IfW Highlights 2012 - Institut für Weltwirtschaft
IfW Highlights 2012 - Institut für Weltwirtschaft
IfW Highlights 2012 - Institut für Weltwirtschaft
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<strong>IfW</strong> <strong>Highlights</strong> <strong>2012</strong><br />
Internet: www.ifw-kiel.de
IMPRESSUM<br />
HERAUSGEBER<br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Weltwirtschaft</strong> an der Universität Kiel (<strong>IfW</strong>)<br />
Hindenburgufer 66, D–24105 Kiel<br />
Telefon +49 (431) 8814-1 • Telefax +49 (431) 8814-500<br />
REDAKTIONSTEAM<br />
Kirsten Lade; Silke Matthiesen-Goss; Dr. Claus-Friedrich Laaser; Elisabeth Otto;<br />
Dr. Jürgen Stehn (inhaltlich verantwortlich nach § 6 MDStV)<br />
FOTOS<br />
Seiten 5, 48, 51: Foto Renard, Kiel<br />
Seite 10: © Graça Victoria - Fotolia.com; © Christian Jakimowitsch - Fotolia.com<br />
Seiten 45, 46: K. Meinke; Vermelho & Locatel, Luz e Sombra<br />
Weitere Fotos: L. Eckeberg; M. Glowatzka; A. Husfeld; M.Rank;<br />
S. Klahn & F. Schischefsky; Photo Bal<br />
KONZEPTION<br />
Kirsten Lade; Silke Matthiesen-Goss; Dr. Jürgen Stehn<br />
COVERDESIGN<br />
Schmidt und Weber Konzept-Design, Kiel
Inhalt<br />
<strong>IfW</strong>-<strong>Highlights</strong><br />
Das <strong>IfW</strong> im Überblick<br />
4 Editorial<br />
5 Unsere Mission ● Das Präsidium<br />
Forschungshighlights<br />
6 Quo vadis Ostdeutschland?<br />
8 Globalisierung – eine besondere Gefahr<br />
<strong>für</strong> befristet Beschäftigte?<br />
11 Was kann Spanien von den Neu-Exporteuren<br />
unter seinen Unternehmen lernen?<br />
14 Wie können China und Indien<br />
nachhaltig wachsen?<br />
16 Zusätzliche landwirtschaftliche Flächen reduzieren<br />
den Klimaschutzeffekt von Biokraftstoffen<br />
19 Geberkoordinierung:<br />
Kaum Fortschritte seit der Pariser Erklärung<br />
21 Demokratie in Entwicklungsländern: Politischer<br />
Wandel durch Abwanderung in den Westen<br />
Forschungsbereiche<br />
10 Die internationale Arbeitsteilung<br />
13 Wissensakkumulation und Wachstum<br />
18 Umwelt und natürliche Ressourcen<br />
24 Armutsminderung und Entwicklung<br />
25 Besonders in der Rezession:<br />
Die Arbeitsmoral hochhalten<br />
28 Rationale Erwartungen?<br />
Nicht mit historischem Wissen<br />
30 Globaler Aktienmarkt: Abhängigkeiten<br />
und Schwankungen nehmen zu<br />
27<br />
32<br />
Makroökonomische Politik<br />
in unvollkommenen Märkten<br />
Finanzmärkte und<br />
makroökonomische Aktivität<br />
33 Immigration und Strukturwandel – Lehren aus<br />
der deutschen Nachkriegsgeschichte<br />
36 Internationaler Handel: Wachtums- und Wohlstandsfördernd<br />
38 Globalisierung und Wohlfahrtsstaat<br />
Beratungshighlights<br />
Zentren<br />
39 Dominoeffekt in Südeuropa? 44 Wirtschaftspolitik ● Prognosen ●<br />
Global Economic Symposium<br />
42 Spezialisierung macht Hochschulen attraktiv 47 Public Relations ● Fundraising und Außenbeziehungen<br />
● Research Grants<br />
Veranstaltungshighlights<br />
52 Ausbildung ● Wissenschaftliche Außenbeziehungen<br />
und Publikationen<br />
45 Global Economic Symposium <strong>2012</strong> 55 Events ● IT-Strukturen ● Web Services<br />
48 Verleihung des <strong>Weltwirtschaft</strong>lichen<br />
Preises <strong>2012</strong><br />
51 Excellence Awards<br />
in Global Economic Affairs <strong>2012</strong><br />
53 Bernhard-Harms-Preis <strong>2012</strong><br />
54 Take-Maracke-Förderpreis <strong>2012</strong><br />
54<br />
Jahresversammlung <strong>2012</strong><br />
der <strong>IfW</strong>-Fördergesellschaft
Editorial<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
ich freue mich, Ihnen die <strong>IfW</strong>-<strong>Highlights</strong> <strong>2012</strong> prä sen tieren zu<br />
dürfen. Die einmal jährlich erscheinen den <strong>IfW</strong>-<strong>Highlights</strong> geben<br />
Ihnen einen Einblick in aus gewählte For schungs-, Beratungs-,<br />
Ausbildungs - und Veranstal tungs aktivitäten unseres <strong>Institut</strong>s als<br />
großem Zentrum weltwirtschaftlicher Forschung und informieren<br />
Sie gleich zeitig über das Forschungsprogramm und die organisatorischen<br />
Strukturen des <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> Weltwirt schaft.<br />
Die <strong>IfW</strong>-<strong>Highlights</strong> erheben nicht den Anspruch, vollständig<br />
über die Aktivitäten des <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> <strong>Weltwirtschaft</strong> zu berichten.<br />
Vielmehr möchten wir Ihnen ein buntes Kaleidoskop wirtschaftspolitisch<br />
relevanter Arbeiten aus dem <strong>IfW</strong> vorstellen –<br />
informativ und unterhaltsam.<br />
Als öffentlich finanziertes Forschungsinstitut haben wir besonderen<br />
Wert darauf gelegt, die Beiträge <strong>für</strong> eine breite Öffentlichkeit verständlich<br />
zu gestalten. Zudem finden wissenschaftlich interessierte Leserinnen<br />
und Leser über die <strong>IfW</strong>-<strong>Highlights</strong> einen leichten Zugang zu weiterführenden<br />
und vertiefenden Ver öffentlichungen und Informationen.<br />
Ich würde mich sehr freuen, wenn die Beiträge Ihr Interesse finden und wir<br />
Sie auch in Zukunft zum Leserkreis der <strong>IfW</strong>-<strong>Highlights</strong> zählen dürfen.<br />
Herzlichst<br />
Ihr<br />
4
Das <strong>IfW</strong> im Überblick<br />
Unsere Mission<br />
Das <strong>IfW</strong> ist eines der großen Zentren<br />
••<br />
weltwirtschaftlicher Forschung,<br />
••<br />
wirtschaftspolitischer Beratung und<br />
••<br />
ökonomischer Ausbildung.<br />
Das <strong>Institut</strong> sieht seine Hauptaufgabe in der Erforschung innovativer<br />
Lösungs ansätze <strong>für</strong> drängende weltwirtschaftliche Probleme. Auf Basis dieser<br />
Forschungsarbeiten berät es Entscheidungsträger in Politik, Wirtschaft<br />
und Gesellschaft und informiert die interessierte Öffentlichkeit über wichtige<br />
wirtschaftspolitische Zusammenhänge.<br />
Als Tor zur weltwirtschaftlichen Forschung pflegt es ein weit gespanntes<br />
Netzwerk aus nationalen und internationalen Experten, deren Forschungsarbeiten<br />
direkt oder indirekt in die Forschungs- und Beratungsaktivitäten<br />
des <strong>IfW</strong> einfließen.<br />
Das <strong>IfW</strong> legt einen besonderen Schwerpunkt auf die ökonomische Aus- und<br />
Weiterbildung und kooperiert eng mit der ZBW, der größten wirtschafts- und<br />
sozialwissenschaftlichen Bibliothek der Welt.<br />
Das Präsidium<br />
Präsident<br />
Prof. Dennis J. Snower, Ph.D.<br />
Persönlicher Referent<br />
Johannes Burmeister<br />
wiss. Mitarbeiter<br />
Dipl.-Volksw. Steffen Ahrens<br />
Sekretariat<br />
Jutta M. Arpe, Britta Thun, Bärbel Walter<br />
Wissenschaftliche Geschäftsführung<br />
(kommissarisch)<br />
Dr. Sonja Peterson<br />
Sekretariat Sabine Hübener<br />
Managementkoordination<br />
Leiter (kommissarisch) Sven Gilles<br />
Referentin Dipl.-Verww. Birgit Austen, M.A.<br />
Sekretariat Christiane Gebühr<br />
Gleichstellungsbeauftragte<br />
Dr. Birgit Wolfrath<br />
Justiziariat<br />
Ralf Kopischke (Justiziar)<br />
Ombudsman <strong>für</strong> gute wissenschaftliche Praxis<br />
Dr. Peter Nunnenkamp<br />
Emeriti<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Horst Siebert (†)<br />
(Präsident, April 1989 – März 2003)<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Herbert Giersch (†)<br />
(Präsident, 1969 – März 1989)<br />
5
Forschungshighlight<br />
Quo vadis Ostdeutschland?<br />
Autorenporträts<br />
Frank Bickenbach<br />
Forschungsbereiche<br />
••<br />
Die internationale Arbeitsteilung<br />
••<br />
Wissensakkumulation und Wachstum<br />
Telefon (0431) 8814-274<br />
E-Mail frank.bickenbach@ifw-kiel.de<br />
Expertise<br />
••<br />
Räumlicher und sektoraler Strukturwandel<br />
••<br />
Europäische Integration<br />
••<br />
Innovation und Hochschulbildung in China<br />
••<br />
<strong>Institut</strong>ioneller Wandel in China<br />
Weitere Expertise<br />
••<br />
Industrie- und Regulierungsökonomik<br />
••<br />
<strong>Institut</strong>ionenökonomie<br />
••<br />
Ökonomischer Föderalismus<br />
Dr. Eckhardt Bode<br />
Forschungsbereiche<br />
••<br />
Die internationale Arbeitsteilung<br />
••<br />
Wissensakkumulation und Wachstum<br />
Telefon (0431) 8814-462<br />
E-Mail eckhardt.bode@ifw-kiel.de<br />
Expertise<br />
••<br />
Europäische Integration<br />
••<br />
Agglomerationsvorteile<br />
••<br />
Metropolregionen<br />
••<br />
Räumliche Ökonometrie<br />
Auch wenn mehr als 20 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung der Anschein<br />
besteht, dass sich das West-Ost-Gefälle in Deutschland verhärtet hat, sind die Perspektiven<br />
Ostdeutschlands der neuen ökonomischen Geographie (new economic geography,<br />
NEG) zufolge gar nicht so düster. Interpretiert man die wirtschaftliche Entwicklung<br />
Ostdeutschlands im Lichte jüngerer Ansätze dieser Theorie, so scheint Ostdeutschland<br />
mittlerweile die wirtschaftliche Talsohle erreicht zu haben und in Zukunft wieder an Wirtschaftskraft<br />
gegenüber Westdeutschland zu gewinnen.<br />
Die NEG ist eine Handelstheorie mit Arbeitskräftemigration, die im Kern besagt, dass<br />
sich aus dem Zusammenspiel von Handelskosten, Größenvorteilen in der Produktion,<br />
monopolistischem Wettbewerb und interregionaler Arbeitskräftemobilität ein Spannungsfeld<br />
zwischen Agglomerations- und Dispersionskräften ergibt. Zum einen ziehen,<br />
solange Raumüberwindung Kosten verursacht, sowohl Produzenten als auch Abnehmer<br />
(insbesondere Konsumenten, die zugleich Arbeitnehmer sind) grundsätzlich einen wirtschaftlichen<br />
Vorteil aus der gegenseitigen Nähe. Dies fördert Agglomeration. Zum anderen<br />
aber führt die räumliche Nähe zu einer<br />
„Ostdeutschland dürfte bei weiter<br />
fortschreitender wirtschaftlicher<br />
Integration wieder stärker<br />
aufholen.“<br />
schärferen Konkurrenz auf Faktor- und Gütermärkten,<br />
die sich u.a. in höheren Preisen<br />
<strong>für</strong> immobile Faktoren ausdrücken kann. Wie<br />
von einigen jüngeren NEG-Modellen betont,<br />
kann insbesondere die beschränkte Mobilität<br />
von Arbeitskräften einer starken Agglomeration<br />
entgegenstehen. Nach unserer Einschätzung<br />
stellt diese begrenzte Mobilität in Deutschland eine empirisch besonders wichtige<br />
Dispersionskraft dar. Menschen unterscheiden sich in ihrer Bereitschaft, familiäre, soziale<br />
oder regionale Bindungen <strong>für</strong> bessere Einkommens- und Beschäftigungschancen<br />
aufzugeben. Mit zunehmender Abwanderung bleiben sukzessive die weniger mobilen<br />
Arbeitskräfte zurück. Wenn die Anreize zur Abwanderung, etwa in Gestalt höherer Löhne<br />
oder besserer Beschäftigungschancen anderswo, nicht weiter zunehmen, ebbt der<br />
Wanderungsstrom ab. Im Zuge fortschreitender wirtschaftlicher Integration dominieren<br />
in den NEG-Modellen mit beschränkter Arbeitskräftemobilität zufolge zunächst die Agglomerationskräfte,<br />
so dass sich wirtschaftliche Aktivitäten zunehmend im Raum konzentrieren.<br />
Später aber gewinnen die Dispersionskräfte die Überhand, so dass sich die<br />
Aktivitäten wieder dekonzentrieren.<br />
Für die Ost-West-Disparitäten in Deutschland nach der Wiedervereinigung impliziert<br />
dies, dass der Anteil Ostdeutschlands an der gesamtdeutschen Beschäftigung im Zuge<br />
der Integration zwischen Ost- und Westdeutschland zunächst abnehmen, später aber<br />
wieder zunehmen sollte. Vieles deutet darauf hin, dass Deutschland in den vergangenen<br />
gut 20 Jahren den linken Ast dieser U-förmigen Kurve „heruntergewandert“ ist und mittlerweile<br />
am Fuße der Kurve steht.<br />
In den 1990er Jahren, als die wirtschaftliche Integration zwischen Ost- und Westdeutschland<br />
mit der Wiedervereinigung und dem Aufbau der deutsch-deutschen Infrastrukturverbindungen<br />
rasch voranschritt, dominierten offensichtlich die Agglomerationskräfte über<br />
die Dispersionskräfte. Viele Ostdeutsche sind nach Westdeutschland abgewandert, um<br />
von den dort höheren Reallöhnen und besseren Beschäftigungschancen zu profitieren.<br />
Der Anteil Ostdeutschlands an der gesamtdeutschen Beschäftigung sank von über<br />
6
Quo vadis Ostdeutschland?<br />
Forschungshighlight<br />
22 Prozent auf 19 Prozent (Diagramm). Der Bauboom in Ostdeutschland bis 1995 und die<br />
an schließende Rezession beeinflussten die Wanderungsentscheidungen nur vorübergehend.<br />
Dass die Abwanderungsraten im Zeitablauf tendenziell zurückgegangen sind, ist zwar zum Teil<br />
durch die rasche – vor allem politisch motivierte – Verringerung des West-Ost-Lohngefälles zu<br />
erklären, die die Wanderungsanreize verringerte. Sie ist aber auch dadurch bedingt, dass nach<br />
Abwanderung der besonders Mobilen immer weniger weitere Ostdeutsche bereit waren, ihre<br />
Heimatregion Richtung Westen zu verlassen.<br />
Im Laufe der 2000er Jahre hat sich der Integrationsprozess weiter fortgesetzt, wenn auch langsamer<br />
als zuvor. Einige weitere Infrastrukturprojekte wurden fertig gestellt, und die „Mauer in den<br />
Köpfen“ bröckelte weiter. Trotzdem kam der Agglomerationsprozess komplett zum Stillstand. Der<br />
Beschäftigtenanteil Ostdeutschlands liegt seit 2005 konstant bei gut 18 Prozent (Diagramm). 2009<br />
wanderten netto nur noch knapp 19.000 Ostdeutsche nach Westdeutschland, 2010 sogar nur<br />
noch knapp 10.000. Und dies, obwohl sich die Reallöhne zwischen Ost und West nicht weiter<br />
angeglichen haben. Die ostdeutschen Nominallöhne<br />
haben sich bei rund 80 Prozent des Westniveaus<br />
eingependelt; die Reallohndifferenz dürfte bei 10–15<br />
Prozent liegen. Aus Sicht der NEG ist dies ein starkes<br />
Indiz da<strong>für</strong>, dass die Agglomerationskräfte nicht<br />
länger die Dispersionskräfte dominieren. Ost- und<br />
Westdeutschland sind mittlerweile ökonomisch soweit<br />
zusammen gewachsen, dass Unternehmen bei weiterer<br />
Integration dem Standortnachteil der „Marktferne“<br />
Ostdeutschlands nicht mehr höhere Bedeutung<br />
zumessen als dem Standortvorteil niedrigerer Löhne.<br />
Und die Agglomeration ist so weit fortgeschritten,<br />
dass ostdeutsche Arbeitskräfte kaum noch bereit sind,<br />
ihre Heimat wegen höherer Löhne oder besserer Beschäftigungsmöglichkeiten<br />
gen Westen zu verlassen.<br />
Der untere, horizontale Teil der U-Kurve ist erreicht.<br />
Ost-West-Migration und Beschäftigtenanteil Ostdeutschlands, 1989–2010<br />
Der NEG zufolge werden sich die Agglomerationskräfte bei fortschreitender Integration in Zukunft<br />
weiter abschwächen. Unternehmen werden feststellen, dass sie ihre Märkte auch von<br />
Ostdeutschland aus bedienen können, wo die Löhne niedriger sind. Die Reallohnunterschiede<br />
zwischen West und Ost werden kleiner werden und Arbeitskräfte werden nach Ostdeutschland<br />
zurück wandern. Kurz, Deutschland wird beginnen, den aufsteigenden Ast der U-Kurve<br />
hinaufzuwandern. In der Tat besteht noch erhebliches Potenzial <strong>für</strong> weitere Integration. Noch<br />
sind nicht alle „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ abgeschlossen. Auch ist die Mauer in vielen<br />
Köpfen noch präsent. Für eine weitere Integration spricht schließlich auch ein Vergleich mit<br />
anderen hochentwickelten Ländern. In praktisch allen diesen Ländern ist die regionale Konzentration<br />
wirtschaftlicher Aktivitäten bereits seit langem rückläufig. Wäre Ostdeutschland mit<br />
Westdeutschland ebenso hoch integriert wie es etwa die westdeutschen Regionen untereinander<br />
sind, so wäre der Beschäftigtenanteil Ostdeutschlands bereits ein gutes Stück entlang des<br />
aufsteigenden Asts der U-Kurve vorangeschritten.<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
Netto-Abwanderungen aus Ostdeutschland<br />
(1000 Personen, linke Skala)<br />
Beschäftigtenanteil<br />
Ostdeutschlands<br />
(rechte Skala)<br />
0<br />
0,16<br />
1989 1992 1995 1998 2001 2004 2007 2010<br />
Quelle: Statistisches Bundesamt; Wolff, S. (2010), Ost-West-Wanderung im wiedervereinigten<br />
Deutsch land: Erfahrungen und Perspektiven. Optimus, Göttingen.<br />
0,24<br />
0,23<br />
0,22<br />
0,21<br />
0,20<br />
0,19<br />
0,18<br />
0,17<br />
Allerdings kann dieser Dekonzentrationsprozess noch eine Weile auf sich warten<br />
lassen. Ein Grund <strong>für</strong> eine Verzögerung wäre der – aus verschiedenen Gründen<br />
<strong>für</strong> nötig erachtete – Abbau der staatlichen Transfers nach Ostdeutschland.<br />
Dieser Abbau würde die Dispersionskräfte innerhalb Deutschlands tendenziell<br />
schwächen, weil er Ostdeutschland Kaufkraft entzieht. Ein weiterer Grund wäre,<br />
dass der Fall der Mauer in den Köpfen nicht nur Handelshemmnisse beseitigt,<br />
sondern auch die Migrationsneigung von Arbeitskräften erhöht. Bei unveränderter<br />
Reallohndifferenz könnte dann die Westmigration wieder etwas zunehmen.<br />
Weiterführende Literatur<br />
Bickenbach, Frank, und Eckhardt Bode. New Economic<br />
Geography and Reunified Germany at Twenty:<br />
A Fruitful Match? Spatial Economic Analysis. Im Erscheinen.<br />
7
Forschungshighlight<br />
Globalisierung – eine besondere Gefahr<br />
<strong>für</strong> befristet Beschäftigte?<br />
Autorenporträt<br />
Dr. Dennis Görlich<br />
Forschungsbereich<br />
Die internationale Arbeitsteilung<br />
Telefon (0431) 8814-325<br />
E-Mail dennis.goerlich@ifw-kiel.de<br />
Expertise<br />
••<br />
Arbeitsmarkteffekte von Offshoring<br />
••<br />
Reorganisation der Arbeit<br />
••<br />
Ungleichheit in europäischen Arbeitsmärkten<br />
Weitere Expertise<br />
••<br />
Angewandte Mikroökonometrie<br />
Jeder zehnte deutsche Arbeitnehmer zwischen 25 und 49 Jahren hat einen befristeten<br />
Arbeitsvertrag. Bei den Beschäftigten unter 25 Jahren ist dieser Anteil noch weitaus<br />
höher, hier haben mehr als die Hälfte befristete Verträge. Darüber hinaus ist etwa die<br />
Hälfte aller Neueinstellungen befristet. Insgesamt ist der Anteil der Arbeitnehmer mit<br />
befristeten Verträgen in den letzten zehn Jahren von 11 auf 13 Prozent gestiegen und<br />
liegt damit knapp über dem europäischen Durchschnitt (Abbildung). In einer kürzlich<br />
veröffentlichten Studie (Görg und Görlich, <strong>2012</strong>) haben wir diese Gruppe von Beschäftigten<br />
einmal genauer unter die Lupe genommen und untersucht, ob Arbeitnehmer mit<br />
befristeten Verträgen stärker von der Globalisierung betroffen sind als Arbeitnehmer<br />
mit unbefristeten Verträgen.<br />
Eine Vielzahl von theoretischen und empirischen Arbeiten hat gezeigt, dass die Globalisierung<br />
zu Anpassungen in Löhnen und Beschäftigung führt. Insbesondere der<br />
vermehrte Einsatz von aus dem Ausland importierten Zwischenprodukten in der heimischen<br />
Produktion (Offshoring) wurde mit sinkenden Löhnen und geringerer Arbeitsplatzsicherheit<br />
<strong>für</strong> bestimmte Gruppen in Verbindung gebracht (vgl. z.B. Bachmann<br />
und Braun, 2010; Geishecker und Görg, 2008 und <strong>2012</strong>).<br />
Es gibt gute Gründe, warum die Gruppe der befristet Beschäftigten besonders von<br />
Globalisierungsanpassungen betroffen sein könnte. Einerseits ist es wahrscheinlich,<br />
dass zuerst befristet Beschäftigte betroffen sind, wenn Unternehmen aufgrund von<br />
Offshoring Stellen abbauen. Auslaufende Verträge der Beschäftigten sind dabei nur<br />
ein möglicher Grund. Hinzu kommt möglicherweise ein Mangel an Kenntnissen, zum<br />
Beispiel spezifische Kenntnisse, die erst durch eine lange Zeit im Unternehmen gewonnen<br />
werden können. Andererseits ist es aber auch möglich, dass Unternehmen,<br />
die aufgrund von Kosteneinsparungen durch Offshoring expandieren, vor allem befristete<br />
Beschäftigte einstellen.<br />
„Befristet Beschäftigte sind stärker<br />
von Offshoring betroffen als Arbeitnehmer<br />
mit Festverträgen. Die Auswirkungen<br />
können allerdings sowohl<br />
negativ als auch positiv sein.“<br />
Anpassungen an die Globali sierung können<br />
natürlich auch über die Löhne stattfinden,<br />
beispielsweise wenn Arbeitsplätze<br />
nur bei sinkenden Lohn kosten<br />
gehalten werden können. Auch hier würde<br />
man erwarten, dass besonders befristet<br />
Beschäftigte betroffen sind, denn<br />
sie haben eine geringere Verhandlungsmacht<br />
als Arbeitnehmer mit unbefristeten Verträgen. Bei Lohnverhandlungen können<br />
sich befristet Beschäftigte wahrscheinlich schlechter durchsetzen. Außerdem sind sie<br />
in kollektiven Tarifverhandlungen möglicherweise schlechter repräsentiert.<br />
Die empirische Analyse der Studie wertet Daten des sozio-ökonomischen Panels<br />
(SOEP) aus. Das SOEP ist eine jährliche Befragung von Personen, die in Deutschland<br />
leben. Neben Informationen über Alter, Ausbildung, Beruf, Berufserfahrung und<br />
Verdienst, enthält es auch Informationen über die Art der Beschäftigung, also ob die<br />
Person befristet oder unbefristet beschäftigt ist. Da die Verantwortlichen des SOEP<br />
die befragten Personen jedes Jahr aufs Neue aufsuchen, können wir mit Hilfe des<br />
Datensatzes auch Übergänge von Beschäftigung in die Arbeitslosigkeit beobachten.<br />
8
Globalisierung – eine besondere Gefahr <strong>für</strong> befristet Beschäftigte?<br />
Forschungshighlight<br />
Die SOEP-Daten sagen noch nichts darüber aus, wie stark eine Person am Arbeitsplatz mit<br />
Offshoring, also dem Einsatz von Zwischenprodukten aus dem Ausland, konfrontiert ist. Da<strong>für</strong><br />
verknüpft die Studie die Informationen aus dem SOEP mit Daten zu Offshoring des Statistischen<br />
Bundesamtes. Dies ermöglicht es uns nun, die Auswirkungen von Offshoring auf Löhne<br />
und Beschäftigungssicherheit von Arbeitnehmern mit befristeten Verträgen zu untersuchen.<br />
Die Studie zeigt: Befristet Beschäftigte sind<br />
stärker von Offshoring betroffen als Arbeitnehmer<br />
mit Festverträgen. Die Auswirkungen<br />
können allerdings sowohl negativ als auch positiv<br />
sein. Im Produzierenden Gewerbe führt<br />
eine verstärkte Nutzung von Zwischenprodukten<br />
aus dem Ausland bei befristet Beschäftigten<br />
zu geringeren Löhnen. Arbeitnehmer mit<br />
Festverträgen sind nicht von Lohnanpassungen<br />
betroffen. Die Ergebnisse der Studie zeigen<br />
aber auch, dass eine verstärkte Nutzung<br />
importierter Zwischenprodukte zu einem verringerten<br />
Arbeitslosigkeitsrisiko führt; sowohl<br />
bei befristet als auch bei unbefristet Beschäftigten.<br />
Möglicherweise nehmen befristet Beschäftigte<br />
geringere Löhne in Kauf, damit sie<br />
ihren Arbeitsplatz behalten können. Es wäre<br />
auch möglich, dass Unternehmen durch den<br />
Import günstigerer Zwischenprodukte aus<br />
dem Ausland Kosten einsparen, somit produktiver<br />
werden, die heimische Produktion<br />
ausweiten und da<strong>für</strong> befristete Arbeitsverhältnisse<br />
nutzen.<br />
Anteil von befristeter Beschäftigung in Deutschland und der EU, 2001–2011<br />
15<br />
14<br />
13<br />
12<br />
11<br />
10<br />
9<br />
8<br />
2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
Quelle: Eurostat.<br />
EU‐27<br />
Deutschland<br />
Die statistische Erhebungsmethode wurde zwischen 2004 und 2005 angepasst. Vermutlich liegen die<br />
wahren Werte bis 2004 höher, als hier dargestellt.<br />
Im Dienstleistungsbereich zeichnet sich ein etwas anderes Bild der Globalisierungseffekte ab.<br />
Offshoring führt in diesem Bereich nicht zu Lohnanpassungen. Auch die Anpassung der Beschäftigung<br />
ist nicht besonders ausgeprägt. Nur der vermehrte Import von Dienstleistungen<br />
aus entwickelten Ländern ist mit einem geringeren Arbeitslosigkeitsrisiko <strong>für</strong> alle Beschäftigten<br />
assoziiert.<br />
Insgesamt scheinen sich die vielerorts be<strong>für</strong>chteten negativen Konsequenzen<br />
der Globalisierung <strong>für</strong> befristet Beschäftigte in Grenzen zu halten. Zwar können<br />
wir feststellen, dass die verstärkte Nutzung importierter Zwischenprodukte<br />
zu geringeren Löhnen bei befristeten Stellen führt. Gleichzeitig verringert<br />
sich <strong>für</strong> befristet Beschäftigte aber auch das Risiko, arbeitslos zu werden.<br />
Dennoch sollte der Trend zu befristeten und anderen atypischen Arbeitsverhältnissen<br />
im Auge behalten werden, denn sie sind eine relativ ungeschützte<br />
und teilweise benachteiligte Personengruppe. Dies gilt gerade auch vor dem<br />
Hintergrund der stetig stärker werdenden Globalisierung.<br />
Weiterführende Literatur<br />
Bachmann, Ronald, und Sebastian Braun (2011). The<br />
Impact of International Outsourcing on Labour Market<br />
Dynamics in Germany. Scottish Journal of Political<br />
Economy 58: 1–28.<br />
Geishecker, Ingo, und Holger Görg (2008). Winners<br />
and Losers: A Micro-Level Analysis of International<br />
Outsourcing and Wages. Canadian Journal of Economics<br />
41: 243–270<br />
Geishecker, Ingo, und Holger Görg (2013). Services<br />
Offshoring and Wages: Evidence from Micro Data. Oxford<br />
Economic Papers 65 (1): 124–146.<br />
Görg, Holger, und Dennis Görlich (<strong>2012</strong>). Offshoring,<br />
Wages and Job Security of Temporary Workers. Kieler<br />
Arbeitspapiere 1797. <strong>IfW</strong>, Kiel.<br />
9
Das <strong>IfW</strong> im Überblick<br />
Forschungsbereich<br />
Die internationale Arbeitsteilung<br />
Dipl.-Volksw. Frank Bickenbach<br />
Dr. Eckhardt Bode<br />
Olivier N. Godart, Ph.D.<br />
Prof. Holger Görg, Ph.D. (Leiter)<br />
Dr. Dennis Görlich<br />
Sabine Hübener<br />
Dipl.-Volksw. Christiane Krieger-Boden<br />
Dr. Peter Nunnenkamp<br />
Michaela Rank<br />
Tillmann Schwörer<br />
Natalia Trofimenko, Ph.D.<br />
Prof. Gerald Willmann, Ph.D.<br />
assoziiert:<br />
Prof. Horst Raff, Ph.D.<br />
Dr. Hartmut Wolf<br />
Das übergeordnete Ziel der Forschung in diesem Bereich besteht darin, wesentliche Aspekte<br />
der internationalen Arbeitsteilung bei fortschreitender Globalisierung empirisch zu<br />
analysieren. Auf diese Weise wollen wir dazu beitragen, zu überzeugenderen Antworten<br />
auf globalisierungsbedingte Herausforderungen zu kommen. Der Schwerpunkt der Forschung<br />
liegt auf den Determinanten und Effekten von Outsourcing und Offshoring durch<br />
internationalen Handel und ausländische Direktinvestitionen auf weltweiter und regionaler<br />
Ebene, das heißt auf Aspekten der Globalisierung, die sowohl in Wissenschaft als auch in<br />
der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert werden:<br />
Ausländische Direktinvestitionen<br />
Hier werden Determinanten und Auswirkungen von ausländischen Direktinvestitionen und<br />
multinationalen Unternehmen untersucht. Empirisch wird dies mit Hilfe von Makro- und<br />
Mikrodatensätzen analysiert.<br />
Outsourcing und Handel von Dienstleistungen<br />
Dieses Projekt wird auf Basis des Siebten Rahmenprogrammes (FP7)<br />
durch die Europäische Kommission gefördert. Untersucht werden hier<br />
vor allem die Auswirkungen von Dienstleistungshandel und insbesondere<br />
des Outsourcings von Dienstleistungen auf Beschäftigung und<br />
Produktivität in Heimatländern.<br />
Anpassungsprozesse im Handel<br />
In diesem Projekt werden die Anpassungsprozesse, die durch<br />
Handel entstehen, beschrieben. Auf der Mikroebene betrifft<br />
dies z.B. die Anpassung in Innovationsleistung und Produktivität<br />
von Exporteuren vis-à-vis nicht exportierenden Firmen,<br />
oder die Anpassung von Arbeitnehmern in Hinsicht auf Löhne<br />
und Beschäftigung in einer globalisierten Welt. Auf der Makroebene<br />
wird z.B. die strukturelle Anpassung durch Handel<br />
in verschiedenen Regionen innerhalb eines Landes oder zwischen<br />
Ländern untersucht.<br />
10
Was kann Spanien von den Neu-Exporteuren<br />
unter seinen Unternehmen lernen?<br />
Forschungshighlight<br />
Im Vordergrund des öffentlichen Interesses an den Problemen, die Spanien gegenwärtig<br />
heimsuchen, stehen die hohe Arbeitslosigkeit und die hohen Staatsschulden. Weniger<br />
beachtet wird, dass die spanische Exportleistung alles andere als berauschend ist.<br />
Als Beispiel da<strong>für</strong> kann man die relative Bedeutung und Struktur der spanischen Exporte<br />
heranziehen: Die Exportquote (in Relation zum Bruttoinlandsprodukt) beträgt in<br />
Spanien 27 Prozent, im Vereinigten Königreich und Deutschland dagegen 30 bzw. 47<br />
Prozent. Noch deutlicher wird Spaniens Rückstand, wenn man auf Exporte von Hochtechnologiegütern<br />
abstellt: Nur 6 Prozent der Exporte des Verarbeitenden Gewerbes<br />
bestehen in Spanien nach den Statistiken der Weltbank aus High-Tech-Gütern, im<br />
Vereinigten Königreich und Deutschland liegt der entsprechende Anteil bei 21 bzw. 15<br />
Prozent (vgl. The World Bank, Development Indicators 2010; die Angaben bezüglich<br />
der High-Tech-Exporte stammen aus der COMTRADE-Datenbank der Weltbank). Sicher<br />
kann Spanien die Probleme seiner Exportwirtschaft nicht über Nacht lösen. Aber<br />
ein Vergleich der Leistungssteigerung von erstmals an Exportmärkten auftretenden<br />
Unternehmen (Neu-Exporteure) mit derjenigen von rein auf den Inlandsmarkt konzentrierten<br />
Firmen kann als Gedankenexperiment wertvolle Informationen liefern, welche<br />
Vorteile spanische Firmen aus vermehrten Exportaktivitäten ziehen könnten.<br />
„Exportaktivitäten helfen spanischen<br />
Firmen offenbar, intelligente und<br />
kostensparende Produktions- und<br />
Vermarktungsmethoden anzuwenden<br />
und ihre Wettbewerbsfähigkeit<br />
zu verbessern.“<br />
Was wir in diesem Gedankenexperiment demonstrieren wollen, geht über die üblichen<br />
Vorteile des Exportierens – zusätzlicher Auslandsumsatz und entsprechende Einkommen<br />
– hinaus. Iacovone und Javorcik (2010) haben in ihrer Analyse neu exportierender<br />
mexikanischer Unternehmen gezeigt, wie diese Unternehmen es mit dem Zutritt<br />
zu internationalen Märkten schafften, bessere Produkte zu entwickeln (Produktinnovationen),<br />
um international wettbewerbsfähig zu werden. Wir konzentrieren uns dagegen<br />
auf die Verfahrensverbesserungen <strong>für</strong><br />
die zu exportierenden Güter (Prozessinnovationen).<br />
Beide Arten von Innovationen<br />
können sich entweder in Vorausschau<br />
auf die Auslandskonkurrenz<br />
oder als Lerneffekte einstellen, wenn<br />
Firmen neu als Exporteure auf den<br />
Weltmärkten auftreten.<br />
Dass Lernprozesse und Innovationen<br />
im Zusammenhang mit Exportaktivitäten<br />
stehen, erscheint einleuchtend. Es<br />
ist aber schwierig, sie ökonometrisch nachzuweisen. Das liegt am „Exporteure-sindstets-besser”-Effekt:<br />
Exportierende Firmen sind hinsichtlich der meisten Eigenschaften<br />
effizienter als Nicht-Exporteure, was zu falscher Zuordnung der Wirkungen führen<br />
kann, wenn man die Auswirkungen des Zutritts zu Exportmärkten auf künftige Innovationen<br />
der betreffenden Firma analysieren möchte. Joachim Wagner (2002) hat das so<br />
beschrieben: „Wenn heutige Neu-Exporteure ‚besser‘ als Nicht-Exporteure sind (und<br />
dies auch in der jüngsten Vergangenheit waren), dann kann man erwarten, dass sie<br />
auch in der Zukunft besser sind, selbst wenn sie in der Beobachtungsperiode gar nicht<br />
begonnen haben zu exportieren.“<br />
Wie kann man diesen Effekt ausschalten? Eine Möglichkeit besteht darin, die Verbesserungen<br />
nur <strong>für</strong> die Teilgruppe der Neu-Exporteure zu erfassen, die exakt in einer<br />
Beobachtungsperiode erstmals an den Exportmärkten auftreten und dort vorher nicht<br />
aktiv waren. Wir schließen diesen Effekt aus, indem wir Prozessinnovationen von Neu-<br />
Exporteuren mit den Prozessinnovationen von Firmen vergleichen, die in der Beob-<br />
Autorenporträts<br />
Prof. Aoife Hanley, Ph.D.<br />
Forschungsbereich<br />
Wissensakkumulation und Wachstum<br />
Telefon (0431) 8814-339<br />
E-Mail aoife.hanley@ifw-kiel.de<br />
Expertise<br />
••<br />
Innovation<br />
••<br />
Internationalisierung von Unternehmen<br />
••<br />
Internationales Outsourcing<br />
••<br />
Unternehmensproduktivität<br />
Joaquín Monreal Pérez<br />
Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der<br />
Abteilung Management und Finanzen<br />
der Universität Murcia, Spanien, und<br />
Research Affiliate am <strong>IfW</strong><br />
Telefon (+34) 868 88 3803<br />
E-Mail jomonreal@um.es<br />
Expertise<br />
••<br />
Globalisierungsfragen<br />
••<br />
Innovationsmanagement<br />
••<br />
Familienpolitik<br />
11
Forschungshighlight<br />
Was kann Spanien von den Neu-Exporteuren unter seinen Unternehmen lernen?<br />
achtungsperiode nicht nur überhaupt nicht exportiert haben, sondern auch danach inaktiv<br />
hinsichtlich eines Auslandsengagements blieben.<br />
Innovationsprämie der Gruppe der Neu-Exporteure<br />
gegenüber Nicht-Exporteuren<br />
% Innovationsprämie <strong>für</strong> Neu-Exporteure<br />
20%<br />
18%<br />
16%<br />
14%<br />
12%<br />
10%<br />
8%<br />
6%<br />
4%<br />
2%<br />
0%<br />
Jahr des<br />
Marktzutritts<br />
Quelle: Bureau of Economic Analysis.<br />
Nach Marktzutritt<br />
Marginale Zuwachsraten der gemeldeten Innovationsraten<br />
der Gruppe der Neu-Exporteure verglichen mit der Gruppe der<br />
Nicht-Exporteure; eigene Berechnungen mittels der Propensity<br />
Score Matching Methode und Difference-in-Differences.<br />
Unsere Analyse zeigt, dass zwischen 2004 und 2005 nur 6 Prozent der untersuchten<br />
Unternehmen in der Beobachtungsperiode neu an Exportmärkten<br />
aufgetreten sind. Dieser kleine Anteil deckt sich in etwa mit den Ergebnissen<br />
anderer Studien (vgl. z.B. Girma et al., 2003). Diejenigen Unternehmen, die<br />
es schaffen, die Barriere der versunkenen Kosten zu Beginn eines Auslandsengagements<br />
zu überwinden, können als die effizientesten und einfallsreichsten<br />
unter den Unternehmen angesehen werden. Durch die Matching-Technik<br />
werden diesen Firmen Nicht-Exporteure gegenübergestellt, die hinsichtlich<br />
Effizienz, Größe, Alter und verwendeter Technologie möglichst ähnlich sind<br />
und daher auch ähnliche Chancen haben müssten, ebenfalls Exporteure zu<br />
werden, dies aber nicht geworden sind.<br />
Unsere Ergebnisse fallen deutlich aus. Die Abbildung zeigt die marginale „Innovationsprämie“<br />
von Neu-Exporteuren aufgrund des Auslandsengagements<br />
gegenüber Nicht-Exporteuren, wie sie sich aus unseren Regressionsrechnungen<br />
ergibt. Im Jahr des Zutritts auf den Auslandsmärkten wachsen die Innovationsraten<br />
der Neu-Exporteure um 11 Prozent mehr als die der Nicht-Exporteure<br />
und sind statistisch signifikant. Im Jahr nach dem Marktzutritt nehmen<br />
die Innovationen der Neu-Exporteure immerhin noch um 7 Prozent mehr zu<br />
als die der Nicht-Exporteure, allerdings erweist sich dieses zweite Ergebnis in<br />
unseren Regressionen als statistisch nicht signifikant. Die Ergebnisse der anderen<br />
Kategorie von Innovationen – Produktinnovationen – werden hier nicht<br />
dargestellt, weil sich dabei keine signifikanten Unterschiede ergeben.<br />
Als wir dieses Papier jüngst auf einem Workshop bei Statistics Sweden vorgestellt haben, hat<br />
ein Teilnehmer kritisiert, dass das Teilergebnis <strong>für</strong> die Prozessinnovationen nach Marktzutritt<br />
(zweite Säule in der Abbildung) nicht aussagekräftig sei. Das sehen wir nicht so. Im Jahr des<br />
Marktzutritts haben die Neu-Exporteure ihre Innovationsleistung verbessert; diese positiven<br />
Effekte lösen sich anschließend nicht einfach in Luft auf. Unsere Ergebnisse entsprechen<br />
dabei denen von Girma et al. (2003) zur Produktivität in Unternehmen. Diese Autoren haben<br />
herausgefunden, dass Exporteure, die sich wieder von den Auslandsmärkten zurückziehen,<br />
anschließend keine Anzeichen <strong>für</strong> eine sinkende<br />
Produktivität aufweisen – das ist ein Hinweis darauf,<br />
dass die positiven Effekte der neuen Produktionsmethoden<br />
anhalten.<br />
Weiterführende Literatur<br />
Sind die Prozessinnovationen, die wir untersucht<br />
haben, wirkliche Fortschritte oder nur kosmetischer<br />
Natur? Zweifelsfrei können wir diese Frage<br />
aus unserem Datensatz heraus nicht beantworten.<br />
Die Dauerhaftigkeit der Produktivitätswirkungen,<br />
wie sie Girma et al. (2003) untersucht haben,<br />
sprechen aber <strong>für</strong> Innovationen, die die Unternehmen<br />
wirklich voranbringen. Ein konkretes<br />
Beispiel wäre etwa die internetbasierte Warenverfolgung<br />
(vgl. dazu das Weltbank-Arbeitspapier<br />
von Ferro (2011)). Exportaktivitäten helfen spanischen<br />
Firmen offenbar, intelligente und kostensparende<br />
Produktions- und Vermarktungsmethoden<br />
anzuwenden und ihre Wettbewerbsfähigkeit<br />
zu verbessern. Wenn mehr spanische Unternehmen<br />
den Weg auf die Exportmärkte einschlagen<br />
würden, dann wäre der Wirtschaft des Landes<br />
insgesamt geholfen.<br />
Ferro, Esteban (2011). Signaling and Technological<br />
Marketing Tools for Exporters. World Bank Policy Research<br />
Working Paper 5547.<br />
Girma, Sourafel, David Greenaway und Richard Kneller<br />
(2003). Export Market Exit and Performance Dynamics:<br />
A Causality Analysis of Matched Firms. Economics<br />
Letters 80 (2): 181–187.<br />
Hanley, Aoife, und Joaquín Monreal-Pérez (<strong>2012</strong>).<br />
Are Newly Exporting Firms more Innovative? Findings<br />
from Matched Spanish Innovators. Economics Letters<br />
116 (2): 217–220.<br />
Iacovone, Leonardo, und Beata S. Javorcik (2010).<br />
Multi-Product Exporters: Product Churning, Uncertainty<br />
and Export Discoveries. The Economic Journal 120<br />
(544): 481–499.<br />
Wagner, Joachim (2002). The Causal Effects of Exports<br />
on Firm Size and Labor Productivity: First Evidence<br />
from a Matching Approach. Economic Letters<br />
77: 287–292.<br />
12
Das <strong>IfW</strong> im Überblick<br />
Wissensakkumulation und Wachstum<br />
Forschungsbereich<br />
Eine der wichtigsten weltwirtschaftlichen Entwicklungen der Gegenwart ist die zunehmende Verlagerung<br />
von Forschung und Entwicklung sowie anderer wissensintensiver Aktivitäten aus hochentwickelten<br />
Industrieländern in rasch wachsende Schwellenländer („Emerging Economies“). Da neues Wissen<br />
langfristig eine der wichtigsten Quellen von Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung ist,<br />
ziehen globale Verlagerungen der Wissensproduktion und Veränderungen der internationalen Wissensflüsse<br />
globale Verschiebungen von Einkommen und Wohlstand nach sich.<br />
Ziel der Forschung in diesem Bereich ist es, zu einem besseren Verständnis der Determinanten von<br />
Wissensentstehung, Wissensausbreitung und wissensbasiertem Wachstum in Industrieländern und<br />
Emerging Economies beizutragen. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Rolle des räumlichen, institutionellen<br />
und kulturellen Umfeldes, da die entscheidenden Innovations- und Wachstumsdeterminanten<br />
in einer globalisierten Welt nicht diejenigen sind, die ubiquitär verfügbar sind, sondern die, die<br />
– zumindest temporär – standortgebunden sind.<br />
Carmen Andersson<br />
Dipl.-Volksw. Frank Bickenbach<br />
Dr. Eckhardt Bode<br />
Dr. Dirk Christian Dohse (Leiter)<br />
Dr. Robert Gold<br />
Prof. Aoife Hanley, Ph.D.<br />
Dr. Wan-Hsin Liu<br />
Andrea Schäfer<br />
Dr. Rainer Schweickert<br />
Dr. Andrea Vaona, Ph.D.<br />
assoziiert:<br />
Prof. Dr. Ingrid Ott<br />
Die Forschungsarbeit ist in zwei eng verknüpften Projekten organisiert:<br />
Wissens-Spillover in Industrieländern<br />
In diesem Projekt wird untersucht, wie die Ausbreitung neuen Wissens Wachstum und Entwicklung<br />
von Unternehmen in hoch entwickelten Industrieländern beeinflusst. Schwerpunkte der Forschung<br />
liegen auf der Rolle des räumlichen, institutionellen und kulturellen Umfeldes sowie auf den Wechselwirkungen<br />
zwischen Internationalisierung und Innovationsfähigkeit.<br />
Wissensakkumulation und Wachstum in Schwellenländern<br />
In diesem Projekt werden Bestimmungsgründe und Muster von Innovation und Wachstum in Schwellenländern,<br />
die Auswirkungen des weltweiten „knowledge sourcing” <strong>für</strong> Schwellenländer sowie die<br />
Akteure und Triebkräfte hinter internationalen Wissensflüssen analysiert. Ein wichtiges Teilprojekt (mit<br />
Fokus auf China) wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.<br />
Forschungsnetzwerk<br />
Der Forschungsbereich Wissensakkumulation und Wachstum ist Mitglied der folgenden internationalen<br />
Netzwerke:<br />
••<br />
„DIME“ (Dynamics of <strong>Institut</strong>ions and Markets in Europe). In diesem von der EU finanzierten Exzellenznetzwerk<br />
untersuchen Ökonomen, Sozialwissenschaftler und Wirtschaftsgeografen die ökonomischen<br />
und sozialen Konsequenzen der fortschreitenden Globalisierung in wissensbasierten<br />
Gesellschaften.<br />
••<br />
„Megacities-Megachallenge: Informal Dynamics of Global Change“. Dieses von der Deutschen For -<br />
schungsgemeinschaft (DFG) finanzierte Schwerpunktprogramm verbindet Ökonomen und Sozialwissenschaftler<br />
in Deutschland, China und Bangladesh. Der Forschungsschwerpunkt des Programms<br />
liegt auf den Wechselwirkungen zwischen Prozessen des globalen Wandels, insbesondere<br />
Pro zessen der Wissensakkumulation und Wissensausbreitung, und informellen <strong>Institut</strong>ionen und<br />
Pro zessen in megastädtischen Systemen.<br />
13
Forschungshighlight<br />
Wie können China und Indien nachhaltig wachsen?<br />
Autorenporträts<br />
Matthias Weitzel<br />
Forschungsbereich<br />
Umwelt und natürliche Ressourcen<br />
Telefon (0431) 8814-580<br />
E-Mail matthias.weitzel@ifw-kiel.de<br />
Expertise<br />
••<br />
Internationale Klimapolitik<br />
Dr. Sonja Peterson<br />
Wissenschaftliche Geschäftsführerin<br />
(kommissarisch)<br />
Forschungsbereich<br />
Umwelt und natürliche Ressourcen<br />
Telefon (0431) 8814-406<br />
E-Mail sonja.peterson@ifw-kiel.de<br />
Expertise<br />
••<br />
Internationale und europäische Klimaund<br />
Energiepolitik<br />
••<br />
Bioenergie und Landnutzung<br />
••<br />
Umweltpolitische Instrumente<br />
Weitere Expertise<br />
••<br />
Empirische allgemeine Gleichgewichtsanalyse<br />
Die Schwellenländer China und Indien haben in den vergangenen Jahren ein beeindruckendes<br />
Wirtschaftswachstum erzielen können, das sich auch in einem steigenden<br />
Energiebedarf widerspiegelt. Weil die Energiesysteme in beiden Ländern zu einem<br />
Großteil kohlebasiert sind, stiegen auch die chinesischen und indischen CO 2<br />
-Emissionen.<br />
In China führte dies bereits dazu, dass die Pro-Kopf-Emissionen im Jahr 2011<br />
das Niveau eines durchschnittlichen EU-Bürgers erreichten (Olivier et al., <strong>2012</strong>). Durch<br />
zukünftiges Wachstum dürfte sich der Anteil Chinas und Indiens an den globalen Emissionen<br />
von derzeit schon 29 Prozent bzw. 6 Prozent weiter erhöhen.<br />
Gleichzeitig sind China und Indien noch Entwicklungsländer, die lediglich begrenzte Mittel<br />
aufbringen können, um Maßnahmen zur Vermeidung von CO 2<br />
zu finanzieren. Zudem<br />
haben beide Länder historisch gesehen weniger zum Klimawandel beigetragen<br />
als entwickelte Industrieländer. Daher sind beide Länder derzeit nicht bereit, ambitionierten<br />
Emissionsreduktionen zuzustimmen, die auf Kosten zukünftigen Wachstums<br />
gehen könnten. Diese Position ist durch die in Artikel 3.1 der Klimarahmenkonvention<br />
festgehaltene „gemeinsame aber differenzierte Verantwortung“ gedeckt. Bei allen Gemeinsamkeiten<br />
bestehen zwischen China und Indien doch große Unterschiede mit Blick<br />
auf ihren Entwicklungsstand, die von der Klimapolitik zu berücksichtigen sind. So liegen<br />
Wirtschaftsleistung und Emissionen pro Kopf in Indien deutlich unter denen Chinas.<br />
Im Rahmen des <strong>2012</strong> abgeschlossenen EU-<br />
Forschungsprojekts POEM (Policy Options<br />
to engage EMerging Asian Economies in<br />
Post-Kyoto regime), an dem das <strong>IfW</strong> maßgeblich<br />
beteiligt war, wurde daher analysiert,<br />
wie Entwicklungs- und Klimaschutzziele in<br />
Indien und China vereinbar sind und wie beide<br />
Länder in ein internationales Post-Kyoto<br />
Klimaregime eingebunden werden können.<br />
„Durch eine angemessene Allokation<br />
von Emissionsrechten können<br />
die Kosten <strong>für</strong> China und Indien in<br />
einem akzeptablen Rahmen gehalten<br />
werden, so dass dort eine<br />
Klimapolitik nicht auf Kosten der<br />
wirtschaftlichen Entwicklung geht.“<br />
Eine Möglichkeit, China und Indien einzubinden, ist ein internationales Emissionshandelssystem<br />
mit einer entsprechenden Verteilung der Emissionsrechte, das auch eine<br />
Lastenteilung zwischen Industrie- und Schwellen- bzw. Entwicklungsländern zulässt. Zu<br />
einem solchen Emissionshandelssystem gibt es eine Reihe von Vorschlägen, die letztlich<br />
auf einem oder mehreren von vier grundlegenden Gerechtigkeitskriterien basieren:<br />
(1) Egalitär: Alle Menschen haben das gleiche Recht, die Atmosphäre zu nutzen; (2)<br />
Besitzstand: Aktuelle Emissionen begründen ein Recht <strong>für</strong> weitere Emissionen; (3) Verursacherprinzip:<br />
Vermeidungsmaßnahmen müssen vom Verursacher ausgehen; (4) Potenzial:<br />
Länder beteiligen sich nach ihren Fähigkeiten und (finanziellen) Möglichkeiten.<br />
Trägt man die Ergebnisse der Vielzahl existierender Studien zusammen, die analysieren,<br />
welche Emissionsrechte China und Indien unter verschiedenen Gerechtigkeitsgesichtspunkten<br />
erhalten würden (van Ruijven et al., <strong>2012</strong>; Grafik) zeigt sich, dass die Anzahl<br />
der Emissionsrechte <strong>für</strong> China und Indien kurzfristig (bis 2020 oder 2030) eher von den<br />
zugrunde liegenden Gerechtigkeitsprinzipien bestimmt wird. Dagegen hängt die Anzahl<br />
der Rechte in der langen Frist (bis 2050) in erster Linie vom globalen Reduktionsziel ab<br />
und ist weitgehend unabhängig vom Klimaregime. Ambitionierte Emissionsziele, durch<br />
die das 2-Grad-Ziel mit hoher Wahrscheinlichkeit erreicht wird, erfordern, dass die Emis-<br />
14
Wie können China und Indien nachhaltig wachsen?<br />
Forschungshighlight<br />
sionsrechte Chinas im Jahr 2050 um 50–80 Prozent unter den Emis sionen des Jahres 2005<br />
liegen. Emissionen in Indien hingegen dürften weiterwachsen, da diese von einem viel niedrigeren<br />
Ausgangsniveau starten. Zudem zeigt sich, dass unterschiedliche Modellannahmen zu<br />
großen Bandbreiten von Emissionsrechten auch bei ähnlichen Regimen führen. Kritisch sind<br />
insbesondere Annahmen zum Wirtschafts- und Emissionswachstum in China – beides wurde<br />
in früheren Studien systematisch unterschätzt.<br />
Das Emissionsniveau, das einige Studien erst<br />
Emissionsrechte <strong>für</strong> China unter verschiedenen Vorschlägen und Annahmen<br />
<strong>für</strong> das Jahr 2020 prognostizierten, wurde so in<br />
der Realität bereits 2005 erreicht.<br />
Für China und Indien ist es natürlich von besonderer<br />
Bedeutung, welche Kosten sich aus diesen<br />
Emissionsallokationen ergeben. In POEM<br />
wurde mit mehreren Umwelt-Ökonomie-Modellen<br />
ein Kompromissvorschlag („Kontraktion<br />
und differenzierte Konvergenz“) analysiert, der<br />
meh rere Gerechtigkeitsprinzipien berücksichtigt<br />
(Johansson et al., <strong>2012</strong>). Er sieht einen<br />
Übergang von den aktuellen Emissionsniveaus<br />
auf gleiche Pro-Kopf-Emissionen vor, gibt jedoch<br />
Entwicklungsländern zunächst Raum,<br />
ihre wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben<br />
und CO 2<br />
-Emissionen auszuweiten. Die globalen<br />
Emissionen sind dabei durch einen Emissionspfad<br />
vorgegeben, so dass das 2-Grad-<br />
Ziel erreicht werden kann.<br />
Emissionsrechte relativ zu Emissionen ohne Klimapolitik<br />
Egalitär<br />
Besitzstand<br />
Verursacherprinzip<br />
Quelle: Adaptiert aus van Ruijven et al. (<strong>2012</strong>), Übersicht aus 38 Studien.<br />
(finanzielle) Möglichkeiten<br />
Alle<br />
Sowohl <strong>für</strong> China als auch <strong>für</strong> Indien sind die<br />
hierdurch entstehenden Kosten zunächst geringer als die durchschnittlich global anfallenden<br />
Kosten. Die Kosten <strong>für</strong> China steigen jedoch im Zeitverlauf an und liegen 2050 in der Nähe der<br />
globalen Durchschnittskosten. Für Indien sind durch ein solches Klimaregime hingegen keine<br />
großen Kosten zu erwarten: Die meisten Modelle schätzen, dass der Gewinn aus dem Verkauf<br />
der Emissionsrechte die Kosten der Emissionsreduzierung übersteigt.<br />
Um die Emissionen im Vergleich zu einem Szenario ohne Klimapolitik deutlich zu<br />
reduzieren, sind andere Energiesysteme in China und Indien notwendig. In den<br />
Modellsimulationen bedeutet dies, dass die kohlebasierte Energieversorgung, die<br />
in einem Szenario ohne Klimapolitik vorherrscht, durch eine CO 2<br />
-arme ersetzt und<br />
die Energienachfrage durch Effizienzsteigerungen deutlich reduziert wird. Unter<br />
diesen Bedingungen wird die Energienachfrage in China bereits vor 2050 einen<br />
Höhepunkt erreichen, während sie in Indien auch in der Mitte des Jahrhunderts<br />
noch wachsen kann.<br />
Fest steht, dass ohne die Einbindung Chinas und Indiens eine ambitionierte Klimapolitik<br />
und ein Erreichen des 2-Grad-Zieles nicht möglich wären. Durch eine<br />
angemessene Allokation von Emissionsrechten können die Kosten <strong>für</strong> China und<br />
Indien in einem akzeptablen Rahmen gehalten werden, so dass dort eine Klimapolitik<br />
nicht auf Kosten der wirtschaftlichen Entwicklung geht.<br />
Weiterführende Literatur<br />
Daniel J.A. Johansson, Paul L. Lucas, Matthias Weitzel,<br />
Erik O. Ahlgren, A.B Bazaz, Chen Wenyinge, Michel G.J.<br />
den Elzen, Joydeep Ghosh, Maria Grahn, Liang Qiao-<br />
Mei, Sonja Peterson, Basanta K. Pradhan, Bas J. van<br />
Ruijven, P.R. Shukla, Detlef P. van Vuuren und Wei Yi-Ming<br />
(<strong>2012</strong>). Multi-model analyses of the economic and energy<br />
implications for China and India in a post-Kyoto climate<br />
regime. Kieler Arbeitspapiere 1808. <strong>IfW</strong>, Kiel.<br />
Bas J. van Ruijven, Matthias Weitzel, Michel G.J. den<br />
Elzen, Andries F. Hof, Detlef P. van Vuuren, Sonja Peterson<br />
und Daiju Narita (<strong>2012</strong>). Emission allowances and<br />
mitigation costs of China and India resulting from different<br />
effort-sharing approaches. Energy Policy 46: 116–134.<br />
Jos G.J. Olivier, Greet Janssens-Maenhout, Jeroen A.H.W.<br />
Peters. Trends in global CO 2<br />
emissions: <strong>2012</strong> Report.<br />
http://www.pbl.nl/en/publications/<strong>2012</strong>/trends-in-globalco2-emissions-<strong>2012</strong>-report.<br />
Webpage of the Project “Policy Options to engage<br />
Emerging Asian economies in a post-Kyoto regime”<br />
(POEM): http://www.chalmers.se/ee/poem-en/.<br />
15
Forschungshighlight<br />
Zusätzliche landwirtschaft liche Flächen reduzieren<br />
den Klimaschutzeffekt von Biokraftstoffen<br />
Autorenporträts<br />
Dr. Ruth Delzeit<br />
Forschungsbereich<br />
Umwelt und natürliche Ressourcen<br />
Telefon (0431) 8814-405<br />
E-Mail ruth.delzeit@ifw-kiel.de<br />
Expertise<br />
••<br />
Bioenergie und Landnutzung<br />
••<br />
Globale Landnutzungsänderungen<br />
••<br />
Projekt GLUES (Global Assessment of Land<br />
Use Dynamics, Greenhouse Gas Emissions<br />
and Ecosystem Services)<br />
Mareike Lange<br />
Forschungsbereich<br />
Umwelt und natürliche Ressourcen<br />
Telefon (0431) 8814-461<br />
E-Mail mareike.lange@ifw-kiel.de<br />
Expertise<br />
••<br />
Bioenergie und Landnutzung<br />
••<br />
Zertifizierung von Biokraftstoffen<br />
Die globalen Lebensmittelpreise steigen und der Beitrag von Biokraftstoffen dazu wird<br />
nach wie vor kontrovers diskutiert. Vor allem das Potenzial von Biokraftstoffen, Treibhausgasemissionen<br />
(THGE) zu vermeiden, steht dabei im Fokus. Problematisch sind<br />
unter anderem sogenannte „indirekte Landnutzungsänderungen“ (iLUC). Der Beitrag<br />
von Biokraftstoffen zur Reduzierung von THGE wird durch mögliche indirekte Landnutzungsänderungen<br />
(iLUC) in Frage gestellt. Dabei werden THGE indirekt durch andere<br />
landwirtschaftliche Aktivitäten verursacht, die kausal den Biokraftstoffen angerechnet<br />
werden sollten. Diese Debatte ist darauf zurückzuführen, dass die Europäische Kommission<br />
bislang keine Methode vorgeschlagen hat, wie iLUC-Effekte innerhalb der<br />
Nachhaltigkeitskriterien der EU-Richtlinie über Erneuerbare Energien berücksichtigt<br />
werden können.<br />
ILUC ist ein externer Effekt der Förderung von Biokraftstoffen. Der Effekt wird durch<br />
Preisänderungen von Agrarprodukten auf den Weltmärkten hervorgerufen, was vor<br />
allem <strong>für</strong> global gehandelte Nahrungs- und Futtermittel wie Weizen und Ölsaaten<br />
gilt. Der iLUC-Effekt tritt auf, wenn Früchte zur Biokraftstoffproduktion auf Flächen<br />
angebaut werden, die zuvor <strong>für</strong> die Nahrungs- oder Futtermittelproduktion verwendet<br />
wurden. Durch ein geringeres Angebot von Nahrungs- und Futtermitteln auf dem Weltmarkt<br />
steigen deren Preise, was Anreize setzt, ungenutztes Land <strong>für</strong> die Produktion<br />
von Nahrungs- und Futtermitteln zu konvertieren. Dieser indirekte Markteffekt der Biokraftstoffproduktion<br />
wird ausschließlich durch Preissteigerungen von landwirtschaftlichen<br />
Produkten auf globalen oder regionalen Agrarmärkten hervorgerufen.<br />
„Das eigentliche Problem ist eine<br />
unvollständige Emissions bilanzierung<br />
verschiedener Landnutzungspraktiken,<br />
in der ausschließlich Biokraftstoffe<br />
berücksichtigt werden.“<br />
Eine Bewertung und Analyse dieses Markteffekts kann somit auf der Basis von ökonomischen<br />
Simulationsmodellen erfolgen. Eine detaillierte Studie wurde in dem Zusammenhang<br />
von David Laborde (IFPRI) durchgeführt. In dieser Studie werden die<br />
gesamten Landnutzungsänderungen (direkt und indirekt), die durch die EU-Biokraftstoffquote<br />
hervorgerufen werden,<br />
berechnet. Eine Bewertung<br />
und Analyse dieses Markteffekts<br />
ist nicht ganz einfach, denn es<br />
ist methodisch und konzeptionell<br />
nicht möglich, zwischen direkten<br />
und indirekten Effekten<br />
zu unterscheiden. Zudem können<br />
iLUC-Effekte keiner einzelnen<br />
Frucht oder einzelnen Ländern zugeordnet werden, denn die Preiseffekte, die<br />
den iLUC-Effekt hervorrufen, werden ihrerseits durch ein komplexes Wechselspiel<br />
verschiedener Marktmechanismen auf der Angebots- und Nachfrageseite bestimmt.<br />
Rohstoff- oder länderspezifische iLUC-Emissionsfaktoren auszuweisen hat somit keine<br />
vertretbare wissenschaftliche und konzeptionelle Basis.<br />
Ein realisierbarer und effektiver Vorschlag, die gesamten THGE (Emissionen durch<br />
Landnutzungsänderungen und Prozessemissionen), die durch das EU-Mandat verursacht<br />
werden, zu berücksichtigen, ist die Mindestanforderung zur Einsparung von<br />
THGE anzuheben. Diese liegt derzeit bei 35 Prozent, was bedeutet, dass Biokraftstoffe<br />
der Quote der EU-Richtlinie nur dann angerechnet werden, wenn sie verglichen<br />
mit fossilen Energieträgern 35 Prozent THGE einsparen. Eine Erhöhung der<br />
16
Zusätzliche landwirtschaft liche Flächen reduzieren<br />
den Klimaschutzeffekt von Biokraftstoffen<br />
Forschungshighlight<br />
Mindestanforderung auf 50 Prozent würde gewährleisten, dass nur Biokraftstoffoptionen, die<br />
mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit weniger THGE als fossile Energieträger verursachen<br />
und somit zum Klimaschutz beitragen, gefördert werden. Somit würden nur die hinsichtlich<br />
Emissionseinsparungen effizientesten Rohstoffe die Nachhaltigkeitsanforderungen der EU-<br />
Richtlinie einhalten. Gleichzeitig würde dies das Risiko vermeiden, Biokraftstoffe zu fördern,<br />
die ein hohes Risiko haben, mehr THGE als die fossile Alternative zu verursachen.<br />
Die Prozessemissionen verschiedener Biokraftstoffoptionen<br />
unter der Annahme, dass es<br />
keine direkten Landnutzungsänderungen gibt,<br />
werden in der Abbildung dargestellt. Die Abbildung<br />
zeigt, welchen Einfluss unterschiedliche<br />
Mindestanforderungen zur Einsparung von<br />
THGE haben. Neben Standardwerten und typischen<br />
Werten <strong>für</strong> Produktionsemissionen aus<br />
der EU-Richtlinie, werden Produktionsemissio<br />
nen aus der Praxis von International Sustainability<br />
& Carbon Certification (ISCC) abgebildet.<br />
Die roten Linien markieren den aktuellen<br />
35-prozentigen und einen 50-prozentigen Mindestanforderungswert.<br />
Die von der EU angenommenen Standardwerte<br />
reduzieren das mögliche Portfolio an regionalen<br />
und pflanzenspezifischen Rohstoffen zur<br />
Biokraftstoffproduktion. Hauptsächlich würden<br />
die in Deutschland traditionellen Produktionstechnologien<br />
die 50-prozentige Mindestanforderungsgrenze<br />
nicht erfüllen. Gleichwohl schafft der höhere Grenzwert Anreize, modernere<br />
und energieeffizientere Produktionsprozesse einzuführen. Die von ISCC berechneten Emissionswerte<br />
deuten darauf hin, dass die Emissionswerte in der Praxis deutlich unter den Standardwerten<br />
liegen können, wenn Technologien genutzt werden, die auf dem neuesten Stand<br />
sind.<br />
Eine Erhöhung der Mindestanforderung reduziert das Risiko durch den nicht quantifizierbaren<br />
iLUC-Effekt, nicht ausreichende THGE einzusparen. Wenn man eine durchschnittliche THGE<br />
durch iLUC annimmt, sollte eine höhere Mindestanforderung als 35 Prozent verwendet werden<br />
(Abbildung).<br />
Eine regions- und rohstoffunspezifische Mindestanforderung ist die einzige Möglichkeit, iLUC<br />
zu reduzieren, solange nur Biokraftstoffe eine bestimmte Treibhausgasbilanz erfüllen müssen.<br />
Das eigentliche Problem der Regulierung von iLUC ist allerdings eine unvollständige Emissionsbilanzierung<br />
verschiedener Landnutzungspraktiken, in der ausschließlich<br />
Biokraftstoffe berücksichtigt werden. ILUC kann nur direkt vermieden bzw.<br />
kontrolliert werden, wenn die gesamte landwirtschaftliche Produktion Nachhaltigkeitskriterien<br />
und vor allem einer Bilanzierung von THGE unterliegt. Dann<br />
würden alle landwirtschaftlichen Aktivitäten gleichberechtigt hinsichtlich ihrer<br />
Klimabilanz bewertet werden. Die Allokation der Landflächen <strong>für</strong> Nahrungsbzw.<br />
Futtermittel oder Bioenergie würde durch die gesamten THGE bestimmt.<br />
Einsparungen von THGE verschiedener Biokraftstoffoptionen<br />
Emissionsbilanz<br />
gCO2eq / MJ / MJ<br />
120<br />
115<br />
110<br />
105<br />
100<br />
95<br />
90<br />
85<br />
80<br />
75<br />
70<br />
65<br />
60<br />
55<br />
50<br />
45<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Stroh CHP<br />
Anlage<br />
Prozess nicht spezifiziert<br />
Prozess nicht spezifiziert<br />
ISCC (GER)<br />
ISCC (BRA)<br />
Mais Weizen Zuckerrübe Zuckerrohr Soja Raps Ölpalme<br />
EU-RED Standardwerte Emissionen<br />
aus Produktionsprozess<br />
Eigene Darstellung basierend auf EU-RED 2008, ISCC<br />
Quelle: Eigene Darstellung basierend auf EU-RED 2008, ISCC.<br />
ISCC (ARG)<br />
Biokraftstoffoptionen<br />
EU-RED typische Werte Emissionen<br />
aus Produktionsprozess<br />
ISCC (EU)<br />
Prozess nicht spezifiziert<br />
Weiterführende Literatur<br />
ISCC (kein<br />
Methanauffang<br />
Laborde, David (2011). Assessing the Land Use<br />
Change Consequences of European Biofuel Policies.<br />
Final Report prepared for the European Commission<br />
DG Trade. Implementing Framework Contract<br />
No TRADE/07/A2. http://trade.ec.europa.eu/doclib/<br />
docs/2011/october/tradoc_148289.pdf.<br />
Lange, Mareike, und Ruth Delzeit (<strong>2012</strong>). EU Biofuel<br />
Policies and The Regulation of Indirect Land Use<br />
Change. Kieler Arbeitspapiere 1768. <strong>IfW</strong>, Kiel.<br />
Prozess nicht spezifiziert<br />
Methanauffang<br />
Emissionseinsparung<br />
Emissionseinsparung<br />
im Vergleich im Vergleich zu zu<br />
fossilem fossilem Kraftstoff<br />
Methanauffang<br />
Fossiler Kraftstoff<br />
ISCC individuell ermittelte Emissionen<br />
aus Produktionsprozess<br />
0%<br />
35%<br />
50%<br />
17
Das <strong>IfW</strong> im Überblick<br />
Forschungsbereich<br />
Umwelt und natürliche Ressourcen<br />
Christine Bertram<br />
Dr. Alvaro Calzadilla<br />
Dr. Ruth Delzeit<br />
Dipl.-Ök. Nadine Heitmann<br />
Angela Husfeld<br />
Prof. Gernot Klepper, Ph.D. (Leiter)<br />
Carola Kniebes<br />
Angela Kopmann<br />
Mareike Lange<br />
Christine Merk<br />
Daiju Narita, Ph.D.<br />
Dr. Sonja Peterson<br />
Sebastian Petrick<br />
Andreas Pondorfer<br />
Gert Pönitzsch<br />
Prof. Dr. Katrin Rehdanz<br />
Dr. Wilfried Rickels<br />
Matthias Weitzel<br />
Der Forschungsbereich „Umwelt und natürliche Ressourcen“ untersucht einzel- und gesamtwirtschaftliche<br />
Anpassungsprozesse an globale und länderspezifische Knappheiten natürlicher Ressourcen. Natürliche<br />
Ressourcen umfassen energetische und nicht-energetische Rohstoffe sowie Umweltqualität.<br />
Gegenstand der Forschung ist dabei sowohl die Analyse der Bestimmungsgründe <strong>für</strong> die zunehmende<br />
Knappheit natürlicher Ressourcen als auch der Auswirkungen dieser Knappheit auf die Allokation von<br />
Faktoren und Gütern in der <strong>Weltwirtschaft</strong>. Besonderes Gewicht wird dabei auf die Wertung der nationalen<br />
und internationalen Aspekte von Umweltpolitik und die Erarbeitung von Vorschlägen <strong>für</strong> den Einsatz rationaler<br />
und effizienter umweltpolitischer Instrumente gelegt. Traditionell liegt der Fokus dabei insbesondere<br />
auf dem Klimawandel und der Klimapolitik, was sich auch in den aktuellen thematischen Schwerpunkten<br />
widerspiegelt:<br />
Internationale Klimapolitik<br />
In diesem Schwerpunkt geht es um die Analyse aktueller Politikvorschläge auf europäischer und internationaler<br />
Ebene. Politiken, die im Hinblick auf ihre Effekte und der optimalen Ausgestaltung analysiert wurden<br />
und werden sind insbesondere das Europäische Emissionshandelsystem (EHS), Maßnahmen, die mit<br />
dem Kyoto-Protokoll verbunden sind, Schnittstellen zur WTO sowie nachhaltiges Fischerei management.<br />
Bioenergie und Landnutzung<br />
Die ökonomische Analyse und Bewertung von Bioenergie ist seit mehreren Jahren ein wichtiger Schwerpunkt<br />
des Forschungsbereichs. Zunehmend rückt dabei die Landnutzungskonkurrenz z.B. mit der Nahrungsmittelproduktion<br />
in den Vordergrund. Um Landnutzungskonflikte und die Rolle der Bioenergie <strong>für</strong><br />
den Klimaschutz besser analysieren zu können, entwickeln wir einen integrierten Modellverbund. Desweiteren<br />
läuft das Projekt „Landnahmen und nachhaltige Entwicklung“ seit Juli 2010 – in diesem Projekt<br />
beschäftigen wir uns mit großflächigen Landkäufen von ausländischen Investoren in Afrika und deren<br />
Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung.<br />
Rohstoffknappheit<br />
Ein neuer Schwerpunkt des Forschungsbereichs umfasst die Ursachen und Auswirkungen von Rohstoffknappheit.<br />
Zu den aktuellen Themen gehören die strategische Nutzung von Ressourcen (z.B. seltene<br />
Erden), Bewirtschaftung der Fischbestände, Determinanten der Energieeffizienz in Deutschland, Perspektiven<br />
der marinen Bodenschätze usw.<br />
Ökonomische Bewertung des Ozeans<br />
Die Ozeane spielen <strong>für</strong> den Klimawandel eine große Rolle. Dennoch werden die Managementoptionen <strong>für</strong><br />
den ozeanischen Kohlenstoffkreislauf in ökonomischen Analysen bislang kaum berücksichtigt. Der Forschungsbereich<br />
beschäftigt sich im Rahmen des interdisziplinären Kieler Excellence Clusters „Die Zukunft<br />
des Ozeans“ mit diesem Themenkomplex.<br />
Das Kiel Earth <strong>Institut</strong>e (KEI)<br />
Das KEI ist eine Initiative des Leibniz-<strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> Meereswissenschaften an der Universität Kiel (IFM-<br />
GEOMAR) und dem <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Weltwirtschaft</strong>. Das KEI ist ein virtuelles <strong>Institut</strong>, in dem wichtige Themen<br />
des globalen Wandels und seiner ökologischen, ökonomischen und sozialen Folgen identifiziert, erforscht<br />
und behandelt werden. Beim KEI steht die Zusammenarbeit von Forschern verschiedener Disziplinen<br />
und Entscheidungsträgern aus Politik und Wirtschaft im Vordergrund, um praktische Lösungsansätze zu<br />
entwickeln.<br />
18
Geberkoordinierung: Kaum Fortschritte seit<br />
der Pariser Erklärung<br />
Forschungshighlight<br />
Mit der im März 2005 verabschiedeten Pariser Erklärung hat die Gebergemeinschaft<br />
sich erstmals explizit dazu verpflichtet, Maßnahmen zur Verbesserung der internationalen<br />
Politikkoordination im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) zu ergreifen.<br />
Sie folgt damit der Erkenntnis, dass die Zersplitterung in zahlreiche, großenteils<br />
miteinander unverbundene Programme und Projekte zu hohen Transaktionskosten<br />
führt und damit die Effektivität der EZ beeinträchtigt. Konkret haben die beteiligten Geber<br />
in der Pariser Erklärung angekündigt, durch abgestimmtes Handeln kostspielige<br />
Doppelaktivitäten in den Partnerländern zu vermeiden und sich gemäß ihrer jeweiligen<br />
komparativen Vorteile auf bestimmte Partnerländer und dort wiederum auf bestimmte<br />
Sektoren wie etwa Bildung, Landwirtschaft oder Infrastruktur zu konzentrieren.<br />
Versprochen wurden also mehr Koordinierung und eine stärkere Spezialisierung in der<br />
EZ. Aber das Verhalten der Geber hat sich durch die Pariser Erklärung nicht signifikant<br />
verändert, wenn man zwei Kriterien heranzieht: den Grad der Spezialisierung auf<br />
bestimmte Sektoren bzw. Empfängerländer sowie den Grad der Überschneidung zwischen<br />
den Aktivitäten der einzelnen Geber. Diese ernüchternde Erkenntnis ergibt sich<br />
aus einer Analyse über den Zeitraum von 1998 bis 2009 und <strong>für</strong> 19 Geber – alle größeren<br />
Mitglieder des Development Assistance Committee der OECD sowie die zwei<br />
größten multilateralen Geber (EU und IDA), die ausnahmslos zu den Unterzeichnern<br />
der Pariser Erklärung gehören. Für jeden einzelnen dieser Geber dienen die getrennt<br />
erfassten Hilfszusagen <strong>für</strong> 24 Sektoren in 140 Empfängerländern als Grundlage <strong>für</strong> die<br />
Berechnung der Spezialisierungs- und Überschneidungsgrade.<br />
Schon eine einfache Betrachtung der beiden Indikatoren über die Zeit ist aufschlussreich:<br />
Beim Spezialisierungsgrad lassen sich <strong>für</strong> die Mehrzahl der Geber keine nennenswerten<br />
Veränderungen zwischen der ersten und zweiten Hälfte der 2000er Jahre<br />
erkennen. Immerhin scheint es Deutschland, Großbritannien und Italien gelungen<br />
zu sein, ihrer EZ einen etwas stärkeren Fokus auf bestimmte Länder und Sektoren<br />
zu geben. Aber mit der Ausnahme<br />
Dänemarks sind alle großen<br />
Geber nach wie vor in fast allen<br />
potenziellen Empfängerländern<br />
mit Hilfsprojekten vertreten. Ein<br />
einheitliches Bild ergibt sich hinsichtlich<br />
des Überschneidungsgrades<br />
zwischen den Gebern:<br />
Konträr zu dem, was versprochen<br />
wurde, weisen alle 19 untersuchten<br />
Geber nach der Pariser Erklärung einen höheren Grad an Überschneidungen mit<br />
den Hilfsprogrammen der anderen Geber auf als zuvor.<br />
„Konträr zu dem, was versprochen wurde,<br />
weisen alle 19 untersuchten Geber<br />
nach der Pariser Erklärung einen höheren<br />
Grad an Überschneidungen mit den<br />
Hilfsprogrammen der anderen Geber<br />
auf als zuvor.“<br />
Da die beobachtbaren Veränderungen im Spezialisierungs- und Überschneidungsgrad<br />
der EZ auf eine ganze Reihe von Faktoren zurückzuführen sein könnten, liefert<br />
erst eine ökonometrische Analyse belastbare Erkenntnisse über den Einfluss der Pariser<br />
Erklärung auf das Verhalten der Geber. So ergibt sich zum Beispiel eine stärkere<br />
Spezialisierung durch den Wechsel einiger Geber von Projektfinanzierungen zu allgemeiner<br />
Budgethilfe. Hingegen lässt sich kein davon unabhängiger Effekt der Pariser<br />
Erklärung nachweisen. Genauer gesagt zeigt sich in keinem Folgejahr eine statistisch<br />
Autorenporträts<br />
Dr. Peter Nunnenkamp<br />
Forschungsbereiche<br />
••<br />
Die internationale Arbeitsteilung<br />
••<br />
Armutsminderung und Entwicklung<br />
Telefon (0431) 8814-209<br />
E-Mail peter.nunnenkamp@ifw-kiel.de<br />
Expertise<br />
••<br />
Determinanten und Effekte ausländischer<br />
Direktinvestitionen<br />
••<br />
Determinanten und Effekte von Entwicklungshilfe<br />
Hannes Öhler<br />
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am<br />
Lehrstuhl <strong>für</strong> Internationale Wirtschaftsund<br />
Entwicklungspolitik<br />
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg,<br />
Alfred-Weber-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Wirtschaftswissenschaften<br />
Telefon (06221) 543 739<br />
E-Mail hannes.oehler@awi.uni-heidelberg.de<br />
Expertise<br />
••<br />
Entwicklungshilfe<br />
••<br />
NichtRegierungs-Organisationen (NGOs)<br />
19
Forschungshighlight<br />
Geberkoordinierung: Kaum Fortschritte seit der Pariser Erklärung<br />
Autorenporträts Fortsetzung<br />
Prof. Dr. Rainer Thiele<br />
Leiter des Forschungsbereichs<br />
Armutsminderung und Entwicklung<br />
Telefon (0431) 8814-215<br />
E-Mail rainer.thiele@ifw-kiel.de<br />
Expertise<br />
••<br />
Der informelle Sektor in Afrika südlich<br />
der Sahara<br />
••<br />
Allokation und Effektivität der Entwicklungszusammenarbeit<br />
Weitere Expertise<br />
••<br />
Die Analyse breitenwirksamen Wachstums<br />
••<br />
Ländliche Entwicklung<br />
signifikante Spezialisierung gegenüber dem Vergleichsjahr 2004, wenn man die Verteilung<br />
der Hilfe aller 19 Geber nach Empfängerländern und Bereichen analysiert und<br />
dabei um andere Faktoren kontrolliert. Die Geber haben sich insgesamt also nicht<br />
an das Versprechen gehalten, sich gemäß ihrer komparativen Vorteile auf bestimmte<br />
Sektoren und Länder zu konzentrieren.<br />
Umso wichtiger wäre eine stärkere Koordinierung zwischen den Gebern gewesen.<br />
Auch in dieser Hinsicht hat die Pariser Erklärung aber wenig bewirkt, wenn der Effekt<br />
aller sonstigen Einflüsse herausgerechnet wird. So haben zum Beispiel Faktoren<br />
wie die verstärkte Budgethilfe an Empfängerländer mit relativ günstigen Rahmenbedingungen<br />
sowie die verbreiteten Schuldenerleichterungen <strong>für</strong> ausgewählte Länder<br />
zu größeren Überschneidungen beigetragen, ohne dass dies der Pariser Erklärung<br />
anzulasten wäre. Der von all diesen Faktoren isolierte Effekt der Pariser Erklärung<br />
wird in dem Diagramm gezeigt. Demnach ist es in den Folgejahren gegenüber 2004<br />
nicht zu einer stärkeren Geberkoordination gekommen. Vielmehr sind alle jährlichen<br />
Abweichungen seit der Pariser Erklärung positiv und statistisch signifikant, was eine<br />
Zunahme der Überschneidungen gegenüber 2004 bedeutet.<br />
Die nicht eingelösten Versprechen der Pariser Erklärung werden verständlich vor dem<br />
Hintergrund der komplizierten politischen Ökonomie, durch die das System der internationalen<br />
EZ gekennzeichnet ist. Die Geberinstitutionen sind letztendlich den inländischen<br />
Steuerzahlern verantwortlich, die in der Regel nicht über die notwendigen<br />
Informationen verfügen, um den Erfolg spezifischer Vorhaben der EZ beurteilen zu<br />
können. Die Geber sind deshalb geneigt, eine Vielzahl <strong>für</strong> die Öffentlichkeit deutlich<br />
sichtbarer Projekte durchzuführen, um ihr Engagement zu demonstrieren und die zukünftige<br />
Finanzierung durch den Steuerzahler sicherzustellen.<br />
In der Realität wird zudem der Altruismus der Geber von Eigeninteressen überlagert.<br />
Insbesondere quantitativ bedeutende Geber wie die Vereinigten Staaten und Frankreich<br />
lassen sich von ausgeprägten politischen Interessen leiten und dürften deshalb<br />
kaum dazu zu bewegen sein, einer ambitionierten Agenda zu folgen, die ihren<br />
Handlungsspielraum signifikant einengt. Die stetig steigende Zahl der staatlichen und<br />
nicht staatlichen Akteure in der EZ macht die Lage<br />
Grad der Überschneidung der EZ von 19 Gebern: Abweichung gegenüber 2004 noch komplizierter. Dadurch verringert sich <strong>für</strong> jeden<br />
einzelnen Akteur der Anreiz, in zeitaufwendige Abstimmungsprozesse<br />
zu investieren, weil der Einfluss<br />
des Einzelnen auf das Endergebnis schwindet. Hinzu<br />
kommt, dass wichtige neue Akteure wie China nur unvollständig<br />
in die relevanten Gremien integriert sind.<br />
Insgesamt ist deshalb in absehbarer Zukunft nicht mit<br />
größeren Fortschritten hin zu mehr Spezialisierung<br />
und besserer Koordinierung in der EZ zu rechnen.<br />
Weiterführende Literatur<br />
Nunnenkamp, Peter, Hannes Öhler und Rainer Thiele.<br />
Donor Coordination and Specialization: Did the Paris<br />
Declaration Make a Difference? Review of World Economics.<br />
Im Erscheinen.<br />
Nunnenkamp, Peter, und Rainer Thiele (2013). Financing<br />
for Development: The Gap between Words and<br />
Deeds since Monterrey. Development Policy Review<br />
31 (1): 75–98.<br />
20
Forschungshighlight<br />
Demokratie in Entwicklungsländern:<br />
Politischer Wandel durch Abwanderung<br />
in den Westen<br />
Wie verändern sich die politischen Machtverhältnisse und <strong>Institut</strong>ionen eines Entwicklungslandes,<br />
wenn Leute abwandern, um im Westen zu arbeiten? Verliert die öffentliche<br />
politische Debatte durch die Abwanderung überwiegend junger und gut ausgebildeter<br />
Köpfe wichtige Impulse <strong>für</strong> die Zukunft? Oder fördert der direkte Kontakt mit<br />
westlichen Demokratien einen kritischen Blick auf das Heimatland und weckt so bei<br />
den Zurückgebliebenen das Bedürfnis nach politischem Wandel?<br />
Bisher werden die Folgen von Abwanderung auf die Politik als einseitiger Prozess<br />
ohne Rückwirkungen gesehen. Mit dem Aufbruch ins Ausland verschwinden Abwanderer<br />
im wahrsten Sinne des Wortes von der Bildfläche und verlieren somit ihre politische<br />
Stimme in der Heimat. Grundannahme dieser von Albert Hirschman in seinem<br />
berühmten Buch Abwanderung und Widerspruch formulierten Theorie ist, dass Abwanderer<br />
vom Ausland aus kaum Möglichkeiten haben, die Verbindungen zu ihrem<br />
Heimatland aufrecht zu erhalten und die politischen Geschicke ihres Heimatlandes mit<br />
zu beeinflussen. Aus dieser statischen Perspektive verringert die Abwanderung von<br />
jungen und gut ausgebildeten Köpfen zwangsläufig das Reformpotenzial eines Landes.<br />
So hat Albert Hirschman zum Beispiel argumentiert, dass die Flüchtlingswellen<br />
der fünfziger und sechziger Jahre aus der DDR in die BRD die politische Opposition in<br />
der DDR geschwächt und damit ungewollt das sozialistische Regime gestärkt haben.<br />
Auch der deutsche Volksmund beschrieb dieses Phänomen, indem er die in der DDR<br />
zurückgebliebene Bevölkerung als „Den Doofen Rest (DDR)“ bezeichnete. Ähnliche<br />
Argumente wurden auch herangezogen, um die Stabilität der politischen Regime Kubas<br />
oder des Iran zu erklären.<br />
Autorenporträt<br />
Dr. Toman Omar Mahmoud<br />
Forschungsbereich<br />
Armutsminderung und Entwicklung<br />
Telefon (0431) 8814-471<br />
E-Mail toman.mahmoud@ifw-kiel.de<br />
Expertise<br />
••<br />
Internationale Migration<br />
••<br />
Entwicklungsmikroökonomie<br />
••<br />
Politische Ökonomie<br />
Allerdings ist fraglich, ob Abwanderung in der heutigen immer mehr zusammenwachsenden<br />
Welt noch den Verlust der politischen Stimme im Heimatland nach sich zieht.<br />
Denn dank der Verfügbarkeit von modernen und günstigen Kommunikations- und<br />
Verkehrsmitteln sind Abwanderer nicht mehr von ihrem Heimatland abgeschnitten.<br />
Vielmehr wirken Abwanderer inzwischen als Brückenbauer zwischen ihrer alten und<br />
neuen Heimat und schaffen grenzübergreifende Netzwerke, über die nicht nur Waren<br />
und Geld, sondern auch Wissen und Ideen ausgetauscht werden. So können Abwanderer<br />
durch regelmäßige Telefonate und Besuche in der Heimat die im Ausland erworbenen<br />
Eindrücke mühelos mit Familienmitgliedern und Freunden im Heimatland<br />
teilen. Der dadurch entstehende Rückfluss von politischen Informationen und Werten<br />
kann das politische Weltbild der Zurückgebliebenen verändern. Welche politischen<br />
Informationen und Werte übermittelt werden, hängt natürlich vom politischen System<br />
des Ziellandes ab. Eine Abwanderung in eine westliche Demokratie würde bei den Zurückgebliebenen<br />
einen kritischen Blick auf das Heimatland fördern und das Bedürfnis<br />
nach politischem Wandel wecken. Eine Abwanderung in ein Land mit autoritären <strong>Institut</strong>ionen<br />
hingegen würde solche Prozesse wohl kaum anstoßen, sondern im Gegenteil<br />
eher den politischen Status Quo festigen.<br />
Eine in Kürze erscheinende <strong>IfW</strong>-Studie untersucht diese Fragestellung am Beispiel<br />
Moldawiens. Moldawien eignet sich aus drei Gründen besonders gut als Fallstudie.<br />
Erstens ist Moldawien ein Land mit einer hohen Abwanderungsrate, das noch dazu<br />
Abwanderung in zwei sehr verschiedene politische Systeme verzeichnet. In den letzten<br />
Jahren haben rund ein Viertel der Moldawier im arbeitsfähigen Alter ihr Heimatland<br />
verlassen. Etwa ein Drittel von ihnen ist nach Westeuropa, die übrigen zwei Drittel<br />
21
Forschungshighlight<br />
Demokratie in Entwicklungsländern:<br />
Politischer Wandel durch Abwanderung in den Westen<br />
(1) Abwanderung nach Westeuropa und Unterstützung der Kommunistischen<br />
Partei in den moldawischen Heimatgemeinden der Abwanderer<br />
Stimmenanteil der Kommunistischen Partei in %, Juli 2009<br />
0 20 40 60 80 100<br />
0 5 10 15 20<br />
Anteil der nach Westeuropa abgewanderten Bevölkerung in %, 2004<br />
größtenteils nach Russland abgewandert. Es ist zu erwarten, dass die aus den westeuropäischen<br />
Demokratien übermittelten Eindrücke sich stark von den Eindrücken aus dem eher<br />
autoritären Russland unterscheiden.<br />
Zweitens ist Moldawien ein Transformationsland<br />
mit einer sehr jungen und noch nicht gefestigten<br />
Demokratie. Es war über Generationen hinweg<br />
sowjetischer Propaganda ausgesetzt. Die Kommunistische<br />
Partei dominierte die politische Landschaft<br />
auch nach der Unabhängigkeit und stellte<br />
von 2001 bis 2009 sogar die Regierung. Während<br />
dieser Zeit wurden die Pressefreiheit und die Unabhängigkeit<br />
der Justiz wiederholt beschnitten.<br />
Aus diesen Gründen sind breite Teile der Bevölkerung<br />
mit der gelebten Praxis von demokratischen<br />
Ideen und Werten noch nicht sehr vertraut. Deswegen<br />
dürfte der durch Abwanderer geschaffene<br />
Kontakt mit Westeuropa neue politische Ideen<br />
und Ideale nach Moldawien bringen.<br />
Drittens war Moldawien als Teil der ehemaligen<br />
Sowjetunion lange Zeit komplett vom Rest der<br />
Welt abgeschnitten und hat bis vor wenigen Jahren so gut wie überhaupt keine Abwanderung<br />
registriert. Erst als Reaktion auf die tiefe Wirtschaftskrise Ende der neunziger Jahre haben<br />
Moldawier begonnen, ihr Land zu verlassen. Es ist somit möglich, die durch die Abwanderung<br />
hervorgerufenen politischen Veränderungen in einem Vorher-Nachher-Vergleich zu analysieren.<br />
(2) Abwanderung nach Russland und Unterstützung der Kommunistischen Partei<br />
in den moldawischen Heimatgemeinden der Abwanderer<br />
Stimmenanteil der Kommunistischen Partei in %, Juli 2009<br />
0 20 40 60 80 100<br />
0 5 10 15 20<br />
Anteil der nach Russland abgewanderten Bevölkerung in %, 2004<br />
Konkret untersucht die Studie auf der Ebene von<br />
moldawischen Gemeinden, wie die Abwanderung<br />
das Wahlverhalten der in Moldawien zurückgebliebenen<br />
Bevölkerung verändert hat. Im Fokus<br />
steht dabei der Stimmenanteil der Kommunistischen<br />
Partei. Wenn es tatsächlich Rückflüsse von<br />
politischen Informationen und Werten aus dem<br />
Ausland gibt, sollten Gemeinden mit Abwanderung<br />
nach Westeuropa eher gegen die Kommunistische<br />
Partei, also <strong>für</strong> einen politischen Wandel<br />
stimmen. Hingegen sollten Gemeinden mit Abwanderung<br />
nach Russland eher <strong>für</strong> die Kommunistische<br />
Partei, also <strong>für</strong> den politischen Status<br />
Quo stimmen.<br />
Die Hauptergebnisse der Studie sind in den Grafiken<br />
1 und 2 dargestellt. Auf der vertikalen Achse ist jeweils<br />
der Stimmenanteil der Kommunistischen Partei<br />
in den Parlamentswahlen vom Juli 2009 abgetragen. Auf der horizontalen Achse ist in Grafik 1<br />
der Anteil der nach Westeuropa und in Grafik 2 der Anteil der nach Russland abgewanderten Bevölkerung<br />
abgetragen. Die Zahlen zum Anteil der abgewanderten Bevölkerung stammen aus der<br />
Volkszählung von 2004. Jeder Punkt stellt eine moldawische Gemeinde dar.<br />
In Übereinstimmung mit unserer Hypothese zeigen die Grafiken deutlich, dass der Zusammenhang<br />
zwischen Wahlverhalten und Abwanderung von der Zielregion der Abwanderer abhängt.<br />
Eine höhere Abwanderung nach Westeuropa geht mit einem niedrigeren Stimmenanteil <strong>für</strong> die<br />
22
Demokratie in Entwicklungsländern:<br />
Politischer Wandel durch Abwanderung in den Westen<br />
Forschungshighlight<br />
Kommunistische Partei einher (Grafik 1). Ökonometrische Analysen, die die Unterschiede zwischen<br />
den Gemeinden in punkto Gemeindegröße, Altersstruktur, Bildung, ethnischer Zusammensetzung,<br />
Wirtschaftskraft und insbesondere Wahlverhalten vor Beginn der Abwanderung<br />
berücksichtigen und nur benachbarte Gemeinden miteinander vergleichen, bestätigen diesen<br />
Zusammenhang. Danach verringert die Abwanderung von einem Prozent der Bevölkerung<br />
nach Westeuropa den Stimmenanteil der Kommunistischen Partei unter der zurückgebliebenen<br />
Bevölkerung um etwa 0,7 Prozentpunkte. Dieses Ergebnis ist bemerkenswert, denn es legt den<br />
Schluss nahe, dass die Abwanderung einer der Kommunistischen Partei vermutlich überwiegend<br />
kritisch eingestellten Wählerschaft durch den Rückfluss von politischen Informationen und<br />
Werten aus Westeuropa mehr als kompensiert wird. Besonders stark hat sich das Wahlverhalten<br />
in Gemeinden verändert, in denen große Bevölkerungsanteile ein niedriges Bildungsniveau<br />
aufweisen oder zu Zeiten der Sowjetunion aufgewachsen sind. Diese Ergebnisse sprechen<br />
da<strong>für</strong>, dass das Wahlverhalten sich aufgrund<br />
des Rückflusses von politischen Informationen<br />
und Werten verändert hat. Denn deren<br />
Informationswert sollte <strong>für</strong> derartige Gemeinden<br />
besonders hoch sein.<br />
„Insgesamt hat die durch die Abwanderung<br />
nach Westeuropa hervorgerufene Veränderung<br />
des Wahlverhaltens in Moldawien der<br />
Kommunistischen Partei drei Prozentpunkte<br />
Stimmenanteil gekostet.“<br />
Hingegen geht eine höhere Abwanderung<br />
nach Russland mit einem höheren Stimmenanteil<br />
<strong>für</strong> die Kommunistische Partei einher (Grafik 2). Die Abwanderung von einem Prozent<br />
der Bevölkerung nach Russland erhöht den Stimmenanteil der Kommunistischen Partei<br />
unter der zurückgebliebenen Bevölkerung um etwa 0,4 Prozentpunkte.<br />
Weitere Analysen zeigen, dass sich nicht nur das Wahlverhalten verändert hat. Bewohner<br />
von Gemeinden mit hohen Abwanderungsraten nach Westeuropa haben zunehmend weniger<br />
Vertrauen in staatliche Medien und sehen Einmischungen des Staates in die Wirtschaft des<br />
Landes immer kritischer. Somit hat die Abwanderung in den Westen zu einem tiefgreifenden<br />
politischen Wandel in Moldawien beigetragen.<br />
Insgesamt hat die durch die Abwanderung nach Westeuropa hervorgerufene Veränderung<br />
des Wahlverhaltens in Moldawien der Kommunistischen Partei 3 Prozentpunkte Stimmenanteil<br />
gekostet und war damit entscheidend <strong>für</strong> die Abwahl der kommunistischen Regierung<br />
im Juli 2009. Seitdem regiert in Moldawien eine liberale Koalition der bisherigen Oppositionsparteien.<br />
Sie tritt <strong>für</strong> eine Integration Moldawiens in Europa ein und hat bereits einige<br />
politische und wirtschaftliche Reformen eingeleitet. So bescheinigte die Europäische Union<br />
Moldawien kürzlich gute Fortschritte bei der Verbesserung der Qualität von <strong>Institut</strong>ionen, der<br />
Pressefreiheit und dem Investitionsklima, und die Weltbank zählt Moldawien zu den größten<br />
Reformern weltweit.<br />
Am Beispiel von Moldawien zeigen diese Ergebnisse, dass Abwanderung in Zeiten von zunehmend<br />
globaler werdenden Arbeitsmärkten wichtige politische Effekte nach sich ziehen<br />
kann. Vor allem kann Abwanderung in Länder mit etablierten Demokratien dazu beitragen,<br />
dass sich demokratische Werte in Herkunftsländern mit noch jungen Demokratien verbreiten<br />
und festigen. Einwanderungsländer wie die USA und viele europäische Staaten sollten diese<br />
Effekte in ihren Einwanderungspolitiken berücksichtigen, um den politischen Wandel im Ausland<br />
auch in ihrem Sinne voranzutreiben.<br />
Weiterführende Literatur<br />
Omar Mahmoud, Toman, Hillel Rapoport, Andreas<br />
Steinmayr und Christoph Trebesch. Emigration and<br />
Political Change. Im Erscheinen.<br />
23
Das <strong>IfW</strong> im Überblick<br />
Forschungsbereich<br />
Armutsminderung und Entwicklung<br />
David Bencek<br />
Marcus Böhme<br />
Christiane Gebühr<br />
Linda Kleemann<br />
Prof. Dr. Matthias Lücke<br />
Prof. Dr. Lukas Menkhoff<br />
Dr. Peter Nunnenkamp<br />
Dr. Toman Omar Mahmoud<br />
Dr. Rainer Schweickert<br />
Tobias Stoehr<br />
Prof. Dr. Rainer Thiele (Leiter)<br />
Prof. Dr. Manfred Wiebelt<br />
assoziiert:<br />
Aslihan Arslan, Ph.D.<br />
Prof. Dr. Jann Lay<br />
Mit weltweit mehr als zwei Milliarden Menschen, die von weniger als zwei US-Dollar pro<br />
Tag leben müssen, stellt die absolute Armut eines der dringlichsten sozialen Probleme<br />
der Gegenwart dar. Die Vereinten Nationen haben dementsprechend die Halbierung der<br />
absoluten Armut bis 2015 als zentrales Millenniumsentwicklungsziel formuliert. Vor diesem<br />
Hintergrund werden im Forschungsbereich vorwiegend empirische Analysen zu aktuellen<br />
entwicklungspolitischen Fragestellungen durchgeführt.<br />
Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf Themen, die mit der Integration der Entwicklungsund<br />
Transfor ma tionsländer in die <strong>Weltwirtschaft</strong> zusammenhän gen. So wird zum Beispiel<br />
untersucht, welche Ver teilungswirkungen Rücküberweisungen von Mi gran ten in den Heimatländern<br />
haben und ob die Ent wicklungshilfe einen Beitrag zur Erreichung der Millenniumsentwicklungsziele<br />
leisten kann. Fragen, die sich aus der Spezialisierung vieler<br />
Entwicklungsländer auf die Landwirtschaft und die Ausbeutung mineralischer Ressourcen<br />
ergeben, nehmen ebenfalls einen breiten Raum ein.<br />
Um die internationale Forschungszusammenarbeit und den Austausch zwischen Wissenschaftlern<br />
und Praktikern der Entwicklungszusammenarbeit zu fördern, unterhält unser<br />
Forschungsbereich das „Poverty Reduction, Equity, and Growth Network“ (PEGNet).<br />
Als Research Associate sind Aslihan Arslan (FAO, Rom) und Jann Lay (Universität Göttingen<br />
und GIGA Hamburg) dem Forschungsbereich verbunden. Enge Forschungskooperationen<br />
bestehen darüber hinaus mit Clemens Breisinger (IFPRI), Axel Dreher (Universität<br />
Heidelberg), Dierk Herzer (Helmut-Schmidt-Universität Hamburg), Hannes Öhler (Universität<br />
Heidelberg), Pablo Selaya (Universität Kopenhagen) und Christoph Trebesch (LMU<br />
München).<br />
24
Forschungshighlight<br />
Besonders in der Rezession:<br />
Die Arbeitsmoral hochhalten<br />
Über mehrere Jahrzehnte hinweg wurde Deutschland von ständig ansteigenden Arbeitslosenzahlen<br />
geplagt (Grafik 1). Mit jeder Rezession stieg die Arbeitslosenquote<br />
an, um in der darauf folgenden wirtschaftlichen Erholung nur geringfügig zu sinken. So<br />
stieg mit jeder Rezession die Arbeitslosigkeit auf ein neues Tableau – in der Fachwelt<br />
wurde dieser Zusammenhang häufig mit Hysterese betitelt. Erst mit den Arbeitsmarktreformen<br />
Anfang des Jahrtausends konnte dieser Trend umgekehrt werden.<br />
Lange Zeit wurde Hysterese in der Arbeitslosigkeit nur mit den relativ rigiden Arbeitsmärkten<br />
in Europa in Verbindung gebracht. Der sehr viel dynamischere US-amerikanische<br />
Arbeitsmarkt kannte derartige Probleme nicht. Im Gegensatz zu Deutschland<br />
führte üblicherweise die Erholung nach einer Rezession zu einem Absinken der Arbeitslosenrate<br />
auf den ursprünglichen Wert. Nicht so jedoch in der aktuellen Situation.<br />
Wie Grafik 2 illustriert, blieben die Beschäftigungszahlen nach der jüngsten Rezession<br />
auf überraschend beständig niedrigem Niveau.<br />
Wodurch können derartige Entwicklungen in der Arbeitslosenquote erklärt werden? In<br />
einer jüngsten Studie zeigen wir eine mögliche Erklärung auf, die bislang ignoriert wurde.<br />
Die Einstellung der Bürger zur Arbeit kann sich während einer lang anhaltenden<br />
Rezession ändern und so zu dauerhaften Effekten führen.<br />
Für die Analyse haben wir aktuelle Ergebnisse der empirischen Forschung zur Zufriedenheit<br />
von Arbeitslosen berücksichtigt. Diese Forschung zeigt, dass Arbeitslose<br />
erhebliche Einbußen in der Lebenszufriedenheit verzeichnen. Die Effekte sind sehr<br />
groß und fallen sogar stärker ins Gewicht als die Einkommensverluste. Es zeigen sich<br />
jedoch auch erhebliche Unterschiede zwischen den Arbeitnehmern. Arbeitnehmer, die<br />
schon öfter arbeitslos waren, oder deren Freunde auch arbeitslos sind, verzeichnen<br />
geringere Verluste in der Zufriedenheit. Arbeitslose, die unter stärkerer Unzufriedenheit<br />
leiden, kehren schneller wieder ins Erwerbsleben<br />
zurück. Schließlich gibt es auch<br />
„Unter diesen Bedingungen<br />
kann eine lang anhaltende<br />
Rezession dazu führen, dass<br />
Menschen ihre vormals hohe<br />
Arbeitsmoral verlieren, wenn<br />
sie arbeitslos werden.“<br />
Hinweise auf Gewöhnungseffekte: Je länger<br />
ein Mensch arbeitslos ist, desto geringer wird<br />
die Unzufriedenheit.<br />
So wenig überraschend diese Ergebnisse<br />
sind, so werden sie doch in der bisherigen<br />
Arbeitsmarkttheorie weitestgehend ignoriert.<br />
Ganz im Gegenteil, wird sogar meist angenommen,<br />
dass viele Menschen nur sehr ungern<br />
arbeiten. Arbeitslose verspüren daher keinerlei Unzufriedenheit. Da ferner meist<br />
angenommen wird, dass sich Arbeitnehmer gegen den Verlust an Einkommen perfekt<br />
versichern können, stellen sich Arbeitslose sogar besser – sie können mehr Freizeit<br />
genießen.<br />
Wir versuchen nun, die oben diskutierten empirischen Ergebnisse ernst zu nehmen,<br />
indem wir in unserem Modell Arbeitnehmer mit unterschiedlichen Identitäten unterstellen.<br />
Auf der einen Seite gibt es Arbeitnehmer mit einer hohen Arbeitsmoral. Sie verspüren<br />
große Unzufriedenheit während einer Arbeitslosigkeit, weil sie dem Ideal ihrer<br />
sozialen Gruppe – einen Job zu haben – nicht entsprechen. Sie werden alles daran<br />
Autorenporträts<br />
Wolfgang Lechthaler, Ph.D.<br />
Forschungsbereiche<br />
••<br />
Globalisierung und Wohlfahrtsstaat<br />
••<br />
Makroökonomische Politik<br />
in unvollkommenen Märkten<br />
Telefon (0431) 8814-272<br />
E-Mail wolfgang.lechthaler@ifw-kiel.de<br />
Expertise<br />
••<br />
Geldtheorie und Geldpolitik<br />
••<br />
Arbeitsmarktökonomik<br />
••<br />
Außenhandelstheorie<br />
Prof. Dennis J. Snower, Ph.D.<br />
Präsident des <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> <strong>Weltwirtschaft</strong><br />
Lehrstuhl <strong>für</strong> Theoretische Volkswirtschaftslehre,<br />
CAU Kiel<br />
Forschungsbereiche<br />
••<br />
Globalisierung und Wohlfahrtsstaat<br />
••<br />
Makroökonomische Politik<br />
in unvollkommenen Märkten<br />
Telefon (0431) 8814-236<br />
E-Mail dennis.snower@ifw-kiel.de<br />
Expertise<br />
••<br />
Arbeitslosigkeit und Beschäftigungspolitik<br />
••<br />
Inflation, Geld- und Fiskalpolitik<br />
••<br />
Soziale- und Identitäts-Ökonomik<br />
••<br />
Reform des Wohlfahrtsstaates<br />
••<br />
Organisatorischer Wandel<br />
25
Forschungshighlight<br />
Besonders in der Rezession: die Arbeitsmoral hochhalten<br />
setzen, wieder eine Arbeitsstelle zu bekommen und sind bereit, da<strong>für</strong> auch Lohneinbußen<br />
hinzunehmen.<br />
Auf der anderen Seite gibt es Arbeitslose, die sich mit ihrer Situation abgefunden haben.<br />
Sie identifizieren sich nicht mehr mit der Gruppe der hohen Arbeitsmoral, sondern mit ihren<br />
ebenfalls arbeitslosen Freunden und Nachbarn bzw. ist es ihnen<br />
gelungen, sich mit den neuen Lebensumständen zu arrangieren.<br />
(1) Arbeitslosenquote in Deutschland, 1965–2010<br />
Sie verspüren nicht mehr die hohe Unzufriedenheit der Gruppe<br />
mit hoher Arbeitsmoral und haben daher ein geringeres Bestreben,<br />
einen neuen Job zu finden und daher auch eine geringere<br />
Wahrscheinlichkeit, eine neue Beschäftigung zu finden.<br />
Unter diesen Bedingungen kann eine lang anhaltende Rezession<br />
dazu führen, dass Menschen ihre vormals hohe Arbeitsmoral verlieren,<br />
wenn sie arbeitslos werden. Während eines Booms t ist<br />
dies nicht der Fall, weil sich die Arbeitnehmer relativ sicher sein<br />
können, rasch wieder Arbeit zu finden. Während einer Rezession<br />
sinken jedoch die Chancen auf einen Arbeitsplatz erheblich.<br />
Menschen, die in dieser Situation arbeitslos werden und voraussehen,<br />
dass ihre Chancen auf Wiederbeschäftigung auf absehbare<br />
Zeit sehr gering sein werden, unterliegen einem hohen Risiko,<br />
sich mit der Situation abzufinden und ihre hohe Arbeitsmoral<br />
zu verlieren.<br />
(2) Beschäftigungsquote in den USA, 2004–<strong>2012</strong><br />
Das Beunruhigende an diesem Effekt ist, dass er möglicherweise<br />
permanent ist. Selbst nachdem die Rezession vorüber ist und<br />
sich der Beschäftigungsmarkt wieder erholt hat, werden einige<br />
Menschen nicht zurück zu einer hohen Arbeitsmoral finden, da<br />
sie sich an den neuen Lebensstil gewöhnt haben und sich nur<br />
sehr schwer wieder in das reguläre Erwerbsleben integrieren<br />
können.<br />
Für die Politik bedeutet das: Gelingt es dem Staat durch geeignete<br />
Interventionen den Verlust der Arbeitsmoral zu verhindern, so<br />
sind die positiven Effekte sehr groß.<br />
Arbeitnehmer, die einmal ihre Arbeitsmoral verloren haben, sind<br />
nur sehr schwer wieder zu integrieren. Es sollte daher frühzeitig<br />
bei den Ursachen angesetzt werden.<br />
Weiterführende Literatur<br />
Lechthaler, Wolfgang, und Dennis J. Snower (<strong>2012</strong>).<br />
Worker Identity, Employment Fluctuations and Stabilization<br />
Policy. Unveröffentlichtes Manuskript.<br />
26
Das <strong>IfW</strong> im Überblick<br />
Makroökonomische Politik in unvollkommenen Märkten<br />
Forschungsbereich<br />
Unsere Agenda<br />
Moderne Volkswirtschaften sind von einem ständigen Auf und Ab gekennzeichnet.<br />
Auf eine Rezession folgt häufig eine Expansion, wie wir das auch gerade nach der vergangenen<br />
Finanzkrise erleben. Rezessionen sind von besonderem Interesse <strong>für</strong> die Öffentlichkeit und<br />
politische Entscheidungsträger, da sie mit sinkendem Einkommen und höherer Arbeitslosigkeit<br />
verbunden sind. Auf der anderen Seite kann eine Expansion zu einer Überhitzung der Ökonomie<br />
mit inflationärem Druck führen.<br />
In der Forschungsgruppe analysieren wir die Bedeutung von Marktunvollkommenheiten und<br />
<strong>Institut</strong>ionen <strong>für</strong> die konjunkturellen Schwankungen mit Hilfe dynamischer allgemeiner Gleichgewichtsmodelle<br />
und überprüfen die Aussagen theoretischer Modelle anhand empirischer Methoden.<br />
Aus unseren Analysen ergeben sich unmittelbar Empfehlungen <strong>für</strong> die Gestaltung von<br />
Politik, wie z.B. die Frage nach der optimalen Ausrichtung von Geldpolitik bezüglich Inflation<br />
und Arbeitslosigkeit oder die Frage nach der optimalen Höhe der Inflationsrate.<br />
Unsere Expertise<br />
Schwerpunkt Arbeitsmarkt: Wir haben eine mikrofundierte und leicht verständliche Alternative<br />
zum Standard Search-and-Matching-Ansatz entwickelt, um Arbeitslosigkeit zu modellieren. Dieser<br />
Ansatz ist besonders geeignet, um europäische Arbeitsmarktinstitutionen abzubilden.<br />
Heterogenität: Wir berücksichtigen die Heterogenität von Agenten und/oder Technologien. Zum<br />
Beispiel betrachten wir die Unterschiede zwischen neuen und bestehenden Firmen oder die<br />
institutionellen Unterschiede zwischen Ländern.<br />
Globale Perspektive: Wir nutzen Modelle offener Volkswirtschaften, um u.a. die Bedeutung von<br />
asymmetrischen Arbeitsmärkten in einer Währungsunion zu diskutieren oder um die Konsequenzen<br />
von Protektionismus in Krisen aufzuzeigen.<br />
Methodologie: Während die Modellierung von Marktunvollkommenheiten in DSGE-Modellen<br />
unsere Kernkompetenz in theoretischer Sicht ist, bietet uns die intensive Kooperation mit dem<br />
Prognosezentrum des <strong>Institut</strong>es Fachwissen zu empirischen Methoden, wie z.B. VAR-Modellierungen<br />
oder Bayesianischen Schätzungen.<br />
Steffen Ahrens<br />
Dr. Jens Boysen-Hogrefe<br />
Vincenzo Caponi, Ph.D.<br />
Prof. Ester Faia, Ph.D.<br />
Dominik Groll<br />
Ute Heinecke<br />
Dr. Nils Jannsen<br />
Wolfgang Lechthaler, Ph.D. (Leiter)<br />
Dr. Christian Merkl<br />
Mariya Miliva, Ph.D.<br />
Martin Plödt<br />
Christopher Reicher, Ph.D.<br />
Stephen Sacht<br />
Prof. Dr. Joachim Scheide<br />
Tim Schwarzmüller<br />
Prof. Dennis J. Snower, Ph.D.<br />
Mewael F. Tesfaselassie, Ph.D.<br />
Björn van Roye<br />
Dr. Andrea Vaona, Ph.D.<br />
Dr. Henning Weber<br />
Prof. Dr. Maik Wolters<br />
Unser Netzwerk<br />
Der Forschungsbereich organisiert das politikorientierte Netzwerk „Ensuring Economic and Employment<br />
Stability“ (EES), welches sich mit der Verbindung zwischen Konjunkturschwankungen<br />
und Arbeitslosigkeit auseinandersetzt. Das Netzwerk vereint wichtige politische <strong>Institut</strong>ionen,<br />
Forschungszentren und Universitäten in ganz Europa und organisiert regelmäßige Treffen<br />
führender Experten, um aktuelle wissenschaftliche und politikrelevante Themen zu diskutieren.<br />
Unter den Teilnehmern unserer Konferenzen finden sich so prominente Namen wie Chris<br />
Pissarides und Dale Mortensen (beide Gewinner des Nobelpreises 2010), Robert Hall, Robert<br />
Shimer, Lawrence Christiano, Martin Eichenbaum, Jordi Galí, Per Krusell, John Haltiwanger,<br />
Eran Yashiv, Guiseppe Moscarini und Richard Rogerson.<br />
27
Forschungshighlight<br />
Rationale Erwartungen?<br />
Nicht mit historischem Wissen<br />
Autorenporträt<br />
Prof. Dr. Dr. Ulrich Schmidt<br />
Forschungsbereiche<br />
••<br />
Globalisierung und Wohlfahrtsstaat<br />
••<br />
Finanzmärkte und makroökonomische<br />
Aktivität<br />
••<br />
Umwelt und natürliche Ressourcen<br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Volkswirtschaftslehre an der<br />
Christian-Albrechts-Universität, Kiel<br />
Telefon (0431) 8814-337<br />
E-Mail ulrich.schmidt@ifw-kiel.de<br />
Expertise<br />
••<br />
Experimentelle Wirtschaftsforschung<br />
••<br />
Sozialpolitik<br />
••<br />
Entscheidungstheorie<br />
••<br />
Finanzmärkte<br />
Moderne makroökonomische Modelle gehen in der Regel von rationalen Erwartungen<br />
der Marktteilnehmer aus. Es existiert jedoch eine umfangreiche empirische und experimentelle<br />
Evidenz, dass die tatsächliche Erwartungsbildung in der Realität nicht den<br />
strengen Anforderungen rationaler Erwartungen genügt. In der Studie von Roos und<br />
Schmidt (<strong>2012</strong>) wird experimentell untersucht, inwieweit historische Daten in Form<br />
von Charts die Erwartungsbildung verzerren können. Eine mögliche Begründung <strong>für</strong><br />
solch einen verzerrenden Effekt ist durch die bekannte Hypothese des „anchoring and<br />
adjustment“ gegeben: Historische Daten können als Anker fungieren, so dass weitere<br />
relevante Informationen nur unzureichend in der Erwartungsbildung berücksichtigt<br />
werden.<br />
„Im Gegensatz zur Hypothese<br />
rationaler Erwartungen, spielen<br />
Vergangenheitsdaten eine<br />
dominante Rolle bei der Erwartungsbildung.“<br />
Um die Bedeutung von Charts <strong>für</strong> die Erwartungsbildung<br />
zu analysieren, wurde ein Experiment<br />
in drei Gruppen durchgeführt. In allen drei<br />
Gruppen musste die Inflationsrate <strong>für</strong> April und<br />
Mai 2008 vorhergesagt werden. Gute Vorhersagen<br />
wurden dabei monetär entlohnt. Gruppe KI<br />
(keine Information) erhielt <strong>für</strong> die Vorhersage keine<br />
weiteren Informationen. Gruppe VI (volle Information) erhielt dagegen den Chart<br />
der historischen Inflationsrate. Gruppe NC (nur Chart) erhielt dagegen nur den Chart,<br />
ohne dass die Teilnehmer wussten, welche Größe in dem Chart überhaupt abgetragen<br />
ist. Die Präsentation erfolgte wie in der Abbildung. Teilnehmer in der Gruppe NC mussten<br />
die nächsten beiden Punkte der Zeitreihe in der Abbildung schätzen, hatten aber<br />
keinerlei Hinweis darauf, dass es sich dabei um die Inflationsrate handelt. In den Gruppen<br />
KI und VI mussten die Teilnehmer zudem einen Fragebogen ausfüllen, in dem<br />
nach Kenntnissen über wichtige ökonomische Variablen wie Arbeitslosenrate, Goldpreis<br />
oder Dollarkurs gefragt wurde.<br />
Zudem wurden sie nach ihnen<br />
Ergebnisse des Experiments<br />
bekannten Schätzungen <strong>für</strong> die zukünftige<br />
Inflationsrate befragt.<br />
1 Monat 2 Monate<br />
Die Ergebnisse des Experiments<br />
M SD M SD<br />
sind in der Tabelle dargestellt, wobei<br />
M den Mittelwert und SD die<br />
KI 2,60 1,44 2,65 1,36<br />
VI 3,20 0,77 3,10 0,83<br />
Standardabweichung bezeichnet.<br />
Beschränken wir uns auf den Vorhersagezeitraum<br />
<strong>für</strong> einen Monat,<br />
NC 3,20 0,41 3,04 0,45<br />
dann sieht man, dass die Probanden<br />
im Durchschnitt eine Inflationsrate von 2,60 Prozent erwarten, wenn sie keinerlei<br />
weitere Informationen haben (Gruppe KI). Diese Erwartung beträgt 3,20 Prozent <strong>für</strong><br />
die Gruppe NC, die nur den Chart sieht und keinerlei Information darüber besitzt, dass<br />
es sich dabei um die Inflationsrate handelt. Diese Gruppe kann daher zur Erwartungsbildung<br />
einzig und alleine den Chart verwenden und 3,20 entspricht in etwa der Extrapolation<br />
der beiden letzten Beobachtungen. Interessanterweise sind die Erwartungen<br />
in Gruppe VI im Mittel identisch, d.h. auch hier wird eine Inflationsrate von 3,20 Prozent<br />
erwartet. Dies bedeutet, dass die Erwartungen im Gegensatz zur Hypothese rationaler<br />
Erwartungen allein auf Vergangenheitsdaten beruhen und ökonomische Kenntnisse,<br />
28
Rationale Erwartungen? Nicht mit historischem Wissen<br />
Forschungshighlight<br />
Der Chart in der Gruppe NC<br />
Y<br />
.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5<br />
Größe Y<br />
0 12 24 36 48 60<br />
Zeit<br />
Abbildung 2<br />
Informationen und Erwartungen keine Rolle spielen. Da diese letztgenannten Größen in einem<br />
Fragebogen ermittelt wurden, konnte ihr Einfluss auf die Erwartungsbildung im Rahmen<br />
von Regressionsanalysen widerlegt werden. Der einzige Einfluss privater Information ist eine<br />
Erhöhung der Standardabweichung in Gruppe VI im Vergleich zu NC.<br />
Insgesamt zeigt die experimentelle Studie, dass im Gegensatz zur Hypothese rationaler Erwartungen,<br />
Vergangenheitsdaten eine dominante Rolle bei der Erwartungsbildung spielen.<br />
Weiterführende Literatur<br />
Roos, Michael W.M., und Ulrich Schmidt (<strong>2012</strong>). The<br />
Importance of Time Series Extrapolation for Macroeconomic<br />
Expectations. German Economic Review 13:<br />
196–210.<br />
1<br />
29
Forschungshighlight<br />
Globaler Aktienmarkt: Abhängigkeiten und<br />
Schwankungen nehmen zu<br />
Autorenporträt<br />
Dr. Matthias Raddant<br />
Forschungsbereich<br />
Finanzmärkte und makroökonomische<br />
Aktivität<br />
Telefon (0431) 8814-276<br />
E-Mail matthias.raddant@ifw-kiel.de<br />
Expertise<br />
••<br />
Finanzmärkte<br />
••<br />
Netzwerke<br />
••<br />
Simulation von komplexen Systemen<br />
Ähnlich wie Gütermärkte sind Finanzmärkte heute zum großen Teil internationale<br />
Märkte. Insbesondere institutionelle Anleger investieren in Aktien und andere Anlageformen<br />
auf der ganzen Welt. Die technische Infrastruktur macht es möglich, dass<br />
dabei Investitionen in Sekunden von einem Land abgezogen und in Aktien in einem<br />
anderen Land investiert werden. Diese Offenheit hat die Märkte innerhalb der letzten<br />
Jahrzehnte schrittweise verändert. Investitionen in ausländische Märkte sind immer<br />
weniger geeignet, um sich gegen Schwankungen z.B. im heimischen Markt abzusichern,<br />
da sich diese Schwankungen in viel größerem Ausmaß eben auch in anderen<br />
Märkten wiederfinden. Diese Entwicklung ist zum Teil „natürlicher“ Herkunft, eben weil<br />
unsere Wirtschaftssysteme auch real enger verknüpft sind als in der Vergangenheit.<br />
Die Offenheit der Finanzmärkte birgt allerdings auch die Gefahr, dass sich Änderungen<br />
in den Erwartungen der Anleger, bis hin zu Panik und Kursrutschen, schnell global<br />
verbreiten können, was wiederum Einfluss auf die Realwirtschaft ausübt.<br />
Unzählige Studien haben sich mit dem Nebeneinander von Aktien-, Devisen- und<br />
Geldmärkten beschäftigt; dabei stellt man fest, dass die Indizes der meisten Märkte<br />
sowie die Volatilität, also die Schwankungsbreite,<br />
deutlich korreliert sind. Ausgehend<br />
„Nicht nur die Globalisierung hat<br />
die Abhängigkeiten und Schwankungen<br />
erhöht, sondern die<br />
Märkte sind auch <strong>für</strong> sich alleine<br />
‚stressanfälliger‘ geworden.“<br />
von diesen Studien sind wir in unseren eigenen<br />
Untersuchungen zusammen mit Forschern<br />
an den Universitäten in Tel Aviv und<br />
Boston einen Schritt weiter gegangen und<br />
haben versucht, den globalen Aktienmarkt<br />
als Ganzes zu untersuchen. Dabei haben<br />
wir zunächst in einem zweistufigen Ansatz<br />
die Abhängigkeiten der Aktien innerhalb eines<br />
Marktes untersucht und dann in einem zweiten Schritt gemessen, ob sich in verschiedenen<br />
Märkten zur selben Zeit dieselben Entwicklungen vollziehen.<br />
Dabei kann man feststellen, dass die Märkte nicht nur eine synchrone Entwicklung von<br />
Preisen und deren Schwankungsbreite aufweisen, sondern dass auch Änderungen in<br />
der Korrelationsstruktur innerhalb der einzelnen Märkte oft gleichzeitig stattfinden. Die<br />
Abbildung zeigt dies <strong>für</strong> die Aktienmärkte von Deutschland, Großbritannien, den USA,<br />
Japan, China und Indien. Wie zu erwarten, ist dieser Gleichlauf, zu erkennen an den<br />
ähnlichen vertikalen Mustern, unter den westlichen Märkten stärker ausgeprägt. Japan<br />
nimmt hierbei quasi eine Mittelrolle ein und verhält sich über lange Zeit ähnlich wie die<br />
drei anderen westlichen Märkte, läuft zeitweise aber auch synchron zum indischen<br />
Markt. China nimmt, bedingt durch den restringierten Marktzugang, hier noch eine<br />
Sonderrolle ein.<br />
Eine interessante Beobachtung ist, dass der generelle Anstieg der Volatilität und der<br />
durchschnittlichen Korrelationen innerhalb der einzelnen Märkte nicht mit einem vergleichbaren<br />
Anstieg der Abhängigkeiten zwischen den Märkten einhergeht. Es spricht<br />
also einiges da<strong>für</strong>, dass hier kein reiner Globalisierungseffekt vorliegt, sondern dass<br />
auch die Märkte <strong>für</strong> sich alleine „stressanfälliger“ geworden sind.<br />
Der nächste Schritt <strong>für</strong> dieses Kartographieren des globalen Aktienmarktes ist, die<br />
Beziehungen zwischen einzelnen Aktien in verschiedenen Märkten zu untersuchen.<br />
30
Globaler Aktienmarkt: Abhängigkeiten und Schwankungen nehmen zu<br />
Forschungshighlight<br />
Erste Ergebnisse zeigen, dass sich hier funktionale Gruppen identifizieren lassen und Aktien<br />
4 Results 8<br />
somit verschieden stark von internationalen Einflüssen abhängen. Es zeigt sich außerdem,<br />
dass viele Aktien aus Deutschland und Großbritannien de facto bereits einen gemeinsamen<br />
Markt bilden, also rein anhand ihres Verhaltens kaum mehr unterschieden werden können.<br />
Korrelation der Aktienpreisänderungen<br />
U.S.<br />
Japan<br />
U.K.<br />
India<br />
Germany<br />
China<br />
Die Abbildungen zeigen die Entwicklungen der durchschnittlichen Korrelationen <strong>für</strong> jede Aktie mit allen Aktien des<br />
entsprechenden Fig. 3: Dynamics Marktes <strong>für</strong> of den the Zeitraum intra von correlation.<br />
Januar 2000 bis Dezember For each 2010. market, Jede Aktie wird wedabei usedurch a 22-day eine horizontale<br />
Reihe window, von Punkten and dargestellt; in each blau window steht dabei calculate <strong>für</strong> geringe, rot the <strong>für</strong> intra hohe Werte. correlation. Die sich ergebenden This results vertikalen<br />
Muster zeigen, welche Märkte zeitgleich gleichgerichtete Schwankungen durchleben. Die schwarze Linie zeigt einen<br />
Durchschnitt inüber the alle dynamics Aktien eines Marktes. of the intra correlation for the period of 2000–2010,<br />
for each market separately. Each horizontal line represents the average<br />
correlation of one stock (the left ordinate displays the number of the<br />
stock). The western markets and Japan show a similar behavior, visualized<br />
through vertical stripes at the same time, showing syncronized<br />
waves of strong correlations. The black line shows the average of all<br />
correlations at a given 22-day window. The right ordinate shows the<br />
correlation value. The trend is increasing for all countries exept China.<br />
Weiterführende Literatur<br />
Kenett, Dror Y., Matthias Raddant, Thomas Lux und<br />
Eshel Ben-Jacob (<strong>2012</strong>). Evolvement of Uniformity<br />
and Volatility in the Stressed Global Financial Village.<br />
PLoS ONE 7 (2).<br />
Kenett, Dror Y., Matthias Raddant, Lior Zatlavi, Thomas<br />
Lux und Eshel Ben-Jacob (<strong>2012</strong>). Correlations<br />
and Dependence in the Global Financial Village. Conference<br />
Series. International Journal of Modern Physics<br />
16.<br />
31
Das <strong>IfW</strong> im Überblick<br />
Forschungsbereich<br />
Finanzmärkte und makroökonomische Aktivität<br />
Dr. Jens Boysen-Hogrefe<br />
Christian Freund<br />
Daniel Fricke<br />
Margitta Führmann<br />
Philipp Kolberg<br />
Prof. Dr. Thomas Lux (Leiter)<br />
Mario Maschke<br />
Mattia Montagna<br />
Dr. Matthias Raddant<br />
Prof. Dr. Stefan Reitz<br />
Prof. Dr. Ulrich Schmidt<br />
Der Finanzsektor<br />
Ein komplexes System mit einer Vielzahl interagierender Akteure. Ein gut funktionierender<br />
Finanzsektor ist eine notwendige Voraussetzung <strong>für</strong> das Wachstum einer Volkswirtschaft.<br />
Die Finanzkrise der Jahre 2008/09 hat nachdrücklich gezeigt, wie ein Ausfall einzelner<br />
Komponenten über Dominoeffekte die Funktionsfähigkeit des gesamten Finanzsektors beeinträchtigen<br />
und letztendlich immense Schäden <strong>für</strong> die <strong>Weltwirtschaft</strong> verursachen kann.<br />
Dies unterstreicht die Bedeutung der Entwicklung von Modellen und Diagnoseinstrumenten<br />
zur Analyse und Identifikation der Ursachen von Instabilitäten und gesamtwirtschaftlichem<br />
Risikopotenzial im Finanzbereich.<br />
Das Ziel der Forschungsgruppe ist es, einen Beitrag zu einem tieferen Verständnis der<br />
Struktur von Risiken im Finanzsektor zu leisten. Die untersuchten Themenbereiche beinhalten<br />
die Analyse der Interaktionen zwischen Marktteilnehmern, die Entstehung von<br />
spekulativen Blasen, den Einfluss von kognitiven Verzerrungen auf das Marktverhalten,<br />
und die ökonometrische Analyse der Preisdynamik und des Schwankungsgrades von Finanzaktiva.<br />
Profil<br />
Die Mitglieder des Forschungsbereichs verbindet die Expertise im Bereich der ver hal tensorien<br />
tierten Finanzökonomik, der empirischen Finanzmarktforschung und der experimentellen<br />
Wirtschaftsforschung.<br />
Durch die Verbindung von Erklärungsansätzen und Methoden dieser unterschiedlichen<br />
Forschungsrichtungen resultiert das spezifisch an der Schnittstelle dieser Bereiche angesiedelte<br />
Forschungsprogramm der Arbeitsgruppe.<br />
Aus methodischer Sicht ist die Arbeit des Forschungsbereichs gekennzeichnet durch die<br />
Sicht des Finanzsektors als eines dynamischen Systems mit einer Vielzahl involvierter und<br />
in Wechselwirkung stehender Akteure. Um der komplexen Dynamik des Finanzsektors<br />
gerecht zu werden, verwendet die Arbeitsgruppe neben eher traditionellen ökonomischen<br />
und ökonometrischen Analyseinstrumenten auch neue Methoden der agenten-basierten<br />
Modellierung und der Netzwerkforschung.<br />
Wissenstransfer<br />
Die Arbeiten des Forschungsbereichs werden regelmäßig auf internationalen Konferenzen<br />
präsentiert. Die leitenden Wissenschaftler sind präsent in den Herausgebergremien namhafter<br />
Fachzeitschriften und regelmäßig Mitorganisatoren von internationalen Konferenzen<br />
und Workshops (u.a. zu den Lehren der gegenwärtigen Finanzkrise).<br />
Einer breiteren Öffentlichkeit werden die Forschungsergebnisse der Arbeitsgruppe durch<br />
die Teilnahme an öffentlichen Podiumsdiskussionen, Interviews und Beiträgen in Zeitungen<br />
zugänglich gemacht.<br />
32
Forschungshighlight<br />
Immigration und Strukturwandel –<br />
Lehren aus der deutschen Nachkriegsgeschichte<br />
Reagieren Einwanderer stärker als Einheimische auf regionale und sektorale Unterschiede<br />
im Lohnniveau oder in der Arbeitslosenquote? Sind Einwanderer also eher<br />
bereit, sich einen neuen Job in einer wirtschaftlich prosperierenden Region oder einem<br />
expandierenden Wirtschaftssektor zu suchen? Und tragen sie deshalb dazu bei,<br />
regionale Unterschiede in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abzubauen und den<br />
Strukturwandel einer Volkswirtschaft voranzutreiben? Eine kürzlich erschienene <strong>IfW</strong>-<br />
Studie (Braun und Kvasnicka, <strong>2012</strong>) beleuchtet diese Fragen im Kontext der deutschen<br />
Nachkriegsgeschichte und zeigt, dass der Zustrom von Heimatvertriebenen aus<br />
Mittel- und Osteuropa den Strukturwandel in Westdeutschland deutlich beschleunigt hat.<br />
„Unsere Studie legt nahe, dass Zuwanderer<br />
in der Tat stärker auf regionale<br />
oder sektorale Unterschiede im Lohnniveau<br />
und in der Arbeitslosenquote<br />
reagieren als Einheimische und damit<br />
die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft<br />
erhöhen können.“<br />
Ein neuer Job bringt ein neues Arbeitsumfeld mit sich und kann im Falle eines Umzugs<br />
auch den Verlust sozialer Bindungen bedeuten. Viele Menschen schrecken daher davor<br />
zurück, sich einen neuen Arbeitsplatz zu suchen – auch wenn sie an einem anderen<br />
Ort oder in einem neuen Beruf mehr verdienen könnten. Für neu Zugewanderte<br />
gelten diese Beschränkungen nicht oder nur in weitaus geringerem Maße. Durch ihre<br />
Migration haben sie sich bereits von ihrem angestammten Umfeld und ihrem alten Arbeitsplatz<br />
getrennt. Im Zielland verfügen sie zudem nur selten über soziale Bindungen<br />
an eine spezifische Region, die sich hemmend auf ihre weitere Mobilität auswirken<br />
könnte. Es ist daher zu erwarten, dass Zuwanderer mehr als Einheimische ihren Arbeitsplatz<br />
nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten suchen, d.h. nach Tätigkeiten<br />
in einer wirtschaftlich prosperierenden Region und/oder einem expandierenden Wirtschaftssektor<br />
Ausschau halten. Zuwanderer können daher den Wertschöpfungsanteil<br />
wirtschaftlich prosperierender Regionen<br />
und/oder Sektoren erhöhen<br />
und damit die Leistungsfähigkeit<br />
einer Volkswirtschaft stärken.<br />
In unserer Studie analysieren wir,<br />
ob Zuwanderung tatsächlich den<br />
Strukturwandel von niedrig- zu<br />
hochproduktiven Sektoren vorantreiben<br />
kann. Wir werfen dazu einen<br />
Blick zurück auf die westdeutsche<br />
Nachkriegsgeschichte: Unmittelbar vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs<br />
waren noch mehr als ein Viertel der Erwerbspersonen im Deutschen Reich in der<br />
Landwirtschaft beschäftigt. Zum Vergleich: Im Vereinigten Königreich betrug der Anteil<br />
der Erwerbspersonen in der Landwirtschaft bereits damals gerade einmal noch 5 Prozent.<br />
Gleichzeitig lag die Produktivität des landwirtschaftlichen Sektors in Deutschland<br />
deutlich unter derjenigen im Vereinigten Königreich. Die Produktivität der Industrie hingegen<br />
war in beiden Ländern in etwa gleich. Als die Bundesrepublik Deutschland im<br />
Jahr 1949 gegründet wurde, „erbte“ sie somit einen vergleichsweise großen und unproduktiven<br />
landwirtschaftlichen Sektor. Westdeutschland bot sich daher die Chance,<br />
durch eine Verlagerung der Beschäftigung aus der Landwirtschaft in die Industrie oder<br />
den Dienstleistungssektor die gesamtwirtschaftliche Produktivität und das Wirtschaftswachstum<br />
anzukurbeln (Broadberry, 1997; Temin, 2002).<br />
Autorenporträt<br />
Dr. Sebastian Braun<br />
Leiter des Forschungsbereichs<br />
Globalisierung und Wohlfahrtsstaat<br />
Telefon (0431) 8814-482<br />
E-Mail sebastian.braun@ifw-kiel.de<br />
Expertise<br />
••<br />
Arbeitsmarktökonomie<br />
••<br />
Theorie und Empirie des Außenhandels<br />
••<br />
Wirtschaftsgeschichte<br />
Diese ineffiziente Sektorenstruktur mit einem aufgeblasenen landwirtschaftlichen Sektor<br />
fanden auch die Millionen von Heimatvertriebenen, die vor allem aus den ehe-<br />
33
Forschungshighlight<br />
Immigration und Strukturwandel – Lehren aus der deutschen Nachkriegsgeschichte<br />
(1) Landwirtschaftlicher Beschäftigungsanteil von Männern<br />
der Geburtsjahrgänge 1910–1919<br />
Beschäftigungsanteil in der Landwirtschaft [in %]<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
maligen Ostgebieten des Deutschen Reichs geflüchtet oder vertrieben worden waren, bei<br />
ihrer Ankunft im kriegszerstörten Nachkriegsdeutschland vor. Fast jeder sechste Einwohner<br />
Westdeutschlands war im Jahr 1950 ein Heimatvertriebener. Der Bevölkerungsanteil der Vertriebenen<br />
war hierbei regional sehr unterschiedlich und reichte von weniger als 4 Prozent im<br />
Regierungsbezirk Trier bis hin zu fast 35 Prozent im Regierungsbezirk Lüneburg.<br />
Im Gegensatz zu anderen Zuwanderungsepisoden waren sich Heimatvertriebene und die<br />
einheimische westdeutsche Bevölkerung in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich. So sprachen Vertriebene<br />
und Einheimische nicht nur die gleiche Muttersprache. Sie verfügten im Durchschnitt<br />
auch über ein sehr ähnliches Bildungsniveau (Bauer, Braun und Kvasnicka). Auch waren<br />
die Heimatvertriebenen keine selektierte Gruppe, sondern repräsentierten einen kompletten<br />
Querschnitt ihrer Herkunftsregionen, da Menschen jeden Alters und aller gesellschaftlichen<br />
Schichten gezwungen waren, ihre Heimat zu verlassen. Allerdings arbeiteten die Vertriebenen<br />
vor ihrer Flucht deutlich häufiger in der Landwirtschaft als die westdeutsche Bevölkerung.<br />
Man könnte deshalb vermuten, dass viele Heimatvertriebene auch nach ihrer Ankunft<br />
in Westdeutschland Arbeit in der Landwirtschaft gesucht und damit den sektoralen Wandel<br />
in Deutschland verlangsamt hätten. Doch<br />
tatsächlich war das Gegenteil der Fall: Die<br />
Heimatvertriebenen beschleunigten den<br />
strukturellen Wandel in Westdeutschland,<br />
da sie weit häufiger als die einheimische<br />
Bevölkerung einen Arbeitsplatz außerhalb<br />
der Landwirtschaft suchten.<br />
1939 1950<br />
Heimatvertriebene<br />
1960<br />
Einheimische<br />
1971<br />
Abbildung 1 zeigt <strong>für</strong> die Gruppe der Heimatvertriebenen<br />
und der Einheimischen<br />
den jeweiligen Anteil der Beschäftigten in<br />
der Landwirtschaft in den Jahren 1939,<br />
1950, 1960 und 1971. Betrachtet wird eine<br />
spezifische Alterskohorte (und zwar Männer,<br />
die zwischen 1910 und 1919 geboren<br />
wurden). Datengrundlage ist die Mikrozensus-Zusatzerhebung<br />
von 1971. Die Daten<br />
zeigen, dass die Heimatvertriebenen vor<br />
ihrer Flucht deutlich häufiger in der Landwirtschaft<br />
arbeiteten als die einheimische<br />
westdeutsche Bevölkerung. Der Beschäftigungsanteil<br />
der Heimatvertriebenen in<br />
der Landwirtschaft reduzierte sich jedoch<br />
zwischen 1939 und 1950 um mehr als die<br />
Hälfte und fiel in den darauffolgenden Jahren noch weiter ab. Viele der Heimatvertriebenen,<br />
die vor dem Krieg in der Landwirtschaft gearbeitet hatten, zog es also nicht in diesen Sektor<br />
zurück, in dem die Löhne niedrig und die Beschäftigungsmöglichkeiten begrenzt waren. Der<br />
landwirtschaftliche Beschäftigungsanteil der einheimischen westdeutschen Bevölkerung hingegen<br />
blieb zwischen 1939 und 1950 annähernd konstant und fiel auch danach nur langsam.<br />
Quelle: Mikrozensus Zusatzerhebung 1971; eigene Berechnungen.<br />
Diese unterschiedlichen Entwicklungen lassen sich dadurch erklären, dass die Heimatvertriebenen<br />
bei ihrer Ankunft in Westdeutschland gezwungen waren, in einer neuen Umgebung<br />
nach einer neuen Tätigkeit zu suchen. Sie besaßen also nicht die Option, wieder zu ihrem<br />
alten Arbeitgeber in ihrem Heimatort zurückzukehren. Ihre Arbeitsplatzwahl war daher weit<br />
mehr von den damals vorherrschenden sektoralen und regionalen Unterschieden im Lohnniveau<br />
und in der Arbeitslosenquote bestimmt als die der Einheimischen. Und so entschieden<br />
34
Immigration und Strukturwandel – Lehren aus der deutschen Nachkriegsgeschichte<br />
Forschungshighlight<br />
sich überdurchschnittlich viele Heimatvertriebene <strong>für</strong> einen Arbeitsplatz außerhalb der wenig<br />
attraktiven Landwirtschaft.<br />
Daten der Volks- und Berufszählungen von<br />
1939 und 1950 zeigen, dass die Bedeutung<br />
der Sektoren außerhalb der Landwirt schaft<br />
in Regionen mit einem hohen Bevölkerungs<br />
anteil von Heimatvertriebenen deutlich<br />
schnel ler gestiegen ist als in Regio nen<br />
mit einem geringeren Bevölkerungsanteil.<br />
Dieser positive Zusammenhang zwischen<br />
dem Ausmaß der Zuwanderung von Heimatvertriebenen<br />
einerseits und der Veränderung<br />
des Anteils der nicht in der Landwirtschaft<br />
Be schäftigten andererseits ist in<br />
Abbildung 2 dargestellt. Diese Expansion<br />
der pro duktiveren nicht-landwirtschaftlichen<br />
Sek to ren erhöhte das regionale Pro-Kopf-<br />
Ein kommen.<br />
Zusammenfassend legt unsere Studie also<br />
nahe, dass Zuwanderer in der Tat stärker<br />
auf regionale oder sektorale Unterschiede<br />
im Lohnniveau und in der Arbeitslosenquote<br />
reagieren als Einheimische und damit<br />
die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft<br />
erhöhen können.<br />
(2) Bevölkerungsanteil der Heimatvertriebenen und sektoraler Wandel<br />
Veränderung des Beschäftigungsanteils in nichtlandwirtschaftlichen<br />
Sektoren [in %], 1939-50<br />
16<br />
14<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
-2<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40<br />
Bevölkerungsanteil der Heimatvertriebenen, 1950<br />
Beobachtungseinheit sind die 36 westdeutschen Regierungsbezirke. Siehe Braun und Kvasnicka (<strong>2012</strong>)<br />
<strong>für</strong> weitere Details.<br />
Quelle: Volks- und Berufszählungen 1939 und 1950; eigene Berechnungen.<br />
Weiterführende Literatur<br />
Bauer, Thomas K., Sebastian Braun und Michael<br />
Kvasnicka. The Economic Integration of Forced Migrants:<br />
Evidence for Post-war Germany. The Economic<br />
Journal. Im Erscheinen.<br />
Braun, Sebastian, und Michael Kvasnicka (<strong>2012</strong>). Immigration<br />
and Structural Change: Evidence from Postwar<br />
Germany. Kieler Arbeitspapiere 1778. <strong>IfW</strong>, Kiel.<br />
Broadberry, Stephen N. (1997). Anglo-German productivity<br />
differences 1870–1990: A sectoral analysis.<br />
European Review of Economic History 1 (2): 247–267.<br />
Temin, Peter (2002). The Golden Age of European<br />
growth reconsidered. European Review of Economic<br />
History 6(1): 3–22.<br />
35
Forschungshighlight<br />
Internationaler Handel: Wachstumsund<br />
Wohlstandsfördernd?<br />
Autorenporträt<br />
Ignat Stepanok, Ph.D.<br />
Forschungsbereich<br />
Globalisierung und Wohlfahrtsstaat<br />
Telefon (0431) 8814-602<br />
E-Mail ignat.stepanok@ifw-kiel.de<br />
Expertise<br />
••<br />
Internationaler Handel<br />
••<br />
Wirtschaftswachstum<br />
••<br />
Arbeitsmärkte<br />
Eine zentrale Frage, mit der sich Außenhandelsökonomen schon seit langer Zeit beschäftigen,<br />
ist die nach der Wirkung des Freihandels auf das Wirtschaftswachstum<br />
eines Landes und auf die Wohlfahrt seiner Einwohner. Um diese Frage zu beantworten,<br />
haben Handelsökonomen eine Fülle verschiedener Modelle entwickelt, die sowohl<br />
die positiven als auch die negativen Effekte des internationalen Handels beleuchten.<br />
Demnach erhöht der Handel einerseits die Anzahl der <strong>für</strong> den Konsumenten zur Verfügung<br />
stehenden Produkte und verschärft den internationalen Wettbewerb, was wiederum<br />
zu geringeren Konsumentenpreisen führt. Andererseits können einige inländische<br />
Unternehmen Probleme haben, im internationalen Wettbewerb zu bestehen und somit<br />
gezwungen sein, aus dem Markt auszutreten. Dies kann im Inland zu Arbeitslosigkeit<br />
führen.<br />
Die zunehmende Verfügbarkeit von detaillierteren und qualitativ hochwertigen Daten<br />
auf Unternehmensebene hat in der letzten Zeit dazu geführt, dass die Forschungsliteratur<br />
einen tieferen und genaueren Einblick in die Frage nach den gesamtwirtschaftlichen<br />
Effekten des Außenhandels gewinnen konnte (Bernard et al., 2003; Trefler,<br />
2004). So erschien in den letzten zehn Jahren eine Vielzahl von empirischen Studien,<br />
die mithilfe von detaillierten Firmendaten die Eigenschaften inländischer Unternehmen,<br />
die sich <strong>für</strong> den Export entscheiden, aufzeigen und analysieren. Demnach sind exportierende<br />
Firmen <strong>für</strong> gewöhnlich produktiver und größer als solche, die nur <strong>für</strong> den heimischen<br />
Markt produzieren.Die Abbildung zeigt die Verteilung der Arbeitsproduktivität<br />
in Betrieben in den Vereinigten Staaten im Jahr 1992 (im Verhältnis zur durchschnittlichen<br />
Arbeitsproduktivität), getrennt <strong>für</strong> exportierende und nicht exportierende Firmen<br />
(Bernard et al., 2003). Offensichtlich sind Exporteure im Durchschnitt produktiver als<br />
Nicht-Exporteure. Allerdings existieren auch große und sehr produktive Betriebe, die<br />
nicht exportieren.<br />
Bestehende empirische Studien weisen<br />
außerdem nach, dass Unternehmen<br />
auf dem Exportmarkt höhere<br />
Preise und Preisaufschläge verlangen<br />
als auf dem heimischen Markt<br />
(De Loecker und Warzynski, 2011).<br />
„Eine Handelsöffnung fördert<br />
das Wirtschaftswachstum und<br />
erhöht den Wohlstand einer<br />
Volkswirtschaft.“<br />
Des Weiteren ist die durchschnittliche Qualität der Exportgüter höher. Die sehr hohe<br />
Markteintritts- und Austrittsrate der Unternehmen wird sowohl durch die Marktgröße<br />
als auch durch vorhandene Eintrittsbarrieren bestimmt.<br />
In einer gemeinsamen Studie mit Paul Segerstrom von der Stockholmer School of<br />
Economics haben wir ein Modell des internationalen Handels entwickelt, das die Analyse<br />
der Wohlfahrtseffekte des internationalen Handels erlaubt und gleichzeitig mit den<br />
be schriebenen empirischen Gegebenheiten im Einklang steht (Segerstrom und<br />
Stepanok, <strong>2012</strong>). Ein Kernpunkt dieses Ansatzes ist die Modellierung des Eintrittsprozesses<br />
in den ausländischen Markt. Die meisten bestehenden Forschungsarbeiten<br />
nehmen an, dass die Unternehmen nach der Zahlung eines fixen Betrags automatisch<br />
zu Exporteuren werden können (z.B. Melitz, 2003). Da die Fixkosten jedoch sehr hoch<br />
sind, können lediglich die produktiveren Firmen in den Exportmarkt eintreten. Wir gehen<br />
hingegen davon aus, dass Unternehmen lernen müssen, in den Exportmarkt einzutreten.<br />
Dieser Lernprozess führt dazu, dass ihre Investitionen mit Unsicherheit be-<br />
36
Internationaler Handel: Wachstums- und Wohlstandsfördernd?<br />
Forschungshighlight<br />
haftet sind: Manche Unternehmen, die hohe Investitionen getätigt haben, um in den<br />
ausländischen Markt eintreten zu können, werden dennoch nicht in der Lage sein, dies zu tun.<br />
Das Modell kann daher erklären, warum einige Firmen nicht exportieren, auch wenn sie überdurchschnittlich<br />
groß und produktiv sind.<br />
Auf der Grundlage der Idee von Joseph<br />
Schumpeter, dass die schöpferische Zerstörung<br />
von alten Strukturen die Triebfeder<br />
der ökonomischen Entwicklung ist<br />
(Schumpeter, 1942), modellieren wir Unternehmen<br />
als Erfinder qualitativ höherwertiger<br />
Produkte, die die am Markt vorhandenen<br />
alten Produkte verdrängen.<br />
Unternehmen treten dabei ständig in den<br />
Markt ein und aus. Die Einritts- und Austrittsrate<br />
wird dabei von den bestehenden<br />
Anreizen und Kosten beeinflusst, in den<br />
ausländischen Markt einzutreten – und damit<br />
auch von der Höhe bestehender Handelsschranken.<br />
Eine fortschreitende Liberalisierung<br />
des Handels beeinflusst also<br />
den Prozess der kreativen Zerstörung.<br />
Verhältnis von Arbeitsproduktivität in Betrieben zur<br />
durchschnittlichen Arbeitsproduktivität<br />
Nicht-Exporteure<br />
Innerhalb des beschriebenen Modellrahmens<br />
können wir zeigen, dass eine Handelsöffnung<br />
das Wirtschaftswachstum för dert und den Wohlstand einer Volkswirtschaft erhöht.<br />
Der Abbau von Handelsschranken erleichtert den Zugang zu ausländischen Märkten<br />
und erhöht damit die möglichen Gewinne, die Unternehmen durch neue Produktinnovationen<br />
erzielen können. Dadurch verstärken die Unternehmen ihre Anstrengungen und Investitionen<br />
im Bereich der Forschung und Entwicklung. Dies führt wiederum zu einer immer schnelleren<br />
Einführung von neuen und verbesserten Produkten zu international wettbewerbsfähigen Preisen.<br />
Von dieser Entwicklung profitieren die Konsumenten in Form von besseren<br />
und günstigeren Produkten.<br />
Prozent von Betrieben<br />
16<br />
14<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
4.00<br />
Weiterführende Literatur<br />
Bernard, Andrew B., Jonathan Eaton, J. Bradford<br />
Jensen und Samuel Kortum (2003). Plants and Productivity<br />
in International Trade. American Economic<br />
Review 93 (4): 1268–1290.<br />
De Loecker, Jan, und Frederic Warzynski (<strong>2012</strong>). Markups<br />
and Firm-Level Export Status. American Economic<br />
Review 102 (6): 2437–2471.<br />
Melitz, Marc J. (2003). “The Impact of Trade on Intra-<br />
Industry Reallocations and Aggregate Industry Productivity.”<br />
Econometrica 71 (6): 1695–1725.<br />
Schumpeter, Joseph A. (1942). Capitalism, Socialism<br />
and Democracy. New York: Harper and Row.<br />
Segerstrom, Paul, und Ignat Stepanok (<strong>2012</strong>). Learning<br />
How to Export. Kieler Arbeitspapiere 1801. <strong>IfW</strong>,<br />
Kiel.<br />
Trefler, Daniel (2004). The Long and Short Run of the<br />
Canada-US Free Trade Agreement.- American Economic<br />
Review 94(4): 870–895.<br />
37
Das <strong>IfW</strong> im Überblick<br />
Forschungsbereich<br />
Globalisierung und Wohlfahrtsstaat<br />
Steffen Ahrens<br />
Dr. Sebastian Braun (Leiter)<br />
Dr. Alessio J. G. Brown<br />
Vincenzo Caponi, Ph.D.<br />
Andreas Friedl<br />
Gritta Jegliewski<br />
Dr. Michael Kvasnicka<br />
Wolfgang Lechthaler, Ph.D.<br />
Mariya Mileva, Ph.D.<br />
Prof. Dr. Ulrich Schmidt<br />
Prof. Dennis J. Snower, Ph.D.<br />
Ignat Stepanok, Ph.D.<br />
Dr. Michael Stolpe<br />
assoziiert:<br />
Prof. Dr. Mario Larch<br />
Die öffentliche Debatte um die ökonomischen Auswirkungen der Globalisierung ist von<br />
Ängsten vor massiven Arbeitsplatzverlusten und steigender Ungleichheit geprägt. Da der<br />
Globalisierungsprozess nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer kennt, und daher Ungleichheiten<br />
verstärken kann, stellt er Wohlfahrtsstaaten vor enorme Herausforderungen.<br />
Unser Forschungsbereich identifiziert diese Herausforderungen und analysiert, wie Wohlfahrtsstaaten<br />
unter Einhaltung ihrer Ziele – wie beispielsweise der sozialen Sicherung, der<br />
Einkommensumverteilung und der Bereitstellung öffentlicher Güter – auf diese Herausforderungen<br />
reagieren können.<br />
Unser Forschungsschwerpunkt liegt auf den Herausforderungen der Globalisierung <strong>für</strong><br />
den Arbeitsmarkt. Wir analysieren Politikmaßnahmen, die geeignet sind, die Anpassungsfähigkeit<br />
der Menschen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen und die Gewinne der Globalisierung<br />
gerechter zu verteilen. Ein zweiter Forschungsschwerpunkt beschäftigt sich mit den<br />
Herausforderungen und Chancen der Globalisierung <strong>für</strong> das Gesundheitswesen.<br />
Der Forschungsbereich kombiniert Einsichten der Arbeitsmarktökonomie, der Makroökonomie<br />
und der realen Außenhandelstheorie, um eine globale Perspektive auf den Wohlfahrtsstaat<br />
zu bieten. Gleichzeitig berücksichtigt der Forschungsbereich explizit die Anreizwirkungen<br />
der untersuchten Politikmaßnahmen auf der Mikroebene. Um zu einem<br />
besseren Verständnis der Determinanten von ökonomischen Entscheidungen zu gelangen,<br />
berücksichtigt unsere Forschung auch verhaltensökonomische Ansätze.<br />
38
Beratungshighlight<br />
Dominoeffekt in Südeuropa?<br />
Griechenland war das erste südeuropäische Mitglied der Eurozone, das im Jahr 2010<br />
unter einen Rettungsschirm schlüpfen musste, um seine Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden.<br />
Bereits 2011 folgte mit Portugal das zweite südeuropäische Krisenland, Spanien<br />
ist der nächste Kandidat <strong>für</strong> Rettungshilfen – und nicht der letzte, wie sich im Verlauf<br />
des Jahres <strong>2012</strong> abzeichnete. Daher richten sich die Wetten der „Märkte“ auf eine<br />
Staatspleite nicht nur gegen Griechenland: Auch Portugal und Spanien werden als<br />
Dominosteine angesehen, die beim Scheitern einer Griechenland-Rettung als nächste<br />
fallen würden.<br />
In unserer Studie gehen wir der Frage nach, wie wirklichkeitsnah ein solcher Dominoeffekt<br />
in Südeuropa ist. Der Vergleich der wirtschaftlichen Potenziale und Entwicklungslinien<br />
in den drei Ländern zeigt, dass aus realwirtschaftlicher Sicht wenig <strong>für</strong> eine<br />
solche Dominotheorie spricht. Zu unterschiedlich sind die Krisenmuster und -historien,<br />
und auch vom Problemlösungspotenzial her unterscheiden sich die drei Länder deutlich.<br />
Unser Krisentest zeigt aber eine Gemeinsamkeit auf: Alle drei Länder werden nur<br />
über schmerzhafte Strukturreformen einen Weg aus ihrer Krise finden können.<br />
Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat in Griechenland, Portugal und Spanien teilweise<br />
jahrzehntelang verschleppte Strukturdefizite schonungslos aufgedeckt und zumindest<br />
die Solvenz Griechenlands und Portugals in Frage gestellt. Die „Märkte“ haben die<br />
Annahme fallen lassen, dass die Mitgliedschaft in der Eurozone eine Art Qualitätssiegel<br />
<strong>für</strong> eine funktionstüchtige<br />
Marktwirtschaft ist,<br />
in der strenge Stabilitätskriterien<br />
befolgt werden.<br />
Nach einer langen Phase<br />
des Ignorierens struktureller<br />
Fehlentwicklungen und<br />
ungerechtfertigter Vertrauensvorschüsse<br />
gibt es erst<br />
jetzt eine kritische Auseinandersetzung mit den wirtschaftlichen Realitäten in den sogenannten<br />
Krisenländern. Es wird nicht länger ausgeblendet, dass die internationale<br />
Wettbewerbsfähigkeit der drei Länder während der 2000er Jahre insbesondere im Vergleich<br />
mit Deutschland stark erodiert ist. Erst die Krise des Jahres 2008 hat zum Umsteuern<br />
gezwungen, wie etwa die Entwicklung der Lohnstückkosten zeigt (Abbildung).<br />
„Der Vergleich der wirtschaftlichen Potenziale<br />
und Entwicklungslinien in Griechenland, Portugal<br />
und Spanien zeigt, dass aus realwirtschaftlicher<br />
Sicht wenig <strong>für</strong> eine Dominotheorie<br />
spricht.“<br />
Griechenland ist ohne Frage der größte Problemfall, hier muss die Wirtschafts- und Finanzpolitik,<br />
begleitet von einem politischen und gesellschaftlichen Mentalitätswechsel,<br />
völlig neu definiert werden. Portugal ist zwar weiterhin nicht mit Griechenland gleichzusetzen,<br />
die negativen Entwicklungen bei den Staatsfinanzen und auf dem Arbeitsmarkt<br />
erfordern jedoch ebenfalls ein entschiedenes Gegensteuern. Die Achillesferse Spaniens<br />
ist fraglos die katastrophale Arbeitsmarktsituation, doch erreicht die wirtschaftliche<br />
Schieflage Spaniens (noch) keine griechischen oder auch nur portugiesischen<br />
Dimensionen.<br />
Griechenland hat es seit seinem EU-Beitritt 1981 versäumt, wettbewerbsfähige Beschäftigungsstrukturen<br />
zu entwickeln, es fehlen vor allem Arbeitsplätze mit hohen<br />
Qualifikationsanforderungen. Ein dominanter Staatssektor und eine teilweise abge-<br />
Autorenporträts<br />
Dr. Klaus Schrader<br />
Stellvertretender Leiter des Zentrums<br />
Wirtschaftspolitik<br />
Telefon (0431) 8814-280<br />
E-Mail klaus.schrader@ifw-kiel.de<br />
Expertise<br />
••<br />
Krisenländer in der EU<br />
••<br />
Aussenwirtschaftliche Integration<br />
in der erweiterten EU<br />
••<br />
Arbeitsmarktpolitik und Beschäftigungsentwicklung<br />
Dr. Claus-Friedrich Laaser<br />
Zentrum Wirtschaftspolitik<br />
Stellvertretender Leiter des<br />
Public Relations Zentrums<br />
Telefon (0431) 8814-463<br />
E-Mail claus-friedrich.laaser@ifw-kiel.de<br />
Expertise<br />
••<br />
Handelsintegration in der EU<br />
••<br />
Strukturpolitik<br />
Weitere Expertise<br />
••<br />
Verkehrs- und Infrastrukturpolitik<br />
39
Beratungshighlight<br />
Dominoeffekt in Südeuropa?<br />
Die Entwicklung der nominalen Lohnstückkosten in den südeuropäischen<br />
Krisenländern und Deutschland 2000–2011 a<br />
140<br />
135<br />
130<br />
125<br />
120<br />
115<br />
110<br />
105<br />
100<br />
95<br />
90<br />
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
Deutschland Griechenland Spanien Portugal<br />
a<br />
2000 = 100; nominale Lohnstückkosten = Lohnsumme / reales BIP.<br />
schottete Privatwirtschaft haben sich als nicht<br />
globalisierungstauglich erwiesen. Die Wirtschaftsstrukturen<br />
entsprechen daher nicht dem<br />
Muster eines hochentwickelten Industrielandes.<br />
Das relativ starke griechische Wachstum<br />
während der letzten zehn Jahre basierte vor<br />
allem auf staatlichem und privatem Konsum,<br />
der mit geliehenem Geld finanziert wurde,<br />
was zu einem unkontrollierbaren Schuldenberg<br />
geführt hat. Der Wegfall des billigen<br />
Geldes und der damit verbundene Nachfrageeinbruch<br />
haben Griechenland nun eine<br />
Rekordarbeitslosigkeit beschert, die aufgrund<br />
des jahrzehntelang verschleppten Strukturwandels<br />
kaum zu beherrschen ist.<br />
Portugal erwies sich nach seinem EU-Beitritt<br />
1986 als harter Konkurrent um Produktionsstandorte<br />
in der EU, im Zuge der Öffnungen in<br />
Mittel- und Osteuropa verpasste es dann aber<br />
den notwendigen Strukturwandel. Das Land<br />
weist zwar eine bessere Integration in internationale Produktionsnetzwerke auf als Griechenland,<br />
ist jedoch <strong>für</strong> die vormals boomenden arbeitsintensiven Produktionen zu teuer geworden.<br />
Exportgeleitetes Wachstum fand daher zuletzt immer weniger statt. Qualifikationsmängel,<br />
Produktivitätsdefizite sowie private und staatliche Schuldenlasten haben das Land nach<br />
und nach in die Krise geführt.<br />
Quelle: EUROSTAT (<strong>2012</strong>), Statistiken, Jährliche Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen: Lohnstückkosten<br />
– Jährliche Daten [nama_aux_ulc]. Via Internet am 29.08.12 http://epp.eurostat.ec.europa.eu/<br />
portal/page/portal/national_accounts/data/database; eigene Darstellung und Berechnungen.<br />
Spaniens EU-Beitritt – im gleichen Jahr wie Portugal – hatte einen wirtschaftlichen Aufholprozess<br />
eingeleitet, der auch von einer relativ soliden industriellen Basis gestützt wurde. Die<br />
Verlockung des schnellen Geldes im Immobilienboom hat diese nachhaltige Entwicklung aber<br />
unterbrochen. Nach dem Platzen der Immobilienblase verblieb dem Land eine Arbeitslosenquote<br />
im zweistelligen Bereich, die mittlerweile auf 25 Prozent angestiegen ist, bei den Jüngeren<br />
sogar auf mehr als 50 Prozent. Eine krisenuntaugliche Arbeitsmarktordnung, die Arbeit<br />
verteuert und damit das Jobwachstum bremst, und eine hohe private Verschuldung erweisen<br />
sich als Bremse <strong>für</strong> eine wirtschaftliche Erholung.<br />
Allen drei Ländern ist gemeinsam, dass sie in den kommenden Jahren ihre Probleme nur<br />
durch ein stetiges Wirtschaftswachstum in den Griff bekommen können. Dieses Wachstum<br />
kann aber nicht erneut aus einem expandierenden staatlichen oder privaten Konsum resultieren,<br />
da billige Kredite nicht länger zur Verfügung stehen – das neue Wachstum kann nur<br />
exportbasiert sein. Dazu bedarf es in den Krisenländern tiefgreifender Strukturreformen, die<br />
nicht nur auf dem Papier stattfinden, sondern möglichst rasch die unternehmerische Tätigkeit<br />
beflügeln sollten. Handlungsbedarf besteht aus unserer Sicht bei der Flexibilisierung der<br />
Arbeitsmärkte, der Öffnung von Güter- und Dienstleistungsmärkten, der Privatisierung staatlicher<br />
Unternehmen sowie bei einer weitreichenden Entbürokratisierung und Verwaltungsvereinfachung.<br />
Mit einem entschiedenen Reformkurs könnte das auf den internationalen Finanzund<br />
Kapitalmärkten verloren gegangene Vertrauen schrittweise zurück gewonnen werden,<br />
was wiederum die Finanzierung des Strukturwandels wesentlich erleichtern würde.<br />
Griechenland hat fraglos die längste Reformagenda abzuarbeiten und dabei die ungünstigste<br />
Ausgangssituation. Hier ist die staatliche Verwaltung selbst notleidend, so dass eine zügige<br />
Umsetzung der von der Politik beschlossenen Reformschritte nicht zu erwarten ist. Eine<br />
weitreichende administrative und personelle Unterstützung durch EU und IMF scheint daher<br />
40
Dominoeffekt in Südeuropa?<br />
Beratungshighlight<br />
unverzichtbar, um eine schlagkräftige Wirtschafts- und Finanzverwaltung in Griechenland aufzubauen.<br />
Aufgrund des fehlenden „Reform-Enforcements“ waren bisher jedes Mal die optimistischen<br />
Projektionen einer künftigen wirtschaftlichen Erholung des Landes bereits am Tag<br />
ihrer Veröffentlichung wieder Makulatur.<br />
Wir würden es als sehr bedenklich ansehen, wenn der Reformdruck, den IMF und EU aufgebaut<br />
haben, wieder gelockert würde. Die Hoffnung auf das Entstehen einer wie auch immer<br />
gearteten Transferunion wäre Gift <strong>für</strong> die Reformbemühungen in allen südeuropäischen<br />
Krisenländern. Denn die notwendigen Strukturreformen sind erst einmal mit weiteren Einkommensverlusten<br />
verbunden, die Privilegien einer Vielzahl von Interessengruppen müssen<br />
gegen deren heftigen Widerstand abgebaut werden. Rettungshilfen an ein Krisenland zum<br />
Nulltarif oder gegen wenig verbindliche Reformversprechen könnten letztendlich doch einen<br />
unerwünschten Dominoeffekt zur Folge haben – der Reformprozess in Südeuropa würde wie<br />
ein Kartenhaus in sich zusammenbrechen, wenn Anpassungslasten auf fremde Schultern<br />
verteilt werden könnten. Den Akteuren auf den internationalen Finanz- und Kapitalmärkten sei<br />
hingegen geraten, nicht den Blick <strong>für</strong> realwirtschaftliche Unterschiede zwischen den Krisenländern<br />
zu verlieren. Mit einer ungerechtfertigten Hysterie, die alle kriselnden Länder in einen<br />
Topf wirft, schaden sich die „Märkte“ letztendlich nur selbst und ein Ende der Krise würde auf<br />
den Sankt Nimmerleinstag verschoben.<br />
Weiterführende Literatur<br />
Schrader, Klaus, und Claus-Friedrich Laaser (<strong>2012</strong>).<br />
Die Krise in Südeuropa oder die Angst vor dem Dominoeffekt.<br />
Griechenland, Portugal und Spanien im Krisentest.<br />
Kieler Diskussionsbeitrag 500/501. <strong>IfW</strong>, Kiel.<br />
Schrader, Klaus, und Claus-Friedrich Laaser (<strong>2012</strong>).<br />
Will Portugal Turn into a Second Greece? Kiel Policy<br />
Brief 42. <strong>IfW</strong>, Kiel.<br />
41
Beratungshighlight<br />
Spezialisierung macht Hochschulen attraktiv<br />
Autorenporträt<br />
David Bencek<br />
Forschungsbereich<br />
Armutsminderung und Entwicklung<br />
Zentrum Wirtschaftspolitik<br />
Telefon (0431) 8814-470<br />
E-Mail david.bencek@ifw-kiel.de<br />
Expertise<br />
••<br />
Strategische Rohstoffe und Rent Seeking<br />
••<br />
Arbeitsmarktpolitik<br />
Trotz doppelter Jahrgänge durch Schulreformen und den Wegfall der Wehrpflicht ist<br />
vor dem Hintergrund des demografischen Wandels in Deutschland zukünftig von einer<br />
sinkenden Zahl an Schulabsolventen mit Hochschulzugangsberechtigung auszugehen.<br />
Auch steigende Abiturientenquoten werden diesem Trend nicht ausreichend entgegenwirken.<br />
Hinzu kommt ein erhöhter Bedarf an qualifizierten Fachkräften, der zahlreiche<br />
Abiturienten das duale System der Berufsausbildung wählen lässt. In Summe<br />
werden diese Entwicklungen den Wettbewerb unter den Hochschulen um Studierende<br />
spürbar zunehmen lassen, was heute unter dem Eindruck überfüllter Hörsäle und Seminare<br />
schwer vorstellbar erscheinen mag.<br />
Im Wettbewerb um mobile Köpfe haben Hochschulen daher allen Grund, ihre Attraktivität<br />
<strong>für</strong> Studierende zu steigern. Um beurteilen zu können, welche Maßnahmen hier<strong>für</strong><br />
am besten geeignet sind, haben wir im Rahmen einer Studie die Determinanten der<br />
Attraktivität von Hochschulen am Beispiel der Bundesländer Hamburg und Schleswig-<br />
Holstein analysiert.<br />
Eine zunächst naheliegende Größe im Wettbewerb um Studierende ist das Betreuungsverhältnis<br />
einer Hochschule: Je höher die Zahl der Professoren je Studierenden,<br />
desto enger ist auch der Kontakt in Lehrveranstaltungen, Tutorien und Sprechstunden<br />
und desto produktiver gestaltet sich das Studium. Hochschulen mit einem hohen Betreuungsverhältnis<br />
sollten daher einen relativen Wettbewerbsvorteil innehaben. Der<br />
Einfluss der absoluten Größe von Hochschulen ist weniger eindeutig zu bestimmen:<br />
Einerseits bieten kleine Hochschulen eher eine fruchtbare Lernumgebung, andererseits<br />
prägen große Hochschulen meist<br />
das studentische Leben am Standort<br />
stärker und könnten deshalb bevorzugt<br />
ausgewählt werden.<br />
„Um den norddeutschen Bildungsraum<br />
weiterhin zu stärken, scheint<br />
‚Klasse statt Masse‘ die Strategie<br />
zu sein, mit der man im Wettbewerb<br />
mit anderen Hochschulen Boden<br />
gewinnen kann.“<br />
Ein möglicher Schlüssel <strong>für</strong> eine stärkere<br />
Wettbewerbsfähigkeit von Hochschulen<br />
kann ihre fachliche Spezia li sierung<br />
sein: Zum einen werden da durch<br />
Kompetenzen gebündelt und zielgerichtet<br />
eingesetzt, wodurch das Lehrangebot<br />
differenzierter und hochwertiger ausfällt. Zum anderen ist eine spezialisierte<br />
Hochschule in der Lage, ein Fachgebiet tiefer gehend abzudecken und sich durch Spitzenforschung<br />
auszuzeichnen. Schließlich setzt auch ein Selbstselektionsprozess von<br />
Studierenden und Forschern ein, der bewirkt, dass tendenziell eher hochmotivierte Studienanfänger<br />
und ausgezeichnete Forscher angezogen werden.<br />
Für die ökonometrische Analyse verwenden wir als zentrale Kennziffer zur Messung<br />
der Attraktivität einer Hochschule die vom Centrum <strong>für</strong> Hochschulentwicklung (CHE)<br />
erhobene Bewertung der Studiensituation durch die Studierenden. Dahinter steht die<br />
Vorstellung, dass es <strong>für</strong> eine Hochschule vor allem darauf ankommt, wie die Studienbedingungen<br />
von den Studierenden selbst wahrgenommen werden. Davon hängt<br />
schließlich ab, ob sie ihrer Hochschule treu bleiben und welche Signale bei Studienanfängern<br />
und Hochschulwechslern ankommen.<br />
42
Spezialisierung macht Hochschulen attraktiv<br />
Beratungshighlight<br />
Um den Spezialisierungsgrad einer Hochschule darzustellen, verwenden wir zunächst die im<br />
CHE-Datensatz enthaltenen Angaben zur Zahl der in einzelnen Fachbereichen eingeschriebenen<br />
Studierenden und setzen sie ins Verhältnis zur Gesamtzahl aller Studierenden an der<br />
jeweiligen Hochschule. Diese relative Fachbereichsgröße allein ist jedoch ein ungenaues Maß<br />
<strong>für</strong> Spezialisierung und wird vor der weiteren<br />
Analyse zusätzlich größenbereinigt; andernfalls<br />
würde die Spezialisierung kleiner<br />
Hochschulen systematisch überschätzt, die<br />
großer Hochschulen unterschätzt.<br />
Im Rahmen unserer ökonometrischen Untersuchung<br />
möglicher Einflussgrößen der<br />
Wettbewerbsfähigkeit von Hochschulen<br />
schält sich als wichtigstes Ergebnis heraus,<br />
dass nicht die absolute Größe der Hochschulen<br />
<strong>für</strong> ihre Wettbewerbsfähigkeit entscheidend<br />
ist, sondern der Grad ihrer Spezialisierung.<br />
Im Einzelnen zeigt sich, dass<br />
Studierende ihre Hochschule<br />
••<br />
umso schlechter bewerten, je größer die<br />
Hochschule (gemessen an der Zahl der<br />
Studierenden) ist;<br />
••<br />
umso besser bewerten, je stärker sie<br />
sich auf bestimmte Fachbereiche spezialisiert;<br />
••<br />
umso besser bewerten, je günstiger das<br />
Betreuungsverhältnis zwischen Lehrenden<br />
und Lernenden ausfällt.<br />
Studiensituation und Spezialisierung in den Hochschulen Hamburgs<br />
und Schleswig-Holsteins<br />
Außerdem schneiden private Hochschulen bei der Beurteilung der Studienbedingungen signifikant<br />
besser ab als öffentliche Hochschulen. Hingegen spielt es <strong>für</strong> das Urteil der Studierenden<br />
keine Rolle, ob an ihrer Hochschule Studiengebühren erhoben werden.<br />
Mithilfe dieser Erkenntnisse lassen sich bei einer detaillierten Betrachtung der hamburgischen<br />
und schleswig-holsteinischen Hochschullandschaft Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit<br />
zwischen den Hochschulen erklären. Dabei wird auch deutlich, dass einige Fächer nur an<br />
bestimmten Hochschulen überhaupt angeboten werden und in diesem Sinne bereits eine<br />
Entwicklung in Richtung verstärkter Arbeitsteilung und erhöhter Spezialisierung stattgefunden<br />
hat. Um den norddeutschen Bildungsraum weiterhin zu stärken, scheint „Klasse statt Masse“<br />
die Strategie zu sein, mit der man im Wettbewerb mit anderen Hochschulen Boden gewinnen kann.<br />
−50 0 50 100<br />
Uni Hamburg<br />
TU Hamburg−Harburg<br />
HCU Hamburg<br />
HAW Hamburg<br />
Bucerius LS Hamburg (priv.)<br />
Uni Flensburg<br />
Uni Kiel<br />
Studiensituation (zentriert)<br />
Uni Lübeck<br />
FH Flensburg<br />
FH Westküste/Heide<br />
FH Kiel<br />
FH Lübeck<br />
Nordakademie Elmshorn (priv.)<br />
Spezialisierungsindex<br />
FH Wedel (priv.)<br />
Weiterführende Literatur<br />
Bencek, David, Christina Boll, Henriette Bunde, Henning<br />
Klodt, Rosa Lauppe, Julian Leppin und Silvia<br />
Stiller (<strong>2012</strong>). Bildungsraum Hamburg/Schleswig-Holstein:<br />
mit vereinter Kraft <strong>für</strong> eine starke Region! Studie<br />
im Auftrag der Hamburger Sparkasse, Hamburg.<br />
43
Das <strong>IfW</strong> im Überblick<br />
Zentrum<br />
Wirtschaftspolitik<br />
Das <strong>IfW</strong> unterstützt wirtschaftspolitische Entscheidungsprozesse<br />
durch die regelmäßige Analyse und Prognose der makroökonomischen<br />
Entwicklung (Konjunkturprognosen), durch Politikwerkstätten<br />
und Gutachten <strong>für</strong> Ministerien und andere Entscheidungsträger,<br />
durch die Beteiligung an Konferenzen, durch die Mitarbeit in<br />
wirtschaftspolitischen Netzwerken und durch spezielle Studien zu<br />
aktuellen wirtschaftspolitischen Fragen (Politikberatung).<br />
Zentrum<br />
Prognosen<br />
Das Prognosezentrum analysiert und prognostiziert regelmäßig die<br />
konjunkturelle Entwicklung in Deutschland und in der übrigen Welt.<br />
Es kooperiert im Rahmen der Gemeinschaftsdiagnose mit anderen<br />
führenden Wirtschaftsforschungsinstituten in Deutschland und<br />
im europäischen Rahmen mit der EUROFRAME-Gruppe und der<br />
AIECE. Die Ergebnisse werden in den Publikationen des <strong>Institut</strong>s<br />
<strong>für</strong> <strong>Weltwirtschaft</strong> veröffentlicht. Eine zentrale Veranstaltung ist das<br />
traditionelle Kieler Konjunkturgespräch, das jeweils im Frühjahr<br />
und im Herbst stattfindet. Daneben werden verschiedene Projekte<br />
bearbeitet, so der regelmäßige Subventionsbericht <strong>für</strong> Deutschland.<br />
Das Prognosezentrum betätigt sich darüber hinaus an der<br />
wirtschaftspolitischen Beratung, so bei der Gemeinschaftsdiagnose,<br />
der amtlichen Steuerschätzung sowie im Rahmen von Stellungnahmen<br />
zu aktuellen Fragen der Wirtschaftspolitik<br />
Zentrum<br />
Global Economic Symposium<br />
Das Zentrum ist verantwortlich <strong>für</strong> die Organisation des Global Economic Symposiums (GES). Auf dem<br />
GES treffen hochrangige internationale Experten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft<br />
zusammen, um Lösungen <strong>für</strong> drängende globale Probleme zu erarbeiten. Vergleichbare Veranstaltungen<br />
bieten ebenfalls eine globale Perspektive, einen interdisziplinären Ansatz und einen internationalen Teilnehmerkreis.<br />
Das GES ist darüber hinaus<br />
••<br />
lösungsorientiert:<br />
Die zentrale Frage des GES ist „Was ist zu tun?“. Die Teilnehmer überarbeiten und formulieren Politik- und Unternehmensstrategien,<br />
die Antworten auf die Herausforderungen der Globalisierung bieten;<br />
••<br />
forschungsbasiert:<br />
Die Arbeitskreise des GES werden durch neueste Forschungsergebnisse unterstützt, die den Teilnehmern über virtuelle<br />
Bibliotheken und andere virtuelle Plattformen zugänglich gemacht werden;<br />
• • interaktiv:<br />
Das GES ermöglicht nicht nur einen kreativen Gedankenaustausch während des Symposiums. Über das virtuelle GES (die Internetplattform<br />
des GES) arbeitet das GES-Netzwerk über die Veranstaltung hinaus an innovativen Lösungen globaler Probleme.<br />
44
Veranstaltungshighlight<br />
Global Economic Symposium <strong>2012</strong><br />
Im Oktober <strong>2012</strong> hat das fünfte Global Economic Symposium (GES) in Rio de Janeiro, in<br />
Zusammenarbeit mit der FGV Stiftung, stattgefunden. Mit seinem Titel „Wachstum durch Bildung<br />
und Innovationen“ zog das erste südamerikanische GES über 600 weltweit führende<br />
Entscheidungsträger aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft an, um erneut<br />
und mit großem Engagement die drängendsten Probleme dieser Welt anzusprechen, zu diskutieren<br />
und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Während der festlichen Eröffnung hieß der<br />
Präsident der FGV Stiftung, Carlos Ivan Simonsen Leal, alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer<br />
des GES in Rio de Janeiro mit herzlichen Worten willkommen und<br />
verwies dabei ganz besonders auf die bedeutende Rolle Rios als<br />
„Schaufenster Brasiliens“.<br />
Aart De Geus, Chairman und CEO der Bertelsmann Stiftung, lenkte<br />
die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf das, was den Kern des GES<br />
ausmacht: nämlich <strong>für</strong> globale Probleme globale Lösungen zu finden,<br />
da<strong>für</strong> geeignete Netzwerke aufzubauen und die bereits vorhandenen<br />
zu nutzen. Das GES, so De Geus, sei die ideale Gelegenheit<br />
<strong>für</strong> Entscheidungsträger, Unternehmer und Wissenschaftler aus der<br />
ganzen Welt, voneinander zu lernen, ihr Wissen zu vernetzen und<br />
umzusetzen. Die Bertelsmann-Stiftung als Mitveranstalter sei stolz<br />
darauf, hierzu beitragen zu können.<br />
Mahnende Worte kamen von Professor Dennis J. Snower: Bei der<br />
Suche nach Lösungen <strong>für</strong> globale Probleme dürfe das, was ein gutes<br />
menschliches Miteinander ausmache, nicht vergessen werden. Die Teilnehmer des Symposiums<br />
sollten deshalb nicht nur auf die Stimme der Vernunft hören, sondern auch auf die<br />
Stimme von Zuwendung und Mitgefühl. Das GES suche traditionell nach Lösungen auf der<br />
Basis von Erkenntnis und sorgfältiger Analyse – in diesem Jahr vervollständigten Zuwendung<br />
und Mitgefühl das Bild. Globale Herausforderungen, insbesondere<br />
auch solche im Zusammenhang mit Armut inmitten von Wohlstand,<br />
machten ein gemeinsames Handeln notwendig. Lösungen <strong>für</strong> globale<br />
Probleme zu finden, erfordere, im weitesten Sinne der Gemeinschaft<br />
zu dienen, und die Bereitschaft, mehr beizutragen als <strong>für</strong> sich<br />
zu fordern.<br />
Dass Snowers Appell bis zum Abschluss des GES nicht sang- und<br />
klanglos verhallt war, zeigte sich im Abschlusspanel. Wie bereits in<br />
den vergangenen Jahren wurden hier die zehn vielversprechendsten<br />
Lösungsvorschläge von den Teilnehmern des Symposiums<br />
bewertet. Die Höchstbewertung, also den ersten Platz, erhielt die<br />
Idee, schon in Vorschulen ein ausgeprägtes Mitgefühlstraining<br />
(compassion training) anzubieten, um verstärkt im frühen Alter sozialfreundliches<br />
Verhalten zu fördern. Auf den zweiten Platz kam die<br />
Empfehlung, die Leistung von Lehrern auf der Basis von fairen, objektiven und umfassenden<br />
Indikatoren zu bewerten und zu sanktionieren. Der Vorschlag, Fiskalregeln auf der Basis von<br />
operationalen Zielen <strong>für</strong> Budgetdefizite und Schuldenquoten zu formulieren, erreichte den<br />
dritten Platz.<br />
45
Veranstaltungshighlight<br />
Global Economic Symposium <strong>2012</strong><br />
Der dynamische Entwicklungsprozess des GES fußt auf dem Grundgedanken, Bewegung im<br />
Denken und Handeln als Notwendigkeit zu begreifen, um Stagnation zu verhindern und neue<br />
Aspekte, Möglichkeiten und Ideen entwickeln zu können. Diesem<br />
Credo folgend hat sich das GES auch in diesem Jahr wieder einer<br />
Vielzahl von Anregungen und Innovationen geöffnet. Dazu zählt insbesondere<br />
eine systematische Einbindung virtueller Gemeinschaften<br />
in sozialen Netzwerken, denn, so Professor Klaus Tochtermann,<br />
Direktor der ZBW und Kooperationspartner des GES, diese Netzwerke<br />
trügen zu innovativen Lösungen <strong>für</strong> globale Herausforderungen<br />
bei. Ein Pilotprojekt dazu war die gemeinsam mit der ZBW ins<br />
Leben gerufene virtuelle Arbeitsplattform „Open Solution“, in der die<br />
GES-Community im Vorfeld gemeinsam Lösungsvorschläge erarbeitet<br />
hatte, um diese dann einer prominenten Jury – René Obermann<br />
(CEO der Deutschen Telekom AG), Yves Leterme (Vize-Generalsekretär<br />
der OECD), Aart de Geus (Vorstandsvorsitzender der<br />
Bertelsmann Stiftung) und Dennis J. Snower – zur Wahl zu stellen.<br />
Der Autor der innovativsten Lösung gewann ein Ticket nach Rio und<br />
nahm an den Diskussionen des GES <strong>2012</strong> teil. Insgesamt erreichten<br />
die Social-Media-Aktivitäten des diesjährigen Symposiums ein bisher unerreichtes Niveau:<br />
über 1.200 Tweets und Beiträge in Netzwerken wie Google+ und Facebook führten zu einer<br />
Gesamtzahl von 1,5 Millionen Ansichten. Der Livestream des GES wurde über 4.000 Mal<br />
aufgerufen.<br />
Kontinuierlich weiterentwickelt worden ist das im vergangenen Jahr ins Leben gerufene Schülerprojekt,<br />
mit dem das Interesse junger Menschen an der konstruktiven Lösung von Problemen,<br />
die die Welt bewegen, geweckt werden soll. Dieses Projekt war bereits 2011 sehr<br />
erfolgreich gewesen und wurde deshalb <strong>2012</strong> fortgeführt. Und so reisten zwei Schülerinnen<br />
der Kieler Gymnasien Wellingdorf und Humboldt, die sich im Vorwege<br />
des Symposiums intensiv auf Themen wie „Redefining Universities“<br />
und „Tackling Inequality of Opportunities“ vorbereitet hatten und<br />
live vom GES in Hörfunk und Printmedien als Schulreporterinnen<br />
berichteten, mit nach Rio. Aufgrund der großen Resonanz und ihres<br />
Erfolgs ist zunächst eine deutliche Ausweitung dieser Initiative in<br />
Schleswig-Holstein geplant. Darüber hinaus sollen nationale und internationale<br />
Partnerschulen in dieses Projekt eingebunden werden.<br />
Die Ergebnisse des GES werden auch diesmal wieder in den Global<br />
Economic Solutions zusammengefasst und bedeutenden internationalen<br />
Organisationen präsentiert. Die Resultate des gemeinsam mit<br />
dem Büro der Europäischen Politikberater (BEPA) durchgeführten<br />
Panels zum Thema „Expanding Job Opportunities for Senior Citizens“<br />
werden in Kürze in Form eines GES-Briefs der Europäischen<br />
Kommission zugeleitet.<br />
Im fünften Jahr seines Bestehens hat das Global Economic Symposium in Rio <strong>für</strong> die Ausweitung<br />
der GES-Community auf den südamerikanischen Kontinent gesorgt und damit weiter<br />
an nationaler und internationaler Bedeutung gewonnen. Im Jahr 2013 kehrt nun das GES,<br />
wie geplant, in seine Heimatstadt Kiel zurück und kann hier, wie bereits im Jahr 2011, auf die<br />
große Unterstützung der regionalen Wirtschaft bauen.<br />
Alessio J.G. Brown<br />
46
Das <strong>IfW</strong> im Überblick<br />
Zentrum<br />
Public Relations<br />
Das Public Relations Zentrum transportiert die Forschungsergebnisse<br />
des <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> <strong>Weltwirtschaft</strong> in die Medien und die<br />
breite Öffentlichkeit. Es ist der zentrale Ansprechpartner <strong>für</strong> externe<br />
Anfragen zu den Forschungs- und Veranstaltungsaktivitäten<br />
des <strong>Institut</strong>s. Darüber hinaus entwickelt und liefert es medien-<br />
und öffentlichkeitswirksame Produkte und Informationen.<br />
Zentrum<br />
Fundraising und Außenbeziehungen<br />
Das Zentrum Fundraising und Außenbeziehungen bildet die<br />
Schnitt stelle des <strong>IfW</strong> <strong>für</strong> die Erschließung und Beschaffung finanzieller<br />
Mittel. Primäre Zielgruppe des Zentrums ist die Wirtschaft,<br />
zu der intensive Kontakte gepflegt werden. Aus deren<br />
Mitte wirbt das Zentrum Förderer, die Mitglied der<br />
Gesellschaft zur Förderung des<br />
<strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> <strong>Weltwirtschaft</strong><br />
werden können. Auch die Betreuung des<br />
Wirtschaftswissenschaftlichen Clubs, die Kontaktpflege zu den<br />
Alumni und die Betreuung des Wirtschaftsbeirats des <strong>IfW</strong> gehören<br />
zu den Aufgaben des Zentrums.<br />
Zentrum<br />
Research Grants<br />
Das Zentrum Forschungsförderung bietet Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeitern des <strong>IfW</strong> bei allen Drittmittel-Forschungsvorhaben<br />
seine Unterstützung an, sowohl bei der Suche nach geeigneten<br />
Mitteln als auch bei den administrativen Arbeiten. Dies kann<br />
im Einzelfall auch einmal eine gemeinsame Einreichung sein,<br />
bei der das Zentrum den administrativen Teil bei Antragstellung<br />
und Durchführung des Projektes übernimmt (beispielsweise bei<br />
großen EU-Projekten).<br />
47
Veranstaltungshighlight<br />
Der <strong>Weltwirtschaft</strong>liche Preis des <strong>IfW</strong><br />
zum achten Mal in Kiel verliehen<br />
v.l. Torsten Albig, Prof.Daniel Kahnemann, Prof. Nathan Eagle, Martti Ahtisaari, Joachim Gauck,<br />
Prof. Dennis J. Snower, Cathy Kietzer<br />
In Anwesenheit von Bundespräsident Joachim Gauck, Ministerpräsident Torsten Albig, Stadtpräsidentin<br />
Cathy Kietzer und Kammervizepräsident Honorarkonsul Klaus-Hinrich Vater überreichte<br />
<strong>IfW</strong>-Präsident Prof. Dennis J. Snower den diesjährigen Preisträgern die Ehrenmedaillen<br />
im Haus der Wirtschaft der Industrie- und Handelskammer zu Kiel. In der<br />
Kategorie Politik wurde Martti Ahtisaari, ehemaliger finnischer Staatspräsident<br />
und Friedensnobelpreisträger, in der Kategorie Wirtschaftswissenschaften<br />
Prof. Daniel Kahneman, Nobelpreisträger <strong>für</strong> Wirtschaftswissenschaften, und<br />
in der Kategorie Wirtschaft Prof. Nathan Eagle, Mitbegründer und Geschäftsführer<br />
des Unternehmens Jana, Boston, USA, mit dem <strong>Weltwirtschaft</strong>lichen<br />
Preis <strong>2012</strong> ausgezeichnet. Der Bundespräsident hielt die Festrede.<br />
Bundespräsident Joachim Gauck<br />
Prof. Dennis J. Snower<br />
Der Preis soll einen Anstoß geben, die großen weltwirtschaftlichen Herausforderungen<br />
durch kreative Problemlösungen zu bewältigen. Besonders der<br />
Dialog zwischen den verschiedenen Gruppen der Gesellschaft soll dabei im<br />
Vordergrund stehen. Durch die Würdigung der Preisträger werben wir <strong>für</strong> eine<br />
marktwirtschaftliche Ordnung, die sowohl die Effizienz als auch den sozialen<br />
Ausgleich befördert.<br />
Die diesjährigen Preisträger haben auf ihre ganz individuelle Weise solche<br />
kreativen Problemlösungen gefunden und damit einen Beitrag zum Zusammenhalt<br />
der Gesellschaft geleistet. <strong>IfW</strong>-Präsident Dennis J. Snower ging in seiner<br />
Laudatio auf die individuellen Errungenschaften ein. Martti Ahtisaari habe<br />
verdeutlicht, wie das Menschenrecht, in Frieden zu leben, auch in fest verankerten<br />
Konfliktsituationen befriedigt werden kann. Daniel Kahneman habe<br />
mit seinen Forschungsarbeiten die Achse des ökonomischen Menschenbildes<br />
verschoben – jenes Bildes vom vollständig rational handelnden Homo oeconomicus,<br />
der ausschließlich seinen eigenen Nutzen verfolgt. Und Nathan Eagle<br />
habe revolutionäre neue Wege entdeckt, Menschen in Entwicklungsländern in<br />
Kooperation miteinander zu bringen – im Dienste der Gesellschaft.<br />
48
Verleihung des <strong>Weltwirtschaft</strong>lichen Preises <strong>2012</strong><br />
Veranstaltungshighlight<br />
Martti Oiva Kalevi Ahtisaari, geboren am 23. Juni 1937 in Viipuri, damals Finnland und heute Russland, ist<br />
Vorsitzender und Gründer der Crisis Management Initiative. Er war finnischer Staatspräsident (1994–2000) und<br />
wurde im Jahr 2008 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Ahtisaari habe, so das Osloer Komitee, „wesentliche<br />
Beiträge geleistet, um internationale Konflikte zu lösen“.<br />
Nach einer Lehrerausbildung an der Universität Oulu (Abschluss 1959), zog Ahtisaari nach Pakistan, wo er sich<br />
<strong>für</strong> die YMCA engagierte. Von 1965 bis 1973 bekleidete er verschiedene Ämter im finnischen Außenministerium.<br />
Als Botschafter vertrat er sein Land in Tansania (1973–1976), Sambia, Somalia und Mosambik. In dieser Zeit<br />
übernahm er ab 1975 auch Aufgaben <strong>für</strong> die Vereinten Nationen, insbesondere in Namibia. Zwischen 1978<br />
und 1988 wirkte er als UN-Sonderbeauftragter <strong>für</strong> Namibia. Im Jahr 1984 kehrte er nach Finnland zurück, um<br />
Staatssekretär im Auswärtigen Amt zu werden. 1987 wechselte er als Untergeneralsekretär <strong>für</strong> Verwaltung<br />
und Management zu den Vereinten Nationen, eine Aufgabe, die er zusätzlich zu der Leitung der UN Transition<br />
Assistance Group <strong>für</strong> Namibia übernahm. Bevor ihm 1992 der Vorsitz der Bosnien-Herzegowina-Arbeitsgruppe<br />
übertragen wurde, wurde er 1991 finnischer Außenminister. Im Jahr 1994 wurde Ahtisaari zum Staatspräsidenten<br />
Finnlands gewählt. Während seiner Amtszeit trat Finnland der EU bei. Als EU-Beauftragter <strong>für</strong> das Kosovo<br />
setzte er gemeinsam mit Victor Chernomyrdin und Strobe Talbott den Abzug der serbischen Streitkräfte aus<br />
der Provinz durch. Ahtisaari vermittelte außerdem im Konflikt um die Unabhängigkeit der Aceh-Region in Indonesien.<br />
Im Jahr 2000 gründete er die Crisis Management Initiative (CMI), die sich <strong>für</strong> Friedensprozesse in den<br />
Konfliktregionen der Welt einsetzt. Aktuell ist die CMI vor allem in Aceh, am Schwarzen Meer, in Zentralasien, in<br />
der Europäischen Union und im Nahen Osten aktiv.<br />
Martti Ahtisaari hat viele Auszeichnungen erhalten, darunter 23 Ehrendoktortitel. Unter anderem hat er den<br />
dänischen Elefanten-Orden (1994), das Großkreuz des Verdienstordens der Italienischen Republik (1997), den<br />
Franklin D. Roosevelt Four Freedoms Award (2000), den Hessischen Friedenspreis (2000), die Manfred-Wörner-Medaille<br />
(2007), den UNESCO Félix Houphöuet-Boigny Friedenspreis (2008) erhalten. 2008 wurde ihm der<br />
Friedensnobelpreis verliehen.<br />
Daniel Kahneman, geboren am 5. März 1934 in Tel Aviv, Israel, ist ein israelisch-amerikanischer Psychologe,<br />
der 2002 zusammen mit Vernon L. Smith den Nobelpreis <strong>für</strong> Wirtschaftswissenschaften erhalten hat. Kahneman<br />
wurde <strong>für</strong> „das Einführen von Einsichten der psychologischen Forschung in die Wirtschaftswissenschaft, besonders<br />
bezüglich Beurteilungen und Entscheidungen bei Unsicherheit“ geehrt. Er ist seit 2007 emeritierter Professor<br />
der Psychologie und Senior Scholar und hat außerdem die Eugene-Higgins-Professur <strong>für</strong> Psychologie an<br />
der Woodrow Wilson School <strong>für</strong> öffentliche und internationale Angelegenheiten der Princeton Universität inne.<br />
Kahneman ist außerdem seit 2000 Mitglied im Center for Rationality der Hebräischen Universität in Jerusalem.<br />
Das Studium (Hauptfach Psychologie, Nebenfach Mathematik) schloss Kahneman mit dem Bachelor of Science<br />
1954 an der Hebräischen Universität in Jerusalem ab. Mit dem Universitätsabschluss trat er 1954 seinen Wehrdienst<br />
in der psychologischen Abteilung des Militärs an und entwickelte dort ein Interviewsystem, das über<br />
Jahrzehnte weiter verwendet wurde. Nach Abschluss seines zweijährigen Militärdienstes hat er seinen Ph.D.<br />
in Psychologie an der Universität Berkeley in Kalifornien erworben. Kahneman wirkte von 1970 bis 1978 als<br />
Professor der Psychologie an der Hebräischen Universität Jerusalem, von 1978 bis 1986 an der University of<br />
British Columbia und von 1986 bis 1994 an der Universität Berkeley in Kalifornien.<br />
Er ist Mitglied der nationalen Akademie der Wissenschaften, der Philosophischen Gesellschaft und der amerikanischen<br />
Akademie <strong>für</strong> Kunst und Wissenschaften. Darüber hinaus ist er Mitglied in der American Psychological<br />
Association, in der amerikanischen Psychologischen Gesellschaft, in der Gesellschaft <strong>für</strong> Experimentelle<br />
Psychologen und in der Ökonometrischen Gesellschaft. Viele Arbeiten des Psychologen werden dem Gebiet<br />
der Behavioral Economics zugerechnet, die sich mit dem Verhalten von Menschen in Entscheidungssituationen<br />
befasst. Die von Kahneman zusammen mit seinem 1996 verstorbenen Kollegen Amos Tversky entwickelte Prospect<br />
Theory sowie ihre Arbeiten zu Heuristiken hinterfragen das traditionelle Menschenbild des Homo oecono-<br />
49
Veranstaltungshighlight<br />
Verleihung des <strong>Weltwirtschaft</strong>lichen Preises <strong>2012</strong><br />
micus in der Wirtschaftswissenschaft und liefern eine alternative Sichtweise, um das menschliche Verhalten zu<br />
erklären. Kahnemans Arbeiten inspirierten eine neue Generation von Ökonomen, die Wirtschaftsakteure nicht<br />
mehr als streng rationale, sondern vielmehr als emotional Handelnde und manchmal auch irrende Menschen<br />
betrachten.<br />
Daniel Kahneman hat viele Auszeichnungen erhalten, darunter unter anderem den Distinguished Scientific Contribution<br />
Award of the American Psychological Association (1982) und den Grawemeyer Prize (2002), beide<br />
zusammen mit Amos Tversky, die Warren Medal of the Society of Experimental Psychologists (1995), den Hilgard<br />
Award for Career Contributions to General Psychology (1995) und den Lifetime Contribution Award of the<br />
American Psychological Association (2007). 16 Universitäten haben ihm die Ehrendoktorwürde verliehen, u.a.<br />
die Universität Würzburg (2004).<br />
Nathan Eagle, geboren am 30. Dezember 1976 in Kalifornien, USA, ist Mitgründer und Geschäftsführer von<br />
Jana, einer Firma aus Boston, die auf dem Mobilfunkmarkt in Entwicklungsländern aktiv ist. Darüber hinaus<br />
ist er Assistenzprofessor an der Harvard University, Gastprofessor am Massachusetts <strong>Institut</strong>e of Technology<br />
(MIT), Omidyar Fellow am Santa Fe <strong>Institut</strong>e und Forschungsprofessor an der Northeastern University. Er gilt<br />
als Pionier des „Reality Mining“, der Möglichkeit, aus sehr großen Datenmengen sinnvolle Strukturen zu identifizieren.<br />
Nathan Eagle hat einen B.Sc. in Maschinenbau, einen M.Sc. in Betriebswirtschaft und Maschinenbau und einen<br />
M.Sc. in Elektrotechnik an der Stanford University erworben. 2005 machte Eagle seinen Ph.D. am MIT Media<br />
Laboratory. Seine Doktorarbeit hat er über Reality Mining geschrieben. Das Konzept wurde vom MIT Technology<br />
Review als eine der „10 Technologien, welche aller Voraussicht nach unsere Lebensgewohnheiten ändern<br />
werden“ ausgezeichnet. 1997 war er Ingenieurstudent bei der NASA/Lockheed Martin in Kalifornien. Eagle war<br />
2001 Gastdozent am Fraunhofer <strong>Institut</strong> in Magdeburg.<br />
2009 gründete Nathan Eagle zusammen mit Ben Olding die Firma txteagle.com, die heute Jana heißt. Fasziniert<br />
von der Allgegenwart des Mobiltelefons in Entwicklungsländern, begann er mit der Entwicklung einer<br />
Softwareplattform, die es ermöglichen sollte, direkten Kontakt zu Handybesitzern herzustellen, vor allem in den<br />
Entwicklungsländern. Diese sollen über ihre Telefone nützliche Informationen über lokale Begebenheiten bereitstellen,<br />
beispielsweise aktuelle Straßenschilder benennen oder einzelne Wörter oder Sätze in einen bestimmten<br />
Dialekt übersetzen, und da<strong>für</strong> mit Gesprächszeit oder auf andere Weise bezahlt werden. Für diese Art des<br />
Einsatzes von Arbeitnehmern ist der Begriff des „Crowdsourcing“ geprägt worden. Laut Eagle ist das System<br />
auf Billiarden von Aufgaben und Milliarden von Arbeitnehmern ausgelegt. Eagle versteht seine Arbeit auch als<br />
Entwicklungshilfe nach dem Motto „make money, do good“. Die Firma hat Verträge mit ca. 220 Mobilfunkbetreibern<br />
in mehr als 80 Ländern abgeschlossen.<br />
Nokia bezeichnete Nathan Eagle im Jahre 2008 als einen der weltbesten Anwendungsentwickler <strong>für</strong> Mobiltelefone.<br />
2009 gewann er den vom MIT Technology Review ausgelobten TR-35 Award; die Zeitschrift ehrt jedes<br />
Jahr herausragende Innovatoren, die jünger als 35 Jahre sind. Außerdem hat Nathan Eagle sein Unternehmen<br />
im Rahmen von Bill Clintons Global Initiative als Musterprojekt <strong>für</strong> nachhaltige Globalisierung vorgestellt. Seine<br />
wissenschaftlichen Arbeiten sind in den Zeitschriften Science, Nature und PNAS erschienen und seine Forschungsergebnisse<br />
sind in The New York Times, The Wall Street Journal, Business Week und vom amerikanischen<br />
TV-Sender CNN präsentiert und kommentiert worden.<br />
Federico Foders<br />
50
Veranstaltungshighlight<br />
Excellence Awards<br />
in Global Economic Affairs <strong>2012</strong><br />
Am 17. Juni wurden vom <strong>IfW</strong> zum sechsten Mal die Excellence Awards in Global Economic<br />
Affairs vergeben, mit denen herausragende Nachwuchsökonomen im Bereich der weltwirtschaftlichen<br />
Forschung ausgezeichnet werden.<br />
Preisträger waren:<br />
Jan de Loecker, Princeton University, <strong>für</strong> seine Arbeiten zum Themengebiet „Internationaler<br />
Handel“,<br />
Oleg Itskhoki, Princeton University, <strong>für</strong> seine Arbeiten zum Themengebiet „Globalisierung<br />
und Arbeitsmärkte“,<br />
Kalina Manova, Stanford University, <strong>für</strong><br />
ihre Arbeiten zum Themengebiet „Internationaler<br />
Handel und Finanzierung“,<br />
Huanhuan Zheng, Chinese University of<br />
Hongkong, <strong>für</strong> ihre Arbeiten zum Themengebiet<br />
„Internationale Finanzkrisen“.<br />
Die Preise schlossen jeweils einen Forschungs<br />
aufenthalt am <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Weltwirtschaft</strong><br />
ein, der durch eine Reihe von<br />
Stipendien (Horst Siebert Fellowship,<br />
Porsche Fellowship, Landeshauptstadt<br />
Kiel Fellowship und Birke Hospitality Fellow -<br />
ship) finanziert wurde.<br />
<strong>Institut</strong>spräsident Dennis Snower überreichte<br />
die Preisurkunden im Rahmen<br />
v.l. Prof. Dennis J. Snower, Oleg Itskhoki, Jan de Loecker, Kalina Manova und Huanhuan Zheng<br />
der Verleihung des <strong>Weltwirtschaft</strong>lichen<br />
Preises während der Kieler Woche <strong>2012</strong>. Anschließend stellten die Preisgewinner auf einem<br />
gemeinsam mit Wissenschaftlern des <strong>IfW</strong> veranstalteten Workshop neue Forschungsergebnisse<br />
vor.<br />
Harmen Lehment<br />
51
Das <strong>IfW</strong> im Überblick<br />
Zentrum<br />
Ausbildung<br />
Im Zentrum der Ausbildungsaktivitäten des <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> <strong>Weltwirtschaft</strong><br />
steht das Aufbaustudium Advanced Studies in International<br />
Economic Policy Research, das sich vornehmlich an junge Wirtschaftswissenschaftler<br />
mit abgeschlossenem Hochschulstudium<br />
richtet. Zusätzlich wird jedes Jahr eine Kiel <strong>Institut</strong>e Summer School<br />
on Economic Policy (KISSEP) angeboten. Darüber hinaus engagiert<br />
sich das Zentrum in der Doktoranden-Ausbildung und bietet Praktikanten<br />
die Möglichkeit, wirtschaftswissenschaftliche Forschung aus<br />
der Nähe kennen zu lernen. Zahlreiche Wissenschaftlerinnen und<br />
Wissenschaftler des <strong>IfW</strong> halten darüber hinaus Lehrveranstaltungen<br />
an Universitäten und Fachhochschulen.<br />
Zentrum<br />
Wissenschaftliche Außenbeziehungen<br />
und Publikationen<br />
Aufgabe des Zentrums ist es zum einen, externe Wissenschaftler<br />
<strong>für</strong> die Aktivitäten des <strong>Institut</strong>s (Forschung, Events, Education) zu<br />
interessieren und Forschungsaufenthalte von externen Wissenschaftlern<br />
am <strong>Institut</strong> zu unterstützen.<br />
Zum anderen befasst sich das Zentrum mit der Herausgabe und<br />
der redaktionellen Bearbeitung verschiedener <strong>Institut</strong>spublikationen;<br />
dazu zählen insbesondere<br />
••<br />
die international renommierte Fachzeitschrift Review of World<br />
Economics/<strong>Weltwirtschaft</strong>liches Archiv,<br />
••<br />
das innovative Open-Access, Open-Assessment E-Journal<br />
Economics sowie<br />
••<br />
die auf wirtschaftspolitische Fragestellungen ausgerichteten<br />
Kieler Diskussionsbeiträge und die Kieler Beiträge zur Wirtschaftspolitik.<br />
52
Veranstaltungshighlight<br />
Bernhard-Harms-Preis <strong>2012</strong><br />
Im Rahmen einer akademischen Feierstunde am 31. Oktober verlieh <strong>IfW</strong>-Präsident Professor<br />
Dennis J. Snower den Bernhard-Harms-Preis <strong>2012</strong> an Professor Gene Grossman von der<br />
Princeton University.<br />
Der mit 25.000 Euro dotierte Bernhard-Harms-Preis wird vom <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Weltwirtschaft</strong> alle<br />
zwei Jahre an eine Persönlichkeit vergeben, die sich durch hervorragende Leistungen auf<br />
dem Gebiet weltwirtschaftlicher Forschung ausgezeichnet oder durch ihre Tätigkeit in der<br />
Wirtschaftspraxis einen herausragenden Beitrag zur Förderung weltwirtschaftlicher Beziehungen<br />
geleistet hat.<br />
Grossman ist einer der weltweit renommiertesten Ökonomen auf dem Gebiet des internationalen<br />
Handels. Nach seiner Promotion am MIT im Jahr 1980 begann er seine Karriere als<br />
Assistant Professor an der Princeton University,<br />
wo er 1988 zum Full Professor ernannt wurde.<br />
Große Beachtung fanden seine Arbeiten zu<br />
den Bestimmungsgründen der internationalen<br />
Wettbewerbsfähigkeit forschungsintensiver Industrieunternehmen.<br />
In seinem gemeinsam mit<br />
Elhanan Helpman verfassten Buch Innovation<br />
and Growth in the Global Economy beschrieb<br />
er, wie die Globalisierung die Innovationstätigkeit<br />
von Firmen beeinflusst, und auf welchen<br />
Wegen Innovationen in Hochtechnologiestaaten<br />
auch Schwellenländern zugutekommen.<br />
Ein ebenfalls stark beachtetes Forschungsfeld<br />
von Gene Grossman waren seine Analysen<br />
von interessensbedingten Einflüssen auf<br />
Prof. Gene Grossman (li.) und Prof. Dennis J. Snower, Ph.D.<br />
die Handelspolitik. Grossman zeigt darin, wie<br />
das Zusammenwirken von Interessengruppen,<br />
Wählern und Politikern die Höhe und Struktur von tarifären und nicht-tarifären Handelsbeschränkungen<br />
beeinflusst und sich auch auf internationale Handelsvereinbarungen auswirkt.<br />
Großes Interesse fanden auch Grossmans Untersuchungen des Einflusses von Handel und<br />
Wachstum auf die Umweltqualität. Seine empirischen Studien verdeutlichen, dass die Umweltqualität<br />
mit steigendem Pro-Kopf-Einkommen zwar zunächst zurückgeht, aber sich dann<br />
mit weiter zunehmendem Wohlstand wieder verbessert – ein Resultat, das unter dem Begriff<br />
der „Environmental Kuznets Curve“ international bekannt und intensiv diskutiert wurde.<br />
In seiner Bernhard-Harms-Vorlesung befasste sich Grossman mit den Effekten der Globalisierung<br />
<strong>für</strong> Arbeitnehmer mit unterschiedlichen Qualifikationen. Er zeigte, dass Löhne nicht<br />
nur zwischen Wirtschaftssektoren, sondern auch innerhalb von Sektoren stark differieren, und<br />
dass diese Tendenz durch Globalisierung verstärkt wird. In Industriestaaten profitieren insbesondere<br />
Arbeitnehmer mit hohem Qualifikationsniveau von einer Öffnung der Märkte, so dass<br />
ihre Löhne stärker steigen als die Löhne der weniger qualifizierten Arbeitnehmer.<br />
Harmen Lehment<br />
53
Veranstaltungshighlight<br />
Take-Maracke-Förderpreis <strong>2012</strong><br />
v.l. Bernhard Klein, Dr. Michael Take, Prof. Dennis J. Snower, Ph.D.,<br />
Annemieke Rode, Julia Heimberger und Anita Hallmann von der Universität<br />
Flensburg.<br />
Am 13. Februar fand die diesjährige Verleihung des Take-Maracke-Preises zum sechsten Mal<br />
statt. Dieses Jahr hatten neben dem bisherigen, mit 1.000 Euro dotierten Preis <strong>für</strong> Kieler Studierende<br />
studentische Arbeiten der Universität Flensburg die Chance auf den „Sonderpreis<br />
<strong>für</strong> Flensburger Analysen zum Strukturwandel in Schleswig-Holstein“ in der<br />
gleichen Höhe. „Mit dem Förderpreis möchten wir engagierte Studierende auf<br />
ihrem Weg ins Berufsleben unterstützen und freuen uns daher sehr über die<br />
Teilnahme der Universität Flensburg und die damit verbundene thematische<br />
Erweiterung“, sagte Dr. Michael Take, Initiator des Preises. Nach einem Grußwort<br />
des dänischen Generalkonsuls Henrik Becker-Christensen unterstrich<br />
Professor Snower, Präsident des <strong>Institut</strong>s und des Wirtschaftswissenschaftlichen<br />
Clubs, in seiner Ansprache den guten Namen, den sich der Preis inzwischen<br />
bei den Studierenden erworben hat. „Mit ihren hervorragenden Leistungen<br />
bauen die Studierenden eine entscheidende Brücke zwischen ihrer<br />
akademischen Arbeit und der Praxis“, so Professor Snower. Die feierliche<br />
Veranstaltung im Wissenschaftszentrum der Christian-Albrechts-Universität<br />
zu Kiel wurde von der Kieler Struktur- und Wirtschaftsförderung GmbH unterstützt.<br />
Federico Foders<br />
Jahresversammlung <strong>2012</strong> der <strong>IfW</strong>-Fördergesellschaft<br />
Gastgeber der Jahresversammlung <strong>2012</strong> der Gesellschaft zur Förderung des <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong><br />
<strong>Weltwirtschaft</strong> war diesmal die Deutsche Telekom AG, die ihre Hauptstadtrepräsentanz da<strong>für</strong><br />
zur Verfügung stellte. Die Deutsche Telekom AG ist seit vielen Jahren Mitglied der Gesellschaft.<br />
An die Sitzung des Verwaltungsrats und die Mitgliederversammlung schloss sich eine<br />
abendliche Diskussionsrunde zu einem wirtschaftspolitisch aktuellen Thema<br />
an. Über die „Europäische Politik in der Krise“ diskutierten vor etwa 100 Gästen<br />
Professor Dennis J. Snower, Präsident des <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> <strong>Weltwirtschaft</strong>,<br />
Dr. Kurt-Ludwig Gutberlet, Vorsitzender der Geschäftsführung der BSH Bosch<br />
und Siemens Hausgeräte GmbH und Präsident der Gesellschaft, Prof. Dr.<br />
Wernhard Möschel, Universität Tübingen, Mitglied des Kronberger Kreises,<br />
MDg Dietrich Jahn, Leiter der Unterabteilung Europa im Bundesministerium<br />
der Finanzen, Bernd Dittmann, Leiter der Vertretung in Brüssel des Bundesverbands<br />
der Deutschen Industrie und der Bundesvereinigung der Deutschen<br />
Arbeitgeberverbände, und Dr. Jan Krancke, Leiter Regulatory Strategy and<br />
Economics, Deutsche Telekom AG. Moderiert wurde die Veranstaltung von<br />
Dr. Marc Beise, Leiter der Wirtschaftsredaktion der Süddeutschen Zeitung. Aus aktuellem<br />
Anlass wurde besonders die Frage „Schuldenkrise und keine nachhaltige Lösung in Sicht –<br />
wie soll es weitergehen in Europa?“ diskutiert. Die Experten befassten sich mit den Vor- und<br />
Nachteilen einiger europäischer Politikansätze. Abschließend beleuchteten sie den höchst<br />
komplexen Entscheidungsprozess während der Krise.<br />
Birgit Sander<br />
54
Das <strong>IfW</strong> im Überblick<br />
Zentrum<br />
Events<br />
Das Event-Zentrum unterstützt als interner Dienstleister die Forschungsbereiche<br />
und Zentren bei der Konzeption und Organisation<br />
von Veranstaltungen des <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> <strong>Weltwirtschaft</strong>.<br />
Es verfolgt das Ziel, alle Veranstaltungen zukunftsorientiert und<br />
nachhaltig zu gestalten. Dabei sorgt die enge Verzahnung von Forschungsbereichen<br />
und Zentren mit der Eventorganisation <strong>für</strong> die<br />
Umsetzung aktueller, relevanter Themen in der Veranstaltung.<br />
Zentrum<br />
IT-Strukturen<br />
Das Zentrum IT-Strukturen sieht sich als interner IT-Service Provider<br />
am <strong>IfW</strong>. Unser Ziel ist, eine hohe Nutzerzufriedenheit bei<br />
unseren internen Nutzern aus Forschung und Verwaltung sowie<br />
den Gästen des Hauses zu erreichen. Dabei wird stets auf Wirtschaftlichkeit<br />
und eine angemessene IT-Security geachtet. Neben<br />
der Weiterentwicklung und Betreuung der Netzwerk-, Server- und<br />
Dienste-Infrastruktur gehört das Clientmanagement <strong>für</strong> die 170<br />
festen Arbeitsplätze sowie das Benutzer- und Berechtigungsmanagement<br />
zu den Aufgabenbereichen des Zentrums.<br />
Über die reine Versorgung mit IT-Infrastruktur hinaus, berät und<br />
betreut das Zentrum die Forschungsbereiche, das Advanced<br />
Studies Program sowie Gastforscher bei der Auswahl und Nutzung<br />
von Software und IT-Systemen.<br />
Die Spanne der vom Zentrum bereitgestellten Systeme reicht von<br />
mathematischen und ökonometrischen Softwarepaketen über statistische<br />
Datenbanken bis hin zu Web-Konferenz-Systemen. Diese<br />
Systeme werden dabei sowohl im Eigenbetrieb als auch als Services<br />
aus der Internet-Cloud zur Verfügung gestellt.<br />
Zentrum<br />
Web Services<br />
Das Web Services Zentrum unterstützt die Außendarstellung des<br />
<strong>Institut</strong>s und die Netzwerkaktivitäten seiner Forscherinnen und Forscher<br />
durch die Bereitstellung und Anpassung moderner Webtechnologien,<br />
die Nutzern einen Zugang zu Forschungsergebnissen<br />
und teilweise auch Forschungsprozessen erlauben.<br />
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<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Weltwirtschaft</strong> Hindenburgufer 66 24105 Kiel Tel. 0431/8814-1 Fax 0431/85853 www.ifw-kiel.de