·10 –6 M Na + (aq), 10 –6 M Cl –<br />
(aq), 10 –6 M Br – (aq), 10 -6 M I – (aq), 10 –6 M NO – 3<br />
(aq) <strong>und</strong> 10 –6 M Ag + (aq).<br />
Alle Aktivitätskoeffizienten sind 1.00 <strong>und</strong> es gelten folgende<br />
Reaktionsquotienten:<br />
Q s0 ( AgCl, s)= ⎡Ag + ( aq<br />
⎣⎢ )<br />
⎤<br />
•· Cl<br />
⎦⎥<br />
– •<br />
⎡<br />
( aq<br />
⎣⎢ )<br />
⎤ = 10<br />
⎦⎥<br />
−12 ; Q s0<br />
K s0<br />
< 1 ;<br />
Q s0 ( AgBr, s)= ⎡Ag + ( aq<br />
⎣⎢ )<br />
⎤<br />
•· Br<br />
⎦⎥<br />
– •<br />
⎡<br />
( aq<br />
⎣⎢ )<br />
⎤ = 10<br />
⎦⎥<br />
−12 ; Q s0<br />
K s0<br />
≈ 1 ;<br />
Q s0 ( AgI, s)= ⎡ Ag + ( aq<br />
⎣⎢ )<br />
⎤<br />
•· I<br />
⎦⎥<br />
– •<br />
⎡<br />
( aq<br />
⎣⎢ )<br />
⎤ = 10<br />
⎦⎥<br />
−12 ; Q s0<br />
K s0<br />
> 1 .<br />
Bezüglich Silberchlorid ist die Lösung untersättigt <strong>und</strong> es ist keine <strong>Fällung</strong><br />
von AgCl zu erwarten, bezüglich Silberbromid ist die Lösung fast exakt gesättigt<br />
<strong>und</strong> bezüglich Silberiodid ist sie übersättigt, aber es können nur maximal<br />
10 –6 Mol festes Silberiodid ausfallen <strong>und</strong> das ist sehr wenig (0.23 mg).<br />
9.5.4 Leicht lösliche Salze<br />
Als leicht löslich könnte man die Salze benennen, von denen Konzentrationen<br />
von ca. 0.1-molar oder mehr löslich sind. Im Folgenden sind einige Regeln<br />
genannt, die u. U. nützlich sind – vor allem im Bereich der Laborarbeit<br />
– die aber hier nicht weiter begründet werden. Mit H + (aq) bilden diese Anionen<br />
extrem starke oder starke Säuren, es sind also sehr schwache Basen. Die<br />
meisten Salze (aber nicht alle) mit 1fach geladenen Ionen sind gut löslich.<br />
Tabelle 9.3 Anionen gut löslicher Salze<br />
Vertreter von Anionen, die gut wasserlösliche Metallsalze bilden. Es sind<br />
sehr schwache Basen.<br />
NO 3<br />
–<br />
Cl –<br />
Br –<br />
I –<br />
SO 4<br />
2–<br />
ClO 4<br />
–<br />
C 2<br />
H 3<br />
O 2<br />
–<br />
Alle Nitrate sind gut löslich: benötigt man von irgendeinem der ca. 70<br />
Metalle eine hohe wässrige Konzentration, kann man das entsprechende<br />
Nitratsalz nehmen.<br />
Die allermeisten Chloride sind gut löslich, Ausnahmen sind Silberchlorid<br />
(AgCl), Quecksilber(I)chlorid (Hg 2<br />
Cl 2<br />
) <strong>und</strong> Blei(II)-chlorid (PbCl 2<br />
);<br />
nahezu gleich verhalten sich die Bromide <strong>und</strong> die Iodide, von denen<br />
zusätzlich Hg 2+ schwerlösliche Salze bildet.<br />
Die meisten Sulfate sind gut löslich, Ausnahmen sind Metallionen der<br />
Gruppe II, Pb 2+ 2+<br />
, Hg 2 .<br />
–<br />
Alle Perchlorate (ClO 4 ) bilden gut lösliche Metallsalze, aber einige<br />
Metallperchlorate sind hochexplosive Stoffe.<br />
Unter den organischen Anionen bildet das Acetation (H 3<br />
C–COO – ) mit<br />
allen Metallkationen leicht lösliche Salze.<br />
Leicht lösliche Salze haben relativ grosse Gleichgewichtskonstanten, d. h. die<br />
Ionenkonzentrationen sind relativ gross, womit die Ionenstärke der Lösung<br />
gross wird, was kleine Aktivitätskoeffizienten zur Folge hat, was noch höhere<br />
9-12
9.5 Löslichkeitsgleichgewicht der Salze<br />
Salzkonzentrationen ermöglicht. Bei solchen Gleichgewichten erreicht man<br />
schnell wässrige Lösungen, die nicht mehr als annähernd ideale Lösungen beschrieben<br />
werden können. Konzentrierte Ionenlösungen haben wegen interionischer<br />
Wechselwirkungen ein kompliziertes Verhalten, das zu beschreiben<br />
nicht Inhalt einer Gr<strong>und</strong>lagenvorlesung ist. Als Beispiel sei die Konzentration<br />
einer gesättigten Kochsalzlösung abgeschätzt.<br />
Beispiel 9.4<br />
Löslichkeit von Kochsalz<br />
–NaCl( s)+ Na + ( aq) + Cl – ( aq)= 0 . logK s0<br />
= 1.58<br />
Das Produkt der Ionenkonzentrationen wird:<br />
⎡Na + (aq)<br />
⎣⎢<br />
•<br />
⎤ ⋅ ⎡ Cl<br />
− (aq)<br />
⎦⎥ ⎣⎢<br />
• K = s0<br />
γ Na<br />
+<br />
⎤<br />
⎦⎥<br />
⋅ γ Cl<br />
−<br />
.<br />
Da in einer reinen Kochsalzlösung Na + <strong>und</strong> Cl - äquimolar sind, wird:<br />
⎡Na + (aq)<br />
⎣⎢<br />
• •<br />
⎤ = ⎡ Cl<br />
− (aq)<br />
⎤ K = s0<br />
⎦⎥ ⎣⎢ ⎦⎥<br />
γ Na<br />
+ ⋅ γ Cl<br />
−<br />
.<br />
Umgeformt in logarithmische Grössen:<br />
log ⎡Na + (aq)<br />
⎣⎢<br />
•<br />
⎤ = log ⎡ Cl<br />
− (aq)<br />
⎦⎥ ⎣⎢<br />
•<br />
=<br />
1<br />
2<br />
⎤<br />
⎦⎥<br />
( logK s0<br />
− log γ − log γ Na + , aq Cl – , aq<br />
).<br />
Bei Annahme von γ Na + = γ Cl<br />
– = 1 würden die Ionenkonzentrationen ca. 6 M<br />
<strong>und</strong> nach der 1. Approximation der Aktivitätskoeffizienten über die Ionenstärke<br />
(I ≈ 6) sogar ca. 100 molar: ca. 6 kg Kochsalz pro 1 Liter Gesamtvolumen<br />
– ein unsinniges Resultat. Natürlich gibt es eine ganz bestimmte Sättigungskonzentration<br />
von Kochsalz (360 g NaCl/1000g Lösung), aber unsere<br />
Werkzeuge, diese zu berechnen, sind für hochkonzentrierte Lösungen ungeeignet,<br />
brauchbar sind diese nur für verdünnte <strong>und</strong> ideal verdünnte<br />
Lösungen.<br />
9.5.5 Schwer lösliche <strong>und</strong> «unlösliche» Salze<br />
Es gibt auch für diese Kategorie keine gültigen Grenzen, wo die Schwerlöslichkeit<br />
anfängt resp. aufhört. Für die untere Grenze liesse sich vielleicht sagen,<br />
dass die gelösten Ionen noch eindeutig messbar sein müssten, die obere<br />
könnte z. B. bei ca. 10 –2 M liegen. Unter den Anionen, die in Wasser schwerlösliche<br />
Salze bilden, befinden sich zwei, die in natürlichen Gewässern eine<br />
(oder die) zentrale Kontrolle der Löslichkeit fast aller Salze ausüben: das<br />
Hydroxidion (OH – ) <strong>und</strong> das in kalkigen Gebieten omnipräsente Carbonation<br />
(CO 3 2- ). Die Konzentrationen aller unten angegebenen Anionen sind pH–<br />
abhängig (im Bereich 0 ≤ pH ≤≈14).<br />
Tabelle 9.4 Anionen schwer löslicher Salze<br />
Anionen, die schwer lösliche Metallsalze bilden sind starke Basen.<br />
OH –<br />
CO 3<br />
2–<br />
PO 4<br />
3–<br />
S 2–<br />
Alle Hydroxide sind schwerlöslich, ausser denen mit Metallen der Gruppe<br />
I, sowie Ca(OH) 2<br />
(Grenzfall), Sr(OH) 2<br />
, Ba(OH) 2<br />
, die löslich sind.<br />
Alle Metallcarbonate sind schwerlöslich, ausser denen mit Metallen der<br />
Gruppe I, die leicht löslich sind.<br />
Alle Metallphosphate sind schwerlöslich, ausser denen mit Metallen der<br />
Gruppe I, die leicht löslich sind.<br />
Alle Sulfide sind nahezu unlöslich, ausser denen mit den Metallen der<br />
Gruppen I <strong>und</strong> II. S 2– kommt in anaeroben Gewässern vor.<br />
Auch diese Anionen bilden mit Protonen Verbindungen bis zur Elektroneutralität,<br />
die Ampholyte oder Säuren: Wasser, Kohlensäure, Phosphorsäure<br />
<strong>und</strong> Schwefelwasserstoff.<br />
9-13
9 <strong>Auflösung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fällung</strong><br />
Beispiel 9.5<br />
Lösen eines «unlöslichen» Salzes: Kupfer(II)-sulfid<br />
a) Zu welchen Konzentrationen an Kupfer-Ionen <strong>und</strong> Sulfid-Ionen führt das<br />
Gleichgewicht von Kupfersulfid in reinem Wasser?<br />
b) Wie viele Kupfer- resp. Sulfid-Ionen hat es in 1 Liter dieser Lösung?<br />
a) CuS(s) = Cu 2+ (aq) + S 2– (aq) K s0 ( CuS) = 8 ⋅ 10 –37 ;<br />
log ⎡Cu 2+ (aq)<br />
⎣⎢<br />
• •<br />
⎤ = log ⎡ S<br />
2– (aq)<br />
⎤ 1 =<br />
⎦⎥ ⎣⎢ ⎦⎥<br />
2 ⋅ logK ( s0 CuS 1 )= 2 ⋅ log(8 ⋅ 10−37 ) = − 18 .<br />
b) N Cu 2+ =[Cu 2+ (aq)] ⋅ N A<br />
⋅V = 10 −18 mol·dm -3 ⋅ 6.0 ⋅ 10 23 mol -1·1dm 3 ≈ 6 ⋅ 10 5 .<br />
Scheinbar eine grosse Zahl Kupfer-Ionen in diesem Wasser, aber auf<br />
atomarer Ebene ist das eben ca. null, denn im gleichen Volumen hat es noch<br />
etwa 33'000'000'000'000'000'000'000'000 Wassermoleküle, <strong>und</strong> es ist technisch<br />
unmöglich, ein Wasser so rein herzustellen (nur 5·10 5 Cu 2+ -Ionen pro Liter,<br />
x Cu2+<br />
≈ 1.6·10 –20 ).<br />
9.6 Randbedingungen bei Lösungsprozessen<br />
9.6.1 Lösen mehrerer Salze in reinem Wasser<br />
9.6.1.1 Lösen ungleicher Salze<br />
Die einzelnen Lösungsgleichgewichte sind unabhängig voneinander, da keines<br />
der Kationen <strong>und</strong> keines der Anionen das andere Salz in seiner Löslichkeit<br />
direkt 2 beeinflusst. Häufig ergeben aber die neuen Kombinationen von<br />
Anionen <strong>und</strong> Kationen weniger lösliche Salze, welche dann ausfallen. Solche<br />
Reaktionen mit einem Austausch der Partner heissen Metathese-Reaktionen;<br />
sie sind vom allgemeinen Typ:<br />
A n+<br />
A m<br />
B n ( s) = A n+ ( aq)+ B m – aq<br />
+ C o<br />
D p ( s) = C p+ ( aq)+ D o− aq<br />
( )<br />
( )<br />
( aq)+ B m – ( aq)+ C p+ ( aq)+ D o− ( aq)= A o<br />
D n ( s)+ C m<br />
B p<br />
s<br />
(9-10)<br />
( ) (9-11).<br />
Die Lösungen können zwei separate sein die zusammengegossen werden, oder<br />
es kann eine Lösung hergestellt werden. Ob Festkörper vom Typ A o D n (s)<br />
<strong>und</strong> C m B p (s) entstehen, entscheiden ihre Löslichkeitskonstanten.<br />
Beispiel 9.6<br />
Fällen eines unlöslichen Salzes<br />
Zu 400 cm 3 einer 0.00125 M Kaliumchromatlösung werden 100 ml einer<br />
0.002 M Bariumnitratlösung zugegeben. Die Löslichkeitskonstanten sind:<br />
K s0<br />
(KNO 3<br />
) = 0.34; K s0<br />
(BaCrO 4<br />
) = 8.5·10 –11 .<br />
a) Welche Festkörper bilden sich?<br />
b) Was sind die Konzentrationen im Gleichgewicht?<br />
Lösung<br />
a) Vor der Festkörperbildung sind folgende Ionenkonzentrationen vorhanden<br />
⎡ +<br />
K<br />
⎣⎢ aq<br />
•<br />
⎤ 2·0.00125·0.4<br />
=<br />
⎦⎥<br />
0.5<br />
= 2·10 −3 ; ⎡ 2–<br />
CrO<br />
⎣⎢ 4, aq<br />
•<br />
⎤ 0.00125·0.4<br />
= = 1·10<br />
⎦⎥<br />
−3 ;<br />
0.5<br />
2<br />
Eine<br />
indirekte Beeinflussung über die Aktivitätskoeffizienten findet statt, wird hier<br />
aber nicht berücksichtigt.<br />
9-14
9.6 Randbedingungen bei Lösungsprozessen<br />
⎡<br />
⎣⎢<br />
2+<br />
Ba aq<br />
⎡ +<br />
K<br />
⎣⎢ aq<br />
⎤<br />
•<br />
⎤ 0.002·0.1<br />
=<br />
⎦⎥<br />
0.5<br />
⎡<br />
– NO3,aq<br />
⎦⎥•·<br />
⎣⎢<br />
= 4·10 −4 ; ⎡ –<br />
NO<br />
⎣⎢ 3,aq<br />
⎤ ≪ Ks0,<br />
⎦⎥•<br />
KNO3 , s ; ⎡ Ba 2+ ⎤ ⎡ 2–<br />
⎣⎢ aq CrO4,<br />
⎦⎥•·<br />
⎣⎢ aq<br />
Es bildet sich nur festes Bariumchromat, BaCrO 4<br />
(s).<br />
•<br />
⎤ 2·0.002·0.1<br />
= = 8·10<br />
⎦⎥<br />
−4 ;<br />
0.5<br />
•<br />
⎤ ≫ Ks0,BaCrO4<br />
⎦⎥<br />
,s .<br />
b) Die Löslichkeitskonstante ist sehr klein <strong>und</strong> die [CrO 4 2– ] ist im 2.5fachen<br />
Überschuss: Wenn «alles» Ba 2+ ausfällt, hat es noch 6·10 –4 M CrO 4 2– <strong>und</strong><br />
die [Ba 2+ ] ist dann: ⎡Ba 2+ (aq)<br />
⎣⎢<br />
⎤<br />
⎦⎥<br />
•<br />
=<br />
K s0<br />
6·10 –4 = 1.4·10−7 .<br />
9.6.1.2 Lösen zweier Salze mit gleichem Anion oder gleichem Kation<br />
Sind in 2 (oder mehreren) Salzen gleiche Ionen vorhanden, so beeinflussen<br />
die gleichen Ionen die Löslichkeit beider Salze. Wir beschränken uns hier auf<br />
einfach zusammengesetzte Salze, entweder mit gleichem Kation A, AB(s)<br />
<strong>und</strong> AD(s), oder mit gleichem Anion B, AB(s) <strong>und</strong> CB(s). Für zwei Salze<br />
mit gleichem Anion B gilt in verdünnter Lösung:<br />
AB( s) = A + ( aq)+ B – ( aq); K s0, AB<br />
(9-12)<br />
CB( s) = C + ( aq)+ B – ( aq); K s0,CB<br />
. (9-13)<br />
Wir haben 3 unbekannte Konzentrationen in Lösung: A + (aq), C + (aq) <strong>und</strong> B –<br />
(aq), wir brauchen 3 unabhängige Gleichungen: Die 2 Gleichgewichtsbedingungen<br />
der Salze <strong>und</strong> die Ladungsbilanz: Die Summe aller Ladungen ist null:<br />
•<br />
c A + , aq<br />
•<br />
⋅c B − , aq<br />
•<br />
= K s0,AB<br />
<strong>und</strong> c C + , aq<br />
•<br />
⋅c B − , aq<br />
= K s0,CB<br />
(9-14)<br />
•<br />
c A + , aq<br />
•<br />
+ c C + , aq<br />
•<br />
= c B − , aq<br />
. (9-15)<br />
•<br />
•<br />
Wir drücken c A<br />
<strong>und</strong> c + , aq C + , aq<br />
sie in Gleichung (9-15) ein:<br />
mit den Gleichungen (9-14) aus <strong>und</strong> setzen<br />
K s0, AB<br />
•<br />
c B − , aq<br />
+ K s0,CB<br />
•<br />
c B − , aq<br />
•<br />
= c B − , aq<br />
. (0-16)<br />
Gleichung (9-16) ist eine einfache quadratische Gleichung, deren Resultat die<br />
Konzentration des in beiden Salzen gleichen Anions ergibt:<br />
•<br />
Mit dem Resultat von c B − , aq<br />
Gleichungen in (9-17) berechnen.<br />
Beispiel 9.7<br />
•<br />
c B<br />
= K − , aq s0,AB + K s0,CB<br />
. (9-17)<br />
Lösen zweier Sulfate<br />
•<br />
lassen sich c A + , aq<br />
•<br />
<strong>und</strong> c C + , aq<br />
über die<br />
Die beiden schwerlöslichen Sulfate: Blei(II)-sulfat <strong>und</strong> Bariumsulfat werden<br />
gemeinsam in Wasser aufgeschlämmt. Man berechne die Konzentration jedes<br />
Ions in Lösung, wenn Gleichgewicht zwischen der Lösung <strong>und</strong> beiden Salzen<br />
besteht <strong>und</strong> alle Aktivitätskoeffizienten gleich eins sind.<br />
Daten: K s0 ( PbSO 4 )= 1.3·10 −8 ; K s0 ( BaSO 4 )= 1.5·10 −9 .<br />
Lösung<br />
Die Reaktionsgleichungen sind<br />
PbSO 4 ( s) = Pb 2+ ( aq)+ SO 2– 4<br />
aq<br />
( ) K s0 ( PbSO 4 )<br />
9-15
9 <strong>Auflösung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fällung</strong><br />
BaSO 4 ( s) = Ba 2+ ( aq)+ SO 2– 4<br />
aq<br />
( ) K s0<br />
BaSO 4<br />
( ).<br />
Die Gleichgewichtsbedingungen für die zwei Kationen-Konzentrationen ergeben<br />
sich aus den Löslichkeits-Gleichgewichten, <strong>und</strong> diese in der Ladungsbilanz<br />
eingesetzt, ergibt für diese:<br />
K s0, PbSO4<br />
•<br />
c 2– SO4 ,aq<br />
+ K s0,BaSO 4<br />
•<br />
c 2– SO4 ,aq<br />
•<br />
= c 2– SO4 , aq<br />
. Aus dieser quadratische Gleichung wird:<br />
⎡ 2–<br />
SO 4 (aq)<br />
⎣⎢<br />
•<br />
⎤ = 1.3⋅10<br />
⎦⎥<br />
−8 + 1.5 ⋅ 10 −9 = 1.20 ⋅ 10 –4 ; ⎡ 2–<br />
SO 4 (aq)<br />
⎣⎢<br />
⎤<br />
⎦⎥ = 1.20 ⋅ 10 –4 M<br />
Die Bleiionen-Konzentration wird: [Pb 2+ (aq)] = 1.08·10 –4 M, die Bariumionen-Konzentration<br />
wird: [Ba 2+ (aq)] = 1.25·10 –5 M.<br />
9.6.2 Lösen von Salzen in einer Ionenlösung<br />
Unter einer Ionenlösung versteht man ein Wasser, das nicht rein ist, sondern<br />
gelöste Ionen enthält, aber keinen Festkörper mit dem sie im Gleichgewicht<br />
stehen. Physiologische Kochsalzlösung, Zellsaft, Blut, Meerwasser, Seewasser<br />
sind alles Ionenlösungen von allerdings sehr unterschiedlichen Ionenkonzentrationen<br />
<strong>und</strong> -zusammensetzungen. Die in einer Ionenlösung vorhandenen<br />
Ionen können die Löslichkeit bestimmter Salze massiv beeinflussen.<br />
9.6.2.1 Die Ionenlösung enthält Ionen des zu lösenden Salzes<br />
Enthält die Ionenlösung (die wässrige Lösung) vorgängig des Lösens eines<br />
Salzes A m<br />
B n<br />
(s) schon eines oder beide dessen Ionen, so wird die Salzlöslichkeit<br />
dadurch vermindert. Der Gr<strong>und</strong> dieser herabgesetzten Löslichkeit ist<br />
einleuchtend: Für die Löslichkeit des Salzes gilt strikte seine Löslichkeitskonstante,<br />
unabhängig davon, ob eines oder mehrere seiner Ionen schon im<br />
Wasser waren, oder ob diese erst durch seine <strong>Auflösung</strong> hineinkommen.<br />
Beispiel 9.8<br />
Löslichkeit von Bleichlorid in Chlorid-Lösungen<br />
Man vergleiche die Löslichkeit des zweiwertigen Blei-Ions, Pb 2+ (aq) in den 3<br />
Medien: a) reines Wasser, b) Physiologische Kochsalzlösung, c) Meerwasser.<br />
Daten: Physiologische Kochsalzlösung: w NaCl<br />
= 0.90%.<br />
Meerwasser: Im Mittel beträgt die Chloridkonzentration [Cl – (aq)] =<br />
0.545 M.<br />
In allen Fällen sollen die Aktivitätskoeffizienten = 1 gesetzt werden.<br />
Löslichkeitskonstante von Blei(II)chlorid, PbCl 2<br />
(s): K s0<br />
= 1.6·10 -5 .<br />
• Reaktionsgleichung:<br />
PbCl 2 ( s) = Pb 2+ ( aq)+ 2Cl – ( aq); K s0 ( PbCl 2 ).<br />
• Gleichgewichtsbedingung:<br />
•<br />
c Pb 2+<br />
= K s0, PbCl 2<br />
• 2<br />
c Cl –<br />
.<br />
a) In reinem Wasser ist die anfängliche Chloridkonzentration null; alles<br />
später im Gleichgewicht vorhandene Chlorid stammt aus der <strong>Auflösung</strong><br />
des Salzes PbCl 2 (s), <strong>und</strong> wegen der Zusammensetzung des Bleichlorids<br />
(seiner Stöchiometrie) gilt jederzeit während der <strong>Auflösung</strong>:<br />
[Cl – (aq)] = 2 [Pb 2+ (aq)]. Diesen Ausdruck oben einsetzen liefert uns die<br />
Sättigungskonzentration von zweiwertigem Blei in reinem Wasser:<br />
9-16
9.6 Randbedingungen bei Lösungsprozessen<br />
⎡Pb 2+ (aq)<br />
⎣⎢<br />
⎡Pb 2+ (aq)<br />
⎣⎢<br />
( )<br />
•<br />
⎤<br />
K<br />
=<br />
s0<br />
PbCl 2<br />
⎦⎥<br />
. 2<br />
⎛<br />
2 ⎡ Pb 2+ •<br />
(aq) ⎤ ⎞<br />
⎝⎜<br />
⎣⎢ ⎦⎥ ⎠⎟<br />
( )<br />
•<br />
⎤<br />
K<br />
=<br />
s0<br />
PbCl<br />
3 2<br />
= 1.59·10<br />
⎦⎥<br />
−2 .<br />
4<br />
b) Die Chloridkonzentration beträgt 0.154 M, <strong>und</strong> das Produkt<br />
[Pb 2+ (aq)]·[Cl – (aq)] 2 muss die Gleichgewichtskonstante der <strong>Auflösung</strong><br />
erfüllen. Damit erhalten wir für:<br />
⎡Pb 2+ (aq)<br />
⎣⎢<br />
( )<br />
= 6.75·10 −4 .<br />
( 0.154) 2<br />
•<br />
⎤<br />
K<br />
=<br />
s0<br />
PbCl 2<br />
⎦⎥<br />
In einer physiologischen Kochsalzlösung ist die maximale Konzentration<br />
an löslichem zweiwertigem Blei ca. 20 mal geringer als in reinem Wasser.<br />
c) Die Chloridkonzentration beträgt 0.545 M, <strong>und</strong> das Produkt [Pb 2+ (aq)] ·<br />
[Cl – (aq)] 2 muss die Gleichgewichtskonstante der <strong>Auflösung</strong> erfüllen, damit<br />
erhalten wir für:<br />
⎡Pb 2+ (aq)<br />
⎣⎢<br />
( )<br />
= 5.39·10 −5 .<br />
( 0.545) 2<br />
•<br />
⎤<br />
K<br />
=<br />
s0<br />
PbCl 2<br />
⎦⎥<br />
Im Meer ist die maximale Konzentration an löslichem zweiwertigem Blei<br />
ca. 300-mal geringer als in reinem Wasser. Bei Einsetzen der gültigen<br />
Aktivitätskoeffizienten wird die lösliche Bleikonzentration im Meerwasser<br />
gegenüber dem oben berechneten Wert einiges grösser.<br />
Beachte: Die Zunahme der [Cl – ] durch Auflösen der geringen Menge PbCl 2<br />
wird vernachlässigt.<br />
9.6.2.2 Die Ionenlösung enthält keine Ionen des zu lösenden Salzes<br />
Sind die vorgängig im Wasser gelösten Ionen von denen des Salzes A m<br />
B n<br />
(s)<br />
verschieden, so haben jene keinen direkten Einfluss auf die Löslichkeit des<br />
Salzes. Ein indirekter Einfluss besteht nur über die höhere Ionenstärke auf<br />
die Aktivitätskoeffizienten γ A<br />
<strong>und</strong> γ B<br />
.<br />
9.6.2.3 Experimentelles Arbeiten in Lösungen konstanter Ionenstärke<br />
Im Labor wird bei experimentellen Messungen häufig eine ionenhaltige Lösung<br />
der Probelösung zugeführt, um dabei eine Messgrösse als Funktion<br />
einer Stoffzugabe zu bestimmen; so z. B. bei der Säure-Base-Titration einer<br />
Probelösung. Das Störende dabei ist nicht die Ionenstärke selbst, sondern<br />
ihre kontinuierliche Änderung im Verlauf der Messungen. Diese Probleme<br />
lassen sich leicht lösen, indem man in einem Medium konstanter Ionenstärke<br />
arbeitet. Ist diese «Hintergr<strong>und</strong>»-Ionenstärke mindestens 10-mal grösser als<br />
die durch die Zugabe bewirkte, so ist die Ionenstärke I über die ganze Messreihe<br />
genügend konstant. Sind im Zusammenhang mit den Messungen<br />
Gleichgewichtskonstanten betroffen, so ändern sich zwar deren Absolutwerte,<br />
aber sie bleiben während der ganzen Messung konstant. Statt der Gleichgewichtskonstante<br />
K (eine beliebige Gleichgewichtskonstante, also auch K s0<br />
)<br />
erhalten wir dann eine Konstante K c (bzw. K c s0<br />
), die nur für die angesetzte<br />
Ionenstärke I gilt <strong>und</strong> sich aus K berechnen lässt, <strong>und</strong> die für alle Lösungen<br />
gleicher Ionenstärke gültig bleibt.<br />
N<br />
( ) −ν J<br />
K c = K· ∏ . (9-18)<br />
J=A<br />
γ J<br />
9-17
9 <strong>Auflösung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fällung</strong><br />
9.7 pH-Abhängigkeit der Löslichkeit<br />
Ohne Verstehen was der pH ist, wie Säure- <strong>und</strong> Basekonzentrationen von<br />
ihm abhängen <strong>und</strong> wie diese Abhängigkeiten dargestellt werden (graphische<br />
Darstellung im doppeltlogarithmischen Diagramm), sind die Löslichkeitsgleichgewichte<br />
von Feststoffen nicht zu ergründen.<br />
9.7.1 Der pH als Mastervariable<br />
Die Löslichkeit von Ionenverbindungen ist für einen grossen Teil der Salze<br />
pH abhängig. Für alle natürlichen Gewässer (Meer-, See-, Fluss-, Gr<strong>und</strong>wasser)<br />
ist der pH die bedeutendste Variable in der Begrenzung vieler Metallionenkonzentrationen<br />
in Lösung, wichtiger als die Temperatur. Der pH wird<br />
deshalb gerne als «Mastervariable» bezeichnet. Betrachten wir zuerst kurz<br />
in welchen Fällen <strong>und</strong> wie der pH die Löslichkeit von Salzen bestimmt.<br />
Die leicht wasserlöslichen Salze enthalten als Anionen eine sehr schwache<br />
Base (die Base einer sehr starken Säure). Dies heisst, im ganzen relevanten<br />
pH-Bereich existiert ausschliesslich die zur Säure konjugierte Base, oder,<br />
anders gesagt, es gilt im gesamten pH-Bereich: α 1<br />
= 1 (für Sulfat: α 2<br />
= 1 für<br />
pH ≈ 3): Die Löslichkeit der leicht löslichen Salze ist nicht pH-abhängig.<br />
Die schwerlöslichen <strong>und</strong> die unlöslichen Salze enthalten als Anionen eine<br />
starke (OH – , S 2– ) oder eine schwache (CO 3 2– , PO 4 3– ) Base. Deren Konzentration<br />
ist im ganzen für natürliche Gewässer bedeutsamen pH Gebiet vom<br />
pH abhängig: α 1<br />
, resp. α 2<br />
, resp. α 3<br />
sind eine Funktion des pH. Damit werden<br />
– wie aus dem Löslichkeitsgleichgewicht sofort hervorgeht – auch die<br />
Metallionenkonzentration pH-abhängig, <strong>und</strong> dies in zur Anionenkonzentration<br />
reziproker Weise. Je nach Zusammensetzung des Festkörpers kann<br />
die Abhängigkeit auch in 2. oder 3. Potenz zur H + - Konzentration verlaufen:<br />
Die Löslichkeit der schwer- <strong>und</strong> der unlöslichen Salze ist pH-abhängig. Damit<br />
sind die Löslichkeiten der wichtigsten, die Zusammensetzung der natürlichen<br />
Gewässer (nicht gültig für Meerwasser) regulierenden, Festkörper allesamt<br />
pH abhängig. Die in unsern Regionen dominanten festen Phasen im<br />
Gleichgewicht mit ihrer wässrigen Lösung sind die Hydroxide <strong>und</strong> die<br />
Carbonate. Allen voran ist das Calciumcarbonat/Carbonat-Gleichgewicht<br />
(Kalk-Gleichgewicht) von Bedeutung. Es ist deshalb angebracht, diesen<br />
wichtigen Gleichgewichten ein eigenes Unterkapitel zuzuordnen. Die<br />
exemplarisch dargestellten Reaktionen, Gleichgewichtsrechnungen <strong>und</strong><br />
graphischen Darstellungen sind natürlich von allgemeiner Gültigkeit <strong>und</strong><br />
vom Prinzip her auf jedes Löslichkeitsproblem anwendbar, sei dies im Reagenzglas,<br />
in grosstechnischen Produktionsanlagen, in biologischen Systemen<br />
oder in der abiotischen Umwelt – Gesetze der Chemie bleiben Gesetze,<br />
allüberall!<br />
9.8 Hydroxide<br />
Das Hydroxidion bildet mit den meisten Metallionen schwerlösliche Festkörper.<br />
Leichtlösliche Hydroxide sind die mit Metallkationen (M) der Gruppe I<br />
mit der Ladung 1+ (M + ) <strong>und</strong> einige der Gruppe II mit der Ladung 2+<br />
(M 2+ ): Strontium– <strong>und</strong> Bariumhydroxid; Calciumhydroxid ist ein Grenzfall.<br />
9-18
9.8 Hydroxide<br />
Zusammenfassung<br />
• Jede wässrige Lösung enthält Hydroxidionen; ihre Konzentration nimmt<br />
um den Faktor 10 zu, wenn der pH um 1 steigt.<br />
• Viele Metallionen bilden schwerlösliche feste Hydroxide; ihre Stöchiometrie<br />
kann MOH, M(OH) 2<br />
oder M(OH) 3<br />
sein.<br />
• Die Konzentration vieler Metallionen M n+ (aq) in Gewässern wird limitiert<br />
durch die Löslichkeit ihres Hydroxids M(OH) n<br />
(s).<br />
• Die Löslichkeit eines Metallhydroxids ist eine Funktion seiner Stöchiometrie,<br />
seiner Löslichkeitskonstante <strong>und</strong> des pH-Wertes der Lösung.<br />
• Die Abhängigkeit der Löslichkeit eines Metallhydroxids von seiner<br />
Stöchiometrie (Geradensteigung), seiner Löslichkeitskonstante (Achsenabschnitt<br />
der Geraden) <strong>und</strong> vom pH kann in einem Löslichkeitsdiagramm:<br />
«logc Mn<br />
2+ vs. pH» übersichtlich aufgezeichnet werden.<br />
9.8.1 Metallhydroxide mit Metallkationen der Ladung 1+<br />
Es gibt nur wenige Beispiele solcher Hydroxide, sie werden deshalb hier aufgeführt,<br />
weil die Stöchiometrie ihrer <strong>Auflösung</strong> <strong>und</strong> deren pH-Abhängigkeit<br />
besonders einfach sind <strong>und</strong> sich deshalb gut eignen zur Einführung einiger<br />
neuen Überlegungen <strong>und</strong> Darstellungen. Das Hydroxidion (OH – , oder auch<br />
HO – geschrieben) hat immer die Ladung 1–. Mit Metallionen (M) der Ladung<br />
1+ (M + ) ergibt sich die allgemeine Formulierung:<br />
Für die <strong>Auflösung</strong> des Festkörpers MeOH(s)<br />
Mit der Gleichgewichtsbedingung:<br />
MOH( s) = M + ( aq)+ OH – ( aq). K (9-19)<br />
s0<br />
⎡M + (aq)<br />
⎣⎢<br />
•<br />
⎤ ⋅ OH<br />
⎦⎥<br />
– •<br />
⎡ (aq) ⎤ = Ks0 . (9-20)<br />
⎣⎢ ⎦⎥<br />
In der logarithmischen Formulierungsweise erhalten wir für die <strong>Auflösung</strong><br />
des Hydroxids nach Logarithmieren der Gleichung:<br />
log ⎡M + (aq)<br />
⎣⎢<br />
•<br />
⎤ + log OH<br />
⎦⎥<br />
– •<br />
⎡ (aq) ⎤ = logKs0 . (9-21)<br />
⎣⎢ ⎦⎥<br />
Aufgelöst nach dem Logarithmus der Metallkonzentration <strong>und</strong> dem Ersatz<br />
von [OH – ] durch die gängigere Grösse [H + ] mit:<br />
ergibt sich:<br />
log ⎡OH – ( aq<br />
⎣⎢ )<br />
⎤<br />
• ⎦⎥ = logKw − log H + •<br />
⎡<br />
( aq<br />
⎣⎢ )<br />
⎤<br />
⎦⎥<br />
log ⎡M + (aq) ⎣ ⎢<br />
9.8.2 Hydrolysekonstante<br />
(9-22)<br />
•<br />
⎤ = logKs0 − logK<br />
⎦⎥<br />
w<br />
− pH . (9-23)<br />
K s0<br />
<strong>und</strong> K w<br />
sind beides Konstanten (die von der Temperatur abhängen)<br />
<strong>und</strong> sie können zu einer einzigen Konstante, der Hydrolysekonstante, zusammengefasst<br />
werden. Diese ist im Rahmen des pH als Mastervariable ganz<br />
einfach viel bequemer, als die Löslichkeitskonstante. Hydrolysekonstanten<br />
werden für viele Gleichgewichte in wässriger Lösung (nicht nur, für Löslichkeitsgleichgewichte)<br />
verwendet <strong>und</strong> allgemein mit einem hochgestellten Stern<br />
vor dem entsprechenden K bezeichnet, als ∗ K oder eben ∗ K s0<br />
. Welches<br />
Gleichgewicht steht hinter der Hydrolysekonstante? Wir addieren die<br />
Hydroxid-<strong>Auflösung</strong>sgleichung (9-19) <strong>und</strong> die Umkehrung der Autoprotolysegleichung<br />
von Wasser (Kapitel 8.4):<br />
9-19
9 <strong>Auflösung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fällung</strong><br />
( ) = M + ( aq)+ OH – ( aq) K s0<br />
–1<br />
( ) = H 2<br />
O( l) K w<br />
MOH s<br />
H + ( aq)+ OH – aq<br />
<strong>und</strong> erhalten als Reaktionsgleichung:<br />
MOH( s)+ H + ( aq) = M + –1<br />
( aq)+ H 2<br />
O( l) K s0·K w<br />
mit dem Gleichgewichtsausdruck:<br />
(9-24)<br />
(9-25)<br />
M + •<br />
( aq)<br />
⎤<br />
⎦⎥<br />
= K s0<br />
= * K<br />
H + •<br />
( aq)<br />
⎤ K s0<br />
. (9-26)<br />
w<br />
⎦⎥<br />
⎡<br />
⎣⎢<br />
⎡<br />
⎣⎢<br />
Definition: Die Hydrolysekonstante der <strong>Auflösung</strong>sreaktion eines Metallhydroxids<br />
der Zusammensetzung M(OH) n<br />
(s) ist:<br />
* K s0<br />
:= K s0<br />
K w<br />
In der logarithmischen Form wird daraus:<br />
( ) n . (9-27)<br />
log ∗ K s0<br />
= logK s0<br />
+ n ·pK w<br />
. (9-28)<br />
9.9 Graphische Darstellung<br />
Ganz analog zum Gebrauch der graphischen Methode in der Darstellung von<br />
Säure-Base-Reaktionen verwenden wir sie hier, um die pH-abhängige Löslichkeit<br />
von Salzen darzustellen. Die auffälligsten Vorteile einer Graphik<br />
sind:<br />
• Übersichtliche Präsentation, in welchen pH- <strong>und</strong> Konzentrationsbereichen<br />
Festkörper existenzfähig sind <strong>und</strong> wo nicht.<br />
• Leichte Erkennbarkeit aller Gleichgewichtsorte des Festkörpers mit seiner<br />
gesättigten Lösung im interessierenden pH-Bereich.<br />
• Bei Lösungen mehrerer Salze eine übersichtliche Darstellung, welches in<br />
welchem pH-Bereich der thermodynamisch stabile Festkörper ist.<br />
• Leichte Bestimmbarkeit des Gleichgewichtzustands der Ionenkonzentrationen<br />
<strong>und</strong> des pH-Werts beim Auflösen eines Salzes in Wasser.<br />
Die Ausgangssituation zur graphischen Darstellung von Festkörpergleichgewichten<br />
ist dieselbe wie für Säure-Base-Gleichgewichte:<br />
• Wir starten mit einem ca. 14 x 14 Einheiten (cm) grossen Quadrat. Seine<br />
Abszisse ist die unabhängige Variable pH (von 0 bis pK w<br />
) <strong>und</strong> seine Ordinate<br />
ist die abhängige Spezieskonzentration in logarithmischer Auftragung<br />
(von –pK w<br />
bis 0). Im Quadrat werden auch die Diagonalen als H + -<br />
Konzentration resp. OH – -Konzentration eingetragen.<br />
• Darin eingetragen werden die Geraden, welche das Gleichgewicht zwischen<br />
Festkörper <strong>und</strong> homogener Ionenlösung darstellen. Auf der einen<br />
Seite der Gleichgewichtsgerade ist der Bereich der Übersättigung (Q ><br />
K), auf der anderen Seite ist der Bereich der Untersättigung (Q < K).<br />
Die Geraden haben die Steigungen 0, –1, –2 oder –3.<br />
• Im Nahbereich von Geradenschnittpunkten ( pH Schnittpkt.<br />
± 1pH ) gilt korrekterweise<br />
eine Kurve: Die Summe von 2 Konzentrationen. Bei Bedarf<br />
kann die Kurve gezeichnet werden, in vielen Fällen ist dies unnötig.<br />
9-20
9.9 Graphische Darstellung<br />
9.9.1 Graphische Darstellung der Löslichkeit von Hydroxiden<br />
9.9.1.1 Metallhydroxide mit Metallkationen der Ladung 1+<br />
Wir greifen zurück auf die Gleichgewichtsformulierung der <strong>Auflösung</strong> eines<br />
Metall-(mono)-hydroxids:<br />
MOH( s) = M + ( aq)+ OH – ( aq) K s0<br />
. (9-19)<br />
<strong>und</strong> setzen in der logarithmischen Formel für seine Metallkonzentration<br />
(Gleichung (9-23)) die logarithmische Form der Hydrolysekonstante (Gleichung<br />
(9-28)) ein <strong>und</strong> erhalten für den Logarithmus der Gleichgewichts-<br />
Metallkonzentration:<br />
log ⎡ +<br />
M ⎤<br />
⎣⎢ aq<br />
= log<br />
⎦⎥ ∗ K s0<br />
− pH . (9-29)<br />
Dies ist eine Geradengleichung: «y = m·x + q» (mit y = log[M + aq], x = pH<br />
<strong>und</strong> q = log*K s0<br />
. Diese Gerade stellt die Gleichgewichtskonzentration des<br />
gelösten Metallions M + (aq) als Funktion des pH dar, wie es in Figur 9.8<br />
dargestellt ist. Log*K s0<br />
ist der Achsenabschnitt (bei pH 0) <strong>und</strong> –1 ist die<br />
Steigung. Weitere eingetragene wichtige Orte sind: Die Autoprotolysekonstante<br />
K w<br />
(K w<br />
= 14.00 bei 25 °C) <strong>und</strong> die Löslichkeitskonstante K s0<br />
. Diese ist<br />
als ½log K s0<br />
am Schnittpunkt der [M + , aq] <strong>und</strong> der [OH – ], weil dort gilt:<br />
[M + ]·[OH – ] = K s0<br />
<strong>und</strong> mit [M + ] = [OH – ] = ≈K s0<br />
; <strong>und</strong> in logarithmischer<br />
Form: log [M + ] = log[OH – ] = ½log K s0<br />
.<br />
Man beachte, dass sowohl der pH als auch die Ionenkonzentrationen von der<br />
Ionenstärke abhängen, was in den Bereichen pH < 2 <strong>und</strong> pH > 12 zu Abweichungen<br />
von einer Geraden führt. Wir berücksichtigen diese Abweichungen<br />
nicht. Geraden in diesen Bereichen sind also mit Vorbehalt zu interpretieren.<br />
Beispiel 9.9<br />
Graphische Darstellung der Silberhydroxid-Löslichkeit<br />
Man zeichne graphisch das Löslichkeits-/<strong>Fällung</strong>sdiagramm log[Ag + , aq] • vs.<br />
pH von Silberhydroxid in reinem Wasser bei θ = 25°C :<br />
a) Über die Löslichkeitskonstante: pK s0<br />
= 7.7.<br />
b) Über die Hydrolysekonstante *K s0<br />
.<br />
Lösung<br />
Die Reaktionsgleichung ist: −AgOH( s)+ Ag + aq<br />
+ OH − aq<br />
= 0 pK s0<br />
= 7.7 .<br />
a) Mit der Löslichkeitskonstante K s0<br />
(s. Figur 9.9):<br />
• Das Diagramm zeichnen wir im Bereich: 0 ≤≈ pH ≤≈ 14.00 <strong>und</strong><br />
–14 ≤≈ log[Spezies(aq)] ≈≤ 0, weil der pK w<br />
bei 25 °C 14.00 beträgt.<br />
• Die Gerade [OH – ] vs. pH hat die Steigung +1 <strong>und</strong> geht durch den Punkt<br />
(0/–14).<br />
• Die Gerade [Ag + ] vs. pH hat die entgegengesetzt gleiche Steigung, wie die<br />
[OH – ]-Gerade, weil das Produkt [Ag + ]·[OH – ] eine Konstante ist <strong>und</strong> weil<br />
damit log[Ag + ] + log[OH – ] = konstant = logK s0<br />
ist.<br />
• Die Geraden [Ag + ] <strong>und</strong> [OH – ] schneiden sich am Punkt ≈K s0<br />
resp:<br />
log[Ag + ] = log[OH – ] = ½ log K s0<br />
= –3.85. Siehe Figur 9.9.<br />
b) Mit der Hydrolysekonstante *K s0<br />
(s. Figur 9.10):<br />
• Der Diagramm-Bereich <strong>und</strong> die Gerade log[OH – ] vs. pH wie in a)<br />
• Der Logarithmus der Hydrolysekonstante ist laut Gleichung (9-28):<br />
log*K s0<br />
= –7.7 + 14.00 = 6.3. Sie ist laut Gl. (9-29) der Achsenab–<br />
schnitt der Geraden log[Ag + ], welche dieselbe Steigung hat wie in a).<br />
Damit ist das Diagramm sehr einfach herzustellen, s. Figur 9.10.<br />
0<br />
- 2<br />
- 4<br />
- 6<br />
- 8<br />
-10<br />
-12<br />
log * Ks0<br />
+1<br />
+1<br />
m = -1<br />
Me +<br />
H +<br />
m = +1<br />
OH -<br />
MeOH(s)<br />
pK w<br />
-14<br />
0 2 4 6 pH 8 1 0 1 2 1 4<br />
Figur 9.8<br />
Löslichkeitsdiagramm<br />
der Metallhydroxide<br />
1/ 2·logKs0<br />
Löslichkeits-/<strong>Fällung</strong>sdiagramm eines<br />
Metallhydroxids der Zusammensetzung<br />
MOH(s). Die Gerade M + stellt die mit<br />
dem Festkörper im Gleichgewicht stehende<br />
Metallkonzentration dar (Sättigungskonzentration);<br />
rechts davon ist<br />
Übersättigung (Festkörper), links davon<br />
Untersättigung (kein Festkörper).<br />
0<br />
- 2<br />
- 4<br />
- 6<br />
- 8<br />
-10<br />
-12<br />
Figur 9.9<br />
Löslichkeitsdiagramm<br />
von Silberhydroxid<br />
Konstruktion über die Steigung der<br />
[Ag + ]-Geraden <strong>und</strong> den Schnittpunkt<br />
mit der [OH – ]-Geraden bei ½ log K s0<br />
.<br />
+ 6<br />
+ 4<br />
+ 2<br />
0<br />
- 2<br />
- 4<br />
- 6<br />
- 8<br />
-10<br />
-12<br />
–3.85<br />
6.3 log * Ks0<br />
+1<br />
m = -1<br />
H +<br />
OH -<br />
m = -1<br />
AgOH(s)<br />
m = +1<br />
H + +1 Ag +<br />
OH -<br />
AgOH(s)<br />
Ag +<br />
pK w<br />
-14<br />
0 2 4 6 pH 8 1 0 1 2 1 4<br />
pK w<br />
-14<br />
0 2 4 6 pH 8 1 0 1 2 1 4<br />
1/ 2·logKs0<br />
Figur 9.10 Löslichkeitsdiagramm<br />
von Silberhydroxid<br />
Konstruktion über die Steigung der<br />
[Ag + ]-Geraden <strong>und</strong> ihren Achsenabschnitt<br />
log *K s0<br />
.<br />
+1<br />
9-21
9 <strong>Auflösung</strong> <strong>und</strong> <strong>Fällung</strong><br />
9.9.1.2 Metallhydroxide mit Metallkationen der Ladung 2+<br />
Der Grossteil der wichtigeren Hydroxide wird gebildet mit Metallkationen<br />
der Ladung 2+ M 2+ . Deren <strong>Auflösung</strong>sgleichung (die <strong>Fällung</strong>sgleichung ist in<br />
umgekehrter Richtung) ist:<br />
M( OH) s 2<br />
( )= M 2+ –<br />
aq<br />
+ 2OH aq<br />
K s0<br />
. (9-30)<br />
Mit der Gleichgewichtsbedingung für Spezieskonzentrationen ergibt sich:<br />
⎡M 2+ (aq)<br />
⎣⎢<br />
⎤<br />
⎦⎥<br />
•<br />
⋅<br />
⎛<br />
⎡<br />
⎝⎜<br />
⎣⎢<br />
2<br />
•<br />
OH<br />
– (aq)<br />
⎤<br />
⎦⎥<br />
⎞<br />
⎠⎟<br />
=<br />
K s0<br />
2<br />
γ M<br />
2+ ⋅γ OH –<br />
(9-31)<br />
<strong>und</strong> in logarithmischer Schreibweise, aufgelöst nach der Metallionenkonzentration<br />
<strong>und</strong> für die Aktivitätskoeffizienten = 1, erhalten wir:<br />
log ⎡M 2+ (aq)<br />
⎣⎢<br />
•<br />
⎤ = log Ks0 − 2 ⋅ log OH<br />
⎦⎥<br />
– •<br />
⎡<br />
(aq)<br />
⎤ . (9-32)<br />
⎣⎢ ⎦⎥<br />
Die Hydrolysereaktion des Metallhydroxids mit der Hydrolysekonstante ist:<br />
+<br />
M( OH) s 2<br />
( )+ 2H aq<br />
= M 2+ aq<br />
+ 2H 2<br />
O( l) ∗ K s0<br />
(9-33)<br />
<strong>und</strong> hat für die Metallkonzentration den Gleichgewichtsausdruck:<br />
2<br />
2+<br />
M ⎤<br />
aq<br />
=<br />
⎦⎥• ∗ ⎛ •<br />
+<br />
K ⎡<br />
s0· H ⎤ ⎞<br />
⎝⎜<br />
⎣⎢ aq ⎦⎥ ⎠⎟<br />
⎡<br />
⎣⎢<br />
<strong>und</strong> ∗ K s0<br />
= K s0·K w –2 . (9-34)<br />
Die lösliche Metallkonzentration ändert sich quadratisch zur [H + (aq)]!<br />
In der logarithmischen Schreibform mit der Hydrolysekonstante ergibt sich:<br />
+ 16<br />
+ 14<br />
+ 2<br />
0<br />
– 2<br />
– 4<br />
– 6<br />
– 8<br />
– 1 0<br />
– 1 2<br />
15.2<br />
+1<br />
-4.2<br />
-4.5<br />
m = -2<br />
log * Ks0<br />
c<br />
H +<br />
OH -<br />
pK w<br />
– 1 4<br />
0 2 4 6 pH 8 1 0 1 2 1 4<br />
pH − 9.8<br />
+1<br />
m = -2<br />
Mn 2+ Mn 2+<br />
Mn(OH) 2 (s)<br />
Figur 9.11 Stabilitätsdiagramm<br />
von Pyrochroit<br />
[OH – ]<br />
[Mn 2+]<br />
log ⎡M 2+ (aq)<br />
⎣⎢<br />
•<br />
⎤ = log<br />
⎦⎥<br />
∗ K s0<br />
− 2pH . (9-35)<br />
Der Logarithmus der Metallkonzentration nimmt um 2 Einheiten ab, wenn<br />
der pH um +1 steigt!<br />
Graphische Darstellung im log[Spezies(aq)] vs. pH -Diagramm<br />
Neu ist, dass die Steigung der gesuchten Geraden den Wert –2 (statt –1) hat<br />
<strong>und</strong> dass ihr Schnittpunkt mit der OH – -Geraden nicht mehr bei ½ logK s0<br />
liegt, da die beiden Spezies [M 2+ (aq)] <strong>und</strong> [OH – (aq)] nicht im Verhältnis 1:1,<br />
sondern im Verhältnis 1:2 im Festkörper vorliegen. Stellen wir die Situation<br />
in einem Beispiel dar <strong>und</strong> eruieren dabei auch noch graphisch den pH der<br />
Lösung, wenn festes Metallhydroxid reinem Wasser zugegeben wird.<br />
Beispiel 9.10 Graphische Darstellung der Mangan(II)-hydroxid-Löslichkeit<br />
10 Milligramm pulverisiertes Pyrochroit (Mn(OH) 2<br />
(c)) werden mit reinem<br />
Wasser auf einen Liter aufgefüllt <strong>und</strong> genügend lange Zeit bei θ = 25 °C<br />
äquilibriert. Pyrochroit hat eine Hydrolysekonstante von: log*K s0 = 15.2.<br />
a) Man zeichne das Stabilitäts-(=Löslichkeits-) diagramm von Pyrochroit.<br />
b) Man finde graphisch den pH der gesättigten Pyrochroit-Lösung.<br />
c) Man bestimme graphisch die [Mn 2+ (aq)] <strong>und</strong> die [OH – (aq)] der gesättigten<br />
Lösung.<br />
d) Man berechne die Löslichkeitskonstante K s0<br />
von Pyrochroit.<br />
e) Welche Masse Pyrochroit hat das heterogene System im Gleichgewicht?<br />
Lösung<br />
a) Zeichnen des Stabilitäts-/Löslichkeitsdiagramms von Pyrochroit wie in<br />
Figur 9.11 mit Detail in Figur 9.12:<br />
9-22
9.9 Graphische Darstellung<br />
Die Gerade der Gleichgewichtslöslichkeit log[Mn 2+ (aq)] geht laut<br />
Gl. (9-35) durch den Achsenabschnitt q = log*K s0<br />
<strong>und</strong> hat die Steigung<br />
m = –2. Man beachte die aus Platzgründen unterbrochene<br />
Ordinatenachse.<br />
b) Es gilt die Neutralitätsbedingung: 2·[Mn 2+ (aq)] + [H + (aq)] = [OH – (aq)].<br />
Da im gesamten pH-Bereich [H + (aq)]