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Alle paar Mei- len sperrten Zollschranken den Weg

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<strong>Alle</strong> <strong>paar</strong> <strong>Mei</strong><strong>len</strong><br />

<strong>sperrten</strong><br />

<strong>Zollschranken</strong><br />

<strong>den</strong> <strong>Weg</strong><br />

„Der Klingelbeutel der<br />

hannoverschen Majestät”.<br />

Hans Ehlich<br />

An <strong>den</strong> Schlagbäumen vor<br />

<strong>den</strong> Bundesgrenzen stauen<br />

sich in unseren Tagen die<br />

Kraftwagen der Urlauber.<br />

Was wür<strong>den</strong> aber unsere Reisen<strong>den</strong><br />

schimpfen, wenn sie<br />

die Zustände vorfän<strong>den</strong>, die<br />

in der guten alten Zeit vorgeherrscht<br />

haben, als alle 7 bis<br />

10 km an <strong>den</strong> Durchgangsstraßen<br />

eine Schrank und ein<br />

Zoll <strong>den</strong> <strong>Weg</strong> versperrt haben?<br />

Einige dieser <strong>Weg</strong>ehäuser<br />

können wir noch heute<br />

bewundern.<br />

Wer von Neustadt aus in<br />

Richtung Nienburg der Bundesstraße<br />

6 folgt, wird mitten<br />

im Grinderwald auf eine Gruppe<br />

von Häusern stoßen, mit<br />

<strong>den</strong>en es eine eigene Bewandtnis<br />

hat. Scheinbar weitab<br />

von der nächsten Siedlung,<br />

stehen sie da, am Rande des Waldes in<br />

der abwechslungsreichen Hügellandschaft.<br />

Kernpunkt ist der „Schneerener Krug”.<br />

Gleich dahinter erblicken wir ein Gebäude,<br />

das durch eine Seitennische neben dem Eingang<br />

auffällt. Es ist ein früheres <strong>Weg</strong>ezollhaus.<br />

Ebenso wie der nebenstehende Schneerener<br />

Krug hat dieses Gebäude seine Blütezeit erlebt,<br />

als noch keine Eisenbahn das Land<br />

durchschnitt, die Straßen allein <strong>den</strong> Warenverkehr<br />

bewältigen mußten und Auswandererzüge<br />

auf ihnen mit Sack und Pack <strong>den</strong> Hafenstädten<br />

zustrebten. Von letzteren sagte z.<br />

B. ein Bericht des Amtes Neustadt im Jahre<br />

1837: „Die Züge währen vom frühen Morgen<br />

bis zum Abende ... fast das ganze Jahr hindurch”<br />

und die Auswanderer pflegen „des<br />

Nachts in einzelnen an der Chaussee liegen<strong>den</strong><br />

Wirtshäusern zu logiren, wobey sie<br />

großentheils auf ihren Betten im Frachtwagen<br />

schlafen”.<br />

Während die Chaussee Hannover-Neustadt<br />

schon 1760 in voller Länge befahrbar war,<br />

hatte sie zwanzig Jahre später zwischen<br />

Neustad und Nienburg erst <strong>den</strong> „Großen<br />

Stern” erreicht. Sie wandte sich von hier<br />

aus über Linsburg und Langendamm dem<br />

Weserübergang zu. <strong>Weg</strong>ebau kostete eine<br />

Menge Geld, und so pflegte man in kurhannoverscher<br />

Zeit Straßenzoll dafür zu erheben.<br />

Eingenommen wurde er an <strong>den</strong> Hauptstraßen<br />

in<strong>Weg</strong>ehäusern, die jeweils etwa 1<br />

Landmeile voneinander entfernt nach recht<br />

30


einheitlichen, Bauplänen erstellt wur<strong>den</strong>.<br />

Eins hat vor dem Lauentor in Neustadt gestan<strong>den</strong>.<br />

Und mit dem am Schneerener<br />

Krug gelegenen schien die Poststraße weitgehend<br />

abgesichert, wenn auch häufig genug<br />

versucht wor<strong>den</strong> ist, auf Schleichwegen<br />

– etwa am Hüttenkrug über die ältere<br />

Straße bei Eilvese vorbei – solche Zollstel<strong>len</strong><br />

zu umgehen. Übrigens blieb uns ein <strong>Weg</strong>ezollhaus<br />

von etwas anderer Bauart auch<br />

noch in Niederstöcken an der Kreuzung erhalten.<br />

Wenn wir das Zollhaus bei Schneeren näher<br />

betrachten, wer<strong>den</strong> wir geradezu an die<br />

Schilderung Eichendorffs in seinem „taugenichts”<br />

erinnert, der in Schlafrock, Pantoffeln<br />

und Mütze, eine lange Pfeife rauchend, vor<br />

der Tür in <strong>den</strong> Tag hineingedöst<br />

hat. Freilich war es ein<br />

Zweckbau. Von der Eckstube<br />

aus konnte man die<br />

Straße in bei<strong>den</strong> Richtungen<br />

übersehen. Von hier wurde<br />

auch der Schlagbaum bedient,<br />

der über Ketten mit<br />

der Kurbel hochgedreht wurde.<br />

Das Fenster diente<br />

gleichzeitig als Schalter, an<br />

dem das <strong>Weg</strong>egeld entrichtet<br />

wurde. Und von hier<br />

konnte eine Art von Klingelbeutel<br />

an einer Stange herausgereicht<br />

wer<strong>den</strong>, damit<br />

die Fuhrleute Groschen und<br />

Kreuzer hineinlegten, ohne<br />

vom Bock zu steigen, was<br />

man bei schlechtem Wetter<br />

zu würdigen wußte. Bei guten<br />

Witterungsverhältnissen<br />

bot die Nische neben der<br />

Eingangstür dem Zöllner<br />

genügend Schutz.<br />

Verzollt wur<strong>den</strong> hier nicht nur<br />

die Fahrzeuge je nach ihrer<br />

Bespannung, sondern auch<br />

Vieh, das durchgetrieben<br />

wurde. Waren aller Art, ja sogar<br />

die Reiter hatten ihren<br />

Obolus zu entrichten. Dagegen<br />

blieben Postkutschen<br />

abgabenfrei, ebenso die Kaleschen<br />

mit Angehörigen<br />

oder Gästen des Hofes in<br />

Hannover, die oft im nahe<br />

gelegenen Jagdschloß Linsburg einkehrten.<br />

Es ist eigentlich schade, daß das alte <strong>Weg</strong>ehaus<br />

bisher so wenig Beachtung gefun<strong>den</strong><br />

hat. Weder in <strong>den</strong> „Bau- und Kunst<strong>den</strong>kmälern<br />

des Kreises Neustadt”, noch in einer<br />

anderen Veröffentlichung fin<strong>den</strong> wir es verzeichnet.<br />

Vielleicht kann ein späteres Kreisheimatbuch<br />

oder eine Kreisbeschreibung<br />

das Versäumte einmal nachho<strong>len</strong>. Schön wäre<br />

auch, wenn der Autofahrer, der hier mit hoher<br />

Geschwindigkeit vorbeizurasen pflegt, ab<br />

und zu einen Blick auf das Zeichen aus der<br />

Postkutschenzeit werfen oder sich die Ruhe<br />

nehmen wollte, auszusteigen und in aller Ruhe<br />

anzuschauen. Und sei es nur, um sich<br />

klarzumachen, daß es auch langsamer ging<br />

oder geht.<br />

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