Podiumsdiskussion - IFS
Podiumsdiskussion - IFS
Podiumsdiskussion - IFS
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Podiumsdiskussion</strong><br />
Beteiligte: Dr. Silvia Dollinger, Wolfgang Endres, Dr. Michael Enzinger, Arnulf Zöller, Prof.<br />
Heinz Günter Holtappels, Michael Köpf 1<br />
Moderator: Warum kann eine Ganztagsschule der Heterogenität besser Rechnung tragen,<br />
als eine Halbtagsschule?<br />
Dollinger:<br />
- Die Differenzierung zwischen Halbtagsschule und Ganztagsschule im Umgang mit Heterogenität<br />
ist eigentlich nicht die vorrangige Herausforderung. In beiden Schulformen<br />
wird Heterogenität als Herausforderung betrachtet.<br />
- Die Ganztagsschule bietet hier jedoch einen erweiterten Rahmen (räumlich, personell<br />
etc.), der als Chance zu nutzen ist, um konstruktiv mit Heterogenität umzugehen.<br />
- Es ergeben sich z.B. im Hinblick auf Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund<br />
bessere Möglichkeiten der Förderung, da die Angebote ganztägig gestaltet und<br />
besser auf die Zielgruppen ausgerichtet werden können. Durch das Mehr an Zeit<br />
kann in diesem Zuge auch die Elternarbeit besser gelingen.<br />
Moderator: Herr Prof. Holtappels, inwiefern kann eine Ganztagsschule der Heterogenität<br />
besser Rechnung tragen? Wo funktioniert das gut? Wo sind da Ansatzpunkte?<br />
Holtappels:<br />
- Man muss sich im Kopf davon verabschieden, dass Kinder gleich schnell, gleich viel<br />
und gleich erfolgreich lernen. Schülerinnen und Schüler lernen sehr unterschiedlich.<br />
Lernentwicklungsdiagnosen stellen daher ein wichtiges Element bei der individuellen<br />
Förderung dar.<br />
- Eine Ganztagsschule hat deutlich mehr Möglichkeiten unterschiedliche Lernarrangements<br />
zu schaffen. Wichtig dafür ist, dass das Wissen darum im Kollegium zusammentragen<br />
und gemeinsam ein tragfähiges Konzept verabschiedet wird. Fortbildungen<br />
spielen dabei ebenfalls eine wichtige Rolle.<br />
Moderator: Ist dabei auch eine Möglichkeit, die Schülerinnen und Schüler mal aus dem Klassenverband<br />
herauszuholen und eher nach gleichem Entwicklungsstand zusammenzufassen?<br />
Dollinger:<br />
- Das ist eine der großen Chancen, die Ganztagsschule hat.<br />
1 Informationen zu den Personen finden Sie auf S. 38.<br />
S. Menke / J. Krinecki, Institut für Schulentwicklungsforschung (<strong>IFS</strong>), TU Dortmund, 21.12.2012
- Ganztagsschulen sollten sich die Freiheit auch nehmen, Angebote und Strukturen zu<br />
schaffen, um Kinder auch in jahrgangsgemischten Gruppen oder z.B. ihren Neigungen<br />
entsprechend zusammenzuführen.<br />
Moderator: Wie findet Förderung unter Vielfaltsaspekten bei Ihnen statt?<br />
Enzinger:<br />
- Der Migrationshintergrund bei uns an der Schule liegt bei 70%. Zudem haben wir<br />
Kinder mit Lernhandicaps. Daher haben wir eine Förderschiene am Nachmittag mit<br />
dem zur Verfügung stehenden Personal zum Zweck einer individuellen Förderung<br />
eingerichtet.<br />
- Ein wesentlicher Punkt ist, dass man die eigentlichen Lerninhalte nochmal vertiefen<br />
kann und dass man den Kindern die Gelegenheit gibt, an ihrer Persönlichkeit zu arbeiten.<br />
- Wir können stolz sein, dass diese 70% Migrationshintergrund (bis auf wenige Fälle)<br />
bei den Kindern nicht zu spüren sind.<br />
- Die Ganztagserfahrungen wirken sich langfristig bei den Kindern aus.<br />
Moderator: Wo gab es bei Ihnen im Diskussionsforum den größten Gesprächsbedarf, Frau<br />
Dr. Dollinger?<br />
Dollinger:<br />
- Im Zentrum stand die Frage: Wie gehe ich konkret mit dieser Heterogenität um?<br />
- Die Fragen bezogen sich dabei auf die Ebene der Lernkultur.<br />
- Wenn Ganztagsschule gelingen und damit auch der Heterogenität Rechnung getragen<br />
werden soll, dann ist es nicht richtig, sich nur auf formale Bildungsaspekte zu beziehen.<br />
- Auszugehen ist von einem ganzheitlichen Konzept, das es schafft, Kindern Erfolgserlebnisse<br />
zu bescheren. Das kann ein Ansatzpunkt sein, Aspekte des informellen als<br />
auch des non-formalem Lernens zu berücksichtigen.<br />
- Kerngeschäft der Schule ist Lernen, Erziehung und Bildung.<br />
Moderator: Hat ein Lehrer, wenn er das 2. Staatsexamen hat, das gelernt?<br />
Dollinger:<br />
- Wenn man nach gutem Unterricht fragt, dann gelten sicher ganz viele Dinge, die wir<br />
aus der Unterrichtsentwicklung kennen sowohl für die Halbtagsschule als auch für die<br />
Ganztagsschule.<br />
- An den bayerischen Universitäten, so zeigte eine Umfrage, wird das Thema Ganztag<br />
noch kaum berücksichtigt und ist dementsprechend ausbaubedürftig.<br />
2<br />
S. Menke / J. Krinecki, Institut für Schulentwicklungsforschung (<strong>IFS</strong>), TU Dortmund, 21.12.2012
Zöller:<br />
- Wir haben den Auftrag, an den bayerischen Universitäten eine Ist-Standanalyse vorzunehmen,<br />
inwieweit das Thema Ganztag in der Lehrerausbildung verankert ist. Wir<br />
vermuten, dass das Ergebnis dieser Recherche defizitär sein wird. Es müssen dann<br />
entsprechende Handlungsempfehlungen geschrieben und weitergegeben werden.<br />
Moderator: Herr Prof. Holtappels, was muss ein Lehrer in einer Ganztagsschule können?<br />
Holtappels:<br />
- Vielleicht ist es gar nicht so viel mehr. Von besonderer Bedeutung sind die Elemente<br />
Diagnose und Förderung, die unmittelbar miteinander zusammenhängen. Grundschulen<br />
sind da in der Regel weiter als Sekundarstufenschulen.<br />
- An den Hochschulen muss auch Kritik geübt werden. Der Ganztagsbezug in der Lehrerausbildung<br />
muss verstärkt werden.<br />
- Lehrkräfte müssen lernen, mit anderem Personal zu kooperieren und neue Lerngelegenheiten<br />
in einer neuen Lernkultur zu entwickeln. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher<br />
Lerngelegenheiten und Lernarrangements, wie eine Erkundung oder eine Arbeitsgemeinschaft.<br />
Diese funktionieren nach anderen Maßstäben und können vor allem<br />
im Team entwickelt werden. Fortbildungen sind hier nach der universitären Ausbildung<br />
ein wichtiges Stichwort. Die schulinterne Fortbildung ist dabei die wirksamste<br />
Form der Fortbildung.<br />
Moderator: Inwieweit ist das Thema Ganztag und Lehrerausbildung bereits im Ministerium<br />
angekommen?<br />
Köpf:<br />
- Das Thema „Lehrerbildung und Ganztagsschule“ ist in der Tat ein „dickes Brett“.<br />
- Der Staat hat die Möglichkeit, die Lehramtsprüfordnung entsprechend zu verändern.<br />
Er kann vorschreiben, welche Inhalte in den Universitäten vermittelt werden müssen.<br />
Soweit sind wir bezüglich der Ganztagsschulthematik noch nicht.<br />
- Auf dem ersten Transferforum zum Thema „Ganztagsschule in der ersten und zweiten<br />
Phase der Lehrerausbildung“ des Programms „Ideen für mehr! Ganztätig lernen.“<br />
war erkennbar, dass auch andere Bundesländer hier Nachholbedarf haben.<br />
- Es gibt zwei Denkschulen: Zum einen besteht die Überzeugung, dass auch ein guter<br />
Halbtagslehrer ein guter Ganztagslehrer sein kann (er muss auch rhythmisieren oder<br />
offene Unterrichtsformen praktizieren können etc.). Zum anderen wird die Meinung<br />
vertreten, dass eine Ganztagsschule einen „neuen“ Lehrer braucht, der weiß, wie mit<br />
Externen umzugehen ist, wie das Arbeiten in professionellen Teams funktioniert etc.<br />
S. Menke / J. Krinecki, Institut für Schulentwicklungsforschung (<strong>IFS</strong>), TU Dortmund, 21.12.2012<br />
3
- Das ISB beschäftigt sich mit dieser Frage und gibt Ergebnisse an das Ministerium weiter.<br />
- Durch Gespräche mit Vertretern der Regierungsbezirke wurde jedoch ersichtlich,<br />
dass bereits eine Reihe von schulinternen Fortbildungen zum Thema Ganztag durchgeführt<br />
worden sind und die Nachfrage danach groß ist.<br />
Moderator: Herr Endres, wie schätzen Sie als Experte aus der Lehrerfortbildung die Vermittlung<br />
des „Abenteuers Ganztag“ ein?<br />
Endres:<br />
- Die schulinterne Fortbildung ist in der Tag ein ganz wichtiges Feld, um den Ganztag zu<br />
entwickeln und alle Beteiligten zu informieren.<br />
- Gerade die Ganztagsschule hat viele Möglichkeiten, neben der Wissensvermittlung,<br />
im erzieherischen Feld tätig zu sein. Dafür sind Lehrkräfte der früheren Generation<br />
nicht ausgebildet worden. Es handelte sich dabei um beiläufige Aufgabenfelder, die<br />
eher der eigenen Wahrnehmung oblagen.<br />
- Viele der Lehrkräfte sind mit dem Ganztag überfordert, weil sie es nicht schaffen, sich<br />
mit Anderen auszutauschen und kollegiale Hospitationen und Unterrichten im Tandem<br />
nicht kennen. Dem Widerstand sollte etwas Positives entgegengesetzt werden.<br />
Der Kongress birgt viele Möglichkeiten, das in Gang zu setzen.<br />
Moderator: Kinder lernen verschieden. Ist es nicht so, dass man nur Mutmaßungen anstellen<br />
kann, was bei den Schülerinnen und Schülern vom Unterrichtsstoff wirklich ankommt?<br />
Endres:<br />
- Ja, das stimmt. Das hängt von sehr vielen Faktoren ab, auf die ich auch nur ganz geringen<br />
Einfluss nehmen kann.<br />
- Dafür ist in der Ganztagsschule viel mehr Raum: Es gibt viel mehr Möglichkeiten in<br />
Kontakt zu kommen, zu beobachten, Gespräche über Dinge zu führen. Das erfolgt in<br />
vielfältigen Situationen, z.B. nicht nach lange eingeteiltem Plan, sondern je nach Situation,<br />
z.B. in der Warteschlange in der Mensa etc.<br />
- Bewusst sein sollte, dass die Art, in der Inhalte aufbereitet werden, Zugänge erst ermöglicht<br />
bzw. verwehrt. Ganztagsschule kann bei Kindern und Jugendlichen die Entwicklung<br />
von Fähigkeiten und Fertigkeiten unterstützen, die anderswo völlig verkümmern<br />
würden.<br />
Moderator: Was hat denn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in ihrem Diskussionsforum<br />
bewegt? Was waren die Fragen?<br />
S. Menke / J. Krinecki, Institut für Schulentwicklungsforschung (<strong>IFS</strong>), TU Dortmund, 21.12.2012<br />
4
Endres:<br />
- Es wurden sehr viele Themen angesprochen. So gab es u.a. einen Austausch darüber,<br />
welche Erfahrungen es mit Hausaufgaben gibt (Stichwort „hausaufgabenarme“ Zeiten),<br />
welche Funktion Hausaufgaben haben, was es mit dem Selbstlernkonzept auf<br />
sich hat und wie „Benimm-Regeln“ im Klassenzimmer als auch bei Tisch bei gemeinsamen<br />
Mahlzeiten eingehalten werden können.<br />
- Es war das Bedürfnis da, sich mit Anderen auszutauschen und von den Erfahrungen<br />
der Anderen etwas mitnehmen zu können. Kontroverse Diskussionen gab es nicht, es<br />
ging eher darum, voneinander lernen und profitieren zu können.<br />
Moderator: Herr Enzinger: Wie sieht es mit den Hausaufgaben an Ihrer Schule aus?<br />
Enzinger:<br />
- Schriftliche Hausaufgaben versuchen wir weitestgehend in die Schulzeit zu verlagern.<br />
- Was nicht machbar in der Schule ist, sind Aufgaben wie ein Gedicht oder für die Probe<br />
zu lernen. Solche Dinge müssen einfach in kleinen Einheiten immer wieder wiederholt<br />
werden.<br />
- Darüber informieren wir auch die Eltern, da hier auch ihre Unterstützung gefragt ist.<br />
Moderator: Wie weit geht das Unterstützen der Eltern bei den Hausaufgaben bei Ihnen?<br />
Eltern klagen häufig, dass das Erledigen der Hausaufgaben zu Hause sehr mühselig ist und sie<br />
ihren Kindern stets helfen müssen.<br />
Enzinger:<br />
- Solche Kinder gibt es immer, die Hilfe bei den Hausaufgaben benötigen und ermahnt<br />
werden müssen, ihre Hausaufgaben zu erledigen. Es gibt aber auch die, die selbstständig<br />
lernen und motiviert sind.<br />
- Eine Lehrkraft ist Organisator von Lernsituationen. Sie stellt Gelegenheiten, Platz und<br />
Raum zur Verfügung, um Übungen zu machen. In der Zeit kann sie sich mit den einzelnen<br />
Gruppen auseinandersetzen und genauer hinschauen.<br />
- Wenn Unterricht nicht wie früher gemacht wird, also alle gleich behandelt werden,<br />
sondern mit Wochenplänen gearbeitet oder Freiarbeit praktiziert wird, bieten sich<br />
Möglichkeiten, Gruppen herauszunehmen und zu unterstützen. Sinnvoll ist auch ein<br />
Helfersystem, bei dem sich die Schülerinnen und Schüler gegenseitig helfen (bis zu<br />
einem gewissen Grad). Die Lehrkraft kann sich dann einzelnen Gruppen oder einzelnen<br />
Schülerinnen und Schülern intensiver widmen.<br />
Moderator: Dadurch dass bei Ihren Kindern nicht die Eltern die Hausaufgaben begleiten/machen,<br />
kennen Sie sicher auch den Leistungsstand ihrer Kinder besser, oder?<br />
S. Menke / J. Krinecki, Institut für Schulentwicklungsforschung (<strong>IFS</strong>), TU Dortmund, 21.12.2012<br />
5
Enzinger:<br />
- Ja, das stimmt. Wir haben schon sehr früh damit begonnen, den Bereich der Diagnose<br />
ernst zu nehmen. Es ist wichtig, den Lernstand regelmäßig zu prüfen und Differenzierungen<br />
nach dem Lernstand der Kinder vorzunehmen (Stichwort Jahrgangsmischung).<br />
Insbesondere beim Thema Inklusion ist das ein Muss.<br />
Moderator: „Gemeinsam Schulleben im Ganztag gestalten“, das war das Thema in Ihrem<br />
Diskussionsforum. Worum ging es bei Ihnen?<br />
Enzinger:<br />
- Die Hauptfragen waren zum einen „Worauf muss ich bei der Kooperation mit Partnern<br />
achten?“ sowie „Wie kann durch eine entsprechende Setzung beim Personal der<br />
Heterogenität in Schule Rechnung getragen werden?“.<br />
- Spezifische Fragen konnten zwar geklärt bzw. intensiv besprochen werden, jedoch ist<br />
die Zusammenarbeit mit externen Partnern ein weites Feld, das in der Kürze der Zeit<br />
nicht in seiner Weite erfasst werden konnte. Zur Klärung von weiteren Fragen oder<br />
Besuchswünschen kann die Schule gerne kontaktiert werden.<br />
Moderator: Mit welchen Partnern arbeiten Sie an Ihrer Schule zusammen?<br />
Enzinger:<br />
- Wir haben im externen Bereich Leute eingestellt, die das tun, was sie können, d.h.<br />
Künstler, Sportler, Musiker. Wir achten ganz bewusst darauf, dass diese Personen ihren<br />
Ursprung nicht in der Schule oder im Kindergarten haben. Damit erreichen wir,<br />
dass die Schülerinnen und Schüler aus einem anderen Blickwinkel heraus betrachtet<br />
werden.<br />
- Zu dem weiteren pädagogisch tätigen Personal an unserer Schule zählen auch Menschen<br />
mit Migrationshintergrund. Diese sind insbesondere im Hinblick auf die Zusammenarbeit<br />
mit den Elternhäusern gewinnbringend.<br />
Moderator: Ich habe aus meinen Gesprächen mit Kongressteilnehmerinnen und -<br />
teilnehmern mitbekommen, dass Zuverlässigkeit in der Zusammenarbeit mit Externen häufig<br />
ein Problem darstellt. Haben Sie diese Erfahrung auch gemacht?<br />
Enzinger:<br />
- In dieser Hinsicht hatten wir keine Probleme. Wenn wir mit Partnern zusammenarbeiten,<br />
ist das immer für ein ganzes Jahr festgelegt. Jedoch gibt es erst seit vier Jahren<br />
einen festen Stamm von externen Partnern, mit denen die Zusammenarbeit sehr<br />
gut funktioniert.<br />
S. Menke / J. Krinecki, Institut für Schulentwicklungsforschung (<strong>IFS</strong>), TU Dortmund, 21.12.2012<br />
6
- Erwartungen sollten im Vorfeld geklärt und bei (Anfangs-)Schwierigkeiten das Gespräch<br />
gesucht werden.<br />
Moderator: Herr Köpf, was kommt im Ministerium zum Thema „Zusammenarbeit mit externen<br />
Partnern“ an?<br />
Köpf:<br />
- Es besteht ein regelmäßiger Austausch, zwar nicht direkt mit den Menschen vor Ort,<br />
sondern mit den Dachverbänden. Wir laden einmal im Jahr im Ministerium die entsprechenden<br />
Personen ein.<br />
- Für die Teilnahme am Diskussionsforum von Herrn Enzinger habe ich mich bewusst<br />
entschieden, da ich interessiert war zu sehen, wie er mit den vom Staat gegebenen<br />
Rahmenbedingungen in der Praxis umgeht.<br />
- Beeindruckend war die Kreativität, mit der an der Grundschule mit den Rahmenbedingungen<br />
umgegangen wird. Die Bedingungen werden nicht als statisch betrachtet.<br />
Zudem ist Herr Enzinger ein sehr engagierter Schulleiter, welcher ein ebenso engagiertes<br />
Team hinter sich hat.<br />
Enzinger:<br />
- Bedankt sich für das Lob und gibt es an sein Team weiter.<br />
Moderator: Herr Prof. Holtappels, wo sind Chancen, wo sind Stolpersteine bei der Zusammenarbeit<br />
mit Externen?<br />
Holtappels:<br />
- Besonders wichtig ist, dass der Ganztag als „Chefsache“ betrachtet wird und sich der<br />
Schulleiter für die Umsetzung der Ganztagsidee einsetzt.<br />
- Der Schulleiter muss aber auch ein Team von Leuten um sich haben, die aktiv sind<br />
und die Visionen mittragen.<br />
- Eine Steuergruppe ist ebenso wichtig, damit die Schulleitung entlastet wird.<br />
- Mit den externen Partnern sind unbedingt Kooperationsvereinbarungen abzuschließen,<br />
die u.a. die beidseitigen Erwartungen beinhalten (z.B. zwischen der Schule und<br />
dem Träger des Ganztags).<br />
- Forschungsbefunde deuten darauf hin, dass die Kooperation zwischen Lehrkräften<br />
und weiterem pädagogisch tätigem Personal besonders gut funktioniert, wenn die<br />
externen Kräfte mit einem hohen Stundenkontingent beschäftigt sind. Auch die Angebote<br />
entwickeln sich dann besser.<br />
- Natürlich braucht die Schule auch Künstler etc., die nur für wenige Stunden an der<br />
Schule sind, jedoch sollte das Kernpersonal (der außerschulischen Partner) mit einer<br />
höheren Stundenzahl beschäftigt sein.<br />
7<br />
S. Menke / J. Krinecki, Institut für Schulentwicklungsforschung (<strong>IFS</strong>), TU Dortmund, 21.12.2012
Moderator: „Qualitätssicherung an Ganztagsschulen“, das war das Thema im 4. Diskussionsforum.<br />
Herr Zöller, wie kann man Qualität an Ganztagsschulen sichern und messen?<br />
Zöller:<br />
- Dafür müssen zunächst einmal Standards festgeschrieben werden.<br />
- Vor fünf bis sechs Jahren war es ein großer Schritt, als die Bundesländer sich gemeinsam<br />
über einen Qualitätsrahmen zur externen Evaluation verständigt haben. Dies<br />
war ein hoher Konsensprozess zwischen den Ländern, in dem der Frage nach einer<br />
guten Schule nachgegangen wurde.<br />
- Für die Qualität von Schulen gibt es keine Patentrezepte. Insbesondere die Einzelschule<br />
ist für Qualitätsprozesse zuständig.<br />
- Entscheidend ist, dass die Schulen in einem Prozess stecken und Prioritäten setzen.<br />
Die Frage, die sich die Schulen dabei stellen müssen ist „Was wollen wir vor dem Hintergrund<br />
der uns zur Verfügung stehenden Ressourcen leisten, wenn wir zielführend<br />
vorgehen wollen?“.<br />
- Wenn man Professionalität ins System bringt, stärker datengestützt und mit Evaluationsmechanismen<br />
arbeitet, hilft das auch dem Gesamtsystem in Bezug auf Qualität<br />
ein Stück nach vorne zu kommen.<br />
Moderator: Was kommt ab Februar mit der Anwendung des Qualitätsrahmens auf die Ganztagsschulen<br />
in Bayern zu?<br />
Zöller:<br />
- Die Schulen werden zunächst als Ganzes begutachtet. Entscheidend ist, was danach<br />
passiert, ob ein ausreichendes Unterstützungssystem vorhanden ist, um die Schulen<br />
dort abzuholen wo sie stehen.<br />
- Wichtig ist zudem, dass das System als Unterstützung und nicht als Kontrollinstrument<br />
wahrgenommen wird.<br />
- Die Schulaufsicht trägt hier eine große Verantwortung, da sie die Bilanzberichte von<br />
den Schulen erhalten und auf dieser Basis Gespräche zur Weiterentwicklung mit den<br />
Schulen führen.<br />
Holtappels:<br />
- Wichtig dabei ist, dass die Qualitätsstandards und -indikatoren zunächst einmal als<br />
Orientierung betrachtet werden.<br />
- Bei einem eigenen (in Zusammenarbeit mit Dr. Ilse Kamski und Thomas Schnetzer)<br />
entwickelten bundesweiten Qualitätsrahmen war die Zielsetzung, nicht normativ zu<br />
sein.<br />
S. Menke / J. Krinecki, Institut für Schulentwicklungsforschung (<strong>IFS</strong>), TU Dortmund, 21.12.2012<br />
8
- Jedoch ist es auch legitim, dass der Staat Vorgaben macht bzw. seine Erwartungen<br />
aufzeigt.<br />
- Den Schulen sollte dabei jedoch auch die Freiheit gelassen werden, es unterschiedlich<br />
umzusetzen.<br />
- Es gibt kein „Standard-Schulkonzept“, denn Schulen sind sehr unterschiedlich.<br />
- Eine Vielzahl von Untersuchungen hat gezeigt, dass es nicht möglich ist, „top-down“<br />
ein Standard-Modell von Schule zu entwickeln.<br />
- Die Schulen müssen sich auch selbst evaluieren. Sie sollten sich vor allem Feedback<br />
von den Lernenden selbst holen, um zu überprüfen, ob sie auf dem richtigen Weg<br />
sind. Dieses ist höchst wertvoll für den eigenen Unterricht, für das eigene Lehrerhandeln,<br />
aber auch für die Schule insgesamt. Studien zeigen, dass Schulen, die Evaluation<br />
betreiben, die besseren Schulen sind. Das ist auch bei den Lernzuwächsen bei den<br />
Schülerinnen und Schülern zu beobachten.<br />
Zöller:<br />
- Evaluiert eine Schule sich selbst, bekommt sie in der Regel neben den Entwicklungsbedarfen<br />
auch Positives mitgeteilt. Das kann im Entwicklungsprozess zusätzlich motivieren.<br />
Moderator: Herr Zöller, wie sehen die Bilanzbögen genau aus?<br />
Zöller:<br />
- Die Bilanzbögen orientieren sich an dem Qualitätsrahmen für Ganztagsschulen.<br />
- Die Schulen werden in regelmäßigen Abständen gebeten, sich anhand von vierstufigen<br />
Skalen selbst einzuschätzen, bezogen auf die Mittagsbetreuung, die Elternbeteiligung<br />
etc.<br />
- Die Schulen werden gebeten, Ziele zu nennen, die sie in die darauf folgenden zwei<br />
Jahre umsetzen möchten.<br />
- Ziel ist es, eine Evaluationskultur an den Schulen zu etablieren.<br />
- Die Bilanzbögen gehen an die zuständige Schulaufsicht, die anhand dieser Rückmeldungen<br />
dann z.B. die Fortbildungsbedarfe in der Region feststellt.<br />
Moderator: Herr Köpf, haben sie schon Lösungen im Kopf, wie das gehen kann? Also wie<br />
man sicherstellt, dass die Arbeit mit dem Qualitätsrahmen als wichtige Maßnahme wahrgenommen<br />
wird?<br />
Köpf:<br />
- Das kommt insbesondere darauf an, wie die Schulaufsicht mit diesem Instrument<br />
umgeht. Es sollte nicht der Eindruck vermittelt werden, die Schulen kontrollieren zu<br />
wollen.<br />
9<br />
S. Menke / J. Krinecki, Institut für Schulentwicklungsforschung (<strong>IFS</strong>), TU Dortmund, 21.12.2012
- Zunächst einmal muss die Schule selbst die Bereitschaft haben, anhand des Qualitätsrahmens<br />
an sich zu arbeiten. Dafür ist es sinnvoll, dass die Schulen sich zunächst<br />
selbst einschätzen können.<br />
- Auch der Schulaufsicht ist bewusst, dass eine Ganztagsschule, die noch am Anfang<br />
steht, nicht vergleichbar ist mit einer Ganztagsschule, die in dieser Hinsicht schon einen<br />
mehrjährigen Entwicklungsprozess hinter sich hat.<br />
Zöller:<br />
- Die Bilanzbögen wurden gemeinsam mit der Schulaufsicht entwickelt bzw. konzipiert<br />
und Schulen zur Probe vorgelegt. Die Rückmeldungen zu diesem Instrument waren<br />
positiv.<br />
Moderator: Herr Enzinger, wie ordnen sie die Bilanzbögen ein?<br />
Enzinger:<br />
- Ich habe sie selber noch nicht gesehen.<br />
- Aber Grundsätzlich zur Evaluation: Jede Sicht von außen ist ein Gewinn für die Schule,<br />
da sie immer objektiver ist, als die eigene. Daher sollten Schulen selbstbewusst<br />
sein und Kritik annehmen können.<br />
Moderator: Schlussrunde: Wo sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Baustellen, an denen es zu<br />
arbeiten gilt?<br />
Dollinger:<br />
- Ich würde mir wünschen, dass der Qualitätsrahmen als Beratungsinstrument eingesetzt<br />
und wahrgenommen wird, nur dann kann er der Weiterentwicklung der Ganztagsschulen<br />
dienen.<br />
- Hinsichtlich der Lehrerausbildung gilt es, das Feld Kooperation mit Externen aufzunehmen<br />
bzw. stärker zu berücksichtigen. Hier muss es ein gemeinsames Qualitätskonzept<br />
geben, bedenkt man, wie viel Zeit Kinder und Jugendliche auch mit „Nicht-<br />
Lehrern“ in der Schule verbringen.<br />
Köpf:<br />
- Ich wünsche mir, dass die Ganztagsschule noch mehr ins Zentrum der Schullandschaft<br />
rückt. In Bayern ist seit 2002 zwar schon sehr viel in Angriff genommen worden,<br />
doch was die Quantität aber auch die Qualität anbelangt, muss diese Entwicklung<br />
weitergeführt werden.<br />
- Schulen und Schullandschaften verändern sich. Ganztagsschulen sind nicht mehr<br />
wegzudenken.<br />
S. Menke / J. Krinecki, Institut für Schulentwicklungsforschung (<strong>IFS</strong>), TU Dortmund, 21.12.2012<br />
10
Holtappels:<br />
- Ganztagsschulen sollten sich die folgenden Fragen stellen: Wie bringe ich den Schülerinnen<br />
und Schülern am besten das Lernen bei? Was sollen sie im Ganztagsbetrieb<br />
lernen, was wir über den Unterricht nicht oder noch nicht hinreichend hinbekommen?<br />
Was kann uns helfen, unsere Möglichkeiten voll auszuschöpfen? Was müssen<br />
wir den Schülerinnen und Schülern bieten? Welche Lernbedürfnisse und Lernbedarfe<br />
haben sie? Ultimativer Bezugspunkt ist die Frage, wie optimal gefördert, aber auch<br />
gefordert werden kann. Schulen sollten sich dabei Unterstützung holen und diese<br />
auch einfordern.<br />
- An die Bildungsadministration: Zum einen müssen die Ressourcen stimmen.<br />
- Schulen ist zu raten, nur das umzusetzen, was mit den gegebenen Ressourcen möglich<br />
ist.<br />
- Das Land und auch die kommunalen Schulträger müssen das erkennen und entsprechend<br />
handeln. Schulen sind immer auch Wirtschafts- und Wohnstandort. Wenn<br />
qualifizierte Arbeitskräfte keine gute Schullandschaft vorfinden, dann werden die<br />
kommunalen Schulträger das Nachsehen haben.<br />
- Schulen brauchen mehr externe Unterstützung und Entwicklungsberatung. Mehr Beratung<br />
und mehr Unterstützung für einzelne Schulen sind notwendig.<br />
- Die Niederlande machen das vor: Dort gibt es mehr Institute für die Beratung von<br />
Schulen, als mache Bundesländer Beratungspersonen haben.<br />
Zöller:<br />
- Qualitätsprozesse sind zeitintensive Prozesse. Mein Wunsch wäre, dass Schulen sich<br />
Zeit nehmen zum Entwickeln.<br />
- Es müssen die widersprüchlichen Rationalitäten bedacht werden: Die politische Rationalität<br />
denkt in anderen Kategorien als die pädagogische Rationalität.<br />
- Es ist nachvollziehbar, dass nach Investitionen auch sichtbare Ergebnisse gewünscht<br />
sind, jedoch muss auch akzeptiert werden, dass diese Effekte oftmals erst nach mehreren<br />
Jahren sichtbar werden. Daher gilt es, das Zeichen an die Schulen zu richten,<br />
dass sie diese Zeit auch haben.<br />
- Verweis auf Unterstützungsmaterialien für Ganztagsschulen: Vor einem ¾ Jahr wurden<br />
alle Ganztagsschulen in Bayern mit der Bitte um Einsendung von Best-Practice-<br />
Beispielen für Ganztagsangebote angeschrieben. Sehr viele Schulen kamen dieser Bitte<br />
nach. Die unzähligen ausgearbeiteten Beispiele wurden aufbereitet und stehen auf<br />
den Ganztagsportal zur Verfügung.<br />
Endres:<br />
- Eine Austauschbörse kann im erweiterten Sinne auch schulintern stattfinden, z.B. in<br />
Form von Supervision und gegenseitiger Hilfe.<br />
S. Menke / J. Krinecki, Institut für Schulentwicklungsforschung (<strong>IFS</strong>), TU Dortmund, 21.12.2012<br />
11
- Im Umgang mit Vielfalt gilt es, sich einen einfachen, aber wirkungsvollen Satz stets<br />
bewusst zu machen: „Jedes Kind ist einmalig!“. Mit dieser Sicht ergeben sich andere<br />
Möglichkeiten eine Gruppe und die einzelnen Kinder in dieser Gruppe wahrzunehmen.<br />
Enzinger:<br />
- Ich wünsche mir für meine Schule, dass die Nebenbegleiter und Verantwortlichen,<br />
die uns bis heute in Vielem unterstützt haben, genug sportlichen Ehrgeiz entwickeln,<br />
um sich nicht an den Schlechteren, sondern an den Besseren messen.<br />
S. Menke / J. Krinecki, Institut für Schulentwicklungsforschung (<strong>IFS</strong>), TU Dortmund, 21.12.2012<br />
12