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IfW Highlights 2012 - Institut für Weltwirtschaft

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<strong>IfW</strong> <strong>Highlights</strong> <strong>2012</strong><br />

Internet: www.ifw-kiel.de


IMPRESSUM<br />

HERAUSGEBER<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Weltwirtschaft</strong> an der Universität Kiel (<strong>IfW</strong>)<br />

Hindenburgufer 66, D–24105 Kiel<br />

Telefon +49 (431) 8814-1 • Telefax +49 (431) 8814-500<br />

REDAKTIONSTEAM<br />

Kirsten Lade; Silke Matthiesen-Goss; Dr. Claus-Friedrich Laaser; Elisabeth Otto;<br />

Dr. Jürgen Stehn (inhaltlich verantwortlich nach § 6 MDStV)<br />

FOTOS<br />

Seiten 5, 48, 51: Foto Renard, Kiel<br />

Seite 10: © Graça Victoria - Fotolia.com; © Christian Jakimowitsch - Fotolia.com<br />

Seiten 45, 46: K. Meinke; Vermelho & Locatel, Luz e Sombra<br />

Weitere Fotos: L. Eckeberg; M. Glowatzka; A. Husfeld; M.Rank;<br />

S. Klahn & F. Schischefsky; Photo Bal<br />

KONZEPTION<br />

Kirsten Lade; Silke Matthiesen-Goss; Dr. Jürgen Stehn<br />

COVERDESIGN<br />

Schmidt und Weber Konzept-Design, Kiel


Inhalt<br />

<strong>IfW</strong>-<strong>Highlights</strong><br />

Das <strong>IfW</strong> im Überblick<br />

4 Editorial<br />

5 Unsere Mission ● Das Präsidium<br />

Forschungshighlights<br />

6 Quo vadis Ostdeutschland?<br />

8 Globalisierung – eine besondere Gefahr<br />

<strong>für</strong> befristet Beschäftigte?<br />

11 Was kann Spanien von den Neu-Exporteuren<br />

unter seinen Unternehmen lernen?<br />

14 Wie können China und Indien<br />

nachhaltig wachsen?<br />

16 Zusätzliche landwirtschaftliche Flächen reduzieren<br />

den Klimaschutzeffekt von Biokraftstoffen<br />

19 Geberkoordinierung:<br />

Kaum Fortschritte seit der Pariser Erklärung<br />

21 Demokratie in Entwicklungsländern: Politischer<br />

Wandel durch Abwanderung in den Westen<br />

Forschungsbereiche<br />

10 Die internationale Arbeitsteilung<br />

13 Wissensakkumulation und Wachstum<br />

18 Umwelt und natürliche Ressourcen<br />

24 Armutsminderung und Entwicklung<br />

25 Besonders in der Rezession:<br />

Die Arbeitsmoral hochhalten<br />

28 Rationale Erwartungen?<br />

Nicht mit historischem Wissen<br />

30 Globaler Aktienmarkt: Abhängigkeiten<br />

und Schwankungen nehmen zu<br />

27<br />

32<br />

Makroökonomische Politik<br />

in unvollkommenen Märkten<br />

Finanzmärkte und<br />

makroökonomische Aktivität<br />

33 Immigration und Strukturwandel – Lehren aus<br />

der deutschen Nachkriegsgeschichte<br />

36 Internationaler Handel: Wachtums- und Wohlstandsfördernd<br />

38 Globalisierung und Wohlfahrtsstaat<br />

Beratungshighlights<br />

Zentren<br />

39 Dominoeffekt in Südeuropa? 44 Wirtschaftspolitik ● Prognosen ●<br />

Global Economic Symposium<br />

42 Spezialisierung macht Hochschulen attraktiv 47 Public Relations ● Fundraising und Außenbeziehungen<br />

● Research Grants<br />

Veranstaltungshighlights<br />

52 Ausbildung ● Wissenschaftliche Außenbeziehungen<br />

und Publikationen<br />

45 Global Economic Symposium <strong>2012</strong> 55 Events ● IT-Strukturen ● Web Services<br />

48 Verleihung des <strong>Weltwirtschaft</strong>lichen<br />

Preises <strong>2012</strong><br />

51 Excellence Awards<br />

in Global Economic Affairs <strong>2012</strong><br />

53 Bernhard-Harms-Preis <strong>2012</strong><br />

54 Take-Maracke-Förderpreis <strong>2012</strong><br />

54<br />

Jahresversammlung <strong>2012</strong><br />

der <strong>IfW</strong>-Fördergesellschaft


Editorial<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

ich freue mich, Ihnen die <strong>IfW</strong>-<strong>Highlights</strong> <strong>2012</strong> prä sen tieren zu<br />

dürfen. Die einmal jährlich erscheinen den <strong>IfW</strong>-<strong>Highlights</strong> geben<br />

Ihnen einen Einblick in aus gewählte For schungs-, Beratungs-,<br />

Ausbildungs - und Veranstal tungs aktivitäten unseres <strong>Institut</strong>s als<br />

großem Zentrum weltwirtschaftlicher Forschung und informieren<br />

Sie gleich zeitig über das Forschungsprogramm und die organisatorischen<br />

Strukturen des <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> Weltwirt schaft.<br />

Die <strong>IfW</strong>-<strong>Highlights</strong> erheben nicht den Anspruch, vollständig<br />

über die Aktivitäten des <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> <strong>Weltwirtschaft</strong> zu berichten.<br />

Vielmehr möchten wir Ihnen ein buntes Kaleidoskop wirtschaftspolitisch<br />

relevanter Arbeiten aus dem <strong>IfW</strong> vorstellen –<br />

informativ und unterhaltsam.<br />

Als öffentlich finanziertes Forschungsinstitut haben wir besonderen<br />

Wert darauf gelegt, die Beiträge <strong>für</strong> eine breite Öffentlichkeit verständlich<br />

zu gestalten. Zudem finden wissenschaftlich interessierte Leserinnen<br />

und Leser über die <strong>IfW</strong>-<strong>Highlights</strong> einen leichten Zugang zu weiterführenden<br />

und vertiefenden Ver öffentlichungen und Informationen.<br />

Ich würde mich sehr freuen, wenn die Beiträge Ihr Interesse finden und wir<br />

Sie auch in Zukunft zum Leserkreis der <strong>IfW</strong>-<strong>Highlights</strong> zählen dürfen.<br />

Herzlichst<br />

Ihr<br />

4


Das <strong>IfW</strong> im Überblick<br />

Unsere Mission<br />

Das <strong>IfW</strong> ist eines der großen Zentren<br />

••<br />

weltwirtschaftlicher Forschung,<br />

••<br />

wirtschaftspolitischer Beratung und<br />

••<br />

ökonomischer Ausbildung.<br />

Das <strong>Institut</strong> sieht seine Hauptaufgabe in der Erforschung innovativer<br />

Lösungs ansätze <strong>für</strong> drängende weltwirtschaftliche Probleme. Auf Basis dieser<br />

Forschungsarbeiten berät es Entscheidungsträger in Politik, Wirtschaft<br />

und Gesellschaft und informiert die interessierte Öffentlichkeit über wichtige<br />

wirtschaftspolitische Zusammenhänge.<br />

Als Tor zur weltwirtschaftlichen Forschung pflegt es ein weit gespanntes<br />

Netzwerk aus nationalen und internationalen Experten, deren Forschungsarbeiten<br />

direkt oder indirekt in die Forschungs- und Beratungsaktivitäten<br />

des <strong>IfW</strong> einfließen.<br />

Das <strong>IfW</strong> legt einen besonderen Schwerpunkt auf die ökonomische Aus- und<br />

Weiterbildung und kooperiert eng mit der ZBW, der größten wirtschafts- und<br />

sozialwissenschaftlichen Bibliothek der Welt.<br />

Das Präsidium<br />

Präsident<br />

Prof. Dennis J. Snower, Ph.D.<br />

Persönlicher Referent<br />

Johannes Burmeister<br />

wiss. Mitarbeiter<br />

Dipl.-Volksw. Steffen Ahrens<br />

Sekretariat<br />

Jutta M. Arpe, Britta Thun, Bärbel Walter<br />

Wissenschaftliche Geschäftsführung<br />

(kommissarisch)<br />

Dr. Sonja Peterson<br />

Sekretariat Sabine Hübener<br />

Managementkoordination<br />

Leiter (kommissarisch) Sven Gilles<br />

Referentin Dipl.-Verww. Birgit Austen, M.A.<br />

Sekretariat Christiane Gebühr<br />

Gleichstellungsbeauftragte<br />

Dr. Birgit Wolfrath<br />

Justiziariat<br />

Ralf Kopischke (Justiziar)<br />

Ombudsman <strong>für</strong> gute wissenschaftliche Praxis<br />

Dr. Peter Nunnenkamp<br />

Emeriti<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. Horst Siebert (†)<br />

(Präsident, April 1989 – März 2003)<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Herbert Giersch (†)<br />

(Präsident, 1969 – März 1989)<br />

5


Forschungshighlight<br />

Quo vadis Ostdeutschland?<br />

Autorenporträts<br />

Frank Bickenbach<br />

Forschungsbereiche<br />

••<br />

Die internationale Arbeitsteilung<br />

••<br />

Wissensakkumulation und Wachstum<br />

Telefon (0431) 8814-274<br />

E-Mail frank.bickenbach@ifw-kiel.de<br />

Expertise<br />

••<br />

Räumlicher und sektoraler Strukturwandel<br />

••<br />

Europäische Integration<br />

••<br />

Innovation und Hochschulbildung in China<br />

••<br />

<strong>Institut</strong>ioneller Wandel in China<br />

Weitere Expertise<br />

••<br />

Industrie- und Regulierungsökonomik<br />

••<br />

<strong>Institut</strong>ionenökonomie<br />

••<br />

Ökonomischer Föderalismus<br />

Dr. Eckhardt Bode<br />

Forschungsbereiche<br />

••<br />

Die internationale Arbeitsteilung<br />

••<br />

Wissensakkumulation und Wachstum<br />

Telefon (0431) 8814-462<br />

E-Mail eckhardt.bode@ifw-kiel.de<br />

Expertise<br />

••<br />

Europäische Integration<br />

••<br />

Agglomerationsvorteile<br />

••<br />

Metropolregionen<br />

••<br />

Räumliche Ökonometrie<br />

Auch wenn mehr als 20 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung der Anschein<br />

besteht, dass sich das West-Ost-Gefälle in Deutschland verhärtet hat, sind die Perspektiven<br />

Ostdeutschlands der neuen ökonomischen Geographie (new economic geography,<br />

NEG) zufolge gar nicht so düster. Interpretiert man die wirtschaftliche Entwicklung<br />

Ostdeutschlands im Lichte jüngerer Ansätze dieser Theorie, so scheint Ostdeutschland<br />

mittlerweile die wirtschaftliche Talsohle erreicht zu haben und in Zukunft wieder an Wirtschaftskraft<br />

gegenüber Westdeutschland zu gewinnen.<br />

Die NEG ist eine Handelstheorie mit Arbeitskräftemigration, die im Kern besagt, dass<br />

sich aus dem Zusammenspiel von Handelskosten, Größenvorteilen in der Produktion,<br />

monopolistischem Wettbewerb und interregionaler Arbeitskräftemobilität ein Spannungsfeld<br />

zwischen Agglomerations- und Dispersionskräften ergibt. Zum einen ziehen,<br />

solange Raumüberwindung Kosten verursacht, sowohl Produzenten als auch Abnehmer<br />

(insbesondere Konsumenten, die zugleich Arbeitnehmer sind) grundsätzlich einen wirtschaftlichen<br />

Vorteil aus der gegenseitigen Nähe. Dies fördert Agglomeration. Zum anderen<br />

aber führt die räumliche Nähe zu einer<br />

„Ostdeutschland dürfte bei weiter<br />

fortschreitender wirtschaftlicher<br />

Integration wieder stärker<br />

aufholen.“<br />

schärferen Konkurrenz auf Faktor- und Gütermärkten,<br />

die sich u.a. in höheren Preisen<br />

<strong>für</strong> immobile Faktoren ausdrücken kann. Wie<br />

von einigen jüngeren NEG-Modellen betont,<br />

kann insbesondere die beschränkte Mobilität<br />

von Arbeitskräften einer starken Agglomeration<br />

entgegenstehen. Nach unserer Einschätzung<br />

stellt diese begrenzte Mobilität in Deutschland eine empirisch besonders wichtige<br />

Dispersionskraft dar. Menschen unterscheiden sich in ihrer Bereitschaft, familiäre, soziale<br />

oder regionale Bindungen <strong>für</strong> bessere Einkommens- und Beschäftigungschancen<br />

aufzugeben. Mit zunehmender Abwanderung bleiben sukzessive die weniger mobilen<br />

Arbeitskräfte zurück. Wenn die Anreize zur Abwanderung, etwa in Gestalt höherer Löhne<br />

oder besserer Beschäftigungschancen anderswo, nicht weiter zunehmen, ebbt der<br />

Wanderungsstrom ab. Im Zuge fortschreitender wirtschaftlicher Integration dominieren<br />

in den NEG-Modellen mit beschränkter Arbeitskräftemobilität zufolge zunächst die Agglomerationskräfte,<br />

so dass sich wirtschaftliche Aktivitäten zunehmend im Raum konzentrieren.<br />

Später aber gewinnen die Dispersionskräfte die Überhand, so dass sich die<br />

Aktivitäten wieder dekonzentrieren.<br />

Für die Ost-West-Disparitäten in Deutschland nach der Wiedervereinigung impliziert<br />

dies, dass der Anteil Ostdeutschlands an der gesamtdeutschen Beschäftigung im Zuge<br />

der Integration zwischen Ost- und Westdeutschland zunächst abnehmen, später aber<br />

wieder zunehmen sollte. Vieles deutet darauf hin, dass Deutschland in den vergangenen<br />

gut 20 Jahren den linken Ast dieser U-förmigen Kurve „heruntergewandert“ ist und mittlerweile<br />

am Fuße der Kurve steht.<br />

In den 1990er Jahren, als die wirtschaftliche Integration zwischen Ost- und Westdeutschland<br />

mit der Wiedervereinigung und dem Aufbau der deutsch-deutschen Infrastrukturverbindungen<br />

rasch voranschritt, dominierten offensichtlich die Agglomerationskräfte über<br />

die Dispersionskräfte. Viele Ostdeutsche sind nach Westdeutschland abgewandert, um<br />

von den dort höheren Reallöhnen und besseren Beschäftigungschancen zu profitieren.<br />

Der Anteil Ostdeutschlands an der gesamtdeutschen Beschäftigung sank von über<br />

6


Quo vadis Ostdeutschland?<br />

Forschungshighlight<br />

22 Prozent auf 19 Prozent (Diagramm). Der Bauboom in Ostdeutschland bis 1995 und die<br />

an schließende Rezession beeinflussten die Wanderungsentscheidungen nur vorübergehend.<br />

Dass die Abwanderungsraten im Zeitablauf tendenziell zurückgegangen sind, ist zwar zum Teil<br />

durch die rasche – vor allem politisch motivierte – Verringerung des West-Ost-Lohngefälles zu<br />

erklären, die die Wanderungsanreize verringerte. Sie ist aber auch dadurch bedingt, dass nach<br />

Abwanderung der besonders Mobilen immer weniger weitere Ostdeutsche bereit waren, ihre<br />

Heimatregion Richtung Westen zu verlassen.<br />

Im Laufe der 2000er Jahre hat sich der Integrationsprozess weiter fortgesetzt, wenn auch langsamer<br />

als zuvor. Einige weitere Infrastrukturprojekte wurden fertig gestellt, und die „Mauer in den<br />

Köpfen“ bröckelte weiter. Trotzdem kam der Agglomerationsprozess komplett zum Stillstand. Der<br />

Beschäftigtenanteil Ostdeutschlands liegt seit 2005 konstant bei gut 18 Prozent (Diagramm). 2009<br />

wanderten netto nur noch knapp 19.000 Ostdeutsche nach Westdeutschland, 2010 sogar nur<br />

noch knapp 10.000. Und dies, obwohl sich die Reallöhne zwischen Ost und West nicht weiter<br />

angeglichen haben. Die ostdeutschen Nominallöhne<br />

haben sich bei rund 80 Prozent des Westniveaus<br />

eingependelt; die Reallohndifferenz dürfte bei 10–15<br />

Prozent liegen. Aus Sicht der NEG ist dies ein starkes<br />

Indiz da<strong>für</strong>, dass die Agglomerationskräfte nicht<br />

länger die Dispersionskräfte dominieren. Ost- und<br />

Westdeutschland sind mittlerweile ökonomisch soweit<br />

zusammen gewachsen, dass Unternehmen bei weiterer<br />

Integration dem Standortnachteil der „Marktferne“<br />

Ostdeutschlands nicht mehr höhere Bedeutung<br />

zumessen als dem Standortvorteil niedrigerer Löhne.<br />

Und die Agglomeration ist so weit fortgeschritten,<br />

dass ostdeutsche Arbeitskräfte kaum noch bereit sind,<br />

ihre Heimat wegen höherer Löhne oder besserer Beschäftigungsmöglichkeiten<br />

gen Westen zu verlassen.<br />

Der untere, horizontale Teil der U-Kurve ist erreicht.<br />

Ost-West-Migration und Beschäftigtenanteil Ostdeutschlands, 1989–2010<br />

Der NEG zufolge werden sich die Agglomerationskräfte bei fortschreitender Integration in Zukunft<br />

weiter abschwächen. Unternehmen werden feststellen, dass sie ihre Märkte auch von<br />

Ostdeutschland aus bedienen können, wo die Löhne niedriger sind. Die Reallohnunterschiede<br />

zwischen West und Ost werden kleiner werden und Arbeitskräfte werden nach Ostdeutschland<br />

zurück wandern. Kurz, Deutschland wird beginnen, den aufsteigenden Ast der U-Kurve<br />

hinaufzuwandern. In der Tat besteht noch erhebliches Potenzial <strong>für</strong> weitere Integration. Noch<br />

sind nicht alle „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ abgeschlossen. Auch ist die Mauer in vielen<br />

Köpfen noch präsent. Für eine weitere Integration spricht schließlich auch ein Vergleich mit<br />

anderen hochentwickelten Ländern. In praktisch allen diesen Ländern ist die regionale Konzentration<br />

wirtschaftlicher Aktivitäten bereits seit langem rückläufig. Wäre Ostdeutschland mit<br />

Westdeutschland ebenso hoch integriert wie es etwa die westdeutschen Regionen untereinander<br />

sind, so wäre der Beschäftigtenanteil Ostdeutschlands bereits ein gutes Stück entlang des<br />

aufsteigenden Asts der U-Kurve vorangeschritten.<br />

400<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

Netto-Abwanderungen aus Ostdeutschland<br />

(1000 Personen, linke Skala)<br />

Beschäftigtenanteil<br />

Ostdeutschlands<br />

(rechte Skala)<br />

0<br />

0,16<br />

1989 1992 1995 1998 2001 2004 2007 2010<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt; Wolff, S. (2010), Ost-West-Wanderung im wiedervereinigten<br />

Deutsch land: Erfahrungen und Perspektiven. Optimus, Göttingen.<br />

0,24<br />

0,23<br />

0,22<br />

0,21<br />

0,20<br />

0,19<br />

0,18<br />

0,17<br />

Allerdings kann dieser Dekonzentrationsprozess noch eine Weile auf sich warten<br />

lassen. Ein Grund <strong>für</strong> eine Verzögerung wäre der – aus verschiedenen Gründen<br />

<strong>für</strong> nötig erachtete – Abbau der staatlichen Transfers nach Ostdeutschland.<br />

Dieser Abbau würde die Dispersionskräfte innerhalb Deutschlands tendenziell<br />

schwächen, weil er Ostdeutschland Kaufkraft entzieht. Ein weiterer Grund wäre,<br />

dass der Fall der Mauer in den Köpfen nicht nur Handelshemmnisse beseitigt,<br />

sondern auch die Migrationsneigung von Arbeitskräften erhöht. Bei unveränderter<br />

Reallohndifferenz könnte dann die Westmigration wieder etwas zunehmen.<br />

Weiterführende Literatur<br />

Bickenbach, Frank, und Eckhardt Bode. New Economic<br />

Geography and Reunified Germany at Twenty:<br />

A Fruitful Match? Spatial Economic Analysis. Im Erscheinen.<br />

7


Forschungshighlight<br />

Globalisierung – eine besondere Gefahr<br />

<strong>für</strong> befristet Beschäftigte?<br />

Autorenporträt<br />

Dr. Dennis Görlich<br />

Forschungsbereich<br />

Die internationale Arbeitsteilung<br />

Telefon (0431) 8814-325<br />

E-Mail dennis.goerlich@ifw-kiel.de<br />

Expertise<br />

••<br />

Arbeitsmarkteffekte von Offshoring<br />

••<br />

Reorganisation der Arbeit<br />

••<br />

Ungleichheit in europäischen Arbeitsmärkten<br />

Weitere Expertise<br />

••<br />

Angewandte Mikroökonometrie<br />

Jeder zehnte deutsche Arbeitnehmer zwischen 25 und 49 Jahren hat einen befristeten<br />

Arbeitsvertrag. Bei den Beschäftigten unter 25 Jahren ist dieser Anteil noch weitaus<br />

höher, hier haben mehr als die Hälfte befristete Verträge. Darüber hinaus ist etwa die<br />

Hälfte aller Neueinstellungen befristet. Insgesamt ist der Anteil der Arbeitnehmer mit<br />

befristeten Verträgen in den letzten zehn Jahren von 11 auf 13 Prozent gestiegen und<br />

liegt damit knapp über dem europäischen Durchschnitt (Abbildung). In einer kürzlich<br />

veröffentlichten Studie (Görg und Görlich, <strong>2012</strong>) haben wir diese Gruppe von Beschäftigten<br />

einmal genauer unter die Lupe genommen und untersucht, ob Arbeitnehmer mit<br />

befristeten Verträgen stärker von der Globalisierung betroffen sind als Arbeitnehmer<br />

mit unbefristeten Verträgen.<br />

Eine Vielzahl von theoretischen und empirischen Arbeiten hat gezeigt, dass die Globalisierung<br />

zu Anpassungen in Löhnen und Beschäftigung führt. Insbesondere der<br />

vermehrte Einsatz von aus dem Ausland importierten Zwischenprodukten in der heimischen<br />

Produktion (Offshoring) wurde mit sinkenden Löhnen und geringerer Arbeitsplatzsicherheit<br />

<strong>für</strong> bestimmte Gruppen in Verbindung gebracht (vgl. z.B. Bachmann<br />

und Braun, 2010; Geishecker und Görg, 2008 und <strong>2012</strong>).<br />

Es gibt gute Gründe, warum die Gruppe der befristet Beschäftigten besonders von<br />

Globalisierungsanpassungen betroffen sein könnte. Einerseits ist es wahrscheinlich,<br />

dass zuerst befristet Beschäftigte betroffen sind, wenn Unternehmen aufgrund von<br />

Offshoring Stellen abbauen. Auslaufende Verträge der Beschäftigten sind dabei nur<br />

ein möglicher Grund. Hinzu kommt möglicherweise ein Mangel an Kenntnissen, zum<br />

Beispiel spezifische Kenntnisse, die erst durch eine lange Zeit im Unternehmen gewonnen<br />

werden können. Andererseits ist es aber auch möglich, dass Unternehmen,<br />

die aufgrund von Kosteneinsparungen durch Offshoring expandieren, vor allem befristete<br />

Beschäftigte einstellen.<br />

„Befristet Beschäftigte sind stärker<br />

von Offshoring betroffen als Arbeitnehmer<br />

mit Festverträgen. Die Auswirkungen<br />

können allerdings sowohl<br />

negativ als auch positiv sein.“<br />

Anpassungen an die Globali sierung können<br />

natürlich auch über die Löhne stattfinden,<br />

beispielsweise wenn Arbeitsplätze<br />

nur bei sinkenden Lohn kosten<br />

gehalten werden können. Auch hier würde<br />

man erwarten, dass besonders befristet<br />

Beschäftigte betroffen sind, denn<br />

sie haben eine geringere Verhandlungsmacht<br />

als Arbeitnehmer mit unbefristeten Verträgen. Bei Lohnverhandlungen können<br />

sich befristet Beschäftigte wahrscheinlich schlechter durchsetzen. Außerdem sind sie<br />

in kollektiven Tarifverhandlungen möglicherweise schlechter repräsentiert.<br />

Die empirische Analyse der Studie wertet Daten des sozio-ökonomischen Panels<br />

(SOEP) aus. Das SOEP ist eine jährliche Befragung von Personen, die in Deutschland<br />

leben. Neben Informationen über Alter, Ausbildung, Beruf, Berufserfahrung und<br />

Verdienst, enthält es auch Informationen über die Art der Beschäftigung, also ob die<br />

Person befristet oder unbefristet beschäftigt ist. Da die Verantwortlichen des SOEP<br />

die befragten Personen jedes Jahr aufs Neue aufsuchen, können wir mit Hilfe des<br />

Datensatzes auch Übergänge von Beschäftigung in die Arbeitslosigkeit beobachten.<br />

8


Globalisierung – eine besondere Gefahr <strong>für</strong> befristet Beschäftigte?<br />

Forschungshighlight<br />

Die SOEP-Daten sagen noch nichts darüber aus, wie stark eine Person am Arbeitsplatz mit<br />

Offshoring, also dem Einsatz von Zwischenprodukten aus dem Ausland, konfrontiert ist. Da<strong>für</strong><br />

verknüpft die Studie die Informationen aus dem SOEP mit Daten zu Offshoring des Statistischen<br />

Bundesamtes. Dies ermöglicht es uns nun, die Auswirkungen von Offshoring auf Löhne<br />

und Beschäftigungssicherheit von Arbeitnehmern mit befristeten Verträgen zu untersuchen.<br />

Die Studie zeigt: Befristet Beschäftigte sind<br />

stärker von Offshoring betroffen als Arbeitnehmer<br />

mit Festverträgen. Die Auswirkungen<br />

können allerdings sowohl negativ als auch positiv<br />

sein. Im Produzierenden Gewerbe führt<br />

eine verstärkte Nutzung von Zwischenprodukten<br />

aus dem Ausland bei befristet Beschäftigten<br />

zu geringeren Löhnen. Arbeitnehmer mit<br />

Festverträgen sind nicht von Lohnanpassungen<br />

betroffen. Die Ergebnisse der Studie zeigen<br />

aber auch, dass eine verstärkte Nutzung<br />

importierter Zwischenprodukte zu einem verringerten<br />

Arbeitslosigkeitsrisiko führt; sowohl<br />

bei befristet als auch bei unbefristet Beschäftigten.<br />

Möglicherweise nehmen befristet Beschäftigte<br />

geringere Löhne in Kauf, damit sie<br />

ihren Arbeitsplatz behalten können. Es wäre<br />

auch möglich, dass Unternehmen durch den<br />

Import günstigerer Zwischenprodukte aus<br />

dem Ausland Kosten einsparen, somit produktiver<br />

werden, die heimische Produktion<br />

ausweiten und da<strong>für</strong> befristete Arbeitsverhältnisse<br />

nutzen.<br />

Anteil von befristeter Beschäftigung in Deutschland und der EU, 2001–2011<br />

15<br />

14<br />

13<br />

12<br />

11<br />

10<br />

9<br />

8<br />

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

Quelle: Eurostat.<br />

EU‐27<br />

Deutschland<br />

Die statistische Erhebungsmethode wurde zwischen 2004 und 2005 angepasst. Vermutlich liegen die<br />

wahren Werte bis 2004 höher, als hier dargestellt.<br />

Im Dienstleistungsbereich zeichnet sich ein etwas anderes Bild der Globalisierungseffekte ab.<br />

Offshoring führt in diesem Bereich nicht zu Lohnanpassungen. Auch die Anpassung der Beschäftigung<br />

ist nicht besonders ausgeprägt. Nur der vermehrte Import von Dienstleistungen<br />

aus entwickelten Ländern ist mit einem geringeren Arbeitslosigkeitsrisiko <strong>für</strong> alle Beschäftigten<br />

assoziiert.<br />

Insgesamt scheinen sich die vielerorts be<strong>für</strong>chteten negativen Konsequenzen<br />

der Globalisierung <strong>für</strong> befristet Beschäftigte in Grenzen zu halten. Zwar können<br />

wir feststellen, dass die verstärkte Nutzung importierter Zwischenprodukte<br />

zu geringeren Löhnen bei befristeten Stellen führt. Gleichzeitig verringert<br />

sich <strong>für</strong> befristet Beschäftigte aber auch das Risiko, arbeitslos zu werden.<br />

Dennoch sollte der Trend zu befristeten und anderen atypischen Arbeitsverhältnissen<br />

im Auge behalten werden, denn sie sind eine relativ ungeschützte<br />

und teilweise benachteiligte Personengruppe. Dies gilt gerade auch vor dem<br />

Hintergrund der stetig stärker werdenden Globalisierung.<br />

Weiterführende Literatur<br />

Bachmann, Ronald, und Sebastian Braun (2011). The<br />

Impact of International Outsourcing on Labour Market<br />

Dynamics in Germany. Scottish Journal of Political<br />

Economy 58: 1–28.<br />

Geishecker, Ingo, und Holger Görg (2008). Winners<br />

and Losers: A Micro-Level Analysis of International<br />

Outsourcing and Wages. Canadian Journal of Economics<br />

41: 243–270<br />

Geishecker, Ingo, und Holger Görg (2013). Services<br />

Offshoring and Wages: Evidence from Micro Data. Oxford<br />

Economic Papers 65 (1): 124–146.<br />

Görg, Holger, und Dennis Görlich (<strong>2012</strong>). Offshoring,<br />

Wages and Job Security of Temporary Workers. Kieler<br />

Arbeitspapiere 1797. <strong>IfW</strong>, Kiel.<br />

9


Das <strong>IfW</strong> im Überblick<br />

Forschungsbereich<br />

Die internationale Arbeitsteilung<br />

Dipl.-Volksw. Frank Bickenbach<br />

Dr. Eckhardt Bode<br />

Olivier N. Godart, Ph.D.<br />

Prof. Holger Görg, Ph.D. (Leiter)<br />

Dr. Dennis Görlich<br />

Sabine Hübener<br />

Dipl.-Volksw. Christiane Krieger-Boden<br />

Dr. Peter Nunnenkamp<br />

Michaela Rank<br />

Tillmann Schwörer<br />

Natalia Trofimenko, Ph.D.<br />

Prof. Gerald Willmann, Ph.D.<br />

assoziiert:<br />

Prof. Horst Raff, Ph.D.<br />

Dr. Hartmut Wolf<br />

Das übergeordnete Ziel der Forschung in diesem Bereich besteht darin, wesentliche Aspekte<br />

der internationalen Arbeitsteilung bei fortschreitender Globalisierung empirisch zu<br />

analysieren. Auf diese Weise wollen wir dazu beitragen, zu überzeugenderen Antworten<br />

auf globalisierungsbedingte Herausforderungen zu kommen. Der Schwerpunkt der Forschung<br />

liegt auf den Determinanten und Effekten von Outsourcing und Offshoring durch<br />

internationalen Handel und ausländische Direktinvestitionen auf weltweiter und regionaler<br />

Ebene, das heißt auf Aspekten der Globalisierung, die sowohl in Wissenschaft als auch in<br />

der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert werden:<br />

Ausländische Direktinvestitionen<br />

Hier werden Determinanten und Auswirkungen von ausländischen Direktinvestitionen und<br />

multinationalen Unternehmen untersucht. Empirisch wird dies mit Hilfe von Makro- und<br />

Mikrodatensätzen analysiert.<br />

Outsourcing und Handel von Dienstleistungen<br />

Dieses Projekt wird auf Basis des Siebten Rahmenprogrammes (FP7)<br />

durch die Europäische Kommission gefördert. Untersucht werden hier<br />

vor allem die Auswirkungen von Dienstleistungshandel und insbesondere<br />

des Outsourcings von Dienstleistungen auf Beschäftigung und<br />

Produktivität in Heimatländern.<br />

Anpassungsprozesse im Handel<br />

In diesem Projekt werden die Anpassungsprozesse, die durch<br />

Handel entstehen, beschrieben. Auf der Mikroebene betrifft<br />

dies z.B. die Anpassung in Innovationsleistung und Produktivität<br />

von Exporteuren vis-à-vis nicht exportierenden Firmen,<br />

oder die Anpassung von Arbeitnehmern in Hinsicht auf Löhne<br />

und Beschäftigung in einer globalisierten Welt. Auf der Makroebene<br />

wird z.B. die strukturelle Anpassung durch Handel<br />

in verschiedenen Regionen innerhalb eines Landes oder zwischen<br />

Ländern untersucht.<br />

10


Was kann Spanien von den Neu-Exporteuren<br />

unter seinen Unternehmen lernen?<br />

Forschungshighlight<br />

Im Vordergrund des öffentlichen Interesses an den Problemen, die Spanien gegenwärtig<br />

heimsuchen, stehen die hohe Arbeitslosigkeit und die hohen Staatsschulden. Weniger<br />

beachtet wird, dass die spanische Exportleistung alles andere als berauschend ist.<br />

Als Beispiel da<strong>für</strong> kann man die relative Bedeutung und Struktur der spanischen Exporte<br />

heranziehen: Die Exportquote (in Relation zum Bruttoinlandsprodukt) beträgt in<br />

Spanien 27 Prozent, im Vereinigten Königreich und Deutschland dagegen 30 bzw. 47<br />

Prozent. Noch deutlicher wird Spaniens Rückstand, wenn man auf Exporte von Hochtechnologiegütern<br />

abstellt: Nur 6 Prozent der Exporte des Verarbeitenden Gewerbes<br />

bestehen in Spanien nach den Statistiken der Weltbank aus High-Tech-Gütern, im<br />

Vereinigten Königreich und Deutschland liegt der entsprechende Anteil bei 21 bzw. 15<br />

Prozent (vgl. The World Bank, Development Indicators 2010; die Angaben bezüglich<br />

der High-Tech-Exporte stammen aus der COMTRADE-Datenbank der Weltbank). Sicher<br />

kann Spanien die Probleme seiner Exportwirtschaft nicht über Nacht lösen. Aber<br />

ein Vergleich der Leistungssteigerung von erstmals an Exportmärkten auftretenden<br />

Unternehmen (Neu-Exporteure) mit derjenigen von rein auf den Inlandsmarkt konzentrierten<br />

Firmen kann als Gedankenexperiment wertvolle Informationen liefern, welche<br />

Vorteile spanische Firmen aus vermehrten Exportaktivitäten ziehen könnten.<br />

„Exportaktivitäten helfen spanischen<br />

Firmen offenbar, intelligente und<br />

kostensparende Produktions- und<br />

Vermarktungsmethoden anzuwenden<br />

und ihre Wettbewerbsfähigkeit<br />

zu verbessern.“<br />

Was wir in diesem Gedankenexperiment demonstrieren wollen, geht über die üblichen<br />

Vorteile des Exportierens – zusätzlicher Auslandsumsatz und entsprechende Einkommen<br />

– hinaus. Iacovone und Javorcik (2010) haben in ihrer Analyse neu exportierender<br />

mexikanischer Unternehmen gezeigt, wie diese Unternehmen es mit dem Zutritt<br />

zu internationalen Märkten schafften, bessere Produkte zu entwickeln (Produktinnovationen),<br />

um international wettbewerbsfähig zu werden. Wir konzentrieren uns dagegen<br />

auf die Verfahrensverbesserungen <strong>für</strong><br />

die zu exportierenden Güter (Prozessinnovationen).<br />

Beide Arten von Innovationen<br />

können sich entweder in Vorausschau<br />

auf die Auslandskonkurrenz<br />

oder als Lerneffekte einstellen, wenn<br />

Firmen neu als Exporteure auf den<br />

Weltmärkten auftreten.<br />

Dass Lernprozesse und Innovationen<br />

im Zusammenhang mit Exportaktivitäten<br />

stehen, erscheint einleuchtend. Es<br />

ist aber schwierig, sie ökonometrisch nachzuweisen. Das liegt am „Exporteure-sindstets-besser”-Effekt:<br />

Exportierende Firmen sind hinsichtlich der meisten Eigenschaften<br />

effizienter als Nicht-Exporteure, was zu falscher Zuordnung der Wirkungen führen<br />

kann, wenn man die Auswirkungen des Zutritts zu Exportmärkten auf künftige Innovationen<br />

der betreffenden Firma analysieren möchte. Joachim Wagner (2002) hat das so<br />

beschrieben: „Wenn heutige Neu-Exporteure ‚besser‘ als Nicht-Exporteure sind (und<br />

dies auch in der jüngsten Vergangenheit waren), dann kann man erwarten, dass sie<br />

auch in der Zukunft besser sind, selbst wenn sie in der Beobachtungsperiode gar nicht<br />

begonnen haben zu exportieren.“<br />

Wie kann man diesen Effekt ausschalten? Eine Möglichkeit besteht darin, die Verbesserungen<br />

nur <strong>für</strong> die Teilgruppe der Neu-Exporteure zu erfassen, die exakt in einer<br />

Beobachtungsperiode erstmals an den Exportmärkten auftreten und dort vorher nicht<br />

aktiv waren. Wir schließen diesen Effekt aus, indem wir Prozessinnovationen von Neu-<br />

Exporteuren mit den Prozessinnovationen von Firmen vergleichen, die in der Beob-<br />

Autorenporträts<br />

Prof. Aoife Hanley, Ph.D.<br />

Forschungsbereich<br />

Wissensakkumulation und Wachstum<br />

Telefon (0431) 8814-339<br />

E-Mail aoife.hanley@ifw-kiel.de<br />

Expertise<br />

••<br />

Innovation<br />

••<br />

Internationalisierung von Unternehmen<br />

••<br />

Internationales Outsourcing<br />

••<br />

Unternehmensproduktivität<br />

Joaquín Monreal Pérez<br />

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der<br />

Abteilung Management und Finanzen<br />

der Universität Murcia, Spanien, und<br />

Research Affiliate am <strong>IfW</strong><br />

Telefon (+34) 868 88 3803<br />

E-Mail jomonreal@um.es<br />

Expertise<br />

••<br />

Globalisierungsfragen<br />

••<br />

Innovationsmanagement<br />

••<br />

Familienpolitik<br />

11


Forschungshighlight<br />

Was kann Spanien von den Neu-Exporteuren unter seinen Unternehmen lernen?<br />

achtungsperiode nicht nur überhaupt nicht exportiert haben, sondern auch danach inaktiv<br />

hinsichtlich eines Auslandsengagements blieben.<br />

Innovationsprämie der Gruppe der Neu-Exporteure<br />

gegenüber Nicht-Exporteuren<br />

% Innovationsprämie <strong>für</strong> Neu-Exporteure<br />

20%<br />

18%<br />

16%<br />

14%<br />

12%<br />

10%<br />

8%<br />

6%<br />

4%<br />

2%<br />

0%<br />

Jahr des<br />

Marktzutritts<br />

Quelle: Bureau of Economic Analysis.<br />

Nach Marktzutritt<br />

Marginale Zuwachsraten der gemeldeten Innovationsraten<br />

der Gruppe der Neu-Exporteure verglichen mit der Gruppe der<br />

Nicht-Exporteure; eigene Berechnungen mittels der Propensity<br />

Score Matching Methode und Difference-in-Differences.<br />

Unsere Analyse zeigt, dass zwischen 2004 und 2005 nur 6 Prozent der untersuchten<br />

Unternehmen in der Beobachtungsperiode neu an Exportmärkten<br />

aufgetreten sind. Dieser kleine Anteil deckt sich in etwa mit den Ergebnissen<br />

anderer Studien (vgl. z.B. Girma et al., 2003). Diejenigen Unternehmen, die<br />

es schaffen, die Barriere der versunkenen Kosten zu Beginn eines Auslandsengagements<br />

zu überwinden, können als die effizientesten und einfallsreichsten<br />

unter den Unternehmen angesehen werden. Durch die Matching-Technik<br />

werden diesen Firmen Nicht-Exporteure gegenübergestellt, die hinsichtlich<br />

Effizienz, Größe, Alter und verwendeter Technologie möglichst ähnlich sind<br />

und daher auch ähnliche Chancen haben müssten, ebenfalls Exporteure zu<br />

werden, dies aber nicht geworden sind.<br />

Unsere Ergebnisse fallen deutlich aus. Die Abbildung zeigt die marginale „Innovationsprämie“<br />

von Neu-Exporteuren aufgrund des Auslandsengagements<br />

gegenüber Nicht-Exporteuren, wie sie sich aus unseren Regressionsrechnungen<br />

ergibt. Im Jahr des Zutritts auf den Auslandsmärkten wachsen die Innovationsraten<br />

der Neu-Exporteure um 11 Prozent mehr als die der Nicht-Exporteure<br />

und sind statistisch signifikant. Im Jahr nach dem Marktzutritt nehmen<br />

die Innovationen der Neu-Exporteure immerhin noch um 7 Prozent mehr zu<br />

als die der Nicht-Exporteure, allerdings erweist sich dieses zweite Ergebnis in<br />

unseren Regressionen als statistisch nicht signifikant. Die Ergebnisse der anderen<br />

Kategorie von Innovationen – Produktinnovationen – werden hier nicht<br />

dargestellt, weil sich dabei keine signifikanten Unterschiede ergeben.<br />

Als wir dieses Papier jüngst auf einem Workshop bei Statistics Sweden vorgestellt haben, hat<br />

ein Teilnehmer kritisiert, dass das Teilergebnis <strong>für</strong> die Prozessinnovationen nach Marktzutritt<br />

(zweite Säule in der Abbildung) nicht aussagekräftig sei. Das sehen wir nicht so. Im Jahr des<br />

Marktzutritts haben die Neu-Exporteure ihre Innovationsleistung verbessert; diese positiven<br />

Effekte lösen sich anschließend nicht einfach in Luft auf. Unsere Ergebnisse entsprechen<br />

dabei denen von Girma et al. (2003) zur Produktivität in Unternehmen. Diese Autoren haben<br />

herausgefunden, dass Exporteure, die sich wieder von den Auslandsmärkten zurückziehen,<br />

anschließend keine Anzeichen <strong>für</strong> eine sinkende<br />

Produktivität aufweisen – das ist ein Hinweis darauf,<br />

dass die positiven Effekte der neuen Produktionsmethoden<br />

anhalten.<br />

Weiterführende Literatur<br />

Sind die Prozessinnovationen, die wir untersucht<br />

haben, wirkliche Fortschritte oder nur kosmetischer<br />

Natur? Zweifelsfrei können wir diese Frage<br />

aus unserem Datensatz heraus nicht beantworten.<br />

Die Dauerhaftigkeit der Produktivitätswirkungen,<br />

wie sie Girma et al. (2003) untersucht haben,<br />

sprechen aber <strong>für</strong> Innovationen, die die Unternehmen<br />

wirklich voranbringen. Ein konkretes<br />

Beispiel wäre etwa die internetbasierte Warenverfolgung<br />

(vgl. dazu das Weltbank-Arbeitspapier<br />

von Ferro (2011)). Exportaktivitäten helfen spanischen<br />

Firmen offenbar, intelligente und kostensparende<br />

Produktions- und Vermarktungsmethoden<br />

anzuwenden und ihre Wettbewerbsfähigkeit<br />

zu verbessern. Wenn mehr spanische Unternehmen<br />

den Weg auf die Exportmärkte einschlagen<br />

würden, dann wäre der Wirtschaft des Landes<br />

insgesamt geholfen.<br />

Ferro, Esteban (2011). Signaling and Technological<br />

Marketing Tools for Exporters. World Bank Policy Research<br />

Working Paper 5547.<br />

Girma, Sourafel, David Greenaway und Richard Kneller<br />

(2003). Export Market Exit and Performance Dynamics:<br />

A Causality Analysis of Matched Firms. Economics<br />

Letters 80 (2): 181–187.<br />

Hanley, Aoife, und Joaquín Monreal-Pérez (<strong>2012</strong>).<br />

Are Newly Exporting Firms more Innovative? Findings<br />

from Matched Spanish Innovators. Economics Letters<br />

116 (2): 217–220.<br />

Iacovone, Leonardo, und Beata S. Javorcik (2010).<br />

Multi-Product Exporters: Product Churning, Uncertainty<br />

and Export Discoveries. The Economic Journal 120<br />

(544): 481–499.<br />

Wagner, Joachim (2002). The Causal Effects of Exports<br />

on Firm Size and Labor Productivity: First Evidence<br />

from a Matching Approach. Economic Letters<br />

77: 287–292.<br />

12


Das <strong>IfW</strong> im Überblick<br />

Wissensakkumulation und Wachstum<br />

Forschungsbereich<br />

Eine der wichtigsten weltwirtschaftlichen Entwicklungen der Gegenwart ist die zunehmende Verlagerung<br />

von Forschung und Entwicklung sowie anderer wissensintensiver Aktivitäten aus hochentwickelten<br />

Industrieländern in rasch wachsende Schwellenländer („Emerging Economies“). Da neues Wissen<br />

langfristig eine der wichtigsten Quellen von Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung ist,<br />

ziehen globale Verlagerungen der Wissensproduktion und Veränderungen der internationalen Wissensflüsse<br />

globale Verschiebungen von Einkommen und Wohlstand nach sich.<br />

Ziel der Forschung in diesem Bereich ist es, zu einem besseren Verständnis der Determinanten von<br />

Wissensentstehung, Wissensausbreitung und wissensbasiertem Wachstum in Industrieländern und<br />

Emerging Economies beizutragen. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Rolle des räumlichen, institutionellen<br />

und kulturellen Umfeldes, da die entscheidenden Innovations- und Wachstumsdeterminanten<br />

in einer globalisierten Welt nicht diejenigen sind, die ubiquitär verfügbar sind, sondern die, die<br />

– zumindest temporär – standortgebunden sind.<br />

Carmen Andersson<br />

Dipl.-Volksw. Frank Bickenbach<br />

Dr. Eckhardt Bode<br />

Dr. Dirk Christian Dohse (Leiter)<br />

Dr. Robert Gold<br />

Prof. Aoife Hanley, Ph.D.<br />

Dr. Wan-Hsin Liu<br />

Andrea Schäfer<br />

Dr. Rainer Schweickert<br />

Dr. Andrea Vaona, Ph.D.<br />

assoziiert:<br />

Prof. Dr. Ingrid Ott<br />

Die Forschungsarbeit ist in zwei eng verknüpften Projekten organisiert:<br />

Wissens-Spillover in Industrieländern<br />

In diesem Projekt wird untersucht, wie die Ausbreitung neuen Wissens Wachstum und Entwicklung<br />

von Unternehmen in hoch entwickelten Industrieländern beeinflusst. Schwerpunkte der Forschung<br />

liegen auf der Rolle des räumlichen, institutionellen und kulturellen Umfeldes sowie auf den Wechselwirkungen<br />

zwischen Internationalisierung und Innovationsfähigkeit.<br />

Wissensakkumulation und Wachstum in Schwellenländern<br />

In diesem Projekt werden Bestimmungsgründe und Muster von Innovation und Wachstum in Schwellenländern,<br />

die Auswirkungen des weltweiten „knowledge sourcing” <strong>für</strong> Schwellenländer sowie die<br />

Akteure und Triebkräfte hinter internationalen Wissensflüssen analysiert. Ein wichtiges Teilprojekt (mit<br />

Fokus auf China) wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.<br />

Forschungsnetzwerk<br />

Der Forschungsbereich Wissensakkumulation und Wachstum ist Mitglied der folgenden internationalen<br />

Netzwerke:<br />

••<br />

„DIME“ (Dynamics of <strong>Institut</strong>ions and Markets in Europe). In diesem von der EU finanzierten Exzellenznetzwerk<br />

untersuchen Ökonomen, Sozialwissenschaftler und Wirtschaftsgeografen die ökonomischen<br />

und sozialen Konsequenzen der fortschreitenden Globalisierung in wissensbasierten<br />

Gesellschaften.<br />

••<br />

„Megacities-Megachallenge: Informal Dynamics of Global Change“. Dieses von der Deutschen For -<br />

schungsgemeinschaft (DFG) finanzierte Schwerpunktprogramm verbindet Ökonomen und Sozialwissenschaftler<br />

in Deutschland, China und Bangladesh. Der Forschungsschwerpunkt des Programms<br />

liegt auf den Wechselwirkungen zwischen Prozessen des globalen Wandels, insbesondere<br />

Pro zessen der Wissensakkumulation und Wissensausbreitung, und informellen <strong>Institut</strong>ionen und<br />

Pro zessen in megastädtischen Systemen.<br />

13


Forschungshighlight<br />

Wie können China und Indien nachhaltig wachsen?<br />

Autorenporträts<br />

Matthias Weitzel<br />

Forschungsbereich<br />

Umwelt und natürliche Ressourcen<br />

Telefon (0431) 8814-580<br />

E-Mail matthias.weitzel@ifw-kiel.de<br />

Expertise<br />

••<br />

Internationale Klimapolitik<br />

Dr. Sonja Peterson<br />

Wissenschaftliche Geschäftsführerin<br />

(kommissarisch)<br />

Forschungsbereich<br />

Umwelt und natürliche Ressourcen<br />

Telefon (0431) 8814-406<br />

E-Mail sonja.peterson@ifw-kiel.de<br />

Expertise<br />

••<br />

Internationale und europäische Klimaund<br />

Energiepolitik<br />

••<br />

Bioenergie und Landnutzung<br />

••<br />

Umweltpolitische Instrumente<br />

Weitere Expertise<br />

••<br />

Empirische allgemeine Gleichgewichtsanalyse<br />

Die Schwellenländer China und Indien haben in den vergangenen Jahren ein beeindruckendes<br />

Wirtschaftswachstum erzielen können, das sich auch in einem steigenden<br />

Energiebedarf widerspiegelt. Weil die Energiesysteme in beiden Ländern zu einem<br />

Großteil kohlebasiert sind, stiegen auch die chinesischen und indischen CO 2<br />

-Emissionen.<br />

In China führte dies bereits dazu, dass die Pro-Kopf-Emissionen im Jahr 2011<br />

das Niveau eines durchschnittlichen EU-Bürgers erreichten (Olivier et al., <strong>2012</strong>). Durch<br />

zukünftiges Wachstum dürfte sich der Anteil Chinas und Indiens an den globalen Emissionen<br />

von derzeit schon 29 Prozent bzw. 6 Prozent weiter erhöhen.<br />

Gleichzeitig sind China und Indien noch Entwicklungsländer, die lediglich begrenzte Mittel<br />

aufbringen können, um Maßnahmen zur Vermeidung von CO 2<br />

zu finanzieren. Zudem<br />

haben beide Länder historisch gesehen weniger zum Klimawandel beigetragen<br />

als entwickelte Industrieländer. Daher sind beide Länder derzeit nicht bereit, ambitionierten<br />

Emissionsreduktionen zuzustimmen, die auf Kosten zukünftigen Wachstums<br />

gehen könnten. Diese Position ist durch die in Artikel 3.1 der Klimarahmenkonvention<br />

festgehaltene „gemeinsame aber differenzierte Verantwortung“ gedeckt. Bei allen Gemeinsamkeiten<br />

bestehen zwischen China und Indien doch große Unterschiede mit Blick<br />

auf ihren Entwicklungsstand, die von der Klimapolitik zu berücksichtigen sind. So liegen<br />

Wirtschaftsleistung und Emissionen pro Kopf in Indien deutlich unter denen Chinas.<br />

Im Rahmen des <strong>2012</strong> abgeschlossenen EU-<br />

Forschungsprojekts POEM (Policy Options<br />

to engage EMerging Asian Economies in<br />

Post-Kyoto regime), an dem das <strong>IfW</strong> maßgeblich<br />

beteiligt war, wurde daher analysiert,<br />

wie Entwicklungs- und Klimaschutzziele in<br />

Indien und China vereinbar sind und wie beide<br />

Länder in ein internationales Post-Kyoto<br />

Klimaregime eingebunden werden können.<br />

„Durch eine angemessene Allokation<br />

von Emissionsrechten können<br />

die Kosten <strong>für</strong> China und Indien in<br />

einem akzeptablen Rahmen gehalten<br />

werden, so dass dort eine<br />

Klimapolitik nicht auf Kosten der<br />

wirtschaftlichen Entwicklung geht.“<br />

Eine Möglichkeit, China und Indien einzubinden, ist ein internationales Emissionshandelssystem<br />

mit einer entsprechenden Verteilung der Emissionsrechte, das auch eine<br />

Lastenteilung zwischen Industrie- und Schwellen- bzw. Entwicklungsländern zulässt. Zu<br />

einem solchen Emissionshandelssystem gibt es eine Reihe von Vorschlägen, die letztlich<br />

auf einem oder mehreren von vier grundlegenden Gerechtigkeitskriterien basieren:<br />

(1) Egalitär: Alle Menschen haben das gleiche Recht, die Atmosphäre zu nutzen; (2)<br />

Besitzstand: Aktuelle Emissionen begründen ein Recht <strong>für</strong> weitere Emissionen; (3) Verursacherprinzip:<br />

Vermeidungsmaßnahmen müssen vom Verursacher ausgehen; (4) Potenzial:<br />

Länder beteiligen sich nach ihren Fähigkeiten und (finanziellen) Möglichkeiten.<br />

Trägt man die Ergebnisse der Vielzahl existierender Studien zusammen, die analysieren,<br />

welche Emissionsrechte China und Indien unter verschiedenen Gerechtigkeitsgesichtspunkten<br />

erhalten würden (van Ruijven et al., <strong>2012</strong>; Grafik) zeigt sich, dass die Anzahl<br />

der Emissionsrechte <strong>für</strong> China und Indien kurzfristig (bis 2020 oder 2030) eher von den<br />

zugrunde liegenden Gerechtigkeitsprinzipien bestimmt wird. Dagegen hängt die Anzahl<br />

der Rechte in der langen Frist (bis 2050) in erster Linie vom globalen Reduktionsziel ab<br />

und ist weitgehend unabhängig vom Klimaregime. Ambitionierte Emissionsziele, durch<br />

die das 2-Grad-Ziel mit hoher Wahrscheinlichkeit erreicht wird, erfordern, dass die Emis-<br />

14


Wie können China und Indien nachhaltig wachsen?<br />

Forschungshighlight<br />

sionsrechte Chinas im Jahr 2050 um 50–80 Prozent unter den Emis sionen des Jahres 2005<br />

liegen. Emissionen in Indien hingegen dürften weiterwachsen, da diese von einem viel niedrigeren<br />

Ausgangsniveau starten. Zudem zeigt sich, dass unterschiedliche Modellannahmen zu<br />

großen Bandbreiten von Emissionsrechten auch bei ähnlichen Regimen führen. Kritisch sind<br />

insbesondere Annahmen zum Wirtschafts- und Emissionswachstum in China – beides wurde<br />

in früheren Studien systematisch unterschätzt.<br />

Das Emissionsniveau, das einige Studien erst<br />

Emissionsrechte <strong>für</strong> China unter verschiedenen Vorschlägen und Annahmen<br />

<strong>für</strong> das Jahr 2020 prognostizierten, wurde so in<br />

der Realität bereits 2005 erreicht.<br />

Für China und Indien ist es natürlich von besonderer<br />

Bedeutung, welche Kosten sich aus diesen<br />

Emissionsallokationen ergeben. In POEM<br />

wurde mit mehreren Umwelt-Ökonomie-Modellen<br />

ein Kompromissvorschlag („Kontraktion<br />

und differenzierte Konvergenz“) analysiert, der<br />

meh rere Gerechtigkeitsprinzipien berücksichtigt<br />

(Johansson et al., <strong>2012</strong>). Er sieht einen<br />

Übergang von den aktuellen Emissionsniveaus<br />

auf gleiche Pro-Kopf-Emissionen vor, gibt jedoch<br />

Entwicklungsländern zunächst Raum,<br />

ihre wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben<br />

und CO 2<br />

-Emissionen auszuweiten. Die globalen<br />

Emissionen sind dabei durch einen Emissionspfad<br />

vorgegeben, so dass das 2-Grad-<br />

Ziel erreicht werden kann.<br />

Emissionsrechte relativ zu Emissionen ohne Klimapolitik<br />

Egalitär<br />

Besitzstand<br />

Verursacherprinzip<br />

Quelle: Adaptiert aus van Ruijven et al. (<strong>2012</strong>), Übersicht aus 38 Studien.<br />

(finanzielle) Möglichkeiten<br />

Alle<br />

Sowohl <strong>für</strong> China als auch <strong>für</strong> Indien sind die<br />

hierdurch entstehenden Kosten zunächst geringer als die durchschnittlich global anfallenden<br />

Kosten. Die Kosten <strong>für</strong> China steigen jedoch im Zeitverlauf an und liegen 2050 in der Nähe der<br />

globalen Durchschnittskosten. Für Indien sind durch ein solches Klimaregime hingegen keine<br />

großen Kosten zu erwarten: Die meisten Modelle schätzen, dass der Gewinn aus dem Verkauf<br />

der Emissionsrechte die Kosten der Emissionsreduzierung übersteigt.<br />

Um die Emissionen im Vergleich zu einem Szenario ohne Klimapolitik deutlich zu<br />

reduzieren, sind andere Energiesysteme in China und Indien notwendig. In den<br />

Modellsimulationen bedeutet dies, dass die kohlebasierte Energieversorgung, die<br />

in einem Szenario ohne Klimapolitik vorherrscht, durch eine CO 2<br />

-arme ersetzt und<br />

die Energienachfrage durch Effizienzsteigerungen deutlich reduziert wird. Unter<br />

diesen Bedingungen wird die Energienachfrage in China bereits vor 2050 einen<br />

Höhepunkt erreichen, während sie in Indien auch in der Mitte des Jahrhunderts<br />

noch wachsen kann.<br />

Fest steht, dass ohne die Einbindung Chinas und Indiens eine ambitionierte Klimapolitik<br />

und ein Erreichen des 2-Grad-Zieles nicht möglich wären. Durch eine<br />

angemessene Allokation von Emissionsrechten können die Kosten <strong>für</strong> China und<br />

Indien in einem akzeptablen Rahmen gehalten werden, so dass dort eine Klimapolitik<br />

nicht auf Kosten der wirtschaftlichen Entwicklung geht.<br />

Weiterführende Literatur<br />

Daniel J.A. Johansson, Paul L. Lucas, Matthias Weitzel,<br />

Erik O. Ahlgren, A.B Bazaz, Chen Wenyinge, Michel G.J.<br />

den Elzen, Joydeep Ghosh, Maria Grahn, Liang Qiao-<br />

Mei, Sonja Peterson, Basanta K. Pradhan, Bas J. van<br />

Ruijven, P.R. Shukla, Detlef P. van Vuuren und Wei Yi-Ming<br />

(<strong>2012</strong>). Multi-model analyses of the economic and energy<br />

implications for China and India in a post-Kyoto climate<br />

regime. Kieler Arbeitspapiere 1808. <strong>IfW</strong>, Kiel.<br />

Bas J. van Ruijven, Matthias Weitzel, Michel G.J. den<br />

Elzen, Andries F. Hof, Detlef P. van Vuuren, Sonja Peterson<br />

und Daiju Narita (<strong>2012</strong>). Emission allowances and<br />

mitigation costs of China and India resulting from different<br />

effort-sharing approaches. Energy Policy 46: 116–134.<br />

Jos G.J. Olivier, Greet Janssens-Maenhout, Jeroen A.H.W.<br />

Peters. Trends in global CO 2<br />

emissions: <strong>2012</strong> Report.<br />

http://www.pbl.nl/en/publications/<strong>2012</strong>/trends-in-globalco2-emissions-<strong>2012</strong>-report.<br />

Webpage of the Project “Policy Options to engage<br />

Emerging Asian economies in a post-Kyoto regime”<br />

(POEM): http://www.chalmers.se/ee/poem-en/.<br />

15


Forschungshighlight<br />

Zusätzliche landwirtschaft liche Flächen reduzieren<br />

den Klimaschutzeffekt von Biokraftstoffen<br />

Autorenporträts<br />

Dr. Ruth Delzeit<br />

Forschungsbereich<br />

Umwelt und natürliche Ressourcen<br />

Telefon (0431) 8814-405<br />

E-Mail ruth.delzeit@ifw-kiel.de<br />

Expertise<br />

••<br />

Bioenergie und Landnutzung<br />

••<br />

Globale Landnutzungsänderungen<br />

••<br />

Projekt GLUES (Global Assessment of Land<br />

Use Dynamics, Greenhouse Gas Emissions<br />

and Ecosystem Services)<br />

Mareike Lange<br />

Forschungsbereich<br />

Umwelt und natürliche Ressourcen<br />

Telefon (0431) 8814-461<br />

E-Mail mareike.lange@ifw-kiel.de<br />

Expertise<br />

••<br />

Bioenergie und Landnutzung<br />

••<br />

Zertifizierung von Biokraftstoffen<br />

Die globalen Lebensmittelpreise steigen und der Beitrag von Biokraftstoffen dazu wird<br />

nach wie vor kontrovers diskutiert. Vor allem das Potenzial von Biokraftstoffen, Treibhausgasemissionen<br />

(THGE) zu vermeiden, steht dabei im Fokus. Problematisch sind<br />

unter anderem sogenannte „indirekte Landnutzungsänderungen“ (iLUC). Der Beitrag<br />

von Biokraftstoffen zur Reduzierung von THGE wird durch mögliche indirekte Landnutzungsänderungen<br />

(iLUC) in Frage gestellt. Dabei werden THGE indirekt durch andere<br />

landwirtschaftliche Aktivitäten verursacht, die kausal den Biokraftstoffen angerechnet<br />

werden sollten. Diese Debatte ist darauf zurückzuführen, dass die Europäische Kommission<br />

bislang keine Methode vorgeschlagen hat, wie iLUC-Effekte innerhalb der<br />

Nachhaltigkeitskriterien der EU-Richtlinie über Erneuerbare Energien berücksichtigt<br />

werden können.<br />

ILUC ist ein externer Effekt der Förderung von Biokraftstoffen. Der Effekt wird durch<br />

Preisänderungen von Agrarprodukten auf den Weltmärkten hervorgerufen, was vor<br />

allem <strong>für</strong> global gehandelte Nahrungs- und Futtermittel wie Weizen und Ölsaaten<br />

gilt. Der iLUC-Effekt tritt auf, wenn Früchte zur Biokraftstoffproduktion auf Flächen<br />

angebaut werden, die zuvor <strong>für</strong> die Nahrungs- oder Futtermittelproduktion verwendet<br />

wurden. Durch ein geringeres Angebot von Nahrungs- und Futtermitteln auf dem Weltmarkt<br />

steigen deren Preise, was Anreize setzt, ungenutztes Land <strong>für</strong> die Produktion<br />

von Nahrungs- und Futtermitteln zu konvertieren. Dieser indirekte Markteffekt der Biokraftstoffproduktion<br />

wird ausschließlich durch Preissteigerungen von landwirtschaftlichen<br />

Produkten auf globalen oder regionalen Agrarmärkten hervorgerufen.<br />

„Das eigentliche Problem ist eine<br />

unvollständige Emissions bilanzierung<br />

verschiedener Landnutzungspraktiken,<br />

in der ausschließlich Biokraftstoffe<br />

berücksichtigt werden.“<br />

Eine Bewertung und Analyse dieses Markteffekts kann somit auf der Basis von ökonomischen<br />

Simulationsmodellen erfolgen. Eine detaillierte Studie wurde in dem Zusammenhang<br />

von David Laborde (IFPRI) durchgeführt. In dieser Studie werden die<br />

gesamten Landnutzungsänderungen (direkt und indirekt), die durch die EU-Biokraftstoffquote<br />

hervorgerufen werden,<br />

berechnet. Eine Bewertung<br />

und Analyse dieses Markteffekts<br />

ist nicht ganz einfach, denn es<br />

ist methodisch und konzeptionell<br />

nicht möglich, zwischen direkten<br />

und indirekten Effekten<br />

zu unterscheiden. Zudem können<br />

iLUC-Effekte keiner einzelnen<br />

Frucht oder einzelnen Ländern zugeordnet werden, denn die Preiseffekte, die<br />

den iLUC-Effekt hervorrufen, werden ihrerseits durch ein komplexes Wechselspiel<br />

verschiedener Marktmechanismen auf der Angebots- und Nachfrageseite bestimmt.<br />

Rohstoff- oder länderspezifische iLUC-Emissionsfaktoren auszuweisen hat somit keine<br />

vertretbare wissenschaftliche und konzeptionelle Basis.<br />

Ein realisierbarer und effektiver Vorschlag, die gesamten THGE (Emissionen durch<br />

Landnutzungsänderungen und Prozessemissionen), die durch das EU-Mandat verursacht<br />

werden, zu berücksichtigen, ist die Mindestanforderung zur Einsparung von<br />

THGE anzuheben. Diese liegt derzeit bei 35 Prozent, was bedeutet, dass Biokraftstoffe<br />

der Quote der EU-Richtlinie nur dann angerechnet werden, wenn sie verglichen<br />

mit fossilen Energieträgern 35 Prozent THGE einsparen. Eine Erhöhung der<br />

16


Zusätzliche landwirtschaft liche Flächen reduzieren<br />

den Klimaschutzeffekt von Biokraftstoffen<br />

Forschungshighlight<br />

Mindestanforderung auf 50 Prozent würde gewährleisten, dass nur Biokraftstoffoptionen, die<br />

mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit weniger THGE als fossile Energieträger verursachen<br />

und somit zum Klimaschutz beitragen, gefördert werden. Somit würden nur die hinsichtlich<br />

Emissionseinsparungen effizientesten Rohstoffe die Nachhaltigkeitsanforderungen der EU-<br />

Richtlinie einhalten. Gleichzeitig würde dies das Risiko vermeiden, Biokraftstoffe zu fördern,<br />

die ein hohes Risiko haben, mehr THGE als die fossile Alternative zu verursachen.<br />

Die Prozessemissionen verschiedener Biokraftstoffoptionen<br />

unter der Annahme, dass es<br />

keine direkten Landnutzungsänderungen gibt,<br />

werden in der Abbildung dargestellt. Die Abbildung<br />

zeigt, welchen Einfluss unterschiedliche<br />

Mindestanforderungen zur Einsparung von<br />

THGE haben. Neben Standardwerten und typischen<br />

Werten <strong>für</strong> Produktionsemissionen aus<br />

der EU-Richtlinie, werden Produktionsemissio<br />

nen aus der Praxis von International Sustainability<br />

& Carbon Certification (ISCC) abgebildet.<br />

Die roten Linien markieren den aktuellen<br />

35-prozentigen und einen 50-prozentigen Mindestanforderungswert.<br />

Die von der EU angenommenen Standardwerte<br />

reduzieren das mögliche Portfolio an regionalen<br />

und pflanzenspezifischen Rohstoffen zur<br />

Biokraftstoffproduktion. Hauptsächlich würden<br />

die in Deutschland traditionellen Produktionstechnologien<br />

die 50-prozentige Mindestanforderungsgrenze<br />

nicht erfüllen. Gleichwohl schafft der höhere Grenzwert Anreize, modernere<br />

und energieeffizientere Produktionsprozesse einzuführen. Die von ISCC berechneten Emissionswerte<br />

deuten darauf hin, dass die Emissionswerte in der Praxis deutlich unter den Standardwerten<br />

liegen können, wenn Technologien genutzt werden, die auf dem neuesten Stand<br />

sind.<br />

Eine Erhöhung der Mindestanforderung reduziert das Risiko durch den nicht quantifizierbaren<br />

iLUC-Effekt, nicht ausreichende THGE einzusparen. Wenn man eine durchschnittliche THGE<br />

durch iLUC annimmt, sollte eine höhere Mindestanforderung als 35 Prozent verwendet werden<br />

(Abbildung).<br />

Eine regions- und rohstoffunspezifische Mindestanforderung ist die einzige Möglichkeit, iLUC<br />

zu reduzieren, solange nur Biokraftstoffe eine bestimmte Treibhausgasbilanz erfüllen müssen.<br />

Das eigentliche Problem der Regulierung von iLUC ist allerdings eine unvollständige Emissionsbilanzierung<br />

verschiedener Landnutzungspraktiken, in der ausschließlich<br />

Biokraftstoffe berücksichtigt werden. ILUC kann nur direkt vermieden bzw.<br />

kontrolliert werden, wenn die gesamte landwirtschaftliche Produktion Nachhaltigkeitskriterien<br />

und vor allem einer Bilanzierung von THGE unterliegt. Dann<br />

würden alle landwirtschaftlichen Aktivitäten gleichberechtigt hinsichtlich ihrer<br />

Klimabilanz bewertet werden. Die Allokation der Landflächen <strong>für</strong> Nahrungsbzw.<br />

Futtermittel oder Bioenergie würde durch die gesamten THGE bestimmt.<br />

Einsparungen von THGE verschiedener Biokraftstoffoptionen<br />

Emissionsbilanz<br />

gCO2eq / MJ / MJ<br />

120<br />

115<br />

110<br />

105<br />

100<br />

95<br />

90<br />

85<br />

80<br />

75<br />

70<br />

65<br />

60<br />

55<br />

50<br />

45<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Stroh CHP<br />

Anlage<br />

Prozess nicht spezifiziert<br />

Prozess nicht spezifiziert<br />

ISCC (GER)<br />

ISCC (BRA)<br />

Mais Weizen Zuckerrübe Zuckerrohr Soja Raps Ölpalme<br />

EU-RED Standardwerte Emissionen<br />

aus Produktionsprozess<br />

Eigene Darstellung basierend auf EU-RED 2008, ISCC<br />

Quelle: Eigene Darstellung basierend auf EU-RED 2008, ISCC.<br />

ISCC (ARG)<br />

Biokraftstoffoptionen<br />

EU-RED typische Werte Emissionen<br />

aus Produktionsprozess<br />

ISCC (EU)<br />

Prozess nicht spezifiziert<br />

Weiterführende Literatur<br />

ISCC (kein<br />

Methanauffang<br />

Laborde, David (2011). Assessing the Land Use<br />

Change Consequences of European Biofuel Policies.<br />

Final Report prepared for the European Commission<br />

DG Trade. Implementing Framework Contract<br />

No TRADE/07/A2. http://trade.ec.europa.eu/doclib/<br />

docs/2011/october/tradoc_148289.pdf.<br />

Lange, Mareike, und Ruth Delzeit (<strong>2012</strong>). EU Biofuel<br />

Policies and The Regulation of Indirect Land Use<br />

Change. Kieler Arbeitspapiere 1768. <strong>IfW</strong>, Kiel.<br />

Prozess nicht spezifiziert<br />

Methanauffang<br />

Emissionseinsparung<br />

Emissionseinsparung<br />

im Vergleich im Vergleich zu zu<br />

fossilem fossilem Kraftstoff<br />

Methanauffang<br />

Fossiler Kraftstoff<br />

ISCC individuell ermittelte Emissionen<br />

aus Produktionsprozess<br />

0%<br />

35%<br />

50%<br />

17


Das <strong>IfW</strong> im Überblick<br />

Forschungsbereich<br />

Umwelt und natürliche Ressourcen<br />

Christine Bertram<br />

Dr. Alvaro Calzadilla<br />

Dr. Ruth Delzeit<br />

Dipl.-Ök. Nadine Heitmann<br />

Angela Husfeld<br />

Prof. Gernot Klepper, Ph.D. (Leiter)<br />

Carola Kniebes<br />

Angela Kopmann<br />

Mareike Lange<br />

Christine Merk<br />

Daiju Narita, Ph.D.<br />

Dr. Sonja Peterson<br />

Sebastian Petrick<br />

Andreas Pondorfer<br />

Gert Pönitzsch<br />

Prof. Dr. Katrin Rehdanz<br />

Dr. Wilfried Rickels<br />

Matthias Weitzel<br />

Der Forschungsbereich „Umwelt und natürliche Ressourcen“ untersucht einzel- und gesamtwirtschaftliche<br />

Anpassungsprozesse an globale und länderspezifische Knappheiten natürlicher Ressourcen. Natürliche<br />

Ressourcen umfassen energetische und nicht-energetische Rohstoffe sowie Umweltqualität.<br />

Gegenstand der Forschung ist dabei sowohl die Analyse der Bestimmungsgründe <strong>für</strong> die zunehmende<br />

Knappheit natürlicher Ressourcen als auch der Auswirkungen dieser Knappheit auf die Allokation von<br />

Faktoren und Gütern in der <strong>Weltwirtschaft</strong>. Besonderes Gewicht wird dabei auf die Wertung der nationalen<br />

und internationalen Aspekte von Umweltpolitik und die Erarbeitung von Vorschlägen <strong>für</strong> den Einsatz rationaler<br />

und effizienter umweltpolitischer Instrumente gelegt. Traditionell liegt der Fokus dabei insbesondere<br />

auf dem Klimawandel und der Klimapolitik, was sich auch in den aktuellen thematischen Schwerpunkten<br />

widerspiegelt:<br />

Internationale Klimapolitik<br />

In diesem Schwerpunkt geht es um die Analyse aktueller Politikvorschläge auf europäischer und internationaler<br />

Ebene. Politiken, die im Hinblick auf ihre Effekte und der optimalen Ausgestaltung analysiert wurden<br />

und werden sind insbesondere das Europäische Emissionshandelsystem (EHS), Maßnahmen, die mit<br />

dem Kyoto-Protokoll verbunden sind, Schnittstellen zur WTO sowie nachhaltiges Fischerei management.<br />

Bioenergie und Landnutzung<br />

Die ökonomische Analyse und Bewertung von Bioenergie ist seit mehreren Jahren ein wichtiger Schwerpunkt<br />

des Forschungsbereichs. Zunehmend rückt dabei die Landnutzungskonkurrenz z.B. mit der Nahrungsmittelproduktion<br />

in den Vordergrund. Um Landnutzungskonflikte und die Rolle der Bioenergie <strong>für</strong><br />

den Klimaschutz besser analysieren zu können, entwickeln wir einen integrierten Modellverbund. Desweiteren<br />

läuft das Projekt „Landnahmen und nachhaltige Entwicklung“ seit Juli 2010 – in diesem Projekt<br />

beschäftigen wir uns mit großflächigen Landkäufen von ausländischen Investoren in Afrika und deren<br />

Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung.<br />

Rohstoffknappheit<br />

Ein neuer Schwerpunkt des Forschungsbereichs umfasst die Ursachen und Auswirkungen von Rohstoffknappheit.<br />

Zu den aktuellen Themen gehören die strategische Nutzung von Ressourcen (z.B. seltene<br />

Erden), Bewirtschaftung der Fischbestände, Determinanten der Energieeffizienz in Deutschland, Perspektiven<br />

der marinen Bodenschätze usw.<br />

Ökonomische Bewertung des Ozeans<br />

Die Ozeane spielen <strong>für</strong> den Klimawandel eine große Rolle. Dennoch werden die Managementoptionen <strong>für</strong><br />

den ozeanischen Kohlenstoffkreislauf in ökonomischen Analysen bislang kaum berücksichtigt. Der Forschungsbereich<br />

beschäftigt sich im Rahmen des interdisziplinären Kieler Excellence Clusters „Die Zukunft<br />

des Ozeans“ mit diesem Themenkomplex.<br />

Das Kiel Earth <strong>Institut</strong>e (KEI)<br />

Das KEI ist eine Initiative des Leibniz-<strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> Meereswissenschaften an der Universität Kiel (IFM-<br />

GEOMAR) und dem <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Weltwirtschaft</strong>. Das KEI ist ein virtuelles <strong>Institut</strong>, in dem wichtige Themen<br />

des globalen Wandels und seiner ökologischen, ökonomischen und sozialen Folgen identifiziert, erforscht<br />

und behandelt werden. Beim KEI steht die Zusammenarbeit von Forschern verschiedener Disziplinen<br />

und Entscheidungsträgern aus Politik und Wirtschaft im Vordergrund, um praktische Lösungsansätze zu<br />

entwickeln.<br />

18


Geberkoordinierung: Kaum Fortschritte seit<br />

der Pariser Erklärung<br />

Forschungshighlight<br />

Mit der im März 2005 verabschiedeten Pariser Erklärung hat die Gebergemeinschaft<br />

sich erstmals explizit dazu verpflichtet, Maßnahmen zur Verbesserung der internationalen<br />

Politikkoordination im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) zu ergreifen.<br />

Sie folgt damit der Erkenntnis, dass die Zersplitterung in zahlreiche, großenteils<br />

miteinander unverbundene Programme und Projekte zu hohen Transaktionskosten<br />

führt und damit die Effektivität der EZ beeinträchtigt. Konkret haben die beteiligten Geber<br />

in der Pariser Erklärung angekündigt, durch abgestimmtes Handeln kostspielige<br />

Doppelaktivitäten in den Partnerländern zu vermeiden und sich gemäß ihrer jeweiligen<br />

komparativen Vorteile auf bestimmte Partnerländer und dort wiederum auf bestimmte<br />

Sektoren wie etwa Bildung, Landwirtschaft oder Infrastruktur zu konzentrieren.<br />

Versprochen wurden also mehr Koordinierung und eine stärkere Spezialisierung in der<br />

EZ. Aber das Verhalten der Geber hat sich durch die Pariser Erklärung nicht signifikant<br />

verändert, wenn man zwei Kriterien heranzieht: den Grad der Spezialisierung auf<br />

bestimmte Sektoren bzw. Empfängerländer sowie den Grad der Überschneidung zwischen<br />

den Aktivitäten der einzelnen Geber. Diese ernüchternde Erkenntnis ergibt sich<br />

aus einer Analyse über den Zeitraum von 1998 bis 2009 und <strong>für</strong> 19 Geber – alle größeren<br />

Mitglieder des Development Assistance Committee der OECD sowie die zwei<br />

größten multilateralen Geber (EU und IDA), die ausnahmslos zu den Unterzeichnern<br />

der Pariser Erklärung gehören. Für jeden einzelnen dieser Geber dienen die getrennt<br />

erfassten Hilfszusagen <strong>für</strong> 24 Sektoren in 140 Empfängerländern als Grundlage <strong>für</strong> die<br />

Berechnung der Spezialisierungs- und Überschneidungsgrade.<br />

Schon eine einfache Betrachtung der beiden Indikatoren über die Zeit ist aufschlussreich:<br />

Beim Spezialisierungsgrad lassen sich <strong>für</strong> die Mehrzahl der Geber keine nennenswerten<br />

Veränderungen zwischen der ersten und zweiten Hälfte der 2000er Jahre<br />

erkennen. Immerhin scheint es Deutschland, Großbritannien und Italien gelungen<br />

zu sein, ihrer EZ einen etwas stärkeren Fokus auf bestimmte Länder und Sektoren<br />

zu geben. Aber mit der Ausnahme<br />

Dänemarks sind alle großen<br />

Geber nach wie vor in fast allen<br />

potenziellen Empfängerländern<br />

mit Hilfsprojekten vertreten. Ein<br />

einheitliches Bild ergibt sich hinsichtlich<br />

des Überschneidungsgrades<br />

zwischen den Gebern:<br />

Konträr zu dem, was versprochen<br />

wurde, weisen alle 19 untersuchten<br />

Geber nach der Pariser Erklärung einen höheren Grad an Überschneidungen mit<br />

den Hilfsprogrammen der anderen Geber auf als zuvor.<br />

„Konträr zu dem, was versprochen wurde,<br />

weisen alle 19 untersuchten Geber<br />

nach der Pariser Erklärung einen höheren<br />

Grad an Überschneidungen mit den<br />

Hilfsprogrammen der anderen Geber<br />

auf als zuvor.“<br />

Da die beobachtbaren Veränderungen im Spezialisierungs- und Überschneidungsgrad<br />

der EZ auf eine ganze Reihe von Faktoren zurückzuführen sein könnten, liefert<br />

erst eine ökonometrische Analyse belastbare Erkenntnisse über den Einfluss der Pariser<br />

Erklärung auf das Verhalten der Geber. So ergibt sich zum Beispiel eine stärkere<br />

Spezialisierung durch den Wechsel einiger Geber von Projektfinanzierungen zu allgemeiner<br />

Budgethilfe. Hingegen lässt sich kein davon unabhängiger Effekt der Pariser<br />

Erklärung nachweisen. Genauer gesagt zeigt sich in keinem Folgejahr eine statistisch<br />

Autorenporträts<br />

Dr. Peter Nunnenkamp<br />

Forschungsbereiche<br />

••<br />

Die internationale Arbeitsteilung<br />

••<br />

Armutsminderung und Entwicklung<br />

Telefon (0431) 8814-209<br />

E-Mail peter.nunnenkamp@ifw-kiel.de<br />

Expertise<br />

••<br />

Determinanten und Effekte ausländischer<br />

Direktinvestitionen<br />

••<br />

Determinanten und Effekte von Entwicklungshilfe<br />

Hannes Öhler<br />

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am<br />

Lehrstuhl <strong>für</strong> Internationale Wirtschaftsund<br />

Entwicklungspolitik<br />

Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg,<br />

Alfred-Weber-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Wirtschaftswissenschaften<br />

Telefon (06221) 543 739<br />

E-Mail hannes.oehler@awi.uni-heidelberg.de<br />

Expertise<br />

••<br />

Entwicklungshilfe<br />

••<br />

NichtRegierungs-Organisationen (NGOs)<br />

19


Forschungshighlight<br />

Geberkoordinierung: Kaum Fortschritte seit der Pariser Erklärung<br />

Autorenporträts Fortsetzung<br />

Prof. Dr. Rainer Thiele<br />

Leiter des Forschungsbereichs<br />

Armutsminderung und Entwicklung<br />

Telefon (0431) 8814-215<br />

E-Mail rainer.thiele@ifw-kiel.de<br />

Expertise<br />

••<br />

Der informelle Sektor in Afrika südlich<br />

der Sahara<br />

••<br />

Allokation und Effektivität der Entwicklungszusammenarbeit<br />

Weitere Expertise<br />

••<br />

Die Analyse breitenwirksamen Wachstums<br />

••<br />

Ländliche Entwicklung<br />

signifikante Spezialisierung gegenüber dem Vergleichsjahr 2004, wenn man die Verteilung<br />

der Hilfe aller 19 Geber nach Empfängerländern und Bereichen analysiert und<br />

dabei um andere Faktoren kontrolliert. Die Geber haben sich insgesamt also nicht<br />

an das Versprechen gehalten, sich gemäß ihrer komparativen Vorteile auf bestimmte<br />

Sektoren und Länder zu konzentrieren.<br />

Umso wichtiger wäre eine stärkere Koordinierung zwischen den Gebern gewesen.<br />

Auch in dieser Hinsicht hat die Pariser Erklärung aber wenig bewirkt, wenn der Effekt<br />

aller sonstigen Einflüsse herausgerechnet wird. So haben zum Beispiel Faktoren<br />

wie die verstärkte Budgethilfe an Empfängerländer mit relativ günstigen Rahmenbedingungen<br />

sowie die verbreiteten Schuldenerleichterungen <strong>für</strong> ausgewählte Länder<br />

zu größeren Überschneidungen beigetragen, ohne dass dies der Pariser Erklärung<br />

anzulasten wäre. Der von all diesen Faktoren isolierte Effekt der Pariser Erklärung<br />

wird in dem Diagramm gezeigt. Demnach ist es in den Folgejahren gegenüber 2004<br />

nicht zu einer stärkeren Geberkoordination gekommen. Vielmehr sind alle jährlichen<br />

Abweichungen seit der Pariser Erklärung positiv und statistisch signifikant, was eine<br />

Zunahme der Überschneidungen gegenüber 2004 bedeutet.<br />

Die nicht eingelösten Versprechen der Pariser Erklärung werden verständlich vor dem<br />

Hintergrund der komplizierten politischen Ökonomie, durch die das System der internationalen<br />

EZ gekennzeichnet ist. Die Geberinstitutionen sind letztendlich den inländischen<br />

Steuerzahlern verantwortlich, die in der Regel nicht über die notwendigen<br />

Informationen verfügen, um den Erfolg spezifischer Vorhaben der EZ beurteilen zu<br />

können. Die Geber sind deshalb geneigt, eine Vielzahl <strong>für</strong> die Öffentlichkeit deutlich<br />

sichtbarer Projekte durchzuführen, um ihr Engagement zu demonstrieren und die zukünftige<br />

Finanzierung durch den Steuerzahler sicherzustellen.<br />

In der Realität wird zudem der Altruismus der Geber von Eigeninteressen überlagert.<br />

Insbesondere quantitativ bedeutende Geber wie die Vereinigten Staaten und Frankreich<br />

lassen sich von ausgeprägten politischen Interessen leiten und dürften deshalb<br />

kaum dazu zu bewegen sein, einer ambitionierten Agenda zu folgen, die ihren<br />

Handlungsspielraum signifikant einengt. Die stetig steigende Zahl der staatlichen und<br />

nicht staatlichen Akteure in der EZ macht die Lage<br />

Grad der Überschneidung der EZ von 19 Gebern: Abweichung gegenüber 2004 noch komplizierter. Dadurch verringert sich <strong>für</strong> jeden<br />

einzelnen Akteur der Anreiz, in zeitaufwendige Abstimmungsprozesse<br />

zu investieren, weil der Einfluss<br />

des Einzelnen auf das Endergebnis schwindet. Hinzu<br />

kommt, dass wichtige neue Akteure wie China nur unvollständig<br />

in die relevanten Gremien integriert sind.<br />

Insgesamt ist deshalb in absehbarer Zukunft nicht mit<br />

größeren Fortschritten hin zu mehr Spezialisierung<br />

und besserer Koordinierung in der EZ zu rechnen.<br />

Weiterführende Literatur<br />

Nunnenkamp, Peter, Hannes Öhler und Rainer Thiele.<br />

Donor Coordination and Specialization: Did the Paris<br />

Declaration Make a Difference? Review of World Economics.<br />

Im Erscheinen.<br />

Nunnenkamp, Peter, und Rainer Thiele (2013). Financing<br />

for Development: The Gap between Words and<br />

Deeds since Monterrey. Development Policy Review<br />

31 (1): 75–98.<br />

20


Forschungshighlight<br />

Demokratie in Entwicklungsländern:<br />

Politischer Wandel durch Abwanderung<br />

in den Westen<br />

Wie verändern sich die politischen Machtverhältnisse und <strong>Institut</strong>ionen eines Entwicklungslandes,<br />

wenn Leute abwandern, um im Westen zu arbeiten? Verliert die öffentliche<br />

politische Debatte durch die Abwanderung überwiegend junger und gut ausgebildeter<br />

Köpfe wichtige Impulse <strong>für</strong> die Zukunft? Oder fördert der direkte Kontakt mit<br />

westlichen Demokratien einen kritischen Blick auf das Heimatland und weckt so bei<br />

den Zurückgebliebenen das Bedürfnis nach politischem Wandel?<br />

Bisher werden die Folgen von Abwanderung auf die Politik als einseitiger Prozess<br />

ohne Rückwirkungen gesehen. Mit dem Aufbruch ins Ausland verschwinden Abwanderer<br />

im wahrsten Sinne des Wortes von der Bildfläche und verlieren somit ihre politische<br />

Stimme in der Heimat. Grundannahme dieser von Albert Hirschman in seinem<br />

berühmten Buch Abwanderung und Widerspruch formulierten Theorie ist, dass Abwanderer<br />

vom Ausland aus kaum Möglichkeiten haben, die Verbindungen zu ihrem<br />

Heimatland aufrecht zu erhalten und die politischen Geschicke ihres Heimatlandes mit<br />

zu beeinflussen. Aus dieser statischen Perspektive verringert die Abwanderung von<br />

jungen und gut ausgebildeten Köpfen zwangsläufig das Reformpotenzial eines Landes.<br />

So hat Albert Hirschman zum Beispiel argumentiert, dass die Flüchtlingswellen<br />

der fünfziger und sechziger Jahre aus der DDR in die BRD die politische Opposition in<br />

der DDR geschwächt und damit ungewollt das sozialistische Regime gestärkt haben.<br />

Auch der deutsche Volksmund beschrieb dieses Phänomen, indem er die in der DDR<br />

zurückgebliebene Bevölkerung als „Den Doofen Rest (DDR)“ bezeichnete. Ähnliche<br />

Argumente wurden auch herangezogen, um die Stabilität der politischen Regime Kubas<br />

oder des Iran zu erklären.<br />

Autorenporträt<br />

Dr. Toman Omar Mahmoud<br />

Forschungsbereich<br />

Armutsminderung und Entwicklung<br />

Telefon (0431) 8814-471<br />

E-Mail toman.mahmoud@ifw-kiel.de<br />

Expertise<br />

••<br />

Internationale Migration<br />

••<br />

Entwicklungsmikroökonomie<br />

••<br />

Politische Ökonomie<br />

Allerdings ist fraglich, ob Abwanderung in der heutigen immer mehr zusammenwachsenden<br />

Welt noch den Verlust der politischen Stimme im Heimatland nach sich zieht.<br />

Denn dank der Verfügbarkeit von modernen und günstigen Kommunikations- und<br />

Verkehrsmitteln sind Abwanderer nicht mehr von ihrem Heimatland abgeschnitten.<br />

Vielmehr wirken Abwanderer inzwischen als Brückenbauer zwischen ihrer alten und<br />

neuen Heimat und schaffen grenzübergreifende Netzwerke, über die nicht nur Waren<br />

und Geld, sondern auch Wissen und Ideen ausgetauscht werden. So können Abwanderer<br />

durch regelmäßige Telefonate und Besuche in der Heimat die im Ausland erworbenen<br />

Eindrücke mühelos mit Familienmitgliedern und Freunden im Heimatland<br />

teilen. Der dadurch entstehende Rückfluss von politischen Informationen und Werten<br />

kann das politische Weltbild der Zurückgebliebenen verändern. Welche politischen<br />

Informationen und Werte übermittelt werden, hängt natürlich vom politischen System<br />

des Ziellandes ab. Eine Abwanderung in eine westliche Demokratie würde bei den Zurückgebliebenen<br />

einen kritischen Blick auf das Heimatland fördern und das Bedürfnis<br />

nach politischem Wandel wecken. Eine Abwanderung in ein Land mit autoritären <strong>Institut</strong>ionen<br />

hingegen würde solche Prozesse wohl kaum anstoßen, sondern im Gegenteil<br />

eher den politischen Status Quo festigen.<br />

Eine in Kürze erscheinende <strong>IfW</strong>-Studie untersucht diese Fragestellung am Beispiel<br />

Moldawiens. Moldawien eignet sich aus drei Gründen besonders gut als Fallstudie.<br />

Erstens ist Moldawien ein Land mit einer hohen Abwanderungsrate, das noch dazu<br />

Abwanderung in zwei sehr verschiedene politische Systeme verzeichnet. In den letzten<br />

Jahren haben rund ein Viertel der Moldawier im arbeitsfähigen Alter ihr Heimatland<br />

verlassen. Etwa ein Drittel von ihnen ist nach Westeuropa, die übrigen zwei Drittel<br />

21


Forschungshighlight<br />

Demokratie in Entwicklungsländern:<br />

Politischer Wandel durch Abwanderung in den Westen<br />

(1) Abwanderung nach Westeuropa und Unterstützung der Kommunistischen<br />

Partei in den moldawischen Heimatgemeinden der Abwanderer<br />

Stimmenanteil der Kommunistischen Partei in %, Juli 2009<br />

0 20 40 60 80 100<br />

0 5 10 15 20<br />

Anteil der nach Westeuropa abgewanderten Bevölkerung in %, 2004<br />

größtenteils nach Russland abgewandert. Es ist zu erwarten, dass die aus den westeuropäischen<br />

Demokratien übermittelten Eindrücke sich stark von den Eindrücken aus dem eher<br />

autoritären Russland unterscheiden.<br />

Zweitens ist Moldawien ein Transformationsland<br />

mit einer sehr jungen und noch nicht gefestigten<br />

Demokratie. Es war über Generationen hinweg<br />

sowjetischer Propaganda ausgesetzt. Die Kommunistische<br />

Partei dominierte die politische Landschaft<br />

auch nach der Unabhängigkeit und stellte<br />

von 2001 bis 2009 sogar die Regierung. Während<br />

dieser Zeit wurden die Pressefreiheit und die Unabhängigkeit<br />

der Justiz wiederholt beschnitten.<br />

Aus diesen Gründen sind breite Teile der Bevölkerung<br />

mit der gelebten Praxis von demokratischen<br />

Ideen und Werten noch nicht sehr vertraut. Deswegen<br />

dürfte der durch Abwanderer geschaffene<br />

Kontakt mit Westeuropa neue politische Ideen<br />

und Ideale nach Moldawien bringen.<br />

Drittens war Moldawien als Teil der ehemaligen<br />

Sowjetunion lange Zeit komplett vom Rest der<br />

Welt abgeschnitten und hat bis vor wenigen Jahren so gut wie überhaupt keine Abwanderung<br />

registriert. Erst als Reaktion auf die tiefe Wirtschaftskrise Ende der neunziger Jahre haben<br />

Moldawier begonnen, ihr Land zu verlassen. Es ist somit möglich, die durch die Abwanderung<br />

hervorgerufenen politischen Veränderungen in einem Vorher-Nachher-Vergleich zu analysieren.<br />

(2) Abwanderung nach Russland und Unterstützung der Kommunistischen Partei<br />

in den moldawischen Heimatgemeinden der Abwanderer<br />

Stimmenanteil der Kommunistischen Partei in %, Juli 2009<br />

0 20 40 60 80 100<br />

0 5 10 15 20<br />

Anteil der nach Russland abgewanderten Bevölkerung in %, 2004<br />

Konkret untersucht die Studie auf der Ebene von<br />

moldawischen Gemeinden, wie die Abwanderung<br />

das Wahlverhalten der in Moldawien zurückgebliebenen<br />

Bevölkerung verändert hat. Im Fokus<br />

steht dabei der Stimmenanteil der Kommunistischen<br />

Partei. Wenn es tatsächlich Rückflüsse von<br />

politischen Informationen und Werten aus dem<br />

Ausland gibt, sollten Gemeinden mit Abwanderung<br />

nach Westeuropa eher gegen die Kommunistische<br />

Partei, also <strong>für</strong> einen politischen Wandel<br />

stimmen. Hingegen sollten Gemeinden mit Abwanderung<br />

nach Russland eher <strong>für</strong> die Kommunistische<br />

Partei, also <strong>für</strong> den politischen Status<br />

Quo stimmen.<br />

Die Hauptergebnisse der Studie sind in den Grafiken<br />

1 und 2 dargestellt. Auf der vertikalen Achse ist jeweils<br />

der Stimmenanteil der Kommunistischen Partei<br />

in den Parlamentswahlen vom Juli 2009 abgetragen. Auf der horizontalen Achse ist in Grafik 1<br />

der Anteil der nach Westeuropa und in Grafik 2 der Anteil der nach Russland abgewanderten Bevölkerung<br />

abgetragen. Die Zahlen zum Anteil der abgewanderten Bevölkerung stammen aus der<br />

Volkszählung von 2004. Jeder Punkt stellt eine moldawische Gemeinde dar.<br />

In Übereinstimmung mit unserer Hypothese zeigen die Grafiken deutlich, dass der Zusammenhang<br />

zwischen Wahlverhalten und Abwanderung von der Zielregion der Abwanderer abhängt.<br />

Eine höhere Abwanderung nach Westeuropa geht mit einem niedrigeren Stimmenanteil <strong>für</strong> die<br />

22


Demokratie in Entwicklungsländern:<br />

Politischer Wandel durch Abwanderung in den Westen<br />

Forschungshighlight<br />

Kommunistische Partei einher (Grafik 1). Ökonometrische Analysen, die die Unterschiede zwischen<br />

den Gemeinden in punkto Gemeindegröße, Altersstruktur, Bildung, ethnischer Zusammensetzung,<br />

Wirtschaftskraft und insbesondere Wahlverhalten vor Beginn der Abwanderung<br />

berücksichtigen und nur benachbarte Gemeinden miteinander vergleichen, bestätigen diesen<br />

Zusammenhang. Danach verringert die Abwanderung von einem Prozent der Bevölkerung<br />

nach Westeuropa den Stimmenanteil der Kommunistischen Partei unter der zurückgebliebenen<br />

Bevölkerung um etwa 0,7 Prozentpunkte. Dieses Ergebnis ist bemerkenswert, denn es legt den<br />

Schluss nahe, dass die Abwanderung einer der Kommunistischen Partei vermutlich überwiegend<br />

kritisch eingestellten Wählerschaft durch den Rückfluss von politischen Informationen und<br />

Werten aus Westeuropa mehr als kompensiert wird. Besonders stark hat sich das Wahlverhalten<br />

in Gemeinden verändert, in denen große Bevölkerungsanteile ein niedriges Bildungsniveau<br />

aufweisen oder zu Zeiten der Sowjetunion aufgewachsen sind. Diese Ergebnisse sprechen<br />

da<strong>für</strong>, dass das Wahlverhalten sich aufgrund<br />

des Rückflusses von politischen Informationen<br />

und Werten verändert hat. Denn deren<br />

Informationswert sollte <strong>für</strong> derartige Gemeinden<br />

besonders hoch sein.<br />

„Insgesamt hat die durch die Abwanderung<br />

nach Westeuropa hervorgerufene Veränderung<br />

des Wahlverhaltens in Moldawien der<br />

Kommunistischen Partei drei Prozentpunkte<br />

Stimmenanteil gekostet.“<br />

Hingegen geht eine höhere Abwanderung<br />

nach Russland mit einem höheren Stimmenanteil<br />

<strong>für</strong> die Kommunistische Partei einher (Grafik 2). Die Abwanderung von einem Prozent<br />

der Bevölkerung nach Russland erhöht den Stimmenanteil der Kommunistischen Partei<br />

unter der zurückgebliebenen Bevölkerung um etwa 0,4 Prozentpunkte.<br />

Weitere Analysen zeigen, dass sich nicht nur das Wahlverhalten verändert hat. Bewohner<br />

von Gemeinden mit hohen Abwanderungsraten nach Westeuropa haben zunehmend weniger<br />

Vertrauen in staatliche Medien und sehen Einmischungen des Staates in die Wirtschaft des<br />

Landes immer kritischer. Somit hat die Abwanderung in den Westen zu einem tiefgreifenden<br />

politischen Wandel in Moldawien beigetragen.<br />

Insgesamt hat die durch die Abwanderung nach Westeuropa hervorgerufene Veränderung<br />

des Wahlverhaltens in Moldawien der Kommunistischen Partei 3 Prozentpunkte Stimmenanteil<br />

gekostet und war damit entscheidend <strong>für</strong> die Abwahl der kommunistischen Regierung<br />

im Juli 2009. Seitdem regiert in Moldawien eine liberale Koalition der bisherigen Oppositionsparteien.<br />

Sie tritt <strong>für</strong> eine Integration Moldawiens in Europa ein und hat bereits einige<br />

politische und wirtschaftliche Reformen eingeleitet. So bescheinigte die Europäische Union<br />

Moldawien kürzlich gute Fortschritte bei der Verbesserung der Qualität von <strong>Institut</strong>ionen, der<br />

Pressefreiheit und dem Investitionsklima, und die Weltbank zählt Moldawien zu den größten<br />

Reformern weltweit.<br />

Am Beispiel von Moldawien zeigen diese Ergebnisse, dass Abwanderung in Zeiten von zunehmend<br />

globaler werdenden Arbeitsmärkten wichtige politische Effekte nach sich ziehen<br />

kann. Vor allem kann Abwanderung in Länder mit etablierten Demokratien dazu beitragen,<br />

dass sich demokratische Werte in Herkunftsländern mit noch jungen Demokratien verbreiten<br />

und festigen. Einwanderungsländer wie die USA und viele europäische Staaten sollten diese<br />

Effekte in ihren Einwanderungspolitiken berücksichtigen, um den politischen Wandel im Ausland<br />

auch in ihrem Sinne voranzutreiben.<br />

Weiterführende Literatur<br />

Omar Mahmoud, Toman, Hillel Rapoport, Andreas<br />

Steinmayr und Christoph Trebesch. Emigration and<br />

Political Change. Im Erscheinen.<br />

23


Das <strong>IfW</strong> im Überblick<br />

Forschungsbereich<br />

Armutsminderung und Entwicklung<br />

David Bencek<br />

Marcus Böhme<br />

Christiane Gebühr<br />

Linda Kleemann<br />

Prof. Dr. Matthias Lücke<br />

Prof. Dr. Lukas Menkhoff<br />

Dr. Peter Nunnenkamp<br />

Dr. Toman Omar Mahmoud<br />

Dr. Rainer Schweickert<br />

Tobias Stoehr<br />

Prof. Dr. Rainer Thiele (Leiter)<br />

Prof. Dr. Manfred Wiebelt<br />

assoziiert:<br />

Aslihan Arslan, Ph.D.<br />

Prof. Dr. Jann Lay<br />

Mit weltweit mehr als zwei Milliarden Menschen, die von weniger als zwei US-Dollar pro<br />

Tag leben müssen, stellt die absolute Armut eines der dringlichsten sozialen Probleme<br />

der Gegenwart dar. Die Vereinten Nationen haben dementsprechend die Halbierung der<br />

absoluten Armut bis 2015 als zentrales Millenniumsentwicklungsziel formuliert. Vor diesem<br />

Hintergrund werden im Forschungsbereich vorwiegend empirische Analysen zu aktuellen<br />

entwicklungspolitischen Fragestellungen durchgeführt.<br />

Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf Themen, die mit der Integration der Entwicklungsund<br />

Transfor ma tionsländer in die <strong>Weltwirtschaft</strong> zusammenhän gen. So wird zum Beispiel<br />

untersucht, welche Ver teilungswirkungen Rücküberweisungen von Mi gran ten in den Heimatländern<br />

haben und ob die Ent wicklungshilfe einen Beitrag zur Erreichung der Millenniumsentwicklungsziele<br />

leisten kann. Fragen, die sich aus der Spezialisierung vieler<br />

Entwicklungsländer auf die Landwirtschaft und die Ausbeutung mineralischer Ressourcen<br />

ergeben, nehmen ebenfalls einen breiten Raum ein.<br />

Um die internationale Forschungszusammenarbeit und den Austausch zwischen Wissenschaftlern<br />

und Praktikern der Entwicklungszusammenarbeit zu fördern, unterhält unser<br />

Forschungsbereich das „Poverty Reduction, Equity, and Growth Network“ (PEGNet).<br />

Als Research Associate sind Aslihan Arslan (FAO, Rom) und Jann Lay (Universität Göttingen<br />

und GIGA Hamburg) dem Forschungsbereich verbunden. Enge Forschungskooperationen<br />

bestehen darüber hinaus mit Clemens Breisinger (IFPRI), Axel Dreher (Universität<br />

Heidelberg), Dierk Herzer (Helmut-Schmidt-Universität Hamburg), Hannes Öhler (Universität<br />

Heidelberg), Pablo Selaya (Universität Kopenhagen) und Christoph Trebesch (LMU<br />

München).<br />

24


Forschungshighlight<br />

Besonders in der Rezession:<br />

Die Arbeitsmoral hochhalten<br />

Über mehrere Jahrzehnte hinweg wurde Deutschland von ständig ansteigenden Arbeitslosenzahlen<br />

geplagt (Grafik 1). Mit jeder Rezession stieg die Arbeitslosenquote<br />

an, um in der darauf folgenden wirtschaftlichen Erholung nur geringfügig zu sinken. So<br />

stieg mit jeder Rezession die Arbeitslosigkeit auf ein neues Tableau – in der Fachwelt<br />

wurde dieser Zusammenhang häufig mit Hysterese betitelt. Erst mit den Arbeitsmarktreformen<br />

Anfang des Jahrtausends konnte dieser Trend umgekehrt werden.<br />

Lange Zeit wurde Hysterese in der Arbeitslosigkeit nur mit den relativ rigiden Arbeitsmärkten<br />

in Europa in Verbindung gebracht. Der sehr viel dynamischere US-amerikanische<br />

Arbeitsmarkt kannte derartige Probleme nicht. Im Gegensatz zu Deutschland<br />

führte üblicherweise die Erholung nach einer Rezession zu einem Absinken der Arbeitslosenrate<br />

auf den ursprünglichen Wert. Nicht so jedoch in der aktuellen Situation.<br />

Wie Grafik 2 illustriert, blieben die Beschäftigungszahlen nach der jüngsten Rezession<br />

auf überraschend beständig niedrigem Niveau.<br />

Wodurch können derartige Entwicklungen in der Arbeitslosenquote erklärt werden? In<br />

einer jüngsten Studie zeigen wir eine mögliche Erklärung auf, die bislang ignoriert wurde.<br />

Die Einstellung der Bürger zur Arbeit kann sich während einer lang anhaltenden<br />

Rezession ändern und so zu dauerhaften Effekten führen.<br />

Für die Analyse haben wir aktuelle Ergebnisse der empirischen Forschung zur Zufriedenheit<br />

von Arbeitslosen berücksichtigt. Diese Forschung zeigt, dass Arbeitslose<br />

erhebliche Einbußen in der Lebenszufriedenheit verzeichnen. Die Effekte sind sehr<br />

groß und fallen sogar stärker ins Gewicht als die Einkommensverluste. Es zeigen sich<br />

jedoch auch erhebliche Unterschiede zwischen den Arbeitnehmern. Arbeitnehmer, die<br />

schon öfter arbeitslos waren, oder deren Freunde auch arbeitslos sind, verzeichnen<br />

geringere Verluste in der Zufriedenheit. Arbeitslose, die unter stärkerer Unzufriedenheit<br />

leiden, kehren schneller wieder ins Erwerbsleben<br />

zurück. Schließlich gibt es auch<br />

„Unter diesen Bedingungen<br />

kann eine lang anhaltende<br />

Rezession dazu führen, dass<br />

Menschen ihre vormals hohe<br />

Arbeitsmoral verlieren, wenn<br />

sie arbeitslos werden.“<br />

Hinweise auf Gewöhnungseffekte: Je länger<br />

ein Mensch arbeitslos ist, desto geringer wird<br />

die Unzufriedenheit.<br />

So wenig überraschend diese Ergebnisse<br />

sind, so werden sie doch in der bisherigen<br />

Arbeitsmarkttheorie weitestgehend ignoriert.<br />

Ganz im Gegenteil, wird sogar meist angenommen,<br />

dass viele Menschen nur sehr ungern<br />

arbeiten. Arbeitslose verspüren daher keinerlei Unzufriedenheit. Da ferner meist<br />

angenommen wird, dass sich Arbeitnehmer gegen den Verlust an Einkommen perfekt<br />

versichern können, stellen sich Arbeitslose sogar besser – sie können mehr Freizeit<br />

genießen.<br />

Wir versuchen nun, die oben diskutierten empirischen Ergebnisse ernst zu nehmen,<br />

indem wir in unserem Modell Arbeitnehmer mit unterschiedlichen Identitäten unterstellen.<br />

Auf der einen Seite gibt es Arbeitnehmer mit einer hohen Arbeitsmoral. Sie verspüren<br />

große Unzufriedenheit während einer Arbeitslosigkeit, weil sie dem Ideal ihrer<br />

sozialen Gruppe – einen Job zu haben – nicht entsprechen. Sie werden alles daran<br />

Autorenporträts<br />

Wolfgang Lechthaler, Ph.D.<br />

Forschungsbereiche<br />

••<br />

Globalisierung und Wohlfahrtsstaat<br />

••<br />

Makroökonomische Politik<br />

in unvollkommenen Märkten<br />

Telefon (0431) 8814-272<br />

E-Mail wolfgang.lechthaler@ifw-kiel.de<br />

Expertise<br />

••<br />

Geldtheorie und Geldpolitik<br />

••<br />

Arbeitsmarktökonomik<br />

••<br />

Außenhandelstheorie<br />

Prof. Dennis J. Snower, Ph.D.<br />

Präsident des <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> <strong>Weltwirtschaft</strong><br />

Lehrstuhl <strong>für</strong> Theoretische Volkswirtschaftslehre,<br />

CAU Kiel<br />

Forschungsbereiche<br />

••<br />

Globalisierung und Wohlfahrtsstaat<br />

••<br />

Makroökonomische Politik<br />

in unvollkommenen Märkten<br />

Telefon (0431) 8814-236<br />

E-Mail dennis.snower@ifw-kiel.de<br />

Expertise<br />

••<br />

Arbeitslosigkeit und Beschäftigungspolitik<br />

••<br />

Inflation, Geld- und Fiskalpolitik<br />

••<br />

Soziale- und Identitäts-Ökonomik<br />

••<br />

Reform des Wohlfahrtsstaates<br />

••<br />

Organisatorischer Wandel<br />

25


Forschungshighlight<br />

Besonders in der Rezession: die Arbeitsmoral hochhalten<br />

setzen, wieder eine Arbeitsstelle zu bekommen und sind bereit, da<strong>für</strong> auch Lohneinbußen<br />

hinzunehmen.<br />

Auf der anderen Seite gibt es Arbeitslose, die sich mit ihrer Situation abgefunden haben.<br />

Sie identifizieren sich nicht mehr mit der Gruppe der hohen Arbeitsmoral, sondern mit ihren<br />

ebenfalls arbeitslosen Freunden und Nachbarn bzw. ist es ihnen<br />

gelungen, sich mit den neuen Lebensumständen zu arrangieren.<br />

(1) Arbeitslosenquote in Deutschland, 1965–2010<br />

Sie verspüren nicht mehr die hohe Unzufriedenheit der Gruppe<br />

mit hoher Arbeitsmoral und haben daher ein geringeres Bestreben,<br />

einen neuen Job zu finden und daher auch eine geringere<br />

Wahrscheinlichkeit, eine neue Beschäftigung zu finden.<br />

Unter diesen Bedingungen kann eine lang anhaltende Rezession<br />

dazu führen, dass Menschen ihre vormals hohe Arbeitsmoral verlieren,<br />

wenn sie arbeitslos werden. Während eines Booms t ist<br />

dies nicht der Fall, weil sich die Arbeitnehmer relativ sicher sein<br />

können, rasch wieder Arbeit zu finden. Während einer Rezession<br />

sinken jedoch die Chancen auf einen Arbeitsplatz erheblich.<br />

Menschen, die in dieser Situation arbeitslos werden und voraussehen,<br />

dass ihre Chancen auf Wiederbeschäftigung auf absehbare<br />

Zeit sehr gering sein werden, unterliegen einem hohen Risiko,<br />

sich mit der Situation abzufinden und ihre hohe Arbeitsmoral<br />

zu verlieren.<br />

(2) Beschäftigungsquote in den USA, 2004–<strong>2012</strong><br />

Das Beunruhigende an diesem Effekt ist, dass er möglicherweise<br />

permanent ist. Selbst nachdem die Rezession vorüber ist und<br />

sich der Beschäftigungsmarkt wieder erholt hat, werden einige<br />

Menschen nicht zurück zu einer hohen Arbeitsmoral finden, da<br />

sie sich an den neuen Lebensstil gewöhnt haben und sich nur<br />

sehr schwer wieder in das reguläre Erwerbsleben integrieren<br />

können.<br />

Für die Politik bedeutet das: Gelingt es dem Staat durch geeignete<br />

Interventionen den Verlust der Arbeitsmoral zu verhindern, so<br />

sind die positiven Effekte sehr groß.<br />

Arbeitnehmer, die einmal ihre Arbeitsmoral verloren haben, sind<br />

nur sehr schwer wieder zu integrieren. Es sollte daher frühzeitig<br />

bei den Ursachen angesetzt werden.<br />

Weiterführende Literatur<br />

Lechthaler, Wolfgang, und Dennis J. Snower (<strong>2012</strong>).<br />

Worker Identity, Employment Fluctuations and Stabilization<br />

Policy. Unveröffentlichtes Manuskript.<br />

26


Das <strong>IfW</strong> im Überblick<br />

Makroökonomische Politik in unvollkommenen Märkten<br />

Forschungsbereich<br />

Unsere Agenda<br />

Moderne Volkswirtschaften sind von einem ständigen Auf und Ab gekennzeichnet.<br />

Auf eine Rezession folgt häufig eine Expansion, wie wir das auch gerade nach der vergangenen<br />

Finanzkrise erleben. Rezessionen sind von besonderem Interesse <strong>für</strong> die Öffentlichkeit und<br />

politische Entscheidungsträger, da sie mit sinkendem Einkommen und höherer Arbeitslosigkeit<br />

verbunden sind. Auf der anderen Seite kann eine Expansion zu einer Überhitzung der Ökonomie<br />

mit inflationärem Druck führen.<br />

In der Forschungsgruppe analysieren wir die Bedeutung von Marktunvollkommenheiten und<br />

<strong>Institut</strong>ionen <strong>für</strong> die konjunkturellen Schwankungen mit Hilfe dynamischer allgemeiner Gleichgewichtsmodelle<br />

und überprüfen die Aussagen theoretischer Modelle anhand empirischer Methoden.<br />

Aus unseren Analysen ergeben sich unmittelbar Empfehlungen <strong>für</strong> die Gestaltung von<br />

Politik, wie z.B. die Frage nach der optimalen Ausrichtung von Geldpolitik bezüglich Inflation<br />

und Arbeitslosigkeit oder die Frage nach der optimalen Höhe der Inflationsrate.<br />

Unsere Expertise<br />

Schwerpunkt Arbeitsmarkt: Wir haben eine mikrofundierte und leicht verständliche Alternative<br />

zum Standard Search-and-Matching-Ansatz entwickelt, um Arbeitslosigkeit zu modellieren. Dieser<br />

Ansatz ist besonders geeignet, um europäische Arbeitsmarktinstitutionen abzubilden.<br />

Heterogenität: Wir berücksichtigen die Heterogenität von Agenten und/oder Technologien. Zum<br />

Beispiel betrachten wir die Unterschiede zwischen neuen und bestehenden Firmen oder die<br />

institutionellen Unterschiede zwischen Ländern.<br />

Globale Perspektive: Wir nutzen Modelle offener Volkswirtschaften, um u.a. die Bedeutung von<br />

asymmetrischen Arbeitsmärkten in einer Währungsunion zu diskutieren oder um die Konsequenzen<br />

von Protektionismus in Krisen aufzuzeigen.<br />

Methodologie: Während die Modellierung von Marktunvollkommenheiten in DSGE-Modellen<br />

unsere Kernkompetenz in theoretischer Sicht ist, bietet uns die intensive Kooperation mit dem<br />

Prognosezentrum des <strong>Institut</strong>es Fachwissen zu empirischen Methoden, wie z.B. VAR-Modellierungen<br />

oder Bayesianischen Schätzungen.<br />

Steffen Ahrens<br />

Dr. Jens Boysen-Hogrefe<br />

Vincenzo Caponi, Ph.D.<br />

Prof. Ester Faia, Ph.D.<br />

Dominik Groll<br />

Ute Heinecke<br />

Dr. Nils Jannsen<br />

Wolfgang Lechthaler, Ph.D. (Leiter)<br />

Dr. Christian Merkl<br />

Mariya Miliva, Ph.D.<br />

Martin Plödt<br />

Christopher Reicher, Ph.D.<br />

Stephen Sacht<br />

Prof. Dr. Joachim Scheide<br />

Tim Schwarzmüller<br />

Prof. Dennis J. Snower, Ph.D.<br />

Mewael F. Tesfaselassie, Ph.D.<br />

Björn van Roye<br />

Dr. Andrea Vaona, Ph.D.<br />

Dr. Henning Weber<br />

Prof. Dr. Maik Wolters<br />

Unser Netzwerk<br />

Der Forschungsbereich organisiert das politikorientierte Netzwerk „Ensuring Economic and Employment<br />

Stability“ (EES), welches sich mit der Verbindung zwischen Konjunkturschwankungen<br />

und Arbeitslosigkeit auseinandersetzt. Das Netzwerk vereint wichtige politische <strong>Institut</strong>ionen,<br />

Forschungszentren und Universitäten in ganz Europa und organisiert regelmäßige Treffen<br />

führender Experten, um aktuelle wissenschaftliche und politikrelevante Themen zu diskutieren.<br />

Unter den Teilnehmern unserer Konferenzen finden sich so prominente Namen wie Chris<br />

Pissarides und Dale Mortensen (beide Gewinner des Nobelpreises 2010), Robert Hall, Robert<br />

Shimer, Lawrence Christiano, Martin Eichenbaum, Jordi Galí, Per Krusell, John Haltiwanger,<br />

Eran Yashiv, Guiseppe Moscarini und Richard Rogerson.<br />

27


Forschungshighlight<br />

Rationale Erwartungen?<br />

Nicht mit historischem Wissen<br />

Autorenporträt<br />

Prof. Dr. Dr. Ulrich Schmidt<br />

Forschungsbereiche<br />

••<br />

Globalisierung und Wohlfahrtsstaat<br />

••<br />

Finanzmärkte und makroökonomische<br />

Aktivität<br />

••<br />

Umwelt und natürliche Ressourcen<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Volkswirtschaftslehre an der<br />

Christian-Albrechts-Universität, Kiel<br />

Telefon (0431) 8814-337<br />

E-Mail ulrich.schmidt@ifw-kiel.de<br />

Expertise<br />

••<br />

Experimentelle Wirtschaftsforschung<br />

••<br />

Sozialpolitik<br />

••<br />

Entscheidungstheorie<br />

••<br />

Finanzmärkte<br />

Moderne makroökonomische Modelle gehen in der Regel von rationalen Erwartungen<br />

der Marktteilnehmer aus. Es existiert jedoch eine umfangreiche empirische und experimentelle<br />

Evidenz, dass die tatsächliche Erwartungsbildung in der Realität nicht den<br />

strengen Anforderungen rationaler Erwartungen genügt. In der Studie von Roos und<br />

Schmidt (<strong>2012</strong>) wird experimentell untersucht, inwieweit historische Daten in Form<br />

von Charts die Erwartungsbildung verzerren können. Eine mögliche Begründung <strong>für</strong><br />

solch einen verzerrenden Effekt ist durch die bekannte Hypothese des „anchoring and<br />

adjustment“ gegeben: Historische Daten können als Anker fungieren, so dass weitere<br />

relevante Informationen nur unzureichend in der Erwartungsbildung berücksichtigt<br />

werden.<br />

„Im Gegensatz zur Hypothese<br />

rationaler Erwartungen, spielen<br />

Vergangenheitsdaten eine<br />

dominante Rolle bei der Erwartungsbildung.“<br />

Um die Bedeutung von Charts <strong>für</strong> die Erwartungsbildung<br />

zu analysieren, wurde ein Experiment<br />

in drei Gruppen durchgeführt. In allen drei<br />

Gruppen musste die Inflationsrate <strong>für</strong> April und<br />

Mai 2008 vorhergesagt werden. Gute Vorhersagen<br />

wurden dabei monetär entlohnt. Gruppe KI<br />

(keine Information) erhielt <strong>für</strong> die Vorhersage keine<br />

weiteren Informationen. Gruppe VI (volle Information) erhielt dagegen den Chart<br />

der historischen Inflationsrate. Gruppe NC (nur Chart) erhielt dagegen nur den Chart,<br />

ohne dass die Teilnehmer wussten, welche Größe in dem Chart überhaupt abgetragen<br />

ist. Die Präsentation erfolgte wie in der Abbildung. Teilnehmer in der Gruppe NC mussten<br />

die nächsten beiden Punkte der Zeitreihe in der Abbildung schätzen, hatten aber<br />

keinerlei Hinweis darauf, dass es sich dabei um die Inflationsrate handelt. In den Gruppen<br />

KI und VI mussten die Teilnehmer zudem einen Fragebogen ausfüllen, in dem<br />

nach Kenntnissen über wichtige ökonomische Variablen wie Arbeitslosenrate, Goldpreis<br />

oder Dollarkurs gefragt wurde.<br />

Zudem wurden sie nach ihnen<br />

Ergebnisse des Experiments<br />

bekannten Schätzungen <strong>für</strong> die zukünftige<br />

Inflationsrate befragt.<br />

1 Monat 2 Monate<br />

Die Ergebnisse des Experiments<br />

M SD M SD<br />

sind in der Tabelle dargestellt, wobei<br />

M den Mittelwert und SD die<br />

KI 2,60 1,44 2,65 1,36<br />

VI 3,20 0,77 3,10 0,83<br />

Standardabweichung bezeichnet.<br />

Beschränken wir uns auf den Vorhersagezeitraum<br />

<strong>für</strong> einen Monat,<br />

NC 3,20 0,41 3,04 0,45<br />

dann sieht man, dass die Probanden<br />

im Durchschnitt eine Inflationsrate von 2,60 Prozent erwarten, wenn sie keinerlei<br />

weitere Informationen haben (Gruppe KI). Diese Erwartung beträgt 3,20 Prozent <strong>für</strong><br />

die Gruppe NC, die nur den Chart sieht und keinerlei Information darüber besitzt, dass<br />

es sich dabei um die Inflationsrate handelt. Diese Gruppe kann daher zur Erwartungsbildung<br />

einzig und alleine den Chart verwenden und 3,20 entspricht in etwa der Extrapolation<br />

der beiden letzten Beobachtungen. Interessanterweise sind die Erwartungen<br />

in Gruppe VI im Mittel identisch, d.h. auch hier wird eine Inflationsrate von 3,20 Prozent<br />

erwartet. Dies bedeutet, dass die Erwartungen im Gegensatz zur Hypothese rationaler<br />

Erwartungen allein auf Vergangenheitsdaten beruhen und ökonomische Kenntnisse,<br />

28


Rationale Erwartungen? Nicht mit historischem Wissen<br />

Forschungshighlight<br />

Der Chart in der Gruppe NC<br />

Y<br />

.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5<br />

Größe Y<br />

0 12 24 36 48 60<br />

Zeit<br />

Abbildung 2<br />

Informationen und Erwartungen keine Rolle spielen. Da diese letztgenannten Größen in einem<br />

Fragebogen ermittelt wurden, konnte ihr Einfluss auf die Erwartungsbildung im Rahmen<br />

von Regressionsanalysen widerlegt werden. Der einzige Einfluss privater Information ist eine<br />

Erhöhung der Standardabweichung in Gruppe VI im Vergleich zu NC.<br />

Insgesamt zeigt die experimentelle Studie, dass im Gegensatz zur Hypothese rationaler Erwartungen,<br />

Vergangenheitsdaten eine dominante Rolle bei der Erwartungsbildung spielen.<br />

Weiterführende Literatur<br />

Roos, Michael W.M., und Ulrich Schmidt (<strong>2012</strong>). The<br />

Importance of Time Series Extrapolation for Macroeconomic<br />

Expectations. German Economic Review 13:<br />

196–210.<br />

1<br />

29


Forschungshighlight<br />

Globaler Aktienmarkt: Abhängigkeiten und<br />

Schwankungen nehmen zu<br />

Autorenporträt<br />

Dr. Matthias Raddant<br />

Forschungsbereich<br />

Finanzmärkte und makroökonomische<br />

Aktivität<br />

Telefon (0431) 8814-276<br />

E-Mail matthias.raddant@ifw-kiel.de<br />

Expertise<br />

••<br />

Finanzmärkte<br />

••<br />

Netzwerke<br />

••<br />

Simulation von komplexen Systemen<br />

Ähnlich wie Gütermärkte sind Finanzmärkte heute zum großen Teil internationale<br />

Märkte. Insbesondere institutionelle Anleger investieren in Aktien und andere Anlageformen<br />

auf der ganzen Welt. Die technische Infrastruktur macht es möglich, dass<br />

dabei Investitionen in Sekunden von einem Land abgezogen und in Aktien in einem<br />

anderen Land investiert werden. Diese Offenheit hat die Märkte innerhalb der letzten<br />

Jahrzehnte schrittweise verändert. Investitionen in ausländische Märkte sind immer<br />

weniger geeignet, um sich gegen Schwankungen z.B. im heimischen Markt abzusichern,<br />

da sich diese Schwankungen in viel größerem Ausmaß eben auch in anderen<br />

Märkten wiederfinden. Diese Entwicklung ist zum Teil „natürlicher“ Herkunft, eben weil<br />

unsere Wirtschaftssysteme auch real enger verknüpft sind als in der Vergangenheit.<br />

Die Offenheit der Finanzmärkte birgt allerdings auch die Gefahr, dass sich Änderungen<br />

in den Erwartungen der Anleger, bis hin zu Panik und Kursrutschen, schnell global<br />

verbreiten können, was wiederum Einfluss auf die Realwirtschaft ausübt.<br />

Unzählige Studien haben sich mit dem Nebeneinander von Aktien-, Devisen- und<br />

Geldmärkten beschäftigt; dabei stellt man fest, dass die Indizes der meisten Märkte<br />

sowie die Volatilität, also die Schwankungsbreite,<br />

deutlich korreliert sind. Ausgehend<br />

„Nicht nur die Globalisierung hat<br />

die Abhängigkeiten und Schwankungen<br />

erhöht, sondern die<br />

Märkte sind auch <strong>für</strong> sich alleine<br />

‚stressanfälliger‘ geworden.“<br />

von diesen Studien sind wir in unseren eigenen<br />

Untersuchungen zusammen mit Forschern<br />

an den Universitäten in Tel Aviv und<br />

Boston einen Schritt weiter gegangen und<br />

haben versucht, den globalen Aktienmarkt<br />

als Ganzes zu untersuchen. Dabei haben<br />

wir zunächst in einem zweistufigen Ansatz<br />

die Abhängigkeiten der Aktien innerhalb eines<br />

Marktes untersucht und dann in einem zweiten Schritt gemessen, ob sich in verschiedenen<br />

Märkten zur selben Zeit dieselben Entwicklungen vollziehen.<br />

Dabei kann man feststellen, dass die Märkte nicht nur eine synchrone Entwicklung von<br />

Preisen und deren Schwankungsbreite aufweisen, sondern dass auch Änderungen in<br />

der Korrelationsstruktur innerhalb der einzelnen Märkte oft gleichzeitig stattfinden. Die<br />

Abbildung zeigt dies <strong>für</strong> die Aktienmärkte von Deutschland, Großbritannien, den USA,<br />

Japan, China und Indien. Wie zu erwarten, ist dieser Gleichlauf, zu erkennen an den<br />

ähnlichen vertikalen Mustern, unter den westlichen Märkten stärker ausgeprägt. Japan<br />

nimmt hierbei quasi eine Mittelrolle ein und verhält sich über lange Zeit ähnlich wie die<br />

drei anderen westlichen Märkte, läuft zeitweise aber auch synchron zum indischen<br />

Markt. China nimmt, bedingt durch den restringierten Marktzugang, hier noch eine<br />

Sonderrolle ein.<br />

Eine interessante Beobachtung ist, dass der generelle Anstieg der Volatilität und der<br />

durchschnittlichen Korrelationen innerhalb der einzelnen Märkte nicht mit einem vergleichbaren<br />

Anstieg der Abhängigkeiten zwischen den Märkten einhergeht. Es spricht<br />

also einiges da<strong>für</strong>, dass hier kein reiner Globalisierungseffekt vorliegt, sondern dass<br />

auch die Märkte <strong>für</strong> sich alleine „stressanfälliger“ geworden sind.<br />

Der nächste Schritt <strong>für</strong> dieses Kartographieren des globalen Aktienmarktes ist, die<br />

Beziehungen zwischen einzelnen Aktien in verschiedenen Märkten zu untersuchen.<br />

30


Globaler Aktienmarkt: Abhängigkeiten und Schwankungen nehmen zu<br />

Forschungshighlight<br />

Erste Ergebnisse zeigen, dass sich hier funktionale Gruppen identifizieren lassen und Aktien<br />

4 Results 8<br />

somit verschieden stark von internationalen Einflüssen abhängen. Es zeigt sich außerdem,<br />

dass viele Aktien aus Deutschland und Großbritannien de facto bereits einen gemeinsamen<br />

Markt bilden, also rein anhand ihres Verhaltens kaum mehr unterschieden werden können.<br />

Korrelation der Aktienpreisänderungen<br />

U.S.<br />

Japan<br />

U.K.<br />

India<br />

Germany<br />

China<br />

Die Abbildungen zeigen die Entwicklungen der durchschnittlichen Korrelationen <strong>für</strong> jede Aktie mit allen Aktien des<br />

entsprechenden Fig. 3: Dynamics Marktes <strong>für</strong> of den the Zeitraum intra von correlation.<br />

Januar 2000 bis Dezember For each 2010. market, Jede Aktie wird wedabei usedurch a 22-day eine horizontale<br />

Reihe window, von Punkten and dargestellt; in each blau window steht dabei calculate <strong>für</strong> geringe, rot the <strong>für</strong> intra hohe Werte. correlation. Die sich ergebenden This results vertikalen<br />

Muster zeigen, welche Märkte zeitgleich gleichgerichtete Schwankungen durchleben. Die schwarze Linie zeigt einen<br />

Durchschnitt inüber the alle dynamics Aktien eines Marktes. of the intra correlation for the period of 2000–2010,<br />

for each market separately. Each horizontal line represents the average<br />

correlation of one stock (the left ordinate displays the number of the<br />

stock). The western markets and Japan show a similar behavior, visualized<br />

through vertical stripes at the same time, showing syncronized<br />

waves of strong correlations. The black line shows the average of all<br />

correlations at a given 22-day window. The right ordinate shows the<br />

correlation value. The trend is increasing for all countries exept China.<br />

Weiterführende Literatur<br />

Kenett, Dror Y., Matthias Raddant, Thomas Lux und<br />

Eshel Ben-Jacob (<strong>2012</strong>). Evolvement of Uniformity<br />

and Volatility in the Stressed Global Financial Village.<br />

PLoS ONE 7 (2).<br />

Kenett, Dror Y., Matthias Raddant, Lior Zatlavi, Thomas<br />

Lux und Eshel Ben-Jacob (<strong>2012</strong>). Correlations<br />

and Dependence in the Global Financial Village. Conference<br />

Series. International Journal of Modern Physics<br />

16.<br />

31


Das <strong>IfW</strong> im Überblick<br />

Forschungsbereich<br />

Finanzmärkte und makroökonomische Aktivität<br />

Dr. Jens Boysen-Hogrefe<br />

Christian Freund<br />

Daniel Fricke<br />

Margitta Führmann<br />

Philipp Kolberg<br />

Prof. Dr. Thomas Lux (Leiter)<br />

Mario Maschke<br />

Mattia Montagna<br />

Dr. Matthias Raddant<br />

Prof. Dr. Stefan Reitz<br />

Prof. Dr. Ulrich Schmidt<br />

Der Finanzsektor<br />

Ein komplexes System mit einer Vielzahl interagierender Akteure. Ein gut funktionierender<br />

Finanzsektor ist eine notwendige Voraussetzung <strong>für</strong> das Wachstum einer Volkswirtschaft.<br />

Die Finanzkrise der Jahre 2008/09 hat nachdrücklich gezeigt, wie ein Ausfall einzelner<br />

Komponenten über Dominoeffekte die Funktionsfähigkeit des gesamten Finanzsektors beeinträchtigen<br />

und letztendlich immense Schäden <strong>für</strong> die <strong>Weltwirtschaft</strong> verursachen kann.<br />

Dies unterstreicht die Bedeutung der Entwicklung von Modellen und Diagnoseinstrumenten<br />

zur Analyse und Identifikation der Ursachen von Instabilitäten und gesamtwirtschaftlichem<br />

Risikopotenzial im Finanzbereich.<br />

Das Ziel der Forschungsgruppe ist es, einen Beitrag zu einem tieferen Verständnis der<br />

Struktur von Risiken im Finanzsektor zu leisten. Die untersuchten Themenbereiche beinhalten<br />

die Analyse der Interaktionen zwischen Marktteilnehmern, die Entstehung von<br />

spekulativen Blasen, den Einfluss von kognitiven Verzerrungen auf das Marktverhalten,<br />

und die ökonometrische Analyse der Preisdynamik und des Schwankungsgrades von Finanzaktiva.<br />

Profil<br />

Die Mitglieder des Forschungsbereichs verbindet die Expertise im Bereich der ver hal tensorien<br />

tierten Finanzökonomik, der empirischen Finanzmarktforschung und der experimentellen<br />

Wirtschaftsforschung.<br />

Durch die Verbindung von Erklärungsansätzen und Methoden dieser unterschiedlichen<br />

Forschungsrichtungen resultiert das spezifisch an der Schnittstelle dieser Bereiche angesiedelte<br />

Forschungsprogramm der Arbeitsgruppe.<br />

Aus methodischer Sicht ist die Arbeit des Forschungsbereichs gekennzeichnet durch die<br />

Sicht des Finanzsektors als eines dynamischen Systems mit einer Vielzahl involvierter und<br />

in Wechselwirkung stehender Akteure. Um der komplexen Dynamik des Finanzsektors<br />

gerecht zu werden, verwendet die Arbeitsgruppe neben eher traditionellen ökonomischen<br />

und ökonometrischen Analyseinstrumenten auch neue Methoden der agenten-basierten<br />

Modellierung und der Netzwerkforschung.<br />

Wissenstransfer<br />

Die Arbeiten des Forschungsbereichs werden regelmäßig auf internationalen Konferenzen<br />

präsentiert. Die leitenden Wissenschaftler sind präsent in den Herausgebergremien namhafter<br />

Fachzeitschriften und regelmäßig Mitorganisatoren von internationalen Konferenzen<br />

und Workshops (u.a. zu den Lehren der gegenwärtigen Finanzkrise).<br />

Einer breiteren Öffentlichkeit werden die Forschungsergebnisse der Arbeitsgruppe durch<br />

die Teilnahme an öffentlichen Podiumsdiskussionen, Interviews und Beiträgen in Zeitungen<br />

zugänglich gemacht.<br />

32


Forschungshighlight<br />

Immigration und Strukturwandel –<br />

Lehren aus der deutschen Nachkriegsgeschichte<br />

Reagieren Einwanderer stärker als Einheimische auf regionale und sektorale Unterschiede<br />

im Lohnniveau oder in der Arbeitslosenquote? Sind Einwanderer also eher<br />

bereit, sich einen neuen Job in einer wirtschaftlich prosperierenden Region oder einem<br />

expandierenden Wirtschaftssektor zu suchen? Und tragen sie deshalb dazu bei,<br />

regionale Unterschiede in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abzubauen und den<br />

Strukturwandel einer Volkswirtschaft voranzutreiben? Eine kürzlich erschienene <strong>IfW</strong>-<br />

Studie (Braun und Kvasnicka, <strong>2012</strong>) beleuchtet diese Fragen im Kontext der deutschen<br />

Nachkriegsgeschichte und zeigt, dass der Zustrom von Heimatvertriebenen aus<br />

Mittel- und Osteuropa den Strukturwandel in Westdeutschland deutlich beschleunigt hat.<br />

„Unsere Studie legt nahe, dass Zuwanderer<br />

in der Tat stärker auf regionale<br />

oder sektorale Unterschiede im Lohnniveau<br />

und in der Arbeitslosenquote<br />

reagieren als Einheimische und damit<br />

die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft<br />

erhöhen können.“<br />

Ein neuer Job bringt ein neues Arbeitsumfeld mit sich und kann im Falle eines Umzugs<br />

auch den Verlust sozialer Bindungen bedeuten. Viele Menschen schrecken daher davor<br />

zurück, sich einen neuen Arbeitsplatz zu suchen – auch wenn sie an einem anderen<br />

Ort oder in einem neuen Beruf mehr verdienen könnten. Für neu Zugewanderte<br />

gelten diese Beschränkungen nicht oder nur in weitaus geringerem Maße. Durch ihre<br />

Migration haben sie sich bereits von ihrem angestammten Umfeld und ihrem alten Arbeitsplatz<br />

getrennt. Im Zielland verfügen sie zudem nur selten über soziale Bindungen<br />

an eine spezifische Region, die sich hemmend auf ihre weitere Mobilität auswirken<br />

könnte. Es ist daher zu erwarten, dass Zuwanderer mehr als Einheimische ihren Arbeitsplatz<br />

nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten suchen, d.h. nach Tätigkeiten<br />

in einer wirtschaftlich prosperierenden Region und/oder einem expandierenden Wirtschaftssektor<br />

Ausschau halten. Zuwanderer können daher den Wertschöpfungsanteil<br />

wirtschaftlich prosperierender Regionen<br />

und/oder Sektoren erhöhen<br />

und damit die Leistungsfähigkeit<br />

einer Volkswirtschaft stärken.<br />

In unserer Studie analysieren wir,<br />

ob Zuwanderung tatsächlich den<br />

Strukturwandel von niedrig- zu<br />

hochproduktiven Sektoren vorantreiben<br />

kann. Wir werfen dazu einen<br />

Blick zurück auf die westdeutsche<br />

Nachkriegsgeschichte: Unmittelbar vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs<br />

waren noch mehr als ein Viertel der Erwerbspersonen im Deutschen Reich in der<br />

Landwirtschaft beschäftigt. Zum Vergleich: Im Vereinigten Königreich betrug der Anteil<br />

der Erwerbspersonen in der Landwirtschaft bereits damals gerade einmal noch 5 Prozent.<br />

Gleichzeitig lag die Produktivität des landwirtschaftlichen Sektors in Deutschland<br />

deutlich unter derjenigen im Vereinigten Königreich. Die Produktivität der Industrie hingegen<br />

war in beiden Ländern in etwa gleich. Als die Bundesrepublik Deutschland im<br />

Jahr 1949 gegründet wurde, „erbte“ sie somit einen vergleichsweise großen und unproduktiven<br />

landwirtschaftlichen Sektor. Westdeutschland bot sich daher die Chance,<br />

durch eine Verlagerung der Beschäftigung aus der Landwirtschaft in die Industrie oder<br />

den Dienstleistungssektor die gesamtwirtschaftliche Produktivität und das Wirtschaftswachstum<br />

anzukurbeln (Broadberry, 1997; Temin, 2002).<br />

Autorenporträt<br />

Dr. Sebastian Braun<br />

Leiter des Forschungsbereichs<br />

Globalisierung und Wohlfahrtsstaat<br />

Telefon (0431) 8814-482<br />

E-Mail sebastian.braun@ifw-kiel.de<br />

Expertise<br />

••<br />

Arbeitsmarktökonomie<br />

••<br />

Theorie und Empirie des Außenhandels<br />

••<br />

Wirtschaftsgeschichte<br />

Diese ineffiziente Sektorenstruktur mit einem aufgeblasenen landwirtschaftlichen Sektor<br />

fanden auch die Millionen von Heimatvertriebenen, die vor allem aus den ehe-<br />

33


Forschungshighlight<br />

Immigration und Strukturwandel – Lehren aus der deutschen Nachkriegsgeschichte<br />

(1) Landwirtschaftlicher Beschäftigungsanteil von Männern<br />

der Geburtsjahrgänge 1910–1919<br />

Beschäftigungsanteil in der Landwirtschaft [in %]<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

maligen Ostgebieten des Deutschen Reichs geflüchtet oder vertrieben worden waren, bei<br />

ihrer Ankunft im kriegszerstörten Nachkriegsdeutschland vor. Fast jeder sechste Einwohner<br />

Westdeutschlands war im Jahr 1950 ein Heimatvertriebener. Der Bevölkerungsanteil der Vertriebenen<br />

war hierbei regional sehr unterschiedlich und reichte von weniger als 4 Prozent im<br />

Regierungsbezirk Trier bis hin zu fast 35 Prozent im Regierungsbezirk Lüneburg.<br />

Im Gegensatz zu anderen Zuwanderungsepisoden waren sich Heimatvertriebene und die<br />

einheimische westdeutsche Bevölkerung in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich. So sprachen Vertriebene<br />

und Einheimische nicht nur die gleiche Muttersprache. Sie verfügten im Durchschnitt<br />

auch über ein sehr ähnliches Bildungsniveau (Bauer, Braun und Kvasnicka). Auch waren<br />

die Heimatvertriebenen keine selektierte Gruppe, sondern repräsentierten einen kompletten<br />

Querschnitt ihrer Herkunftsregionen, da Menschen jeden Alters und aller gesellschaftlichen<br />

Schichten gezwungen waren, ihre Heimat zu verlassen. Allerdings arbeiteten die Vertriebenen<br />

vor ihrer Flucht deutlich häufiger in der Landwirtschaft als die westdeutsche Bevölkerung.<br />

Man könnte deshalb vermuten, dass viele Heimatvertriebene auch nach ihrer Ankunft<br />

in Westdeutschland Arbeit in der Landwirtschaft gesucht und damit den sektoralen Wandel<br />

in Deutschland verlangsamt hätten. Doch<br />

tatsächlich war das Gegenteil der Fall: Die<br />

Heimatvertriebenen beschleunigten den<br />

strukturellen Wandel in Westdeutschland,<br />

da sie weit häufiger als die einheimische<br />

Bevölkerung einen Arbeitsplatz außerhalb<br />

der Landwirtschaft suchten.<br />

1939 1950<br />

Heimatvertriebene<br />

1960<br />

Einheimische<br />

1971<br />

Abbildung 1 zeigt <strong>für</strong> die Gruppe der Heimatvertriebenen<br />

und der Einheimischen<br />

den jeweiligen Anteil der Beschäftigten in<br />

der Landwirtschaft in den Jahren 1939,<br />

1950, 1960 und 1971. Betrachtet wird eine<br />

spezifische Alterskohorte (und zwar Männer,<br />

die zwischen 1910 und 1919 geboren<br />

wurden). Datengrundlage ist die Mikrozensus-Zusatzerhebung<br />

von 1971. Die Daten<br />

zeigen, dass die Heimatvertriebenen vor<br />

ihrer Flucht deutlich häufiger in der Landwirtschaft<br />

arbeiteten als die einheimische<br />

westdeutsche Bevölkerung. Der Beschäftigungsanteil<br />

der Heimatvertriebenen in<br />

der Landwirtschaft reduzierte sich jedoch<br />

zwischen 1939 und 1950 um mehr als die<br />

Hälfte und fiel in den darauffolgenden Jahren noch weiter ab. Viele der Heimatvertriebenen,<br />

die vor dem Krieg in der Landwirtschaft gearbeitet hatten, zog es also nicht in diesen Sektor<br />

zurück, in dem die Löhne niedrig und die Beschäftigungsmöglichkeiten begrenzt waren. Der<br />

landwirtschaftliche Beschäftigungsanteil der einheimischen westdeutschen Bevölkerung hingegen<br />

blieb zwischen 1939 und 1950 annähernd konstant und fiel auch danach nur langsam.<br />

Quelle: Mikrozensus Zusatzerhebung 1971; eigene Berechnungen.<br />

Diese unterschiedlichen Entwicklungen lassen sich dadurch erklären, dass die Heimatvertriebenen<br />

bei ihrer Ankunft in Westdeutschland gezwungen waren, in einer neuen Umgebung<br />

nach einer neuen Tätigkeit zu suchen. Sie besaßen also nicht die Option, wieder zu ihrem<br />

alten Arbeitgeber in ihrem Heimatort zurückzukehren. Ihre Arbeitsplatzwahl war daher weit<br />

mehr von den damals vorherrschenden sektoralen und regionalen Unterschieden im Lohnniveau<br />

und in der Arbeitslosenquote bestimmt als die der Einheimischen. Und so entschieden<br />

34


Immigration und Strukturwandel – Lehren aus der deutschen Nachkriegsgeschichte<br />

Forschungshighlight<br />

sich überdurchschnittlich viele Heimatvertriebene <strong>für</strong> einen Arbeitsplatz außerhalb der wenig<br />

attraktiven Landwirtschaft.<br />

Daten der Volks- und Berufszählungen von<br />

1939 und 1950 zeigen, dass die Bedeutung<br />

der Sektoren außerhalb der Landwirt schaft<br />

in Regionen mit einem hohen Bevölkerungs<br />

anteil von Heimatvertriebenen deutlich<br />

schnel ler gestiegen ist als in Regio nen<br />

mit einem geringeren Bevölkerungsanteil.<br />

Dieser positive Zusammenhang zwischen<br />

dem Ausmaß der Zuwanderung von Heimatvertriebenen<br />

einerseits und der Veränderung<br />

des Anteils der nicht in der Landwirtschaft<br />

Be schäftigten andererseits ist in<br />

Abbildung 2 dargestellt. Diese Expansion<br />

der pro duktiveren nicht-landwirtschaftlichen<br />

Sek to ren erhöhte das regionale Pro-Kopf-<br />

Ein kommen.<br />

Zusammenfassend legt unsere Studie also<br />

nahe, dass Zuwanderer in der Tat stärker<br />

auf regionale oder sektorale Unterschiede<br />

im Lohnniveau und in der Arbeitslosenquote<br />

reagieren als Einheimische und damit<br />

die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft<br />

erhöhen können.<br />

(2) Bevölkerungsanteil der Heimatvertriebenen und sektoraler Wandel<br />

Veränderung des Beschäftigungsanteils in nichtlandwirtschaftlichen<br />

Sektoren [in %], 1939-50<br />

16<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

-2<br />

0 5 10 15 20 25 30 35 40<br />

Bevölkerungsanteil der Heimatvertriebenen, 1950<br />

Beobachtungseinheit sind die 36 westdeutschen Regierungsbezirke. Siehe Braun und Kvasnicka (<strong>2012</strong>)<br />

<strong>für</strong> weitere Details.<br />

Quelle: Volks- und Berufszählungen 1939 und 1950; eigene Berechnungen.<br />

Weiterführende Literatur<br />

Bauer, Thomas K., Sebastian Braun und Michael<br />

Kvasnicka. The Economic Integration of Forced Migrants:<br />

Evidence for Post-war Germany. The Economic<br />

Journal. Im Erscheinen.<br />

Braun, Sebastian, und Michael Kvasnicka (<strong>2012</strong>). Immigration<br />

and Structural Change: Evidence from Postwar<br />

Germany. Kieler Arbeitspapiere 1778. <strong>IfW</strong>, Kiel.<br />

Broadberry, Stephen N. (1997). Anglo-German productivity<br />

differences 1870–1990: A sectoral analysis.<br />

European Review of Economic History 1 (2): 247–267.<br />

Temin, Peter (2002). The Golden Age of European<br />

growth reconsidered. European Review of Economic<br />

History 6(1): 3–22.<br />

35


Forschungshighlight<br />

Internationaler Handel: Wachstumsund<br />

Wohlstandsfördernd?<br />

Autorenporträt<br />

Ignat Stepanok, Ph.D.<br />

Forschungsbereich<br />

Globalisierung und Wohlfahrtsstaat<br />

Telefon (0431) 8814-602<br />

E-Mail ignat.stepanok@ifw-kiel.de<br />

Expertise<br />

••<br />

Internationaler Handel<br />

••<br />

Wirtschaftswachstum<br />

••<br />

Arbeitsmärkte<br />

Eine zentrale Frage, mit der sich Außenhandelsökonomen schon seit langer Zeit beschäftigen,<br />

ist die nach der Wirkung des Freihandels auf das Wirtschaftswachstum<br />

eines Landes und auf die Wohlfahrt seiner Einwohner. Um diese Frage zu beantworten,<br />

haben Handelsökonomen eine Fülle verschiedener Modelle entwickelt, die sowohl<br />

die positiven als auch die negativen Effekte des internationalen Handels beleuchten.<br />

Demnach erhöht der Handel einerseits die Anzahl der <strong>für</strong> den Konsumenten zur Verfügung<br />

stehenden Produkte und verschärft den internationalen Wettbewerb, was wiederum<br />

zu geringeren Konsumentenpreisen führt. Andererseits können einige inländische<br />

Unternehmen Probleme haben, im internationalen Wettbewerb zu bestehen und somit<br />

gezwungen sein, aus dem Markt auszutreten. Dies kann im Inland zu Arbeitslosigkeit<br />

führen.<br />

Die zunehmende Verfügbarkeit von detaillierteren und qualitativ hochwertigen Daten<br />

auf Unternehmensebene hat in der letzten Zeit dazu geführt, dass die Forschungsliteratur<br />

einen tieferen und genaueren Einblick in die Frage nach den gesamtwirtschaftlichen<br />

Effekten des Außenhandels gewinnen konnte (Bernard et al., 2003; Trefler,<br />

2004). So erschien in den letzten zehn Jahren eine Vielzahl von empirischen Studien,<br />

die mithilfe von detaillierten Firmendaten die Eigenschaften inländischer Unternehmen,<br />

die sich <strong>für</strong> den Export entscheiden, aufzeigen und analysieren. Demnach sind exportierende<br />

Firmen <strong>für</strong> gewöhnlich produktiver und größer als solche, die nur <strong>für</strong> den heimischen<br />

Markt produzieren.Die Abbildung zeigt die Verteilung der Arbeitsproduktivität<br />

in Betrieben in den Vereinigten Staaten im Jahr 1992 (im Verhältnis zur durchschnittlichen<br />

Arbeitsproduktivität), getrennt <strong>für</strong> exportierende und nicht exportierende Firmen<br />

(Bernard et al., 2003). Offensichtlich sind Exporteure im Durchschnitt produktiver als<br />

Nicht-Exporteure. Allerdings existieren auch große und sehr produktive Betriebe, die<br />

nicht exportieren.<br />

Bestehende empirische Studien weisen<br />

außerdem nach, dass Unternehmen<br />

auf dem Exportmarkt höhere<br />

Preise und Preisaufschläge verlangen<br />

als auf dem heimischen Markt<br />

(De Loecker und Warzynski, 2011).<br />

„Eine Handelsöffnung fördert<br />

das Wirtschaftswachstum und<br />

erhöht den Wohlstand einer<br />

Volkswirtschaft.“<br />

Des Weiteren ist die durchschnittliche Qualität der Exportgüter höher. Die sehr hohe<br />

Markteintritts- und Austrittsrate der Unternehmen wird sowohl durch die Marktgröße<br />

als auch durch vorhandene Eintrittsbarrieren bestimmt.<br />

In einer gemeinsamen Studie mit Paul Segerstrom von der Stockholmer School of<br />

Economics haben wir ein Modell des internationalen Handels entwickelt, das die Analyse<br />

der Wohlfahrtseffekte des internationalen Handels erlaubt und gleichzeitig mit den<br />

be schriebenen empirischen Gegebenheiten im Einklang steht (Segerstrom und<br />

Stepanok, <strong>2012</strong>). Ein Kernpunkt dieses Ansatzes ist die Modellierung des Eintrittsprozesses<br />

in den ausländischen Markt. Die meisten bestehenden Forschungsarbeiten<br />

nehmen an, dass die Unternehmen nach der Zahlung eines fixen Betrags automatisch<br />

zu Exporteuren werden können (z.B. Melitz, 2003). Da die Fixkosten jedoch sehr hoch<br />

sind, können lediglich die produktiveren Firmen in den Exportmarkt eintreten. Wir gehen<br />

hingegen davon aus, dass Unternehmen lernen müssen, in den Exportmarkt einzutreten.<br />

Dieser Lernprozess führt dazu, dass ihre Investitionen mit Unsicherheit be-<br />

36


Internationaler Handel: Wachstums- und Wohlstandsfördernd?<br />

Forschungshighlight<br />

haftet sind: Manche Unternehmen, die hohe Investitionen getätigt haben, um in den<br />

ausländischen Markt eintreten zu können, werden dennoch nicht in der Lage sein, dies zu tun.<br />

Das Modell kann daher erklären, warum einige Firmen nicht exportieren, auch wenn sie überdurchschnittlich<br />

groß und produktiv sind.<br />

Auf der Grundlage der Idee von Joseph<br />

Schumpeter, dass die schöpferische Zerstörung<br />

von alten Strukturen die Triebfeder<br />

der ökonomischen Entwicklung ist<br />

(Schumpeter, 1942), modellieren wir Unternehmen<br />

als Erfinder qualitativ höherwertiger<br />

Produkte, die die am Markt vorhandenen<br />

alten Produkte verdrängen.<br />

Unternehmen treten dabei ständig in den<br />

Markt ein und aus. Die Einritts- und Austrittsrate<br />

wird dabei von den bestehenden<br />

Anreizen und Kosten beeinflusst, in den<br />

ausländischen Markt einzutreten – und damit<br />

auch von der Höhe bestehender Handelsschranken.<br />

Eine fortschreitende Liberalisierung<br />

des Handels beeinflusst also<br />

den Prozess der kreativen Zerstörung.<br />

Verhältnis von Arbeitsproduktivität in Betrieben zur<br />

durchschnittlichen Arbeitsproduktivität<br />

Nicht-Exporteure<br />

Innerhalb des beschriebenen Modellrahmens<br />

können wir zeigen, dass eine Handelsöffnung<br />

das Wirtschaftswachstum för dert und den Wohlstand einer Volkswirtschaft erhöht.<br />

Der Abbau von Handelsschranken erleichtert den Zugang zu ausländischen Märkten<br />

und erhöht damit die möglichen Gewinne, die Unternehmen durch neue Produktinnovationen<br />

erzielen können. Dadurch verstärken die Unternehmen ihre Anstrengungen und Investitionen<br />

im Bereich der Forschung und Entwicklung. Dies führt wiederum zu einer immer schnelleren<br />

Einführung von neuen und verbesserten Produkten zu international wettbewerbsfähigen Preisen.<br />

Von dieser Entwicklung profitieren die Konsumenten in Form von besseren<br />

und günstigeren Produkten.<br />

Prozent von Betrieben<br />

16<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

4.00<br />

Weiterführende Literatur<br />

Bernard, Andrew B., Jonathan Eaton, J. Bradford<br />

Jensen und Samuel Kortum (2003). Plants and Productivity<br />

in International Trade. American Economic<br />

Review 93 (4): 1268–1290.<br />

De Loecker, Jan, und Frederic Warzynski (<strong>2012</strong>). Markups<br />

and Firm-Level Export Status. American Economic<br />

Review 102 (6): 2437–2471.<br />

Melitz, Marc J. (2003). “The Impact of Trade on Intra-<br />

Industry Reallocations and Aggregate Industry Productivity.”<br />

Econometrica 71 (6): 1695–1725.<br />

Schumpeter, Joseph A. (1942). Capitalism, Socialism<br />

and Democracy. New York: Harper and Row.<br />

Segerstrom, Paul, und Ignat Stepanok (<strong>2012</strong>). Learning<br />

How to Export. Kieler Arbeitspapiere 1801. <strong>IfW</strong>,<br />

Kiel.<br />

Trefler, Daniel (2004). The Long and Short Run of the<br />

Canada-US Free Trade Agreement.- American Economic<br />

Review 94(4): 870–895.<br />

37


Das <strong>IfW</strong> im Überblick<br />

Forschungsbereich<br />

Globalisierung und Wohlfahrtsstaat<br />

Steffen Ahrens<br />

Dr. Sebastian Braun (Leiter)<br />

Dr. Alessio J. G. Brown<br />

Vincenzo Caponi, Ph.D.<br />

Andreas Friedl<br />

Gritta Jegliewski<br />

Dr. Michael Kvasnicka<br />

Wolfgang Lechthaler, Ph.D.<br />

Mariya Mileva, Ph.D.<br />

Prof. Dr. Ulrich Schmidt<br />

Prof. Dennis J. Snower, Ph.D.<br />

Ignat Stepanok, Ph.D.<br />

Dr. Michael Stolpe<br />

assoziiert:<br />

Prof. Dr. Mario Larch<br />

Die öffentliche Debatte um die ökonomischen Auswirkungen der Globalisierung ist von<br />

Ängsten vor massiven Arbeitsplatzverlusten und steigender Ungleichheit geprägt. Da der<br />

Globalisierungsprozess nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer kennt, und daher Ungleichheiten<br />

verstärken kann, stellt er Wohlfahrtsstaaten vor enorme Herausforderungen.<br />

Unser Forschungsbereich identifiziert diese Herausforderungen und analysiert, wie Wohlfahrtsstaaten<br />

unter Einhaltung ihrer Ziele – wie beispielsweise der sozialen Sicherung, der<br />

Einkommensumverteilung und der Bereitstellung öffentlicher Güter – auf diese Herausforderungen<br />

reagieren können.<br />

Unser Forschungsschwerpunkt liegt auf den Herausforderungen der Globalisierung <strong>für</strong><br />

den Arbeitsmarkt. Wir analysieren Politikmaßnahmen, die geeignet sind, die Anpassungsfähigkeit<br />

der Menschen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen und die Gewinne der Globalisierung<br />

gerechter zu verteilen. Ein zweiter Forschungsschwerpunkt beschäftigt sich mit den<br />

Herausforderungen und Chancen der Globalisierung <strong>für</strong> das Gesundheitswesen.<br />

Der Forschungsbereich kombiniert Einsichten der Arbeitsmarktökonomie, der Makroökonomie<br />

und der realen Außenhandelstheorie, um eine globale Perspektive auf den Wohlfahrtsstaat<br />

zu bieten. Gleichzeitig berücksichtigt der Forschungsbereich explizit die Anreizwirkungen<br />

der untersuchten Politikmaßnahmen auf der Mikroebene. Um zu einem<br />

besseren Verständnis der Determinanten von ökonomischen Entscheidungen zu gelangen,<br />

berücksichtigt unsere Forschung auch verhaltensökonomische Ansätze.<br />

38


Beratungshighlight<br />

Dominoeffekt in Südeuropa?<br />

Griechenland war das erste südeuropäische Mitglied der Eurozone, das im Jahr 2010<br />

unter einen Rettungsschirm schlüpfen musste, um seine Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden.<br />

Bereits 2011 folgte mit Portugal das zweite südeuropäische Krisenland, Spanien<br />

ist der nächste Kandidat <strong>für</strong> Rettungshilfen – und nicht der letzte, wie sich im Verlauf<br />

des Jahres <strong>2012</strong> abzeichnete. Daher richten sich die Wetten der „Märkte“ auf eine<br />

Staatspleite nicht nur gegen Griechenland: Auch Portugal und Spanien werden als<br />

Dominosteine angesehen, die beim Scheitern einer Griechenland-Rettung als nächste<br />

fallen würden.<br />

In unserer Studie gehen wir der Frage nach, wie wirklichkeitsnah ein solcher Dominoeffekt<br />

in Südeuropa ist. Der Vergleich der wirtschaftlichen Potenziale und Entwicklungslinien<br />

in den drei Ländern zeigt, dass aus realwirtschaftlicher Sicht wenig <strong>für</strong> eine<br />

solche Dominotheorie spricht. Zu unterschiedlich sind die Krisenmuster und -historien,<br />

und auch vom Problemlösungspotenzial her unterscheiden sich die drei Länder deutlich.<br />

Unser Krisentest zeigt aber eine Gemeinsamkeit auf: Alle drei Länder werden nur<br />

über schmerzhafte Strukturreformen einen Weg aus ihrer Krise finden können.<br />

Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat in Griechenland, Portugal und Spanien teilweise<br />

jahrzehntelang verschleppte Strukturdefizite schonungslos aufgedeckt und zumindest<br />

die Solvenz Griechenlands und Portugals in Frage gestellt. Die „Märkte“ haben die<br />

Annahme fallen lassen, dass die Mitgliedschaft in der Eurozone eine Art Qualitätssiegel<br />

<strong>für</strong> eine funktionstüchtige<br />

Marktwirtschaft ist,<br />

in der strenge Stabilitätskriterien<br />

befolgt werden.<br />

Nach einer langen Phase<br />

des Ignorierens struktureller<br />

Fehlentwicklungen und<br />

ungerechtfertigter Vertrauensvorschüsse<br />

gibt es erst<br />

jetzt eine kritische Auseinandersetzung mit den wirtschaftlichen Realitäten in den sogenannten<br />

Krisenländern. Es wird nicht länger ausgeblendet, dass die internationale<br />

Wettbewerbsfähigkeit der drei Länder während der 2000er Jahre insbesondere im Vergleich<br />

mit Deutschland stark erodiert ist. Erst die Krise des Jahres 2008 hat zum Umsteuern<br />

gezwungen, wie etwa die Entwicklung der Lohnstückkosten zeigt (Abbildung).<br />

„Der Vergleich der wirtschaftlichen Potenziale<br />

und Entwicklungslinien in Griechenland, Portugal<br />

und Spanien zeigt, dass aus realwirtschaftlicher<br />

Sicht wenig <strong>für</strong> eine Dominotheorie<br />

spricht.“<br />

Griechenland ist ohne Frage der größte Problemfall, hier muss die Wirtschafts- und Finanzpolitik,<br />

begleitet von einem politischen und gesellschaftlichen Mentalitätswechsel,<br />

völlig neu definiert werden. Portugal ist zwar weiterhin nicht mit Griechenland gleichzusetzen,<br />

die negativen Entwicklungen bei den Staatsfinanzen und auf dem Arbeitsmarkt<br />

erfordern jedoch ebenfalls ein entschiedenes Gegensteuern. Die Achillesferse Spaniens<br />

ist fraglos die katastrophale Arbeitsmarktsituation, doch erreicht die wirtschaftliche<br />

Schieflage Spaniens (noch) keine griechischen oder auch nur portugiesischen<br />

Dimensionen.<br />

Griechenland hat es seit seinem EU-Beitritt 1981 versäumt, wettbewerbsfähige Beschäftigungsstrukturen<br />

zu entwickeln, es fehlen vor allem Arbeitsplätze mit hohen<br />

Qualifikationsanforderungen. Ein dominanter Staatssektor und eine teilweise abge-<br />

Autorenporträts<br />

Dr. Klaus Schrader<br />

Stellvertretender Leiter des Zentrums<br />

Wirtschaftspolitik<br />

Telefon (0431) 8814-280<br />

E-Mail klaus.schrader@ifw-kiel.de<br />

Expertise<br />

••<br />

Krisenländer in der EU<br />

••<br />

Aussenwirtschaftliche Integration<br />

in der erweiterten EU<br />

••<br />

Arbeitsmarktpolitik und Beschäftigungsentwicklung<br />

Dr. Claus-Friedrich Laaser<br />

Zentrum Wirtschaftspolitik<br />

Stellvertretender Leiter des<br />

Public Relations Zentrums<br />

Telefon (0431) 8814-463<br />

E-Mail claus-friedrich.laaser@ifw-kiel.de<br />

Expertise<br />

••<br />

Handelsintegration in der EU<br />

••<br />

Strukturpolitik<br />

Weitere Expertise<br />

••<br />

Verkehrs- und Infrastrukturpolitik<br />

39


Beratungshighlight<br />

Dominoeffekt in Südeuropa?<br />

Die Entwicklung der nominalen Lohnstückkosten in den südeuropäischen<br />

Krisenländern und Deutschland 2000–2011 a<br />

140<br />

135<br />

130<br />

125<br />

120<br />

115<br />

110<br />

105<br />

100<br />

95<br />

90<br />

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />

Deutschland Griechenland Spanien Portugal<br />

a<br />

2000 = 100; nominale Lohnstückkosten = Lohnsumme / reales BIP.<br />

schottete Privatwirtschaft haben sich als nicht<br />

globalisierungstauglich erwiesen. Die Wirtschaftsstrukturen<br />

entsprechen daher nicht dem<br />

Muster eines hochentwickelten Industrielandes.<br />

Das relativ starke griechische Wachstum<br />

während der letzten zehn Jahre basierte vor<br />

allem auf staatlichem und privatem Konsum,<br />

der mit geliehenem Geld finanziert wurde,<br />

was zu einem unkontrollierbaren Schuldenberg<br />

geführt hat. Der Wegfall des billigen<br />

Geldes und der damit verbundene Nachfrageeinbruch<br />

haben Griechenland nun eine<br />

Rekordarbeitslosigkeit beschert, die aufgrund<br />

des jahrzehntelang verschleppten Strukturwandels<br />

kaum zu beherrschen ist.<br />

Portugal erwies sich nach seinem EU-Beitritt<br />

1986 als harter Konkurrent um Produktionsstandorte<br />

in der EU, im Zuge der Öffnungen in<br />

Mittel- und Osteuropa verpasste es dann aber<br />

den notwendigen Strukturwandel. Das Land<br />

weist zwar eine bessere Integration in internationale Produktionsnetzwerke auf als Griechenland,<br />

ist jedoch <strong>für</strong> die vormals boomenden arbeitsintensiven Produktionen zu teuer geworden.<br />

Exportgeleitetes Wachstum fand daher zuletzt immer weniger statt. Qualifikationsmängel,<br />

Produktivitätsdefizite sowie private und staatliche Schuldenlasten haben das Land nach<br />

und nach in die Krise geführt.<br />

Quelle: EUROSTAT (<strong>2012</strong>), Statistiken, Jährliche Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen: Lohnstückkosten<br />

– Jährliche Daten [nama_aux_ulc]. Via Internet am 29.08.12 http://epp.eurostat.ec.europa.eu/<br />

portal/page/portal/national_accounts/data/database; eigene Darstellung und Berechnungen.<br />

Spaniens EU-Beitritt – im gleichen Jahr wie Portugal – hatte einen wirtschaftlichen Aufholprozess<br />

eingeleitet, der auch von einer relativ soliden industriellen Basis gestützt wurde. Die<br />

Verlockung des schnellen Geldes im Immobilienboom hat diese nachhaltige Entwicklung aber<br />

unterbrochen. Nach dem Platzen der Immobilienblase verblieb dem Land eine Arbeitslosenquote<br />

im zweistelligen Bereich, die mittlerweile auf 25 Prozent angestiegen ist, bei den Jüngeren<br />

sogar auf mehr als 50 Prozent. Eine krisenuntaugliche Arbeitsmarktordnung, die Arbeit<br />

verteuert und damit das Jobwachstum bremst, und eine hohe private Verschuldung erweisen<br />

sich als Bremse <strong>für</strong> eine wirtschaftliche Erholung.<br />

Allen drei Ländern ist gemeinsam, dass sie in den kommenden Jahren ihre Probleme nur<br />

durch ein stetiges Wirtschaftswachstum in den Griff bekommen können. Dieses Wachstum<br />

kann aber nicht erneut aus einem expandierenden staatlichen oder privaten Konsum resultieren,<br />

da billige Kredite nicht länger zur Verfügung stehen – das neue Wachstum kann nur<br />

exportbasiert sein. Dazu bedarf es in den Krisenländern tiefgreifender Strukturreformen, die<br />

nicht nur auf dem Papier stattfinden, sondern möglichst rasch die unternehmerische Tätigkeit<br />

beflügeln sollten. Handlungsbedarf besteht aus unserer Sicht bei der Flexibilisierung der<br />

Arbeitsmärkte, der Öffnung von Güter- und Dienstleistungsmärkten, der Privatisierung staatlicher<br />

Unternehmen sowie bei einer weitreichenden Entbürokratisierung und Verwaltungsvereinfachung.<br />

Mit einem entschiedenen Reformkurs könnte das auf den internationalen Finanzund<br />

Kapitalmärkten verloren gegangene Vertrauen schrittweise zurück gewonnen werden,<br />

was wiederum die Finanzierung des Strukturwandels wesentlich erleichtern würde.<br />

Griechenland hat fraglos die längste Reformagenda abzuarbeiten und dabei die ungünstigste<br />

Ausgangssituation. Hier ist die staatliche Verwaltung selbst notleidend, so dass eine zügige<br />

Umsetzung der von der Politik beschlossenen Reformschritte nicht zu erwarten ist. Eine<br />

weitreichende administrative und personelle Unterstützung durch EU und IMF scheint daher<br />

40


Dominoeffekt in Südeuropa?<br />

Beratungshighlight<br />

unverzichtbar, um eine schlagkräftige Wirtschafts- und Finanzverwaltung in Griechenland aufzubauen.<br />

Aufgrund des fehlenden „Reform-Enforcements“ waren bisher jedes Mal die optimistischen<br />

Projektionen einer künftigen wirtschaftlichen Erholung des Landes bereits am Tag<br />

ihrer Veröffentlichung wieder Makulatur.<br />

Wir würden es als sehr bedenklich ansehen, wenn der Reformdruck, den IMF und EU aufgebaut<br />

haben, wieder gelockert würde. Die Hoffnung auf das Entstehen einer wie auch immer<br />

gearteten Transferunion wäre Gift <strong>für</strong> die Reformbemühungen in allen südeuropäischen<br />

Krisenländern. Denn die notwendigen Strukturreformen sind erst einmal mit weiteren Einkommensverlusten<br />

verbunden, die Privilegien einer Vielzahl von Interessengruppen müssen<br />

gegen deren heftigen Widerstand abgebaut werden. Rettungshilfen an ein Krisenland zum<br />

Nulltarif oder gegen wenig verbindliche Reformversprechen könnten letztendlich doch einen<br />

unerwünschten Dominoeffekt zur Folge haben – der Reformprozess in Südeuropa würde wie<br />

ein Kartenhaus in sich zusammenbrechen, wenn Anpassungslasten auf fremde Schultern<br />

verteilt werden könnten. Den Akteuren auf den internationalen Finanz- und Kapitalmärkten sei<br />

hingegen geraten, nicht den Blick <strong>für</strong> realwirtschaftliche Unterschiede zwischen den Krisenländern<br />

zu verlieren. Mit einer ungerechtfertigten Hysterie, die alle kriselnden Länder in einen<br />

Topf wirft, schaden sich die „Märkte“ letztendlich nur selbst und ein Ende der Krise würde auf<br />

den Sankt Nimmerleinstag verschoben.<br />

Weiterführende Literatur<br />

Schrader, Klaus, und Claus-Friedrich Laaser (<strong>2012</strong>).<br />

Die Krise in Südeuropa oder die Angst vor dem Dominoeffekt.<br />

Griechenland, Portugal und Spanien im Krisentest.<br />

Kieler Diskussionsbeitrag 500/501. <strong>IfW</strong>, Kiel.<br />

Schrader, Klaus, und Claus-Friedrich Laaser (<strong>2012</strong>).<br />

Will Portugal Turn into a Second Greece? Kiel Policy<br />

Brief 42. <strong>IfW</strong>, Kiel.<br />

41


Beratungshighlight<br />

Spezialisierung macht Hochschulen attraktiv<br />

Autorenporträt<br />

David Bencek<br />

Forschungsbereich<br />

Armutsminderung und Entwicklung<br />

Zentrum Wirtschaftspolitik<br />

Telefon (0431) 8814-470<br />

E-Mail david.bencek@ifw-kiel.de<br />

Expertise<br />

••<br />

Strategische Rohstoffe und Rent Seeking<br />

••<br />

Arbeitsmarktpolitik<br />

Trotz doppelter Jahrgänge durch Schulreformen und den Wegfall der Wehrpflicht ist<br />

vor dem Hintergrund des demografischen Wandels in Deutschland zukünftig von einer<br />

sinkenden Zahl an Schulabsolventen mit Hochschulzugangsberechtigung auszugehen.<br />

Auch steigende Abiturientenquoten werden diesem Trend nicht ausreichend entgegenwirken.<br />

Hinzu kommt ein erhöhter Bedarf an qualifizierten Fachkräften, der zahlreiche<br />

Abiturienten das duale System der Berufsausbildung wählen lässt. In Summe<br />

werden diese Entwicklungen den Wettbewerb unter den Hochschulen um Studierende<br />

spürbar zunehmen lassen, was heute unter dem Eindruck überfüllter Hörsäle und Seminare<br />

schwer vorstellbar erscheinen mag.<br />

Im Wettbewerb um mobile Köpfe haben Hochschulen daher allen Grund, ihre Attraktivität<br />

<strong>für</strong> Studierende zu steigern. Um beurteilen zu können, welche Maßnahmen hier<strong>für</strong><br />

am besten geeignet sind, haben wir im Rahmen einer Studie die Determinanten der<br />

Attraktivität von Hochschulen am Beispiel der Bundesländer Hamburg und Schleswig-<br />

Holstein analysiert.<br />

Eine zunächst naheliegende Größe im Wettbewerb um Studierende ist das Betreuungsverhältnis<br />

einer Hochschule: Je höher die Zahl der Professoren je Studierenden,<br />

desto enger ist auch der Kontakt in Lehrveranstaltungen, Tutorien und Sprechstunden<br />

und desto produktiver gestaltet sich das Studium. Hochschulen mit einem hohen Betreuungsverhältnis<br />

sollten daher einen relativen Wettbewerbsvorteil innehaben. Der<br />

Einfluss der absoluten Größe von Hochschulen ist weniger eindeutig zu bestimmen:<br />

Einerseits bieten kleine Hochschulen eher eine fruchtbare Lernumgebung, andererseits<br />

prägen große Hochschulen meist<br />

das studentische Leben am Standort<br />

stärker und könnten deshalb bevorzugt<br />

ausgewählt werden.<br />

„Um den norddeutschen Bildungsraum<br />

weiterhin zu stärken, scheint<br />

‚Klasse statt Masse‘ die Strategie<br />

zu sein, mit der man im Wettbewerb<br />

mit anderen Hochschulen Boden<br />

gewinnen kann.“<br />

Ein möglicher Schlüssel <strong>für</strong> eine stärkere<br />

Wettbewerbsfähigkeit von Hochschulen<br />

kann ihre fachliche Spezia li sierung<br />

sein: Zum einen werden da durch<br />

Kompetenzen gebündelt und zielgerichtet<br />

eingesetzt, wodurch das Lehrangebot<br />

differenzierter und hochwertiger ausfällt. Zum anderen ist eine spezialisierte<br />

Hochschule in der Lage, ein Fachgebiet tiefer gehend abzudecken und sich durch Spitzenforschung<br />

auszuzeichnen. Schließlich setzt auch ein Selbstselektionsprozess von<br />

Studierenden und Forschern ein, der bewirkt, dass tendenziell eher hochmotivierte Studienanfänger<br />

und ausgezeichnete Forscher angezogen werden.<br />

Für die ökonometrische Analyse verwenden wir als zentrale Kennziffer zur Messung<br />

der Attraktivität einer Hochschule die vom Centrum <strong>für</strong> Hochschulentwicklung (CHE)<br />

erhobene Bewertung der Studiensituation durch die Studierenden. Dahinter steht die<br />

Vorstellung, dass es <strong>für</strong> eine Hochschule vor allem darauf ankommt, wie die Studienbedingungen<br />

von den Studierenden selbst wahrgenommen werden. Davon hängt<br />

schließlich ab, ob sie ihrer Hochschule treu bleiben und welche Signale bei Studienanfängern<br />

und Hochschulwechslern ankommen.<br />

42


Spezialisierung macht Hochschulen attraktiv<br />

Beratungshighlight<br />

Um den Spezialisierungsgrad einer Hochschule darzustellen, verwenden wir zunächst die im<br />

CHE-Datensatz enthaltenen Angaben zur Zahl der in einzelnen Fachbereichen eingeschriebenen<br />

Studierenden und setzen sie ins Verhältnis zur Gesamtzahl aller Studierenden an der<br />

jeweiligen Hochschule. Diese relative Fachbereichsgröße allein ist jedoch ein ungenaues Maß<br />

<strong>für</strong> Spezialisierung und wird vor der weiteren<br />

Analyse zusätzlich größenbereinigt; andernfalls<br />

würde die Spezialisierung kleiner<br />

Hochschulen systematisch überschätzt, die<br />

großer Hochschulen unterschätzt.<br />

Im Rahmen unserer ökonometrischen Untersuchung<br />

möglicher Einflussgrößen der<br />

Wettbewerbsfähigkeit von Hochschulen<br />

schält sich als wichtigstes Ergebnis heraus,<br />

dass nicht die absolute Größe der Hochschulen<br />

<strong>für</strong> ihre Wettbewerbsfähigkeit entscheidend<br />

ist, sondern der Grad ihrer Spezialisierung.<br />

Im Einzelnen zeigt sich, dass<br />

Studierende ihre Hochschule<br />

••<br />

umso schlechter bewerten, je größer die<br />

Hochschule (gemessen an der Zahl der<br />

Studierenden) ist;<br />

••<br />

umso besser bewerten, je stärker sie<br />

sich auf bestimmte Fachbereiche spezialisiert;<br />

••<br />

umso besser bewerten, je günstiger das<br />

Betreuungsverhältnis zwischen Lehrenden<br />

und Lernenden ausfällt.<br />

Studiensituation und Spezialisierung in den Hochschulen Hamburgs<br />

und Schleswig-Holsteins<br />

Außerdem schneiden private Hochschulen bei der Beurteilung der Studienbedingungen signifikant<br />

besser ab als öffentliche Hochschulen. Hingegen spielt es <strong>für</strong> das Urteil der Studierenden<br />

keine Rolle, ob an ihrer Hochschule Studiengebühren erhoben werden.<br />

Mithilfe dieser Erkenntnisse lassen sich bei einer detaillierten Betrachtung der hamburgischen<br />

und schleswig-holsteinischen Hochschullandschaft Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit<br />

zwischen den Hochschulen erklären. Dabei wird auch deutlich, dass einige Fächer nur an<br />

bestimmten Hochschulen überhaupt angeboten werden und in diesem Sinne bereits eine<br />

Entwicklung in Richtung verstärkter Arbeitsteilung und erhöhter Spezialisierung stattgefunden<br />

hat. Um den norddeutschen Bildungsraum weiterhin zu stärken, scheint „Klasse statt Masse“<br />

die Strategie zu sein, mit der man im Wettbewerb mit anderen Hochschulen Boden gewinnen kann.<br />

−50 0 50 100<br />

Uni Hamburg<br />

TU Hamburg−Harburg<br />

HCU Hamburg<br />

HAW Hamburg<br />

Bucerius LS Hamburg (priv.)<br />

Uni Flensburg<br />

Uni Kiel<br />

Studiensituation (zentriert)<br />

Uni Lübeck<br />

FH Flensburg<br />

FH Westküste/Heide<br />

FH Kiel<br />

FH Lübeck<br />

Nordakademie Elmshorn (priv.)<br />

Spezialisierungsindex<br />

FH Wedel (priv.)<br />

Weiterführende Literatur<br />

Bencek, David, Christina Boll, Henriette Bunde, Henning<br />

Klodt, Rosa Lauppe, Julian Leppin und Silvia<br />

Stiller (<strong>2012</strong>). Bildungsraum Hamburg/Schleswig-Holstein:<br />

mit vereinter Kraft <strong>für</strong> eine starke Region! Studie<br />

im Auftrag der Hamburger Sparkasse, Hamburg.<br />

43


Das <strong>IfW</strong> im Überblick<br />

Zentrum<br />

Wirtschaftspolitik<br />

Das <strong>IfW</strong> unterstützt wirtschaftspolitische Entscheidungsprozesse<br />

durch die regelmäßige Analyse und Prognose der makroökonomischen<br />

Entwicklung (Konjunkturprognosen), durch Politikwerkstätten<br />

und Gutachten <strong>für</strong> Ministerien und andere Entscheidungsträger,<br />

durch die Beteiligung an Konferenzen, durch die Mitarbeit in<br />

wirtschaftspolitischen Netzwerken und durch spezielle Studien zu<br />

aktuellen wirtschaftspolitischen Fragen (Politikberatung).<br />

Zentrum<br />

Prognosen<br />

Das Prognosezentrum analysiert und prognostiziert regelmäßig die<br />

konjunkturelle Entwicklung in Deutschland und in der übrigen Welt.<br />

Es kooperiert im Rahmen der Gemeinschaftsdiagnose mit anderen<br />

führenden Wirtschaftsforschungsinstituten in Deutschland und<br />

im europäischen Rahmen mit der EUROFRAME-Gruppe und der<br />

AIECE. Die Ergebnisse werden in den Publikationen des <strong>Institut</strong>s<br />

<strong>für</strong> <strong>Weltwirtschaft</strong> veröffentlicht. Eine zentrale Veranstaltung ist das<br />

traditionelle Kieler Konjunkturgespräch, das jeweils im Frühjahr<br />

und im Herbst stattfindet. Daneben werden verschiedene Projekte<br />

bearbeitet, so der regelmäßige Subventionsbericht <strong>für</strong> Deutschland.<br />

Das Prognosezentrum betätigt sich darüber hinaus an der<br />

wirtschaftspolitischen Beratung, so bei der Gemeinschaftsdiagnose,<br />

der amtlichen Steuerschätzung sowie im Rahmen von Stellungnahmen<br />

zu aktuellen Fragen der Wirtschaftspolitik<br />

Zentrum<br />

Global Economic Symposium<br />

Das Zentrum ist verantwortlich <strong>für</strong> die Organisation des Global Economic Symposiums (GES). Auf dem<br />

GES treffen hochrangige internationale Experten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft<br />

zusammen, um Lösungen <strong>für</strong> drängende globale Probleme zu erarbeiten. Vergleichbare Veranstaltungen<br />

bieten ebenfalls eine globale Perspektive, einen interdisziplinären Ansatz und einen internationalen Teilnehmerkreis.<br />

Das GES ist darüber hinaus<br />

••<br />

lösungsorientiert:<br />

Die zentrale Frage des GES ist „Was ist zu tun?“. Die Teilnehmer überarbeiten und formulieren Politik- und Unternehmensstrategien,<br />

die Antworten auf die Herausforderungen der Globalisierung bieten;<br />

••<br />

forschungsbasiert:<br />

Die Arbeitskreise des GES werden durch neueste Forschungsergebnisse unterstützt, die den Teilnehmern über virtuelle<br />

Bibliotheken und andere virtuelle Plattformen zugänglich gemacht werden;<br />

• • interaktiv:<br />

Das GES ermöglicht nicht nur einen kreativen Gedankenaustausch während des Symposiums. Über das virtuelle GES (die Internetplattform<br />

des GES) arbeitet das GES-Netzwerk über die Veranstaltung hinaus an innovativen Lösungen globaler Probleme.<br />

44


Veranstaltungshighlight<br />

Global Economic Symposium <strong>2012</strong><br />

Im Oktober <strong>2012</strong> hat das fünfte Global Economic Symposium (GES) in Rio de Janeiro, in<br />

Zusammenarbeit mit der FGV Stiftung, stattgefunden. Mit seinem Titel „Wachstum durch Bildung<br />

und Innovationen“ zog das erste südamerikanische GES über 600 weltweit führende<br />

Entscheidungsträger aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft an, um erneut<br />

und mit großem Engagement die drängendsten Probleme dieser Welt anzusprechen, zu diskutieren<br />

und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Während der festlichen Eröffnung hieß der<br />

Präsident der FGV Stiftung, Carlos Ivan Simonsen Leal, alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer<br />

des GES in Rio de Janeiro mit herzlichen Worten willkommen und<br />

verwies dabei ganz besonders auf die bedeutende Rolle Rios als<br />

„Schaufenster Brasiliens“.<br />

Aart De Geus, Chairman und CEO der Bertelsmann Stiftung, lenkte<br />

die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf das, was den Kern des GES<br />

ausmacht: nämlich <strong>für</strong> globale Probleme globale Lösungen zu finden,<br />

da<strong>für</strong> geeignete Netzwerke aufzubauen und die bereits vorhandenen<br />

zu nutzen. Das GES, so De Geus, sei die ideale Gelegenheit<br />

<strong>für</strong> Entscheidungsträger, Unternehmer und Wissenschaftler aus der<br />

ganzen Welt, voneinander zu lernen, ihr Wissen zu vernetzen und<br />

umzusetzen. Die Bertelsmann-Stiftung als Mitveranstalter sei stolz<br />

darauf, hierzu beitragen zu können.<br />

Mahnende Worte kamen von Professor Dennis J. Snower: Bei der<br />

Suche nach Lösungen <strong>für</strong> globale Probleme dürfe das, was ein gutes<br />

menschliches Miteinander ausmache, nicht vergessen werden. Die Teilnehmer des Symposiums<br />

sollten deshalb nicht nur auf die Stimme der Vernunft hören, sondern auch auf die<br />

Stimme von Zuwendung und Mitgefühl. Das GES suche traditionell nach Lösungen auf der<br />

Basis von Erkenntnis und sorgfältiger Analyse – in diesem Jahr vervollständigten Zuwendung<br />

und Mitgefühl das Bild. Globale Herausforderungen, insbesondere<br />

auch solche im Zusammenhang mit Armut inmitten von Wohlstand,<br />

machten ein gemeinsames Handeln notwendig. Lösungen <strong>für</strong> globale<br />

Probleme zu finden, erfordere, im weitesten Sinne der Gemeinschaft<br />

zu dienen, und die Bereitschaft, mehr beizutragen als <strong>für</strong> sich<br />

zu fordern.<br />

Dass Snowers Appell bis zum Abschluss des GES nicht sang- und<br />

klanglos verhallt war, zeigte sich im Abschlusspanel. Wie bereits in<br />

den vergangenen Jahren wurden hier die zehn vielversprechendsten<br />

Lösungsvorschläge von den Teilnehmern des Symposiums<br />

bewertet. Die Höchstbewertung, also den ersten Platz, erhielt die<br />

Idee, schon in Vorschulen ein ausgeprägtes Mitgefühlstraining<br />

(compassion training) anzubieten, um verstärkt im frühen Alter sozialfreundliches<br />

Verhalten zu fördern. Auf den zweiten Platz kam die<br />

Empfehlung, die Leistung von Lehrern auf der Basis von fairen, objektiven und umfassenden<br />

Indikatoren zu bewerten und zu sanktionieren. Der Vorschlag, Fiskalregeln auf der Basis von<br />

operationalen Zielen <strong>für</strong> Budgetdefizite und Schuldenquoten zu formulieren, erreichte den<br />

dritten Platz.<br />

45


Veranstaltungshighlight<br />

Global Economic Symposium <strong>2012</strong><br />

Der dynamische Entwicklungsprozess des GES fußt auf dem Grundgedanken, Bewegung im<br />

Denken und Handeln als Notwendigkeit zu begreifen, um Stagnation zu verhindern und neue<br />

Aspekte, Möglichkeiten und Ideen entwickeln zu können. Diesem<br />

Credo folgend hat sich das GES auch in diesem Jahr wieder einer<br />

Vielzahl von Anregungen und Innovationen geöffnet. Dazu zählt insbesondere<br />

eine systematische Einbindung virtueller Gemeinschaften<br />

in sozialen Netzwerken, denn, so Professor Klaus Tochtermann,<br />

Direktor der ZBW und Kooperationspartner des GES, diese Netzwerke<br />

trügen zu innovativen Lösungen <strong>für</strong> globale Herausforderungen<br />

bei. Ein Pilotprojekt dazu war die gemeinsam mit der ZBW ins<br />

Leben gerufene virtuelle Arbeitsplattform „Open Solution“, in der die<br />

GES-Community im Vorfeld gemeinsam Lösungsvorschläge erarbeitet<br />

hatte, um diese dann einer prominenten Jury – René Obermann<br />

(CEO der Deutschen Telekom AG), Yves Leterme (Vize-Generalsekretär<br />

der OECD), Aart de Geus (Vorstandsvorsitzender der<br />

Bertelsmann Stiftung) und Dennis J. Snower – zur Wahl zu stellen.<br />

Der Autor der innovativsten Lösung gewann ein Ticket nach Rio und<br />

nahm an den Diskussionen des GES <strong>2012</strong> teil. Insgesamt erreichten<br />

die Social-Media-Aktivitäten des diesjährigen Symposiums ein bisher unerreichtes Niveau:<br />

über 1.200 Tweets und Beiträge in Netzwerken wie Google+ und Facebook führten zu einer<br />

Gesamtzahl von 1,5 Millionen Ansichten. Der Livestream des GES wurde über 4.000 Mal<br />

aufgerufen.<br />

Kontinuierlich weiterentwickelt worden ist das im vergangenen Jahr ins Leben gerufene Schülerprojekt,<br />

mit dem das Interesse junger Menschen an der konstruktiven Lösung von Problemen,<br />

die die Welt bewegen, geweckt werden soll. Dieses Projekt war bereits 2011 sehr<br />

erfolgreich gewesen und wurde deshalb <strong>2012</strong> fortgeführt. Und so reisten zwei Schülerinnen<br />

der Kieler Gymnasien Wellingdorf und Humboldt, die sich im Vorwege<br />

des Symposiums intensiv auf Themen wie „Redefining Universities“<br />

und „Tackling Inequality of Opportunities“ vorbereitet hatten und<br />

live vom GES in Hörfunk und Printmedien als Schulreporterinnen<br />

berichteten, mit nach Rio. Aufgrund der großen Resonanz und ihres<br />

Erfolgs ist zunächst eine deutliche Ausweitung dieser Initiative in<br />

Schleswig-Holstein geplant. Darüber hinaus sollen nationale und internationale<br />

Partnerschulen in dieses Projekt eingebunden werden.<br />

Die Ergebnisse des GES werden auch diesmal wieder in den Global<br />

Economic Solutions zusammengefasst und bedeutenden internationalen<br />

Organisationen präsentiert. Die Resultate des gemeinsam mit<br />

dem Büro der Europäischen Politikberater (BEPA) durchgeführten<br />

Panels zum Thema „Expanding Job Opportunities for Senior Citizens“<br />

werden in Kürze in Form eines GES-Briefs der Europäischen<br />

Kommission zugeleitet.<br />

Im fünften Jahr seines Bestehens hat das Global Economic Symposium in Rio <strong>für</strong> die Ausweitung<br />

der GES-Community auf den südamerikanischen Kontinent gesorgt und damit weiter<br />

an nationaler und internationaler Bedeutung gewonnen. Im Jahr 2013 kehrt nun das GES,<br />

wie geplant, in seine Heimatstadt Kiel zurück und kann hier, wie bereits im Jahr 2011, auf die<br />

große Unterstützung der regionalen Wirtschaft bauen.<br />

Alessio J.G. Brown<br />

46


Das <strong>IfW</strong> im Überblick<br />

Zentrum<br />

Public Relations<br />

Das Public Relations Zentrum transportiert die Forschungsergebnisse<br />

des <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> <strong>Weltwirtschaft</strong> in die Medien und die<br />

breite Öffentlichkeit. Es ist der zentrale Ansprechpartner <strong>für</strong> externe<br />

Anfragen zu den Forschungs- und Veranstaltungsaktivitäten<br />

des <strong>Institut</strong>s. Darüber hinaus entwickelt und liefert es medien-<br />

und öffentlichkeitswirksame Produkte und Informationen.<br />

Zentrum<br />

Fundraising und Außenbeziehungen<br />

Das Zentrum Fundraising und Außenbeziehungen bildet die<br />

Schnitt stelle des <strong>IfW</strong> <strong>für</strong> die Erschließung und Beschaffung finanzieller<br />

Mittel. Primäre Zielgruppe des Zentrums ist die Wirtschaft,<br />

zu der intensive Kontakte gepflegt werden. Aus deren<br />

Mitte wirbt das Zentrum Förderer, die Mitglied der<br />

Gesellschaft zur Förderung des<br />

<strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> <strong>Weltwirtschaft</strong><br />

werden können. Auch die Betreuung des<br />

Wirtschaftswissenschaftlichen Clubs, die Kontaktpflege zu den<br />

Alumni und die Betreuung des Wirtschaftsbeirats des <strong>IfW</strong> gehören<br />

zu den Aufgaben des Zentrums.<br />

Zentrum<br />

Research Grants<br />

Das Zentrum Forschungsförderung bietet Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeitern des <strong>IfW</strong> bei allen Drittmittel-Forschungsvorhaben<br />

seine Unterstützung an, sowohl bei der Suche nach geeigneten<br />

Mitteln als auch bei den administrativen Arbeiten. Dies kann<br />

im Einzelfall auch einmal eine gemeinsame Einreichung sein,<br />

bei der das Zentrum den administrativen Teil bei Antragstellung<br />

und Durchführung des Projektes übernimmt (beispielsweise bei<br />

großen EU-Projekten).<br />

47


Veranstaltungshighlight<br />

Der <strong>Weltwirtschaft</strong>liche Preis des <strong>IfW</strong><br />

zum achten Mal in Kiel verliehen<br />

v.l. Torsten Albig, Prof.Daniel Kahnemann, Prof. Nathan Eagle, Martti Ahtisaari, Joachim Gauck,<br />

Prof. Dennis J. Snower, Cathy Kietzer<br />

In Anwesenheit von Bundespräsident Joachim Gauck, Ministerpräsident Torsten Albig, Stadtpräsidentin<br />

Cathy Kietzer und Kammervizepräsident Honorarkonsul Klaus-Hinrich Vater überreichte<br />

<strong>IfW</strong>-Präsident Prof. Dennis J. Snower den diesjährigen Preisträgern die Ehrenmedaillen<br />

im Haus der Wirtschaft der Industrie- und Handelskammer zu Kiel. In der<br />

Kategorie Politik wurde Martti Ahtisaari, ehemaliger finnischer Staatspräsident<br />

und Friedensnobelpreisträger, in der Kategorie Wirtschaftswissenschaften<br />

Prof. Daniel Kahneman, Nobelpreisträger <strong>für</strong> Wirtschaftswissenschaften, und<br />

in der Kategorie Wirtschaft Prof. Nathan Eagle, Mitbegründer und Geschäftsführer<br />

des Unternehmens Jana, Boston, USA, mit dem <strong>Weltwirtschaft</strong>lichen<br />

Preis <strong>2012</strong> ausgezeichnet. Der Bundespräsident hielt die Festrede.<br />

Bundespräsident Joachim Gauck<br />

Prof. Dennis J. Snower<br />

Der Preis soll einen Anstoß geben, die großen weltwirtschaftlichen Herausforderungen<br />

durch kreative Problemlösungen zu bewältigen. Besonders der<br />

Dialog zwischen den verschiedenen Gruppen der Gesellschaft soll dabei im<br />

Vordergrund stehen. Durch die Würdigung der Preisträger werben wir <strong>für</strong> eine<br />

marktwirtschaftliche Ordnung, die sowohl die Effizienz als auch den sozialen<br />

Ausgleich befördert.<br />

Die diesjährigen Preisträger haben auf ihre ganz individuelle Weise solche<br />

kreativen Problemlösungen gefunden und damit einen Beitrag zum Zusammenhalt<br />

der Gesellschaft geleistet. <strong>IfW</strong>-Präsident Dennis J. Snower ging in seiner<br />

Laudatio auf die individuellen Errungenschaften ein. Martti Ahtisaari habe<br />

verdeutlicht, wie das Menschenrecht, in Frieden zu leben, auch in fest verankerten<br />

Konfliktsituationen befriedigt werden kann. Daniel Kahneman habe<br />

mit seinen Forschungsarbeiten die Achse des ökonomischen Menschenbildes<br />

verschoben – jenes Bildes vom vollständig rational handelnden Homo oeconomicus,<br />

der ausschließlich seinen eigenen Nutzen verfolgt. Und Nathan Eagle<br />

habe revolutionäre neue Wege entdeckt, Menschen in Entwicklungsländern in<br />

Kooperation miteinander zu bringen – im Dienste der Gesellschaft.<br />

48


Verleihung des <strong>Weltwirtschaft</strong>lichen Preises <strong>2012</strong><br />

Veranstaltungshighlight<br />

Martti Oiva Kalevi Ahtisaari, geboren am 23. Juni 1937 in Viipuri, damals Finnland und heute Russland, ist<br />

Vorsitzender und Gründer der Crisis Management Initiative. Er war finnischer Staatspräsident (1994–2000) und<br />

wurde im Jahr 2008 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Ahtisaari habe, so das Osloer Komitee, „wesentliche<br />

Beiträge geleistet, um internationale Konflikte zu lösen“.<br />

Nach einer Lehrerausbildung an der Universität Oulu (Abschluss 1959), zog Ahtisaari nach Pakistan, wo er sich<br />

<strong>für</strong> die YMCA engagierte. Von 1965 bis 1973 bekleidete er verschiedene Ämter im finnischen Außenministerium.<br />

Als Botschafter vertrat er sein Land in Tansania (1973–1976), Sambia, Somalia und Mosambik. In dieser Zeit<br />

übernahm er ab 1975 auch Aufgaben <strong>für</strong> die Vereinten Nationen, insbesondere in Namibia. Zwischen 1978<br />

und 1988 wirkte er als UN-Sonderbeauftragter <strong>für</strong> Namibia. Im Jahr 1984 kehrte er nach Finnland zurück, um<br />

Staatssekretär im Auswärtigen Amt zu werden. 1987 wechselte er als Untergeneralsekretär <strong>für</strong> Verwaltung<br />

und Management zu den Vereinten Nationen, eine Aufgabe, die er zusätzlich zu der Leitung der UN Transition<br />

Assistance Group <strong>für</strong> Namibia übernahm. Bevor ihm 1992 der Vorsitz der Bosnien-Herzegowina-Arbeitsgruppe<br />

übertragen wurde, wurde er 1991 finnischer Außenminister. Im Jahr 1994 wurde Ahtisaari zum Staatspräsidenten<br />

Finnlands gewählt. Während seiner Amtszeit trat Finnland der EU bei. Als EU-Beauftragter <strong>für</strong> das Kosovo<br />

setzte er gemeinsam mit Victor Chernomyrdin und Strobe Talbott den Abzug der serbischen Streitkräfte aus<br />

der Provinz durch. Ahtisaari vermittelte außerdem im Konflikt um die Unabhängigkeit der Aceh-Region in Indonesien.<br />

Im Jahr 2000 gründete er die Crisis Management Initiative (CMI), die sich <strong>für</strong> Friedensprozesse in den<br />

Konfliktregionen der Welt einsetzt. Aktuell ist die CMI vor allem in Aceh, am Schwarzen Meer, in Zentralasien, in<br />

der Europäischen Union und im Nahen Osten aktiv.<br />

Martti Ahtisaari hat viele Auszeichnungen erhalten, darunter 23 Ehrendoktortitel. Unter anderem hat er den<br />

dänischen Elefanten-Orden (1994), das Großkreuz des Verdienstordens der Italienischen Republik (1997), den<br />

Franklin D. Roosevelt Four Freedoms Award (2000), den Hessischen Friedenspreis (2000), die Manfred-Wörner-Medaille<br />

(2007), den UNESCO Félix Houphöuet-Boigny Friedenspreis (2008) erhalten. 2008 wurde ihm der<br />

Friedensnobelpreis verliehen.<br />

Daniel Kahneman, geboren am 5. März 1934 in Tel Aviv, Israel, ist ein israelisch-amerikanischer Psychologe,<br />

der 2002 zusammen mit Vernon L. Smith den Nobelpreis <strong>für</strong> Wirtschaftswissenschaften erhalten hat. Kahneman<br />

wurde <strong>für</strong> „das Einführen von Einsichten der psychologischen Forschung in die Wirtschaftswissenschaft, besonders<br />

bezüglich Beurteilungen und Entscheidungen bei Unsicherheit“ geehrt. Er ist seit 2007 emeritierter Professor<br />

der Psychologie und Senior Scholar und hat außerdem die Eugene-Higgins-Professur <strong>für</strong> Psychologie an<br />

der Woodrow Wilson School <strong>für</strong> öffentliche und internationale Angelegenheiten der Princeton Universität inne.<br />

Kahneman ist außerdem seit 2000 Mitglied im Center for Rationality der Hebräischen Universität in Jerusalem.<br />

Das Studium (Hauptfach Psychologie, Nebenfach Mathematik) schloss Kahneman mit dem Bachelor of Science<br />

1954 an der Hebräischen Universität in Jerusalem ab. Mit dem Universitätsabschluss trat er 1954 seinen Wehrdienst<br />

in der psychologischen Abteilung des Militärs an und entwickelte dort ein Interviewsystem, das über<br />

Jahrzehnte weiter verwendet wurde. Nach Abschluss seines zweijährigen Militärdienstes hat er seinen Ph.D.<br />

in Psychologie an der Universität Berkeley in Kalifornien erworben. Kahneman wirkte von 1970 bis 1978 als<br />

Professor der Psychologie an der Hebräischen Universität Jerusalem, von 1978 bis 1986 an der University of<br />

British Columbia und von 1986 bis 1994 an der Universität Berkeley in Kalifornien.<br />

Er ist Mitglied der nationalen Akademie der Wissenschaften, der Philosophischen Gesellschaft und der amerikanischen<br />

Akademie <strong>für</strong> Kunst und Wissenschaften. Darüber hinaus ist er Mitglied in der American Psychological<br />

Association, in der amerikanischen Psychologischen Gesellschaft, in der Gesellschaft <strong>für</strong> Experimentelle<br />

Psychologen und in der Ökonometrischen Gesellschaft. Viele Arbeiten des Psychologen werden dem Gebiet<br />

der Behavioral Economics zugerechnet, die sich mit dem Verhalten von Menschen in Entscheidungssituationen<br />

befasst. Die von Kahneman zusammen mit seinem 1996 verstorbenen Kollegen Amos Tversky entwickelte Prospect<br />

Theory sowie ihre Arbeiten zu Heuristiken hinterfragen das traditionelle Menschenbild des Homo oecono-<br />

49


Veranstaltungshighlight<br />

Verleihung des <strong>Weltwirtschaft</strong>lichen Preises <strong>2012</strong><br />

micus in der Wirtschaftswissenschaft und liefern eine alternative Sichtweise, um das menschliche Verhalten zu<br />

erklären. Kahnemans Arbeiten inspirierten eine neue Generation von Ökonomen, die Wirtschaftsakteure nicht<br />

mehr als streng rationale, sondern vielmehr als emotional Handelnde und manchmal auch irrende Menschen<br />

betrachten.<br />

Daniel Kahneman hat viele Auszeichnungen erhalten, darunter unter anderem den Distinguished Scientific Contribution<br />

Award of the American Psychological Association (1982) und den Grawemeyer Prize (2002), beide<br />

zusammen mit Amos Tversky, die Warren Medal of the Society of Experimental Psychologists (1995), den Hilgard<br />

Award for Career Contributions to General Psychology (1995) und den Lifetime Contribution Award of the<br />

American Psychological Association (2007). 16 Universitäten haben ihm die Ehrendoktorwürde verliehen, u.a.<br />

die Universität Würzburg (2004).<br />

Nathan Eagle, geboren am 30. Dezember 1976 in Kalifornien, USA, ist Mitgründer und Geschäftsführer von<br />

Jana, einer Firma aus Boston, die auf dem Mobilfunkmarkt in Entwicklungsländern aktiv ist. Darüber hinaus<br />

ist er Assistenzprofessor an der Harvard University, Gastprofessor am Massachusetts <strong>Institut</strong>e of Technology<br />

(MIT), Omidyar Fellow am Santa Fe <strong>Institut</strong>e und Forschungsprofessor an der Northeastern University. Er gilt<br />

als Pionier des „Reality Mining“, der Möglichkeit, aus sehr großen Datenmengen sinnvolle Strukturen zu identifizieren.<br />

Nathan Eagle hat einen B.Sc. in Maschinenbau, einen M.Sc. in Betriebswirtschaft und Maschinenbau und einen<br />

M.Sc. in Elektrotechnik an der Stanford University erworben. 2005 machte Eagle seinen Ph.D. am MIT Media<br />

Laboratory. Seine Doktorarbeit hat er über Reality Mining geschrieben. Das Konzept wurde vom MIT Technology<br />

Review als eine der „10 Technologien, welche aller Voraussicht nach unsere Lebensgewohnheiten ändern<br />

werden“ ausgezeichnet. 1997 war er Ingenieurstudent bei der NASA/Lockheed Martin in Kalifornien. Eagle war<br />

2001 Gastdozent am Fraunhofer <strong>Institut</strong> in Magdeburg.<br />

2009 gründete Nathan Eagle zusammen mit Ben Olding die Firma txteagle.com, die heute Jana heißt. Fasziniert<br />

von der Allgegenwart des Mobiltelefons in Entwicklungsländern, begann er mit der Entwicklung einer<br />

Softwareplattform, die es ermöglichen sollte, direkten Kontakt zu Handybesitzern herzustellen, vor allem in den<br />

Entwicklungsländern. Diese sollen über ihre Telefone nützliche Informationen über lokale Begebenheiten bereitstellen,<br />

beispielsweise aktuelle Straßenschilder benennen oder einzelne Wörter oder Sätze in einen bestimmten<br />

Dialekt übersetzen, und da<strong>für</strong> mit Gesprächszeit oder auf andere Weise bezahlt werden. Für diese Art des<br />

Einsatzes von Arbeitnehmern ist der Begriff des „Crowdsourcing“ geprägt worden. Laut Eagle ist das System<br />

auf Billiarden von Aufgaben und Milliarden von Arbeitnehmern ausgelegt. Eagle versteht seine Arbeit auch als<br />

Entwicklungshilfe nach dem Motto „make money, do good“. Die Firma hat Verträge mit ca. 220 Mobilfunkbetreibern<br />

in mehr als 80 Ländern abgeschlossen.<br />

Nokia bezeichnete Nathan Eagle im Jahre 2008 als einen der weltbesten Anwendungsentwickler <strong>für</strong> Mobiltelefone.<br />

2009 gewann er den vom MIT Technology Review ausgelobten TR-35 Award; die Zeitschrift ehrt jedes<br />

Jahr herausragende Innovatoren, die jünger als 35 Jahre sind. Außerdem hat Nathan Eagle sein Unternehmen<br />

im Rahmen von Bill Clintons Global Initiative als Musterprojekt <strong>für</strong> nachhaltige Globalisierung vorgestellt. Seine<br />

wissenschaftlichen Arbeiten sind in den Zeitschriften Science, Nature und PNAS erschienen und seine Forschungsergebnisse<br />

sind in The New York Times, The Wall Street Journal, Business Week und vom amerikanischen<br />

TV-Sender CNN präsentiert und kommentiert worden.<br />

Federico Foders<br />

50


Veranstaltungshighlight<br />

Excellence Awards<br />

in Global Economic Affairs <strong>2012</strong><br />

Am 17. Juni wurden vom <strong>IfW</strong> zum sechsten Mal die Excellence Awards in Global Economic<br />

Affairs vergeben, mit denen herausragende Nachwuchsökonomen im Bereich der weltwirtschaftlichen<br />

Forschung ausgezeichnet werden.<br />

Preisträger waren:<br />

Jan de Loecker, Princeton University, <strong>für</strong> seine Arbeiten zum Themengebiet „Internationaler<br />

Handel“,<br />

Oleg Itskhoki, Princeton University, <strong>für</strong> seine Arbeiten zum Themengebiet „Globalisierung<br />

und Arbeitsmärkte“,<br />

Kalina Manova, Stanford University, <strong>für</strong><br />

ihre Arbeiten zum Themengebiet „Internationaler<br />

Handel und Finanzierung“,<br />

Huanhuan Zheng, Chinese University of<br />

Hongkong, <strong>für</strong> ihre Arbeiten zum Themengebiet<br />

„Internationale Finanzkrisen“.<br />

Die Preise schlossen jeweils einen Forschungs<br />

aufenthalt am <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Weltwirtschaft</strong><br />

ein, der durch eine Reihe von<br />

Stipendien (Horst Siebert Fellowship,<br />

Porsche Fellowship, Landeshauptstadt<br />

Kiel Fellowship und Birke Hospitality Fellow -<br />

ship) finanziert wurde.<br />

<strong>Institut</strong>spräsident Dennis Snower überreichte<br />

die Preisurkunden im Rahmen<br />

v.l. Prof. Dennis J. Snower, Oleg Itskhoki, Jan de Loecker, Kalina Manova und Huanhuan Zheng<br />

der Verleihung des <strong>Weltwirtschaft</strong>lichen<br />

Preises während der Kieler Woche <strong>2012</strong>. Anschließend stellten die Preisgewinner auf einem<br />

gemeinsam mit Wissenschaftlern des <strong>IfW</strong> veranstalteten Workshop neue Forschungsergebnisse<br />

vor.<br />

Harmen Lehment<br />

51


Das <strong>IfW</strong> im Überblick<br />

Zentrum<br />

Ausbildung<br />

Im Zentrum der Ausbildungsaktivitäten des <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> <strong>Weltwirtschaft</strong><br />

steht das Aufbaustudium Advanced Studies in International<br />

Economic Policy Research, das sich vornehmlich an junge Wirtschaftswissenschaftler<br />

mit abgeschlossenem Hochschulstudium<br />

richtet. Zusätzlich wird jedes Jahr eine Kiel <strong>Institut</strong>e Summer School<br />

on Economic Policy (KISSEP) angeboten. Darüber hinaus engagiert<br />

sich das Zentrum in der Doktoranden-Ausbildung und bietet Praktikanten<br />

die Möglichkeit, wirtschaftswissenschaftliche Forschung aus<br />

der Nähe kennen zu lernen. Zahlreiche Wissenschaftlerinnen und<br />

Wissenschaftler des <strong>IfW</strong> halten darüber hinaus Lehrveranstaltungen<br />

an Universitäten und Fachhochschulen.<br />

Zentrum<br />

Wissenschaftliche Außenbeziehungen<br />

und Publikationen<br />

Aufgabe des Zentrums ist es zum einen, externe Wissenschaftler<br />

<strong>für</strong> die Aktivitäten des <strong>Institut</strong>s (Forschung, Events, Education) zu<br />

interessieren und Forschungsaufenthalte von externen Wissenschaftlern<br />

am <strong>Institut</strong> zu unterstützen.<br />

Zum anderen befasst sich das Zentrum mit der Herausgabe und<br />

der redaktionellen Bearbeitung verschiedener <strong>Institut</strong>spublikationen;<br />

dazu zählen insbesondere<br />

••<br />

die international renommierte Fachzeitschrift Review of World<br />

Economics/<strong>Weltwirtschaft</strong>liches Archiv,<br />

••<br />

das innovative Open-Access, Open-Assessment E-Journal<br />

Economics sowie<br />

••<br />

die auf wirtschaftspolitische Fragestellungen ausgerichteten<br />

Kieler Diskussionsbeiträge und die Kieler Beiträge zur Wirtschaftspolitik.<br />

52


Veranstaltungshighlight<br />

Bernhard-Harms-Preis <strong>2012</strong><br />

Im Rahmen einer akademischen Feierstunde am 31. Oktober verlieh <strong>IfW</strong>-Präsident Professor<br />

Dennis J. Snower den Bernhard-Harms-Preis <strong>2012</strong> an Professor Gene Grossman von der<br />

Princeton University.<br />

Der mit 25.000 Euro dotierte Bernhard-Harms-Preis wird vom <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Weltwirtschaft</strong> alle<br />

zwei Jahre an eine Persönlichkeit vergeben, die sich durch hervorragende Leistungen auf<br />

dem Gebiet weltwirtschaftlicher Forschung ausgezeichnet oder durch ihre Tätigkeit in der<br />

Wirtschaftspraxis einen herausragenden Beitrag zur Förderung weltwirtschaftlicher Beziehungen<br />

geleistet hat.<br />

Grossman ist einer der weltweit renommiertesten Ökonomen auf dem Gebiet des internationalen<br />

Handels. Nach seiner Promotion am MIT im Jahr 1980 begann er seine Karriere als<br />

Assistant Professor an der Princeton University,<br />

wo er 1988 zum Full Professor ernannt wurde.<br />

Große Beachtung fanden seine Arbeiten zu<br />

den Bestimmungsgründen der internationalen<br />

Wettbewerbsfähigkeit forschungsintensiver Industrieunternehmen.<br />

In seinem gemeinsam mit<br />

Elhanan Helpman verfassten Buch Innovation<br />

and Growth in the Global Economy beschrieb<br />

er, wie die Globalisierung die Innovationstätigkeit<br />

von Firmen beeinflusst, und auf welchen<br />

Wegen Innovationen in Hochtechnologiestaaten<br />

auch Schwellenländern zugutekommen.<br />

Ein ebenfalls stark beachtetes Forschungsfeld<br />

von Gene Grossman waren seine Analysen<br />

von interessensbedingten Einflüssen auf<br />

Prof. Gene Grossman (li.) und Prof. Dennis J. Snower, Ph.D.<br />

die Handelspolitik. Grossman zeigt darin, wie<br />

das Zusammenwirken von Interessengruppen,<br />

Wählern und Politikern die Höhe und Struktur von tarifären und nicht-tarifären Handelsbeschränkungen<br />

beeinflusst und sich auch auf internationale Handelsvereinbarungen auswirkt.<br />

Großes Interesse fanden auch Grossmans Untersuchungen des Einflusses von Handel und<br />

Wachstum auf die Umweltqualität. Seine empirischen Studien verdeutlichen, dass die Umweltqualität<br />

mit steigendem Pro-Kopf-Einkommen zwar zunächst zurückgeht, aber sich dann<br />

mit weiter zunehmendem Wohlstand wieder verbessert – ein Resultat, das unter dem Begriff<br />

der „Environmental Kuznets Curve“ international bekannt und intensiv diskutiert wurde.<br />

In seiner Bernhard-Harms-Vorlesung befasste sich Grossman mit den Effekten der Globalisierung<br />

<strong>für</strong> Arbeitnehmer mit unterschiedlichen Qualifikationen. Er zeigte, dass Löhne nicht<br />

nur zwischen Wirtschaftssektoren, sondern auch innerhalb von Sektoren stark differieren, und<br />

dass diese Tendenz durch Globalisierung verstärkt wird. In Industriestaaten profitieren insbesondere<br />

Arbeitnehmer mit hohem Qualifikationsniveau von einer Öffnung der Märkte, so dass<br />

ihre Löhne stärker steigen als die Löhne der weniger qualifizierten Arbeitnehmer.<br />

Harmen Lehment<br />

53


Veranstaltungshighlight<br />

Take-Maracke-Förderpreis <strong>2012</strong><br />

v.l. Bernhard Klein, Dr. Michael Take, Prof. Dennis J. Snower, Ph.D.,<br />

Annemieke Rode, Julia Heimberger und Anita Hallmann von der Universität<br />

Flensburg.<br />

Am 13. Februar fand die diesjährige Verleihung des Take-Maracke-Preises zum sechsten Mal<br />

statt. Dieses Jahr hatten neben dem bisherigen, mit 1.000 Euro dotierten Preis <strong>für</strong> Kieler Studierende<br />

studentische Arbeiten der Universität Flensburg die Chance auf den „Sonderpreis<br />

<strong>für</strong> Flensburger Analysen zum Strukturwandel in Schleswig-Holstein“ in der<br />

gleichen Höhe. „Mit dem Förderpreis möchten wir engagierte Studierende auf<br />

ihrem Weg ins Berufsleben unterstützen und freuen uns daher sehr über die<br />

Teilnahme der Universität Flensburg und die damit verbundene thematische<br />

Erweiterung“, sagte Dr. Michael Take, Initiator des Preises. Nach einem Grußwort<br />

des dänischen Generalkonsuls Henrik Becker-Christensen unterstrich<br />

Professor Snower, Präsident des <strong>Institut</strong>s und des Wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Clubs, in seiner Ansprache den guten Namen, den sich der Preis inzwischen<br />

bei den Studierenden erworben hat. „Mit ihren hervorragenden Leistungen<br />

bauen die Studierenden eine entscheidende Brücke zwischen ihrer<br />

akademischen Arbeit und der Praxis“, so Professor Snower. Die feierliche<br />

Veranstaltung im Wissenschaftszentrum der Christian-Albrechts-Universität<br />

zu Kiel wurde von der Kieler Struktur- und Wirtschaftsförderung GmbH unterstützt.<br />

Federico Foders<br />

Jahresversammlung <strong>2012</strong> der <strong>IfW</strong>-Fördergesellschaft<br />

Gastgeber der Jahresversammlung <strong>2012</strong> der Gesellschaft zur Förderung des <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong><br />

<strong>Weltwirtschaft</strong> war diesmal die Deutsche Telekom AG, die ihre Hauptstadtrepräsentanz da<strong>für</strong><br />

zur Verfügung stellte. Die Deutsche Telekom AG ist seit vielen Jahren Mitglied der Gesellschaft.<br />

An die Sitzung des Verwaltungsrats und die Mitgliederversammlung schloss sich eine<br />

abendliche Diskussionsrunde zu einem wirtschaftspolitisch aktuellen Thema<br />

an. Über die „Europäische Politik in der Krise“ diskutierten vor etwa 100 Gästen<br />

Professor Dennis J. Snower, Präsident des <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> <strong>Weltwirtschaft</strong>,<br />

Dr. Kurt-Ludwig Gutberlet, Vorsitzender der Geschäftsführung der BSH Bosch<br />

und Siemens Hausgeräte GmbH und Präsident der Gesellschaft, Prof. Dr.<br />

Wernhard Möschel, Universität Tübingen, Mitglied des Kronberger Kreises,<br />

MDg Dietrich Jahn, Leiter der Unterabteilung Europa im Bundesministerium<br />

der Finanzen, Bernd Dittmann, Leiter der Vertretung in Brüssel des Bundesverbands<br />

der Deutschen Industrie und der Bundesvereinigung der Deutschen<br />

Arbeitgeberverbände, und Dr. Jan Krancke, Leiter Regulatory Strategy and<br />

Economics, Deutsche Telekom AG. Moderiert wurde die Veranstaltung von<br />

Dr. Marc Beise, Leiter der Wirtschaftsredaktion der Süddeutschen Zeitung. Aus aktuellem<br />

Anlass wurde besonders die Frage „Schuldenkrise und keine nachhaltige Lösung in Sicht –<br />

wie soll es weitergehen in Europa?“ diskutiert. Die Experten befassten sich mit den Vor- und<br />

Nachteilen einiger europäischer Politikansätze. Abschließend beleuchteten sie den höchst<br />

komplexen Entscheidungsprozess während der Krise.<br />

Birgit Sander<br />

54


Das <strong>IfW</strong> im Überblick<br />

Zentrum<br />

Events<br />

Das Event-Zentrum unterstützt als interner Dienstleister die Forschungsbereiche<br />

und Zentren bei der Konzeption und Organisation<br />

von Veranstaltungen des <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> <strong>Weltwirtschaft</strong>.<br />

Es verfolgt das Ziel, alle Veranstaltungen zukunftsorientiert und<br />

nachhaltig zu gestalten. Dabei sorgt die enge Verzahnung von Forschungsbereichen<br />

und Zentren mit der Eventorganisation <strong>für</strong> die<br />

Umsetzung aktueller, relevanter Themen in der Veranstaltung.<br />

Zentrum<br />

IT-Strukturen<br />

Das Zentrum IT-Strukturen sieht sich als interner IT-Service Provider<br />

am <strong>IfW</strong>. Unser Ziel ist, eine hohe Nutzerzufriedenheit bei<br />

unseren internen Nutzern aus Forschung und Verwaltung sowie<br />

den Gästen des Hauses zu erreichen. Dabei wird stets auf Wirtschaftlichkeit<br />

und eine angemessene IT-Security geachtet. Neben<br />

der Weiterentwicklung und Betreuung der Netzwerk-, Server- und<br />

Dienste-Infrastruktur gehört das Clientmanagement <strong>für</strong> die 170<br />

festen Arbeitsplätze sowie das Benutzer- und Berechtigungsmanagement<br />

zu den Aufgabenbereichen des Zentrums.<br />

Über die reine Versorgung mit IT-Infrastruktur hinaus, berät und<br />

betreut das Zentrum die Forschungsbereiche, das Advanced<br />

Studies Program sowie Gastforscher bei der Auswahl und Nutzung<br />

von Software und IT-Systemen.<br />

Die Spanne der vom Zentrum bereitgestellten Systeme reicht von<br />

mathematischen und ökonometrischen Softwarepaketen über statistische<br />

Datenbanken bis hin zu Web-Konferenz-Systemen. Diese<br />

Systeme werden dabei sowohl im Eigenbetrieb als auch als Services<br />

aus der Internet-Cloud zur Verfügung gestellt.<br />

Zentrum<br />

Web Services<br />

Das Web Services Zentrum unterstützt die Außendarstellung des<br />

<strong>Institut</strong>s und die Netzwerkaktivitäten seiner Forscherinnen und Forscher<br />

durch die Bereitstellung und Anpassung moderner Webtechnologien,<br />

die Nutzern einen Zugang zu Forschungsergebnissen<br />

und teilweise auch Forschungsprozessen erlauben.<br />

55


<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Weltwirtschaft</strong> Hindenburgufer 66 24105 Kiel Tel. 0431/8814-1 Fax 0431/85853 www.ifw-kiel.de

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